Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[543]

Hans Zipperli an
Bullinger
[...],
[nach 4. März] 1535

Autograph: Zürich StA, E II 355, 62 (Siegelspur) Ungedruckt

Hat in der Kirche, im Streit mit dem bischöflichen Obervogt von Arbon [Jakob Christoph Krumm], Äußerungen getan, für die ihn der eidgenössische Landvogt im Thurgau [Christoph von Sonnenberg]bei seinem Gute behaften will; bittet um Hilfe.

Gnad von gat, dem vatter und unsserm heren Jesus Crist sige mit üch zufor, her Maister Hanrich Bolinger.

Ir sond 4 wyssen von ainem gutten, armen gesselen 5 , der ist uss der gmand von Rogwil 6 , dem gat es widerwerdig, alain von der gödlichen grechtikait wegen, das unss der vogt von Arben 7 hat die bredikanten verbaten und unss von alen kilhengüter verbaten 8 , och under unss in die kilhen gangen und an

1 Über Hans Zipperli (Züperlein) aus Roggwil (Kt. Thurgau) ist kaum etwas bekannt. Da er - wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht - am offenen Konflikt der Gemeinde Roggwil mit dem bischöflichen Vogt in Arbon (Kt. Thurgau) aktiv beteiligt war (vgl. dazu auch EA IV/1c 462 c und Alfred L. Knittel, Werden und Wachsen der evangelischen Kirche im Thurgau von der Reformation bis zum Landfrieden von 1712, Frauenfeld 1946, S. 58) und vom Landvogt im Thurgau schließlich schwer gebüßt wurde, verwendete sich Zürich am 18. Oktober 1535 für ihn bei der Gemeinde Roggwil (vgl. Zürich StA, B IV 6, 147). Er war wohl verwandt mit jenem Bernhard Züperlein, der 1537 als Mitglied der Roggwiler Delegation mit dem bischöflichen Vogt Krumm den Vertrag über die Aufteilung der Pfrundgüter aushandelte (vgl. Knittel, Werden und Wachsen, aaO, S. 61).
2 Zipperli gehörte vermutlich zu den flüchtigen Roggwilern (vgl. unten Anm. 3); der Absendeort des Briefes ist nicht bekannt.
3 An der Tagsatzung, die auf den 4. März 1535 in Luzern angesetzt war, wurde der Landvogt beauftragt, die Güter der geflohenen Roggwiler in Beschlag zu nehmen
(vgl. EA IV/1c 472 k). Zipperli, der diese Maßnahme sichtlich am meisten fürchtete (Z. 13), dürfte den Brief somit kurz nach dieser Tagsatzung geschrieben haben; wenn er mit dem Entflohenen identisch ist, für den Mitte April in Baden wiederum die Konfiskation angeordnet wurde (vgl. EA IV/1c 491), würde sich der Zeitpunkt der Abfassung sogar in den April verschieben.
4 sollt.
5 Zipperli meint sich selbst.
6 Die Roggwiler unterstanden eidgenössischer Oberhoheit, waren jedoch im bischöflichen Arbon kirchgenössig.
7 Obervogt des Bischofs von Konstanz in Arbon war Jakob Christoph Krumm (vgl. EA IV/1c 462 d und Knittel, Werden und Wachsen, aaO, S. 61).
8 Nach einer Klage des Bischofs war der reformierte Arboner Pfarrer Melchior [...] im Februar 1535 von der Tagsatzung suspendiert worden, worauf es im Roggwiler Amt, unter der Führung von Kaspar Andres, zum Aufruhr kam (vgl. René Hauswirth, Zur politischen Ethik der Generation nach Zwingli, in: Zwa XIII/5, 1971, S. 314, Knittel, Werden und Wachsen, aaO, S. 55-58, und EA IV/1c 462 e). Der Streit um die Pfrundgüter dauerte schon längere Zeit und wurde erst mit dem Vertrag


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hader mit edlichen angefangen. Do han ich geret, wene unss der vogt von Arben nit welte by frit und recht 9 lassen beliben und unss in ainen unbilichen kost werffen, wer ich der manug, den kasten zu im zu ssuchen 10 . Do red ainer 11 und sprach: "Er wurd er in das schlas ligen 12 und wurd üch 13 lassen nahelugen 4 ." Doch red ich, wene er dan im schlas welt ligen und frid und recht nit halte, so kund man im doch fur das schlas zühen und in bim grind 15 ussher werffen. Um soliche wart wil mir min her landfogt 16 nemen, was ich han. Darum bit ich üch, lieber her, das ir üch min in drüwen welent anemen um der er gades wilen und um miner klinen unertzagnen kinder 17 wilen. Wissend und furend min schwager 18 ; dan er ist deren sachen nit bericht 19 . Wo ich dan das kan um üch verdienen, mit samt aner gantzen gmand von Ragwil, das wil ich don.

Gat sige mit üch.

Von mir, Hans Zypperly,

aletzy 20 wilig mit hilff gates,

1535. jar.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwirdigen Maister Hanrichen Bolinger, bredikand zu Zürich, in sin erwirdige hant.

von 1537 beigelegt (vgl. Knittel, Werden und Wachsen, aaO, S. 59-61 und oben Anm. 1).
9 bei unseren Rechten, [Rechtshoheiten] (SI I 1276f). — Laut Vertrag von 1532 mußten die Reformierten selbst für ihren Pfarrer aufkommen; sie beanspruchten aber die Arboner Pfrund weiterhin und wurden schließlich 1537 mit einer Kaplanei-Pfrund abgefunden (vgl. Knittel, Werden und Wachsen, aaO, S. 56f).
10 die Unkosten bei ihm einzutreiben (SI III 549 und VII 216).
11 Unbekannt.
12 Eher würde er [der Vogt] sich mit Besatzung ins Schloß legen.
13 die reformierte Gemeinde.
14 das Nachsehen haben lassen.
15 Kopf (SI II 760).
16 Christoph von Sonnenberg aus Luzern.
17 Über Zipperlis Familie ist nichts Näheres bekannt.
18 Unbekannt.
19 nicht unterrichtet (SI VI 437f).
20 allzeit.