Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

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Andreas Karlstadt an
Bullinger
Basel,
14. Juli 1534

Autograph: Zürich StA, E II 336, 21 (Siegelspur) Gedruckt: Barge II 598

Von seiner Lage in Basel wird der Überbringer des Briefes berichten. Die Bibliotheken werden auf Anordnung des Basler Rates unter seiner Mitarbeit zusammengelegt. Er hält Vorlesungen über das Deuteronomium. Von den Friedensbedingungen [von Kaaden]weiß in Basel niemand Sicheres. Myconius ist zu ihm wie ein Vater. Grüße.

S. Si bene vales gaudeo. Ut nos valeamus et quid agamus, is significabit, qui has ad te perfert 1 . Ex multis bibliothecis unam nitimur iussu senatus facere 2 .

14 Die Rückgabe der an Frankreich verpfändeten Grafschaft Mömpelgard an Herzog Ulrich erfolgte in aller Form am 14. Juli 1535, s. Heyd III 33.
15 Zu der in Bar-le-Duc im Januar und Februar 1534 ausgehandelten Verpfändung Mömpelgards an Frankreich und den diesbezüglichen Bedingungen s. Wille 147.
16 weiter.
17 Ansprüche stellen, rechtliche Forderungen erheben.
18 Zu der Badegesellschaft in Urdorf (Kt. Zürich) s. unten S. 255, Anm. 5. 19 die Badekur in Urdorf.
20 Gemeint ist: ich möchte euch (als Badschenke) bringen, bzw. zukommen lassen.
21 Fischsuppe aus jungen, im Juli in großer Menge gefangenen Fischen (SI II 1585f).
1 Der Überbringer des Briefes ist nicht bekannt.
2 Am 1. Juli 1534 beschloß der Basler Rat, Karlstadt zum Professor für Altes Testament zu ernennen und ihn zu beauftragen, mit andern den Lehrplan zu begutachten und die Bücher in der «Liberey» zu ordnen. Welche Büchereien in die bis dahin unbedeutende Universitätsbibliothek (diese ist wohl gemeint) kommen sollten, ist nirgends festgehalten. Die bedeutenden Basler Klosterbibliotheken gelangten erst 1559, bzw. 1590 und noch später in die Universität, s. Th[eophil] Burckhardt-Biedermann, Die Erneuerung der Universität zu Basel in den Jahren 1529-1539, in: Beiträge zur vaterländischen Geschichte 14 (NF 4), Basel 1896, S. 436f; Barge II 460f; Karl Schwarber, Die Entwicklung der Universitätsbibliothek zu Basel, Basel 1944 (Sonderdruck aus: Basler Studentenschaft, 25. Jg., 5. Heft, 1944), S. 1f. 6.


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Deuteronomion hebraice alternis praelego. Pacis 3 conditiones nemo, opinor, hic novit. Si nosti, communica. Myconius mihi parentis loco est. Faxit deus, ut longam, eamque incolumem vitam degat.

Vale feliciter. Et d. Theodorum 4 , Leonem 5 , Pellicanum, prepos[itum]6 , Heinrichum Utinger, Nüschel[er]7 , Golden 8 , d. Ioannem lacobum Amanum, Colinum 9 et reliquos omnes omniumque coniuges meis verbis salutari cupio.

Basileae, die 14. iulii anno 34.

Tuus Carolostadius.

[Adresse auf der Rückseite:] Prudenti et eximio viro d. H. Bullingero, Tiguri a concionatoribus primario, fratri charissimo a .

a Darunter von fremder Hand: Carolostadii, octo. N. o 1.
3 Zum Frieden von Kaaden, 29. Juni 1534, s. Heyd II 493-497; Wille 193-234; Keller 69-100.
4 Theodor Bibliander.
5 Leo Jud.
6 Felix Frey (Frei, Fry, Liberianus), magister artium zu Paris, wurde 1505 Chorherr und 1518 der letzte Propst des Großmünsterstiftes in Zürich. Der humanistisch gebildete, kunstliebende Mann setzte sich für die Wahl Zwinglis und dann aber für die Beibehaltung der Bilder und der Messe ein. Allmählich versöhnte er sich mit der Reformation. Im Jahre 1526 wurde er wegen seines Widerstandes gegen die Konfiskation der Stiftsschätze vorübergehend eingesperrt. Er heiratete 1526 Magdalena Öuglin. Von 1528 bis zu seinem Tod im Jahre 1555 war er Obmann des Almosenamtes und von 1542 bis 1555 Mitglied des Zürcher Ehegerichtes (s. Zürich StA, YY 1.7-1.19). Felix Frey trat zeit seines Lebens immer wieder streitbar für die Autonomie-Rechte des Stiftes ein: 1530 zusammen mit Zwingli vor dem Rat, 1532 mit Hilfe Bullingers gegen obrigkeitliche Säkularisierungsabsichten, 1545 mit einer großen apologetischen Schrift und kurz vor seinem Tod in einem Abschiedsbrief an den Rat. Er war Taufzeuge von Zwinglis Tochter Anna und von Bullingers Tochter Dorothea. - Lit.: AZürcherRef, Reg.; Z VII 103f, Anm. 3; Theodor Pestalozzi, Die Gegner Zwinglis am Großmünsterstift in Zürich, Zürich 1918, S. 90-92. 134f. 161-167; Leo Weisz, Quellen zur Reformationsgeschichte des Großmünsters in Zürich, in: Zwa VII/2, 1939, 65-90, und VII/3,
1940, 172-202 (vor S. 137 Bild Freys); Bächtold, Bullinger vor dem Rat, Reg.; HBLS III 246.
7 Heinrich Nüscheler, gest. 1558, Magister, Chorherr am Großmünsterstift. Der Reformation gegenüber äußerte er anfänglich Bedenken, gehörte auch zu den fünf Chorherren, mit denen Zwingli am 19. Januar 1524 disputierte, fügte sich jedoch und verhielt sich loyal zur neuen Ordnung. Seit 1531 war er Verwalter des Studentenamtes, von 1533 an Stiftsverwalter. Mit Bullinger arbeitete er freundschaftlich zusammen und wurde 1547 Pate von dessen Sohn Felix. - Lit.: AZürcherRef, Reg.; Leo Weisz, aaO, passim; Bächtold, Bullinger vor dem Rat, Reg.; HBLS V 313.
8 Gemeint ist Johann (Hans) Heinrich Göldli (Göldi), seit 1518 Chorherr am Großmünsterstift. Er wurde 1523 wegen des Verdachts politischer Umtriebe in den Wellenberg(-Gefängnisturm) gelegt, gefoltert, aber unschuldig befunden. An der Maisynode 1528 wird über seine hoffärtige Frau geklagt. Lange galt er als römisch-katholisch gesinnt, wurde aber 1533 als gutwillig und brauchbar befunden. Er starb am 6. März 1553. Er darf nicht verwechselt werden mit Heinrich Göldli, nach Studien in Basel seit 1504 Kaplan am Großmünsterstift, päpstlicher Schildträger und meistens in Rom lebend und ein großer Pfründenjäger. - Lit. zu beiden: AZürcherRef, Reg.; Friedrich Hegi, Dokumente der altgläubigen Chorherrenpartei am zürcherischen Großmünster, in: Zwa II/15, 1912, 472-484; Theodor Pestalozzi, aaO, S. 62-64. 68-81. 122-127; HBLS III 582.
9 Rudolf Collin.