Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[368]

Bullinger an
[Philipp von Hessen]
Zürich,
29. April 1534

Autographes Konzept: Zürich ZB, Ms K 40, 59r. Ungedruckt

Hat auf Wunsch Philipps von Hessen den Gesandten [Johannes]Lening in der Ausführung seines Auftrages unterstützt. Außer dem Artikel über eine mögliche Bedrohung des Sundgaus, der für Zürich unnötig war, ist alles getreulich vorgetragen worden. Lening wird ausführlich Bericht erstatten.

Durchlüch[tiger], hochgepor[ner] fürst und herr, min a gepürlich 2 , willig dienst syend u[wer] f[ürstlich] g[nad]en voran bereydt.

Synode ist zu entnehmen, daß der Pfarrer von Rüti (aufgrund des vorliegenden Briefes sowie von Nr. 369 und 499 eindeutig Konrad Lüthard und nicht Michael Farner, wie Pfarrerbuch 77 und diesem folgend Stucki, Lavater 139 und Bächtold, Bullinger vor dem Rat 40 angeben) vor den Klosterknechten mit harten Worten Kritik an der Regierung geübt und deren Neubesetzung mit Leuten gefordert haben soll, «so nit suffer, spiler noch hurer werind» (Zürich StA, E II 1, 131a). Er wurde daraufhin verhaftet (s. noch unten S. 152, 3f) und verhört, war aber nicht bereit, die ihm zur Last gelegten Äußerungen zu belegen oder zu konkretisieren. Der Rat zeigte sich schließlich gnädig und ließ Lüthard straflos frei (Zürich StA, E II 1, 131b).
6 Horaz, Epistola I, 18, 71.
7 Stumpf als Dekan des Kapitels Wetzikon.
8 Ulrich Pfister (Pistoris), gest. 1535. Er unterzeichnete
1522 die Bittschrift an den Bischof von Konstanz betreffend die Priesterehe. In Uster war er zunächst Kaplan, dann Pfarrer. Als solcher nahm er 1528 an der Berner Disputation teil. Seit 1527 und (entgegen Pfarrerbuch 472) noch 1534 war er Dekan (s. Zürich StA, E II 1, 131k und Bächtold, Bullinger vor dem Rat 42). - Lit.: ABernerRef 1466; AZürcherRef 1391, S. 601. 1409. 1986; Z I 209; HBLS V 424.
9 Siehe unten Nr. 371.
a min korrigiert aus unser.
1 Philipp von Hessen als Adressat ergibt sich aus der Erwähnung Lenings, der als sein Gesandter in Zürich weilte. Siehe unten Z. 3 und Anm. 3. Vgl. auch Philipps Beglaubigungsschreiben für Lening vom 15. April 1534 in: Zürich StA, A 191.
2 geziemende (SI IV 1532).


Briefe_Vol_04_0151arpa

Demnach b u. f. g. begärt c 4 , Lenigno d 3 , u. f. g. mundtpotten 5 beholffen ze sin, hab ich minen e besten flyß angewendt, daß er sin empfälch 6 ze dem f getrüwlichisten g vollenden h möchte. Das er ouch geflyssen i gethon, biß ann den einen artickel, die bedrowung inn gestallten der k embörung 7 gägen dem Sundgöw belangend l 8 . Dann sömlichs uß vilen ursachen 9 fürzetragen sich by uns gar nitt m geschickt 10 , noch u. f. g. nutz gewäsen, allß n das ützid 11 [h]ätte mögen für[d]ern. Was dan[n]ethin by unß [u.]f. g. und iro [f]ürnemmen

b Demnach korrigiert aus Uff.
c Vor begärt gestrichen schryben und.
d Gestrichen habend wir mitt und übergeschrieben Lenigno.
e Gestrichen unsern und übergeschrieben beholffen ze sin hab ich minen.
f empfälch ze dem korrigiert aus bottschafft.
g getrüwlichisten korrigiert aus getrüwlich. h Vor vollenden gestrichen und flyssig.
i geflyssen übergeschrieben.
k gestallten der am Rande nachgetragen.
l belangend korrigiert aus beträffend.
m fürzetragen sich by uns gar nitt korrigiert aus nitt by unß nutz gewäsen [nitt versehentlich nicht gestrichen].
n-o Von allß bis fürgetragen am Rande nachgetragen. Text leicht beschnitten.
3 Johannes Lening (Neobulus, Milsungerus), von Butzbach (Hessen), 1491-1565. Im Jahre 1509 erwarb sich Lening in Erfurt den Grad eines Baccalaureus. Nach einigen Jahren im Schuldienst in Butzbach wurde er 1514 Mönch, 1524 Prior in der Kartause zu Eppenberg. Von 1525/1526 an war er Kaplan, ab 1528 bis zu seinem Tode Pfarrer von Melsungen (Hessen-Nassau). Lening übernahm immer wieder Sonderaufträge im Dienste des Landgrafen Philipp von Hessen. So reiste er 1533 mit Theodor Fabricius nach Münster, um mit den Täufern zu disputieren. In die Eidgenossenschaft kam er als Gesandter Philipps, um über dessen Württemberger Feldzugsplan zu informieren; zuerst sprach er in Basel vor (s. PA 1792 [II 446]), noch vor dem 29. April war er in Zürich (von da aus schrieb er am 29. April nach Konstanz, s. Blarer BW I 491) und kurz darauf war er vor dem Rat in Bern (s. unten S. 156, 35f). Lening schuf sich Widerstand und Feindschaft, als er 1540 die Doppelehe des Landgrafen begünstigte und für diese publizistisch eintrat. In dieser Frage setzte er sich 1543 auch mit Bullinger auseinander (s. Walther Köhler, Hessen und die Schweiz nach Zwinglis Tode im Spiegel gleichzeitiger Korrespondenzen, in: Philipp der Großmütige. Festschrift des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, Marburg
1904, S. 473; vgl. Briefwechsel Landgraf Philipp's des Großmüthigen von Hessen mit Bucer, hg. v. Max Lenz, 2. Teil, Leipzig 1887. - Publicationen aus den K. Preußischen Staatsarchiven 28, S. 121f). Auch sein Wankelmut in der Interimsfrage (erst Zustimmung, dann Ablehnung) war seinem Ansehen abträglich. In der Abendmahlsauffassung blieb er Zwinglianer; er bezeugte dies noch 1556 offen. Aus dem Briefwechsel mit Bullinger sind aus den Jahren 1543-1561 sechs Briefe Lenings und ein Brief Bullingers erhalten. - Lit.: -t., Johannes Lening, Melsungens Reformator. Zum 333. Todestage eines Vielgeschmähten, in: Hessenland 12, 1898, S. 98-101, und 13, 1899, S. 77; Alfred Uckeley, Bericht über das kirchliche Leben einer hessischen Gemeinde [Melsungen] in den Jahren 1525-1527, in: ZKG 60, 1941, S. 75-88; ders., Die (lateinische) Selbstbiographie des Melsunger Pfarrers Johannes Lening aus Butzbach vom Jahre 1564, in: Festschrift Wilhelm Diehl, Darmstadt 1941. - Beiträge zur Hessischen Kirchengeschichte 12, 1941, S. 193-204; Oskar Hütteroth und Hilmar Milbradt, Die althessischen Pfarrer der Reformationszeit, Marburg 1966. -Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen und Waldeck 22, S. 202-204; Robert Stupperich, in: NDB XIV 211.
4 Eine schriftliche Bitte des Landgrafen liegt nicht vor.
5 Bote, der eine Sache mündlich vorbringt (Grimm VI 2684f).
6 Auftrag (SI I 798).
7 des Aufbruchs in Waffen (SI IV 1510).
8 Der Sundgau war seit dem 15. Jahrhundert Interessengebiet eidgenössischer Orte, besonders Basels (s. Walter Schaufelberger, Spätmittelalter, in: HSG I 312-335. 346). Offenbar befürchtete Philipp einen eidgenössischen Einfall in jenes Gebiet. Zu den Gerüchten um Machenschaften gegen den Sundgau und gegen Breisach s. oben S. 95, 2-6 und 132, 8-11.
9 Gründen (SI VII 118f).
10 passend, geeignet (SI VIII 512f).
11 etwas.


Briefe_Vol_04_0152arpa

12 dienstlich gewäsen, [i]st geflyssen fürgetragen o 13 , allß p 14 Lenignus q , unser lieber brüder und getruwer, nach der leng r u. f. g. erzelen kan 15 . Gott der allmächtig verlyhe u. f. g. sin krafft und s gnad, daß sy inn rein fürchte, vonn hertzen anrüffe, getrost sich imm t ergäbe und u inn v imm nach allem wunsch zu guten und erbreyterung deß heyligen evangely gesyge 16 . Dorumb bittend wir inn ouch von hertzen.

Datum Zurych deß 29. tags imm aprellen imm 1534. jar.

U. f. g. gantz williger diener H. B.,

diener deß wortz der kylchen Z[ürich].