Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3177]

[Ambrosius Blarer
an Bullinger 1 ]
[Konstanz,
ca. Mittwoch, 4. April 1548]2

Autograph: Zürich StA, E II 453, 187.4 (ohne Siegel) a Ungedruckt

[1]Blarers Verwandter Gregor von Ulm wird seine beiden Söhne [Hans Konrad und Heinrich] in einem Monat [zur weiteren Ausbildung] zu Johannes Wolf nach Zürich schicken. Zuvor wurden sie [in Konstanz] von Jakob Funcklin unterrichtet. [2]Blarer und seine Schwester [Barbara von Ulm, geb. Blarer] wünschen sich sehr, dass auch Blarers Neffe (Hans) Walter, der Sohn von Barbara und dem verstorbenen Heinrich von Ulm, mit seinen gebildeten Cousins von Wolf [zur Ausbildung]aufgenommen werde (sofern Bullinger dies zustande bringen kann). Er wurde nämlich [bereits]gemeinsam mit diesen beiden von Funcklin erzogen und hat denselben Bildungsstand. Blarer und seine Schwester wären dafür sehr dankbar. Bullinger sei versichert, dass es sich um einen anständigen und fleißigen Jungen handelt. [3]Es gibt noch einen vierten Jungen, [N.N.]Kürnstaller, den Sohn des Konstanzer Ratsherrn Johannes [Ludwig]Kürnstaller, der Bullinger bekannt sein dürfte. Der talentierte und sehr wohlerzogene Junge wurde [ebenfalls] eine Zeit lang von Funcklin unterrichtet, kann von diesem aber aus verschiedenen Gründen nicht allein weiterunterrichtet werden. Sein Vater fragt Blarer daher nun unentwegt, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gebe, dass auch sein Sohn von Wolf als Schüler angenommen werde. Schließlich habe er ja den gleichen Unterricht wie die übrigen [drei Jungen]erhalten und dürfte diesen auch ein angenehmer Tischgenosse sein. Blarer bittet Bullinger daher in Kürnstallers Namen, Wolf zur Aufnahme des Jungen zu ermuntern. [4]Sollte Wolf jedoch nicht über genug Wohnraum für die Unterbringung des jungen Kürnstallers verfügen oder sich aus anderen Gründen weigern, [neben Heinrich von Ulms Söhnen zwei weitere Schüler aufzunehmen], soll er aber nicht Blarers Neffen ablehnen, [sondern Kürnstaller]. Blarer hofft, dass Bullinger irgendwie (nötigenfalls auch mit Nachdruck!) Wolf [zur Aufnahme aller vier Jungen] veranlassen kann. Für diese Wohltat wären Barbara von Ulm und Blarer sehr dankbar, wobei sie Bullinger ja ohnehin schon aus vielen Gründen völlig ergeben sind! Aufrichtige Grüße an Wolf Blarer wird es ihm bei Gelegenheit verdanken, wenn er ihm und seiner Schwester entgegen kommt. [5][Textverlust von mehreren Zeilen]. [6][P.S.:]Das von Bullinger kürzlich zugesandte Büchlein ["Series es digestio temporum "]gefällt ihm sehr. Die Schrift ist zwar in thematischer Hinsicht nicht sehr abwechslungsreich, aber von großem Nutzen. Daher [dankt]Blarer zum wiederholten Male.

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Bullinger als Empfänger erschließt sich aus dem Inhalt.
2 Da Johannes Wolf in seinem Brief an Blarer vom 13. April 1548 angibt, dass er am 6. April vom Inhalt des vorliegenden Briefes durch Bullinger erfahren habe, kann dieses Schreiben in Anbetracht der etwa zweitägigen Reisezeit
von Konstanz nach Zürich kaum nach dem 4. April 1548 verfasst worden sein. Da es sich um ein dringendes Anliegen handelte, ist davon auszugehen, dass sich Bullinger der Sache unmittelbar nach Erhalt des Schreibens annahm und Wolf aufsuchte; s. Blarer BWII 695, Nr. 1521.


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Indicavit mihi proximis diebus hisce affinis meus Gregorius ab Ulmis, se post mensem duos filios 3 , quos hic apud Funcklium 4 nostrum habet, istic ad Wolfium vestrum 5 missurum.

Id quum vero nepos meus ex sorore Gvaltherus 6 , Heinrichi ab Ulmis demortui fihius, et ipse hic apud Funcklium filis 7 cum Gregorii in iisdem studiis versatus sit equalesque in illis progressus fecerit, valde cupit soror mea (nec minus ego!) b , ut etiam Gvaltherus foster (te impetrante) una cum doctis duobus a Wolfio recipiatur. Feceris nobis supra modum gratum, si istuc nobis apud illum effeceris. Adulescens est, quod sancte tibi affirmo, et pius et studiosus.

Est praeterea quartus puer 8 : senatoris nostri lohannis Kurstalleri 9 fihius (viri tibi, ni fallar, non incogniti) c c , qui apud eundem Funcklium aliquamdiu iam institutus est, felicis ac optime morati ingenii, quem solum retinere Funcklius multas ob caussas nequit. Propterea pater multis et obnixe me rogavit, ut, si ulla ratione fieri possit, suus quoque filius in Wolphii contubernium admittatur, quum hactenus eadem cum ceteris studia secutus d , et inis non incommodus convictor futurus sit. Et pro

b Klammern ergänzt. -
c Klammern ergänzt. -
d In der Vorlage sectutus.
3 Hans Konrad, gest. 1592, und Heinrich von Ulm, nach der gleichnamigen Herrschaft im Kt. Thurgau auch "von Wellenberg"genannt. Sie sollten sich 1551 als Studenten nach Oxford zu ihrem Verwandten, Magister Johannes von Ulm, begeben; s. Josua Maler, Selbstbiographie eines Zürcherischen Pfarrers aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: ZTB VIII, 1885, 144. 160; zu Johannes s. auch HBBW XV, Nr. 2153, Anm. 7; zu Hans Konrad s. auch HBLS VII 114.
" Jakob Funcklin, geb. 1522/23, war zu dieser Zeit als Pfarrer und Privatlehrer in Konstanz tätig. Zu seinen Schülern hatte u.a. auch Georg Frölichs Sohn Jonas gehört; s. HBBW XII, Nr. 1624, Anm. 3; XV, Nr. 2251,1-8 mit Anm. 4; Nr. 2235, Anm. f; XIX, Nr. 2858, Anm. 4.
5 Johannes Wolf geb. 1521, gest. 1572, wirkte zu dieser Zeit als Pfarrer an der Zürcher Predigerkirche. Zudem beherbergte und unterrichtete er in seinem Haus mehrere Schüler; s. HBBW II, Nr. 74, Anm. 1; Wolfs oben in Anm. 2 erwähnten Brief an Blarer vom 13. April 1548.
6 (Hans) Walter von Ulm, Sohn von Blarers Schwester Barbara, geb. Blarer, und Heinrich
von Ulm. - Sein Onkel, Gregor von Ulm, hatte am 16. Dezember 1546, zwei Tage nach dem Tod seines Bruders Heinrich die Vormundschaft für dessen Kinder aus der Ehe mit Blarers Schwester Barbara, geb. Blarer, übernommen. Um die Bildung der Kinder hatte er sich indes, wie der vorliegende Brief zeigt, nicht gekümmert; s. HBBW XVIII, Nr. 2716,3-5; XX, Nr, 3021, Anm. Wf.
7 Zu diesen s. oben Anm. 3.
8 Abgesehen von den im vorliegenden Brief angegebenen Informationen ist die Person unbekannt.
9 Johannes Ludwig Kürnstaller amtete zu dieser Zeit als Ratsschreiber und Vertreter der Niedergelassenen in Konstanz; s. Konrad Beyerle, Die Konstanzer Ratslisten des Mittelalters, hg. y. der Badischen historischen Kommission, Heidelberg 1898, S 238. -Anhand Blarers Brief vom 25. Juni 1546 lässt sich vermutlich ein Besuch Kürnstallers in Zürich nachweisen, sodass Bullinger mit ihm durchaus auch persönlich bekannt gewesen sein konnte. Andersfalls war ihm dessen Name zumindest aus Blarers Briefen geläufig; s. HBBW XVII, Nr. 2471,4f mit Anm. 3; HBBW XVII und XIX, Reg.


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illo igitur vehementer peto, ut officium hic tuum mihi non denegas et Wolphio persuadeas, ne bonum hunc puerum excludat.

Quod si forte non tam laxe habitat, ut recipere hunc possit, aut recte ob alias caussas nolit, tum ne Gvaltherum meum abarceat. Sperabo te vel vi etiam, si aliter nequeas, extorquere ab ipso posse. Maximo certe beneficio et optimam sororem meam et me (iamdudum quidem multis tibi nominibus 10 devinctos) ab integro obstrictos habiturus Wolphium mea vice officiosissime salutabis, cui vicissim, ubiubi casus aliquis tenet, benigne gratificabor, si hac in re nobis non defuerit.

[...]e [...]. [Ohne Datum und Unterschrift.]

|| v. Libellus 11 , quem nuper misisti, vehementer mihi arridet, quum non sit tam ipsa varietate iucundus, quam est magnarum rerum tractatione utilis, ut iterum atque iterum huius tibi nomine maximas agam gratias.

[Ohne Adresse. ] 12

e Hier und im Folgenden Textverlust mehrerer Zeilen (einschließlich Datum und Unterschrift) durch Papierverlust. -Bullinger schnitt einen Teil des Briefes selbst ab, um ihn Wolf (abgesehen vom Nachtrag auf der Rückseite) ausschließlich mit jenen Informationen vorlegen zu können, die diesen betreffen; s. den Brief von Wolf an Blarer vom 13. April 1548 (ZB Zürich, Ms F 41, 313 r.).
10 multis ... nominibus: aus vielen Gründen; vgl. Kirsch 1888.
11 Gemeint ist Bullingers Werk "Series et digestio temporum"(HBBibI I 176; VD16 ), für das Blarer sich bereits am 10. März 1548
brieflich bedankt hatte; s. Nr. 3157,9f.
12 Möglicherweise hatte sich die Adresse auf der Rückseite des von Bullinger abgeschnittenen Briefteils befunden; vgl. oben Anm. e.