Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3172]

Johann Leopold Frey
an Bullinger
Biel,
Mittwoch, 28. März 1548

Autograph: Zürich StA, E II 360, 471 (Siegelspur) a Ungedruckt

[1]Frey hatte wegen der ihn schon länger quälenden Frage [zum Verbot, die eigene Nichte zu heiraten], Bullinger schon zweimal geschrieben [HBBW XX, Nr. 3075 und Nr. 3087, vom 13. November und 1. Dezember 1547], diesem dann aber einen eigenen Lösungsvorschlag für dieses nichtige Problem zugeschickt [Nr. 3114 am 20. januar 1548]. Er wartet nunmehr begierig auf dessen Einschätzung. Bullinger möge ihm mitteilen, wenn der Brief nicht angekommen sein sollte. Dann würde Frey ihm erneut schreiben (auch wenn er Bullinger lästig fällt). -[2]Seit der Gefangenahme von [Herzog Johann Friedrich I. von Sachsen] und [Landgraf Philipp von Hessen]durch Kaiser Karl V. haben die Bieler keine Nachrichten mehr über die beiden erhalten. Bullinger möge ihnen diesbezüglich, aber auch über Karl V, Mitteilung machen, sofern er Verlässliches weiß. Ansonsten werden die Bieler womöglich keine Neuigkeiten erhalten. -[3]Grüße, auch von den Bielern, an Bullinger und die Zürcher. -[4][P.S.:]Frey wollte noch Folgendes anfügen: Fest steht, dass man unter König Heinrich II. von Frankreich grausam gegen die Evangelischen vorgeht. In Paris werden fortwährend Bekenner des wahren Glaubens verbrannt. Man schneidet sogar denjenigen, die aufgrund ihrer Redegewandtheit andere bei der öffentlichen Hinrichtung mit ihrem Glaubensbekenntnis bekehren könnten, zuvor die Zunge heraus! -[5]Erneuter Gruß.

S.D.P. Si vales, bene est. Ego valeo.

Rescripseram 1 denuo tibi, mi pater, super inani illa quaestiuncula, quae me diu vexavit. Tandem, in quo hallucinarim 2 , ut mihi videor, comperi. An recte secusve compererim, tuum iudicium iamdudum oscitans inhio. Quodsi literas ilias non recepisti, per proximum mihi nuncium significato. Et denuo tibi rescribam efficiamque, ut me hominem satis molestum et improbe admodum, quae cupio, efflagitantem dicas.

Precor item, ut scribens paucis etiam certifices de rebus Saxonicis 3 , cesareisve 4 et

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 Frey hatte sich in der Frage, weshalb die Ehe von Cousin und Cousine erlaubt, von Onkel und nicht-blutsverwandter Nichte hingegen verboten sei, bereits am 13. November 1547 (HBBW XX, Nr. 3075) sowie am 1. Dezember 1547 (HBBW XX, Nr. 3087) an Bullinger gewandt. Da diese Briefe unbeantwortet blieben, schickte er ihm am 20. Januar 1548 ein weiteres Schreiben mit einem eigenen Erklärungsversuch zu und erbat dessen Stellungnahme
2 in quo hallucinarim: was ich nicht durchschaut habe; vgl. Kirsch 129 s.v. allucinor.
3 Johann Friedrich I von Sachsen. -Zu dessen Lage in kaiserlicher Gefangenschaft s. zuletzt Nr. 3148,17. -Zur Verleihung der sächsischen Kurfürstenwürde an Herzog Moritz von Sachsen am 24. Februar 1548 s. Nr. 3150,19-21 mit Anm. 7.
4 Karl V.


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Hassicis 5 , si quae certa habes. Ex quo enim principes captivi facti sunt, nihil rerum istarum audimus. Nec fortasse audiemus porro vobis silentibus.

Salutant te nostri. Salutato meis verbis tuos omnes. Vale. Biennis, 5. kalendas aprileis 1548. Totus ex animo tuus Jo. Leopoldus Fry.

[H]oc b scripturus eram: Certo certius est in [Ch]risti fideles immanissime sçvire sub hoc rege 6 Gallos. Lutetie 7 cremantur perpetuo, qui puram veritatem agnoscunt et confitentur. Si qui comprehenduntur eloquentia praediti, ne [q]uis eorum postremis confessionibus convertatur, prius execantur 8 lingue. Deinde in publicum ducti excarnificantur, etc.

Denuo vale.

[Adresse auf der Rückseite:] Doctrina et pietate claro d. Heinrycho Bullingero, patri suo plurimum observando. Zürich.

b Hier und unten Textverlust durch Papierverlust.
5 Philipp von Hessen. - Zu dessen Gefangenschaft und Verlegung aus Nördlingen in Richtung Niederlande s. zuletzt Nr. 3160,12-14 mit Anm. 20.
6 Heinrich II. -Zu den Verfolgungen der Evangelischen in Frankreich s. zuletzt Nr. 3152, 3f mit Anm. 3.
7 In Paris. -Zum Höhepunkt der Verfolgung von Protestanten in Frankreich unter Heinrich
II. von 1547-1549 vgl. William Monter, Judging the French Reformation. Heresy Trials by Sixteenth-Century Parlements, Cambridge, Mass/London 1999, S. 109f; Histoire des protestants en France. De la Réforme a Révolution, éd. sous la direction de Janine Garrisson, Toulouse 2001, S. 53.
8 (her)ausschneiden; s. Kirsch 1107.