[3166]

Leonhard Serin
an Bullinger
[Ulm,
Montag, 19. März 1548]1

Unvollständiges

Autograph: Zürich StA, E II 356, 857 (ohne Siegelspur) a Ungedruckt

[1][...] Was seine Schrift ["De Naemanni adoratione"]anbelangt, so wäre es Serin weiterhin am liebsten, wenn sie, wie er zuvor brieflich [Nr. 3131]erbeten hatte, [unter einem Pseudonym] veröffentlicht würde. Falls das nicht möglich wäre, soll das Widmungsschreiben so geändert werden, wie er es bereits vorgeschlagen hatte: Sein Name soll nicht auf dem Titelblatt, sondern nur unter dem Widmungsschreiben erscheinen. Dabei sollte aber, wenn möglich, Serins berufliche Stellung und der Name der Stadt Ulm, von wo aus er schreibt, ungenannt bleiben. Falls auch das nicht gestattet ist, so geschehe Gottes und Bullingers Wille! Wenn also unbedingt die Nennung von Serins Herkunftsort erforderlich ist, so soll unter dem Widmungsschreiben "Leonart Soer von Wasserburg [am Inn]"oder, wenn man auf der Angabe seines Amtes bestehen sollte, "L. S. yetz am khirchendienst zu Ulm", oder besser noch "L. S. yetz am khirchendienst doselbst"stehen. Wenn Serin wirklich als Autor genannt werden muss, soll das Bild des Malers [NN.] am Ende der Druckvorlage weggelassen werden. -[2]Bullinger soll den Drucker anhalten, Serin das Manuskript [nach Abschluss der Druckarbeiten]zurückzusenden und der Sendung auch die [bereits zuvor bestellten 30]Exemplare beizulegen. -[3]Serins Vorsicht soll Bullinger nicht wundern! Er fürchtet sich vor den Mächtigen und den Verleumdern. Sie werden ihm Ruhmsucht vorwerfen, ja ihm sagen, dass er diese Aufgabe lieber anderen hätte überlassen sollen. In der Tat hat er dieser Tage etwas von Martin Frecht erfahren, was er zuvor nicht wusste: Das Thema der Nikodemiten, das er im vierten Teil seines Werks nur kurz und oberflächlich behandelt hat, erörterte bereits, wenn auch nur auf Französisch, Johannes Calvin in seiner Schrift [traicte monstrant que c'est que doit faire un homme fidele, congnoissant la vente de l'evangile quand il est entre les papistes"]. Serin fürchtet daher, dass seine Gegner die Gelegenheit ergreifen werden, um ihn in jeder Hinsicht zu verleumden. Aber man sollte allein den Teufel fürchten, der Leib und Seele verderben kann [Mt 10, 28]. [Beim Druck seiner Schrift]würde Serin doch lieber [ein Pseudonym verwenden und]auf die Nennung seines richtigen Namens verzichten sowie sein von Gott verliehenes [theologisches]Geschick verbergen, als für seine Schrift möglicherweise Ruhm zu erlangen, aber dabei sein Leben zu verlieren. -[4]Serin freut sich, wenn seine Schrift in der Eidgenossenschaft und nicht

a Mit Schnittspuren.
1 Das Datum des vorliegenden Briefs findet sich in Serins Brief an Bullinger vom 22. Mai 1548 (Zürich StA, E II 356, 74). -Die Datierung auf den 18. März 1548 in Rainer Henrich, Ulm im schweizerisch-oberdeutschen Korrespondenz-Netzwerk der 1530/40er Jahre, in: Vielstimmige Reformation in den Jahren 1530-1548, hg. y. Gudrun Litz, Susanne
Schenk und Volker Leppin, Ulm 2018, S 64, ist dahingehend zu korrigieren. - Der nicht vorhandene Gruß am Anfang sowie die ebenfalls fehlende Datumsangabe am Ende des Schreibens deuten daraufhin, dass der vorliegende Brief unvollständig überliefert ist und sowohl Teile des Textes vor als auch nach dem erhaltenen Briefteil verloren gegangen sind.


Projektseite
Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung
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anderswo gedruckt wird, damit es nicht so aussieht, als gehöre er einer anderen [als der zwinglischen]Partei an. Diese will er nämlich nicht [nur]heimlich unterstützen. Bullinger soll daher nicht denken, dass Serin zu furchtsam ist. [...]

[...]b Quod superest de scripto 2 meo edendo, nihil magis optaverim, quam ita prodire, ut antea tibi scripsi. At si nequaquam ita fieri potest, epistolam dedicatoriam ita oportebit mutari, sicut prescripsi: Nomen meum, ne a fronte libelli cum titulo ponatur, oro, sed in fine epistole dedicatorie, nisi et alterum 3 hoc omnino fieri oporteat. Et si fieri posset, solum nomen cum cognomine poni summopere cupio, absque mentione conditionis, omisso etiam Ulme nomine, ex qua scribo. Ceterum, si ita non licet, non mea, sed domini et tua voluntas flat. Et si omnino patriam quoque habere volunt 4 , so haiss ich Leonart Soer von Wasserburg 5 . Si et conditionem, hunc volo titulum "L. S. yetz am khirchendienst zu Ulm", vel potius amisso patrie vocabulo, "L. S. yetz am khirchendienst doselbst", scilicet ubi data est epistola. Et si meum adponitur, tum est Apellis 6 figura a tergo posita omittenda.

Impressorem monebis, archetypum mihi remittat cum exemplis. 7

Ne mireris, mi Bullingere, curiosam meam sollicitudinem: Mea enim infirmitas metuit cum tyrannos 8 tum emulos 9 . Hi namque dicent proletarium me gloriam et auram popularem esse aucupatum et aliis potius me hunc laborem debuisse relinquere. Et certe hisce diebus 10 e Frechto audivi, quod antea numquam, Calvinum 11 hoc

b Zum Textverlust hier und am Briefende s. oben Anm. 1.

2 Hierbei handelt es sich um das Manuskript der von Serin auf Deutsch verfassten Schrift "Dc Naemanni adoratione". Zusammen mit seinem Schreiben vom 6. Februar 1548 (Nr. 3131) hatte Serin diese mit der Bitte, die Drucklegung in Zürich zu besorgen, an Bullinger gesandt. Dieser hatte jedoch das Anliegen unter Bezugnahme auf die Zürcher Zensurvorschriften und die Auslastung der Zürcher Drucker mit seinem Brief vom 15. Februar 1548 (Nr. 3139) abgelehnt und die Schrift mit dem Ratschlag, die Drucklegung eher in Ulm oder Basel zu veranlassen, an Serin zurückgeschickt. Wie aus Serins Bemerkung unten in Z. 12 hervorgeht, sandte dieser das Manuskript mit dem vorliegenden Brief Bullinger abermals zu; s. Nr. 3131 mit Anm. 1; Nr. 3139,11-22 und Z. 30-34; Zürich StA, F II 356, 74 vom 22. Mai 1548.
3 Gemeint ist ein Pseudonym.
4 Subjekt sind wohl die Verantwortlichen für die Bücherzensur in Zürich. - Zu Bullingers Rolle in der Zürcher Bücherzensur
s. Nr. 3128, Anm. 7.
5 Wasserburg am Inn (Bayern). - Serins Familie stammte ursprünglich aus dieser Stadt, er selbst war aber vermutlich in dem etwa 40 Kilometer Oestall (Bayern) entfernten geboren; s. HBBW XV, Nr. 2217, Anm. 1; Karl Gauß, Die Basler Pfarrerfamilie Serin, in: BZGA 34, 1935, S 263.
6 Apelles, griechischer Maler, 4. Jh. y. Chr. - Welchen Künstler Serin mit dieser Bezeichnung meinte, ist unbekannt.
7 Um die Rücksendung des Manuskripts sowie um die Zustellung von 30 gedruckten Exemplaren hatte Serin bereits in seinem letzten Schreiben gebeten; s. Nr. 3131
8 Gemeint sind die Mächtigen, darunter sicherlich Kaiser Karl V.
9 Verleumder; s. Kirsch 82 s.v. aemulus.
10 Martin Frecht, einer der potientiellen Verleumder. - Dieser war laut Serins letztem Brief vom 6. Februar 1548 nicht über das Druckvorhaben unterrichtet; s. Nr. 3131,16f.
11 Johannes Calvin hatte zu diesem Zeitpunkt


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argumentum, quod ego in 4. parte compendiose tantum et obiter attigi de Nicodemitis scilicet, tractavisse, quamvis tantum gallice. Istos vero timeo, ne undiquaque 12 collectis calumniis et acceptis occasionibus seviant. Sed age solum illum timeamus, qui et corpus et animam perdere potest. 13 Alias sane mallem nominis quam corporis iacturam facere talentulumque hoc (etiamsi quid laudis inde ad me esset rediturum) c abscondere. 14

Gratulabor mihi, si videre mea hec ex Helvetia prodire, ne, si aliunde prodirent, ab illorum etiam partibus stare viderer. Nec enim clam vobis favere cupio. Haec ne plus equo meticulosum me esse cogites. [...] [Ohne Unterschrift.]

[Ohne Adresse.]