Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3155]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
Samstag, 3. März 1548

Autograph: Zürich StA, E II 357, 263 (Siegelspur) a Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 687f, Nr. 1512

[1]Blarer bedankt sich innig für Bullingers Grüße, die ihm sein Vetter Konrad Zwick ausrichtete, als dieser vorgestern [am 1. März 1548]nach Konstanz zurückkehrte. -[2]Neuigkeiten gibt es allerdings keine: Man ist [weiterhin] in großer Anspannung, welche Entscheidung Kaiser Karl V. [oder zutreffender Gott durch den Kaiser) über [den Versöhnungsantrag] der Konstanzer fällen wird. Die Zürcher mögen dafür beten, dass die Konstanzer Kirche allen Höllenkräften zum Trotz erhalten bleibt. -[3]Der beiliegende Tan Bullinger adressierte, nicht erhaltene]Brief von Hans Schöner dürfte schon vor einiger Zeit geschrieben worden sein, da auch dessen Schreiben an Blarer, [dem der Brief beigefügt war], bereits am 1. Januar verfasst wurde. Blarer bemitleidet den armen alten Mann sehr. Dessen Lage in Augsburg wird sich aber wohl kaum verbessern. Seine Schwester, Sabina Schöner, lässt Bullinger freundlich grüßen. Sie hat irgendwelche Arzneimittel für Bullinger [an Blarer] abgeschickt, die dieser übermitteln wird, sobald er sie erhält. -[4]Gerade ist das Gerücht aufgekommen, dass der Thurgauer Landvogt [Leonhard Holzhalb] am morgigen Sonntag, [dem 4. März 1548], Mandate verkünden lassen wird, die den Handel aus dem Thurgau mit der Stadt Konstanz untersagen. Der Konstanzer Rat wandte sich an Holzhalb in Frauenfeld, um Näheres zu erfahren und um diesen (sofern das Gerücht zutrifft) zu bitten, noch so lange mit der Verkündung der Erlasse zu warten, bis die Konstanzer sich hierüber mit dem Zürcher Rat oder [auf einer Tagsatzung] mit allen Eidgenossen verständigt haben. -[5]Der Konstanzer Bischof Johann von Weeze ist in sehr schlimme Machenschaften [gegen Konstanz]verwickelt und soll morgen, [am 4. März 1548], in die Stadt kommen. Wohin soll das führen? Mögen die Zürcher für die Standhaftigkeit der Konstanzer beten! Es soll um Leben und Tod gehen! -[6]Grüße der Konstanzer. Segenswünsche für Bullingers Familie, die Zürcher Pfarrkollegen und Freunde.

Salve, mi omnium longe charissime et optime frater. Rediit nudius tertius 1 charissimus consobrinus Zviccius 2 multam mihi tuis verbis salutem dicens, pro qua vicissim plurimam tibi gratiam habeo.

Quod de novis rebus ad te nunc scribam, nihil prorsus habeo: Magna est omnium apud nos expectatio, quid de nobis caesar 3 , immo dominus ipse per caesarem, statuat. 4 Orate pro nobis nostraque ecclesia, ut in ipso 5 ad sui nominis gloriam adversus omnes inferorum portas conservetur. 6

a Ohne Schnitt- oder Nadelstichspuren.
1 nudius tertius: vorgestern (1. März 1548).
2 Konrad Zwick.
3 Karl V.
4 Zum Konstanzer Versöhnungsgesuch an den
Kaiser s. zuletzt Nr. 3152,17f.
5 Gemeint ist Gott.
6 Vgl. Mt 16, 18.


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Mitto a Schönero 7 nostro literas, sed ni fallor, iam pridem datas, quandoquidem et ille, quas ad me dedit, calendis ianuarii ab illo sunt scripte Miseret me valde miselli seniculi 8 , et tamen non video quicquam, quod ab Augustanis commode sperare possit. Soror illius Sabina 9 te officiosissime iubet salvere. Misit ad te nescio quos orbiculos medicos 10 . Los, ubi accepero, quamprimum, ut habeas, curabo.

Sonst nichts, dann 11 yetz kompt ain gschray 12 , der landtvogt 13 welle morn, suntag, mandata verkünden lassen, das man unß ausß dem Turgöw ouch nichts herin lasse, etc., was mehr darzu gehört. Daruff meine herren 14 glych yetz uff Frowenfeld geschikt und sölichs an 15 dem landtvogt erfaren lassen, ouch inn ze bitten, wa dem allso 16 , das 17 er doch damitt still ston welle, byß myne herren ir bottschafft an die von Zürich 18 oder gemain aidgnossen 19 schicken mögind.

Unser bischoff 20 ist in starcken 21 , treffelichen 22 practicen 23 . Soll selbs auff nechsten

7 Der Augsburger Kaufmann Hans Schöner, geb. ca. 1481, gest. 1567, hatte 1546 Augsburg aufgrund eines Streitfalls, des sog. "Schöner-Handels", verlassen. Er hielt sich mit Unterbrechungen bis Ende 1548 zeitweise in Zürich auf und erfuhr Unterstützung von Bullinger und Blarer. Sein Aufenthaltsort zwischen Ende September 1547 und der Abfassungszeit des vorliegenden Briefes ist unbekannt; s. HBBW XVII, Nr. 2534, Anm. 3; XX, Nr. 3021,86f. -Da sein nicht erhaltener Brief offensichtlich erst nach etwa zwei Monaten bei Blarer eintraf dürfte sich Schöner zu der Zeit kaum in der Nähe von Konstanz oder Zürich aufgehalten haben.
8 Gemeint ist Schöner.
9 Zu Sabina Schöner s. HBBW XVII, Nr. 2592, Anm. 21.
10 orbiculos medicos: Gemeint sind wohl runde oder scheibenförmig fabrizierte Arzneimittel.
11 außer dass.
12 Gerücht. - Die Konstanzer, die durch die kaiserlichen Erlasse innerhalb des Reichs bereits wirtschaftlich isoliert waren, fürchteten nun, dass sich auch die Thurgauer durch ein Handelsverbot von ihnen abwenden könnten. Hintergrund des kursierenden Gerüchts war vermutlich der auf der Badener Tagsatzung vom 19. Dezember 1547 vorgetragene Bericht, dass zu viel Vieh aus dem Thurgau exportiert werde. Auf der Badener Tagsatzung, die am 12. März 1548 beginnen sollte, sah man jedoch von einem Exportverbot von Vieh ab, da
in der Eidgenossenschaft kein Mangel vorhanden war. Sollte ein solcher jedoch eintreten, wurde den einzelnen Orten die Befugnis übertragen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen; s. EA IV/1d 899 e; 926 a. -Zu den bereits erfolgten kaiserlichen Wirtschaftssanktionen gegen die Stadt Konstanz s. HBBW XX, Nr. 3092,27- 34; Nr. 3110, Anm. 30.
13 Landvogt im Thurgau war von Juni 1546 bis Juni 1548 der Zürcher Leonhard Holzhalb; s. Nr. 3118, Anm. 3.
14 der Konstanzer Rat.
15 von; s. Fischer II 791 s.v. erfaren.
16 wa dem allso: wenn dem so sei.
17 still ston: abwarten.
18 die von Zürich: die Zürcher Ratsherren.
19 gemain aidgnossen: Gemeint sind die Vertreter der eidgenössischen Orte an der Tagsatzung zu Baden.
20 Johann von Weeze, Bischof von Konstanz; s. HBBW XX, Nr. 2948, Anm. 33. - Seit dem 25. Dezember 1547 hielt er sich in Augsburg auf und nahm an Verhandlungen des Reichstages teil; s. Creutznachers Diarium 316; RTA-JR XVIII/3 Reg. -Eine persönliche Reise Weezes nach Konstanz ist nicht belegt. Gegen die Stadt sollte jedoch noch in der ersten Märzhälfte ein bischöfliches Verbot des Weinbaus in den Ländereien des Domkapitels ergehen; s. Nr. 3161,10-15.
21 schlimmen; s. SI XI 1440.
22 sehr üblen; s. Fischer II 351.
23 Machenschaften.


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tag kommen. Ach gott, was will doch noch daruß werden? Bittend gott trulich für uns, das wir an im trüw, uffrecht unnd redlich belybind 24 . Es gang zu kopff oder napff 25 , es gelte leben oder sterben!

Salutant te nostri. Salveat tua domus cum omnibus fratribus et amicis. 3. martii 1548. Tuus A. Bl.

[Adresse auf der Rückseite:]Bullingero suo. Tiguri. 26