Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[277]

Hans Rudolf Ammann an
Bullinger
[Ohne Ort,
vor dem 21.Oktober 1533]

Autograph: Zürich StA, E II 441, 71. Siegelspur. -Ungedruckt

Bekennt seine Verfehlung, unterwirft sich der Strafe, will sich bessern und möchte nicht mehr länger untätig sein. Bittet Bullinger um Hilfe bei der Suche nach einer Stelle.

3 Herzog Heinrich von Orléans, der spätere französische König Heinrich II., zweitältester Sohn von Franz I.
4 Katharina von Medici, die spätere Königin von Frankreich. - Zur Reise des Papstes nach Marseille vgl .Müller 249-253.
5 Vgl. Müller 249f.
6 Siehe oben S. 208, 31-34.
7 Fluchformel; verhüllend für: «So mir Gottes Wunden...» (SI IV 1996-1999 und VII 904-906).
8 den Trotz brechen (vgl. SI II 1616).
9 vernichten, ausrotten (SI IV 45f).
10 Leo Jud.
1 Der Brief fällt in die Zeit zwischen der Mai-Synode 1533, an der Ammann seines Pfarramtes enthoben wurde (s. Z. 2-4 und Anm. 2), und der Herbst-Synode am 21. Oktober desselben Jahres, die ihn wieder aufnahm (AZürcherRef 1988, S. 879). Möglicherweise wurde der Bittbrief direkt im Hinblick auf diese Synode verfaßt. Einen zweiten, ebenfalls undatierten Brief gleichen Inhalts richtete Ammann an den Zürcher Rat (Zürich StA, E II 1, 115).


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Gnad und frid von gott dem vatter durch Jesum Cristum, unßern herrn etc.

Lieber min her und bruder in Cristo. Nachdem mich gott der her um min sünd gnedigklich gezüchtiget und mich ein zitlang, mir und andren zu gutem, schamrot gestellt, bekenn ich min mißtat 2 , sagen gott und sinen gnaden groß lob, er und danck mit demütiger bitt an uch, als minem sundren günstigen lieben herrn, dem min ler, leben, wäsen und wandel ein lange zit bekant ist 3 , mich widerum begnaden 4 gegen minen ungünstigen 5 , deren lieby ich dann durch min leben verergert 6 hette. Deshalb underwirff ich mich gantz gutwillig üwer ler und straff, wil ouch allzit, wo ich sträfflich erfunden wird, mich bessren und nit allein mir selbs, sunder ouch minem nächsten leben und dienen. Diewil ich jetzzemal aber standshalb 7 minen nächsten zedienen mit denen gaben, so ich von gott us gnaden entpfangen, beroubet bin, welches ich ouch unangesechen zittlichs gnieß 8 , gutz oder eren, sunder gott zu lob und minen nechsten zu gutem gern thun wölt a , diewil aber niemant sich selbs darbieten sol, bevilch ich min gutduncken üwer lieby, darin zu urteilen, dann mich druckt min gwüssny vor gott, den gantzen tag am märckt müssig stan 9 . Diewil es nun ist um die lettsten stund, so begeren ich um gottes willen, wo es sin mag und üwer lieb gut sin bedunckt, mit uch die lettsten stund im wingarten des herren getrüwlich zu arbeiten 10 , damit ich sampt allen gloubigen am lettsten tag göttlicher rechenschafft als ein trüwer schaffner erfunden und gnedigklich belonet 11 . Hiemit bevilch ich mich alzit in üwer lieby, die bewar gott langwirig 12 in sinem schirm etc 13 .

Tuus Rudolffus Amann.

[Adresse auf der Rückseite:] Dem erwirdigen, getrüwen evangelisten M. Heinrich Bullinger, sinem sundren günstigen, lieb herren.

a gern thun wölt am Rande nachgetragen.
2 Ammann hatte sich des wiederholten Ehebruchs schuldig gemacht und war deswegen an der Synode vom 6. Mai 1533 seiner Pfrund in Knonau enthoben worden, s. AZürcherRef 1941, S. 853f. 856-858.
3 Ammann war seit 1518 Pfarrer in Knonau und wird Bullinger schon während dessen Kappeler Zeit kennengelernt haben.
4 versöhnen (SI II 663f).
5 die mir nicht gewogen sind (SI II 378).
6 zerstört, verscherzt (SI I 446).
7 der Umstände halber; da er kein Pfarramt hat.
8 Einkommen, Nutzen (SI IV 816).
9 Vgl. Mt 20, 3.
10 Vgl. Mt 20, 1-16.
11 Vgl. Mt 25, 14-23.
12 während langer Zeit.
13 Mit seinen Bittbriefen erreichte Ammann, daß er am 21. Oktober 1533 wieder in die Synode aufgenommen wurde (s. oben Anm. 1). Eine neue Pfarrstelle erhielt er allerdings erst 1535 in Kilchberg, s. Hans Willi, Geschichte der Kirche auf Kilchberg am Zürichsee im Rahmen der Entstehung und des Ausbaus der Zürcherischen Landeskirche, Zürich 1944, S. 96. 126 180f.