Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3112]

Johannes Blasius
an Bullinger
Chur,
Donnerstag, 19. Januar 1548

Autograph: Zürich StA, E II 343, 366 (Siegelrest) a Druck: Graubünden, Korr. I 121f Nr. 93

[1]Blasius wünscht Bullinger alles Gute. -[2]Obwohl es zurzeit nichts Berichtenswertes gibt, wollte Blasius Bürgermeister Luzi Heim nicht [zur Badener Tagsatzung] reisen lassen, ohne ihm einen Brief für Bullinger mitzugeben. Er wird von Heim alles über die Kirche und Politik in Chur und die Neuigkeiten aus Italien erfahren. Sollte er Nachrichten über die

d Korrigiert aus celebretum. -
a Mit Nadelstichspuren.
Satzes die Deutschen gemeint.
9 Karl V.
10 Paul III.
11 Zur unfreundlichen päpstlichen Antwort hierauf s. Nr. 3118,50-57.
12 Zur Forderung der Rückgabe Piacenzas s. NBD X 613. - Piacenza wurde am 12. September 1547 von Ferrante Gonzaga für den Kaiser eingenommen; s. HBBW XX, Nr. 3016, Anm. 8; Heinrich Leo, Geschichte der italienischen Staaten, Fünfter Theil: Vom Jahre 1492 bis 1830, Hamburg 1832, S. 481f
13 Zur angestrebten Übergangslösung in der strittigen Religionsangelegenheit, die als Interim bekannt wurde, s. HBBW XX, Nr. 2908, Anm. 7; Nr. 2994, Anm. 2; Nr. 3017,
Anm. 10; Nr. 3076, Anm. 5; Nr. 3094,19-23 mit Anm. 14f.
14 socratice leges: Vermutlich im Sinne von unumgänglichen, verbindlichen Gesetze.
15 Vergil, Aeneis 6, 129.
16 Vgl. Mt 6, 10 par.
17 Vgl. Mt 24, 22 par.
18 Der vorliegende Brief der keine Adresse trägt (wobei ein leere Seite dafür zur Verfügung gestanden hätte), wurde angesichts der in Ambrosius Blarers Brief Nr. 3123,1-4 gemachten Aussage einem nicht erhaltenem Brief Frölichs an Blarer beigelegt. Dieser übermittelte ihn mit dem soeben genannten Brief vom 31. Januar 1548 an Bullinger.


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Geschehnisse in Deutschland haben, kann er sie einfach Heim mitgeben. In Chur möchte man nämlich erfahren, wie es um die standhafte Konstanzer Gemeinde und auch um die anderen deutschen Kirchen steht, wie es sich mit dem Konzil von Trient verhält und was inzwischen auf dem Augsburger [Reichstag]beschlossen wurde. -[3]Bürgermeister Heim muss wohl nicht eigens empfohlen werden, da er Bullinger und [dem Zürcher Bürgermeister] Johannes Haab bestens bekannt ist. Ihm ist es ja zu verdanken, dass Haab in Chur so verehrt wird. -[4]Nun ist aber einer (Hans von Capol d.J.?] von den Drei Bünden zur Badener Tagsatzung abgesandt worden, den die Zürcher, wenn sie ihn freundlich behandeln, nicht undankbar erleben werden. -[5]Grüße. In Eile. -[6]Im Vertrauen: Die [Drei Bünde] wurden davor gewarnt, dass Kaiser Karl V. vorhabe, seine Truppen notfalls mit Gewalt durch das Veltlin nach Italien zu befördern, falls die Venezianer ihm den Durchgang durch ihr Gebiet verweigern würden. Daher bitten die Bündner um Unterstützung bei den Eidgenossen. Zudem sei ein Überraschungsangriff von 4'000 Schützen auf die Bündner geplant! Sicherlich stammt dieser Plan vom lieben Kind, dem Markgraf Gian Giacomo de' Medici, Kastellan von Musso. Das ist noch streng vertraulich! -[7][PS:]Grüße von Johannes Comander und allen anderen Freunden.

bannes Blasius d. Heinricho Bullingero suo graciam ac vite innocenciam a domino precatur.

Quamvis in presenciarum nihil te scitu dignum haberem, ornatissime vir, attamen consulem nostrum Heimium 1 non passus sum b te sine literis meis convenire. Ex quo omnem rerum nostrarum statum cum ecclesiarum tum et prophanarum, nec non et ea, que ex Italia huc relata sunt, intelliges clarissime, per quem et tu, si quid novarum rerum ex Germania habes, ad nos deferre potueris commodissime c . Miramur enim iugiter, quo in statu sint res constantis ecclesiæ Constanciensis d , nec non et aliarum ecclesiarum Germanicarum, nec minus de concilio Tridentino, 2 et quid illi Auguste 3 interea constituerint.

Postremo non arbitror tibi eundem consulem literis meis commendare opus esse, cum optime noverim et tibi et domino consuli Habio 4 et notum et commendatissimum esse. Nam is honoris, quem nostri d. Habio exhibuerunt, author fuit unicus. 5

Nunc vero a dominis Trium Federum ad comitia Badensia legatus 6 , cui si quid humanitatis e exhibueritis, minime in ingratum contuleritis, etc.

b Am Rande nachgetragen. -
c In der Vorlage comodissime. -
d In der Vorlage Constaciensis. -
c In der Vorlage humanitis.
1 Luzi Heim. -Bullinger und Heim kannten sich seit August 1539, als Heim zum ersten Mal ein Schreiben von Blasius (HBBW IX, Nr. 1301) überbrachte.
2 Zu den Verhandlungen zwischen Kaiser Karl V. und Papst Paul III. s. Nr. 3108,5-8.
3 Gemeint ist: auf dem Augsburger Reichstag.
4 Johannes Haab, Bürgermeister von Zürich.
5 Vgl. dazu HBBW XX, Nr. 2956,[3]; Nr. 2964, [5]; Nr. 2976,[3].
6 Vielleicht der neu gewählte Landsrichter Hans von Capol d.J.; vgl. EA IV/1d 900 k. -Dieser war Bullinger bereits bekannt, ohne dass es Blasius hätte wissen können; s. HBBW XX, Nr. 3042, Anm. 1.


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His modo vale per dominum. Raptim, Curie, 19. ianuarii, anno 1548.

In aurem tibi dictum: Wir sindt gewarnet, wie das des keisers 7 züg 8 , so er nit durch der Venediger land passieren mög 9 f in Italiam wellen sy den paas gwaltig durch das Veltlin nemmen g . Darumb begeren die unsern by den eidgnosen radt und ouch hilff. 10 Und ist der ratschlag 11 , uns mit 4'000 büxenschützen nachs unversehenlich zu überfallen. Kompt on zwyfel von dem lieben und einfältigem kind 12 , vom Müsser, etc. Ist noch gar heimlich. 13 Idem tuus ex animo Blasius.

Te resalutat Comander 14 ceterique vin boni omnes.

[Adresse auf der Rückseite:] Prudencia, erudicione ac vera pietate prestantissimo viro d. Heinricho Bullingero, amplissime Christi ecclesiæ Tigurine antistiti curn fido, turn vigilantissimo fratri ac domino suo observandissirno. 15

f-f Am Rande nachgetragen. -
g Über der Zeile nachgetragen.
7 Karl V.
8 Kriegszug.
9 könne.
10 Dieses Anliegen brachte der Abgeordnete auf der Badener Tagsatzung vor, die am 23. Januar 1548 begonnen hatte. Da Karl V. gemäß der Erbeinung (1511) den Durchzug durch das Bündnerland zuvor ankündigen musste, wurde den Drei Bünden geraten, den Durchgang jeweils nur kleinen Soldatenscharen zu gewähren; s. EA IV/1d 908 p. - Bereits Ende 1547 baten die Bündner um Rat, wie mit (kleineren) Gruppen von Soldaten, die ihre Gebiete durchquerten, umzugehen sei. Sie erhielten die Antwort, dass der Transit zu gestatten sei, sofern keine Gefahr daraus entstehe; s. EA IV/1d 900 k. -Zu Gerüchten über einen
drohenden Krieg zwischen Papst und Kaiser s. zuletzt Nr. 3108,5-8.
11 Plan; s. SI IX 242.
12 Ironisch gemeint; vgl. z.B. HBBW XX, Nr. 3005 und Anm. 47. - Der Markgraf Gian Giacomo de' Medici, Kastellan von Musso, galt unter den Bündnern spätestens seit den Müsserkriegen als skrupelloser Mensch; s. HBBW V, Nr. 558, Anm. 12f.
13 Auf der Tagsatzung gab der Bündner Abgeordnete an, dass die Warnung von einem Augsburger Informanten stammte; s. EA IV/1d 908 p.
14 Johannes Comander.
15 Der Überbringer des vorliegenden Briefes war Luzi Heim.