Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[3008]

[Peter Medmann]
an Bullinger
[Köln],
10. September 1547

Autograph: Zürich StA, E II 338, 1440 (Siegelspur) Druck: Pollet, Relations II 180f, Nr. 50

[J]Medmann empfing Bullingers Brief vom 9. April [nicht erhalten] aus der Hand des Kölner Buchdruckers Johann Birckmann 1 und dankt für Bullingers Freundlichkeit. Zwar ist er gerade sehr beschäftigt, doch will er die Gelegenheit nutzen, diesem zuverlässigen, nach Frankfurt reisenden Boten [...] einen Brief mitzugeben. Es kann sein, dass Medmann nach Straßburg zurückkehrt. 2 Dann würde er (so Gott will) sogleich Bullinger besuchen, uni. mit diesem Verschiedenes besprechen zu können. [2] Er hätte die angekündigte Schrift [über das Fegefeuer] von Johannes Campanus 3 dem vorliegenden Brief beigelegt, wäre er jetzt bei dem standhaften "Nestor"[Hermann von Wied]4 . Bullinger soll wissen, dass Letzterer einzig und allein wegen seines [Kölner]Reformationsversuchs kaum mehr einen [Zufluchts]ort in diesem riesigen [erzbischöflichen] Territorium findet! 5 Seine Verfolger lassen nicht von ihm ab, behaupten aber in ihren Schriften, Reden und Gesandtschaften, nicht die Reformation bekämpfen zu wollen! [3] Vor wenigen Tagen gelangte ein neuer Erlass des römischen Antichristen 6 nach [Köln], von dem Medmann und einige andere indirekt erfuhren. Es wird ihnen mit einem Landesverweis gedroht, 7 wenn sie nicht zu der römischen Hure zurückkehren. Zudem verliert Medmann sein Kanonikat 8 . Grund dafür seien seine religiösen Ansichten, seine Treue dem Erzbischof gegenüber und ein von ihm verfasster, abgefangener und nach Rom übermittelter Brief Dessen Inhalt sei teuflisch und gehöre sich nicht fur jemanden in seiner Position. Der Brief soll sogar in einem Konklave vor dem Papst und den Kardinälen verlesen worden sein! Wenn Medmann das gewusst hätte, wurde er natürlich den Brief eleganter formuliert haben! [4] Medmann las Rudolf Gwalthers "Endtchrist"9 mit Zustimmung. Das Buch sollte man

1 Sohn des Kölner Buchhändlers und Druckers Arnold Birckmann d.Ä.; s. Reske 436f.
2 Siehe dazu HBBW XIX 259, Anm. 5.
3 Siehe dazu HBBW XVI 410 und Anm. 2; XIX 154.
4 Der abgesetzte, exkommunizierte Kölner Erzbischof, der sich auf das kurkölnische Schloss Buschhoven zurückgezogen hatte; s. HBBW XIX 153, Anm. 2. — Der Name "Nestor" steht hier als Ehrenbezeichnung für Hermann von Wied als betagten Begründer der Kölner Reformation. Zum sprichwörtlichen hohen Alter des Nestor s. Adagio 1, 6, 66 (ASD 11/2 93f, Nr. 566); Otto 242, Nr. 1223.
5 Dem Erzbischof war nach seiner Absetzung die Hoffnung gemacht worden, dass vonseiten des Erzstifts für seinen Unterhalt gesorgt würde. Als diese Hilfe ausblieb, wandte er sich mittels seines Rates Jakob Omphalius im September 1547 an die in den Niederlanden residierende
Statthalterin Maria von Ungarn mit der Bitte um Vermittlung, erhielt aber eine Reihe von Gegenforderungen als Antwort; s. Matthias Deckers, Hermann von Wied, Erzbischof und Kurfürst von Köln, Köln 1840, S. 152f.
6 Gemeint ist Papst Paul III. — Näheres über dessen hier erwähnte Bulle ist nicht bekannt. Bereits am 8. Januar 1546 hatte der päpstliche Nuntius Girolamo Verallo verordnet, dass Hermann von Wied und einige seiner Anhänger von ihren kirchlichen Ämtern suspendiert würden; s. Varrentrapp 263; Pollet, Relations II 180, Anm. 3.
7 Vgl. Nr. 2985,5f.
8 Medmann hatte 1541 ein Bonner Kanonikat erhalten; s. J.F. Gerhard Goeters, Studien zur niederrheinischen Reformationsgeschichte, hg. y. Dietrich Meyer, Köln 2002, S. 125f.
9 Siehe dazu Nr. 2879. Anm. 5.


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dein römischen "Aposcopus" 10 ebenfalls vorlesen, damit er erfahre, dass die Gottesfürchtigen genau wissen, dass er der von den Propheten, von Christus und den Aposteln angekündigte Antichrist ist! - [5] Nun zu Bullingers Brief Medmann freut sich, dass Bullinger seinen aus dein Feldlager der Fürsten [bei Giengen] verfassten Brief [HBBW XVIII, Nr. 2665, vom 8. November 1546] erhalten hat. Er stimmt Bullingers Meinung über die [Reichs]städte 11 völlig zu. Sie hätten mehr an ihre Freiheiten denken sollen, aber wie bei den Phrygern kommt ihre Einsicht zu spät! Dem starken Drängen der Löwener "Sophisten"zufolge wurde in Arnheim /2 die spanische Inquisition eingeführt. Die Einwohner Bremens bleiben standhaft. 13 Dort lehrt Albert Hardenberg 14, dem Medmann in seinem letzten Brief Bullingers Grüße ausgerichtet hat. Von Bullinger erhielt Medmann nur vier Briefe, 15 die er alle beantwortet hat. 16 Den Erlass gegen Hermann von Wied 17 sendet er demnächst. - [6] Gruß. - [7] Etwaige Sendungen an Hardenberg wird er gerne weiterleiten. Bullinger soll wieder schreiben. Medmann wird antworten, sobald er kann. Gruß an Gwalther. Bullinger möge das flüchtige Briefchen entschuldigen!