Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2981]

Ambrosius Blarer
an Bullinger
[Konstanz],
8. August [1547]

Autograph: Zürich StA, E TI 357a, 774; [Beilage:]a 755 (Siegel) Teildruck und zusammenfassende Ubersetzung: Blarer BW II 646-647

[1] Obwohl der [Zürcher Stadt]bote [Andreas Müller] heute früh bereits mit einem Brief an Bullinger [Nr. 2980]abgefertigt wurde, übermittelt nun der gegenwärtige [Konstanzer] Bote [...], der nach Winterthur muss, eine Schrift [über die Wiederbelebung des Schwäbischen Bundes]. Bullinger darf sie abschreiben lassen, soll sie aber dem Boten zurückerstatten, da sie Blarer nicht gehört. Der Bote wurde angewiesen, Bullinger Zeit für eine Abschrift zu gewähren. Diese Schrift enthält wichtige Informationen. Darin werden zum Beispiel die Territorien angeführt, mit denen Kaiser Karl V. ein Bündnis einzugehen plant. Kennzeichnend ist auch, dass dort von "Ungehorsamen" die Rede ist, diese aber nie mit Namen genannt werden. Blarer freut sich, Bullinger diesen Dienst erweisen zu können, zumal dieser schon mehrmals inn Informationen zu diesem Bund gebeten hat. -[2] Sollte Bullinger die am Morgen durch den Zürcher Stadtboten übermittelte Schrift [mit den Antworten Konrad Zwicks auf die diesem von Blarer gestellten Fragen] bereits gelesen haben, soll er sie dein Konstanzer Boten mitgeben. Andernfalls möge er bei nächster Gelegenheit dafür sorgen. Bullinger soll das Dokument gründlich lesen, weil Blarer sehr daran gelegen ist, dass Bullinger genau erfährt, wie bislang verhandelt wurde, und feststellen kann, dass Konrad Zwick nichts vorzuwerfen ist. -[3]Aus Augsburg ist zu vernehmen, dass der Kaiser für sich und die künftigen Reichstagsbesucher den Dom wünscht und den Augsburger Rat gebeten hat, den inneren Teil der Kirche so wie früher einzurichten. Gleichzeitig versicherte er, dass niemand von seiner Religion abgehalten werde, und die Kirchen nicht dem Bischof [Otto Truchsess von Waldburg] oder sonst einem anderen zurückerstattet werden ,nüssen. Was für eine List! -[4]Zwei Uhr nachmittags, in großer Eile. -[5][Beilage:] Der Kurfürst von Sachsen ist am 24. [richtig: 26.] Juli, anm Tag nach dem Einzug des Kaisers, auf einem von 400 spanischen Schützen bewachten Wagen in Augsburg angekommen und erregte dabei Mitleid bei vielen Menschen, währenddessen er selbst den Triumphzug mit fröhlichem Gesicht über sich ergehen ließ. -[6] Landgraf Philipp von Hessen wird in Donauwörth gefangen gehalten und nicht sehr gut behandelt. -[7] Viele halten es für sicher, dass die Katholiken den Dom für ihren Götzendienst beanspruchen werden. Die anderen Kirchen sollen den [Protestanten] erhalten bleiben, bis eine Reform der Religion und eine Kirchenordnung verordnet wird, zu der alle sich verpflichten müssen, während diejenigen, die das verweigern, entweder geächtet oder getötet werden. -[8]Der Kaiser hat die deutschen Fuß- und Kavalleriesoldaten bis auf eine Truppe (jene von [Nicole]Madruzzo) entlassen. Wenn das Gerücht stimmt, wird auch dieser in Kürze woandershin entsandt. -[9] Die in der Stadt stationierte Garnison wurde entlassen. Außer den Spaniern, von denen man sagt, es seien weniger als 4'000, hat der Kaiser keine weiteren Truppen. Sie treiben ihr Unwesen in Donauwörth und Umgebung, haben Rain am Lech verwüstet, die Menschen dort getötet und alles geraubt. Sie sind leicht bewaffnet, und ihnen folgt

a In Anbetracht der Faltungen könnte eventuell das zusätzliche Blatt Teil der vorliegenden Sendung gewesen sein, nicht aber Teil des anderen Briefes vom gleichen Tag (Nr. 2980). Traugott Schieß wies vorliegenden Brief und dessen mögliche Beilage dein Brief Nr. 2980 vom gleichen Tag zu. Doch aus den jeweiligen Faltungen der drei Blätter, den zwei Adressen und aus unten Z. 1-6 geht klar hervor, dass hier zwei Briefsendungen vorliegen.
1 Das Jahr ergibt sich aus dem Briefinhalt.


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ein Tross von über 5'000 Menschen. -[10] Ob in Augsburg der Reichstag abgehalten wird, ist ungewiss. - [11] Soweit Frölich. Sein gewagtes Urteil [liber Hans Schöner] wird Bullinger gesehen haben.

Früntlicher, lieber herr und bruder, wiewol ich euch heutt by ewerm botten 2 geschriben, hab ich doch nitt underlassen mögen, euch dise schrifften 3 , die mir ze lesen worden sind, zuzeschicken, diewyl diser bott 4 on das gen Wyntertur louffen müssen. Mögt ir lesen. Sollend mirs aber by zögern 5 widerum schicken, dann sy nitt mir gehörig. Wellt ir etwas darusß abschriben lassen, mögt jr thain 6 . Hab dem botten bevolchen ze warten, byß jr in fertigind. Ich find darinn allerlay, von deswegen mich nitt für unuz angesechen, euch sölichs zuzeschicken, namlich diewyl anzögt wirt b , mitt was landen der kaiser 7 in den newen pundt will; item diewyl under anderm die ungehorsamen gemeldet werden und nieman waist, wen er darbey verston wyll. 11. 8 Darum haltend mirs zu güt. Es beschicht im allerbesten, diewyl ir mich offt darum gebetten habend.

Hettend ir die schrifften 9 gelesen, die ich euch uff hütt by ewerm botten 10 zugeschickt hab, so wellt mirs by disem widerum zufertigen. Habt irs aber noch nitt gelesen, so lasst mirs doch zum nechsten zukommen und lesst flyssig, damitt ir aigentlichen 11 bericht werdind, wie gehandelt worden, und min vetter 12 by euch entschuldigt seye - dann darum ist es mir allain ze thain 13 .

Item usß ainem schriben von Augspurg:

b In der Vorlage wir.
2 Andreas Müller; s. Nr. 2980, Anm. 20.
3 Der Inhalt dieser Schrift ist vermutlich mit dem heute in Zürich ZB, Ms A 43, 395-398. aufbewahrten Dokument aus Bullingers Nachlass identisch. Darin sind Überlegungen zur Wiederbelebung des Schwäbischen Bundes aufgezeichnet, die im Auftrag von Kaiser Karl V. und dessen Bruder König Ferdinand I. gemacht wurden. Das Thema der von Blarer gesandten Schrift kann aus den Angaben weiter unten erschlossen werden. Zudem handelt es sich bei dem in Bullingers Nachlass aufbewahrten Dokument um eine Abschrift von unbekannter Hand auf Zürcher Papier, was mit dem Umstand übereinstimmt, dass Bullinger gebeten wurde, die Schrift nach ihrer Abschrift zurückzusenden. Das Gutachten entstand mutmaßlich in Zusammenhang mit den von den oberdeutschen Ständen auf Wunsch des Kaisers unternommenen Beratungen zu einer etwaigen Wiederbelebung
des 1534 aufgelösten schwäbischen Bundes. Zu solchen Beratungen kam es in Ulm zwischen dem 13. Juni und dem 14. Juli; s. Nr. 2927, Anm. 10.
4 Ein unbekannter Konstanzer Bote.
5 Der zuvor erwähnte Bote (Zeiger).
6 (es) tun.
7 Karl V.
8 Vgl. dazu Nr. 2989,[2].
9 Gemeint ist vielleicht der eine oder andere aus Augsburg an Blarer gerichtete Brief Hans Schöner betreffend (s. Nr. 2980,47-54), bestimmt aber der von Blarer erstellte und von Konrad Zwick beantwortete Fragebogen, der Bullinger von Zwicks trefflicher Vorgehensweise überzeugen sollte (s. Nr. 2980,3-13).
10 Der oben Z. 1f erwähnte Andreas Müller.
11 genau.
12 Konrad Zwick.
13 ist es mir allain ze thain: geht es mir allein.


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Kaiserliche majestat hat für sich und, die uff den reychstag herkommen sollend, unser Frouwen kirchen 14 an ain erbarn rath begert zu rummen und uff das alt wesen zurichten 15 ze lassen, darneben vertröst 16 , das man nieman von der religion treiben 17 , noch auch dardurch nitt verstanden werden sölle, die kirchen dardurch dem bischoff 18 noch yeman anderm eingeben 19 seye. Sic capiuntur vulpes!

Datum in yl, uff den 8. augsten zu 2 uren nach mittag.

Tuus A. Bl.

[Adresse auf der Rückseite:]Bullingero suo. Tiguri.

[Beilage:]20

||755 Elector Saxonic dux 21 postridie c (hoc est 24.22 iulii) c quam caesar urbem intravit, 400 Hispanis boardariis 23 stipatus, curru vectus, huc venit cum multorum bonorum comiseratione, quamvis ipse hilari vultu se ita in triumphum duci passus sit.

Landtgravius 24 Werdie Sueviae 25 ut captivus retinetur nec admodum liberaliter tractatur.

Multi pro certo habent papistas templum Marianum 26 hic brevi sua idolatria occupaturos. Reliqua templa nostris mansura, donec religionis reformatio aut cerimoniarum formula praescribatur et mandetur, ut in eam iurent omnes, recusantes autem vel proscribantur vel occidantur.

Caesar omnes Germanas copias tam equestres quam pedestres dimisit excepta unica turma, quae est sub duce Madrutz 27 ; quodsi rumor verus est, abmandabitur etiam is brevi.

Milites 28 , qui apud nos pro custodia fuerunt, dimissi sunt. Caesar praeter Hispanos, quorum dicuntur amplius 4'000 non esse, non habet. Isti sunt Werdee et in confinibus circumquaque, omnia devastantes. Rhein 29 enim tota per eos devastata est, hommes misere trucidati, cetera rapinis absumpta

c-c Über der Zeile nachgetragen. Klammern ergänzt.
14 Den Dom. - Vgl. Nr. 2962,14f; Nr. 2970,67f.
15 uff das alt wesen zurichten: in dem alten Zustand einzurichten (um dort wie früher den katholischen Gottesdienst abhalten zu können).
16 versprochen; s. SI XIV 1408.
17 abbringen. -Vgl. Nr. 2977,4-7.
18 Otto Truchsess von Waldburg.
19 übergeben; s. SI II 82.
20 Auszug aus einem Brief Georg Frölichs, der vermutlich an Ambrosius Blarer oder an dessen Cousin Konrad Zwick gerichtet war; s. unten Z. 50.
21 Johann Friedrich I. von Sachsen.
22 Richtig ist 26.; s. Nr. 2970,121-131.
23 Hier sind Schützen gemeint. - Vgl. Nr. 2970,1 22f.
24 Philipp von Hessen.
23 Donauwörth.
26 Dom- oder Frauenkirche in Augsburg. - Siehe dazu Nr. 2962, Anm. 5.
27 Nicolò von Madruzzo.
28 Gemeint ist die kaiserliche Garnison unter der Leitung des Obersten Bernhard von Schaumburg; s. Nr. 2966,24f; Nr. 2975,[7].
29 Rain am Lech.


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sunt. Isti Hispani habent secum levem armaturam et impedimenta ultra 5'000 hominum.

An hic futura sint comitia, plane ignoro.

Ista ex literis Laet 30 descripsi. Dictionem 31 vides, qualis sit. Et iam antea nosti, quid ille sibi permittat.