Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[229]

Bullinger an
Joachim Vadian
[Zürich,
Ende Mai/Anfang Juni 1533]

Autograph: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 40, Nr. 71. Siegelspur Gedruckt: Vadian BW V 164f 2

Daß die St. Galler zu einer Zusammenkunft mit Bern, Basel und Schaffhausen [nach Zürich]eingeladen wurden, geschah in der besten Absicht und Hoffnung, eine Einigung [in Fragen des Eherechts]zu erreichen. Man möchte Vadian als Vertreter St. Gallens dabei haben. Die Zürcher hoffen, das Treffen gebe Anlaß zu neuen freundschaftlichen Gesprächen zwischen den Städten. Bullinger wünscht die baldige Fertigstellung von Vadians Epitome, für die er ihm die geographischen Teile aus seinem in Arbeit befindlichen Kommentar [zur Apostelgeschichte]überläßt.

6 Nicht erhalten.
7 Vgl. oben S. 85, Anm. 25.
8 Unbekannt, wahrscheinlich ein Berner Ratsbote
9 Zu den Versuchen von Bern, die gewaltsame Rekatholisierung von Bremgarten (Kt. Aargau) durch die V Orte aufzuhalten, s. EA IV/1c 64-66. 103. 111; vgl. auch HBBW II Nr. 77 und S. 88, 17-89, 20.
10 1533 stellte Glarus den Vogt im Freiamt, Heinrich Schlittler, der «lutherisch» gesinnt war, s. EA IV/1c 80 e. 1316.
1 Die Erwähnung der bevorstehenden Tagung der reformierten Städte (Z. 2-6 und Anm. 4) sowie des vor dem Abschluß stehenden Manuskripts von Vadians Epitome (Z. 17-19 und Anm. 18 und 20) verweist den Brief eindeutig ins Jahr 1533. Als terminus post quem kann der 20. Mai gelten, an welchem der Zürcher Rat schriftlich um Einberufung der Tagung gebeten wurde. Terminus ante quem ist der 10. Juni, das Datum der Zusammenkunft in Zürich (s. unten Anm. 12).
2 Hier ist der Brief irrtümlich unter dem Datum «1534. Anfang Mai?» eingereiht.


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Gnad und frid vonn gott.

Das min herren von Sant Gallen beschryben 3 sind inn allerbester und allerchristenlichster meynung beschryben mitt sampt denen vonn Bernn, Basel und Schaffhusen 4 , unsers gloubens mittgenossen, und ist nun 5 von guten christen angepracht 6 (meo maxime instinctu) zu gutem uns allen, und wirt deßhalb gar nützid fürgenommen adversus confessam veritatem sunder ad confirmandam eam. Die artickel, so üch zugeschryben 7 , truckend unß. Hoffend, gott werde wytere einigung unß verlyhen, daß man joch 8 nitt vonn einet 9 sage, die statt hallts also, die also 10 . Es möchtend ouch die lieben, guten christen hie by unß lyden 11 . Begärend ouch, daß ir der pott wurdint 12 mitt ettlichem guthertzigen. Wir hoffend, das gespräch sölle also vil anlasseß gäben, das wir widerumb inn wyter früntlich gespräch kummind 13 . Hoffend, Bernn, Basel etc. werde deß ouch begären. In summa, es ist in der allerbesten formm und fürnemmen a angeschlagen 14 . Gott schicke es wol. Söliche meinung hab ich ouch den andern zugeschryben 15 , ob sy vilicht (maxime Bernna) bewegt, ettwas früntlichen anzug 16 wyter an min herren mitt entschuldigen ettlichs verunglimpfens 17 thätend etc. Gott gäbe gnad.

Mirum in modum oblectavit me pollicitatio Epitomes 18 . Faxit deus, ut minimo negotio rem satis arduam et summe utilem foeliciter absolvas. Vellem equidem, ad Ioannis natalem 19 parata esset 20 , caeterum si per negotia et instituti difficultatem non

a und fürnemmen am Rande nachgetragen.
3 schriftlich berufen, eingeladen (SI IX 1521-1523).
4 Am 20. Mai 1533 hatten die Zürcher Eherichter den Rat schriftlich aufgefordert, Vertreter der übrigen reformierten Städte einzuladen, um Fragen der Ehegerichtspraxis gemeinsam zu besprechen und gewisse Artikel, vor allem betreffend die Ehescheidung, zu vereinheitlichen, s. Köhler, Ehegericht I 418f. Die Einladungsschreiben Zürichs an St. Gallen und die anderen Städte sind nicht erhalten.
5 nur (SI IV 764).
6 veranlaßt, angeregt worden (vgl. SI V 714f).
7 Im Einladungsschreiben waren wohl die gleichen Hauptartikel angeführt, welche die Zürcher Eherichter dem Rat zur Verhandlung vorgeschlagen hatten: 1. Der Verwandtschaftsgrad für erlaubte Ehen. 2. Die Frage, ob man Ehen, die durch Verführung, Kuppelei oder Betrug zustande kamen, gelten läßt. 3. Wie man durch Strafen der Verbreitung von Ehebruch und Ehescheidung begegnen kann, s. Köhler, Ehegericht I 419.
8 auch (SI III 6).
9 fortwährend (SI I 178f).
10 Vgl. die im Brief der Zürcher Eherichter vom 20. Mai fast gleichlautende Begründung (Köhler, Ehegericht I 419).
11 würden auch die ... Christen ... gern sehen (SI III 1089f).
12 Dieser Wunsch wird auch von Berchtold Haller ausgesprochen (unten S. 140f, 20f). Vadian nahm aber an der Zürcher Tagung,
die am 10. Juni 1533 stattfand (Köhler, Ehegericht I 419), nicht teil. St. Gallen war durch den Ratsherrn Franziskus Studer vertreten, s. unten S. 143, 2-4.
13 Zu den vor allem von Myconius unternommenen Versuchen, die reformierten Orte gegenseitig wieder näher zu bringen, s. oben S. 65, Anm. 8.
14 geplant, beschlossen (SI IX 386-388).
15 Diesbezügliche Briefe Bullingers aus dieser Zeit sind nicht erhalten.
16 Bitte.
17 Ob damit ein konkreter Anlaß (s. z. B. oben S. 121, 9f und Anm. 5) oder das im allgemeinen schlechte Klima in den Beziehungen zwischen Bern und Zürich gemeint ist, bleibt unklar.
18 Vadians Schrift «Epitome trium terrae partium» erschien im September 1534 bei Froschauer in Zürich, versehen mit einer Widmung an Bullinger (Rudolphi 226). Über das geographische Werk, das aus Vadians Erklärung der Apostelgeschichte von 1523 hervorging, s. Näf Vadian II 372-377; Conradin Bonorand, Vadians Weg vom Humanismus zur Reformation und seine Vorträge über die Apostelgeschichte (1523), St. Gallen 1962. -Vadian-Studien 7, S. 91-96.
19 24. Juni.
20 Diese Bitte wiederholt Bullinger am 13. Juni 1533 (unten S. 144, 6-8). Im August ist Froschauer im Besitz des Manuskriptes, über dessen schlechte Qualität er sich am 22. August 1533 bei Vadian beklagt (Vadian BW V 130f).


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licet, fiat, quod libet, dummodo scribatur. Ego interim pergam in scribendo commentario 21 , tibi relinquens excutiendum in transcursu et quantum per Epitomen licet, quicquid geographiae ac topographiae est.

Dominus te nobis diu servet incolumem.

Hein. tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Praeclaro et spectabili viro D. loachimo Vadiano, consuli Sanctogallensi prudentissimo, suo imprimis observando domino.