Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2630]

Oswald Myconius
an Bullinger
Basel,
17. Oktober 1546

Autograph: Zürich StA, E II 336a, 253 a (neu: [270a])(Siegelspur) Ungedruckt

[1] Durch Bullingers regelmäßiges Schreiben musste Myconius feststellen, dass nicht allen Meldungen einfach Glauben geschenkt werden darf auch wenn diese als sicher gelten. Warum aber schreibt Bullinger nichts über die wichtigen Angelegenheiten des vergifteten Salzes und der Besetzung Donauwörths [durch den Kaiser]? Sind dies vielleicht auch falsche Gerüchte? [2] In Basel hielt sich ein den dortigen Bürgern bestens bekannter Italiener [...]auf der Bücher aus Deutschland nach Italien befördert. Er erzählte, dass er auf der Reise nach Basel einen Gesandten aus Luzern [Jost von Meggen]angetroffen hat, der auf dem Weg zum Papst [Paul III.] war, um diesem zu erklären, warum die Fünf heidnischen Orte nicht dem Kaiser zugezogen seien, nämlich weil sie von ihren häretischen Nachbarn derart umzingelt sind, dass sie ihre Heimat nicht auf sicherem Wege verlassen können. Aufgrund der Beschreibung des Gesandten durch den Italiener könnte es sich um Nikolaus von Meggen handeln. [3] Der Italiener berichtete ferner vom Ende des Friedensabkommens mit [Sultan Suleiman I.]. Dieser habe derzeit zwei Gesandtschaften in Venedig, deren Auftrag aber nicht bekannt ist. Der Berichterstatter erfuhr jedoch, dass der Sultan vorhabe, Sizilien anzugreifen. [4] [Johannes] Gast ist im Besitz eines Büchleins über die unerhörte Tyrannei, die der Kaiser in den Niederlanden, u.a. in Antwerpen, ausübt. Bullinger wird sicherlich die Schrift von Gast erhalten. [5][Johannes]Haller schrieb aus Augsburg und fragte nach Neuigkeiten. Myconius musste lachen, weil ja er eher Nachrichten von ihm erwartet! [6]Der Abt [...]einer Stadt bei Mechelen versprach dem Kaiser 50'000 Gulden. Plötzlich aber wollte Letzterer 100'000! Die Stadt erfuhr davon, hielt das Geld zurück und ließ dem Boten [...]des Kaisers mitteilen, dass er bei einer etwaigen Rückkehr gehängt würde. [7]Gruß an [Konrad]Pellikan und Theodor [Bibliander], welcher Myconius vernachlässigt! [Rudolf] Gwalther möge es gut gehen!

S. Huc tu me adduxisti diligenter et frequenter scribendo in temporum hac miseria, ut non credam (nisi tuis) b , etiamsi certa sunt, c quae scribuntur aut referuntur c . Miror itaque, qui fiat, ut mala, que feruntur de sale infecto 1 deque Werda occupata 2 , non significaris, nam scio quidem utrumque 3 esse

a Vorliegender Brief wurde auf die leere Rückseite von Myconius' Brief vom 14. Oktober (Nr. 2625) geklebt, so dass die Adresse nicht mehr lesbar ist.
b Klammern ergänzt.
C-C Am Rande nachjtetraeen.
1 Vgl. schon Nr. 2614,6-8. — Der Zürcher Rat (als politisches Organ des Vorortes der Eidgenossenschaft) wird wohl noch vor dem 15. Oktober den Rat von Basel gewarnt haben, dass "durch anreysung der keiserischen saltz mitt kaich und anderm verderplichem unrath vergipftet werde", wie dies ein Dankschreiben des Churer Rats an Zürich vom 15. Oktober vermuten lässt; s. Zürich StA, A 248/1, Nr. 144. Am 19. Oktober protestierten die Stadt- und Herrschaftsbehörden von
Bregenz mit einem gemeinsamen Brief an Zürich: Solche Gerüchte seien völlig "neben der warhait" und dienten nur dazu, die Bevölkerung der Vier protestantischen Städte gegen Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. aufzuhetzen. — Siehe ferner EA IV/1d 703 zu e (vom 22. Oktober).
2 Donauwörth, welches am 9. Oktober von den kaiserlichen Truppen eingenommen worden war; s. Nr. 2619, Anm. 2.
3 die beiden Gerüchte.


Briefe_Vol_18-148arpa

nonnihil; veritatem vero nescio. Nam dum varie narrantur, ego suspendor dubius.

Fuit hic Italus 4 nobis notissimus, qui libros fert ex Germania in Italiam. Is narravit d occurrisse in itinere ad nos legatum 5 , qui esset Lucernanus, ad papam 6 iturus, ut Quinquepaganos 7 defendat e , quod hoc tempore non profecti sint ad caesarem 8 ; nam ita circumvallatos esse hereticis, ut ex patria tuto exire non licuerit. Ex descriptione visus est mihi Nicolaus a Meggen, signifer civitatis Lucernane.

Idem: Finem habent nunc inducie cum Turca 9 . Is habuit legationes duas apud Venetos, sed quid egerint, non potuit cognoscere. Illud tandem intellexit: Per occasionem illum petiturum Siciliam.

Gastius habet libellum de tyrannide 10 , qua utitur cesar in Inferiore Germania ut Antverpie et alibi. Nihil tale auditum est unquam. Libellum mittet nimirum.

Hallerus scripsit ex Augusta. 11 Petit inter caetera, ut aliquid scribam novi. In tempore tristissimo subrisi, dum petit ad me, quorum copiam ab ipso expectaram.

Abbas 12 non longe a Mechlinia 13 , attamen alterius civitatis, promisit caesari 50'000 gl. Iam petit 100,000. Civitas rescivit et pecuniam numeratam retinuit, dimittensque nuncium 14 iniunxit', ne redeat, ne velit suspendi.

d vi über der Zeile nachgetragen.
f —
e Darüber excuset. — am Rande nachgetragen.
4 Unbekannt.
5 Myconius vermutete dabei (s. unten Z. 1 1f) Nikolaus von Meggen, wozu er durch die Beschreibung des Gesandten durch den Italiener veranlasst wurde (s. Nr. 2649,2f). Doch angesichts der Tatsache, dass Jost von Meggen (ein Verwandter von Nikolaus) an einem Treffen der Fünf Orte in Luzern am 19. Oktober mitteilte, er sei im Namen der Sieben katholischen Orte und des Konstanzer Bischofs Johann von Weeze nach Rom gesandt worden (s. EA IV/1d 697 m), kommt hier eher Jost von Meggen in Frage. —Die Reise des Italieners nach Basel ist demzufolge auf eine weiter entfernte Vergangenheit anzusetzen, nämlich auf August 1546, als Jost von Meggen sich auf die Gesandtschaft nach Italien begab; vgl. HBBW XVI 27, Anm. 1.
6 Paul III.
7 Wortspiel zwischen "pagus" (Orte) und "paganus" (,,heidnisch"); vgl. auch die aus Kessler, Sabbata zitierte Stelle in
HBBW XVII 344f, Anm. 40. —Ansonsten werden die Fünf Orte als "Quinquepagici" bezeichnet.
8 Karl V.
9 Sultan Suleiman I. — Zu den Friedensabkommen zwischen dem Reich und den Osmanen, für die Myconius stets großes Interesse bekundete, s. zuletzt HBBW XV 674 mit Anm. 33; 678.
10 Newe zeytung auß dem Niderland, welche anzaygen die grausame und unchristliche tyranney wider die armen Christen umb Gotes worts willen, Augsburg, Valentin Othmar, 1546, A 4 , in-4 (VD16 N640 — wir danken Rainer Henrich für freundliche Auskunft). Es gab weitere Quartausgaben von dieser Schrift; s. VD16 N639, N641, ZV1 1462f. — In Zürich ZB (Sign.: 18.1457/4) hat sich der Augsburger Druck erhalten.
11 Unbekannter Brief.
12 Nicht ermittelt.
13 Mechelen (Prov. Antwerpen, B).
14 Unbekannt.


Briefe_Vol_18-149arpa

Vale in Christo cum tuis, Pellicano et Theodoro 15 , Myconii neglectore! Gvaltherus valeat! Basileae raptim, 17. octobris anno 1546.

Tuus Os. Myconius.

[Adresse unlesbar. g ]