Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2444]

Ambrosius Blarer an
Bullinger
Konstanz,
11. Mai 1546

Autograph: Zürich StA, E II 357a, 644 (Siegelspur) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 442f, Nr. 1285

Blarer schickt die Abschrift des von Bullinger an Philipp [Melanchthon]gerichteten Briefes [Nr. 2404] zurück und ist überzeugt davon, dass Melanchthon keine Unruhen stiften wird, auch wenn andere ihn dazu anstacheln. Blarer wird so bald wie möglich Bullingers Wunsch erfüllen. Er vertraute kürzlich dem ehemaligen Stammheimer Pfarrer Lorenz [Meyer] einen Brief [Nr. 2437]für Bullinger an, den dieser selbst zu übermitteln hoffte bzw. versprach, ihn anderenfalls jemand anderem weiterzugeben. In Konstanz ist alles ruhig. Kaiser [Karl V.] sorgt [bei einer Badekur]für seine Gesundheit. Über den Reichstag [zu Regensburg] und das Konzil [zu Trient] gibt es nichts zu berichten. Falls Bullinger Relevantes erfährt, soll er es mitteilen. Grüße, u.a. an die Bürgermeister [Hans Rudolf] Lavater und [Johannes] Haab. Blauer bedankt sich schriftlich bei [Rudolf] Gwalther für dessen Zusendung von Theodorets Schrift ["De providentia sermones X"]. Desgleichen soll Bullinger den beigelegten Brief an Jakob Ruf übermitteln. Die [Konstanzer] lassen grüßen. Durch [Ruf] wird Bullinger von dem durch den Teufel gequälten Mädchen [Magdalena ...]erfahren. [Die Konstanzer] hören, dass Ruf solche Leiden heilen kann und hoffen, dass Gott sich durch ihn offenbart.

S. Remitto nunc exemplum tuae illius modestissimae ad Philippum epistolae 1 et gratiam habeo plus quam maximam, quod illius me participem esse volueris, nec dubito, quin Melanchthon, qua est erga omnes Christi gloriae studiosos, christiano candore et eximia synceritate nihil porro (quantumvis a multis exstimuletur) a turbaturus sit. Ego, quod nuper admonebas, 2 prima occasione factum curabo. 3

Scripsi ad te proxime 4 per Laurentium illum, qui apud Stammenum parochum egit. 5 Putabat enim se istic te salutaturum; quod si minus succederet, affirmabat se tamen per alium aliquem bonae fidei hominem curare facile posse, ut tibi quam primum reddantur.

c Darunter von Bullingers Hand eine Bemerkung, die für ein Bündel von Hallers Briefen galt: Ioannis Halleri ab Augusta literae anno 1546 et 47 usque 20. martii. —
a Klammern ergänzt.
Anm. 19; 296f und Anm. 28. Bullinger lieh diese Schrift gerne anderen aus; s. aaO, S. 341 und Anm. 3; 481 und Anm. 7; und zuletzt oben Nr. 2361 und Anm. 22. Dementsprechend wird er Haller um ein weiteres Exemplar dieser Schrift gebeten haben.
1 Zur Abschrift von Bullingers Brief an Melanchthon vom 1. April (Nr. 2404) s. Nr. 2437,63.
2 In einem nicht erhaltenen Brief.
3 Vielleicht etwa Melanchthon einen Brief zu schreiben; vgl. Nr. 2437,39f.
4 Am 28. April (Nr. 2437).
5 Lorenz Meyer (Agricola), bis 1543 Pfarrer


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Apud nos et inter nos omnia tranquilla, nec aliunde etiam quicquam nunc accipimus. Caesar 6 valetudinem curat. 7 In comitiis 8 nihil adhuc, quod audiamus, agitur. De concilio 9 pertinax nunc est nobiscum silentium. Si quid a vestris statuitur, quod scire nos referat, age ne me caeles.

Commenda nos communi servatori diligenter. Salutem dic tuae domui caeterisque tibi coniunctissimis, praecipue fratribus symmystis cum consulibus vestris Lavatero 10 et Habio 11

Scribo Gvalthero nostro gratias agens pro missis nuper Theodoreti sermonibus 12 , qui me supra modum oblectant.

Accipis praeterea epistolam lacobo Ruf, chirurgo vestro, inscriptam, 13 quae, valde rogo, ut mox illi reddatur.

Commendant se tibi nostri oppido b quam officiose, multamque tibi salutem ascribere iubent. Bene vale, mi venerande pariter et charissime frater. Constantiae, 11. maii 1546.

[Ohne Unterschrift.]

Audies ex chirurgo de miris praestigiis et ludificationibus diaboli, quibus supra veri fidem vexat puellam 14 apud nos et tantum non enecat. Audimus

b In der Vorlage opido.
von Stammheim, 1545/46 Pfarrer in Gundelfingen. Von Mai bis Oktober 1546 Anstellung im Zürcher Schulwesen; s. HBBW XIV 236, Anm. 1; HBBW XV Nr. 2092. 2151.
6 Karl V.
7 Vgl. Nr. 2449,11f.
8 Der Reichstag zu Regensburg.
9 Das Konzil zu Trient.
10 Hans Rudolf Lavater.
11 Johannes Haab.
12 Die Schrift "De providentia sermones X" (s. dazu Nr. 2326, Anm. 1), die Gwalther am 22. März an Blarer gesandt hatte (Blarer BW II 430, Nr. 1269) und die dieser am 11. Mai verdankte (Blarer BW II 443, Nr. 1286). Blarer legte den Brief an Gwalther dem vorliegenden Brief bei; s. Nr. 2446,33f.
13 Der nicht in Blarer BW erhaltene Brief behandelte die unten Z. 26—31 erwähnte Angelegenheit; vgl. Nr. 2449,16—18. Zur Übermittlung des Briefes an Ruf s. Nr. 2446,33f.
14 Magdalena [...], eine Magd aus Uttwil (Kt. Thurgau), zu diesem Zeitpunkt 16 oder 17 Jahre alt. 1545 oder schon früher wurde sie wegen einer seltsamen Krankheit in das Konstanzer Spital eingeliefert.
Ihr Leiden wurde mit Besessenheit durch den Teufel erklärt, angeblich bewirkt durch Zauberei, u.a. —jedoch nicht allein (s. nämlich Nr. 2449,16—18) — von der am 26. Mai 1546 als Hexe verbrannten Margreth Scholl (geb. Sax). Im Mai 1548 kam es im Fall Magdalena zu einem großen Prozess in Konstanz, der aber aufgrund der Einnahme der Stadt durch die kaiserlichen Truppen abgebrochen wurde. Magdalena floh zu einer Verwandten nach Augsburg, wo sie kurz darauf verstarb. Im Prozessprotokoll werden Blarer und ein weiterer mit Ruf in Kontakt stehender Pfarrer erwähnt. Ruf befasste sich u.a. mit der Frage, ob der Teufel menschliche Gestalt annehmen und mit einer Frau oder einem Mann ein Kind zeugen könnte. Diesem Thema widmete er einen Abschnitt seines 1554 erschienenen "Trostbüchleins", indem er auf den Fall Magdalena hinwies (s. Keller, Jakob Ruf IV 526—529). Während man damals der Auffassung war, dass ein übernatürliches Phänomen wie Besessenheit nur durch einen kirchlichen Akt, wie einen von einem Priester durchgeführten Exorzismus, bekämpft werden könne, hoffte Blarer allerdings, dass Rufs medizinische Kenntnisse


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vero Ruffum vestrum malis istiusmodi mederi naturalibus et licitis rationibus posse. Quod, si ita est, opere precium certe multo maximum fecerit, hic si praesens se numen in tantis afflictissimae virginis cruciatibus ostenderit. Ut res se habeat, ex ipso intelliges.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo viro d. Heinricho Bullingero, venerando suo modisque omnibus summo amico ac fratri in Christo longe charissimo. Tiguri. 15