Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2425]

Bullinger an
Joachim Vadian
Zürich,
17. April 1546

Autograph: Forlì Bibliotheca Comunale Aurelio Saffi, Autographi Piancastelli, Nr. 401/27 a (Siegelspur) Ungedruckt

Bullinger hat drei Briefe Vadians erhalten. Im ersten [Nr. 2380] äußerte Vadian seine Meinung über Bullingers Schrift "De sacramentis". Auch sandte er damit seine deutsche Übersetzung des von den Bischöfen Deutschlands [gegen Papst Gregor VII.] gerichteten Schreibens sowie das auf Deutsch verfasste Gedicht über das Konzil von Trient, mit dem Vadian Stellung gegen die [Bulle] "Laetare Hierusalem" bezieht. Momentan will Bullinger seine Schrift nicht veröffentlichen. Die gute, weil nicht wortwörtliche Übersetzung des Briefes der Bischöfe wird in der ["Eidgenössischen Chronik"] von [Johannes] Stumpf erscheinen. Das Gedicht [über das Konzil]gefiel [Johannes]Haab und anderen ausgezeichnet. Mit dem zweiten Brief [Nr. 2400] teilte Vadian mit, dass Papst [Paul III.] Kaiser [Karl V.] 20,000 Gulden versprochen hätte, um die Deutschen zu unterwerfen, was eigentlich nicht verwunderlich ist, da es dem Wesen des Antichristen entspricht, Schätze zu verteilen. [Johannes]Haller schrieb aber aus Augsburg, dass die in Trient versammelten Bischöfe vorhätten, den Papst abzusetzen, weil dieser das für den Kampf gegen die deutschen Häretiker bestimmte Geld an seine Verwandten verteilen würde. Vadian war der Auffassung, dass Luther in Eisleben bestattet worden sei. Dies stimmt aber nicht. Luthers Leichnam wurde mit großem Prunk in der Schlosskirche zu Wittenberg beigesetzt. Das von einem Schreiber [Christoph Arnold] verfasste Gedicht auf Luthers Tod gefällt Bullinger gut. Es werden wohl noch weitere Trauerlieder oder -gedichte erscheinen. Nachdem Bullinger Vadians [Spottgedicht]auf den [verstorbenen Mönch Otmar]Gluß [Rudolf] Gwalther gezeigt hatte, dichtete dieser ebenfalls ein solches. Vadian hat es möglicherweise schon erhalten. Bullinger freut sich, dass [Martin] Frecht wohlbehalten heimgekehrt ist, zumal die Ermordung von Juan Diaz durch dessen Bruder Alfonso in Neuburg an der Donau gut zeigt, wie gefährlich es ist, sich dem Tier zu widersetzen. Vadian wird wohl gehört haben, dass Alfonso mit Hilfe seines Dieners [Juan Prieto]seinen Bruder ermordete, wie einst Kain Abel umbrachte. Im letzten Brief [Nr. 2411] teilte Vadian mit, wie Gott diejenigen strafte, die [1545]die Waldenser niedergemetzelt hatten. Der Kaiser soll nach Regensburg eilen. Auf dem Weg ließ er Landgraf [Philipp von Hessen] und [Kurfürst Friedrich II.] von der Pfalz nach Speyer vorladen. Was er von ihnen verlangte, weiß man nicht wirklich. Der Kaiser hat nur eines vor: Dem [Schmalkaldischen]Bundestag in Worms und dem Bündnis der Evangelischen zu schaden. Sollten diese dem Füchslein Gehör schenken, ist es aus mit der Freiheit der Deutschen! Bullinger übersendet ein ihm von Freunden [Matthias Erb und Gerold Meyer von Knonau d.J.]mitgeteiltes Pasquill, um Vadian zum Lachen zu bringen. Dieser möge es zurückschicken. Der Bote [...] will weiter. Grüße. An der [Tagsatzung] zu Baden wurde die Anfrage des [Schmalkaldischen]Bundes [von den Abgeordneten] zur Weiterberatung mitgenommen.

Gratiam et pacem. Ternas a tua humanitate literas 1 accepi, vir mihi semper colendissime.

a Zur Zeit der Bearbeitung dieses Briefes befand sich das Original in einem Raum, der seit November 2012 infolge eines Erdbebens nicht mehr zugänglich war. Dank der Bemühungen von Frau Dr. Antonella Imolesi, Konservatorin der Alten Bestände der Bibliothek Forlì, wurde uns eine gute Fotografie des Briefes zugestellt, wofür wir ihr danken.


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Prioribus 2 iudicium tuum de libro meo de sacramentis scripto 3 dicis, interpretaris epistolam episcoporum Germaniae 4 et carmine Germanico exponis illud Letare Hierusalem 5 contra consessum Tridentini consilii; pro quibus omnibus maximas ago gratias. Librum de sacramentis certas ob causas iam non vulgabo. 6 Epistolam Germanorum episcoporum inseretur libris Stumphii. 7 Probo autem tuam translationem non astrictam verbis. Bonus interpres non tam verba curat quam sensum. Legit et consul Habius 8 tua carmina Germanica et valde probavit. Oblectarunt iis sese multi viri boni.

Posterioribus 9 significas papam 10 caesari 11 duas myriades 12 auri pro[mit]tere b , ut pergat sub iugum mittere Germanos. 13 Ego ni[hil]pacis et boni expecto ab utroque. Antichristi poprium est thesauros distribuere. 14 Caeterum scribit ex Augu[s]ta Vindelicorum Hallerus 15 famam esse patres in Trid[en]tina synodo papam hoc nomine deposituros, quod dicat se thesaurus

b Hier und unten Textverlust durch Papierverlust an beiden Rändern und durch Verblassen der Tinte.
1 Siehe dazu unten Anm. 2, Anm. 9 und Anm. 30.
2 Vadians Brief vom 14. März (Nr. 2380), der nur fragmentarisch erhalten ist.
3 Bullingers handschriftliche Abhandlung "De sacramentis"; s. Nr. 2332, Anm. 29.
4 Es handelt sich um eine von Vadian angefertigte deutsche Übersetzung (vgl. unten Z. 7—10) eines Briefes vom 24. Januar 1076, den die deutschen Bischöfe an Papst Gregor VII. (Hildebrand von Soana) richteten und in dem sie dessen Verhalten heftig kritisierten. Die Übersetzung war für die "Eidgenössische Chronik" von Johannes Stumpf bestimmt. — Druck des Briefes in Monumenta Germaniae historica inde ab anno Christi quingentesimo usque ad annum millesimum et quingentesimum, Bd. 4: Legum tomus secundus, hg. v. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1837, S. 44—46.
5 Ein unbekanntes deutsches Gedicht Vadians. Titel: "Laetare Hierusalem, Esaie 66"; Incipit: "Fröw dich, Fröw dich Hierusalem /dess heren warhait dich nit schemm"; Explicit: "Gott geb, das das Concilium / zu Trient ouch an solch warhait kumm / und well sich dero sperren nicht; / so wirt der span gar schnell verricht. / Amen. / J. V. F." [= Joachimus Vadianus fecit]. Das hier angesprochene Autograph ist in Zürich StA, E II 356a, 994—996, erhalten. — Vadians Gedicht
verspottet die Bulle "Laetare Hierusalem", mit der Papst Paul III. im November 1544 das Konzil einberufen hatte; s. HBBW XV 98f, Anm. 24.
6 Wohl, um nicht als Erster nach Luthers Tod den Abendmahlsstreit wieder zu entfachen.
7 Johannes Stumpf Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren Chronick ..., Zürich 1548 (BZD C396), f. 31Iv.—313v. —Die Chronik führt den Namen des Übersetzers nicht an. Als Quelle wird (f. 311v.) eine in Zürich "in der Libery der Abtey zu dem Frawenmünster in einem alten buch mit alter geschrifft" aufbewahrte Kopie angegeben. — Anhand des Katalogs der mittelalterlichen Handschriften der Zentralbibliothek Zürich kann keine Aussage über den Verbleib des Dokuments getroffen werden.
8 Johannes Haab, Bürgermeister des Baptistalrates (s. Nr. 2391, Anm. 14).
9 Vadians Brief vom 30. März (Nr. 2400), der nur fragmentarisch erhalten ist.
10 Paul III.
11 Karl V.
12 = myriadas; s. Stotz IV 91, Nr. 40.8.
13 Vgl. HBBW XV 367 und Anm. 40; 390.
14 Vgl. Dan 11, 39.
15 Johannes Hallers Brief vom 1. April (Nr. 2406).


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colligere, quibus Germanos haereticos debel[let], at eosdem distribuere filiis et nepotibus. 16

Putas tu, am[i]corum literis edoctus, Lutherum Islebii tumulatum. Ego vero intelligo ipsius cadaver, maxima pompa Witenbergam curru vectum, ab universitate et urbe exce[p]tum et templo illatum arcis, inter mausolea princip[orum] Saxoniae tumulatum esse. 17 Epitaphium eius c scriptum opera scribae cui[us]dam 18 perplacet. Est enim elegans. Nec dubito, quin p[lu]res docti posituri sint ipsi epicoedia et epi[taphia].

Cum vero tuum Othmaro Glusso 19 positum 20 exhibere[m] d. Gvalthero, scripsit et ille; 21 id, quod si non accep[i]s[ti], brevi accipies. Semper Christus ecclesiae suae praesens 22 adversariorum ferotiam deprimit. Hic orandus sedul[o]23 videtur, ut semper nos defendat. 24

Frechtum 25 redusse do[mum], et salvum quidem, gaudeo, 26 praesertim cum Alphonsus ille Diazius, iudex rotae apostolicae, 27 parricidio crude[lis]simo declararit, quam tutum sit contradicere bestiae magnae et multicipi 28 . . Nosti historiam haud dubi[e, cum] is fratrem suum, Cain Abelum, d. Ioannem Diazium, Neoburgi ad Danubium per ministrum 29 securi percussent.

Postremis 30 narras supplicium prorsus stupen[d]um, sumpt[um] coelitus, de parricidis Waldensium. Qua re rursus declaravit rex noster 31 , quam ipsi curae sit [maximae ec]clesiae suae. Ipsi laus et gloria! 32

Audimus caesarem festinare Ratisbonam. 33 In itinere [S]piram ad se evocasse lantgravium 34 et Palat[in]um 35 36 [Qu]id ab iis impetraret, ignoratur ab

e eius scriptum opera am Rande nachgetragen.
16 Vgl. Nr. 2406,13—17.
17 Vgl. Nr. 2418,79—84: Ein von Matthias Erb verfasster Brief, den Bullinger kurz zuvor erhalten hatte, wie aus Bullingers Antwort vom 16. April (Nr. 2424) hervorgeht.
18 Christoph Arnold, der Oberste Sekretär oder Kanzleiverweser von Neuburg (s. Albrecht Weissmann, Die Einnahme Neuburgs im Schmalkaldischen Krieg 1546 und die "Schmach von Neuburg", in: Neubürger Kollektaneenblatt 144, 1996, S. 116; Osiander GA VII 569), da Martin Frecht das Gedicht des "Neuburgi archigrammateus" an Vadian übermittelt hatte; s. Vadian BW VI 522.
19 Johannes Schuhmacher alias Otmar Wild, auch Gluß genannt; s. Nr. 2400, Anm. 4.
20 Vadians Spottgedicht über Gluß' Tod (Beilage zu Nr. 2400).
21 Die Verse Rudolf Gwalthers sind in dessen Gedichtsammlung erhalten (Zürich ZB, Ms D 152, 70v.). — Wir danken
Herrn Kurt Jakob Rüetschi für diesen Hinweis.
22 Vgl. Mt 28, 20.
23 Vgl. Röm 12, 12; Kol 4, 2; 1Thess 5, 17.
24 Vgl. Röm 8, 34.
25 Martin Frecht.
26 Frecht nahm am Zweiten Regensburger Religionsgespräch teil und reiste mit Bucer via Neuburg an der Donau (wo einige Stunden nach deren Abreise Juan Diaz ermordet wurde) nach Ulm zurück; s. Nr. 2333,58f; Nr. 2399,16; [Francisco de Enzinas], Historia vera de morte ... Ioannis Diazii Hispani (VD16 E1436), S. 125f.
27 Siehe dazu Nr. 2399, Anm. 15.
28 Apk 12, 3; 13, 1; 17, 3. 9.
29 Juan Prieto.
30 Vadians Brief vom 4. oder 6. April (Nr. 2411), der nur fragmentarisch erhalten ist.
31 rex noster: Christus.
32 Vgl. 2Petr 1, 17.
33 zum Regensburger Reichstag.


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omni[bus]; d[ivinatur]401v. ||401 v. a quibusdam. Totus in hoc est, ut impediat co[mi]tia Wormaciensia 37 et foedus disturbet evangelic[orum]38 . Si audiunt concionantem vulpeculam 39 Hispanicam, actum erit de libertate Germanica. 40

Pasquillum hunc 41 ab amicis 42 accepi. Tibi communico, ut r[i]deas; sed remittes.

Festinavit tabellio 43 . Plura ergo iam non possum. Vale cum omnibus tuis. Tiguri, 17. aprilis anno 1546.

Ze Baden 44 hat man das werben des pund[t]s, 45 [un]d abscheid genommen. 46 Die lüt thund kein tugend . Nostros 48 audio animis esse promptissimis.

Bullingerus tuus.

[Adresse darunter:] Excellentissimo viro d. doctori Ioachimo Vadiano, domino suo semper colendissimo. Sangallen.