Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2410]

Christian Hochholzer an
Bullinger
Aarau,
4. April 1546

Autograph: Zürich StA, E II 343a, 335 (Siegelspur) Ungedruckt

Hochholzer hat nach seiner Rückkehr aus [Zürich]Bullingers Wunsch nach [Informationen] über die Burgen [im Aargau] mit Gabriel [Meyer]besprochen, der seine Unterstützung zusagte. Sie werden Bullinger einige Aufzeichnungen schicken. Wüsste [Gabriel Meyer], was [Johannes Stumpf für seine "Eidgenössische Chronik"] genau braucht, könnte er eine geeignetere Auswahl treffen. Heinrich Lochmann wurde auf dem Rückweg von seiner Reise in Aarau gefragt, ob es denn stimme, dass man in Zürich um Geld spielen dürfe. Dass in Zürich das Zutrinken verboten und statt dessen das Spiel [um Geld]erlaubt sei, hatte Lochmann, wie er reuig zugab, zum Scherz gesagt, um damit dem häufigen Zutrinken zu entgehen. Auf die Bitte von Gabriel [Meyer] hin soll doch Bullinger dem Bürgermeister [Hans Rudolf] Lavater den Sachverhalt genau darlegen, damit dieser Vorfall Lochmann nicht schadet. Es war nur ein Scherz, wenn auch ein unpassender, zumal er [Zürich] und dem wahren Glauben hätte schaden können. Der [Aarauer]Schultheiß [Beat von Luternau] wird ausgelacht, weil er so leichtgläubig war. Die [Zürcher] sollen sich keine Sorgen machen. Diese Geschichte wird von [Aarau] aus nicht als verbürgte Nachricht in andere Städte gelangen. Hochholzer war in den vergangenen Tagen wegen einer weiteren Angelegenheit nochmals in Zürich, wagte es aber nicht, den vielbeschäftigten Bullinger mit einem Besuch zu stören. Und zwar würde Hochholzer gern für seinen Bruder [Heinrich] um die Hand von [Anna Thumysen] anhalten, der Tochter des im [Zweiten Kappeler] Krieg gefallenen [Großhans Thumysen], die bei dessen Bruder [Rudolf Thumysen] lebt. Hochholzer hätte gern Bullinger damit beauftragt, aber da Bullinger und [Heinrich] sich ja nicht gut kennen, vertraute Hochholzer die Angelegenheit Johannes Fries an. Doch ist ihm Bullingers Rat in jedem Fall nützlich. Vielleicht wird Rudolf Thumysen einige Erkundigungen einholen; in diesem Fall soll Bullinger im Interesse der Brüder Hochholzer handeln. [Heinrich] soll eine ehrbare Frau heiraten. Weder [Anna] noch [Heinrich]verfügen über große Geldmittel, aber sie hat ehrenhafte Eltern [Großhans Thumysen und Anna, geb. Werdmüller] und ist sittsam, wie Hochholzer hörte. [Heinrich]seinerseits ist fleißig und versteht sein [Gürtler]handwerk gut. Bullinger soll die Angelegenheit möglichst mit Fries oder mit Rudolf Thumysen besprechen, der [Anna] besonders liebt. Grüße von Hochholzers Gattin [Agathe, geb. Näf].

Gratiam et pacem a domino. Ubi domum a vobis redii, 1 domine et pater observande, negotium, quod mihi commisisti de castris, eorum conditoribus et possessoribus, 2 contuli cum m. Gabriele 3 . Is suam in hac re pollicetur operam; consignabimus quaedam et ad te transmittemus. 4 Plurima habet,

1 Hochholzers Besuch in Zürich erfolgte gewiss erst nach dem 17. März 1546, dem Datum seines letzten Briefes (Nr. 2382), in dem er ein solches Vorhaben nicht erwähnte. Der Besuch stand vielleicht in Zusammenhang mit Zuarbeiten für Johannes Stumpfs Eidgenössische Chronik; s. Z. 4—7 mit Anm. 5, vielleicht aber auch mit den von Hochholzer erbetenen
Notizen Bullingers zu Biblianders Genesis-Vorlesungen; s. Nr. 2382,14—22. Am 13. April 1546 plante Hochholzer, Letztere bald nach Zürich zurückzuschicken; s. Nr. 2420,14f.
2 Bullinger bat Hochholzer um Notizen betreffend Burgen im Aargau; s. dazu Anm. 4.
3 Gabriel Meyer, Stadtschreiber von Aarau.


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quae commodius coram communicare posset viso tractationis vestrae ordine, 5 quid deesset aut quid conferret; sed ubi videris, si quid desyderaveris ultra, indicabis.

Caeterum quod nunc maxime te scire volo: Heinrychus Lochman 6 reversus ex itinere suo Aaroviam, 7 cum diligentius quidam perconctarentur, anne liceret Tiguri ludere pro nummis, confessus est se ioco dixisse ac paenitere dictum. Sic enim se voluisse subterfugere frequentes propinationes 8 , quod Tiguri vetitum legibus propinare, loco eius lusum permissum, idque non eo animo, quod credi vellet, sed magis ut illuderet. Haec eo significo, quo et tu d. Lavatero consuli 9 prudentissimo et vigilantissimo rem, quomodo se habeat, exponas, idque summopere orat m. Gabriel, ne quid mali Heinrychus hanc ob causam patiatur. locus fuit, sed non decens; vergit enim in ignominiam civitatis nostrae 10 religionisque verae. Nostri 11 iam sciunt non sine magno gaudio fabulas esse. Ridetur praetor noster vel scultetus (ut vocant)12 , cui tam facile impositum sit. Non est, quod solliciti sitis de vana illa persuasione a apud nos interim tamen divulgatum pro certo in alias civitates b . a

Fui praeterea quandam ob rem hisce diebus Tiguri, 13 quam tibi communicatam voluissem; caeterum multitudo negotiorum tibi incumbentium fecit,

a-a Am Rande nachgetragen.
b In der Vorlage civitas.
4 Dabei handelt es sich um die heute in Zürich ZB (Signatur: Ms L 47, S. 262—268) aufbewahrten (und mit übereinstimmender Faltung versehenen) Aufzeichnungen von der Hand Gabriel Meyers über folgende Aargauer Festungen: Ror (= Turm Rore, Teil des heutigen Rathauses von Aarau), Königstein, Biberstein sowie die unterhalb von Biberstein gelegenen Ruinen Gouwenstein = Auenstein, Wildenstein, Villnachern, Wessenburg, Besserstein, die Vogtei Schenckenberg und Castelen = Kasteln. In Johannes Stumpfs Eidgenössischer Chronik, Zürich 1548, finden sich diese Namen mehr oder weniger verstreut in Buch VII (Aargau), f. 1 89r.—244v.
5 Anspielung auf die damals in Arbeit befindliche Eidgenössische Chronik von Johannes Stumpf, an der auch Bullinger sich beteiligte. Die Notizen über die Aargauer Burgen dienten also als Zuarbeiten dafür; vgl. auch Anm. 4.
6 Heinrich Lochmann, Weinherr in Zürich.
7 Nicht nur auf dem Rückweg, sondern bereits auf dem Hinweg seiner Reise muss Lochmann durch Aarau gekommen sein, wie das Folgende erkennen lässt. — Die Reise stand vielleicht in Zusammenhang
mit Lochmanns Amt oder aber erfolgte aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen durch seine Frau Maria, geb. Wirz. aus Schöftland (Kt. Aargau); vgl. HBBW VI 207, Anm. 4.
8 Das Zutrinken, bei dem das Trinkgefäß wiederholt ganz geleert wird, um anderen Personen Ehre zu bezeugen. Dieser verbreiteten Sitte wurde seitens der Obrigkeiten entgegengewirkt; s. etwa das Zürcher Verbot von übermässigem Trinken von 1530 (?). in: Zürcher Kirchenordnungen 1520—1576, hg. v. Emidio Campi und Philipp Wälchli, Bd. 1, Zürich 2011, Nr. 50, S. 89,18—27.
9 Hans Rudolf Lavater.
10 Hier ist Zürich gemeint, Hochholzers Heimat.
11 Gemeint sind die Aarauer.
12 Junker Beat (Batt) von Luternau, der am 13. Januar 1546 zum Bürgermeister (Schultheißen) von Aarau gewählt und am 13. Januar 1547 für ein weiteres Jahr in seinem Amt bestätigt wurde; s. Walther Merz, Die Schultheissen der Stadt Arau[!], Aarau 1899, S. 14.
13 Ein weiterer Aufenthalt Hochholzers in Zürich, der erst wenige Tage zurücklag.


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ut non c ausus fuerim tecum conferre. Quia autem foelicius me omnia acturum tuo consilio plane persuasum mihi habeo, non possum, quin, quid sit, aperiam. Meditabar de puella honesta fratri meo 14 matrimonio iungenda, filia 15 fratris 16 d. Rodoiphi Dumysen 17 , qui 18 occubuit bello illo nostro inauspicato, quam d. Rodolphus in suis alit aedibus. Id, quia per te agi voluissem, metuebam tamen molestum tibi fore, quippe cum frater meus minus tibi sit notus, commisi rem m. Ioanni Frisio meo nomine transigendam. In hac re haud parum profuerit vel tuum consilium vel auxilium. Perconctabitur fortassis aliqua d. Rodolphus Dumysen. Tum rogo ea agas, quae e mea fratrisque mei re esse noveris. Nolo enim tuis humeris totum negotium imponi. Honestam aliquam velim fratri meo dari, etsi non dives sit. Talis illa est. Non habet facultates amplas, nec frater meus habet. Est tamen honestis parentibus 19 nata, casta et pudica, ut audio. Fratri meo, quantum facultates meae permiserint, non deero. Laborare novit, artificium suum tam callet quam quisquam alius. Si quid ergo potes (ut certe potes plurimum), rogo facias vel cum Frisio rem conferendo vel cum d. Rodolpho Dumysen d , patruo puellae; is enim prae caeteris fratribus 20 puellam accepit in sua ac tantum non filiae loco habet.

Vale et me ut totum tuum commendatum habe. Salutem plurimam precatur uxor mea 21 omnibus tuis. Aaroviae, 4. aprilis anno 1546.

Totus tuus

Christianus Hochholzer.

[Adresse auf der Rückseite:] Clarissimo et sincerissimo viro d. Heinrycho Bullingero, ecclesiae Christi apud Tigurinos antistiti vigilantissimo, domino et patri suo plurimum colendo.

c non über der Zeile nachgetragen.
d In der Vorlage Dumyson.
14 Heinrich Hochholzer, von Beruf Gürtler, 1546 zünftig zur Saffran. Er heiratete im Jahr 1546 jedoch nicht die von seinem Bruder Christian für ihn ins Auge gefasste Anna Thumysen (s. Anm. 15), sondern Scholastica Kaiserhofer. Diese gebar im Jahr 1547 einen Sohn, der ebenfalls den Namen Heinrich bekam und auch Gürtler wurde; s. Carl Keller-Escher, Promptuarium genealogicum, Bd. 3 (Zürich ZB, Ms Z II 3), S. 753.
15 Anna Thumysen, die jedoch am 27. Mai 1546 eine Ehe mit Jakob Rüegger einging; s. Erhard Dürsteler, Stammtafeln zürcherischer Geschlechter, Bd. 3 (Zürich ZB, Ms E 96), f. 127v.
16 Großhans Thumysen, 1528 Zwölfer zur Schmiden, von Beruf Hafengießer (Gießer von ehernem Kochgeschirr), Stadtfähnrich im Zweiten Kappeler Krieg von
Oktober 1531, wo er umkam. Er war mit Anna Werdmüller aus Jona verheiratet; s. Dürsteler, aaO.
17 Rudolf Thumysen, seit 1526 Kaplan am Fraumünster, gest. 30. Oktober 1552. Er war ab 1532 Vormund der Kinder (Rudolf, Anna, Elsbetha, Beatrix) seines im Vorjahr gefallenen Bruders Großhans; s. Dürsteler, aaO; HBBW I 227. —Zu Großhans' Kindern s. Wilhelm Hofmeister, Genealogische Tabellen der Stadtbürgerschaft von Zürich, Bd. 14, S. 41, s.v. Thumysen (Zürich ZB, LHS 95 AA 16/14).
18 Bezieht sich auf Großhans.
19 Zu ihnen s. oben Anm. 16.
20 Geschwistern. — Zu deren Namen s. oben Anm. 17.
21 Agathe, geb. Näf.