Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[197]

Bullinger an
Joachim Vadian
Zürich,
8. März 1533

Abschrift Vadians: St. Gallen Kantonsbibliothek (Vadiana), Ms 42, 714f Gedruckt: Vadian, Diarium 517f; Vadian BW V 115f

Weist die ihm von Vadian mitgeteilten Gerüchte, wonach Zürich vom evangelischen Glauben ablassen will, zurück. Wenn eine Vermittlung im Mandatstreit nicht zustande kommt, ist Zürich bereit, sich einem Schiedsgericht zu stellen. Die Delegation dazu ist schon bestimmt. Dabei wird nicht über den Glauben verhandelt werden, sondern nur darüber, ob Zürich auch nach dem Landfrieden befugt ist, Mandate zu erlassen. Gegen den Willen der Landschaft will man nichts unternehmen.

Dem ersamen, weysen h. Joachimen von Watt, altbürgermeister zu S. Gallen, meinem günstigen herren etc. Gnad und frid von gott durch Jesum Christum.

Üwer weysheit schreyben 1 umm der red, so bey üch gadt, wie mein herren das

1 Wer damit gemeint ist, ließ sich nicht ermitteln.
2 Über einen Besuch Ritters bei Bullinger ist nichts bekannt.
1 Das im Auftrag des St. Galler Rates und Bürgermeisters verfaßte Schreiben Vadians (s. Vadian, Diarium 517, 28-33) ist nicht erhalten.


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mandat 2 habind haruß geben 3 , damit sy ouch den bäpstischen glouben bevest, hat mich seer befrömbdt, verwondert ouch alle die guthertzigen, so darvon hörrend, dan ich die meynung üwers schrybens etwelichen, und nit den kleinsten, angetragen 4 , doch niemandtz gemeldet 5 . Ja so gar ferr ist es, das noch jemantz bey üns dess willens sey, das mandat abzethun, das ist ünsern glouben hinzegeben, daß wir ee (ob gott wil 6 ) ünß in alle gfor begeben werdend. Den schidlüten 7 ist auch nit mer befolhen, dann ich üch zuletzst angezeygt und in vorigen tagen dargethon 8 . So verr dass eß nit gsin mag und sy, die schidlüt, so sich harumb ze reyten erbotten 9 , mit güte ab dem weg nit thun mögend, so wirt man ein rächt lassen walten. Darzu sind schon erwelt mein herr burgermeister Röyst und meister Chamly 10 , zwen glöubig, redlich man zun zugesatzten, m[eister] Hans Hab zum reder, m[eister] Cunrad Ascher 11 und m[eister] Rudolf Stoll 12 ze radtgeben und Burkhart Würtz 13 zum schreyber. Da wirt man ouch nit rechten umb den glouben oder umb die mess, ob die gut oder böß, recht oder unrächt sey, sonder von wegen dess, ob wir ||715 dess nit fug oder recht habind, ouch nach vermög dess ellenden fridens 14 und der alten pündten mandata ze machen, dieweyl wir üns doch ünsern glouben und freyheiten vorbehalten etc. In summa: Mich betriegend dann vil erlicher byderber lüt gmüt 15 , so verstan 16 ich nit, das jemantz werd ünsern glouben hingeben, dann eß möglicher, pündt und anders ze lassen 17 , ee Jesum Christum und sein opfer ze lassen. Gott
2 Das von Zürich am 29. Mai 1532 erlassene Messemandat (AZürcherRef 1853); zur Entwicklung des Mandatstreits s. oben S. 35, Anm. 11 und 55, Anm. 6.
3 Wohl im Sinn von: ausliefern, übergeben (vgl. SI II 86).
4 mitgeteilt habe (SI XIV 495).
5 niemanden genannt; gemeint ist: ohne jedoch den Absender des Schreibens zu nennen.
6 Jak. 4, 15.
7 Die abgeordneten Schiedleute der vom Mandatstreit nicht betroffenen Orte Bern, Glarus, Basel, Freiburg, Solothurn, Schaffhausen und Appenzell.
8 Diesbezügliche Briefe Bullingers sind nicht erhalten.
9 Zu den Bemühungen der Schiedorte Anfang 1533, eine Vermittlung zwischen Zürich und den V Orten zustande zu bringen, s. oben S. 55, Anm. 6; dazu noch EA IV/1c 26. 37.
10 Ulrich Kambli, um 1485-1547, Obristmeister 1526, Stiftskämmerer 1540. Anhänger Zwinglis und der Reformation. Er wurde oft als Ratsverordneter mit politischen Aufträgen betraut, so u. a. bei den Verhandlungen um den Zweiten Landfrieden 1531. - Lit.: HBRG I und III, Reg.; Z IX 613, Anm. 3. XI 609, Anm. 2; Jacob 197-199; HBLS IV 443.
11 Konrad Escher vom Glas, um 1480-1539, Tuchhändler, seit 1524 als Konstaffelherr im Kleinen Rat, als Vogt in verschiedenen Landvogteien, 1525 erster Pfleger zum Fraumünster. Im Gegensatz zu seinem Bruder Hans «Klotz» Escher war er von Anfang an ein eifriger Anhänger der Reformation und
Vertrauter Zwinglis, der Pate von Eschers fünftem Kind war. -Lit.: HBRG I und III, Reg.; Jacob 153-155; HBLS III 75.
12 Rudolf Stoll, um 1490-1553, Bruder des Zwingli-Anhängers Ulrich Stoll, Goldschmied, seit 1520 Mitglied des Kleinen Rates. Er wurde in verschiedenen, seit 1529 vor allem außenpolitischen Angelegenheiten, wie Reformations- und Bündnisfragen, vom Rat abgeordnet. - Lit.: HBRG I-III, Reg.; Z X 111, Anm. 9; Jacob 267-269; HBLS VI 564.
13 Burkhard Wirz, um 1507-1542, Neffe des Zwingli nahestehenden Einsiedleramtmanns Jakob Win, 1521 Schüler bei Jakob Nepos in Basel, 1526 Unterschreiber in Zürich. Er nahm 1531 an der Schlacht bei Kappel teil, wurde gefangengenommen und lag 12 Tage im Spital in Zug. Wirz war mit Vadian gut bekannt. Bullinger teilt Vadian am 1. August 1542 den Tod von Win mit. - Lit.: Z VII 441, Anm. 1. 447-449; ASchweizerRef IV 1254; HBRG III 323; Hans Georg Wirz, Zürcher Familienschicksale im Zeitalter Zwinglis, in: Zwa VI 216f; HBLS VII 570.
14 Der Zweite Landfriede.
15 Es sei denn, daß die Gesinnungen vieler ehrenhafter, redlicher Leute mich täuschen, ...
16 so bemerke ich nicht, so stelle ich nicht fest (SI XI 655).
17 Bullinger will damit wohl auf seinen Vorschlag anspielen, die reformierten Orte sollten angesichts der durch den Zweiten Landfrieden geschaffenen Verhältnisse aus dem Verband der Eidgenossenschaft austreten, s. die diesbezügliche Korrespondenz in HBBW II Nr. 127. 140. 154.


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welle ünß denn umm ünser sünden willen insonders plagen und schenden 18 . Darum sind wol getrost. Man wirdt ouch one und wider die landtschaft, die seer gut ist, nützid annemen. So stadt eß sunst ouch nit alß übel. Eß sind noch vil stetten und byderber lüt ouch usset 19 Rheyns, die üns wol tröstend. Gott welle alle zeyt mit üns sin. Verstand mein schreyben im besten.

Datum Zürich, 8. tag mertz im 1533.

Ü. w. underthäniger Heinrich Bullinger.

Der krieg und das tröuwen dess kriegs wirt nit alles ebnen 20 mögen, dan ouch die, so bey üns die bößwilligen geschätzt, einmündig sprächend, die 5 ort wellend mit irem übermut ouch noch mengen kriegsch machen, der vor lieber ruwb ghebt etc. a