Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2175]

Johann Jakob Ammann und
die Schulverordneten von Zürich an
Meier und
Rat von Biel
Zürich,
9. Juni 1545

Autograph Bullingers: Biel StadtA, 120, CXXX, 125 (Siegelspur) Ungedruckt

Die Schulverordneten haben das Beat Steinegger betreffende Schreiben der Bieler [Nr. 2165] nach dem Zurzacher Markt [1 Juni 1545] empfangen. Sie würden den [Bielern] gerne helfen, können es aber in diesem Fall leider nicht. Zurzeit ist keine Stelle frei; wäre eine frei, müsste diese mit jungen Zöglingen der [Zürcher]Kirche besetzt werden, zumal Steinegger (der sich seit Weihnachten [1544] seinem Präzeptor Johannes Fries gegenüber unfolgsam zeigte) seinen Ungehorsam öffentlich bekundet hat, indem er weder die Vorlesungen besuchte noch sich den Prüfungen stellte. Wie könnte man ihn den gehorsamen [Schülern]vorziehen? Darum mögen die [Bieler] es den [Zürchern] nicht verübeln, wenn sie Steinegger wieder zurückschicken. Die [Bieler] sollen sich trotz Steineggers Ungehorsams nicht ganz von ihm abwenden, sondern ihn zurechtweisen und beobachten, ob er ihnen vielleicht mehr gehorcht als den [Zürchern]. Es wäre nämlich schade, wenn er an Armut zugrundeginge, nachdem er doch schon viel gelernt hat. Die Schulverordneten bitten um wohlwollende Aufnahme ihres Schreibens.

Frommen, vesten, ersammen, fürsichtigen und wysen, günstigen, lieben herren, unser willig dienst, früntlicher gruß und was wir eeren, liebs und gfits vermögend, sye üch bevoran bereit 2 .

Wir habend üwer schriben, des datum mittwuch nach pfingsten stünd, 3 3 nach dem Zurzach merckt 4 empfangen und darinn üwer gantz früntlich anmüten Batten Steineggeren beträffend verstanden, und fügend üch daruff antworts wys zu wüssen, das wir gantz geneigt und willig sind, üch und den üwern ze dienen und willfaren, wo uns müglich ist, und das selb so gar bereit, das es uns leid ist, wenn wir es nitt mögend oder könnend.

Und gemelten Batten beträffend den wir mitt einem stand versahen söltind innet oder usset 5 der statt Zürych, damitt er sin narung gehaben möchte habend wir diß mais gar nitt gemögen und können uß volgenden ursachen: Erstlich ist diser zyt kein stand ledig 6 ; wüssend ouch nitt, wenn ettwas ledig werden mag. Demnach, wenn glich ettwas ledig wurde, sind der

1 Valerius Göuffi von Büderich; s. HBBW XI 168, Anm. 1.
2 bevoran bereit: vorab entboten.
3 Oben Nr.2165.
4 In Zurzach (Kt. Aargau) wurden jährlich zwei Märkte abgehalten: Der erste acht Tage nach Pfingsten, der zweite am Verenatag (1. September); s. Caspar Wolf
Kalender oder Laaßbuchli sampt der Schreybtafel, Massen und Jarmärckten uff das M.D. und LXIX. Jar, Zürich, Christoph Froschauer, [1568], f. Bvij,v. Hier ist der am achten Tag nach Pfingsten 11. Juni 1545] stattfindende Markt gemeint.
5 innet oder usset: innerhalb oder außerhalb.
6 kein stand ledig: keine Stelle frei.


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jünglingen, die von unsern gnedigen herren uß der kylchen gut erzogen, so vil, das die ledigen stand vilfaltig mögend ersetzt werden. So hatt sich Beatus wol flissig, geschickt und wol betragen (wie wir üch vormalen bericht) . Biß jetzund an die Wienächten dannethin, alls er sinen selbs hat angehept empfunden, 8 hat er wol nüt unrächts und unerlichs, das uns ze wüssen sye, begangen. Er hatt sich aber mitt sinem flys umbgewendt und ist sinem preceptori m. Hansen Friesen 9 ungehorsam worden. Wenn er inn hatt geheissen in die letzgen 10 gan, so hat ers nitt than, ja er hat gethan, das er gewöllen hat und nitt, das man inn hieß 11. Doch hofftend wir, er wurde sich widerumb in die gehorsamme begaben. Alls wir aber zu Ostern unsere knaben all verhortend, beschiedent 12 und berufftend wir ouch Beatum zu dem examen; da bleib er frävenlich uß und ließ sich gagen ettlichen mercken, er hatte von uns nüt, dorumb hattend wir an inn nütze sprachen 13 und ||125v. inn ze rächtfertigen und examinieren, etc. Diewyl nun sömliche 14 sin beharrliche ungehorsamme 15 an dem tag ligt und, schon 16 ettwas ledig 17 were, dahin wir inn ordnitind 18 mögend, ir wol ermässen, was ghorsamme das under den unsern bringen wurde, namlich so man die gehorsammen gfölgigen da hin-de stan liesse, und den unghorsammen herfür staute, hierumb ist unser gar früntlich bitt an üch, das ir nitt für übel an uns haben wollind, das wir Beatum nitt versahen, sunder uff üwern bescheid, wo wir inn nitt versahen mochtend, wider schickend. 19

Wir bittend ouch sinen halben, ir wollind inn siner dorheit und främden 20 , beharrlichen unghorsamme gagen uns erzeigt a nitt der massen ungälten lassen 21 , das ir gäntzlich hand von imm abziehend 22 , sunder das ir inn der notturfft nach ernstlich beschältind 23 und wyter versüchind, ob er mee (wie billich) umb üch dann uns gabe, 24 dann er denocht also vil gelernt hatt, das es schad were, solte er armut halb verderben, etc.

Hiemitt bittend wir früntlich, ir wollind diß unser schryben von uns gutwillig uffnemmen und üch aller trüw und willigen diensten zu uns versahen.

a erzeigt am Rande nachgetragen.
7 In Bullingers Berichten nach Biel in HBBW XI, Nr. 1515 (6. Mai 1541), HBBW XIII, Nr. 1713 (23. Januar 1543), Nr. 1752 (13. Juni 1543), und in dem nicht erhaltenen Brief, auf den Nr. 2165 Bezug nimmt.
8 alls er sinen selbs hat angehept empfunden: als er überheblich wurde.
9 Johannes Fries.
10 Vorlesungen.
11 das man inn hieß: was man ihm befahl.
12 bestellten.
13 an inn nüt ze sprachen: an ihn keine Ansprüche zu stellen.
14 solche.
15 Ungehorsam.
16 obschon.
17 frei.
18 abordneten, schickten.
19 Vgl. oben Nr. 2165, 17-23.
20 sonderbaren.
21 ungälten lassen: als wertlos behandeln.
22 hand von imm abziehend: ihm die Gunst entzieht.
23 scheltet.
24 ob er mee umb üch dann uns gabe: ob er euch mehr als uns gehorche.


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Gott der allmächtig wolle üch langwirig in friden und allem guten gnedig erhallten.

Datum Zürych, 9. iunii anno 1545.

Uwer alle zyt gantz

willige

Johanns Iacob Amman,

Schulherr, und die verordnete über die

schulen Zürych.

[Adresse auf der Rückseite des folgenden Blattes:]" Den frommen, vesten, ersammen, fürsichtigen und wysen meyern und radt der statt Byell, unsern günstigen lieben herren.