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Autograph: Zürich StA, E II 351, 210 (Siegelspur)
Widenhuber hat vor einiger Zeit von seinem Gevatter" Johannes Fries gehört, dass Christoph
Froschauer tüchtig an Johannes Stumpfs "[Eidgenössischer] Chronik" arbeitet. Der
Freund [Melchior Gügi]hat ein treffliches Bild der Stadt [St. Gallen]entworfen und möchte in
zwei oder drei Wochen nach Zürich kommen, um dem Formschneider [Heinrich Vogtherr d.A.]
etliches sonst Unbekanntes zu erklären, damit alles gut erarbeitet werde. Widenhuber wird
[Gügi]begleiten. —Außerdem hat [Joachim] Vadian auch einiges für die "Chronik"nützliches
[Material]über die Stadt St. Gallen und den Thurgau bei sich, das er eigenhändig in eine gute
Ordnung bringen möchte. In den drei Jahren [von Juni 1529 bis Februar 1532], währenddem
der Abt [Kilian Germann] und die Mönche aus St. Gallen vertrieben worden waren, hat
Vadian das Kloster und die Bibliothek gründlich durchforscht, so dass er diese nun besser
kennt, als die Mönche sie kennen; diese werden sich darüber wundern! Auch etliche vornehme
Bürger haben ein Interesse daran, so dass es schade wäre, wenn Vadian sein Wissen mit in den
Tod nähme. —Da Vadian mit Geschäften überladen ist und als Altbürgermeister täglich in den
Rat muss, will er jetzt eine List anwenden und Urlaub zu einer angeblichen Badekur in seinem
Haus [Wienachtshalden am Tonisberg, nordwestlich von St. Gallen]beantragen, in Wahrheit
aber an [dem Manuskript über St. Gallen und den Thurgau] arbeiten, obwohl er sich über
Froschauers Mahnung' geärgert hat. Er will bis August fertig werden. — Widenhuber bittet
Bullinger, bei Froschauer um Aufschub nachzusuchen. Im beigelegten Brief [nicht erhalten]
hat Widenhuber sich mit seiner Bitte auch an [Froschauer]gewandt. Da Vadian sein Vorhaben,
[über die Abtei und die Stadt St. Gallen zu schreiben], geheim hält, sollen auch Bullinger
und Froschauer darüber schweigen; denn würden der Abt [Diethelm Blarer von Wartensee]Briefe_Vol_15_327 arpa
und die Mönche davon erfahren, würden sie sogleich wissen wollen, was über ihr Kloster
geschrieben wird, ja vielleicht sogar die Zürcher Obrigkeit darüber ausfragen. —Bullinger
möge sein Schreiben nicht übel aufnehmen. Widenhuber wünscht, Bullinger käme einmal zu
ihm, damit er Bullinger die von ihm empfangenen Wohltaten vergelten könnte.
[Gedruckt: Beat R. Jenny, Der Historiker-Poet Caspar Brusch (1518-1557) und seine Beziehungen zur Schweiz, in: Aus der Werkstatt der Amerbach-Edition. Christoph Vischer zum 90. Geburtstag, hg. v. Ueli Dill und Beat R. Jenny mit einem Beitrag von Alfred R. Weber, Basel 2000, S. 208f.]