Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[2159]

Joachim Vadian an
Bullinger
St. Gallen,
14. Mai 1545

Abschrift von Johann Rudolf Stumpf: Zürich StA, E II 351, 15r.—17r.

Vadian hat das letzte Schreiben Bullingers [dessen Nachschrift oben Nr. 2154 erhalten ist] verstanden. Bullinger soll nicht daran zweifeln, dass [die Zuarbeiten für die Eidgenössische Chronik" von Johannes Stumpf]gut und zu seinem Gefallen vollzogen werden. Vadian konnte aber aufgrund seiner vielen Amtsgeschäfte die Beschreibung des "Thurgaus" und des [St. Galler] Klosters noch nicht fertigstellen. Vadian hat nämlich zum Vorteil der Geschichtsschreibung seine Arbeit etwas weitläufiger angelegt, als Johannes Stumpf es denken würde, indem er nämlich einen Überblick über die Herrschaft der Frankenkönige von [Chlodwig J.] bis auf Ludwig [IV. das Kind], den Sohn König Arnulfs [von Kärnten], geben möchte, zumal die Gründung der Klöster und Stifte unter deren Regierung erfolgte. Diese Arbeit ist schon weit fortgeschritten. Vadian hat dazu gedruckte und handschriftliche Chroniken sowie Urkunden herangezogen, und er bemüht sich, den Unterschied zwischen dem alten, guten Brauch und den Neuerungen, besonders bei den Geistlichen und in Hinsicht auf die Päpste, so maßvoll zu verdeutlichen, dass ihm niemand Hass oder Aufsässigkeit vorwerfen kann. Doch überlässt er das Urteil Bullinger und Johannes [Stumpf]. Danach soll ein Kapitel über den Ursprung des Mönchswesens, dann eines über den Stand der deutschen Stifte und Klöster zur Zeit der altfränkischen Regierung folgen. Auch wenn es die Geistlichkeit verletzen könnte, so wird sie doch die Wahrheit [dieser Beschreibung]zugeben müssen. Das vierte Kapitel behandelt den Anfang des Klosters zu St. Gallen und enthält einen Katalog der Abte, der Vadian die größte Mühe macht. Dabei wird Vadian sich mit Vorsicht gegen die unfrommen Abte wenden. Er hat nämlich zur Zeit des landesflüchtigen Abtes Kilian [Germann] nicht nur die [St. Galler] Klosterbibliothek durchforscht, sondern auch viele Urkunden, Rechnungsbücher und das Protokollbuch, in dem die neueren, auswärtigen Verhandlungen und die Sitzungsberichte verzeichnet wurden und aus dem zu entnehmen ist, wie das Toggenburg und andere [Besitztümer] an das Kloster gekommen sind. Vadian wird sich dadurch wohl verhasst machen. Auch die Geschichte der Stadt [St. Gallen], und wie diese zu ihren Freiheiten gelangte, wird Vadian darstellen. [Der Zürcher] Bürgermeister [Johannes] Haab erfuhr [1534] in seinem Amt als [Schieds]richter einiges darüber. Vadian wird um äußerste Sorgfalt und Vorsicht bemüht sein: Ein Lobpreis der Stadt ist gestattet, jedoch nur unter dem Anspruch der Wahrheit. Wenn [Bullinger und Johannes Stumpf] ihm Zeit lassen, will Vadian alles im kommenden August zusammengestellt haben. Wenn nicht, wird er sich wenigstens mit der Stadt [St. Gallen]befasst haben, deren Abbildung bereits fertiggestellt ist. Vadians Schwager Hans Widenhuber will mit dem Maler [Melchior Gügi] (ein Sattler, der aber so geschickt wie Apelles ist) zu Pfingsten [24. Mai] nach Zürich kommen, um das Bild Christoph [Froschauer] zu übergeben. Vadian wird seine begonnene Arbeit auf jeden Fall beenden. Vielleicht wird sie sogar veröffentlicht. Wie Stumpf (von dessen Arbeit er viel hält) verfasst er [seine Chronik] in der Zürcher Schreibsprache. Für den [1. September] will er alles zusammengestellt haben. Bullinger soll Stumpf diesen Brief mitteilen und diesen mahnen, mit Weile zu eilen.

[Gedruckt: Vadian BW VI 414-416, Nr. 1395; Vadian DHS II LVII-LIX; Übersetzung: Joachim Vadian, Ausgewählte Briefe, hg. v. Ernst Gerhard Rüsch, St. Gallen 1983, S. 82-88.]