[2030]
Autograph: Zürich StA, E II 357a, 642f (Siegel) Teildruck und zusammenfassende Übersetzung: Blarer BW II 317f, Nr. 1141
Hätte ohne Bullingers Erklärung dessen Schweigen [oder Zurückhaltung?] nicht verstanden;
der Herr möge wirken, was ihm gut scheint und das unschuldige Blut rächen; die Überlegungen
Bullingers sind keineswegs nichtig; auch [in Konstanz]geht das Gerücht der Niederlage
der [Eidgenossen]gegen [König Heinrich VIII.]herum; vieles bleibt ungewiss, sei es in Bezug
auf den Frieden zwischen [Karl V.] und [Franz I.] oder auf das Schicksal der [eidgenössischen]
Söldner in der Schlacht zwischen [Franz I.] und [Heinrich VIII.]. Luthers Büchlein
[,,Kurtz bekentnis"] hat der [in Konstanz] als Pfarrer wirkende Johannes Jung in Ulm gesehen,
und zwar bei einem Wittenberger [...]; Jung, der es nicht gründlich lesen konnte, kann
aber schon bezeugen, dass es voller Verwünschungen steckt; Zwingli wird verdammt; die
"Schwärmer" werden mit den "Stenckfeldianern" (so nennt Luther die Anhänger Schwenckfelds)
gleich behandelt; Blarer wird das Buch schicken, sobald er es erhält. Gut, dass Bullinger
Cochläus nur kurz geantwortet hat, denn dieser ist nicht einmal dessen wert. Mit seinem
letzten Brief an Bullinger sandte Blarer den Brief Vadians zurück. Bullinger möge ihm das
Kölner [,,Einfaltigs Bedencken"] zurückschicken, zumal Bullingers [genaue] Lektüre nicht
notwendig ist, da Pellikan das Werk bereits gelesen hat; neulich schrieb Albert Hardenberg,
dass die Kölner [Reformation] ganz vom künftigen Reichstag abhänge - ach, diese elenden
Verzögerer! Philipp M[elanchthon] schrieb neulich an [Martin Frecht], wie sehr ihn der neubriefe_vol_14_510 arpa
entfianunte Abendmahlsstreit belaste. Blarer hofft, über [Hans Rudolf] Lavaters Sohn [Felix]
bald einen guten Bericht aus Augsburg zu erhalten. Man sagt, dass [Karl V.] mit [Franz I.]
Großes vorhabe; dass Bullinger [Heinrich VIII.]mit Jehu vergleicht, hat Blarer gut gefallen;
das mag wohl zutreffen, wenn dieser so fortfährt. Grüße an die Familie und an [Diethelm]
Röist; Grüße, besonders von [Thomas Blarer] und K[onrad] Z[wick]. Ein Soldat berichtet
glaubhaft, dass [Heinrich VIII.]nicht viel ausrichten konnte; nachdem er erfuhr, wie stark die
gegen ihn ziehenden Kräfte Frankreichs waren, hat er in Boulogne und [Montreuil] Besatzungen
hinterlassen und sich nach England zurückgezogen; die Franzosen haben die Vorstadt
von Boulogne angegriffen, 800 Mann darin erschlagen und diese belagert. Die von [Schwäbisch]
Gmünd haben den Edelmann [Hans Christoph von Absberg]gefangen genommen, und
zwar auf württembergischen Boden, so dass [Ulrich von Württemberg] dessen Freilassung
fordert; doch hat unterdessen der Kaiser [Karl V.]befohlen, den Gefangenen festzuhalten bis
zur Zufriedenstellung der Nürnberger, da der Gefangene deren Feind ist; er soll nämlich an
der Gefangennahme des [Hieronymus]Baumgärtner [durch Albrecht von Rosenberg]beteiligt
gewesen sein; daraufhin fing [Ulrich] acht Gmünder und erklärte, diese so behandeln zu
wollen, wie sie den Edelmann behandeln würden; die Seite Rosenbergs hat wiederum [Christoph]
Gräter von Biberach gefangen und fordert 6'000 Gulden.
S. in solida a salute nostra Christo. Ego vero, mi venerande atque charissime frater, tam muccosis sum naribus, 1 ut nunquam intellecturus fuerim hanc tuam aposiopesim 2 , nisi huius abs te nunc dilucidius admonitus 3 . Ego dominum precabor, ut, quod bonum est in oculis suis, faciat. Ulciscetur quidem innoxium hunc sanguinem, ubi sibi visum erit. Cogitationes tuas et somnia, de quibus scribis, non facile vana esse crediderim; 4 certe apud nos non alia etiamnum feruntur quam caesos vestros ab Anglo 5 , interim tamen omnia dubia, ut omnes valde miremur adeo nihil certi cuiquam constare nec de conditionibus pacis 6 inter caesarem 7 et Gallum 8 nec de vestris militibus et commisso inter Gallum et Anglum proelio. Ubi primum certa accepero, non committam, ut ipse ignores.
Lutheri libellum 9 Ulmae vidit Ioannes Iungius 10 noster, qui hic quoque verbi minister est, idque apud Wittenbergensem quendam 11 , qui legendi eius copiam facere noluerit propter celerem abitum; legit tamen unam forte atque alteram paginam, quas execrationibus refertissimas esse affirmat. Zvinglium, quantusquantus est, diris devovet etc. Schwermeros 12 et Stenckfeldianos
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13 , sic enim illum vocat Schwenckfeldum, eodem loco habet. Tu nihil dubita de mea fide; mittam quamprimum exemplar, ubi nactus ero. 14
Quod Cochleo paucis respondisti 15 , bene habet; neque enim istis dignus est impudentissimus nebulo. 16
Postremas ad te literas 17 dedi, cum quibus Vadiani epistolam, 18 quam miseras, remisi.
Coloniensem reformationem, 19 ubi satis usus fueris, remitte; 20 videris non magnum operae precium facturus, si legas, praesertim cum legerit Pellicanus. Scripsit nudius tertius 21 d. Albertus Hardenbergius Frisius noster Coloniensem rem totam ad futura comicia 22 suspendisse. Proh miseros comperendinatores 23 !
Philippus M[elanchthon] non pridem ad amicum quendam 24 ita scripsit (sed ista tibi; scis, quam periclitetur bonus Phil[ippus]) b : "Si tantum lachrymarurn profunderem, quantum vehit aquae vester Danubius, tamen dolor meus non exhauriretur, quem mihi affert instauratio belli greek greek nec de mearum rerum mutatione valde angor; doleo turbari ecclesias, non sanari; nam controversia his rixis non explicatur nec dirimitur. Multa mecum cogito, de quibus fortasse brevi colloquemur"etc. 25
De Lavateri filio 26 spero me brevi accepturum aliquid Augusta; quod ubi fiet, tibi quoque prima occasione significavero. 27
Caesarem existimant magna moliri cum Gallo. Valde arridet, quod ex Anglo Jehu facis, 28 quem esse etiam sciemus, ubi, quemadmodum caepit, feliciter perrexerit. 29
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Bene vale, mi venerande et suavissime Bullingere, nosque, ut facis, 643 || servatori Christo sedulo commenda. Saluta fratres et amicos omnes cum tota tua domo et d. Röstio 30 . Salutant te omnes nostri, praecipue germanus frater 31 et C[onradus] Z[wickius].
Constantiae, 7. novembris 1544.
Tuus A. Bl. frater[?]c
Yetzund kompt ain waidlicher 32 kriegsmann 33 heruß, dem wir gantz glauben geben dorffen. Sagt, das der Engellender 34 gar nichts ussgericht, nachdem er den Frantzosen 35 alls starck gesechen; sonder hab Bolonga 36 besetzt und noch ain statt 37 , die er ouch gewunnen, 38 und seye widerum uber das mehr. Der Frantzos ist wol in die vorstatt Bolonga gefallen, hat darinn etwa 800 erschlagen und die vorstatt eingenomen; hat die noch inn, aber sunst weyter nichts ussrichten mögen. 39
So wisst, das die von Gmynd 40 ain edelman 41 gefangen habend uff herzog von Wirtempergs 42 boden; da hat inn der hertzog zu empotten, sy sollend inn ledig 43 lassen und stellen uff seinen boden, da sy inn gefangen haben. Dazwyschen aber hat der kaiser 44 denen von Gmynd uffs hochst gebotten, sy
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sollen den edelman d hanthaben 45 byß uff der von Nürenberg (deren find 46 er 47 gewesen; dann er Rosenbergisch ist 48 ) vernügen 49 ; dann er soll ain hoptman gewesen sein von e denen, die den Bomgarter 50 von Nüremberg gefangen haben. 51 Nun aber ist der hertzog gar erzurnt uber die von Gmynd; hat inen yetz acht burger gefangen 52 und empeut inen 53 , wie sy dem edelman thüen, allso welle er iren burgern ouch thain. Allso ist allenthalb angst und not. Die Rosenbergischen haind gar ain frommen burger, ainen Gräter 54 von Bibara[ch]f ouch gefangen; 55 wellend sechs tausend guldin von im haben etc.
[Adresse darunter:] Praestantissimo viro d. Heinricho Bullingero, amico et fratri praeter caeteros observando longeque omnium charissimo. Zürich.