Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1033]

Oswald Myconius an
Bullinger
Basel,
22. August 1537

Autograph: Zürich StA, E II 343, 127 (Siegelspur) Ungedruckt

Capito schreibt, Luther sei zuversichtlich, was die Konkordie betreffe; Markgraf Johann und Kurfürst Joachim von Brandenburg neigten der Reformation zu, ebenso - zum Mißfallen seines Bruders Georg -Herzog Heinrich von Sachsen. In Worms sei ein von [König] Ferdinand gegen [die Protestanten] ins Werk gesetzter Tag zusammengetreten; nach einem Friedensschluß zwischen dem Kaiser [Karl V.] und dem Franzosen [Franz I.] drohe Gefahr. Myconius empfiehlt den [aus Württemberg] vertriebenen [Wolfgang Steyrer]; laut dessen Bericht erzwingt [Erhard]Schnepf die Wiedereinführung der Bilder auf eine Weise, die selbst Luther mißfallen würde. Kann Megander schwerlich verzeihen, daß er Verdächtigungen gegen ihn Glauben schenkte.

S. Capito dum scribit ad me, committere solet, ut se tibi commendem. Ante dies paucos significavit 1 Lutherum valere et esse in summa spe concordiae, tum contentiosos apud se contentionem omnem remisisse. Addidit Ioannem, marchionem Brandenburgensem 2 , evangelium paenitus recepisse, loachimum, fratrem eius, electorem 3 , in praecipuis urbibus permittere, ut praedicetur, et sacerdotibus concessisse coniugium, Heinrichum, ducem Saxoniae 4 ,

1 Ein entsprechender Brief Capitos ist nicht erhalten.
2 Johann I., Markgraf von Brandenburg (Hans von Küstrin), 1513-1571, regierte seit 1535 die Neumark und ging 1537 offen zur Reformation über. 1538 trat er dem Schmalkaldischen Bund bei. Aus politischen Gründe verließ er diesen aber wieder und unterstützte im Schmalkaldischen Krieg die kaiserliche Seite, ohne seinen protestantischen Glauben aufzugeben; so lehnte er beispielsweise das Interim entschieden ab. - Lit.: Ludwig Mollwo, Markgraf Hans von Küstrin, Hildesheim-Leipzig 1926; Johannes Schuitze, in: NDB X 476f.
3 Joachim II., 1505-1571, seit 1535 Kurfürst von Brandenburg, verfolgte eine ambivalente, auf Vermittlung bedachte Kirchenpolitik. Schon früh tolerierte er die Berufung evangelischer Prediger. Er befürwortete Priesterehe und Laienkelch, vermied aber bei der Einführung der Kirchenordnung
von 1539 den Bruch mit der alten Kirche. Im Schmalkaldischen Krieg stand er auf der Seite des Kaisers, und 1548 wirkte er beim Interim mit. 1563 bekannte er sich öffentlich zur Augsburger Konfession, hielt aber dennoch an den alten Kirchenbräuchen fest.- Lit.: Manfred Rudersdorf und Anton Schindling, Kurbrandenburg, in: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung, Land und Konfession 1500-1650, Bd. 2: Der Nordosten, Münster 1990. - Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 50, S. 35-66, bes. 40-48; Johannes Schuitze, in: NDB X 436-438; Udo Krolzik in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, begründet u. hg. v. Friedrich Wilhelm Bautz, fortgeführt v. Traugott Bautz, Bd. III, Herzberg 1992, Sp. 110-115.
4 Heinrich der Fromme, Herzog von Sachsen, 1473-1541, residierte ab 1505 in


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fratrem Georgii 5 , ostium evangelio aperuisse. Id quod ita doleat Georgio octogenario 6 , ut nunc demum cogitet de uxore ducenda, ut illum privet haereditate. Praeterea principes et civitates coisse Wormaciae contra nos, atque id committente Ferdinando 7 ; tumultum aliquando futurum, postquam induciae sint factae inter caesarem 8 et Gallum 9 . De his hactenus.

Quem coram vides 10 , habebis commendatum diligenter. Is narrabit tibi, quurnam a Schnepfio sit eiectus. Equidem sum in hac sententia, Luthero displiciturum, si audiret violentiam illius in reponendis imaginibus, ubi semel ex authoritate publica fuissent abolitae 11 , quandoquidem pro mediis aliquando tenuit 12 , quamvis hocipsum non credo mihi persuaderi posse unquam. Grynaeus et Carolostadius commendarunt hunc etiam Leoni 13 . Puto

Freiberg. Unter dem Einfluß seiner Gemahlin Katharina, geb. von Mecklenburg, wandte er sich der Lehre Luthers zu. Anfang 1537 beantragte er die Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund, und Ende Mai ließ er in seinem kleinen Territorium eine Visitation in protestantischem Sinne durchführen. Nach dem Tod seines Bruders Georg (1539) führte er das albertinische Sachsen der Reformation zu, starb aber schon nach kurzer Regierungszeit. - Lit.: Erich Brandenburg, Herzog Heinrich der Fromme und die Religionsparteien im Reiche (1537-1541), in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde 17, 1896, S. 121-200 und 241-303; Elisabeth Werl, in: NDB VIII 391-393.
5 Georg der Bärtige, Herzog von Sachsen.
6 Georg stand im 66. Altersjahr (vgl. HBBW IV, S. 286, Anm. 14).
7 Im Auftrag König Ferdinands war auf den 1. August ein oberrheinischer Kreistag über die Unterhaltung des Kammergerichts und die Türkenhilfe nach Worms einberufen worden; s. PC II 440. 441. 445f.
8 Karl V.
9 König Franz I. von Frankreich.
10 Die nachfolgende Charakterisierung paßt auf "Wolfgangus ille miser Styrianus", über den Bucer am 25. Oktober gegenüber Blarer klagte, er sei den Konstanzern wie auch den Straßburgern schon oft lästig geworden, habe fälschlicherweise
behauptet, "imaginum et eucharistiae caussa" aus Württemberg vertrieben worden zu sein, und habe ihn (Bucer) in Bern und Zürich verleumdet (s. Blarer BW I 859f). Wahrscheinlich handelt es sich um jenen Wolfgang Steyrer (Stürer) aus Isny, der sich 1525 in Waldshut von Hubmaier hatte taufen lassen und der etwa ein Jahr später in Zürich verhört wurde, weil er in Stadel und Neerach gepredigt hatte (s. Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz, Bd. I, Zürich 1952, S. 155). 1532 wurde ihm in Ulm eine Probepredigt gestattet (s. [Friedrich] Keidel, UImische Reformationsakten von 1531 und 1532, in: Württembergische Vierteljahrsschrift für Landesgeschichte, NF IV, 1895, S. 327).
11 Zur wechselhaften Behandlung der Bilderfrage in Württemberg s. Martin Brecht und Hermann Ehmer, Südwestdeutsche Reformationsgeschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg 1534, Stuttgart 1984, S. 229-231. Steyrer behauptete, Schnepf und Brenz weigerten sich, in Kirchen zu predigen, in denen ein Kruzifix fehle (s. Blarer BW I 859).
12 Zu Luthers Beurteilung der Bilder als Adiaphora vgl. z. B. seine Schrift "Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament" von 1525 (WA XVIII 37-214, bes. 67-84).
13 Der Brief von Grynäus und Karlstadt an Leo Jud ist nicht erhalten.


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igitur commendabilem esse. Quantum coniectura monet, videtur vir esse non malus. Miser est, ut minimum, quamobrem dignus, ut sublevetur pro virili. Siquid est igitur, unde potes benefacere, benefacito, quaeso.

Megander, quem hactenus pro fratre colui charissimo, tantum non pro perfido habet me. Quod flagitium ego per omnem vitam adeo sum persecutus, ut amicum, qui semel hic mihi imposuit, deinceps nunquam ex animo potuerim colere sicut antea. Dolet ea res mihi admodum. Verum interea nihil aliud possum. Sed deus erit iudex animi mei. Suspiciones audit et eis credit, quod non arbitror esse ex pietate. Taceo, usquedum tempus erit; tum fraterne docebo, quam se de amico pessime fefellerit. Tantillum de hac re tibi soli, ut facilius, quod reliquum est oneris, feram.

Vale cum uxore 14 et liberis 15 .

Basileae, 22. augusti anno 37.

Os. Myconius

tuus.

[Adresse auf der Rückseite:] Domino Heinricho Bullingero, Tigurinorum antistiti dignissimo, fratri in domino venerando suo.