Heinrich-Bullinger-Briefwechseledition, Universität Zürich © Heinrich Bullinger-Stiftung Arpa Bibliothek Textbreite Schriftgröße

[1019]

Konrad Lüthard an
Bullinger
[Ohne Ort] ,
10. Juli 1537

Autograph: Zürich StA, E II 355, 87r.-v. (Siegelspur) Ungedruckt

Lüthard gefällt es [im Herzogtum Württemberg] gar nicht, denn als Zwinglianer fühlt er sich erniedrigt und ausgeschlossen; er ersucht daher Bullinger, ihm die Rückkehr in die Schweiz - ins Zürcher, Berner, Basler oder Schaffhauser Gebiet - zu ermöglichen. Bittet, auch dem Überbringer, einem Kollegen aus der Nachbarschaft, der bei der Visitation für zwinglisch befunden wurde und deshalb abgesetzt worden ist, behilflich zu sein; [Erhard]Schnepf ist alles Schweizerische zuwider. Grüße.

Gnad sey mit euch und frid von gott, unserem vatter etc.

Lieber her gfatter 2 , ich lon 3 üch wissen, daß eß mir wol gnug gatd von den gnaden gotz. Aber doch so muß ich uch min anligen und jamer anzaygen alß minem sunderen lieben und gunstigen herren und lantzman 4 . Namlich lan ich üch wissen, daß diß land gnuot 5 gar ist wider min natur, und weiß ouch 6 gar nit do zie bliben. Und trum so ist min hochste bitt an üch, und durch gott bitt ich uch: Wo eß doch yenen mochte gsyn 7 , daß ir mir wider hulfind in min vatterland, aß 8 were in miner herren piet 9 oder Berner, Basel, Schaffhusser. Wo ich deß konte a vergelten, wett ichs gern thun. Und helfend durch gott, durch gott helfend, und ich bitt üch, ir wellend mich lassen ein antwort wissen by disem botten 10 , gott geb, sy sigi 11 boeß oder gut, ob ich mich vertrösten solle 12 , widerum in min vatterland oder nit. Ouch dorbin 13 sond 14 ir wissen, daß wir unß vil müssend liden schmach und verachtung von deß frommen Meister Huldrich Zwingliß wegen, daß eim sein hertz mochte brechen. Ich bitt üch, min her Meister Heirich, durch üwerß frommen vatters b 15 wegen und muter 16 , ir wellent mich üch lassen anpfollen 17 sein, alß ich

a konte versehentlich zweimal geschrieben.
b vatters am Rande nachgetragen.
1 Lüthard war im Raume Württemberg tätig (vgl. den Hinweis auf Erhard Schnepf, unten Z. 32 und Anm. 25). Für die Jahre 1540, 1542 und 1545 ist er als Pfarrer von Seeburg (Urach, Baden-Württemberg) nachgewiesen (vgl. Zürich StA, B III 28, 30, und HBBW IV, S. 149, Anm. 4).
2 Taufpate, auch Bezug zu Vater und Mutter des Täuflings (vgl. SI I 1128f).
3 lasse.
4 Sowohl Lüthard als auch Bullinger
stammten aus Bremgarten (Kt. Aargau).
5 völlig.
6 darum.
7 irgendwie möglich wäre.
8 es.
9 ins Zürcher Gebiet.
10 Unbekannt.
11 sei.
12 ob ich erwarten könne.
13 dabei.
14 sollt.
15 Heinrich Bullinger.
16 Anna, geb. Wiederkehr.
17 empfohlen.


Briefe_Vol_07_193arpa

uch den vertruw. Dann ich weiß nit in dem land zie bliben; dann min hertz wil nit diß lantz art han. Und sind betten, min hertzlieben Meister Heirich, und helfend mir widerum im vatterland.

Ouch dorby so sond ir wissen, Meyster Heirich, daß der gut her und bruder 18 min goten nachpur ist gsyn und hett daß best mir thon. Wie aber visitatio ist kommen 19 , und kon ist in daß examen und gefragt worden von syner ler ye so witt und betroffend hatt daß sacrament 20 , hatt er uß sinem busen ein collectur zogen 21 , yedoch darin der Meister Huldrich fur hatt troffen 22 , yedoch so vil c , alß Zwingliß ist er d verartgwonet 23 , alß e mir denn zie wissen ist, und ist abgesetzt f von der pfrund. ||87v. In dem so bitt ich üch uff g das trulichist, ir wel[lind]h im ouch hilflich syn; dann er hat ein eerlich wessen by unß gefürt und allweg uff unser eidgnos[sen]i syten gstanden. Und dorum so bitt ich üch, ir wellint im daß best thun, wo er mochte underkon. Ouch er hatt ein erlich wib k und ouch ein kind. So ist er ouch anfencklich im handel deß herren do gsyn 24 und hatt die kilchen uffgricht. In summa: Der Schneff 25 ist der Schneff, sunderlich unser eidgnossen halben. Dan waß unser art ist, denen ist er nit hold.

Nit me, denn grössen mir üwer frow, min glatter 26 , und üw[er]1 muter 27 . Gott sig mit uich. Amen.

Datum decimo die iulii anno 37.

Von mir Conrat Luthart, allzitt

üwer williger.

[Adresse darunter:] Diser brief g[ehört Meister Heinirich m Bullinger, pred[icanten zu Zürich n , minem lieben g[ünstigen herre]n o und glatter z[u sinen ha]nd[en]p .

c vor vil gestrichenes v.
d er über der Zeile nachgetragen.
e vor alß gestrichenes alß.
f in der Vorlage abgesetz.
g uff versehentlich zweimal geschrieben.
h-i Im engen Einband teilweise verdeckt.
k wib über der Zeile nachgetragen.
l Im engen Einband teilweise verdeckt.
m-p Textverlust, entstanden beim Offnen des Briefes.
18 Gemeint ist der unbekannte Überbringer des Briefes (vgl. oben Z. 11).
19 Zur Visitation 1537 s. Württembergische Visitationsakten, Bd. I: (1534) 1536-1540, bearb. v. Julius Rauscher, Stuttgart 1932. - Württembergische Geschichtsquellen
22, S. 342-355.
20 das Abendmahl.
21 aus seiner Brusttasche ein Büchlein gezogen.
22 darin aber Zwingli vorherrschte.
23 verdächtigt.
24 seit dem Anfang der Reformation hier gewesen.
25 Der Lutheraner Erhard Schnepf war seit 1534 neben dem Zwinglianer Ambrosius Blarer mit der Durchführung der Reformation im Herzogtum Württemberg betraut (vgl. HBBW IV, S. 276, Anm. 14).
26 Über eine Patenschaft von Bullingers Frau ist nichts bekannt; vgl. auch oben Anm. 2.
27 Anna, geb. Wiederkehr.