Thule-Bd.12-000.03 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Sieben Geschichten
von den Ostland
Familien
Übertragen von Gustav Neckel
Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913
Thule-Bd.12-000.05 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Einleitung
Die sieben Geschichten, die dieser Band vereinigt, sind auch
innerlich eine Einheit. Sie bilden im Reiche der Isländersagas
die geschlossenste Provinz, zusammengehalten wie keine
andere Gruppe durch den Schauplatz und durch die Personen.
Auch sonst fallen ein paar Eigenschaften auf die jeweils die
Mehrzahl von ihnen beherrschen die einheitliche Fabel, die
novellenhafte Anlage drängt energischer an die Oberfläche als
durchschnittlich; Strophen, dieses sonst fast unentbehrliche
Schmuckstück der Saga, tauchen nur einmal auf; dem Waffenlärm
so mancher anderen Isländergeschichte steht eine gewiße
innere Stille und Friedfertigkeit gegenüber, wie sie swar im
allgemeinen der Sagawelt keineswegs fremd ist, aber doch
wenigstens den ersten unserer Stücke, denen, die um die Waffenförde
zu Hause sind, ein deutliches Eigengepräge leibi.
Rücken somit die Ostlandgeschichten für den Betrachter nabe
aneinander, so schärft sich zugleich der Blick für das. was die
einzelnen unterscheidet. Es handelt sich um keine Reibe von
Fortsetzungen'. vielmehr hat jede Erzählung ihren eigenen
Schwerpunkt, ihre eigene Ökonomie.
Unsere sieben vertreter stellen gewissermaßen die Sagawelt
im kleinen dar: reich genug, um im Ausschnitt das Ganze zu
veranschaulichen, verleugnen sie einerseits Zusammenhang und
Verwandtschaft nicht, andererseits ist keiner von ihnen schlechtweg
der Teil eines Ganzen, sondern jeder ein Individuum, das
mit seinem besondern Paar Augen in die Welt blickt.
Etwa gleichzeitig mit den andern Landesteilen (d. h. 870
bis 930) empfing auch der Osten Islands, die ,Ostfjorde',
seine germanischen Bewohner. Es heißt, die Besiedelung dieses
viertels sei eher abgeschlossen gewesen als die der drei andern
Die Angabe ist glaubwürdig; nicht etwa, weil hier günstigere
Lebensbedingungen gelockt hätten — im Gegenteil —, sondern
weil die Ostseite den Färöern und Europa zugewendet ist. In
der Tat sind alle ersten Besucher der Insel in ihrem Osten oder
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Südosten gelandet. Dort —beim Kap Horn —hatten die irischen
Anachoreten ihre Anwesen, die sie vor den Wikingen
räumten. Von ein paar der ältesten norwegischen Ansiedler —
darunter Ingolf, der allererste —wird berichtet, sie ,inen aus
dem Südosten, wo sie sich zuerst festgesetzt, bald ihren Wohnsitz
nach der Westküste verlegt, weil dorthin die Strömung ihre
Hochsitzpfeiler getriebe hatte, jene religiös verehrten Säulen,
die man angesichts des Landes ins Meer warf, um den Willen
des Gottes zu erkunden.
Denn viel hing davon ab, ob die bewährte göttliche Hilfe auch
in der neuen Heimat dem Kolonisten treu blieb. Diese wetterharten
Krieger spähten mit andern Gefühlen über den Schilderbord
ihrer Drachenschiffe landwärts als etwa heute der
naturbegeisterte Reisende oder der färingische Fischer. Weiß
wie heute schimmerte aus den Wolken herab die Schneemasse
des Wasserferners. Und wenn unten der Nebel zerriß, entstiegen
graue Basaltwände der Brandung, gespalten durch
schmale Fjorde, überragt von schneeigen Spitzen wie dem Berge
Held (Gerpir, Islands Ostecke), weiter nördlich durchbrochen
von farbenprächtigen, grünen, roten Liparitgängen, die in der
Morgensonne leuchteten. Spritzte dicht neben dem Bug der
Gischt einer Schäre auf, so war es die Fügung einer höheren
Macht, daß man heil vorbeiglitt. Ob auch am Lande die Geister
so freundlich gesonnen waren: Oben auf den Bergen und dahinter
im unbekannten Innern wohnten die ,Landwichte', die
Herren der menschenleeren Fjorde und Bergheiden. Wehe, wenn
sie unversöhnt grollten über die Störung. Schon der gähnende
Tierrachen am Vordersteven konnte sie schrecken und ihre Rache
herausfordern. Nicht jedem waren sie so günstig wie jenem
Ansiedler Hallfred (in ber Geschichte vom Freyspriester Hrafnkel
Fet), dem der Wicht als Warner im Traume erschien, so daß
er dem Bergrutsch rechtzeitig ausweichen konnte. Von den Wichten,
Landwichten unb andern Wichten, und vom mitgebrachten
Schicksal hing Wohl und Wehe im neuen Lande ab. Wer bisher
gut gefahren war mit seinem Schicksal, ber steuerte getrost
hinein in den dunklen Fjord, gesonnen, das Land und seine
Geister sich zu unterwerfen. Nur immer auf der Hut sein, daß
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die Elben ihr Recht bekommen; nicht sie kränken durch Blutvergießen
auf ihren Bergen (Geschichte von den Männern
an der Waffenförde): Daun behält man schon Raum, die Arme
zu rühren. Und wer schlecht gefahren war mit seinem Schicksal
, wer etwa nur Trümmer von Sippe und Reichtum hinausgerettet
hatte zum fernen Eislande; — nun, der hoffte, die
neuen Landwichte würden ihm günstiger sein als die alten.
opferte und ging rüstig daran, aus Stein und Rasen und etwa
mitgebrachtem Bauholz sein Haus zu errichten.
Der fische, tatbereite Sinn des volkes war mächtiger als
aller Aberglaube. Wie dem menschlichen, so trat auch dem übermenschlichen
Feinde der Mann aufrecht gegenüber. Wer sterben
soll, der stirbt auf jeden Fall; er ertrinkt im harmlosen
Binnengewässer, und hat er auch zaghaft das Segel mit dem
Ruder vertauscht. Den Heldentrotz des Wikings gelüstet es,
Ägir, den Meergott, selbst mit dem Schwerte zur Rechenschaft
zu ziehen für den Tod des Sohnes. Seine praktische Lebensphilosophie
fließt nicht aus Denken oder Lehre, sie sitzt im Blut
und in den Muskeln. Manche sprachen es offen aus, das sie
auf diese Muskeln und auf ihre eigene ,Macht' mehr ver-
trauten atv auf die Götter. Auch diese ,Macht' des Menschen
ist etwas Göttliches, ein Geheimnis. Der eine hat es, und er
ist sicher und übermütig; der andere hat es nicht, und er fügt
sich darein, daß er überall vor dem Glücklicheren weichen muß.
Dankbar zu sein für dieses Etwas als für eine Gabe von oben,
sich zu beugen vor einer Gottheit, die die Geberin alles Guten
ist, das bat allem Anschein nach den Germanen fern gelegen.
Ihre Frömmigkeit war anderer Art. Der Gott, dem man vertraute,
war der Freund, ein Auserwählter aus einer Schär
feindlicher Wesen, denen gegenüber mißtrauische Klugheit
allein geboten war. Freunde aber sollen einander erfreuen durch
Gaben und Gegengaben; die Gabe sieht die Gegengabe nach
sich; so schenkt Hrafnkel, der Freyspriester, dem befreundeten
Gott das Miteigentum an seinem besten Hengst . . . .
Weit über ein Dutzend kleiner Fjorde schneidet vom Kap Horn
bis zum Langen Kap im Nordosten in die Felsenküste ein. Im
Südosten, am Fuße des Wasserferners, herrscht noch die
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Lagunen bildung des Südrandes. Solche Lagunen sind der
Hornfjord, wo Grim sich landflüchtig einschifft (Geschichte von
den Söhnen der Droplaug) und die Schwanenförde (Alptafjord)
, beide durch lange, flache Landzungen vom Meere geschieden.
Im Hintergrunde der Schwanenförde, nördlich vom
Plateau der Haffheide
1 , wölbt sich der Hofgletscher, der östliche
vorposten des Wasserferuers, benannt nach dem Gehöfte
Hof am Fuße seiner Vorberge-Hof (sprich: How bedeutet im
Altnordischen ,Tempel' und ist als Ortsname häufig. Zur Zeit,
wo unsere Sagas spielen, insonderheit das Bruchstück von
Thorstein, dem Sohne Siduhalls, das in diesem Winkel des
Landes seinen Schauplatz hat, wurde zu Hof nicht mehr den
Hetdengöttern geopfert. Siduhall batie im Jahre 997 den Missionar
Dankbrand bei sich aufgenommen, der in dieser Gegend
gelandet war, und hatte bald darauf sich taufen lassen, als
erster unter den großen Häuptlingen der Insel. Sein Sohn
Thorstein blieb der christlichen Sitte treu; Anno 1000 war
durch Allthingbeschluß die neue Religion im ganzen Lande
eingeführt worden. Der norwegische König stand dahinter,
und unter den isländischen Großen waren Männer mit weitem
Blick. Man beurteile nach unserm Bruchstück, wie weit das
christliche Lebensgefühl in die Seele der ersten getauften Generationen
eingedrungen sein mochte. Thorstein pocht einmal in
schulmeisteindem Ton, der unsagamäßig berührt, auf ein kirchliches
Moralgebot. Sein Empfinden aber und sein Handeln
sind heidnisch. Dies stimmt durchaus zu den andern Isländergeschichten.
die nach der Einführung des Christentums spielen.
vie von ihnen erzählten vorgänge ziehen sich zum Teil hinab
bis gegen die Mitte des 11. Jahrhunderts, aber Ton und Zuschnitt
des Lebens sind um 1030 noch dieselben wie hundert
Jahre früher, zu Anfang der Sagazeit.
Eine der nächsten Buchten ist der Bärinnenfjördr. von hohen
Schneespitzen umstanden, zieht er sich als tiefe, schiffbare Rinne
nordwestwäris hinein. Vor seinem Eingang liegen Inseln und
Klippen verstreut, Nistplätze der Eidergans. Sein nördliches
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Ufer streckt sich weit hinaus als sogenannte Straße: ein schmaler
Streifen zwischen Strand und Bergwand. Hier stand der
Hof des von Thorstein verdrängten Thorhadd. Weiter nach
innen liegt das Bärinnenkap mit mehreren Höfen; der Straße
gegenüber, am südlichen Eingang, das Land- oder Baulandkap.
Wo die Straße nach Nordwesten umbiegt, Am Bogen, öffnet
sich die Breitbucht mit dem Breiten Tal dahinter, landeinwärts
begrenzt von steilen, phantastischen Zinnen und Zacken. Hier
landete, der Geschichte von Hrafnkel zufolge; der Landnehmer
Hallfred. Die weite, saftige Wiese mit dem guten Landungsplatz
mag ihn gelockt haben. Aber er zog bald weiter über die
Berge in das Hinterland, den Seefließbezirk.
Noch ein paar Fjorde; dann folgt der größte Einschnitt der
Ostküste, die Rotwalförde (Reydarfjord, Walfjord)4 bis 5
Kilometer breit, 30 lang, in unsern Sagas am häufigsten genannt
als Landungs-- und Ausfahrthafen.
Aus dem nördlich, jenseits des Berges Held, anschließenden
Fjordbündel bedarf der Nordfjord der Erwähnung, als Schauplatz
einer Episode der Geschichte von den Söhnen der Droplaug
. Senkrechte Berg scheiden stehn zwischen den Meeresarmen,
kaum Raum lassend für Graswuchs und Hofstätte.
Nur am Nordfjord selbst breitet sich etwas Tiefland mit Wiesen
aus. Landeinwärts ragt, 900 Meter hoch, die Firn Kippel
der Fönn.
Nördlich der Schafförde und eines kleineren Fjords betont
die Steilküste noch eine Strecke weit in zackigem Verlauf du
Südnordrichtung, um Daun nordwestlich weiter zu ziehen.
Zwischen hoben Bergen öffnen sich der kleine Borgfjord, der
Namensvetter einer bekannteren Bucht im Westlande und
die Njardbucht. Zwischen beiden zieht sich eine steile Geröllhalde
hin, an der der einzige, gefährliche Weg von einer Einbuchtung
zur andern läuft. In dieser Gegend spielt die Erzählung
von Gunnar, Thidrandis Töter. Die bier genannten
Buchten Breitbucht Gunnars Landungsplatz, und Häuserbucht
sind zu suchen an der südnördlichen Küstenstrecke vor
dem Borgfjord.
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Jenseits des Vorgebirges, das die Njardbucht westlich begrenzt,
wird die Küste für eine Zeitlang flach. Das breite Schwemmland.
das sich zwischen Hochländern öffnet —westlich die Butterseeheide
mit dem Butterberg —, ist das Mündungsgebiet zweier
stattlicher Ströme, des Seefließes (Seeflusses) und der Gletscherach
(Gletscherfluß mit der Brücke), die vom Nordrande des
Wasserfernrrs in nördlicher Richtung herabkommen. Zwischen
ihrem Unterlauf, nahe dem Meere, liegt der Werder; darin Hallfredhausen.
Weiter hinauf schiebt sich ein Hochland von zunehmender
Breite zwischen sie ein, die Fließtalheide. Die Stromtäler,
die es trennt, das schluchtartige Gletschertal westlich und
das breite Fließtal östlich, sind die längsten Täler Islands.
Die reißende und tiefe Gletscherach ist nur auf Brücken zu
überfchreiten. Deren gab es zur Sagazeit vermutlich zwei: die
Brücke' im engeren Sinne, einen natürlichen Steinbogen, der
den Oberlauf überquerte, und einen hölzernen Sieg, über den
der Weg aus dem Werder auf die Butterseeheide hinaufführte,
Die beiden Übergänge meint wahrscheinlich die Geschichte von
den Droplaugsöhnen, wenn sie nach Gäms Rachetat von
Wachen spricht, die an den Brücken der Gletscherach aufgestellt
werden. Wenig unterhalb der oberen Brücke schneidet rechts
das Hrafnkelstal in das Hochland ein. Einer der Quellbäche
des das Tal durchströmenden Flusses ist die Steinfeldache, an
der Hrafnkel seine Sennhütte stehen hatte. von hier reitet sein
Hirt auf der Suche nach den Schafen hinauf auf das unbewohnte
Hochland des Innern, weiter hinauf bis zum Fuße
des Wasserferners und weiter westlich die Gletscherach hinab
bis zu einer Sennhütte, die Rauchalm genannt wird. In jener
Ode thronen, weithin sichtbar, die nördlichen Vorberge des
Wasserferners: die eisbedeckte Glocke des Schneeberges,
weiter nach dem Mücken see zu die Schulterbreite, ein abgestumpfter
Kegel, breiter als hoch, mit leicht gewölbtem Firndach,
das in der Mitte in einer zierlichen Spitze gipfelt, die
kuppelförmigen Blauen Berge, und andere. Ein noch heute
teilweise durch Steinwarten bezeichneter Reitpfad führte aus
Gegend der Schulterbreite Südwestlich durch die Sprengisandwüste
hinab ins Südland und weiter zum Allthing. Der
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Ritt war so um ein paar Tage kürzer als auf dem gewöhnlichen
Thingmannenweg am Südabhang des Wasserferners
die sogenannte Halde entlang.
Das Fließtal war allem Anschein nach der volkreichste Bezirk
und die Hauptpulsader für das Leben im Ostlande. Davon
zeugen die vielen Siedelungsnamen in der Geschichte von den
Droplaugsöhnen, die hier ihre wichtigsten Schauplätze hat.
Zu beiden Seiten des seeartig sich verbreiternden Fließes ziehen
sich die Höfe hinab von Weitfelden und Hrafnkelshausen bis
zu den Engen und zum Werder. Dazwischen liegen westlich
vom See, unter der Fließtalheide, über deren Vorberge die
Hallfredgasse südwärts führt, Arnheidhausen (die Heimat der
Droplaugsöhne), der Witwenberg und der Rücken, letzteres
Gehöft unmittelbar am Ufer. Am Ostufer springen mehrere
Landzungen vor mit Höfen darauf: das Schmale Kap, das
Felderkap (gegenüber dem Rücken), das Mückenkap. Auch das
Lämmerkap, das als Thingstätte erwähnt wird, gehört in diese
Reihe. Nabe beim Mückenkap mündet die Eyvindache, die von
den Abhängen der Fönn nordwestwärts strömt. Dieses nördliche
Fließtal ist flach und heißt die Felder. Weiter südlich ziehen
niedrige Bergrücken parallel mit dem Wasser. Sie bilden das
Rutschental (das im Hinterlande des Breiten Tals seinen Anfang
nimmt) und westlich davon das Geißtal. Am Ende des
sie trennenden Rückens lag das Muli-thing (muti ,Bergrücken').
Zwischen Geißtal und See erhebt sich der Hals, der nordwärts
bis Gunnlaughausen und Bocksach, beinahe bis sum Schmalen
Kap, reicht.
Am Fuße des Halses, nahe der Atlibucht, steht heute ein ziemlich
stattlicher Birkenwald, einer der größten in Island. Im
übrigen sind der Fließtalbezirk und die angrenzenden Täler
ziemlich kahl. Im Mittelalter war das anders. Wie die Insel
überhaupt viel waldreicher war, so auch diese Gegend, eine
der blühendsten des Landes. Der Hof Bei den Engen z. B. lag
zur Sagazeit inmitten dichten Waldgestrüpps. Die Wälder
müssen das ihrige getan haben, die für Islands verhältnisse
heitere Landschaft noch freundlicher erscheinen zu lassen als
heute. Das Fließ, ihr Hauptschmuck, war fischreich, und es war
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zugleich der wichtigste Verkehrsweg, zumal in den langen Wintern
durch die bequeme Eisbahn. vermutlich war es auch für
Seeschiffe erreichbar, was beute durch einen Wasserfall nahe
der Mündung ausgeschlossen ist.
Die Butterseeheide trennt den Fließtalbezirk, zu dem auch die
Gletscherach noch gehört, von dem nächsten Siedlungsgebiet
nordwestlich: der Waffenförde. Hier spielen die drei ersten
Stücke unserer Sammlung. Im Mittelpunkte des Interesses
steht überall die Familie der Goden von Hof. Das ansehnliche
Gehöft dieses Namens liegt in dem geräumigsten der dem
Fjorde zugewandten Täler, da, wo es sich verbreiternd den
Blick freigibt auf die Förde, deren Ufer weit auseinander gebogen
sind, das rechte, höhere östlich verlaufend zur kleinen
jaren bucht, zum Bödvarstal und zum Schöntal, das linke
nordwärts geschwungen (der ,Strand'). Oberhalb der Kreuzbucht
ragen stattliche Berge. Auf ihnen findet Grim, Droplaugs
Sohn, nachdem er den Bruder gerächt, eine Zeitlang ein versteck.
In das Tal von Hof mündet von rechts das Sonnental.
Parallel mit jenem verläuft das Westtal, so benannt aus dem
Gesichtskreise der Leute von Hof.
Nur ausnahmsweise ragt das Gebiet nordwestlich von der
Waffenförde in unsere Geschichten herein. Noch diesseits des
Langen Raps liegt der Mittfjord. Dahinter fängt das Nordviertel
an: der breite Distelfjord trennt das Lange Rap von
dem rechteckigen Hochland der Fuchsebene (Polarfuchsebene),
und jenseits der Fuchsebene öffnet sich der Axtfjord (Breitfjord).
An der Westseite des Distelfjords liegt die Sveinungsbucht,
am Axtfjord der Bolunghafen 1 . Der nächste große Einschnitt
an der Nordseite ist die Inselförde, in deren Hinterland der
Lauter see und das Tal der Lauterseescharte liegen.
Hin und wieder wendet sich der Blick entfernteren Landesteilen
zu: der Südküste, die in ihrem östlichen Abschnitt noch
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um Ostviertel gerechnet wurde (Schweinberg, der Wohnsitz
des einmal erwähnten Flosi), dem Kockenfund, Hausberg,
Grimskap im Südwesten, dem Dorschfjord an der Westseite
des Landes. Mindestens einmal verschiebt sich der ganze Schauplatz
in eine andere Gegend: Sams Not und Errettung in der
Geschichte von Hrafnkel spielt auf der Allthingebene (Thingvellir)
. Diese bedeutsamste Stätte Islands liegt im Südwesten,
einen Tagesritt landeinwärts von der Rauchbucht (Reykjavik),
am Nordufer des größten Binnensees der Insel. Dem See zu
strömt durch die Ebene der Axtfluß, nachdem er mit zwei Fällen
die Allmännerkluft durchquert bat, jenen berühmten Felsgraben,
der das Thingfeld westlich begrenzt. Die hochgetürmte
äußere Mauer dieser Kluft bildete den nächsten Hintergrund
des bewegten Treibens, das sich Sommer für Sommer an ihrem
Fuße abspielte. Da tagten die Gerichte auf dem Gesetzesfelsen,
einem vorsprung an der Allmännerkluft, und der Gesetzessprecher
hielt von da oben seinen vortrag vor der Landsgemeinde.
Man hauste in Buden, deren feste Wände jedesmal
neu mit einem leichten Dach versehen wurden. Die Leute aus
den Ostfjorden hatten ihre Buden östlich vom Axtfluß, die aus
dem Westen jenseits. Während der Dauer der Verhandlungen
weideten die Pferde auf der Allmende unten am See oder an
den Abhängen der umgebenden Berge
1. — Es fügt sich gut,
daß unsere Sammlung den Leser auch an diesen Mittelpunkt
altisländischen Lebens führt. Das Allthing spielt in der Geschichte
von Hrafnkel eine würdige Rolle: es bedeutet in dem
Drama den Punkt der höchsten Spannung und des Umschwunges
Die Geschichte von Hrafnkel steht zeitlich an der Spitze;
ihre Handlung wird um 900 fallen. In kurzem Abstand
folgt die Erzählung von Thorstein dem Weißen. Ins Jahr
989 setzen die isländischen Annalen den Kampf im Bödvarstal,
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mit dem die späteren Händel an der Waffenförde abschließen.
Um die Wende deo Jahrtausends spielt die Haupthandlung
von den Droplaugsöhnen (Helgi fällt nach dem
Schlußsatze der Saga 998), ebenso Thorstein Stangenhieb
und Gunnar; Helgi, Asbjörns Sohn, ist Hrafnkels früh geborener
Enkel. Den Beschluß macht Thorstein, Siduhalls
Sohn, der zwanzigjährig in der Brjansschlacht bei Clontarf
(roig) mitkämpft.
Beim Treffen im Bödvarstal vermißt Thorkel die saga würdigen
Taten. Ähnliche Aussprüche kommen auch
sonst vor. Sie beleuchten gut den Charakter der Saga als
einer Heldendichtung in ungebundener Rede. In der Tat sind
die Isländergeschichten, wenigstens von der einen Seite gesehen,
das Epos der isländischen Heldenzeit, wie die Eddalieder
das germanische Heldenalter rückblickend verklären.
Zwar nimmt keine der Ostlandgeschichten ihren Flug so hoch
wie einige große Sagas aus anderen Landesteilen, die die
Ideale des Volkes in Kolossalsiguren ausprägen wie Egil und
Grettir, Gunnar und Kari. Doch wie die stabreimende Heroendichtung
Töne findet nicht nur für den Trotz des letzten Burgunden,
sondern ebenso für Brynhilds abendliche Eifersucht
und Sigurds halbe Wünsche, behaupten auch die feinen
Charakterstudien vom Ufer der Waffenförde ihren Rang als
Dichtung, als verfeinerte heroische Prosa.
Dies der Grundakkord, der jede echte Saga durchhallt-menschengrösse
und Menschenschicksal sind das Thema, beide
gesehen aus den Gesichtspunkten der heidnischen Germanen gesellschaft
.
Aber die Saga ist freilich noch mehr als ein Heldengedicht in
Prosa. Nicht nur ihr Stil, die trockene Alltagssprache, erweckt
zunächst andere Empfindungen. Auch ihr stofflicher Inhalt,
ihr Interesse unterliegt teilweise anderen Zwecken als denen
der ästhetischen Spannung, Erschütterung und Teilnahme.
vieles, was die Saga erzählt, besitzt die Teilnahme der Zuhörer
von vornherein, braucht sie nicht durch die Mittel der
Kunst zu erzeugen. Wo Hallfred landete, wohin er der Reibe
Thule-Bd.12-000.15 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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nach seinen Wohnsitz verlegte, woher das Rutschental und der
Hof Arnthrudhausen ihren Namen haben, das alles ist interessantes
Wissen für Nachbarn und Nachkommen, auch wenn
es zu keiner menschlich erregenden Handlung in irgendeiner
Beziehung steht. Diese Dinge find nicht Dichtung, sondern
Geschichte, sei es nun geschichtliche Überlieferung oder geschichtliche
Kombination. Auch da, wo wir uns rein ästhetisch
gefesselt fühlen, ist solch geschichtlicher Untergrund meist irgendwie
vorhanden, und zuweilen liegt er sichtbar an der Oberfläche
. Als Thidrandi von Gunnars Speer durchbohrt wurde,
war ein blutiges Gefecht vorangegangen, in dem es fünf Tote
gab. Diese Gefallenen zählt unsere Erzählung mit Namen
auf; zwei der Namen begegnen nur an dieser einen Stelle-wir
haben das Gefühl: Zahl und Namen find echt; wozu
hätte man sie erfinden sollen Mancher ist vielleicht versucht,
weiter zu fragen was gehen uns diese Namen an: sind sie
nicht toter Ballast: Der Empfängliche jedoch wird empfinden,
daß dieser Ballast nicht wertlos ist: erläßt das Schiff des
Erzählers besser segeln, sicherer Kurs balten. Eben das Tote,
das scheinbar Unkünstlerische gibt dem Ganzen höheres Leben,
denn es leiht den Eindruck der Glaubwürdigkeit auch jenen
Elementen der Erzählung, die tatsächlich Dichtung sind. Weil
wir das eine glauben, glauben wir auch das andere. Wir erleben
die aufreizenden Worte der Magd und die Gemütsstimmung
, in der Gunnar aufsteht und zum Speer greift; als
objektive Wirklichkeit. Der Eindruck der dichterischen Willkür
kommt nicht auf. Aus dem Lande des alltäglichen Erlebens,
des Äußerlichen und handgreiflich Faktischen, wandern wir
an sicherer Hand unvermerkt hinein in das innere Geschehen
der Gesinnungen und Leidenschaften, das nur Dichterkünste
wahr machen können. Oder besser der Erzähler führt uns
bis an die Grenze, so daß wir hinein schauen müssen, ob wir
wollen oder nicht, während er selbst diesseits bleibt.
Nicht überall wird diese Funktion der chronikartigen Bestandteile
gleich fühlbar. Es gehört zum Stil der Isländergeschichte
, daß sie chronikhaft anfängt und schließt; von vornherein
einen festen Untergrund herstellt und zum Schluß einschärft,
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daß wir noch immer auf dem Boden dep Wirklichkeit
sind. Sind diese Stücke sehr umfänglich, so können sie den
modernen Leser anmuten wie eine ermüdende Geröllhalde um
den Fuß eines Aussichtsberges, und sie können ihm die Freude
der Ausficht beeinträchtigen. Da gilt es su bedenken, daß
die Saga eben auch Faktisches vermitteln will, familiengeschichtliche,
antiquarische Belehrung. Die Saga will historisch
sein und ist es von Haus ans in hohem Grade gewesen.
Augenzeugen haben berichtet — ihr Standpunkt wird mit
Bewußtsein festgehalten —, aufmerksame Zuhörer haben das
Gehörte weitergegeben, und so fort, Generationen und Jahrhunderte
hindurch bis zur Aufzeichnung (im 13. Jahrh.). Jeder
erzählte mit dem Anspruch, Geschehenes wahrheitsgetreu zu
überliefern. Viele Erzähler waren darauf bedacht, ihr Wissen
um die Dinge zu bereichern, und sie gaben dann alles, was
sie hatten erfahren können, verdiente es irgend Glauben und
Beachtung. Dieses Sammeln und Sichten ist unzertrennlich
vom Wesen der Saga. Es ist mitbedingend für ihre stärkste
Tugend: ihren Realismus. Wir fühlen es oft den Texten an,
wie der Erzähler vor der lauschenden Menge in heiliges Feuer
geraten ist; das die Zuhörer hinreisst und ihn selber mitreißt.
Aber ganz von selbst fügt sich seine Phantasie den Zügeln
eines strengen Wirklichkeitssinnes. den sein Amt als Historiker
ihm auferlegt. Er ergänzt, malt aus, getrieben von
Formbedürfnissen, von denen er nicht hätte Rechenschaft geben
können, und ohne zu merken, wie sich der Stoff unter seinen
Händen umfärbt und verschiebt. Und gewiß selten genug bat
es ein Hörer gemerkt, um so weniger, als den begleitenden,
oft sehr starken Gefühlen saft nie verstattet wird, sich unmittelbar
su äußern. Kein Erzähler der Sett hält unpersönlicher
gieb zurück als der isländische Sagamann. Es ist darum
doppelt schwer, in sein Inneres zu blicken. Aber mit der Tatsache
müssen wir uns abfinden, wir müssen sie nachzuerleben
suchen, daß er in einem Atemzuge vom Dichter zum Chronisten
wird: er gestaltet in Sorten, die zu beben scheinen, den tragischsten
Konflikt, und im nächsten Augenblick zählt er die
Glieder eines Stammbaums auf.
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Zwei sehr verschiedene Wertmaßstäbe lassen sich demnach
an die Isländergeschichten anlegen: man betrachtet sie
vorwiegend als Quellen, oder vorwiegend als Kunstwerke.
Uns liegt die zweite Betrachtungsweise näher. Es soll hier
versucht werden, die sieben Geschichten, die dieser Band enthält,
nach gewissen ästhetischen Eigenschaften zu kennzeichnen.
Die umfänglichste und personenreichste ist die Geschichte
von den Söhnen der Droplaug. Sie nähert sich
dem Charakter einer Bezirkschronik, so wechselnd und so weitverstreut
— vom Nordfjord bis ins obere Fließtal — sind
ihre Schauplätze. Die Ansprüche, die sie an Gedächtnis und
Uberblick stellt, grenzen an das Höchstmaß dessen, was in
dieser Hinsicht die Isländergeschichten von uns verlangen.
Und sie verlangen durchschnittlich nicht ganz wenig. Aufmerksamkeit
und wacher Verstand wird beim Publikum vorausgesetzt
.
Gleichwohl ist die Geschichte von den Droplaugsöhnen ein
wohlgegliedertes Ganzes.
Im großen überschaut, zerlegt sie sich in zwei Stücke: Bild
und Rahmen. Der Rahmen schildert das halb galante Abenteuer
des vorfahrs in Norwegen (Einleitung) und das ritterliche
Ende des zweiten Helden, gleichfalls in Norwegen
(Schluß). Seine milderen, lichteren Farbentöne stechen fühlbar
ab von den harten und dunklen Konturen des Bildes selbst,
das die heimischen Berge Islands zum Hintergrunde hat. Es
ist ein jüngerer Geschmack, der Geschmack des Mittelalters,
der der Einleitung und dem Schluß dieses Sondergepräge
leiht. Die echte Saga mit ihrem Geist germanischen Altertums
herrscht nur in dem Hauptteil der Geschichte.
Der Hauptteil hat ein einheitliches Thema: Helgis Reibereien
mit seinem älteren Namensvetter, dem Goden Helgi, Asbjörns
Sohne, sein heldenhafter Tod und Grims treue Rache. Dieser
Faden wird, sobald er einmal aufgenommen, mit keinem Satze
verlassen. Das erregende Moment ist die Verleumdung der Droplaug
durch einen Freigelassenen des Goden und die prompte
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Sühne durch die kaum mündigen Brüder. Diese erste Tat Helgis
zeigt zugleich eindrucksvoll und begeisternd (wenigstens für die
alten Hörer) seine angeborene, früh ausbrechende Mannesart.
Er tritt dann dreimal — man beachte hier und anderswo die formelhafte
Zahl —in fremder Sache dem Nebenbuhler gegenüber,
jedesmal siegreich in seinem jugendlichen Übermut. Köstlich istdie
Sicherheit und überlegene Schlauheit; womit der als Gesetzeskenner
bekannte Helgi dem allgemeinen Bewußtsein einen
Paragraphen über trottelhafte Richter aufzwingt. Für dieses
Mal verliert der Angegriffene sein Godentum. Beim zweiten
Zusammenstoß wird er noch tiefer gedemütigt: was er durch
ruhige Entscheidung beim eigenen Klienten nicht durchsetzen
kann, erreicht der Jüngere durch rücksichtsloses vorgehen und
giebt mit unmäßig reicher Beute ab. Der dritte Zusammenstoß
überbietet wiederum die beiden ersten, inhaltlich, denn es
ist eine Totschlagsklage im Spiel, und formell, denn er ist
seinerseits dreifach, mit Steigerung, gegliedert wie der ganze
Abschnitt. Dann erfolgt eine Sendung durch den Tod des
Stiefvaters und Helgis Achtung, die seinen Fall im Gefolge
hat. Zu dessen Voraussetzungen gehört auch die Drohung, die
Helgi, Asbjörns Sahir, einmal am Thingfelsen ausgestoßen
hat. Sie wird deshalb in Kapitel 8 eingeschoben, mitten in die
Erzählung von Rannveig und Thorgrim Fellhaube, die den
Anlaß zu der Katastrophe gibt. Ein besserer Platz dafür ist
kaum denkbar; in den Zusammenhang der drei Begegnungen
paßt die Drohung aus mehr als einem Grunde nicht hinein.
Die Katastrophe selbst wird in typischer Weise eingeleitet.
Der Fall des Helden pflegt in den Isländergeschichten einen
dunklen Schatten voraus zu werfen. So auch hier (die weinende
Freundin, der Traum), obgleich die Gefahr nur zufällig
auftaucht: Helgi sieht ja nicht auf den Kriegspfad wie andere,
wenn sie solche düsteren Vorzeichen erleben, die vorzeichen
pind also schlechtweg wunderbar. Aber niemand bezweifelte
das Vorkommen solcher Sunder, und sie waren, wie gesagt,
dem Stilgefühl unentbehrlich. Etwas so Großes wie der
Kampf an der Strandkluft darf nicht unangemeldet aus
heiterm Himmel hereinbrechen. Der Schilderung des Gefechtes
Thule-Bd.12-000.19 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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selbst fühlt man bei all ihrer ruhigen Gegenständlichkeit
deutlich die leidenschaftliche Teilnahme des Erzählers an.
Der Hinweis auf die Alternative, vor die Özur gestellt ist,
überschreitet beinahe die Grenze der vorgeschriebenen Zurückhaltung.
Der Höhepunkt ist da, wo Helgi, um den Bruder su
rächen, hemmungslos vorstürmt in den Tod. Hier ist wilde
germanische Kämpferleidenschaft. Man halte daneben das
Treffen im Bödwarstal, wie es die Geschichte von den Männern
an der Waffenförde darstellt.
Nach diesem ersten, höchsten Gipfel ersteigt die Saga einen
zweiten, der notwendig folgen muß, in Grims Rache. Der
Kontrast der Zurüstung und Stimmung ist so groß, daß der
bloße Hinweis die Gestaltungskunst der Saga gewahr werden
läßt. Auf den letzten Gipfel muß ein leises Abschwellen folgen:
Grims Gefahr und Errettung.
Die ausschließlichen Helden sind die Brüder Helgi und Grim,
erst Helgi, dann Grim. Auch das entspringt einer künstlerischen
Rücksicht, daß bis zu Helgis Fall Träger der Handlung
ist. Erst von da an tritt Grim in den vordergrund; als der Totgeglaubte
unter den Händen der Frauen zum Leben erwacht,
wird er für uns zum ersten Male lebendig. In dieser verteilung
der Aufgaben, zusammen mit der verschiedenheit der
Charaktere, liegt das schöne Gleichgewicht der Erzählung.
Helgi, Asbjörns Sohn, kann es nicht stören. Trotz häufiger
Erwähnungen wird er dach nur soweit charakterisiert, um als
Gegenspieler ernst genommen zu werden. Im ganzen bleibt
sein Bild beschattet, selbst da, wo er zuerst handelnd hervortritt,
an der Strandkluft: ehe er einen Hieb ausgeteilt, wird
er kampfunfähig. Er ist weniger Subjekt als Objekt, noch im
Tode, wie Etzel unter Gudruns Rache im alten Etzelliede der
Edda.
Damit hängt es zusammen, wenn Helgi, Asbjörns Sohn,
nicht, wie Brauch, den Zuhörern präsentiert wird. Seine Persönlichkeit
gilt als bekannt, wie noch einige andere, die zwar
im Leben sehr wichtig waren, aber für die Erzählung wenig
bedeuten. Es ist das eine sorglose Frische der Komposition.
Etwas anderes ist es, wenn ein paarmal Örtlichkeiten und
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Personen verwechselt werden. Solche kleinen Unglücksfälle
konnten beim mündlichen Erzählen begegnen und also auch
wohl einmal auf dem Pergament fixiert werden. Dagegen
wird es von Anfang an der Saga eigen gewesen sein, daß der
Beweggrund zur Tötung des Stiefvaters unklar bleibt, eben
)ö die Art und Weise, wie Grims Abgesandter (bei der Rache)
das Schwert Helgis in seine Hand bringt. In beiden Fällen
ist der Standpunkt des Zuschauers (im zweiten Falle Gäms!)
folgerecht festgehalten, um Spannung und Überraschung zu
erzeugen. Aber sonst pflegt der Erzähler wenigstens mit einem
Wink unserer Vermutung die Richtung zu weisen.
Die Geschichte von den Männern an der Waffenförde
hat etwas von einer Adelschronik; denn sie erzählt
ausführlich von zwei Generationen der Leute von Hof,
Sie erfüllt teilweise die Aufgaben einer Bezirksgeschichte;
denn auch die andere große Familie der Gegend. die von der
Kreuzbucht, wird in mehreren Gliedern umfassend geschildert,
und kleinere Hofbefitzer treten daneben auf. Aber weder eine
Familienbiographie noch eine Bezirksgeschichte haben wir vor
uns, sondern die fein abgetönte Darstellung einer Verwandtenfehde.
Wollen wir sie nach einem Helden benennen, so
muß sie die Geschichte von Brodd-Helgi heißen. Denn mit
Brodd-Helgis Kindheit hebt sie an; seine erste Waffentat führt
zu der Weissagung des Sterbenden. der das ganze Unheil
der Familie vorausverkündet; seine starke Persönlichkeit mit
ihren grimmig-ironischen Kernsprüchen beherrscht alles Geschehen
bis zu seinem Fall und darüber hinaus, denn um
seinetwillen führt sein Sohn Bjarni den verhängnisvoller
Streich nach dem Haupte des Oheims, und von da an ebbt sie
Feindschaftswoge ab, die recht eigentlich von Brodd-Helgis
Herrennatur aufgewühlt war.
von der nächtlichen Prophezeiung an erblicken wir eine steigende
tragische Handlung. Die erste Entzweiung der Schwäger entspringt
aus einem gemeinsamen unlauteren Unternehmen,
dessen eigentlichen Urheber wir Brodd-Helgi erraten. Schon
bier rückt Brodd-Hetgi in kritische Beleuchtung: sein Unter-
Thule-Bd.12-000.21 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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nehmen gegen Thorleif den Christen ist zwar kunstvoll mit
der Haupthandlung verknüpft (indem es ein Hebel zu (Sei tiro
Charakteristik und ein neuer Faktor der Entzweiung wird),
aber schon durch seine Breite zeigt es an, daß es auch eine
selbständige Aufgabe hat: der Held soll eine Niederlage erleiden
durch die innerlich überlegene Persönlichkeit des Christen.
Wie Brodd-Helgi und Geitir zum zweiten Male aneinander
geraten, ist es wegen der Frau, die sie verbindet. Dies reizt
Geitir iim ersten Male empfindlich. Wieder behält der Erzähler
den neuen Faden in der Hand: wie Thorleif, so wird
ihm auch Halla zu einer selbständigen Charakterstudie, und
sie hat ihre Rolle das Ganze noch nicht ausgespielt.
Einstweilen folgt die dritte Begegnung, noch feindlicher als
die zweite; es kommt zu Tätlichkeiten, und es gibt Tote. Geitir
tröstet die Seinen mit witzigem Wort, auf Brodd-Helgis
Kosten. Und in der Tat wird nun Brodd-Helgi von Geitir
überlistet — seine zweite moralische Niederlage —, wenn er
auch im wichtigsten, vor Gericht, Steger bleibt. Geitirs Groll
wird verschärft durch seiner Schwester Tod; Brodd-Helgis
Besuch bei ihr gibt zugleich dieser Episode die Krönung. Geitir
scheint schon auf offene Feindschaft zu sinnen; doch Gudmund
der Mächtige, der in diesem Kapitel nur beide Gegner überlegen
kennzeichnen und in den Augen des Hörers demütigen
soll, versagt sich ihm verdientermaßen, und Geitir gerät in
ohnmächtige, furchtbeklommene Wut gegen Brodd-Helgi, bis
seine Leute ihn zum Handeln zwingen. vorher muß er die
Formel aussprechen für Helgis Übermut, denn jetzt ist dieser
reif, um zu fallen. Sein Tod wird ahnungsvoll vorausverkündet
. Leider fehlte in der Membran, auf der die erhaltenen
Abschriften beruhen, das Blatt, auf dem dieser Tod erzählt
war.
Schon dieser erste Teil zeigt vollkommen deutlich die feinere,
kompliziertere, seelisch vertiefende Art dieser Geschichte gegenüber
der zuerst besprochenen. Der Aufbau ist klar. der Fortschritt
der Handlung stetig, aber es wird viel mehr gegeben
als das, vor allem eine Charakteristik von erstaunlicher Feinfühligkeit,
bald ironisch schimmernd, bald —so will es scheinen
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leicht elegisch. Wir haben den Eindruck einer überlegenen
Erzähler persönlichkeit, die zwar einen Brodd-Helgi bewundert,
aber mit vorbehalt. Welch einzigartiges Bild, dieser Christ,
der den dicken Ketil beschämt abziehen läßt. Anderswo (in
der Kristni-Saga) hören wir von der vorladung, die Thorleif
von Ketil erfuhr wegen seines Christenglaubens. Daß Brodd-Helgi
dahinter gesteckt habe, giebt aus wie eine Kombination
desselben Mannes, dessen Hand wir auch sonst in der Geschichte
spüren: er wollte den Horizont erweitern und dadurch das
Format der alten Helden verkleinern. Drei Figuren sind es
im ganzen, die stumm oder mit Worten den Glanz der überlieferien
Hauptperson verdunkeln: außer Thorleif Halla und
Gudmund der Mächtige; letzterer als bekannte Größe eingeführt.
Die Fortsetzung ist des Anfangs würdig. Der geschlossene
vergleich. die bezahlte Buße beseitigen das Recht auf Rache.
Aber Rache muß kommen für einen Mann wie Brodd-Helgi.
So ist es geweissagt, so heischt es die Witwe, und Bjarni
fügt sich. Die Szene, wie Geitir fällt, ist eine der psychologisch
feinsten der gesamten Saga-Literatur. Sie bewährt mit am
glänzendsten die oft bewährte Kunst dieser Geschichten, unter
der leichten Decke der Worte die schwer arbeitende Seele fühlen
zu lassen. Bjarnt ist seinem Vater unähnlich; er hat mehr von
der Mutterseite geerbt. Doch ist er weniger eine problematische
Natur als in eine problematische Lage hineingeboren: sein
innerer Konflikt konnte jedem zustoßen, es ist der Widerstreit
zwischen Rachepflicht auf der einen Seite, Vertrags- und
Sippenpflicht auf der andern. Auch der Gegner scheint diesen
Widersteit zu empfinden. Seine Maßregeln gleichen Schachzügen
, die getan werden, weil die Spielregel sie erfordert.
Thorkel handelt aus Pflichtgefühl und, wie es ernst wird, mit
Pflichteifer, und er erreicht sein Ziel: blank geht sein Ehren-
Schild hervor aus dem Kampf im Bödvarstal. Die Fehde ahne
Haß findet ihr würdiges Ende in der Versöhnung, die beiden
Ehre macht in Heiden- und in Christenaugen.
Wenn der Schluß eine Wiederholung des Versöhnungs-
motivs bringt, so verdanken wir diesen störenden Nachtrag
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wohl am ehesten dem Mißverständnis eines reproduzierenden
Erzählers: die in der Geschichte selbst künstlerisch geformte
und motivierte Einladung ist dieselbe, die zugleich in getreuerer
Überlieferung als einzelne Tatsache nachgelebt hatte.
Bei dem vorherrschenden Interesse das Innenleben der
Menschen werden die äußeren vorgänge doch auch mit der
gewohnten Liebe veranschaulicht; so der Kampf mit der Intervention
des wackeren Eyvind. Die drei Anschläge Thorkels
auf Bjarnis Leben gehorchen dem Gesetz der Steigerung.
Neben ihnen steht selbständig das Kapitel von den Droplaugsöhnen,
das in seiner ganzen Anlage und charakterisierenden
Funktion der vorhemschenden Art unserer Geschichte verwandter
ist als jene Abenteuer.
Die Symmetrie des Aufbaus liegt darin: bis zur Mitte eine
sich verschärfende Spannung zwischen von Haus aus ungleichen
Freunden; von Geitirs Fall an Annäherung der verfeindeten,
einander würdigen Vettern bis zur Versöhnung.
Denn das Fehlschlagen von Thorkels Versuchen wirkt
hemmend, und der offene Streit; obgleich einen Augenblick
bange Furcht erweckend, ist doch der erste Schritt um Frieden.
Man kann nicht umhin, innere verwandtschaft zu empfinden
zwischen diesem großmütig gebotenen und angenommenen
Frieden am Ende und Thorleifs überlegener Großmut am
Anfang: das früh auftauchende Friedensgebot — Thorleif
verkündet es durch sein Handeln gegen Ketil, dessen vorgehen
jeden andern schwer gereizt hätte — wird nach traurigen
Wirren am Ende schön verwirklicht. Im ersten Teil hält
Halla die Partei des Mannes, den sie bewundernd liebt, mit
selbständigem Fühlen gegenüber dem Bruder; und im weiten
Teil ist es wieder eine Frau, die, klug und wohlmeinend, die
letzten Bedenken des Ehrgefühls zum Schweigen bringt.
Ähnlich gestimmt sind die beiden kleineren Erzählungen
aus der Gegend der Wassenförde: von Thorstein dem
Weißen und Thorstein Stangenhieb. Beide wären mit modernem
Ausdruck als Novellen zu bezeichnen. Sie erzählen je
eine merkwürdige Episode aus dem Leben zweier Herren von Hof.
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Die Erzählung von Thorstein dem Weißen hat zum Ziel djs
einzig dastehende Versöhnung zwischen dem blinden Greise
und dem Manne; der für den Tod seines besten Sohnes die
Verantwortung trägt. Das Ziel ist dies; nicht der Inhalt.
Niemals füllt eine einzelne Szene, und sei sie noch so reich,
eine Isländergeschichte aus. Diese Denkmäler treiben nicht
Stimmungsmalerei, noch auch lassen sie Szenen sich selbst exponieren
wie gelegentlich das altgermanische Heldenlied; sie
entwickeln die Handlungen ihrer vollen Länge nach. Die
unserer Erzählung hebt damit an, wie Thorstein der Schöne
mit der Familie von Hof sich verfeindet. Dazu ist es nötig,
daß sein Handel mit Einar vorgeführt wird. Diese vorgänge
haben ihre selbständigen Höhepunkte in Einars und Thorgils'
Tod. Beide fallen unter solchen Umständen, daß unsere Sympathie
für die Gegenpartei nur gesteigert wird. Was für
widerwärtige Gesellen sind dieser Einar und der gehässige
Ratgeber des Thorgils Wir gönnen dem Grani seinen Unfall
bei der Sennhütte. Thorgils selbst hat unser tragisches
Mitleid. Er ist zu gut ein solches Ende, und doch durfte
er die Warnung nicht achten. Sein Tod ist ein Unglücksfall
—ohapp, wie die Isländer sagten, nicht nur für die Seinen,
den Vater sondern auch für die Sippe der Täter. Was wird
das Ende sein: Der normale verlauf wäre der, daß die
Brüder des Erschlagenen für die Rache sorgen. Diese Brüder
werden am Anfang genannt; warum sie nicht eingreifen, bleibt
unbegründet; folgerecht müßte jene Anfangspräsentation
fehlen. Für die Erzählung sind nur der greise Vater und der
unmündige Sohn vorhanden. Solange letzterer unerwachsen
ist, braucht Thorstein nichts su fürchten. Sein Verhalten in
dieser Lage ist seiner würdig. Er war von Anfang an der
wackere Bursche. Einars Tötung war nach der alten Ethik
gerechte Notwehr; Thorstein verfuhr mit Mäßigung, so schwer
er gekränkt war. Darum gönnen wir ihm die doppelte Genugtuung
(daß das Mädchen nun für den Freier entwertet sein könnte davon
läßt der Erzähler sich nichts träumen). Auch hier endet
der Kriegszustand mit Freundschaft durch großmütigen Entschluß,
mag auch die Großmut zugleich Klugheit sein.
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Ähnlich in der Erzählung von Thorstein Stangenhieb.
Diese kleine Perle der Sagakunst wird dem heutigen Geschmack
von allem bier Gebotenen am leichtesten eingehen. Sie
begnügt sich mit zwei Orten und zusammen acht Personen,
von denen fünf episodisch sind und keine überflüssig oder
bloßer Statist ist. Die Handlung, so kurs und einfach wie
möglich, ist klar gegliedert und verläuft in schöner Linie vom
erregenden Moment (dem Stangenhieb) stetig aufwärts zum
reich entwickelten Gipfel, um nach einem Augenblick der letzten
Spannung, wie üblich, leise zu verklingen. Thorstein ist
kräftig in den Mittelpunkt gestellt. Um ihn gruppieren sich
die Nebenfiguren, Licht werfend auf den Helden: der alte
Vater härter, hitziger und ehrbedachter als der Sohn und
doch so stolz auf ihn (in interessantem Gegensatz zu Thorstein
dem Weißen); der übermütige Thord, der des bescheidenen
Jünglings glaubt spotten zu können; die beiden Hetzer; deren
verdientes Ende seine Reckenhaftigkeit verbürgt; die ängstliche
Gattin, die vor dem Höllenkerl warnt; die Magd, die seine
Partei nimmt gegen Thord und damit auch ihrem Herrn
Bjarni einen Dienst leistet. Bjarni, der Gegenspieler, ist von
vornherein der stille Bundesgenosse des Helden, der Einzige,
der seinesgleichen ist, an Heldenart (der Kampf im Bödvarstal
ragt legitimierend herein) und an ruhigem Wesen —,wohl
gestillt' nannten es die Isländer. Doch was bei Bjarni Gereiftheit
ist; ist bei Thorstein angeborene Art, und des Totschlag-Bjarni
bewährtes Heldentum steht unbezweifelt über
dem des namenlosen Bauernsohnes, der auch als der bedeutend
Jüngere zu denken ist. Durch diese Überlegenheit erst
wird der Hauptauftritt möglich. Thorstein bleibt darin derselbe
, der er war, nur daß sein Bild noch etwas bereichert wird
durch Züge von Ritterlichkeit und beinahe Ehrerbietung gegen
Bjarni. Dieser bekommt erst im folgenden Auftritt mit dem
Vater seine volle Rundung als vollsaftiger Charakter. Wir
gönnen ibm den rüstigen Helfer in der Wirtschaft herzlicher
noch als seinem Urgroßvater, Thorstein dem Weißen.
Kaum irgendwo im Bereiche der Isländergeschichten scheint
der Stoff so nach rein künstlerischen Gesetzen gewachsen zu
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sein, kaum irgendwo gebt die Unterwühlung des heidnischen
Lebensbodens durch mildere Seelenmächte so weit wie in der
Erzählung von Thorstein Stangenhieb. Man wird aber bemerken
, wie fest doch auch hier noch jener Lebensboden gegründet
erscheint.
Die Erzählung von Gunnar ist eine bescheidenere
Leistung, sowohl was Charakterzeichnung angeht wie
Geschlossenheit des Aufbaus. Die meisten Figuren entbehren
der lebensvollen Rundung. Doch heben sich die Porträtköpfe
zweier Nebenfiguren eindrucksvoll ab, die als Kontraste gedacht
scheinen, Asbjörn und Sveinki. Der menschliche Gehalt
ist nicht gering, und die Geschichte wird in ihren Grenzen geschickt
und lebendig erzählt; beides Dinge, die man bei dieser
Literaturgattung selten vermißt. Vielleicht lassen sich die typischen
Kunstmittel der Saga hier, wo sie mit geringerer
Meisterschaft gehandhabt werden, leichter studieren als
anderswo.
Thidrandis Tod ist nur die vorgeschichte. Das Hauptthema
bildet Gunnars Ächter leben. Der reckenhafte verfolgte war
ein Lieblingsheld der dichtenden Phantasie (vgl. Band s und
8 dieser Sammlung). Gunnars Abenteuer bekommen ihre
eigene Farbe durch die wackeren Helfer, die um ihres Schützlings
willen sogar das Leben aufs Spiel setzen: Sveinki,
Helgi und Thordis, Gudrun. Sie reichen sich die Hände in
ununterbrochener Kette, so daß die eigentliche Not des Ächter lebens
(wie sie etwa Gisli erfährt, der Held der nach ihm benannten
Geschichte) dem Helden fern bleibt und er am Ende
glücklich in die Heimat entkommt. Am reichsten ausgeführt ist
Gunnars Aufenthalt bei Sveinki am Borgfjord (gegen das Stilgesetz
der Steigerung). Hier ist die Gefahr am größten, die List
am erfinderischsten, und die Kameradschaft der starken und
wackern Männer hat etwas Herzerquickendes. Man beachte
den Hinweis: einige erzählten, auch der gefürchtete Helgi, der
Droplaugsohn, sei unter den verfolgern gewesen. Der Erzähler
, der Sveinkis standhaften Mut im Auge hat, will ihm
doch nicht mehr nachrühmen als wahrscheinlich ist. Die fol
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senden Rettungen wirken schwächer. Aber die Erzählung
versteht es, sie in eine gerade Linie zu rücken, überall die
trotzig-hilfsbereite Gesinnung der Freunde scharf zu beleuchten.
In diesem Sinne weicht denn auch der Schlußauftritt, am
Heiligen Berge, bezeichnend ab von der Darstellung desselben
vorganges in der Geschichte von den Leuten aus dem Lachstal
(Kap. 69; Bd. 6 dieser Sammlung),
Die Geschichte vom Freyspriester Hrafnkel gibt sich
wie eine Biographie. Aber sie behandelt nur ein eng
umgrenztes Ereignis aus Hrafnkels Leben, allerdings wohl
das wichtigste, denn es führte zu seiner — der Saga zufolge
siebenjährigen Verbannung von seinem Herrensitz
Adelfarm. In leichtem biographischen Rahmen tritt uns
wieder eine Novelle entgegen. Es ist eine der farbenprächtigsten,
dramatisch bewegtesten kleineren Isländergeschichten, die
wir besitzen. Die Charakteristik steht in ihrer Kraft und Feinheit
auf gleicher Höhe mit den besten.
Die künstlerische Liebe des Erzählers gehört weniger dem
Titelhelden ab den wichtigeren Beifiguren, zumal dem Gegenspieler
Sam und seinem Bruder Eyvind, dem Hauptträger
des Tragischen in der Geschichte. Diese, und vorher Einar,
sind denn auch abwechselnd die eigentlichen Helden, ohne daß
jedoch des Freyspriesters Bild undeutlich würde. Er bleibt
der ideelle Mittelpunkt, wird mit Achtung und verständnis
überall begleitet, darf Tüchtigkeit und Energie entwickeln und
wird mindestens einmal auch unserm menschlichen Mitgefühl
nahe gebracht: wie er nach der schadenfrohen Mißhandlung
um der Söhne willen das Leben wählt. Diese Szene ist bezeichnend
für das subjektive Ethos der Geschichte. Hrafnkels
elementare Herrennatur wird uns nicht vergönnt zu schauen.
Einar erschlägt er mit halbem Herzen; der Erzähler entschuldigt
ihn und läßt ihn später sich selbst halb und halb entschuldigen.
Und über den Angriff auf Eyvind wird kunstvoll ein Schleier
gezogen. Es muß uns genügen, daß uns gesagt wird: er war
ein großer Gewaltmensch. Einen künstlerischen Mangel bedeutet
dies nicht, die alten Hörer schon deshalb nicht, weil
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jedermann ohnehin wußte, wie gefürchtet Hrafnkel gewesen
war. Aber auch für uns nicht: die Geschichte hat ihren
Schwerpunkt anderswo. Nach dem, was man von Hrafnkel
gewußt zu haben scheint, war er wenig geeignet, als dichterischer
Held im Mittelpunkt einer Saga zu strahlen (etwa wie
Helgi, der Sohn der Droplaug); weder aufregende Abenteuer
noch große Taten noch ein tragischer Untergang verklärten
ihn. Aber nicht dies allein ist der Grund, warum wir
seine Wildheit nicht erleben dürfen. Daß er so menschlich im
Umgang ist, so redselig Aufschluß gibt über seine Beweggründe,
das ist um so sicherer subjektive Interpretation, als
ähnliche Fuge auch andern Personen beigelegt werden; und
dieselbe Subjektivität ist bei der verteilung von Licht und
Farben über das Ganze hin ohne Zweifel im Spiel.
Taucht der Erzähler in Hrafnkels Seele gleichsam nur bis
zur halben Tiefe ein, so ist dafür sein eigentliches Studium
Sam, dieser junge Mensch, dem das Unerhörte gelungen war.
Wie er für die Klage gewonnen wird, hartnäckig aushält
auch in der schwärzesten Stunde, den Retter gewinnt und
unverhofft siegt, dann angetrieben werden muß, um weiterzugehn,
und wieder zu früh Halt macht, zu seinem verderben
und doch so begreiflich bei dem Jungen, Unerfahrenen, Bescheidenen
, das ist unübertrefflich erzählt. Man beachte, wie
das Äußere des Retters am Axtfluß stark hervortritt unter
den angstvoll spähenden Blicken der beiden Einsamen; daß
die typische Personenschilderung so organisch aus der Handlung
herauswächst, ist selten.
Um Sam gruppieren sich andere Charakterköpfe: zunächst
die Thjostarssöhne, lebensvolle Häuptlingsfiguren in ihrer
überlegenen Klugheit, Unternehmungslust und Schadenfreude
. Die humoristisch absonderliche Art, wie der Gode gewonnen
wird, war für die alten Hörer mindestens ebenso
reizvoll wie die Exekution in ihrer barbarischen Grausamkeit.
Sam muß von dieser Grausamkeit entlastet werden. Hier
ragt ein Stück Wirklichkeit wie eine scharfe Klippe in die
Dichtung herein. — Und dann der alte Thorbjörn. Er wäre
kein rechter Mann, wollte er des großen Herrn gnädiges Angebot
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als Sühne gelten lassen, und für solche Gesinnung
haben unsere Geschichten ein Herz, auch wo sie im gebrechlichsten
Leibe wohnt. Bald freilich sinkt der schwache Greis
herab zur Folie für Sam.
Einar und Eyvind sind episodische, aber stark tragische Figuren
. Einar ist Hrafnkels bester Knecht. Die Teilnahme für
ihn wird rege gemacht schon beim Abschiede vom Vater Wir
fürchten ihn, wie er das verbotene Roß sattelt: erst das
Gebiß, dann die Decke. Der Renner ist gut, aber das Unheil
schreitet schnell, und Einar ist zu ehrlich, um aus eichen,
als er es kommen sieht. — Dem arglosen und mannhaften
Eyvind glauben wir, daß er Sams Bruder ist. Der junge
Bursche an seiner Seite, den er aus dem Elend gezogen und
der ihn vergebens warnt, macht ihn uns noch lieber. Und
eben deshalb muß er fallen. Das ist die moralische Weltordnung
der Isländergeschichten.
Die Geschichte von Thorstein, dem Sohne Siduhalls
ist nur als Bruchstück auf uns gekommen. Die
vorgeschichte der Händel mit Thorhadd ist verloren, ebenso
das Hauptstück des Schlusses. Des Helden Auslandreise,
mit der das Erhaltene beginnt, unterbricht den Fluß der Ereignisse
und weicht auch in der Erzählweise ab: direkte,
überwiegend preisende Charakteristik statt indirekter durch die
Mittel der Kunst. Thorstein wird erst lebendig für uns, sobald
er wieder isländischen Boden unter den Füßen bai. Wir sehen
einen jungen Hitzkopf im Streit mit einem alten Fuchs. Wie
Thorstein heftig ausbricht in Entrüstung und gekränktem
Stolz, Thorhadd brummt und schon hier gleich mit einer Anzüglichkeit
bei der Hand ist, das läßt uns die Gestaltungskunst
des Erzählers achtbar vorkommen. Sie hai etwas
Skizzenhaftes, rasch Vorbeieilendes; aber die wenigen Striche
werden mit sicherer Hand hingeworfen. Das war schon bei
den Auftritten zwischen Thorhadd, seinem Schwiegersohn
und seiner Tochter zu bemerken. Auch was folgt; wird in derselben
Weise vorgetragen. Die Handlung ist nicht reich, arm
an Personen und an Spannung. Thorhadds prophetische
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Träume, zur formelhaften Zwölfzahl erweitert, müssen ihr
Fülle geben. von da an steuert alles auf Thorhadds Ende
los: das Lachen auf der Butterseeheide; die Begegnung am
Fluß; die Erscheinung der Mutter. Endlich die Ausfahrt mit
der charakteristischen Aufmerksamkeit auf die vorzeichen, wie
immer, wenn man in den Sagas zu wichtiger Unternehmung
aufbricht. Der Fall von Thorhadds Söhnen wird uns noch
gegönnt; sein eigener nicht mehr.
Auch hier ein deutlicher heroischer Schimmer. Aber die
Menschen scheinen einer niedrigeren Sphäre anzugehören als
in den meisten Isländergeschichten. Thorhadd ist ein Plebejer.
Die abergläubisch-obszöne Verleumdung, die seine Hauptwaffe
ist, und die witzigen Grobheiten, die er von dem Traumdeuter
einstecken muß, charakterisieren ihn genügend. Thorstein selbst
fehlt es ein wenig an Haltung. Er macht einen fühlbar
andern Eindruck als die Häuptlinge alten Schlages. — Die
übrigen Personen, alle nur kurz auftretend, werden höchstens
ansatzweise gekennzeichnet.
Es ist eine untergegangene Kultur, in die uns die Isländergeschichten
führen, eine Menschengesellschaft, die von
der heutigen europäischen recht verschieden ist. Diese Erzählungen
muten uns zu, daß wir Staat und Kirche und alles,
was daran hängt, vergessen und ihnen folgen in eine fremde
Welt. Das erschwert natürlich zuerst den ästhetischen GenußEs
sind Schwierigkeiten da, die überwunden sein wollen. Und
seien wir offen: Wenige überwinden diese Schwierigkeiten
ganz und schauen auf die alten Menschen und Schicksale mit
denselben Augen wie die Erzähler und ihre Zeitgenossen.
Dennoch muß es versucht werden. Wer sich diesen Geschichten
willig ergibt, kann bald das Gefühl haben, einem neuen
Lande gegenüberzustehen, ein Entdecker zu sein. Nicht nur,
daß die Reize der alten Kunst sich entschleiern; auch die germanische
vorzeit enthüllt sich. Wir sehen aus nächster Nähe
das kriegerische Leben und lernen seine Wurzeln empfinden
als die Wurzeln auch unseres Daseins. Denn auf diesem
Gleichgeblieben sein, ja, wenn man will, dieser Allgemein
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menschlichkeit der seelischen Wurzeln beruht die Möglichkeit
unseres verständnisses der Saga. Und sind wir den Menschen
erst nahe getreten, verstehen wir sie in ihrem gekränkten Ehrgefühl
und der nagenden Sühnepflicht, so werden wir uns
bald einleben mihr ganzes Sein und auch ihre äußeren Lebensformen
verstehen lernen, die Lebensformen des heidnischen
Germanentums.
Auf der andern Seite bieten die Isländergeschichten uns
Lebenswerte. Ernst und unsentimental, wie sie sind, lehren
sie eine Weltbetrachtung, die nichts vertuscht und nichts zu
entschuldigen braucht, keinen anklagt und jedem das Seine
gibt. Die beispiellose Offenheit im Enthüllen der Menschennatur
wirkt auf den, der sie wahrzunehmen versteht; ebenso
erfrischend wie der Sinn für Heldentum, dem es sich von selbst
versteht, daß das Leben nicht der Güter höchstes ist. Neben
vielem, was uns primitiv oder naiv, rauh oder roh anmuten
mag, stehen sprechende Zeugnisse eines fein entwickelten Gefühls
für moralische Werte, Würde und Schicklichkeit. Im
ganzen aber will die Luft, die durch diese Geschichten weht,
doch empfunden sein als ein gesunder Hauch aus lebensvoller
vorzeit, rein und kräftig genug, um inbrünstig eingeatmet
zu werden wie von manchem die Lüfte von Hellas.
Die Übersetzung beruht auf der Originalausgabe der Ostfjordgeschichten
von Jakob Jakobsen, Kopenhagen 1903.
Zur Aussprache der altnordischen Namen sei bemerkt:
Das a in Asbjörn, das o in Thjostar, Jorun, die Vokale in
An, AS, Brjan, Glum, Grim, Hol, Ost, Sam und einigen
andern Namen sind lang.
ey klingt wie eu: Eyvind, Frey.
v ist zu sprechen wie in vulkan: Eyvind.
Der Ton liegt auf der ersten Silbe.
Thule-Bd.12-001 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Die Erzählung von
Thorstein dem
Weisen
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1. Von Thorstein und Thorgils
Es war ein Mann namens Ölvir der Weiße, ein Sohn
des Asvald, Enkel des Göngu-Hrolf, Urenkel des
Ochsen-Thorir. Er war Lehnsmann in Norwegen und
wohnte in Namdalen. vor der Übermacht des Jarls Hakon
wich er nach Yrjar bei Drontheim, und dort starb er. Er
hinterließ einen jungen Sohn, Thorstein, der Thorstein der
Weiße genannt wurde. Der segelte gleich nach dem Tode des
vaters mit all seiner Habe nach Island und fuhr in die
Waffenförde ein. Damals war herrenloses Land in ganz
Island nicht mehr zu haben. Es wohnte aber zu Hof an der
Waffenförde Steinbjörn Kart. Er hatte das Gut von seinem
Oheim als Geschenk erhalten, alles Land zwischen der Waffenfördenache
und der Westtalache. Steinbjörn war ein arger
Verschwender in der Wirtschaft. Da nun Thorstein erfuhr,
daß alles Land schon besetzt war, ging er zu Steinbjörn, kaufte
von ihm Grund und Boden und baute ein Gehöft zu Toptfelden
. Dort wohnte er ein paar Jahre und kam zu Vermögen
und Ansehen. Nicht lange hatte er gewirtschaftet, als er sich
aufmachte, um zu freien. Er bewarb sich um ein Mädchen
namens Ingibjörg, die Tochter Hrodgeirs des Weißen. Er
bekam sie zur Frau und hatte mit ihr fünf Kinder. Ein Sohn
hieß Önund, der zweite Thord, der dritte Thorgils; die
Töchter Thorbjörg und Thora. Thorgils war ein höchst stattlicher
Mensch.
Steinbjörn Kart geriet in Geldverlegenheit und bat Thorstein
um ein Darlehn. Der war willig dazu. Allmählich erhielt
Steinbjörn so viel von ihm, daß ihm von seinem Gui
fast nichts mehr gehörte. Da wurde dem Thorstein der Gläubiger
zu schlecht, sein Geld schien ihm übel untergebracht, und er
forderte es zurück. Es endete so, daß Steinbjörn dem Thor-stein
das Gut Hof abtrat. Thorstein zog nach Hof kaufte sich
ein Godentum 1 und wurde ein mächtiger Bezirkshäuptling.
Dabei war er überall beliebt. Als er manches Jahr auf Hof
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gewohnt hatte, da geschah es, daß Jngibjörg krank wurde
und starb. Das dünkte Thorstein ein schwerer verlust. Aber
er hielt seine Wirtschaft aufrecht wie zuvor.
Es war ein Mann namens Thorir, Sohn des Atli. Er
wohnte an der Atlibucht am Ostufer des Seefließes; da stehn
jetzt Schafställe. Thorir war verheiratet; seine Frau hieß
Aslaug und war die Tochter Brynjolfs des Alten. Sie hatten
zwei Kinder, einen Sohn namens Einar und eine Tochter
namens Olöf. Einar war ein strammer Bursche, wenn auch
nicht groß an Wuchs, hochfahrend und nicht besonders beliebt.
Olöf war ein außerordentlich schönes und beliebtes Mädchen.
Thorstein dem Weißen geschah es, daß er eine Augenkrankheit
bekam und das Gesicht verlor. Nun glaubte er nicht mehr
wirtschaften zu können, sprach mit Thorgils und bat ihn, die
Leitung des Gesindes zu übernehmen. Thorgils sagte, es sei
seine Schuldigkeit, zu helfen, so viel er könne. Sein Vater
redete davon, er solle eine Frau nehmen und um Olaf werben,
Thorirs Tochter, und so kam es. Sie zog mit ihm nach Hof,
und sie lebten in glücklicher Ehe und bekamen zwei Kinder,
Helgi —den bekannten Brodd-Helgi —und Gudrun. Thorgils
war damals wohl zwanzigjährig.
2. von Thorstein dem Schönen
und seinem Partner Einar
Zu Hof wohnte ein Mann namens Grani Goldhut als
Pflegebruder des Thorgils und Verwandter der Olöf.
Er war von hochfahrendem Wesen und galt für hinterlistig.
Hof lebte ferner als Verwandter der Familie ein gewisser
Thorkel Schinder. Der war groß und stark.
An der Sveinungsbucht, zwischen der Fuchsebene und dem
Distelfjord, wohnte Thorbjörn, ein wackerer Bursche und von
starken Muskeln, ein guter Freund Thorsteins des Weißen.
Auf Skeggihausen im Hnefilstal wohnte Thorfinn. Er besaß
noch einen zweiten Hof. Er und seine Frau hatten drei
Söhne, Thorstein den Schönen, Einar und Thorkel, lauter
stattliche Menschen. Die Führung unter ihnen hatte Thorstein,
der zur Zeit dieser Geschichte voll erwachsen war.
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Es war ein Mann namens Kraki, der wohnte am Krakibach.
Er war wohl begütert, hatte eine Frau mit Namen Gudrun
und eine kaum erwachsene Tochter Helga, die war ein sehr
schönes Mädchen und galt die beste Partie im Fließtalbezirk
. —
Es wird berichtet, daß Thorstein der Schöne seinen Vater
um einen vorschuß auf sein Erbe anging, weil er außer
Landes reisen walle. Thorfinn erwiderte, das könne geschehen,
und gab ihm, so viel er verlangte. Er war nun ein paar
Sommer auf Handelsfahrten, kam zu Geld und Ansehen,
und jedesmal, wenn er von neuem aussegelte, ließ er etwas
vom verdienst zurück, was, wie er glaubte, er und sein Vater
nötig hatten. Da kam in einem Frühjahr, als Thorstein den
Winter über hier gewesen war, Thorirs Sohn Einar zu seinem
Vater hat ihn um einen vorschuß und sagte, er wolle
sich an Thorsteins Handel beteiligen. Thorstein erklärte, er
wolle Einar die Beteiligung nicht versagen, schenkte ihm sogar
das halbe Eigentumsrecht an seinem Schiffe, meinte aber,
ihm schwane nicht gerade das allerbeste fin ihre gemeinsamen
Unternehmungen, weil Einar von so unverträglichem Wesen
sei. Sie segelten ab und machten zusammen Geschäfte. Thorstein
hatte immer Einars vorteil im Auge und hielt ihn hoch
in Ehren, und doch stellte äch heraus, daß Thorstein bei dm
Leuten in höherem Ansehen stand als Einar, weil er sich als
wackerer Bursche und gefälliger Freund erwies. Eine Zeitlang
ging es gut mit ihrer Teilhaberschaft.
3. Wie Thorstein sich verlobte
und Einar ihn betrog
Eines Winters als sie beide hier draußen waren, redete
Thorfinn mit Thorstein und fragte ihn, wo erden
Sommer verbringen wolle. Er wolle hinaus, antwortete Thorstein.
Thorsinn sagte, er habe ihn bitten wollen, mit ihm den
Hof zu übernehmen. Dazu habe er keine Lust, erwiderte Thorstein,
doch könne der Vater von seinem Gelde so viel bekommen,
wie er wolle. Er hatte viel Geld mit bei seinen Handelsfahrten.
Thorsinn sagte, er habe sich eine Heirat für ihn überlegt, er
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wolle für ihn um Helga werben, Krakis Tochter. Das sei eine
allzu gute Frau für ihn, versetzte Thorstein, denn sie sei ja
Krakis alleinige Erbin. Thorsinn meinte jedoch, die Heirat
sei für ihn gerade passend, sowohl was die Sippe wie was
das Mädchen selbst betreffe. So ritten sie denn hin und
machten Kraki ihren vorschlag. Dem gefiel es nicht übel. Die
Sache wurde Helga vorgetragen, und in dem, was sie darauf
sagte, fand man keine Weigerung. Die beiden väter waren
Zeugen bei Thorsteins verlobung. Er wollte erst ausfahren;
nach seiner Rückkehr sollte die Hochzeit sein.
Er ging mit Einar unter Segel, und auf See bekam er den
Skorbut, wie man es nennt, und wurde davon bettlägerig.
vie Leute lachten über ibn, allen voran Einar. Und als sie
nach Norwegen kamen, mieteten sie da ein Haus, kümmerten
sich aber sonst nicht um Thorstein. Er lag da den ganzen
Winter. Einar verhöhnte ihn oft und ließ Spottlieder auf
ihn machen. Im Frühling kam er zu ihm und forderte die
Auflösung der Teilhaberschaft; das Schiff wolle er für sich
allein haben, Thorstein scheine ihm untauglich, mit auszusegeln.
Thorstein meinte, es sei etwa so gekommen, wie er es
von Ein ars Charakter erwartet habe. Sie teilten nun ihr
Gut so, daß Einar zuerst wählte und Thorstein von seinem
Bette aus Anweisungen gab. So bekam Einar auch das
Schiff und segelte damit im Sommer nach Island.
Bei der Landung wurde er nach Neuigkeiten gesagt. Er
antwortete, Genaues könne er nicht melden, Thorstein sei bei
seiner Abfahrt nicht gerade tot gewesen, doch habe es so ausgesehen,
als würde er nicht mehr beim kommen. Einar ritt
zu seinem Vater und schmähte in allem, was er erzählte, sehr
auf Thorstein.
Im Herbst lief ein Schiff in die Rotwalförde ein. Einar ritt
hin und bestach den Norweger, er solle Thorsteins Tod melden.
Der tat es und desgleichen alle seine Matrosen. Als Einar
nach Hause kam, meldete er Thorsteins Tod: er habe noch denselben
Winter ein klägliches Ende genommen,
Bald bat Einar seinen vater; er solle für ihn um Helga,
Krakis Tochter, werben, und Thorir war es recht. Sie brachen
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auf kamen zu Kraki und brachten ihre Werbung vor. Kraki
sagte, er wolle erst Thorsteins Tod sicher in Erfahrung bringen;
dann aber, wenn alles zweifelsfrei bezeugt wäre, solle Einar
das Mädchen bekommen. Thorir nannte es unbillig, wenn
Einar vergebens Seien solle um ein Mädchen, das dem Thorstein
ohne Zögern versprochen wäre. Darauf gab Kraki ketne
Antwort.
Vater und Sohn machten sich auf den Heimweg. Kurz
darauf ritt Einar nach Hof, erzählte Thorgils von seiner
Werbung und sagte, er sei abgewiesen worden. Grani, der
dabei war, versetzte: ,Die guten Freunde nützen dir wenig,
Einar, wenn du diese Frau nicht bekommen sollst!' und er
redete davon, daß die verschwägerung mit Thorgils wenig
Wert für Einar habe, wenn der die Schmach, die ihm widerfahren,
in den Wind schlüge. Thorgils eigene Antwort war:
Nach meinem Urteil hat Kraki sich verständig benommen;
ich hätte es an seiner Stelle ebenso gemacht.' Einar hatte von
Krakis Antwort die reine Wahrheit berichtet, und doch trieb
Grani Thorgils an, ihm zur Seite zu treten. Thorgils
sagte, seine Ahnungen seien nicht die besten, wenn man ihn
zum Hauptmann in dieser Sache mache. Aber sie ritten zusammen
zu Kraki. Der gab dieselbe Antwort wie das erste
Mal. Da sagte Thorgils: ,Mag sein, daß du über deine
Tochter die verfügung behältst; aber in andern Dingen wirst
du nicht Herr bleiben über die Schwierigkeiten" ,Darauf lasse
ich es lieber nicht ankommen,' erwiderte Kraki, verlobte dem
Einar seine Tochter und richtete selbst die Hochzeit in seinem
Hause aus. Es wurde abgemacht, daß Kraki auf jeden Fall
wegen des vertragsbruches gegen Thorstein geschützt sein solle.
4. Thorsteins Heimkehr
Von Thorstein ist zu erzählen, daß es besser mit ihm wurde.
Er rüstete ein Schiff zur Islandfahrt, landete in der Rotwalförde
den Sommer nach der Hochzeit und verkaufte sein Schiff
an die Norweger. Denn er wollte jetzt mit Helga seinen Hausstand
gründen und von den Kauffahrten lassen. Und als er
das Land betrat, erfuhr er von der großen veränderung. Da
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suchte er seinen Vater auf, und sie machten den Schiffs verkauf
nicht rückgängig. Thorstein ließ sich nichts merken. Im
Winter kaufte er ein Schiff, das im Bolunghafen auf Stapel
lag, und machte es seefertig. Seine Brüder wollten mit ihm
ausfahren, wurden aber nicht so früh fertig wie er, weil sie
noch im Bezirk zu um hatten mit Einforderung von Schulden.
Die Norweger murrten darüber, daß man auf sie warten und
vielleicht eine günstige Brise ungenutzt lassen müsse. Da sagte
Thorstein: ,Ich will ihnen nachreiten und ihnen sagen, daß
sie sich beeilen sollen. Wartet auf mich mindestens eine Woche,'
Und Thorstein ritt die Axtförde landeinwärts zum Bolunghafen
, hinauf auf die Krapptalheide und hinab zur Waffenförde
, weiter über die Butterseeheide, über die Gletscherach
bei der Brücke, die Fließtalheide entlang, über das Seefließ
und an der Ostseite des Fließes aufwärts, bis er frühmorgens
nach der Atlibucht kam.
Thorir war mit seinen Knechten in den Wald hinabgegangen,
in die Bolungebene. Einar aber war zu Hause und lag noch
im Bett, als Thorstein an die Tür kam. Draußen traf er eine
Frau, Ost geheißen. Die Sagte den Ankömmling nach seinem
Namen. Thorstein antwortete: ,Sigurd heiße ich. Ich habe
Einar eine Schuld zu bezahlen. Geh hinein, wecke Einar und
bitte ihn herauszukommen.' Thorstein trug den Spieß in der
Hand und auf dem Kopfe einen wollenen Hut. Die Magd
weckte Einar. Er Sagte, wer da wäre. Sie sagte, der Mann
nenne sich Sigurd. Da stand Einar auf, guhr in seine Schuhe,
nahm einen Mantel um und ging dann hinaus. Als erins
Freie kam, erkannte er sogleich Thorstein und wurde etwas
betreten. Thorstein sagte: ,Ich bin gekommen, um zu erfahren,
welche Genugtuung du mir dafür leisten willst, daß du mich
auf See wegen meines Skorbuts zum Narren hieltest und mit
deinen Matrosen über mich lachtest. Ich will mit Wenigem
zufrieden sein.' Einar erwiderte: ,Wende dich erst an alle die
andern, die über dich gelacht haben. Zahlen sie Buße, so tue
ich es auch.' Darauf Thorstein: ,Ich leide nicht derart an
Geldmangel, daß ich mich bequemen würde, zu jedem Einzelnen
zu gehn. Aber du für dein Teil sollst mir büßen" Einar
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erklärte, er werde nicht büßen, und er wandte sich zurück zur
Schlafkammer. Thorstein rief ihm nach, er möge doch warten
und nicht gar so hastig zu Helga ins Bett stürzen. Doch Einar
beachtete es nicht. Da legte Thorstein mit dem Speer gegen
Einar aus und durchbohrte ihn er stürzte tot in die Kammer.
Thorstein bat die Magd, Ein ars weitere Reise zu besorgen,
und ritt dann denselben Weg, den er gekommen war.
Er ritt westwärts zu Thorbjörns Sennhütte, die zwischen
der Fuchsebene und der Schlangenach lag, und Sagte Thorbjörn
, ob seine Brüder schon da gewesen wären. Der verneinte
es. Nun berichtete Thorstein das Geschehene und bat,
seinen Brüdern zu sagen, daß sie schleunigst an Bord kämen.
Dann ritt er selbst zum Schiffe.
Inzwischen schickte die Magd dem Thorir Botschaft und ließ
ihm den Fall seines Sohnes melden. Thorir machte sich sogleich
auf, ritt mit zwei Knechten zur Waffenförde, setzte zu
Schiffe über und kam nach Hof. Dort erzählte er Einars Fall.
Thorgils sagte, er habe gleich nichts Gutes geahnt, als Einar
Helga heiratete. Man bat ihn, die verfolgung aufzunehmen,
und er ließ die Pferde satteln. Grani hatte von Feigheit gesprochen
, falls er zögere. Auf Thorgils' Rat kehrte Thorir um,
aber seine Knechte ritten mit Thorgils. Sie waren im ganzen
ihrer stehen, als sie aufbrachen.
5. Wie Thorgils fiel
Am Tage, nachdem Thorstein die Sennhütte des Thorbjörn
verlassen hatte, kamen seine Brüder dorthin. Sie frühstückten
und legten sich dann zum Schlafen nieder. Thorbjörn
riet sehr davon ab, indem er Einars Tod berichtete und was
er von Thorstein zu bestellen hatte. Thorbjörn war mit beiden
Parteien befreundet. Bald darauf kamen Thorgils und seine
sechs Begleiter angeritten. Thorbjörn weckte die Brüder und
meldete es ihnen. Aber es war zu spät sum Entkommen. So
riet er ihnen, in der Sennhütte vor der Tür eine tiefe Grube
zu graben. ,Ich werde draußen vor der Tür stehn,' sagte er.
Sie taten es. Als jene an die Hütte herankamen, waren sie
überzeugt, daß die Brüder darin wären, denn die Pferde
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draussen waren müde und eben erst abgeladen. ,Ich weiß,
daß sie hier sind,' sagte Thorgils. Thorbjörn versetzte: ,Du
bist ein scharfsinniger Mann. Aber die Brüder sind nicht hier,
wie du behauptest. Ich hatte meine Pferde nach Hol; geschickt,
und wir haben sie eben abgeladen. Sie kommen unmittelbar
ven den Winterhäusern. Vorher haben sie Treibholz zum
Saalbau nach der Sveinungsbucht geschleppt. Es sind meine
Pferde.' Thorgils wollte das nicht glauben. ,Geh von der Tür
weg,' sagte er, ,wir wollen Haussuchung halten.' Thorbjörn
erwiderte, da sie seiner Aussage nicht glaubten, werde er ihnen
den Gefallen nicht tun. ,Schlagen wir ihn tot, wenn er die
Tür nicht freigeben will!' sagte Grani. Thorgils versetzte: ,Das
würde mein Vater nicht billigen.
Da erbot sich Thorkel Schinder, er wolle von hinten auf das
Dach steigen, zwischen Thorbjörn und der Tür herabspringen
und ihn wegtragen den Abhang hinunter. Thorgils war einverstanden
. Und Thorkel brachte es nun wirklich zuwege; daß
Thorbjörn auf die angegebene Art von der Tür weggeschafft
wurde. Darauf band man ihn, ging dann zur Tür und überlegte,
wer zuerst hineingehen solle. Als Thorgils das merkte,
sagte er: ,Das Tapfer sein gelingt uns nicht, da wir nicht wagen
hineinzugehn,' und sprang auf den Eingang zu. Thorbjörn
riet ab und warnte ihn; doch er achtete es nicht. Den Schild
über den Kopf erhoben, kam er hinein —stürzte in die Grube,
und die Brüder erschlugen ihn darin.
Nun deckten Thorgils' Gefährten das Dach der Hütte ab und
hatten noch eine ganze Zeitlang mit den Brüdern zu schaffen.
Grani Goldhut hatte sich oben auf die Wand gelegt und purzelte
von oben hinein. Da bekam er einen Speer durch den
Arm. Die Brüder wehrten sich geschickt und mannhaft und
fanden endlich beide einen rühmlichen Tod. Auf der andern
Seite waren Thorirs beide Knechte gefallen und als Dritter
Thorgils, Thorsteins Sohn, selbst, im dreißigsten Lebensjahr
Nach dem Kampfe wurde Thorbjörn losgebunden. Er schaffte
alles, was die Brüder hinterlassen hatten, zum Bolunghafen
und an Bord des Schiffes und meldete Thorstein das Geschehene.
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Thorstein sagte, er habe sich wacker benommen, und
sie schieden in Freundschaft.
Im Sommer segelte Thorstein aus und blieb fünf Jahre fort.
Er kam zu Ansehen bei Fürsten und stand im Rufe eines tüchtigen
Mannes.
6. Wie Thorstein Genugtuung leistete
Grani Goldhut kam heim nach Hof und erzählte Thorstein
dem Weißen, zwei Söhne Thorsinns und zwei
Knechte Thorirs wären tot. Der Alte fragte ihn: ,Und wo ist
mein Sohn Thorgils: Grani antwortete: ,Der ist auch tot.'
Da sagte Thorstein: ,Du hast eine elende Art, Neuigkeiten zu
erzählen. Von dir kommt immer nur Schlimmes.' — Als die
Nachricht bekannt wurde, schien es den Leuten etwas Großes
darum.
Im Sommer wurde gegen Thorstein, Thorsinns Sohn, die
Klage erhoben und er wegen des Totschlages an Einar geächtet.
—Brodd-Helgi war drei Jahre alt, als sein Vater siel,
und er wurde bald ein tüchtiger Bursche für sein Alter.
Nach fünf Jahren kam Thorstein, Thorsinns Sohn, nach Island
zurück. Er landete im Mittfjord und ritt sogleich nach
Hof mit vier Begleitern. Brodd-Helgi, damals achtjährig,
spielte gerade auf dem Platze vor dem Hause und lud die Ankommenden
sämtlich ein, dort zu bleiben. Thorstein fragte ihn,
wie er dazu komme, Gäste einzuladen. Der Knabe erwiderte,
er sei mit seinem Großvater zusammen Herr im Hause.
Darauf traten Thorstein und seine Leute ein. Thorstein der
Weiße verspürte sogleich den Seemannsgeruch und fragte,
wer da wäre. Thorstein, Thorsinns Sohn, antwortete der
Wahrheit gemäß. Da sagte der Alte: ,Meintest du, ich sei nicht
genug geprüft, wenn du mich alten, blinden Mann unbesucht
ließest?' Er erwiderte: ,So etwas ist mir nicht eingefallen.
vielmehr bin ich da, dir Selbsturteil 1 zu bieten für deinen
Sohn Thorgils. Ich besitze genug, um ihn so hoch zu büßen,
daß noch kein Mann teurer bezahlt wurde.' Thorstein der
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Weiße erklärte, er wolle seinen Sohn nicht im Beutel tragen 1.
Sein Namensvetter wurde Thorstein der Schöne genannt,
Thorstein der Schöne sprang auf und legte seinen Kopf dem
Greise in den Schoß. Da sprach Thorstein der Weise: ,Ich
will dir nicht den Kopf vom Halse schlagen lassen; die Ohren
stehn am besten da, wo sie gewachsen sind. Aber das will ich
als vergleich festsetzen, daß du mit all deiner Habe nach Hof
übersiedeln sollst, um hier zu wirtschaften. Bleibe hier, so lange
ich will, und verkaufe dein Schiff!' Auf diesen vergleich ging
Thorstein der Schöne ein.
Als die Fünf aus dem Hause traten, spielte der Knabe Helgi,
Thorgils' Sohn, mit dem goldbeschlagenen Speer, den Thorstein
der Schöne beim Hineingehn an der Tür hingestellt hatte.
Thorstein sagte: ,Soll ich dir den Speer schenken?' Helgi beriet
sich mit seinem Pflegevater, Thorstein dem Weißen, ob er den
Speer annehmen solle. Der Alte entschied: gewiß solle er ihn
annehmen und die Gabe reichlich vergelten.
Fürs erste blieb Thorstein der Schöne eine Nacht in Hof.
Dann ritt er zu seinem Schiff, verkaufte es und zog alsbald
mit all dem Seinigen in die Waffenförde nach Hof.
Er brachte Thorsteins des Weißen viehstand tüchtig vorwärts
. Und als er einige Zeit dort gewesen war, da wünschte
Thorstein der Weiße, sein Namensvetter solle um die Hand
der Helga, Krakis Tochter, anhalten, und der tat es. Thorstein
der Weiße begleitete ihn, und die Sache nahm einen guten
verlauf, denn sie war gerade nach dem Sinne des Kraki. Helga
zog gleich mit Thorstein dem Schönen nach Hof, denn der alte
Thorstein wollte die Hochzeit bei sich abhalten, weil er zu hinfällig
zu sein glaubte, um auswärts eine Hochzeit mitzufeiern;
und darum geschah es so. Die Hochzeit verlief gut, und die Ehe
war glücklich.
Zehn Jahre wohnte Thorstein der Schöne zu Hof bei seinem
Namensvetter und war ihm wie ein Sohn bei jeglicher Arbeit.
Dann sagte eines Tages Thorstein der Weiße zu ihm: ,Eine
gute Stütze bist du mir gewesen; du bist ein tüchtiger und
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wackerer Bursche in allen Dingen. Aber jetzt möchte ich, daß
du ein anderes Leben anfängst; ebenso dein Vater und dein
Schwiegervater Kraki. Rüstet euch zur Ausreise mit allem,
was ihr besitzt! Denn ich glaube, mein Enkel und Pflegesohn
Helgi ist dein Freund nicht. Er ist jetzt achtzehn Jahre alt, ich
aber lebe wohl nicht lange mehr, und ich möchte, daß wir in
Frieden scheiden. Helgi aber wird ein übermütiger und gewalttätiger
Mann werden. Befolge meinen Rat in dieser Sache:
Bleibe nicht länger hier, als ich dir rate!' Thorstein der Schöne
willigte ein. Er kaufte zwei Schive und segelte ab mit seinem
ganzen Anhang. Sein Vater Thorsinn und sein Schwiegervater
Kraki reisten auch ab. Sie landeten in Drontheim, sogen
im folgenden Sommer nach Helgeland und ließen sich dort
mit ihrem ganzen Anhang nieder. Dort wohnte Thorstein
der Schöne den Rest seines Lebens als wohlangesehener Mann.
7 .Wie Brodd-Helgi zu seinem Namen kam
Helgi wuchs auf bei seinem Pflegevater Thorstein dem Weißen
. Er wurde früh groß und stark, schön und häuptlingsmäßig
von Ansehen, wenig gesprächig schon als Kind, unumgänglich
und starrköpfig, klug und launenhaft. Eines Tages,
zu Hof die Kühe in der Melkhürde standen, hatte sich
großer und starker Stier bei ihnen eingehenden. Ein zweiter Stier,
auch groß und gefährlich, gehörte zur Herde und war auch
dabei. Helgi war gerade draußen und sah, wie die Stiere aufeinander
losgingen und sich mit den Hörnern stießen und wie
der Hausstier vor dem Fremden wich. Als er das sah, bolte
er aus dem Hause ein Paar große Eisstachel und band sie dem
Hausstier vor den Kopf. Der Kampf ging weiter und endete
so, daß der Hausstier den andern zu Tode stieß: die Stacheln
waren tief eingedrungen. Diese Tat Helgis schien den meisten
eine unschöne Cist. Er bekam davon seinen Namen Brodd-Helgi
denn Brodd bedeutet Stachel. Einen Doppelnamen zu
haben, galt damals für glückbringend; die Leute glaubten
länger zu leben, wenn sie zwei Namen hätten, Früh erkannte
man, daß Helgi ein großer Häuptling, aber ein Gewaltmensch
werden würde.
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Thorstein der Weiße lebte noch ein Jahr, nachdem er und
Thorstein der Schöne sich getrennt hatten. Er starb als ein
Mann von höchstem Ansehen.
Geitir an der Kreuzbucht hatte Hallkatla zur Frau, die Tochter
Thidrandis des Alten, eine Enkelin des Ketil Lärm. Zwischen
Geitir und Brodd-Helgi herrschte anfangs große Freundschaft,
aber sie wurde flauer mit der Zeit und schlug endlich um in offene
Feindschaft, wie erzählt wird in der Geschichte von den Leuten
an der Waffenförde. Hier ist die Erzählung von Thorstein
dem Weißen zu Ende.
Thule-Bd.12-015 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Die Geschichte von
den Männern an der
Waffenförde
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1. Von Brodd-Helgi
Zu Hof an der Waffenförde wohnte ein Mann namens Helgi,
genannt Brodd-Helgi. Er war der Sohn des Thorgils,
Enkel Thorsteins, Urenkel Ölvirs, der Asvald, des Ochsen
Thorir Sohn, um Vater hatte. Ölvir war in Norwegen Lehnsmann
gewesen zur Zeit des Jarls Hakon. Der erste aus diesem
Geschlecht, der nach Island kam, war Thorstein der Weiße. Er
wohnte zuerst auf Toptfelden bei Sirekshof. Zu Hof wohnte
damals Steinbjörn, der Sohn des roten Ref. Da diesem aber
das Geld ausging vor lauter Gastfreiheit, so kaufte Thorstein
das Gui Hof, und er wohnte dort sechzig Jahre. Zur Frau
hatte er Ingibjörg, die Tochter Hrodgeirs des Weißen. Thorsteins
Sohn Thorgils war der Vater des Brodd-Helgi er
übernahm Thorsteins Hof. Nachdem er aber durch Thorkel
und Hedin gefallen war; übernahm Thorstein der Weiße den
Hof von neuem, und sein Enkel Brodd-Helgi wuchs bei ihm
auf. Helgi war groß und stark und abgehärtet, schön und ein
rechter Häuptlingssohn. Schon als Kind war er verschlossen,
unumgänglich und starrköpfig; er war begabt und launenhaft.
Man erzählt; eines Tags, als zu Hof die Kühe in der Melkhürde
standen, sei auch ein Stier dabei gewesen, der zur Wirtschaft
gehörte. Da kam ein fremder Stier an die Hürde heran,
und die beiden Stiere stießen sich mit den Hörnern. Der Knabe
Helgi war gerade draußen und sah, daß ihr eigener Stier der
schwächere war und weichen mußte. Da nahm er einen Eisstachel
und band ihn dem Stier vor die Stirn, und von da
an hatte sein Stier die Oberhand. von dieser Tat bekam er
den Namen Brodd-Helgi denn Brodd heißt Stachel. Er war
die Krone aller jungen Leute dort im Bezirk.
2 .Von dem Ächter Svart
Ein Mann namens Svart kam auch hierher und ließ sich
an der Waffenförde nieder. Sein nächster Nachbar war
ein gewisser Skidi; der war arm. Svart war groß gewachsen
und von starken Muskeln, kampferfahren und ein wilder
Draufgänger. Svart und Skidi gerieten in Streit um die vieh
Thule-Bd.12-018 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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weiden, und es endete so, daß Svart den Skidi erschlug. Die
Klage führte Brodd-Helgi und erreichte die Achtung des Täters;
Helgi war damals zwölf Jahre alt. Nun ging Svart
hinaus auf die Heide, die wir Butterseeheide nennen, nahe
beim Sonnental, warf sich auf das Vieh der Leute von Hof
und richtete viel mehr Schaden an, als er nötig hatte.
Eines Abends kam der Schäfer von Hof heim und ging in
den Bettverschlag des alten Thorstein, wo dieser blind lag,
Thorstein ließ sich vernehmen: ,Wie ging dir's heute, Freund"
So schlecht wie möglich,' versetzte jener, ,dein bester Hammel
ist weg und drei andere dazu.' ,Sie haben wohl Gesellschaft
gefunden und werden zurückkommen.' ,Nein, nein, sie kommen
nie zurück!' ,Meinetwegen rede, was du willst,' sagte Thorstein,
,doch taß so etwas nicht Brodd-Helgi hören"
Brodd-Helgi fragte den Schäfer, was er auf seinen Streifzügen
den Tag über erlebt habe. Und er erhielt ganz denselben
Bescheid wie Thorstein. Brodd-Helgi tat, als höre er nicht,
und ging am Abend zu Bett. Als die andern eingeschlafen
waren, stand er auf, nahm seinen Schild und ging hinaus. Es
wird erzählt er habe eine Steinplatte aufgenommen, flach und
dünn, und das eine Ende vorn in seine Hose gesteckt, das andere
vor der Brust befestigt. In der Hand trug er eine große
Holzart mit langem Schaft. Er ging zum Schafstall und verfolgte
von da die Spur, denn es war Schnee gefallen. So kam
er auf die Butterseeheide oberhalb vom Sonnental.
Svart ging aus, sah einen stattlichen Mann vor sich und
fragte: ,Wer da?' Brodd-Helgi sagte, er sei es. ,Du wirst mich
besuchen wollen und zwar in Geschäften,' sagte Svart, sprang
auf ihn zu und schwang seinen großen Hiebspeer. Brodd-Helgi
hielt den Schild vor, und der Stoß ging außen gegen den
Schild, glitt ab und prallte so heftig gegen den Stein, daß
jener hinfiel. Brodd-Helgi hieb mit der Art auf sein Bein und
hieb ibm den Fuß ab. Da ließ sich Svart vernehmen: ,Das
Glück hat uns verschieden bedacht,' sagte er, ,du sollst mein
Töter werden; aber in eurem Geschlecht wird es ein Unheil
geben, das nie vergessen wird, solange Menschen auf Island
wohnen.' Danach gab Brodd-Helgi ihm den Todesstreich.
Thule-Bd.12-019 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Daheim in Hof erwacht der alte Thorstein, steht aus dem
Bett auf und greift in Brodd-Helgis Verschlag: da war das
Bettzeug schon kalt geworden. Er weckt seine Knechte und
heißt sie nach Brodd-Helgi suchen. Und als sie hinauskamen,
verfolgten sie seine Spur immer weiter und fanden ihn an
Svarts Leiche. Sie verscharrten den Leichnam und nahmen
alles mit, was Wert hatte. Brodd-Helgi wurde weit berühmt
und belobt von allem Volk wegen dieser seiner Tat, die er als
ganz junger Bursche vollführt hatte.
3. Von den Leuten an der Kreusbucht
Zur Zeit, als Thorstein auf Hof wohnte und Brodd-Helgi
bei ihm aufwuchs. da wohnte an der äußeren Kreuzbucht
ein Mann, der Lyting hieß, Sohn des Asbjörn, Enkel des
Olaf Langhals. Er war ein kluger Mann und ziemlich begütert
. Seine Frau war Thordis, die Tochter des Herla-Bjarni,
Enkelin des Arnsinn. Die beiden hatten zwei Söhne, die in
dieser Geschichte vorkommen: der eine hieß Geitir, der andere
Bläng. Eine Tochter Lytings hieß Halla, eine andere Rannveig
, und diese war an einen gewissen Olaf verheiratet zu
Kliffshagen am Axtfjord. Gettir und Brodd-Helgi waren Altersgenossin
und eng befreundet. Brodd-Helgi heiratete Halla,
die Schwester der Brüder, und hatte mit ihr eine Tochter,
Thordis Zotte, die spätere Frau Helgis des Asbjörnsohnes.
Ihre Söhne waren Bjarni und Lyting, letzterer war der ältere.
Bjarni wuchs an der Kreuzbucht bei Geitir auf. Geitirs Frau
war Hallkatla, die Tochter Thidrandis, eine verwandte der
Droplaugsöhne; nämlich Schwester ihres vaters. So gute
Freunde waren Brodd-Helgi und Geitir, daß sie regelmäßig
zusammen spielten 1 und sich fast täglich trafen. Die Leute redeten
darüber, wie eng sie doch befreundet wären.
Damals wohnte im Sonnental ein Mann namens Thormod,
zubenannt Stockblind. Er war ein Sohn des Steinbjörn Kört,
Bruder des Ref auf Refshausen und des Egil auf Egilshausen.
Egils Kinder waren Thorarin, Hallbjörn, Thröst und die Tochter
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Hallend, die spätere Frau Thorkels des Geitir sohnes. Thormod
Stockblinds Söhne waren Thorstein und Eyvind; Refs Söhne
Stein und Hreidar. Sie waren sämtlich Thingleute
1 des Geitir.
Dieser war ein äußerst gescheiter Mann.
Halla und Brodd-Helgi lebten in gutem Einvernehmen. Ihr
Sohn Lyting wuchs auf bei Thorgils Skinni am Axtfjord.
Brodd-Helgi war ziemlich begütert.
4. Von Thorleif dem Christen und
von Hrafns Tode
Es wird erzählt, daß eines Sommers ein Schiff in die Waffenförde
kam. Steuermann war Thorleif, zubenannt der
Christ. Sein Hof stand an der Kreuzbucht in der Rotwalförde,
und er war ein Stiefsohn des Asbjörn Lodenkopf. Der zweite
Steuermann hieß Hrafn, ein Norweger von Geburt, zauberkundig
, reich an Kostbarkeiten, geizig, schweigsam und von ruhigem,
gereiftem wesen. Man sagt, er habe einen Goldring besessen,
den er immer am Finger trug, und eine kleine Kiste, die er oft
unter seiner Bettstatt stehen hatte, und die Leute glaubten, sie
set voll von Gold und Silber.
Thorleif ritt beim nach seinem Hof an der Kreusbucht, die
Norweger aber suchten sich Unterkunft. Brodd-Helgi ritt zum
Schiff und bot dem Steuermann an, bei ihm zu wohnen. Der
Norweger erklärte, lieber suche er sich anderswo ein Unterkommen
, ,denn', sagte er, ,du bist ein großer Mann und siehst
auf deinen vorteil. wie mir gesagt wird; ich aber bin ein kleiner
Mann und begnüge mich mit dem Meinigen; das paßt schlecht
zusammen.' Brodd-Helgi wollte von ihm allerhand Kleinode
kaufen, denn er war sehr schmuckliebend, doch Hrafn erklärte,
kein Kleinod auf Frist verkaufen zu wollen. Brodd-Helgi erwiderte:
,Ehrenvoll hast du meine Reise werden lassen, die
Gastung abgeschlagen und den Handel verweigert.'
Auch Geitir kam zum Schiff, suchte den Steuermann auf
und sagte, er habe sich dumm benommen, den mächtigsten
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Mann im Bezirk gegen sich aufgebracht. Der Norweger erwiderte:
,Ich habe mir gedacht, bei irgend einem Bauer einzukehren
—willst du mich aufnehmen?' Geitir wollte zuerst
nicht recht, aber endlich nahm er den Steuermann doch auf
Die Matrosen kamen anderswo unter, und das Schiff wurde
auf Rollen gelegt. Dem Norweger wurde ein Speicher eingeräumt,
uni seine Waren unterzubringen, und er verkaufte sie
nach und nach.
Zu Wintersanfang gaben die Egilssöhne ein Gastmahl,
und Brodd-Helgi und Geitir waren beide dort. Helgi hatte den
vortritt und saß weiter oben, denn er hielt etwas auf Ehre
vor den Leuten. Es fiel allgemein auf, daß er und Geitir so
viel mit einander zu reden fanden, daß die Leute von ihnen
garnichts hatten, weder Gespräch noch Kurzweil. Das Fest
nahm ein Ende, und jeder ritt nach Hause.
Im Winter wurden auf dem Hofe Hag, dicht bei Hof. vielbesuchte
Spiele abgehalten. Brodd-Helgi war auch dabei. Geitir
machte dem Norweger Lust zu dieser Zusammenkunft und
sagte, er werde dort viele seiner Schuldner treffen. So ritten
sie hin. Sie fanden viel zu reden wegen seiner Forderungen.
Und als die Spiele aus und die Leute beim Aufbrechen waren,
saß Helgi noch in der Stube und sprach mit seinen Thingmannen
. Da kam ein Mann herein und erzählte, der Norweger
Hrafn sei erschlagen, der Täter unbemerkt geblieben. Helgi
ging sogleich hinaus und äußerte sich mißbilligend über die
Tat. Hrafn ward ehrenvoll bestattet nach der damals herrschenden
Sitte.
Auf Gudmundhausen wohnte ein gewisser Torsi. Er war
groß und kräftig und ein Freund des Brodd-Helgi und Geitir.
Den ganzen Tag, an dem der Norweger erschlagen wurde,
war er verschwunden. Einige erzählten Hrafns Ende so, man
habe ihm einen falschen Weg gezeigt und er sei an einer gefährlichen
Stelle verunglückt. Zwischen Brodd-Helgi und Geitir
wurde abgemacht, daß jedem von ihnen die Hälfte von
Hrafns vermögen zufallen sollte, die Teilung aber erst auf
dem Frühjahrsthing stattfinden; bis dahin nahm Geitir die
Waren an sich und hielt sie in einem Vorratshause verschlossen.
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Im Frühjahr rüstete Thorleif der Christ sein Schiff zur Abfahrt
und wurde fertig zur Zeit des Frühjahrsthinges. Und
als es so weit war, da ritten die Leute zum Thing ins Sonnental,
auch Brodd-Helgi und Geitir. und es waren nun
vielen Orten nur wenig Menschen daheim. Als das Thing eine
Weile im Gange war, geschah es eines Morgens, daß Thorleif
seine Matrosen weckte. Sie bestiegen das Boot und ruderten nach
der Kreuzbucht in der Waffenförde, gingen dort an Land und
zum Vorratshause des Geitir, öffneten es, trugen alle Waren fort,
die Hrafn gehört hatten, und schafften sie an Bord des Schiffes,
Frau Halla war anwesend, kümmerte sich aber nicht darum.
Nun ritt Brodd-Helgi heim vom Thing und Geitir mit ihm,
und schon unterwegs erfuhren sie, Thorleif habe Hrafns ganzen
Nachlaß aufgehoben und wolle ihn außer Landes schaffen.
Helgi drehte es so, daß Thorleif sich in einem Rechtsirrtum
befinde und die Sachen alsbald herausgeben würde, sobald
man es von ihm verlange. Darauf ritten sie hinaus zum Kaufschiff
und verschafften sich eine Menge kleiner Boote, und sobald
sie einander angerufen hatten, verlangte Brodd-Helgi,
Thorleif solle das Geld herausgeben. Thorteip erklärte, er verstehe
wenig von den Gesetzen, meine aber, der Partner habe
das Geld den Erben zu bringen. Brodd-Helgi antwortete:
'Wir wollen nicht umsonst gekommen sein.' Darauf Thorleif:
'Ehe ihr einen Pfennig bekommt, schlagen wir uns lieber.'
'Hört einmal,' rief Helgi, ,was der Wicht da redet! Wir wollen
ihnen doch eine Ladung auf den Pelz brennen, daß einigen
heiß wird" Da ergriff Geitir das Wort und sagte: ,Es scheint
mir nicht rätlich, sie anzugreifen mit unsern kleinen Booten.
Es kann ja immer noch ein Gegenwind kommen und sie ans
Land treiben. Dann kann man die Sache nach Belieben abmachen.'
Dies fand allgemein Anklang, und es ward demgemäß
beschlossen. Man ruderte ans Land, und Brodd-Helgi
ritt mit Geitir beim und blieb bei ihm einige Nächte. Thorleif
bekam alsbald günstigen Wind, hatte eine gute Überfahrt
und brachte den Erben den Nachlaß des Hrafn; sie wußten
ihm Dank dafür und schenkten ihm ihren Anteil am Schiff.
Man schied in guter Freundschaft,
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5. Wie Thorleif der Christ vorgeladen
werden sollte
Brodd-Helgi war den Sommer über ziemlich verdrießlich
und verlangte sehr nach Thorleifs Rückkunft. Auf jeder
versammlung trafen sich Brodd-Helgi und Geitir und sprachen
über ihren verlust. Brodd-Helgi fragte Geitir, was aus dem
Kistchen geworden wäre, das Hrafn besessen hatte. Geitir sagte,
er wisse nicht, ob Thorleif es mit dem übrigen ins Ausland
mitgenommen oder ob der Norweger es bei sich gehabt habe.
'Ich glaube eher,' sagte Helgi, ,daß du es bei dir hast.' Geitir
Sagte: ,Wo ist der Ring, den er am Finger trug, als er erschlagen
wurde?' ,Das weiß ich nicht,' sagte Helgi, ,aber so viel
weiß ich, daß er ihn nicht mit ins Grab genommen hat.' Und
bei jeder versammlung, wo sie sich trafen, Sagte Helgi nach
dem Kistchen und Geitir wiederum nach dem Ring, und es
trat deutlich etwas zwischen sie. Es kam nun so, daß jeder der
beiden fest meinte, er habe von dem andern etwas zu fordern,
und ihre Freundschaft kühlte ab.
Im nächsten Sommer kam ein Schiff in die Rotwalförde; es
gehörte Thorleif dem Christen, und mit ihm waren zwei Männer
von den Hebriden an Bord. Thorleif verkaufte seinen Anteil
an diese und ritt dann nach seinem Hof. Das war eine
frohe Kunde für Brodd-Helgi. Als er jedoch erfuhr, Thorleif
habe alles Geld an Hrafns Erben abgeliefert, da schien es ihm
nicht angängig, gegen Thorleif zu klagen. Dafür gedachte er
ihn auf andere Weise zu fassen.
Es gab da eine Frau namens Steinvör, die war Tempelpriesterin
und verwaltete den Haupttempel, zu dem alle Bauern
Zins zahlen mußten. Diese Steinvör besuchte den Brodd-Helgi,
der ein verwandter von ihr war, und erzählte ihm von der
schwierigen Lage; in der sie sich befand: Thorleif der Christ
bezahle nämlich keinen Tempelzins wie andere Leute. Brodd-Helgi
versprach, in ihrem Namen die Klage gegen Thorleif
zu führen.'
Im Fließtal wohnte ein gewisser Ketil, genannt der dicke
Ketil, ein wackerer Bursche.
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von Helgis Ritt ist zu berichten, daß er bei Kent Rast hielt
und dieser ihn gut bewirtete. Dabei schlossen sie Freundschaft,
Helgi sagte: ,Es gibt etwas, was ich dich bitten will, für mich
zu tun: nämlich Thorleif den Christen wegen des Tempelzinses
zu verklagen. Lade du ihn erst vor, ich komme dann
zum Thing, und wir besorgen das Weitere gemeinsam.' Ketil
antwortete: ,Hätte ich gewußt, daß dies dahinter steckt, so
hätte ich nicht mit dir Freundschaft geschlossen; denn Thorleif
ist beliebt; doch will ich nicht gleich das erstemal nein
sagen.' Sie trennten sich darauf, und Helgi ritt wieder nach
Hause.
Als es dem Ketil Zeit dazu dünkte, brach er, zehn Mann hoch,
von Hause auf. Sie kamen in der Morgenröthe nach der Kreuzbucht
. Thorleif stand draußen, begrüßte Ketil und die andern
und lud sie alle su sich ein. Aber Keul erklärte, es sei zu früh
zum Einkehren, zumal bei so schönem Wetter. Er fragte, ob
Thorleif den Tempelzins schon entrichtet habe, und dieser antwortete
, er werde jedenfalls bezahlt werden. ,Ich bin gekommen,'
sagte Ketil, ,den Tempelzins zu holen. Es hat doch
keinen Sinn, wenn du mit einer Zahlung zurückhältst, die dir
unmöglich etwas ausmachen kann.' Thorleif antwortete: ,Ich
habe einen besseren Grund als Kleinlichkeit: mich dünkt alles,
was dahin gezahlt wird, übel angewendet.' Ketil versetzte:
'Das ist eine starke Überhebung, wenn du es besser zu wissen
meinst als alle anderen Leute und deshalb solche gesetzlichen
Abgaben nicht zahlen willst.' ,Es ist mir gleichgültig,' sagte
Thorleif, ,was du über diese Sache redest.' Darauf ernannte
Ketil seine Zeugen und lud Thorleif den Christen vor Gericht.
Als die vorladung beendet war, lud Thorleif sie ein, dazubleiben,
und meinte, das Wetter werde rauh und unbeständig.
Ketil jedoch erklärte, er werde aufbrechen. Thorleif bat sie,
wenigstens umzukehren, sobald das Wetter schlecht werde. Sie
ritten nun davon, und nicht lange, so kam ein Unwetter.
und sie mußten umkehren. Spät abends kamen sie zu Thorleif
und waren todmüde. Thorleif nahm sie gut auf; das
Wetter hielt sie zwei Nächte dort fest, und die Bewirtung wurde
je länger um so besser. Und als Keul und die Seinen reise
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fertig standen. da sagte er: ,Wir 1ind hier gut aufgehoben gewesen
. Du hast dich als den allerwackersten Burschen gezeigt,
Thorleif. Ich will dir damit vergelten, daß die Anklage ungültig
sein soll, und will fortan dein Freund sein.' Thorleif
antwortete: ,Deine Freundschaft weiß ich zu schätzen. Aber es
kommt wenig darauf an, ob ich verurteilt werde oder nicht.
Ich habe einen Kameraden, auf den ich mich verlassen kann,
und der dafür sorgt, daß so etwas mich nicht ansicht.' Damit
trennten ue um.
Das Thing kam heran. Es wird berichtet, Brodd-Helgi habe
ein starkes Gefolge gesammelt und sich einen Hauptspaß versprochen.
Im verlaufe des Things frasie er Kezil, wie weit
die Klage gegen Thorleif den Christen gediehen sei; und der
sagte ihm die Wahrheit. Da sagte Helgi: ,Du hast mich arg
im Stich gelassen, Ketil. Nun ist's aus mit unserer Freundschaft.'
So konnte er Thorleif nichts anhaben, und von diesem
ist nicht weiter zu erzählen.
Gleich nach dem Thing trafen sich Brodd-Helgi und Geitir.
Helgi machte dem andern Vorwürfe, sagte, ihm verdanke er
diese Schmach, die schwer su tilgen sein werde, und ihre Freundschaft
ging immer mehr in die Brüche.
6. Wie Brodd-Helgi eine neue Frau nahm
Man erzählt, Halla, Brodd -Helgis Frau, habe eines
Tages sich so zu ihm vernehmen lassen ,Wir sind lange
gut mit einander ausgekommen. Aber ich fühle deutlich, daß
ich krank bin; ich werde deiner Wirtschaft nicht mehr lange
vorstehn können.' Helgi entgegnete: ,Ich glaube, eine gute Frau
zu haben und hoffe, mich ihrer zu erfreuen, solange wir beide
leben.' Es war damals etwas gans Übliches, daß Frauen sich
aus der Wirtschaft losbaten.
Es war eine Frau namens Thorgerd, mit dem Beinamen die
Silberne. Sie war eine Tochter Thorvalds des Hohen, noch
jung an Jahren, doch schon Witwe. Sie wohnte im Fließtal
auf dem Hofe, der jetzt Thorgerdhausen heißt, und bei ihr lebte,
zu ihrer Stütze, ihr Bruder Kolfinn. Thorgerd lud Brodd-Helgi
mit zwei Begleitern zu sich ein, und er ritt hin. Sie nahm
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ihn ungemein gut auf, ließ ihn auf dem Hochsitz sitzen und saß
selber neben ihm. Sie fanden sehr viel zu reden, und ehe Helgi
nach Hause ritt, ist in Kürze zu vermelden, daß er sich mit
Thorgerd der Silbernen öffentlich verlobte. Weiter wird nichts
von ihm berichtet, ehe er heim kam nach Hof. Da fragte man
ihn, was es Neues gäbe. Er sagte, es sei eine verlobung vorgefallen
. Halla Sagte: ,Hat Thorgerd die Silberne sich verlebt:
mit wem denn?' ,Mit mir,' sagte er. ,Das nenne ich
nicht übereilt,' meinte sie.
Bald darauf erklärte Helgi, er werde jetzt Thorgerd holen, bat
Halla, sie möge so lange noch da bleiben, und sie verstand sich
dazu und brach erst auf, als Thorgerd ankam. Das Ereignis
wurde bald bekannt in der Gegend, und man redete übel davon,
denn Halla war allgemein beliebt. Hallas Brüder schickten
Leute, um sie abzuholen, und mit diesen ritt sie denn auch und
nahm ihre Schmucksachen mit. Helgi stand vor der Tür und
stellte sich, als wüßte er nichts davon, daß Halla eben aufbrach.
Sie saß kaum im Sattel, als ihr Bruder Geitir angeritten kam.
Da ritt der Bote mit seinem Gefolge ab, während Geitir sich
Helgi näherte. Er fragte ihn, wann er das Geld herausgeben
wolle, das Halla in seinem Hofe stecken habe. Helgi antwortete:
Es soll mir recht sein, wenn es Halla zu Hause an der Kreuzbucht
nicht gefällt; sie wird schon noch den Weg nach Hof zurückfinden
.' Und damit gut. Geitir ritt nach Hause, und keiner
von beiden hatte das Gefühl, daß ihr Verhältnis sich gebessert
habe.
Als Geitir heimkam, fragte Halla, was er mit Helgi verhandelt
habe, und er erzählte, wie es gewesen war. Da sagte sie: ,Du
bist rasch gewesen in dieser Sache. Helgi wird es nicht gern
sehen, wenn du ibm alles entziehst, und das Geld ist bei ihm
gut aufgehoben; es wird nicht weniger werden, wenn er es als
Darlehen behält.' ,Ich sehe,' sagte Geitir; ,worauf es hinausläuft;
es ist so recht auf unsere Schmach angelegt, wenn du
ohne das Geld aus seinem Hofe reitest,'
Der Winter verstrich, und im Frühjahr ritt Geitir zum zweitenmal
nach Hof und forderte Hallas vermögen. Doch Helgi
wollte es nicht herausrücken. Da lud Geitir ihn wegen des
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Vermögens der Halla vor das Sonnentalthing und beide sammelten
nun eifrig Mannschaft. Helgi kam mit größerem,
Gettir mit erlesenerem Gefolge. Und als man vor Gericht
gehen sollte, da wurde Geitir durch die Übermacht zurückgedrängt
und konnte die Sache nicht vorbringen. Darauf wollte
er den Prozeß vor das Allthing bringen, aber Brodd-Helgi
konnte es wiederum vereiteln —besonders durch den Zuzug,
den Gudmund der Mächtige ihm leistete —, und nun standen
Brodd-Helgi und Geitir auf sehr gespanntem Fuße.
7. Von Thord und Thormod, und wie es
Geitir in Hof erging
Ein Mann namens Thord wohnte im Sonnental auf dem
Gut Zur Aue, auf derselben Seite des Flusses, wo Hof
liegt. Er war Helgis Thingmann. Er und Thormod Stockblind
besaßen zusammen einen Wald. Sie wurden uneins
wegen des Hol fallens und auch wegen der Weide, und Thord
glaubte sich von Thormod vergewaltigt. Da ging er zu Brodd-Helgi
und sagte ihm von Thormods Übergriffen. Brodd-Helgi
erklärte, er wage es nicht. wegen Thords Vermögen Streit
anzufangen, und werde sich in die Sache nicht mischen, wenn
jener ihm nicht sein Vermögen übertrüge und mit seiner ganzen
Habe nach Hof übersiedelte. Jener ging darauf ein und wurde
Brodd -Helgis Schutzbefohlener.
Eines Tags forderte Brodd-Helgi Thord auf mit ihm auf die
Allmende zu reiten und nach seinem Vieh zu sehen, das dort
weidete. Sie brachen auf und kamen auf die Allmende. Da
sagte Brodd-Helgi: ,So hätten wir also die Tiere gemustert,
die einst dir und Thormod gehörten.' Und er ritt hinzu, ließ
die Ochsen, die Thormod gehörten, zusammentreiben und ihnen
die Köpfe abschlagen und ließ sie da liegen. Dann ritt er heim,
schickte einen Mann an Thormod und ließ ihn auffordern, einmal
nach seinen Ochsen ausschauen zu lassen. —Das geschah,
und das Fleisch wurde heimgeschafft.
Alsbald ritt Thormod nach der Kreuzbucht, machte Geitir
Mitteilung und bai ihn, die Sache in Ordnung zu bringen.
Der aber erklärte, er wolle lieber nicht mit Brodd-Helgi an
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binden. Da sagte Thormod: ,Es ist nicht anständig von dir,
wenn du mich ohne Unterstützung läßt.' ,Ich unterstütze dich
nicht,' sagte Geitir, ,aber laß das Ochsenfleisch hierher schaffen,
ich werde es kaufen und dich schadlos halten.' Nicht viel klüger
als er gekommen ritt Thormod heim.
Bald hörte Brodd-Helgi, er sei vermutlich bei Geitir gewesen,
um ihm sein Leid zu klagen. ,Es wäre mir lieb,' sagte Brodd-Helgi,
,wenn er in solchen Geschäften nicht weiter auszureiten
brauchte.' Und bald danach versammelte er seine Pächter um
sich und heischte ihre Begleitung, ebenso die Knechte und Gäste,
und sie zogen in den Wald, an dem Thormod Miteigentum
hatte, fällten sämtliche Bäume und schleppten sie ohne Ausnahme
heim nach Hof. ?lts Thormod merkte, was für ein
Schade ihm angetan war, ritt er von neuem zu Geitir und erzählte
, er sei wiederum vergewaltigt. Da erwiderte Geitir:
Ich verstehe es wohl, wenn dich dieser Schade härter ankomme
, als jener frühere, denn der schien mir gering. Ich will
dir nicht geradezu beistehen gegen Brodd-Helgi, doch ich stelle
dir meinen Rat zur Verfügung. Geh zu deinen verwandten,
den Söhnen des roten Ref, Stein und Hreidar, und bitte
sie, mit dir zur vorladung nach Hof zu reiten. Geb auch
nach Gudmundhausen und bitte Tjörvi um seine Begleitung.
Seid eurer nicht mehr als acht. Auch ich werde mich an
der vorladung des Thord beteiligen. Richte dich so ein,
daß Brodd-Helgi nicht zu Hause ist, sonst geht die Sache
schief.'
Mit diesem Bescheid reitet Thormod und sucht die Leute auf,
die Geitir genannt hatte. Alle sagen zu, und sie verabreden
den Zeitpunkt. Dann reitet Thormod heim und schickt Geitir
Nachricht, wie es sich anläßt. Doch es geht, wie so oft und
wie das Sprichwort sagt: ,Gesprochenes Wort springt nur so
dahin', die Sache kommt Brodd-Helgi zu Ohren, und er bleibt
zu Hause gegen die Berechnung,
Am Morgen, wo man die Kläger erwartete, sagte Brodd-Helgi
zu seinen Knechten, sie sollten den Tag über sich nahe
beim Hause halten. ,Schneidet euch tüchtig lange Ruten und
Stöcke aus dem Walde,' sagte er, ,ich erwarte heute Besuch,
Thule-Bd.12-029 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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und da sollt ihr die Stöcke brauchen, ihnen die Pferde anspornen
und sie vom Hofe jagen.'
Thormod und die Seinen brechen von Hause auf, wie verabredet,
und kommen nach Hof. Draußen sehen sie keinen Menschen
und reiten gleich vor das Haus. Thormod ernennt seine
Zeugen und lädt Thord vor Gericht wegen des Holzfällens.
Helgi, der von drinnen die vorladung hört, springt sogleich
heraus, jagt seinen Speer Thormod durch den Leib und ruft:
Jagen wir das Gesindel weg und lassen sie heute nicht umsonst
gekommen sein" Gleich springen die Knechte hervor und
schlagen auf die Pferde ein, alles drängt den vorplatz hinab,
und das Ende war kläglich genug: Geitirs Leute erreichten
das Weite unter Prügeln und Wunden, und einige blieben
tot liegen. Es wurde als gewiß berichtet, daß die Gefallenen
alle von Brodd-Helgi selbst erlegt wären. Er ließ die Leichen
auf einen Grasplatz schaffen und Reisig darüber häufen.
Geitir Leute waren übel zufrieden mit ihrem Lose, am übelsten
damit, daß sie nicht dazu gekommen waren, ihre Verwandten
und Freunde zu beerdigen. Sie redeten oft darüber
mit Geitir. Der hieß sie noch eine Weile sich gedulden und
sagte: ,Wer ein kurzes Messer hat, ist aufs Gelenk angewiesen;
auch Brodd-Helgi ist nicht lauter Knochen.'
8. Brodd-Helgi wird von Geitir überlistet
Als es Zeit ward, schickte Geitir nach seinen Thingleuten.
Sie ritten aus der Kreuzbucht und in der Richtung auf
Hof. Geitir sagte: ,Wir haben unsere Schar nicht gerade so
heimlich gesammelt, daß Brodd-Helgi nicht davon gehört haben
sollte. Es werden also wohl Leute genug da sein. Wir wollen
auf den Hof reiten und absteigen, unsere Pferde anbinden, die
Mäntel ablegen und dann schleunigst zum Hause gehen. Da
werden Brodd-Helgi und seine Leute uns wohl entgegenkommen
, doch schwerlich werden sie gegen uns die Wassen gebrauchen
. Auch wir müssen uns strenge hüten, einen von ihnen
zu verwunden oder zu töten; vielmehr wollen wir die Sache
hinziehen. — Jetzt aber sollen von uns die Egilssöhne und
mit ihnen Tjörvi der Große auf dieser Seite hinaufleiten über
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Gudmundhausen in die Wälder hinter Hof und sollen große,
leere Kohlenkörbe auf ihren Pferden mitnehmen. —.Sobald
ihr ans Gehöft kommt,' sagte er, ,schleicht an die Häuser heran,
nehmt die Leichen, legt sie in die Körbe, kommt dann denselben
Weg zurück und stoßt wieder mir.' Sie trennten sich,
und beide Haufen ritten nach Geitirs Anweisung.
lts Geitir und die Seinen dem Gehöft gans nahe waren,
stiegen sie ab und verfuhren gans gemächlich. Helgi hatte viel
Gefolge um sich und ging sogleich Geitir und seinen Leuten
entgegen. Man begrüßte sich, doch ohne Freundlichkeit. Brodd-Helgi
fragte, wohin die Reise gehe. Geitir antwortete: nicht
viel weiter, als man jetzt gekommen sei, und er meine, es sei
leicht zu merken, worauf man es abgesehen habe. ,Wir werden
auch diesmal keine Fehde anheben,' sagte er, ,obgleich Grund
genug dazu vorliegt; aber wir wollen unsere alte Forderung
noch einmal vorbringen, ehe wir ganz davon abstehn.' Und sie
sogen die Sache hin den Tag über. Man drängte sich auf dem
freien Platze hin und ber.
Plötzlich sagte einer von der Schar des Helgi: ,Da reiten Leute,
nicht ganz wenige, mit Lastpferden.' Ein anderer versetzte:
Es sind nur Kohlenbrenner, die aus dem Walde kommen.
Ich sah sie heute früh hineinreiten.' Damit endete das Gespräch.
Da sagte Geitir: ,Es wird wieder so kommen, daß wir den
Kürzeren stehen. Denn es glückt uns nicht, die Leichen unserer
verwandten fortzuschaffen.' ,Was redest du so?' sagte
Brodd-Helgi, ,das ist noch immer das Wahrscheinlichere, daß
der Kürzere zu kurz kommt. Es sieht jedoch so aus, als wenn
keiner von uns beiden sich bloßstellen soll. Wir wollen also für
diesmal Schluß machen mit diesem Zeittotschlagen, wenn's euch
recht ist. Nur paßt es uns nicht, daß ihr noch näher an die
Häuser kommt.' Darauf hörte man auf zu drängen. Geitir
und die Seinen gingen zu ihren Pferden, während Brodd-Helgi
und die Seinen auf dem Platze zurückblieben.
Bald traf Geitir die Egilssöhne. Man stieg ab und verweilte
sich.
Brodd-Helgi und seine Leute standen inzwischen auf dem Hofplatze
und sahen, wie jene halt machten. Da ließ Brodd-Helgi
Thule-Bd.12-031 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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äch vernehmen: ,Dem Dummen fällt guter Rat zu spät ein
Den ganzen Tag haben wir uns hier herumgedrängt, und
jetzt erst sehe ich, daß kein einziger von Geitirs streitbaren
Kerlen bier war. Sie werden in den Kohlenkörben die Leichen
weggeschafft haben! Es ist doch regelmäßig so, daß Geitir von
uns beiden der Klügere ist, wenn er auch stets sich vor der
Übermacht ducken muß.'
Es gab keinen Prozeß um den Tod des Thormod, und in keiner
Sache bekam Geitir von Helgi sein Recht. Thorkel, Geitirs
Sohn, ging nach Norwegen und war, seit er erwachsen, ständig
auf Reisen, so daß er wenig zu tun bekam mit den Händeln
zwischen seinem Vater und Brodd-Helgi. Die Krankheit
der Halla, die jetzt an der Kreuzbucht wohnte, wurde schlimm
und gefährlich.
9. Brodd -Helgis Besuch bei Halla
Es heißt, Geitir sei einmal ausgeritten in den Fließtalbezirk
, nach Eyvindach, um einen verwandtenbesuch zu
machen, und länger als eine Woche fortgeblieben. Als er fort
war, schickte Halla zu Brodd-Helgi und ließ ihn bitten, zu ihr
zu kommen. Er ritt sogleich nach der Kreuzbucht. Halla hieß
ibn willkommen. und er nahm ihren Gruß gut auf. Sie bat,
er möge das Übel einmal ansehen, an dem sie litt. Er tat es
und sagte, es sehe bedenklich aus. Er drückte an dem Geschwür,
und es kam viel Wasser heraus; sie wurde ganz schwach davon.
Sie bat ihn, die Nacht da zu bleiben, doch er wollte nicht.
Da sagte sie, schwach und bekümmert, wie sie war: ,Länger zu
bitten, wäre unnütz. Du glaubst jetzt frei zu sein und alles erledigt
zu haben. Aber es wird nicht viele geben. die ein solches
Ende mit ihren Frauen machen wie du mit mir.' Brodd-Helgi
ritt heim nach Hof, und die Sache gefiel ihm nicht. Halla lebte
nicht mehr lange; als Geitir heimkam, war sie tot. Ihm wurde
der ganze Hergang berichtet.
10. Von Gudmund dem Mächtigen
Von nun ab wurden Brodd-Helgi und Geitir immer feindseliger
gegeneinander gesonnen.
Thule-Bd.12-032 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Eines Sommers geschah es, daß es Brodd-Helgi auf dem Allthing
an Streitkräften fehlte. Da bat er Gudmund den Mächtigen
um Zuzug. Der sagte aber; er getraue sich nicht, ihm auf
jedem Thing Zuzug su leisten und dadurch andere Häuptlinge
gegen sich aufzubringen, ohne daß er von ihm etwas vergütet
bekäme. Es lief darauf hinaus, daß Gudmund Zu ug versprach
und Brodd-Helgi ein halbes Hundert in Silber.' Und
als die Gerichte geschlossen wurden, da konnte Brodd -Helgi
mit seinen Prozessen zufrieden sein. Er und Gudmund trafen
sich bei den Buden, und Gudmund verlangte sein Geld. Brodd-Helgi
sagte, er sei ihm nichts schuldig — könne nicht einsehen,
warum schnödes Geld zwischen ihre Freundschaft treten solle.
Gudmund antwortete: ,Du bist ein schlechter Kerl,' sagte er,
kommst nie ohne andere aus, hältst aber deine Versprechungen
nicht. Deine Freundschaft ist mir nichts wert. Das Geld habe
ich heute zum letztenmal gefordert, aber auch zum letztenmal
dir Zuzug geleistet.' Damit trennten sie sich, und mit ihrer
Freundschaft war es nun aus.
Als dies Geitir erfuhr, besuchte er Gudmund den Mächtigen in
seiner Bude und bot ihm Geld für seine Freundschaft. Gudmund
wollte aber sein Geld nicht; es liege ihm wenig daran, sagte er, solchen
Leuten Freundesdienste zu leisten, die sich darin gefielen,
bei jedem Streit den Kürzeren zu stehen. Man ritt nun heim
vom Thinge, und eine Zeitlang war alles ruhig.
11. Von Thorarin und Geitirs Thingleuten
Es kam die Kunde, ein Schiff sei in der Waffenförde vor
Anker gegangen, und an Bord sei Thorarin, der Sohn
des Egil, der dazumal als der beste und tüchtigste unter den
Schiffern und Kaufleuten galt. Brodd-Helgi ritt zum Schiff
und lud Thorarin ein, bei ihm zu herbergen mit so viel Leuten,
wie er wolle. Jener sagte, das werde er annehmen. Da kehrte
Brodd-Helgi heim und meldete zu Hause den Besuch des Steuer
Thule-Bd.12-033 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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mannes Thorarin an. Inzwischen ritt Geitir ebenfalls zum
Schiff, machte sich an Thorarin heran und Sagte, ob er nach
Hof wolle. Er sagte, das sei besprochen, aber noch nicht beschlossen
. Geitir meinte, es sei ratsamer für ihn, nach der
Kreuzbucht zu gebn; denn bei Helgi zu herbergen sei seinen
Leuten noch selten gut bekommen. Sie kamen überein, daß
Thorarin in der Kreuzbucht Quartier nähme. Brodd-Helgi
erfuhr es, ritt sogleich mit gesattelten Pferden zum Schiff und
gedachte Thorarin mit heim zu nehmen. Dieser sagte, es sei
nun etwas anderes beschlossen. ,Ich will es offenbar machen,'
sagte Brodd-Helgi, ,daß ich dich ohne Hintergedanken eingeladen
habe. Auch wenn du dorthin gehst, die Sache soll für
mich erledigt sein.' Und am Tage darauf kam Brodd-Helgi
wieder und schenkte Thorarin aus Freundschaft fünf Stuten,
lauter Falben. Bald danach kam Geitir Thorarin abholen und
fragte, ob er die Stuten von Brodd-Helgi habe. Er bejahte
es. ,Ich rate dir,' sagte Geitir, ,gib die Pferde zurück!' Er
tai es, und Brodd-Helgi nahm sie wieder an.
Thorarin verbrachte den Winter bei Geitir und segelte im
Sommer von neuem aus. Als er zurückkam, hatte Geitir seinen
Wohnsitz verlegt und wohnte nun in Schöntal. Da nahm
Thorarin Herberge in Egilshausen bei seinem Vater
Geitirs Thingleute beratschlagten und meinten, Brodd-Helgis
Übermut nicht länger ertragen zu können. Sie kamen zu Geitir;
und Thorarin war ihr Sprecher. Er sagte: ,Wie lange soll
es so weiter gehn: Sollen Brodd-Helgis Übergriffe allen den
Garaus machen Viele Leute 1 verlassen dich und bieten sich
dem Brodd-Helgi an. Wir glauben, es ist nur Mangel an
Tatkraft; daß du dich vor Brodd-Helgi duckst. Du bist von
euch beiden keineswegs der Schwächere und hast nicht weniger
tüchtige Kerle um dich als er. Nun lassen wir dir die Wahl:
entweder verlege deinen Hof nach der Kreuzbucht zurück und
ich nie wieder von da weg und wehre dich gegen Brodd-Helgi,
wenn er dir künftig eine Schmach antut; oder wir verkaufen
unsere Hofstellen und machen uns fort, die einen aus
dem Lande, die andern aus dem Bezirk.
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12. Wie Geitir sich über seinen Gegner
äußerte
Geitir reitet ins Nordland zur Lauterseescharte und bc-
sucht Ofeig, den Sohn der Jarngerd. Dort trifft ihn
Gudmund der Mächtige, und sie sitzen den ganzen Tag im
Gespräch. Dann trennen sie sich, und Geitir übernachtet am
Mückensee auf dem Hofe Ölvirs des Klugen. Der fragt genau
nach Brodd-Helgi aber Geitir spricht gut von ibm, sagt,
er sei ein großer Häuptling, unnachgiebig und unverträglich,
aber doch in manchen Dingen ein braver Kerl. ,Ist er nicht
ein großer Gewaltmensch?' fragt Olvir. Geitir versetzt: ,Was
Helgis Gewalttätigkeit gegen mich betrifft, so gönnt er mir
eben nicht, denselben Himmel über dem Kopf zu haben wie er
selber.' .Muß man sich alles von ibm gefallen lassen?' Sagt
Olvir. ,Bisher ist es so gewesen,' sagt Geitir. Damit brechen
sie das Gespräch ab. Geitir reitet nach Hause, und den Winter
über ist alles ruhig.
13. Brodd-Helgis letzter Ritt zum Thing
Im nächsten Frühjahr verlegte Geitir seinen Wohnsitz
wieder nach der Kreuzbucht und hatte starke Mannschaft
bei sich. Es war ein Hungerjahr. Als das Thing heranrückte,
trafen sich Brodd-Helgi und Geitir, und Helgi fragte, mit wie
viel Mann er sum Thing reiten würde. ,Wozu soll ich viel
Leute sammeln,' erwiderte er, ,wenn ich doch nichts vorhabe
Ich werde erst kurz vor dem Thing reiten und mit wenig
Leuten.' ,So begegnen wir uns, wenn ich reite,' sagte Helgi,
und reiten zusammen, denn ich nehme auch nur ein paar Mann
mit.' ,Das mag wohl so kommen,' sagte Geitir.
Bjarni, Brodd-Helgis Sohn, ritt vor Anfang des Thinges
mit Helgis Thingleuten ab. Lyting dagegen wartete auf seinen
Vater denn er liebte ihn viel mehr. Geitir ließ sich melden,
wann Brodd-Helgi aufbräche. Dieser ritt denn auch ab, sobald
er fertig war, mit ihm sein Sohn Lyting, Thorgils Skinni —
er war Lytings Pflegebruder —, Eyjolf der Fette, der Norweger
Roll, Thorgerd die Silberne und Hallbera, ihre und
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Brodd-Helgis Tochter. Da machte sich Geitir auch auf. Mit
ihm waren die Egilssöhne, Thorarin, Hallbjörn, Thröst, Tjörvi
der Große und sieben andere Männer.
Einige erzählen, Brodd-Helgi habe eine zukunftskundige Amme
gehabt. Diese pflegte er vor jedem Aufbruch aufzusuchen, und
auch diesmal. Als er zu ihr kam, saß sie mit den Händen
vor dem Gesicht und weinte. Helgi fragte, worüber sie weine
und warum sie so traurig sei. Sie weine über ihre Träume,
jagte sie. Und er fragte, was sie geträumt habe. ,Mich träumte,'
erzählte sie, ,wie hier zu Hof ein Stier aufstand, von blasser
Farbe, groß und stattlich. Er trug die Hörner hoch und ging
hinaus auf den Sand bei der Einmündung der Sonnentalache.
Und dann sah von weither aus dem Bezirk Rinder
kommen, große, aber nicht viele, und ihnen voran schritt ein
rotgefleckier Stier, kein besonders großes oder schönes Tier,
aber ein sehr starkes. Diese Herde ging auf unsern Stier —
den großen — los und stieß ihn mit den Hörnern zu Tode.
Da stand hier zu Hof ein roter Stier auf, mit Hörnern, die
wie Knochen aussahen, das stattlichste Tier von der Welt.
Der stieß den rotgefleckten zu Tode. Nun kam aus der Kreusbucht
ein Bullenkalb, von einer Farbe wie die Seekühe. Das
rannte brüllend durch den ganzen Bezirk und über die Heiden
und suchte überall nach dem roten Stier. Da erwachte ich.'
Brodd-Helgi sagte: ,Jedenfalls meinst du, der blasse Stier gehört
mir und der rotgefleckte dem Geitir, und er wird mich
töten.' ,Gewiß meine ich das,' versetzte sie. ,Und jedenfalls,'
fuhr er fort, ,soll der rote Stier Lyting sein, der mich also
rächen wird.' ,Nein,' sagte sie, ,Bj arni wird dich rächen.'
Dann weißt du es nicht richtig,' rief er und eilte zornig hinaus.
(Hier folgt eine Lücke. Auf dem verlorenen Blatt war erzählt,
wie Brodd-Helgi unterwegs von Geitir und seinen Begleitern
erschlagen wird. Durch Vermittlung Gudmunds des Mächtigen
kommt es zu einem vergleich. Bjarni erhält eine ansehnliche
Bußsumme; Geitirs Mitschuldige werden auf drei
Jahre des Landes verwiesen; Tjörvi soll nach Ablauf einer
Frist auf immer den Bezirk räumen. Diese Einzelheiten sind
auf der Vorderseite des anschließenden Pergamentblaues zu
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entziffern. Hier wird weiter, mit vielen kleinen Lücken, erzählt:
:
Als Tjörvi im Begriff war, mit seiner Habe aufzubrechen,
wurde das dem Bjarni gemeldet, und dieser nahm alsbald
Schild und Speer und warf sich auf das Pferd des Hirten,
Tjörvi sah ihn heranreiten und wollte sich !ns Haus retten.
Aber Bjarni holte ihn am Hofzaun ein und trieb ihm den
Speer durch den Leib. Als er heimkam und das Geschehene
seiner Stiefmutter berichtete, sagte sie: ,Das ist besser als nichts,'
Geitir ließ die Leiche beerdigen.
Es schien, als wären die Parteien endgültig versöhnt. Man
traf sich und lud sich zu Gaste. Bjarni nahm eine Frau, Rannveig
.
Als er einmal an der Kreuzbucht zu Gast war, schliefen Geitir
und erin einem Bett. Da sah Geitir in einem Loche der
gegenüber liegenden Wand ein blutrotes Tuch. Bjarni meinte,
es komme vom Biertrinken oder es sei ein Feuerschein. ,Kann
sein,' sagte Geitir.
14. Bjarnis vaterrache
Alljährlich im März hatten die Leute im Bezirk eine Zusammenkunft
. Da kamen immer viele zu Geitir und
Sagten ihn in ihren Angelegenheiten um Rat. Eines Tages,
als Bjarni zu dieser versammlung reiten wollte, fragte er
Thorgerd, ob sie nicht eine Decke für ihn habe, denn es herrschte
starkes Schneetreiben. Sie reichte ihm ein zusammengerolltes
Tuch. Er wickelte es auf, da triefte es von Blut. Mit einem
zornigen Schlag nach ihr rief er ihr ein Scheltwort zu und
wollte hinausgehn. ,Mir ist kein geringeres Leid angetan als
dir,' rief Thorgerd. Er achtete nicht darauf und ritt davon.
Er trug aber eine kleine Art in der Hand. Als er ankam, waren
schon viele versammelt, und Gettir saß auf der aunt-ür.)
Bjarni erwiderte den Gruß der Leute ziemlich einsilbig. ,Du
kommst mir so vor,' sagte Geitir, ,als hättest du von Hause
eine verstimmung gegen uns mitgebracht. 1 Das sehen wir
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nicht gern.' Bjarni war jedoch fortgesetzt wortkarg. In seiner
Begleitung befand sich Kolsinn, der Bruder der Thorgerd.
Der tat zu böser Stunde den Mund auf und sagte, indem er
zum Himmel aufsah: ,Das Wetter ist jetzt so unbeständig, wir
bekommen wohl Sturm und starken Frost, aber den Augenblick
scheint es zu tauen.' ,Es muß wohl ewig tauen, wenn
dieser Schnee zu Wasser wird,' sagte Bjarni und stand auf;
der Fuß ist mir eingeschlafen,' sagte er. ,Dann bleib ruhig
liegen,' sagte Geitir. Da schlug Bjarni mit der Art Geitir auf
den Kopf und der Hieb war tödlich. Raum hatte er zugeschlagen,
so bereute er es, legte Geitirs Kopf auf seinen Schoß,
und so starb Geitir. Er wurde dann begraben. Die Leute
gingen auseinander, ohne daß jemand von Ausgleich geredet
hatte. Die Tat wurde allgemein gemißbilligt und hieß das
Gegenteil von Manneswerk. Als Bjarni heim kam, jagte er
Thorgerd die Silberne aus dem Hause und sagte, sie solle ihm
nie wieder unter die Augen kommen.
Thorkel, Geitirs Sohn, war nicht in Island, als sein Vater
siel. Den Hof an der Kreuzbucht verwaltete Bläng mit Unterstützung
der Egilssöhne, die Thorkels Schwäger geworden
waren.
Im Frühling ließen die Bauern das Thing ausfallen; es schien
hoffnungslos, zwischen so schwer Verfeindeten vermitteln zu
wollen.
Es wird erzählt, daß Bjarni einen Mann namens Birning
als Späher anstellte: sobald es nach Fehde aussah, sollte er
ihn benachrichtigen, daß er sich rechtzeitig rüsten könnte.
Auf Sirekshof wohnte ein gewisser Thorvard. Er war beliebt
und galt für den besten Arzt dort im Bezirk.
15. Wie Thorkel dem Bjarni
nachstellte
Nun kam Thorkel, Geitirs Sohn, aus dem Auslande zurück,
ritt sogleich nach seinem Hof an der Kreuzbucht
und verhielt sich so, als hätte er für nichts aufzukommen. Da
schickte Bjarni Leute zu ihm, die Freunde beider Parteien
waren, um ihm ehrenvolle versöhnung und Selbsturteil an
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anbieten. Als sie aber ihr Anliegen vorbrachten, tat Thorkel,
als hörte er nicht, und ließ sich von dem vorher geführten Gespräch
nicht abbringen. Da kehrten die Abgesandten zurück
und erzählten Bjarni, wie es stand. Man sah es so an, daß
Thorkel wohl auf Rache sänne.
Bjarni pflegte jeden Herbst auf die Bergweide hinaufzugehn,
wie schon sein Vater getan hatte. Niemand wagte es, da oben
jemandem Böses zuzufügen. Nun bemerkte Thorvard der
Arzt, daß Thorkel sich zur Bergfahrt rüstete und Leute auswählte
zu seiner Begleitung, und er ließ es Bjarni wissen,
Da blieb dieser zu Hause und schickte andere statt seiner. So
ging man nun also auf die Bergweide. Das Zusammentreffen
mit Bjarni wurde nicht so, wie Thorkel es sich gedacht hatte,
und sie saßen den Winter hindurch ruhig zu Hause.
Demnächst ist zu berichten, daß Thorkel einen Mann nach
Egilshausen zu Thorarin schickte. Der Bote hieß Roll. Sein
Auftrag war, in Erfahrung zu bringen, wie starke Mannschaft
in Hof versammelt war. Als er nach Egilshausen kam,
traf er Thorarin draußen und erzählte ihm seinen Auftrag.
Thorarin sagte: ,Rechne nicht auf freundlichen Empfang dort.
Reite lieber schleunigst heim, daß jene nichts merken. Ich will
schon herausbekommen, was Thorkel zu wissen wünscht', und
versprach ibm Nachricht zu schicken. Also machte Roll sich auf
den Heimweg. Es war aber spät geworden.
Nun traf es sich, daß am selben Abend in der Nachbarschaft
von Sirekshof ein Mann sich das Bein brach und man nach
Thorvard dem Arzt schickte. Der kam und verband den Fuss-man
lud ihn zum Bleiben ein, er wollte aber lieber in der
Nacht heimreiten. und da begegnete er unterwegs dem Roll.
Sie begrüßten einander und Sagten, was es Neues gäbe.
Thorvard Sagte, woher Roll komme, und dieser dagegen, was
ihn des Nachts im Sattel sitzen lasse. Thorward erwiderte,
darauf komme es nicht an: ,erzähle mir lieber von deinem
Geschäft, Roll" ,Ich bin ausgeritten, um Schafe zu suchen,
habe aber nicht gefunden,' entgegnete er. Sie trennten sich,
und Roll kam in der Nacht heim, ebenso Thorvard.
Gleich am Morgen stieg er wieder zu Pferde und ritt hinauf
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nach Hof. Dort ward er gut aufgenommen und nach Neuigkeiten
gesagt. Er erzählte, ein Mann habe sich das Bein gebrochen
. Dann nahm er Bjarni beiseite und berichtete ihm,
er sei Roll begegnet, der jedenfalls aus Egilshausen gekommen
wäre, und wisse sicher, daß Kall ihm über sein vorhaben kein
wahres Wort gesagt habe. ,Ich sehe,' sagte Bjarni, ,dir liegt
daran, daß nichts draußen im Bezirk vorgeht, was ich nicht
weiß. Habe Dank dafür: Reite nun beim und kehre in dem
Hofe Zur Faskrudshöhe ein, mitten im Bezirk. Da triffst du
Leute des Thorkel, und wirst du gefragt, wie viele unser sind,
so erzähle, heute morgen seien einige von unsern Leuten angekommen
und Pferde von der Weide geholt worden, nicht ganz
wenige, aber du wüßtest nicht wozu.' Thorvard machte sich auf
und kam zur Höhe. Er wurde gefragt, wie starke Mannschaft
in Hof wäre, antwortete, wie ihm geheißen war, und ritt dann
heim. Kaum war er fort, so kam Botschaft nach Egilshausen,
in Hof wäre eine starke Besatzung. Daraufhin ließ Thorarin
dem Thorkel, Geitirs Sohn, sagen, unter diesen Umständen
sei in Hof nichts zu machen. So verging der Winter.
Im Frühling hatte Bjarni einen Ritt an den Strand zu machen,
und er mußte den oberen Weg wählen, über die Bergheide, weil
unten an den Buchten das Wasser zu hoch stand. Auf der Heide
waren Sennhütten. Bjarni ritt gerade mit seinen beiden Begleitern
an einer Sennhütte vorbei, da sah er vor sich Thorkel, Geitirs
Sohn, mit acht Mann; der hatte von seiner Reise Wind bekommen.
Vor der Sennhütte stand ein großer dreibeiniger Holzbock.
Wir wollen den Bock nehmen,' sagte Bjarni, ,ihn in meinen
Mantel stecken und in meinen Sattel setzen. Nehmt ihn dann
in die Mitte, stützt ihn, daß er nicht hintenüber fällt, und reitet
auf den ersten Hügel hinter uns. Ich will in die Sennhütte
gehn. Wenn sie dann euch nachreiten und über die Hütte hinaus
sind, gehe ich in den Wald und bringe mich in Sicherheit.
Kommen sie aber in die Hütte, so wehre ich mich, soweit Mut
und Kräfte reichen.' Sie taten, wie er sagte.
Thorkel hatte nicht besonders scharfe Augen, aber er war klug
und umsichtig, und als die Entfernung zwischen ihnen geringer
wurde, da Sagte er, ob sie deutlich sähen, daß es drei Männer
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wären, die da von der Sennhütte rückwärts ritten; ,denn das
wäre ein Ausweg,' sagte er, ,in die Hütte hineinzugehn und
dann, wenn wir vorbei sind, in den Wald.' Sie sagten aber,
sie sähen deutlich drei Reiter. ,Ich sehe nur, daß es drei
Pferde sind,' sagte Thorkel, ,aber ich bin nicht sicher, ob auch
auf jedem ein Mann sitzt.' ,Sicher sitzt auf jedem ein Mann,'
war die Antwort, ,man sieht ja deutlich, daß der in der Mitte
der größte ist.' ,verlassen wir uns also auf eure Augen,' sagte
Thorkel, ,aber verkehrt scheint es mir doch, daß wir die Sennhütte
nicht untersucht haben.' So setzten sie die Verfolgung fort.
Als sie nahe heran waren, da ließen Bjarnis Begleiter den
Holzbock fallen und ritten dann davon. Bjarni selbst aber entkam
in den Wald. Thorkel kehrte um und kam nach Hause, übel
zufrieden mit der Sache. Sobald Bjarnis Begleitern die Luft
rein zu sein schien, suchten sie ihren Herrn auf und ritten zusammen
weiter — und für diesmal wurde die Entfernung
zwischen Bjarni und Thorkel noch wieder größer.
16. Von den Söhnen der Droplaug
Bald darauf schickte Thorkel, Geitirs Sohn, Boten in den
Fließtalbezirk zu seinen Verwandten Helgi und Grim,
den Söhnen der Droplaug: sie sollten nach der Kreuzbucht
kommen. Sie brachen gleich mit Thorkels Leuten auf, wurden
in der Kreuzbucht freundlich empfangen, und Helgi fragte,
um was für ein Unternehmen es sich handle, das man nach
ihnen geschickt habe. ,vor kurzem tat ich einen Ritt,' sagte
Thorkel, ,mit dem ich übel zufrieden bin. Ich gab deutlich zu
erkennen, daß ich es auf Bjarnis Leben abgesehen hatte, und
kam unverrichteter Sache heim. Jetzt will ich ohne Verzug nach
Hof und Bjarni angreifen, und zwar mit Feuer, wenn es ung
mit den Waffen nicht glückt.' Helgi gab seine Zustimmung zu
diesem Plan, und sie schliefen nun erst die Nacht hindurch.
Thorkel hatte eine schwache Gesundheit und wurde oft plötzlich
krank.
Bei Tagesgrauen erwachte Helgi und kleidete sich an. Er ging
su Thorkels Bettverschlag und sagte: ,Es ist Zeit aufzustehn,
wenn du noch desselben Sinnes bist wie gestern, denn im
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Schlafe hat noch niemand gesiegt.' Thorkel erwiderte: ,Heute
werde ich nicht viel ausrichten können; ich bin wieder einmal
krank.' Da erbot sich Helgi, sie wollten allein reiten und alles
so ausführen, wie es geplant war. Aber Thorkel erwiderte:
Es ist meine Sache, nicht die anderer Leute, bei diesem Unternehmen
Anführer zu sein.' Da wurde Helgi kur; angebunden
und sagte: ,Du brauchst künftig nicht mehr nach mir zu schicken,
wenn du dich jetzt drückst, wo ich gekommen bin, dir zu helfen,
und auch nicht willst, daß andere für dich einspringen.' Und sie
trennten sich in verstimmung. Die Brüder ritten heim, und
es war eine Zeitlang ruhig. So kamen auch diesmal Thorkel
und Bjarni nicht an einander.
17. Von dem Kampf im Bödvarstal
Im nächsten Frühjahr ritten die Häuptlinge zum Thing in
den Fließtalbezirk, Bjarni, Brodd-Helgis Sohn, und Thorkel,
Geitirs Sohn. In Thorkels Gefolge waren Bläng und
die Egilssöbne, Thorarin, Hallbjörn und Thröst, und Eyjolf
von Weitfelden. Sie waren zusammen ihrer fünfzehn. Sie
kamen nach Eyvindach und ließen sich dort von Groa bewirten.
In Bjarnis Begleitung waren Thorvard der Arzt von Sirekshof
, Bruni von Thorbrandshausen, Eilif, Tjörvis Sohn, von
Torfihausen, die Brüder Berg und Brand von Buihausen,
Bjarnis Ziehbruder Skidi und Hauk Lapis Sohn, im ganzen
achtzehn. Sie kamen zum Schmalen Kap und wurden von
Helgi und Thordis, Bjarnis Schwager und Schwester, gut
aufgenommen. Als das Thing aus war, wurde Thorkel eher
reisefertig, und das war Bjarni ganz recht. Er erhielt beim
Abschied von seiner Schwester Thordis Zotte ein wertvolles
Halshand. Sie verbat sich ein Gegengeschenk und legte es ihm
selber an, so daß es fest um den Hals saß.
Thorkel wanderte mit seinem Gefolge über die Heide und kam
spät abends hinab ins Bödvarstal. Dort nahmen sie Herberge
bei einem Bauer namens Kari, der war ein Thingmann Thorkels
. Als sie schlafen gingen, trug Thorkel dem Kari auf, er
sollte Wache halten und, wenn Leute von den Bergen herabkamen
, ihn sofort wecken.
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Bjarni kam langsam über die Heide und war es wohl zufrieden
daß Thorkel eine Spur hinterlassen hatte, denn die Gegend
war unwegsam, Er übernachtete bei einer Bäuerin namens
Freygerd. Dann gingen sie weiter über die Heide und kamen
frühmorgens hinab ins Bödvarstal bei Karis Gehöft, und als
sie sahen, daß Thorkels Spuren zum Gehöft führten, da bestimmte
Bjarni, es sollten immer drei Mann im Glied gehn,
erst drei, dahinter wieder drei, dann die dritten drei und so
weiter; .dann sieht es aus wie die Spur von drei Männern,'
sagte er; und sie taten es. Kari stand draußen, als sie vorbeikamen,
meldete aber nichts; der Streit zwischen den verwandten
kam ihm schlimm vor, und er wollte nichts damit zu tun
bekommen.
Thorkel erwachte in seinem Beit und weckte die Gefährten; sie
hätten jetzt genug geschlafen, sagte er. Sie waffneten sich und
gingen hinaus. Thorkel hieß seine Leute auf der Spur rückwärts
gehn und nachsehen, ob von der ihrigen eine Spur seitwärts
abführte, und sie bemerkten die Drei männer spur. Er kam
selbst an die Stelle und sagte: ,Das sind schwere Leute gewesen.
Hier werden wohl Bjarni und die Seinen gegangen sein. Gehn
wir schnell ihnen nach l Als sie eine Strecke marschiert waren,
sahen sie die Spuren auseinander gehn. Da beschleunigten sie
ihre Schritte, so sehr sie konnten, bis sie gegen den Ausgang
des Tales kamen. Da steht ein kleines Gehöft; Eyvind hausen;
der Bauer hieß Eyvind.
Dicht vor dem Gehöft hatten Bjarni und seine Leute sich gelagert
. Bjarni sagte: ,Jetzt will ich nicht länger Reißaus nehmen
vor Thorkel. Wir wollen hier abwarten, was geschieht.'
Und im selben Augenblick sahen sie Thorkels Trupp.
Im Näherkommen sagte Thorkel zu seinen Leuten: ,Gehn wir
nun wacker drauf los! Ich nehme mir meinen Vetter Bjarni
aufs Korn, Bläng den Birning, Thröst den Thorvard; und so
fort, so weit es reicht! Nun ging das Gefecht los. Bjarni und
seine Leute wehrten tapfer, und jene griffen stürmisch an.
Aber eine Zeitlang ging es ohne Wunden ab. Da rief Thorkel:
Wie Memmen greifen wir an, daß nichts Sagawürdiges geschehen
will!' Bjarni rief dagegen: ,Mut genug hast du"
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Aus dem Gehöft kam eine Frau, die sah, wie die Männer
kämpften, kehrte eilends um und sagte: ,Eyvind, ich glaube,
hier dicht beim Hofe schlagen sich die Vettern Thorkel und
Bjarni, und ich habe einen Mann dicht beim Zaune liegen
sehen, der hatte wohl große Angst.' Eyvind sagte: ,Machen
wir schnell, nehmen wir Tücher mit und werfen sie auf die
Waffen!' Er selbst griff nach einem Deckenbalken und nahm
ihn über die Schulter. Er kam zum Zaun, an dem der Mann
lag; es war Thorvard. Der sprang erschrocken auf. Er hatte
sich aus Müdigkeit hingelegt. Und sobald er hinzukam, siel
einer nach dem andern. Zuerst Birning vor Bläng. Dann
schlug Thorkel dem Bjarni einen Hieb an den Hals, daß es
laut klirrte. Bjarni bekam eine Streifwunde, und das Halsband
siel in den Schnee. Da bückte sich Bjarni danach und
steckte es unter sein Hemd. Thorkel sagte: ,Noch immer silbergierig
, Vetter!' Darauf Bjarni: ,Du richtest es heute so ein,
daß man sein Silber zusammenhalten muß!" Nun setzte sich
Thorkel vor Müdigkeit nieder. Inzwischen ging Bläng hitzig
auf Bjarni los; ihr Zusammenstoß endete so, daß Bläng fiel.
Da stand Thorkel auf und griff Bjarni so schneidig an, daß
dieser am Arm verwundet wurde und kampfunfähig. Beide
Söhne des Glira-Halli fielen dort. Eilif fiel vor Hallbjörn,
doch war er nicht tot, nur schwer verwundet.
Da kam Eyvind heran und ging so kräftig mit dem Decken pfosten
zwischen die Kämpfer, daß sie auf beiden Seiten zurückwichen.
Mit ihm kamen Frauen, die warfen Tücher auf
die Waffen. So kam das Gefecht zum Stillstand. Auf Bjarnis
Seite waren vier gefallen und viele von den Überlebenden verwundet
. vier Mann verlor auch Thorkel. Eyvind fragte, ob
Thorkel erlaube, Bjarni und seine Leute ins Gehöft zu führen;
er sehe, sagte er, daß Thorkel wohl für sich und die Seinen
selbst werde sorgen wollen. Und Thorkel erhob keinen Einspruch
. Darauf wurden die Leichen der Gefallenen besorgt,
und dann zogen beide Parteien ab, Thorkel und die Seinen
nach der Kreuzbucht, während Bjarni und die Seinen von
Eyvind die Waffenförde hinauf und weiter nach Hof begleitet
Thule-Bd.12-044 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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wurden. Thorvard der Arzt kam mit nach Hof und verband
die Wunden. Eilif Tjörvis Sohn, lag lange an seinen Wunden
danieder, wurde aber schließlich doch gesund. Bjarni besuchte
sogleich den Glira-Halli, berichtete ihm den Tod seiner
Söhne, bot ihm an, bei ihm zu wohnen, und versprach, er
werde ihm die Söhne ersetzen. Halli erwiderte: ,Sehr schade
ist's um meine Söhne. Aber ich will sie lieber verlieren, als
daß sie als Feiglinge heimkamen, wie einige deiner Begleiter,
Meinem Anwesen kann ich schon noch vorstehn und werde
nicht nach Hof ziehen. Habe du aber Dank für dein Angebot!'
18. Die Versöhnung
Eines Tages sagte Bjarni zu Thorvard dem Arzt: ,Jetzt
sind unsere Wunden so weit geheilt, daß wir fortan allein
uns helfen können, dank deinem Beistand. Wie ich aber weiß,
ist auch Thorkel, Geitirs Sohn, verwundet, und ihn heilt niemand;
er kommt ganz von Kräften. So möchte ich denn, daß
du hingehst und ihn behandelst" Thorvard versprach, seinen
Wunsch zu erfüllen.
Es war gegen Mittag, als er in der Kreuzbucht ankam. Dari
saß man beim Brettspiel. Thorkel lag auf den Arm gestutzt und
blickte auf das Brett. Er sah sehr bleich aus. Niemand begrüßte
Thorvard bei seinem Eintritt. Er ging ohne weiteres auf
Thorkel zu und sagte: ,Ich möchte einen Blick auf deine Wunde
werfen. Es soll schlecht damit stehn.' Und Thorkel ließ ihn gewähren
. Er blieb eine Woche dort, und mit jedem Tage ging es
dem Hausherrn besser. Dann ritt Thorvard fort aus der Kreuzbucht
und Thorkel belohnte ihn reich, schenkte ihm ein Pferd und
einen silbernen Ring und sprach dazu freundliche Worte. Thorvard
kam nach Hof, erzählte Bjarni, wie es stand, und der fand,
es sei der richtige Ausgang der Sache, daß Thorkel gesund würde.
Diesen Sommer wurde in der Kreuzbucht nicht viel aus der
Ernte; denn Thorkel war noch nicht so weit, daß er in der
Wirtschaft neben seiner Frau Jorun ordentlich zugreifen konnte.
So sahen die Dinge übel aus. Es schien, als müßte man vieh
schlachten. 1 Nun hatte ein Knecht Thorkels im Bezirk zu tun
Thule-Bd.12-045 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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und kehrte in Hof ein, wo man ihn gut aufnahm. Bjarni Sagte
ihn, wie es in der Kreusbucht stehe, um die Gesundheit und
um die Wirtschaft. Der Knecht sagte, die Gesundheit mache
gute Fortschritte, aber in der Wirtschaft gehe es schlecht. Als
er am nächsten Morgen aufbrach, begleitete Bjarni ihn hinaus
und sagte: ,Bitte Thorkel, zu wählen: entweder schaffe er Menschen
und Vieh hierher, oder ich werde Fleisch und Viehfutter
dorthin schaffen, so daß an Verluste nicht mehr gedacht zu
werden braucht. Und mach deine Sache gut"
Der Knecht machte sich auf und kam gerade heim, als die Leute
sich an die Tische gesetzt hatten und Jorun das Essen auftrug.
Er trat vor Thorkel, grüßte und berichtete alles, was Bjarni
gesagt hatte. Jorun blieb mitten im Zimmer stehn und horchte
auf seine Worte. Aber Thorkel antwortete nichts. Da ergriff
Jorun das Wort: ,Warum schweigst du zu einem so wackern
Anerbieten" Thorkel antwortete: ,Ich will zu dieser Sache
nicht so schnell mich äußern. Den Meisten wird die Einladung
unerwartet kommen.' Jorun sagte: ,Ich bin dafür,
daß wir morgen nach Hof ziehen zu Bjarni. Ein solches
Anerbieten von einem Manne, wie er ist, scheint mir höchst
ehrenvoll.' ,Du sollst entscheiden,' sagte Thorkel, ,denn ich habe
oft die Erfahrung gemacht, daß du klug bist und das Beste
willst.'
Am nächsten Morgen brach Thorkels Schar, zwölf Köpfe stark;
von Hause auf. Als man sie von Hof aus kommen sah, wurde
es Bjarni gemeldet. Der freute sich über die Nachricht, ging
hinaus, ihnen entgegen, begrüßte Thorkel und die Seinen
freundlich und lud sie ein, bei ihm zu wohnen. Und als die
Vettern ins Gespräch kamen, da verhandelten sie über ihre
Zwistigkeiten freundschaftlich und offen. Da bot Bjarni, Brodd-Helgis
Sohn, dem Thorkel, Geitirs Sohn, Versöhnung und
Selbsturteil und erklärte, er wolle ihm gerne fortan in allen
Dingen zu Willen sein, solange sie beide lebten. Dieses Anerbieten
nahm Thorkel an, und sie versöhnten sich nun vollständig
. Als Buße für Geitirs Fall bestimmte Thorkel ein
Hundert in Silber. So schlossen sie Frieden und hielten ihn
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19. Schluß
Bjarni war ein kräftiger Mann. Durch Klugheit haben
sich die Leute von Hof nicht ausgezeichnet, und doch ist
ihnen das Meiste wohl geraten.
Thorkel war ein großer Häuptling, sehr tatkräftig und vor
Gericht sehr findig. In seinem Alter verarmte er, und alg er
seine Wirtschaft aufgab, lud Bjarni ihn zum zweitenmal
nach Hof, und dort verbrachte er seine letzten Jahre.
Thorkels Nachkommen sind zu hohen Ehren gelangt. Seine
Tochter Ragnheid heiratete Capt, Thorarins Sohn, und die
beiden hatten neun Kinder. Unter diesen war Ragna, die Frau
des Steinar Mutter der Halla und Großmutter des Bischofs
Thorlak des Heiligen. Eine Schwester des heiligen Thorlak
war Ragnheid, die Mutter des Bischofs Pal, des Orm Jonston
und des Priesters Jon Arnthorsson.
Damit schließen wir die Geschichte von den Männern an der
Wassenförde.
Thule-Bd.12-047 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Die Erzählung von
Thorstein Stangenhieb
Thule-Bd.12-049 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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1. Der Stangenhieb
Im Sonnental wohnte Thorarin, ein alter Mann mit
schwachen Augen. Er war Wiking gewesen in seiner
Jugend und war auch im Alter noch unumgänglich genug.
Einen Sohn hatte er namens Thorstein. Der war groß, kräftig
und von ruhigem Wesen und arbeitete in der Wirtschaft des
Vaters für drei. Thorarin war ziemlich arm, doch besaß er
viele Waffen. Auch hielten Vater und Sohn ein Gestüt, und
ihr Hauptverdienst bestand darin, daß sie Pferde verkauften,
lauter gute Reit- und Kampftiere. 1
Bjarm von Hof hatte einen Knecht namens Thord; der besorgte
seine Reitpferde und hieß darum der Pferde-Thord. Er
war ein übermütiger Mensch und ließ manchen es fühlen, daß
er eines mächtigen Mannes Knecht war —ohne daß erselbst
dadurch mehr wert oder beliebter wurde.
Bei Bjarni lebten noch zwei andere, Thorhall und Thorvard;
die waren die größten Neuigkeitenjäger im ganzen Bezirk. —
Thorstein und Thord verabredeten einen Pferdekampf mit
jungen Hengsten. Und als das Hetzen losging, da wollte Thords
Hengst nicht ordentlich beißen. Thord mochte nicht dulden, daß
sein Hengst im Nachteil war, und gab dem des Thorstein einen
starken Schlag auf die Nüstern. Thorstein sah es und schlug
zum Entgelt noch stärker auf das Pferd des Thord, so daß
dieses Reißaus nahm, unter lautem Beifall der Zuschauer. Da
schlug Thord mit dem Pferdeholz auf Thorstein los. Es traf
die Braue und quetschte sie, daß das Auge verdeckt war. Thorstein
riß einen Lappen von seinem Hemd, band die Braue in
die Höhe, tat, als wäre nichts geschehen, und hat die Leute,
seinem Vater es zu verschweigen.
Für Thorvard und Thorhall war dies ein gefundenes Fressen.
Sie gaben Thorstein den Beinamen Stangenhieb.
2. Die Rache
An einem Wintermorgen kurs vor dem Julfest brachen im
Sonnental die Mägde zur Arbeit auf. Da erhob sich auch
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Thorstein und half Heu hereinschaffen. Dann streckte er sich
hin auf eine Bank. Der alte Thorarin, sein Vater kam herein
und fragte, wer da läge. Thorstein sagte, er sei es. ,Warum so
früh auf den Beinen, mein Sohn?' fragte der Alte. Thorstein
erwiderte: ,Es ist so viel zu tun, daß es nicht leicht zu viele
Hände werden.' ,Du hast wohl Kopfschmerzen, mein Sohns?'
fragte Thorarin. ,Nicht daß ich wüßte,' versetzte Thorstein.
Was hast du mir zu erzählen, Sohn, von dem Pferdething
im letzten Sommer: Wurdest du da nicht halb ohnmächtig
geschlagen wie ein Hund?' ,Es bringt keine Ehre,' sagte Thorstein,
,wenn du das Schläge nennst statt einen Unfall.' Darauf
Thorarin: ,Das hätte ich nicht gedacht daß ich einen Feigling
zum Sohn habe!' Thorstein: ,Sage lieber nichts, Vater was
dich später gereuen könnte!' Thorarin: ,Wie mir zumute ist;
ist bald gesagt"
Da stand Thorstein auf, nahm seine Waffen und ging aus
dem Hause. Er ging bis zu dem Pferdestall, in dem Thord
Bjarnis Pferde stehen hatte. Thord war gerade darin. Er trat
zu ihm und sagte: ,Ich möchte wissen, lieber Thord, ob es aus
versehen geschehen ist, als ich letzten Sommer auf dem Pferde-
thing von dir einen Hieb bekam, oder mit Absicht. In diesem
Fall wirst du bereit sein, mir Entschädigung zu geben.' Thord
antwortete: ,Du hast ja wohl zwei Wangen: stecke deine Zunge
erst in die eine und dann in die andere und nenne es auf der
einen Seite ein versehen, auf der andern Ernst. Das magst
du als deine Entschädigung betrachten.' ,Richte dich darauf ein,'
sagte Thorstein, ,daß dies meine letzte Forderung an dich war,'
sprang auf ihn zu und versetzte ihm den Todesstreich. Dann
wandte er sich um Wohnhause in Hof, traf draußen eine Frau
und sagte zu ihr: ,Melde Bjarm, ein Rind hat seinen Pferdejungen
gestoßen, und er erwartet ihn im Stalle! Die Frau
erwiderte: ,Geh nur nach Hause, Mann: Ich melde es, sobald
es mir gut dünkt.' Thorstein ging heim und die Magd an ihre
Arbeit.
Am selben Morgen stand Bjarni auf, und als er am Tische
stellte einen Hengst, und die beiden Tiere wurden mit Stangen gegen ein-
ander getrieben.
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sap, Sagte er, wo Thord wäre. Die Leute antworteten, er
werde zu den Pferden gegangen sein. ,Er wäre aber doch wohl
jetzt nach Hause gekommen, wenn er gesund wäre,' sagte Bjarm.
Da ergriff die Frau das Wort, die Thorstein begegnet war:
Es ist doch wahr, was man uns Frauen so oft nachsagt, daß
bei uns nicht viel verstand ist. Heute früh war Thorstein Stangenhieb
hier und sagte, ein Rind habe Thord gestoßen, so daß
er sich nicht selbst helfen könne. Ich wagte nicht, dich zu wecken,
und später hab ich's vergessen.' Bjarni stand auf, ging zum
Pferdestall und fand Thord erschlagen. Die Leiche wurde darauf
beerdigt.
Bjarni erhob die Klage und erreichte, daß Thorstein wegen
des Totschlags geächtet wurde. Thorstein aber war zu Hause
im Sonnental und arbeitete für seinen Vater Trotzdem verhielt
Bjarni äch ruhig. 1
3. Thorhall und Thorvard
Im Herbste saßen eines Tages zu Hof die Leute an den
Röstfeuern, und Bjarni lag draußen auf dem Küchendach 2
und lauschte auf das Gespräch. Da ergriffen die Brüder Thorhall
und Thorvard das Wort: ,Als wir uns beim Totschlag
Bjarni in Kost gaben, dachten wir nicht, daß wir hier Lämmerköpfe
rösten würden, während Thorstein, sein Waldmann, 3
sich Hammelköpfe rostet. Es wäre besser, er hätte im Bödvarsial
4 seine verwandten etwas mehr geschont und jetzt nicht
einen Waldmann im Sonnental sitzen ebenso hoch wie er. Ein
nichtiger Hieb hilft gegen die meisten. Wer weiß, wann er
diesen Fleck von seiner Ehre wäscht" Einer entgegnete: ,Das
da sollte man lieber nicht aussprechen In euren Zungen sitzen
Trolle! Wir meinen, Bjarni scheut sich, seinem blinden Vater
und dem andern schutzbedürftigen Volk im Sonnental den ver
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sorgeN zu nehmen. Aber wundern Sollte es mich, wenn ihr noch
oft hier Lämmerköpfe rostet und die Taten vom Bödvarstal
rühmt!' Man ging zu Tisch und dann in die Betten, und
war Bjarni nicht anzumerken, was für Reden er hatte hören
müssen.
Am Morgen weckte er Thorhall und Thorvard und sagte ihnen,
sollten nach dem Sonnental reiten und ihm Thorsteins Kopf,
vom Rumpf getrennt, zum Frühstück bringen. ,Ihr seid die
Nächsten dazu,' sagte er, ,den Fleck von meiner Ehre abzuwaschen
wenn ich selbst nicht genug Mut dazu habe.' Da schien
es ihnen doch, daß sie zu viel gesagt hätten. Sie machten sich
aber auf den Weg und kamen ins Sonnental. Thorstein stand
vor der Tür und wetzte sein Messer. Als sie ankamen, fragte
er, wohin des Weges, und sie erklärten, auf die Pferdesuche
geschickt zu sein. Thorstein sagte: ,Da braucht ihr nicht weit zu
gebn; hier weiden welche an der Hofmauer.' ,Es ist nicht sicher,
daß wir sie finden, wenn du uns nicht genau Bescheid zeigst.'
Thorstein trat zu ihnen hinaus, und als sie in den Hof hinabkamen
. erhob Thorvard seine Art und sprang auf ibn zu, aber
Thorstein reckte ihm die Faust entgegen, daß er hinfiel. Thorstein
stieß ihm das Messer durch die Brust. Da wollte Thorhall
ibm zu Leibe. und er mußte desselben Weges gehn wie sein
Bruder.
Thorstein band beide auf ihre Pferde, legte die Zügel den Pferden
über die Hälse und trieb sie an: sie gingen heim nach Hof.
Einige Knechte, die draußen waren, gingen hinein und meldeten
Bjarni, Thorvard und der andere seien heimgekommen,
und zwar nicht ergebnislos. Bjarni kam heraus und sah, wie
es stand. Er redete nicht weiter darüber und ließ die beiden
begraben.
4. Der Zweikampf
Alles war ruhig bis nach dem Julfest. Da ergriff eines
Abends Rannveig, als Bjarni und sie zu Bett gingen,
das Wort: ,Was meinst du?' sagte sie, ,worüber spricht man
jetzt am meisten im Bezirk?' ,Ich weiß nicht,' anwortete Bjarni
auf mancher Leute Reden gebe ich nicht viel.' ,Der gangbarste
Thule-Bd.12-053 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Gesprächsstoff ist jetzt der: die Leute Sagen sich, wie Thorstein
Stangenhieb es anstellen musse, damit du eine Rache an ihm
nötig hältst. Er hat schon drei deiner Knechte erschlagen.
Deine Thingleuie verlieren das vertrauen zu dir, wenn das
ungerächt bleibt; und die Hände in den Schoß legen heißt sie
am falschen Orte anlegen!' Bjarni entgegnete: ,Es ist gegangen
nach dem Wort: wenige lassen sich warnen durch anderer
Unfall. Aber ich willfahre dir schon in allem, was du sagst.
Übrigens hat Thorstein kaum einen unverdient erschlagen.'
Mehr sagten sie nicht und schliefen die Nacht durch.
Am Morgen erwachte Rannveig, als Bjarm seinen Schild von
der Wand nahm, und sie fragte, wohin es gehe. Er antwortete:
,Jetzt soll es sich entscheiden zwischen mir und Thorstein
im Sonnental, wer angesehener bleibt.' ,Wie viele werdet ihr
sein?' Sagte sie. ,Ich will nicht große Mannschaft zusammenziehen
gegen Thorstein,' erwiderte er, ,ich nehme niemanden
mit.' ,Tu das nicht,' sagte sie, ,geh nicht allein vor die Klinge
des Höllenkerls!' Bjarnt sagte: ,Du wirst es nicht machen wie
jene Frauen, die heute weinen über etwas, wozu sie gestern
antrieben. Ich lasse oft deine und anderer Hetzreden lange über
mich ergehn; bin ich aber einmal entschlossen zur Tat, so nützt
es nicht. mich zurückzuhalten.'
Bjarni ritt ins Sonnental. Thorstein stand vor der Tür; und
sie wechselten wenige Worte. Bjarni: ,Du sollst heute mit mir
zum Zweikampf antreten, Thorstein, auf dem Hügel hier vor
dem Hause.' Thorstein: ,Dazu fehlt es mir allem, mich mit
dir zu schlagen. Aber ich will ins Ausland reisen, sobald
Schiff geht; denn ich kenne deine wackere Gesinnung: du wirst
meines vaters dich annehmen, wenn ich fortgehe.' Bjarni:
Ausreden verfangen jetzt nicht.' Thorstein: ,Dann wirst du
mir doch erlauben, vorher mit meinem Vater zu sprechen.'
Bjarni: ,Gewiss.'
Thorstein ging ins Haus und sagte seinem Vater Bjarni sei
da und fordere ihn zum Zweikampf. Da erwiderte der Alte:
Wer mit einem Mächtigeren zu tun hat, der im selben Bezirk
sitzt, und ist ihm zu nahe getreten, der muß immer darauf gefaßt
sein, daß er nicht mehr viele Hemden verbrauchen wird.
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Du hast genug Ursache gegeben, und ich kann dich deshalb nicht
beklagen, Nimm also deine Sassen und wehre dich so schneidig
wie möglich. Zu meiner Zeit wäre ich vor so einem wie Bjarni
nicht gewichen. . . Bjarm ist freilich ein gefährlicher Gegner,
Aber will lieber dich verlieren als einen Feigling zum Sohn haben.'
Thorstein ging hinaus. Sie traten auf den Hügel und begannen
sich kräftig zu schlagen, so daß die Schilde auf beiden
Seiten arg zerhauen wurden. Als der Kampf lange gedauert
hatte, sagte Bjarni zu Thorstein: ,Mich fängt an zu dürsten,
denn ich bin an diese Art Arbeit nicht so gewöhnt wie du.'
Dann geh zum Bach und trink,' sagte Thorstein. Bj arni tai
es und legte das Schwert neben sich auf den Boden. Thorstein
hob es auf und sagte: ,Dieses Schwert hättest du im Bödvarstal
nicht brauchen können.' Bjarni antwortete nicht. Sie gingen
wieder hinauf auf den Hügel und stritten eine Weile weiter.
Bjarni fand den Gegner kampftüchtig und seinen Widerstand
härter, als er sich gedacht hatte. ,Allerhand stößt mir heute zu,'
sagte er, ,jetzt ist mein Schuhband losgegangen.' ,So binde es
wieder fest" sagte Thorstein. Nun bückte Bjarni sich nieder,
und Thorstein ging inzwischen ins Haus und holte zwei Schilde
und ein Schwert. kam auf den Hügel zu Bjarni und sagte:
Hier sind Schild und Schwert, die schickt dir mein Vater, und
dies Schwert wird durch die Hiebe gewiß nicht mehr abgestumpft
als dein bisheriges. Ich selbst wage auch nicht länger
ohne Schild deinen Hieben standzuhalten. Übrigens möchte ich
jetzt gern das Spiel beenden, denn ich Fürchte, dein Glück ist
mächtiger als mein Unglück; jeder hängt am Leben, solange
er kann.' ,Losbitten hilft nichts,' sagte Bjarni, ,es wird weiter
gekämpft.' ,Ich will nicht den ersten Hieb haben,' sagte Thorstein.
Da schlug Bjarni ihm den ganzen Schild weg. Dann
Thorstein dem Bjarni ebenso. ,Das war ein mächtiger Hieb,'
sagte Bjarni. Thorstein versetzte ,Deine sind nicht weniger
mächtig.' Bjarni: ,Das Schwert, das du von Anfang an gehabt
hast, schneidet jetzt besser.' Thorstein: ,Ich möchte mich
vor Unheil hüten, solange ich kann, und mit Bangigkeit schlage
auf dich ein. Ich bin noch jetzt bereit, alles deinem Urteil
zu überlassen.' Nun war Bjarni an der Reihe; einen Hieb zu
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tun, und beide standen ohne Schild da. Da sagte Bjarni: ,Das
wäre eine schlechte Bezahlung, wollte ich glücklichen Zufall
mit Übeltat vergelten. Ich betrachte meine drei Leute als voll
ersetzt, wenn ich dich bekomme und du mir treu sein willst.'
Thorstein sagte: ,Heute hätte ich genug Gelegenheit gehabt,
dich zu verraten, wenn ein mächtigerer Unstern über mir gewesen
wäre als Heil über dir. Und ich werde dich auch künftig
nicht verraten.' ,Ich sehe; du bist mehr wert als andere,' sagte
Bjarni. ,Jetzt wirst du mir erlauben, daß ich zu deinem Vater
hineingehe und ihm erzähle, was mir gut dünkt.' ,Meinetwegen
geh hinein, wenn du willst,' sagte Thorstein, ,doch sei vorsichtig.'
5. Vom alten Thorarin
Bjarni trat an die Schlafkammer, in der der alte Thorarin
lag. Thorarin fragte, wer komme, und Bjarni nannte
seinen Namen. ,Was hast du zu melden, lieber Bjarni?' fragte
Thorarin. ,Den Tod deines Sohnes Thorstein" versetzte Bjarni.
Hat er sich einigermaßen gewehrt: Sagte Thorarin. ,Nie,
glaube ich, hat einer schneidiger die Waffen geführt als Thorstein
, dein Sohn.' ,Nicht zu verwundern,' sagte der Alte, ,daß
es deinen Gegnern schwer fiel im Bödvarstal, wenn du meinen
Sohn überwunden hast.' Da sagte Bjarni: ,Ich lade dich
ein nach Hof. Du sollst dort im zweiten Hochsitz sitzen, solange
du lebst, und ich will dir an Sohnes Statt stehn.' ,Mir geht
es wie denen,' sagte der Alte, ,die nichts zu verlieren haben.
Auch freut sich über Versprechungen nur der Dumme. Eure
Häuptlings versprechungen, wenn ihr nach solchem vorfall einen
ein wenig aufmuntern wollt, trösten gerade auf einen Monat.
Nachher sind wir um nichts besser als andere arme Schlucker,
und so bleibt unser Leid lange friss) . . . . Aber freilich, wer so
etwas mit Handschlag zugesichert erhält von einem Manne
wie du, der mag wohl zufrieden sein, was man auch sagt. . .
und so will ich diese Zusicherung denn auch von dir annehmen.
Komm heran an mein Ben! Du mußt schon nahe kommen,
denn, siehst du, der Alte bebt an Händen und Füßen vor Alter
und Krankheit, und zu glauben ist's auch, daß mir der Tod
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des Sohnes zu schaffen macht.' Bjarni trat vor das Bett u-d
nahm den alten Thorarin bei der Hand. Da merkte er; daß
der nach einem Messer griff und nach ihm stechen wollte. Er
drückte seinen Arm beiseite und rief: ,Elendester aller Lumpenkerle:
Nun will ich nach Verdienst mit dir verfahren. Dein
Sohn Thorstein lebt, er soll zu mir nach Hof ziehen, und
sollst Knechte bekommen zur Arbeit, und es soll dir an nichts
fehlen, solange du lebst.'
Thorstein sog mit Bjarni nach Hof und diente ihm bis zum
Todestage. Es hieß allgemein, beinahe keiner käme ihm gleich
an wackerem Sinn und Rüstigkeit.
6. Von Bjarni und seinen Nachkommen
Bjarnis Ansehen blieb unvermindert. Je weiter er in den
Jahren vorrückte, um so beliebter und ruhiger wurde er,
Er war groß in zäher Ausdauer und in seinen späteren Lebensjahren
ein guter Christ. Da reiste er ins Ausland, pilgerte gen
Rom und fand unterwegs den Tod. Er liegt begraben in einer
Stadt namens Valeria; das ist eine große Stadt, nicht weit von
Rom auf dem Wege hierher.
Bjarnis Nachkommen haben ihm Ehre gemacht. Sein Sohn
war Skegg-Broddi, der vielfach in Geschichten vorkommt und
in seinen Tagen ein hervorragender Mann war. Eine Tochter
Bjarnis hieß Halla, die Mutter der Gudrid, die der Gesetzessprecher
Kolbein zur Frau hatte. Eine andere Tochter von ihm
war Yngvild, die Frau Thorsteins, des Sohnes Siduhalls,
Ein Sohn dieser beiden war Magnus, der Großvater des
Bischofs Magnus; ein anderer Sohn Amundi. von dessen einer
Tochter Gudrun stammen die Söhne des Sturla, Thord, Sigvat
und Snorri. 1 Und noch andere Häuptlings geschlechter
stammen von Amundi ab.
Damit schließt die Erzählung von Thorstein Stangenhieb.
Thule-Bd.12-057 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Die Erzählung von
Gunnar dem Töter
Thidrandis
Thule-Bd.12-059 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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1. Von Thidrandi und Asbjörn Wandhammer
Es war ein mann namens Ketil Lärm, der Sohn des
Thidrandi. Er wohnte an der Njardbucht, und seine Frau
hieß Thorgerd, seine zwei Söhne Thorkel und Eyjolf. Noch
ein Bursche war dort im Hause, Thidrandi, der Sohn des
Geitir. Er galt als der hoffnungsvollste unter allen jungen
Leuten in den Oststorden.
Im Rutschemal wohnte Björn, Koreks Sohn, ein guter Landwirt
, der noch mehrere Brüder hatte.
Eines Sommers verabredete man einen Pferdekampf. Der eine
Hengst gehörte dem Bauern Ketil von der Njardbucht, der
andere dem Björn, Koreks Sohn. Es waren viele Leute versammelt,
und man unterhielt sich sehr gut. Auch Thidrandi,
Geitirs Sohn, war dabei. Der Kampf verlief so, daß Björns
Hengst der stärkere blieb. Nachher trat Björn zu Thidrandi
und sagte: ,Ich möchte dein Freund werden und will dir den
Hengst schenken, den ich beute gehetzt habe.' Thidrandi bedankte
sich für die Gabe; ,gewiß sollst du zum Entgelt meine
Freundschaft haben,' sagte er. Dann habe er, was er wünsche,
erwiderte Björn.
Auf der Zusammenkunft war auch einer namens Thorir, genannt
der Englandfahrer. Der bot ebenfalls Thidrandi seine
Freundschaft an. Er war den Sommer vorher nach Island
gekommen und hatte bei Brodd-Helgi geherbergt, mit dem er
gut Freund war.
In diesem Herbst erschien, wie berichtet wird, bei Björn, Koreks
Sohn, ein neuer Hausgenosse. Er nannte sich Asbjörn
Wandhammer, ein großer Mann von fahrtgem Wesen, ziemlich
stark, schwär haarig, dunkelhäutig und langhalsig. Als
man ihn fragte, woher er stamme, erklärte er, er sei im Südlande
zu Hause und habe bei Asgrim, Ellida-Grims Sohn,
gewohnt. ,Ich suche Unterkunft,' sagte er; ,braucht man einen
tüchtigen Arbeiter, so halte man sich an mich.' Die Brüder antworteten,
sie könnten in der Tai sehr gut einen Arbeiter gebrauchen,
der ordentlich etwas schaffe. Und so bekam er Unterkunft
Thule-Bd.12-060 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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bei den Korekssöhnen. Ihnen gefiel sein Arbeiten und
sein Wesen je länger um so besser. Er blieb eine ganze Zeit bei
ihnen, beinahe drei Jahre, und verdiente sich etwas. Dann
wollte er fort und bat, sie möchten ihm einen Hof geben. Die
Brüder meinten, er stehe sich besser in ihrer Kost, als wenn er
selbst Nachbarn habe. Er entgegnete, man brauche ihm in der
Hinsicht nichts Schlimmes zu weissagen. Da gaben sie ihm
einen Hof dicht bei dem ihrigen. Auch jetzt noch sorgte er viel
für ihre Angelegenheiten, aber seine Verschuldung wuchs, weit
er sich vor Schulden nicht su hüten wußte. Da sagte Björn zu
ihm: ,Das hab ich vorausgesehen, daß dir das Allein hausen
nicht bekommen würde, und ich möchte nun, daß du wieder
zu uns ziehst und die Schuld abverdienst.' Jener hielt dem
entgegen, die Probe sei nur kurz gewesen, und bat, es möge
beim alten bleiben. Und so blieb es dabei.
Er kaufte vieles, was ihm begehrenswert schien. Als Thorir,
der Englandfahrer, in den Bezirk kam, besuchte Asbjörn ihn
und erklärte, Waren von ihm kaufen zu wollen. Thorir Sagte:
Hast du denn Geld?' Asbjörn antwortete: ,Nicht viel allerdings,
aber ich verdiene schnell durch meine Arbeit und das Gedeihen,
das dabei ist.' Daraufhin erklärte Thorir sich bereit,
ihm Waren zu verkaufen. Als er das nächstemal mit Brodd-Helgi
zusammen war, Sagte dieser nach seinen Geschäften, und
er erzählte das Neueste. ,Da hast du an einen Menschen verkauft,
der mir gar nicht gefällt und dir wohl Schwierigkeiten
schaffen wird.' Als Thorir im Sommer ausritt, um Schulden
einzutreiben, kam er auch zu Asbjörn Wandhammer und erkundigte
sich nach seiner Forderung. Asbjörn erklärte, nicht zu
wissen, was es mit dieser Abgabe auf sich habe, und Thorir
bekam nichts. Doch war sein verlust nicht so groß wie der der
Korekssöhne.
Als Asbjörn sah, daß er nicht ruhig werde wohnen können,
machte er sich fort. Er kam hinab in die Njardbucht zu Ketil
und bat ihn um Aufnahme. ,Ich passe gut zu dir, denn ich bin
ein tüchtiger Arbeiter, und du bist selber fleißig. Bei den Korekssöhnen
erlebe ich nicht viel Gutes.' Ketil sagte, ihm liege nicht
viel daran, ihn aufzunehmen, er habe nicht eben Günstiges
Thule-Bd.12-061 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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über ihn gehört. ,versuche es, Bauer" versetzte er. ,Es wäre
nicht ratsam,' sagte Ketil, .um deinetwillen sich andere Leute
zu Feinden zu machen.' ,So schlimm werden die Folgen schon
nicht sein,' meinte Asbjörn. Und es kam dahin, daß Ketil ihn
aufnahm.
Als die Korekssöbne hiervon hörten, suchten sie Keul auf und
sagten, Asbjörn habe große Schulden bei ihnen, die er nicht
bezahle. Ketil erwiderte, sie seien wohl im Recht, ,aber', sagte
er, ,für ihn zu zahlen, darauf lasse ich mich nicht ein.' Thidrandi
war gerade anwesend und legte ein Wort dafür ein,
daß Ketil für Asbjörn etwas bezahlen solle. Keul versetzte:
Zahlen werde ich nichts für ihn. aber ich werde erlauben, daß
sie mit wenigen Leuten kommen und ihn vorladen.'
Seltsam steht dir dieser Starrsinn an, Pflegevater. Es wäre
zu verwundern, wenn es gui abliefe!' Keul erwiderte: ,Die
Sache liegt dir ja mächtig am Herzen. Das macht der geschenkte
Hengst.' Thidrandi sagte, er habe nur Ketils vorteil
im Auge.
Jene mußten unverrichteter Sache wieder abziehen, und Thidrandi
begab sich zu seinem Vater nach der Kreuzbucht und
blieb den Sommer über fort. Die Korekssöhne sprachen davon,
nach der Njardbucht zureiten und Asbjörn vorzuladen, sobald
Thidrandi dorthin auf Besuch käme. Sie meinten, die Sache
würde dann glatter gehn.
2. Wie Thidrandi und die Korekssöhne
nach der Njardbucht ritten
Im selben Sommer lief in die Breitbucht ein Schiff ein —
die Breitbucht liegt zwischen der Häuserbucht und dem
Borgfjord —, das gehörte zwei Steuerleuten, Gunnar und
Thormod. Man sing an mit ihnen zu handeln, und sie gedachten
sich Unterkunft zu suchen. Auch Keul war zum Schiff
gekommen. Er nahm die Steuerleute bei sich auf. Gunnar
war ein höchst schneidiger Mann, groß und stark und stattlich
anzusehen wie kaum ein zweiter.
Inzwischen besuchte Thidrandi die Korekssöhne. Sie nahmen
ihn ausgezeichnet auf, und er blieb dort die Nacht. Sie erboten
Thule-Bd.12-062 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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sich, seine Gefolgsleute zu sein, und erklärten sich zu jedem
Dienst bereit. Er ließ sich das gefallen. Dann sagten sie, sie
wollten jetzt mit ihm nach der Njardbucht reiten und Asbjörn
vorladen. Thidrandi sagte ja dazu. Da ergriff der alte Korek
das Wort: .Mir ahnt nichts Gutes bei dieser Fahrt. Einen
wackern Burschen bringt ihr in Gefahr meine Söhne. Der
eine, mit dem ihr anbinden wollt, Keul, ist ein Hitzkopf, der
andere ein schlechter Kerl.'
Die Brüder waren drei an der Zahl, Björn, Thorfinn und
Halldor. Thorir der England fahrer war auch im Gefolge des
Thidrandi und noch zwei Männer, deren Namen nicht überliefert
sind. Im ganzen waren sie ihrer sieben. Sie ritten bis
in den Wald dicht bei der Njardbucht. Dort stiegen sie ab und
begannen ein Spiel; sie warfen einander mit Baumästen.
Dabei sagte Thidrandi: ,Ich vermute, mein Pflegevater findet
unsere Schar zu groß und nimmt das übel.'
Sie erblickten Asbjörn Wandhammer, der in einem Moor Torf
stach. Er erkannte sie und wußte gleich, um was es sich handelte.
Da warf er seine Geräte zu Boden und rannte; so schnell
er konnte hofwärts. Einer der Brüder warf nach ihm mit
einem und traf ihn an den Unterleib. Davon wurde Asbjörns
Lauf nicht langsamer. Thidrandi sagte, es wäre besser
unterblieben.
Asbjörn lief heim und kam im höchsten Schrecken in die Küche,
wo Ketil sich am Feuer wärmte. Ketil fragte, warum er so
liefe. Er antwortete: ,Fragen ist nicht gefährlich! Du sollst
ein so großer Haudegen sein, und du rächst mich nicht, wo mir
der Speer im Leibe sitzt!'
Thidrandi und die Seinen kamen bedeutend später weil sie
nicht den nächsten Weg über das Moor reiten konnten. Unterwegs
sagte Thidrandi, er könne sich denken, wie der Wand-
hammer drinnen ihre Sache sichre,
Ketil lag am Feuer, merkte aber nichts von Wärme und
äußerte sich verwundert darüber. Asbjörn bat, er möge ibn
rächen, wenn er ein Mann wäre. Da wurde Ketil heftig und rief
Mich feige zu nennen, war noch selten nötig,' sprang hinaus
und ergriff einen großen Speer. Thidrandi und seine Leute
Thule-Bd.12-063 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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waren gerade alle auf den Platz vor dem Hause geritten. Thidrandi
warnte, man möge sich vor seinem Pflegevater in acht
nehmen. Ketil aber sprang sogleich auf Björn los —denn der
war ihm der nächste und durchbohrte ihn mit dem Speer.
Als das Thorir der England fahrer sah, drang er auf Ketil
ein und hieb ihn über die Brust; das gab gleich die Todeswunde.
Als dritter fiel Thorir selbst vor Ketils Knechten.
3. Thidrandi fällt. Sein Bruder Thorkel
erkundet das versteck des Töters
Thjodgeir und Thorir Kring waren Knechte Ketils ; die
Selen dort. Danach wollte Thidrandi südwärts abreiten
durch die Engen, mit ihm seine überlebenden Gefährten, zusammen
fünf. Da kam eine Magd ins Haus und meldete das
vorgefallene Gunnar und Thormod, die von nichts wußten,
da alles so plötzlich gekommen war. Sie sagte: ,Seltsame Leute
seid ihr, daß ihr hier sitzt, und der Bauer liegt draußen erschlagen
und ein paar seiner Knechte dazu! Aus euch wird nie
etwas Rechtes!' Gunnar sagte: sie lege ja mächtig los, das sei
durchaus nicht nötig, ,und', sagte er, ,welcher von den Gegnern
lohnt sich am meisten?' ,Das ist der Thidrandi,' versetzte das
Unglücks weib, ,erschlägst du den, so ist unser Herr gerächt.'
Gunnar warf den Speer den Reitern nach: er traf Thidrandi
auf den Rücken und durchbohrte ihn. Er fiel tot vom
Pferde.
Thorgerd, die Hausfrau, und ihre Söhne waren unzufrieden
mit dieser Tat und nannten sie ein großes Unglück. Gunnar
sagte, es sei nun nicht mehr zu ändern. Sie meinten, die Totschlagsklage
würde gefährlich und hartnäckig verfolgt werden
und wiesen die Norweger aus dem Hause. Sie würden nirgends
eine Freistätte finden, sagte Thorgerd. Nicht lange, so
machten sie sich davon, und niemand wußte, was aus ihnen
wurde.
Jedermann beklagte den vorfall, denn Thidrandi war sehr beliebt
gewesen und hatte viel gegolten. Die Kunde verbreitete
sich durch alle Bezirke.
Bald darauf erschien an der Njardbucht Thorkel, Geitirs Sohn,
Thule-Bd.12-064 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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mit ein paar Leuten, um nach den Norwegern und ihrem Geld
zu suchen. Beide Parteien hätten es nötig, sagte er, ihre Sache
verfolgen und ihr Leid zu rächen. Thorgerd, die Bäurin,
gab Thorkel das Recht zu, bei ihr zu suchen, sagte aber, sie
habe die Beiden fortgejagt. Daraufhin ritt Thorkel ab und
wieder nach Hause.
Der Winter kam heran. Thorkel, Geitirs Sohn, hegte dringenden
verdacht, Gunnar — der später Thidrandis Töter ge-
nannt wurde — und sein Genosse Thormod wären versteckt
bei den Söhnen des Ketil, Thorkel und Eyjolf. Im Laufe des
Winters nahm er sich einen seiner Hausgenossen, der Thord
hieß, vor und sagte: ,Ich habe dir einen Botenritt zugedacht
hinab zur Njardbucht, um den Brüdern zu melden, ein Pferd
aus ihrem Gestüt sei abhanden gekommen.' Thord versetzte:
Aber ich möchte nur solche Botschaften dort ausrichten, die
den Brüdern kein Unheil bringen. Keinerlei Anschlag soll da-
hinter stecken.' Thord ritt hinab zur Njardbucht und berichtete
den Brüdern das mit den Pferden. Sie sagten, er erweise ihnen
wieder einmal eine Gefälligkeit, und damit trennte man sich.
Bald darauf begaben sich Thorkel und Eyjolf Ketils Söhne,
zu dem Gehege, in dem ihre Pferde zu stehn pflegten. An
dem Tage fiel reichlich Schnee bei stiller Luft, und das
Wetter war trübe. Während die Brüder sich beim Gehege aufhielten,
kamen fünf Männer heran; das war Thorkel, Geitirs
Sohn. Sie legten Hand an die Brüder und banden beide.
Dann forderte Thorkel sie auf, das versteck der Norweger
anzugeben, denn er wisse, daß es in ihrem Bereiche sei. Sie
bestritten es und behaupteten, nichts von jenen zu wissen. Da
ließ Thorkel sie einzeln beiseite führen. Der eine Bruder; Thorkel
, hatte einen Pelz an. Jener ließ am Zaun ein Kalb schlachten
und das Blut über ihn strömen. Dann nahm er ihm den
Pelz ab, brachte ihn dem Eyjolf vor Augen und verlangte
Auskunft über die Norweger, sonst würde er erschlagen wie
sein Bruder, dessen Blut auf den Pelzrock zu sehen sei. Eyjolf
versetzte: ,Das Leben hat jeder lieb. Eher verrate ich sie; als
ich mich totschlagen lasse. Sie sind hier in unsern Ziegenställen.
Ich und mein Bruder haben ihnen den Winter über immer
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zu essen gebracht, wenn wir zu den Pferden gingen.' Nachdem
dies heraus war, wurde sein Bruder Thorkel ihm vorgeführt
und war wohlbehalten. Da sagte Eyjolf: ,Du hast uns überlistet
, Thorkel. Aber ich möchte dir eines Tages eine Nachricht
bringen können, die dir nicht minder schwer zu verwinden wäre
als mir soeben die Kunde vom Tode meines Bruders.'
4. Von Sveinki
Thorkel ließ die Brüder beide an Händen und Füßen fesseln,
und so lagen sie am Zaun. Inzwischen ging erselbst
mit seinen Gefährten zum Ziegenhaus.
Drinnen sagte Gunnar: ,Unsichere Träume hatte ich über Nacht, Freund
Thormod. Laß uns hinausgehn und hinauf auf die
Berge, denn mit unserer Unsicherheit nimmt's so bald kein
Ende'. Sie gingen hinaus in den Schneefall, der die Aussicht
verhüllte. Eine kurze Strecke vom Hause sahen sie plötzlich
Männer und wollten durch den Schnee entweichen. Thorkel
warf den Speer, der traf Thormod in der Mitte des Leibes,
so daß er nicht mehr weiter konnte und Gunnar bat, er möge
für sich selbst sorgen und das Weite suchen. Gunnar sagte, er
sei nicht gewohnt, seine Gefährten im Stich zu lassen. ,Ich
sehe, Freund, wie der Speer steckt: ich sterbe in wenigen Augenblicken'.
Gunnar überzeugte sich, daß Thormod in der Tat dem
Tode nahe war, und lief nun weiter. Das Wetter klärte sich
auf. Als die verfolger Thormod erreichten, verhalf Thorkel
ihm zum schnellen Tode, und sie hielten sich noch dabei auf,
über seine Leiche zu frohlocken.
So kam Gunnar glücklich bis zu dem Hofe Bakki am Borghard.
Dort wohnte Sveinki, ein großer Raufbold, mit dem
schwer umzugehen war. Er stand gerade draußen, und sie
begrüßten sich. Gunnar sagte: ,Bald werde ich deine Hilfe
brauchen können, Bauer, denn Thorkel, Geitirs Sohn, ist mit
vier Mann hinter mir her, hat meinen Gefährten erschlagen
und denkt mir dasselbe zu.' Jener erwiderte: ,Wir haben nicht
gerade viel mit einander zu tun gehabt, aber es geht dir ja
schlimm an den Wagen, und du hast dich früher als tüchtiger
Kerl gezeigt, als du deinen Wirt, meinen Freund, rächtest.
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Mein Beistand wird dir wenig nützen können, denn die hinter
dir sind, werden ihre Sache gut machen; komm aber zuvörderst
einmal in den Hausflur.' Gunnar tat es, und Sveinki schüttete
den Torf, der als Feurung im vorhaus aufgestapelt lag, über
ihn.
Gleich darauf erschienen Thorkel und seine Leute vor dem Gehöft
und begegneten Sveinki draußen. Thorkel fragte, ob
Gunnar da wäre; es war ihm so vorgekommen, als hätte er sich
hierher gewandt. Einige erzählen, unter Thorkels Begleitern
sei auch sein Verwandter Helgi, der Droplaugsohn, gewesen;
doch wir wissen nicht, ob das wahr ist. ,Wir möchten,' sagte
Thorkel, ,daß du ihn herausgibst und wir uns gütlich einigen.'
Sveinki sagte, er werde sich schwerlich dort vorfinden, wenn
er nicht etwa in die Stube gegangen wäre: ,dort könnt ihr ja
nachsehen — aber solche Haussuchung und Ruhestörung ist
mir noch von niemand widerfahren.'
Daraufhin gingen Thorkel und seine Leute in die Stube. Ein
Mann bewachte die Außentür. Zu ihm sagte Sveinki: ,Hier
will ich mich hinstellen, damit der Mann nicht herauskommt,
wenn er drinnen ist. Geh du zu den andern in die Stube.' Alg-
bald lief der Mann in die Stube. Sveinki aber sagte zu Gunnar,
er solle aufstehn und hinausgehn. Dann legte er den Schlagbalken
vor die Tür und sagte: ,Jetzt wollen wir hinuntergehn
zu dem Boot, das ich auf dem Strande liegen habe.'
Sie taten es. Das Boot lag mit dem Kiel nach oben. Es war
nur ein kleines Fahrzeug. Sveinki hatte es teeren lassen. ,Krieche
hier unter das Boot! Jetzt gilt es schnellen Entschluß.' Dann
trieb Sveinki seine Lämmer an den Strand über die Spur hin,
daß man die doppelten Fußtritte nicht sehen sollte. Und Gunnar
ging unter das Boot.
5. Wie Sveinki weiter für Gunnar
sorgte
Von Thorkel und seinen Leuten ist zu berichten, daß sie aus
der Stube herauskamen und nun eine Zeitlang im Hause
festsaßen. Sie gelangten ins Freie, aber nicht so bald. Sveinki
war gerade wieder mit seinen Lämmern vom Strande urückgekehrt.
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Thorkel sagte: ,Du behandelst uns wenig freundschaftlich.
Was hast du jetzt mit Gunnar angestellt:' ,Von Gunnar weiß
ich nichts zu erzählen,' sagte Sveinki, ,im übrigen ist es nicht
wunderbar, wenn ich euch Ruhestörern einen kleinen Schabernack
spiele.' ,Gehn wir hinab zum Strande!' sagte Thorkel.
Meinetwegen!' sagte Sveinki. Sie kamen zu dem Boot. das
kielhoch lag, und Thorkel sagte: ,Das wäre ein Versteck, da
unter dem Boot.' Sveinki versetzte: ,Eben darum pflege ich
mein Schiffsgerät darunter zu bergen. Aber warum kriecht
keiner von euch darunter und hält auch hier Haussuchung Ich
tue es selbst, wenn ihr's nicht wagt" Und er kroch unter das
Boot. Da langte Thorkel mit dem Spieß hinein, merkte etwas
Lebendiges und stieß Gunnar in den Schenkel. Als Sveinki
das sah, zog er sein Messer, stach sich, ehe er wieder hervorkam,
in den Schenkel und drehte das Messer so, das es aussah
wie eine Speerwunde. Draußen sagte er: ,Schonend behandelt
ihr mich nicht gerade bei diesem Unternehmen, und ich meine,
dies bliebe nicht ungerächt. wenn wir einander gewachsen
wären.' ,Ich wollte dir kein Leid zufügen,' sagte Thorkel, ,aber
wer weiß, was dahinter steckt.' Danach gingen Thorkel und
die Seinen wieder zum Gehöft, hielten dort eine zweite Suche
ab und ritten dann davon.
Da sagte Sveinki zu Gunnar: ,Hier können wir nicht bleiben.
Nach mancher List werden wir uns noch umsehen müssen, und
ich weiß nicht, was hier am besten anschlagen mag.' Und er
geleitete Gunnar in den Stall, nahm Heu aus dem Heuverschlag,
so daß eine Höhlung entstand, und packte Gunnar dort sorgfältig
ein. Dies getan, stellte Sveinki sich davor und machte
sich etwas zu schaffen. Inzwischen kehrte Thorkel um und
kam wieder zum Stall. Sveinki Sagte, was ihnen nun wieder
zugestoßen sei; es nehme ja gar kein Ende mit den Haussuchungen.
Thorkel sagte, er könne nicht wissen, was für einer
Spiegelfechterei sie hier ausgesetzt seien; wenn er ihn nicht
totschlagen lasse, so sei das nur, weil die Sache sich noch nicht
geklärt habe. Sveinki versetzte: ,Wohl möglich, daß ihr mich
totschlagen könnt. Aber das wird ein Überfall auf einen
Unschuldigen sein und auch dafür gelten, und ich werde es
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darauf anlegen, daß einer von euch mir mit dem Leben büßt,
ehe ich ins Gras beiße.' Damit trennten sie sich; jene ritten
wieder ab.
Da sagte Sveinki: ,Jetzt wieder fort mit uno! Hinab zur See
auf der Spur der Schafe!' Und als sie an den Strand kamen,
sagte er: ,Hier liegt eine Insel vor dem Lande, wie du siehst,
Es wäre eine tüchtige Schwimmleistung dort hinüber; wenn
du gesund und unverwundet wärest. Jetzt ist es eine noch
größere Kraftprobe. Dort nach der Insel möchte ich, daß du
schwömmest, wenn du dazu imstande zu sein glaubst. Jetzt
kommt es darauf an, deine Kraft zu erproben. Ich komme
dann zu dir, sobald die Gefahr vorüber ist.' Gunnar erwiderte;
er sei ein wackerer Mann; ,es wird mir schwer werden',
sagte ei, ,dir diese Hilfe zu lohnen. Aber jetzt wollen wir versuchen,
ob ich hinüber komme — ich versuchte es auch, wenn
es noch etwas weiter wäre.' Und er warf sich mit Kleidern
und Waffen in die See und kam glücklich hinüber; wenn auch
mit steifen Gliedern. Drüben legte er sich nieder und grub sich
ins Seegras ein, um die Kälte los zu werden.
Sobald Sveinki sicher zu sein glaubte, daß Thorkel endgültig
fort war, ruderte er in seinem Boote zur Insel hinaus, kam zu
Gunnar und sagte, es wäre Zeit, ihm einige Hilfe zuteil werden
zu lassen. Gunnar war stark erschöpft, so daß er kaum
gebn konnte. Sveinki schaffte ihn in sein Haus. Dort blieb er
ein paar Tage und ruhte sich aus. Dann sagte Sveinki: ,Lange
kann hier deines Bleibens nicht sein, denn ich getraue mich
nicht, dich bier auf die Dauer zu schützen. Darum schicke ich
dich zu meinem Freunde Helgi, Asbjörns Sohn. Du mußt dort
mitten in der Nacht ankommen. Geh zur Nord tür des Hauses,
in dem Helgi schläft. Alle, die ihn um Schutz angehn, pflegen
an die Tür zu klopfen. Das ist schon oft vorgekommen.' Dann
zeigte Sveinki Gunnar den Weg, den er nehmen sollte, und sie
trennten sich,
Gunnar machte sich auf und kam nach dem Schmalen Rap,
wo Helgi damals wohnte. Er klopfte an die Nordtür von
Helgis Schlafhaus. Helgi erwachte und sagte: ,Der da klopft;
wird einen Unterschlupf nötig haben.' Er ging selbst hinaus,
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und sie begrüßten sich. Gunnar erzählte ihm die ganze Sachlage,
Sveinkis Botschaft und Beweise, die seinen Bericht bekräftigten.
Helgi erwiderte: ,Wem Sveinki hilft, der steht
nicht schutzlos da. Ich möchte dich nicht gern aufnehmen, weil
eine Ahnung in mir dagegen spricht. 'Doch verdanke ich Sveinki
viel Gutes. Geb dort in das Vorratshaus.' Dort blieb Gunnar
den Winter über in guter verpflegung.
6. Bjarnis Reise nach dem Schmalen Kap
Im nächsten Frühjahr hatte Helgi, AsbjörnsSohn, einen Ritt
in die Fjorde hinunter vor und sagte zu seiner Frau Thordis:
Es steht so, daß all unser gutes Einvernehmen davon abhängt,
wie treu du mir während meiner Abwesenheit bist in der Sache
des Gunnar.' Sie erwiderte, das werde sich ja herausstellen,
Und Helgi ritt davon.
Eines Abends, so wird berichtet, erschienen zwölf Reiter vor
dem Gehöft am Schmalen Kap. Die Hausbau ging hinaus und
mit ihr einige Knechte. Da erkannte sie ihren Bruder Bjarni,
Brodd-Helgis Sohn. Sie lud alle zum Bleiben ein. ,Das ist
ein gutes Anerbieten,' sagte Bjarni ,aber es steht so, daß ich
hier bin, um nach Gunnar zu suchen, dem Töter des Thidrandi,
unseres Vetters und Pflegebruders. Mir wird berichtet, er sei
hier in einem vorratshaus. Das werden wir erbrechen, wenn
du es nicht aufschließt.' Thordis versetzte: ,Sieh die Sache nicht
von der Seite, lieber Bruder! Du kannst auch anders zum
Ziel gelangen. Übernachte bei uns; das heißt handeln wie ein
Bruder. Dem Thidrandi war ich so zugetan, daß mir die
Rache je eher um so lieber gewesen wäre. So etwas hat auch
mein Mann den ganzen Winter von mir befürchtet, denn er
wußte, daß ich Gunnar tot sehen will. Darauf wollen wir es
denn auch anlegen, ehe du wieder aufbrichst.'
Bjarni und seine Leute stiegen von den Pferden und blieben
die Nacht über dort. Inzwischen schickte Thordis zwei Leute
in die Umgegend und ließ Mannschaft aufbieten. Am Morgen
erschienen dreißig Mann, lauter Nachbarn und Freunde Helgis.
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Bjarni stand angekleidet und verlangte, nun solle seine Schwester
Gunnar herausgeben. Sie antwortete: ,Ich weiß nicht, Bruder,
wao du davon hast, deine eigene Schwester ;u bedrängen und
mir so Schlimmes zuzumuten, daß ich euch einen Mann vor
die Speere liefere, den mein Gatte mir zur Hut übergeben
hat. habe keinen Grund, euch beide so verschieden zu werten.
Alles andere würde dir besser anstehn als dies. Für diesmal
bekommst du Gunnar nicht in deine Gewalt —oder du
mußt deine volle Kraft daran setzen" Bjarni versetzte: ,Da sind
wir also in eine Schlinge gegangen. Du kannst dich gut verstellen,
Schwester!' Und er zog mit den Seinen unverrichteter
Sache ab.
Thordis aber ging zu dem vorratshaus, in dem Gunnar versteckt
war, schloß auf und fragte, wie es Gunnar gefiele, jetzt
an Bjarni ausgeliefert zu werden. Er erwiderte, dazu wäre
es nicht gekommen, wenn der Bauer zu Hause wäre. Thordis
sagte: ,Auch jetzt kommt es nicht dazu,' und Gunnar
dankte ihr.
Als Helgi nach Hause kam, wurde ihm berichtet, was vorgegangen
war. Da sagte er: ,Ich wußte, daß ich eine gute
Frau habe. Recht von ihr, daß sie ihrer Sippe treu blieb.'
Gunnar blieb noch den Sommer bei Helgi. Denselben Sommer
wurde er auf dem Thing geächtet; Thorkel, Geitirs Sohn,
setzte es durch.
Nicht lange danach kam der Handel zwischen Helgi, Asbjörns
Sohn, und Grim dem Droplaugsohn, und Helgi fiel.1 Da sagte
Thordis, sie wolle Gunnar zu Schutz und Sicherheit nach dem
Heiligen Berge schicken, zu Gudrun, Osvifrs Tochter, und sie
bereitete ihm einen guten Abschied. Gunnar kam an die Westküste
zur Zeit, als Gudrun sich mit Thorkel, Eyjolfs Sohn,
verlobte.
In dem Sommer, wo er nach dem Heiligen Berge ritt; zog
Thorkel, Geitirs Sohn, hinab zur Njardbucht, um Gunnars
Ächter habe einzuziehen. Da kamen ihm die Ketilsöhne, Thorkel
und Eyjolf mit einigen Begleitern entgegen, und Eyjolf
sagte ihrer Begegnung: ,Deine Absicht wird sein, Gunnars
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Achter habe einzuziehen.' ,Das ist die Absicht,' sagte Thorkel.
Die Habe ist reichlich, und höchst wertvoll ist sie,' versetzte
Eyjolf, ,aber das möchte ich dir doch erzählen, daß sie fort ist
aus Island. Du bekommst keinen Pfennig.' Thorkel erkannte,
daß dies die Wahrheit war, und so trennten sie sich.
7. Gunnar bei Gudrun am Heiligen
Berge
Von Thorkel, Eyjolfs Sohn, ist zu berichten, daß er zur
Hochzeit nach dem Heiligen Berge kam und viele Gäste
dazu. Am Abend, als die Leute sich die Hände wuschen, hielt
Gunnar, der Töter Thidrandis, den Gästen das Wasserbecken
vor, auch Thorkel, Eyjolfs Sohne. Er hatte einen breitrandigen
Hut auf. Thorkel kam der Mann bekannt vor, und er fragte
nach seinem Namm. Er nannte irgend einen, aber nicht den
richtigen. Thorkel ließ Gudrun holen und sagte, er verlange,
daß Thidrandis Töter den Hof verlasse; es gehe nicht an, daß
sie beide dort wären. Als Gudrun das hatte hören müssen,
versetzte sie, ihr sei es ebenso recht, wenn sie Thorkel, Eyjolfs
Sohn, nicht zum Manne bekäme und erden Weg, den er
gekommen, wieder abzöge. ,So viel ist er mir nicht wert,' sagte
sie, ,daß ich um seinetwillen Leute preisgebe, die ich zu schützen
entschlossen bin.' Der Gode Snorri war auch dort, ein Freund
der Gudrun. Mit dem zusammen hatte sie hundertzwanzig
Mann bei der Hand. So mußte Thorkel einsehen, daß es das
Geratenste für ihn war, sich zu fügen. Die Heirat zwischen
Thorkel und Gudrun kam zustande.
Mit Hilfe des Goden Snorri verhalf Gudrun Gunnar zur
Abreise und entließ ihn freundlich. Er segelte nach Norwegen
und kam nie wieder nach Island zurück. Von dort schickte er
Gudrun wertvolle Geschenke und ließ Sveinki sagen, er solle
mit seiner ganzen Habe nach Norwegen auswandern. Der tat
es. Gunnar nahm ihn vortrefflich auf und verschaffte ihm ein
gutes Auskommen. Er blieb in Norwegen bis in sein hohes
Alter.
Hier schließt die Erzählung von Gunnar, dem Töter Thidrandis
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Die Geschichte vom
Freyspriester Hrafnkel
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1. Von Hallfred
Es war in den Tagen des Königs Harald Schönhaar, daß
ein Mann mit seinem Schiffe nach Island kam — Hallfred
hieß er -, ins Breite Tal, das ist unterhalb vom Fließhalbeztrk
. An Bord waren seine Frau und sein Sohn, der hieß
Hrafnkel. Er war damals füntzehn Winter alt, stand schon
seinen Mann und versprach das beste,
Hallfred baute sich an. Im ersten Winter starb eine ausländische
Magd, die Arnthrud hieß, und darum heißt es dort seitdem
Arnthrudhausen. Aber im Frühjahr zog Hallfred nach
Norden über die Bergheide und baute sich neu an, da, wo es
im Geißtal heißt. Und eines Nachts träumte ihm, wie jemand
an ihn herankam und sagte: ,Da liegst du, Hallfred, sorglos,
wie du bist! Zieh weg, nach Westen über das Seefließ; da
findest du dein Glück!' Danach erwacht er und zieht nun weg
über die Rangach nach dem Werder, dahin, wo es seitdem
Hallfredhausen heißt, und da wohnte er dann bis in sein hohes
Alter. Ein Eber und ein Ziegenbock aber wurden an der alten
Stelle vergessen. Und am selben Tage ging ein Bergrutsch
nieder auf die Häuser, und die guten Tiere kamen dabei um;
daher heißt der Ort seitdem Im Gelßtal.
2. Von Hrafnkel
Der junge Hrafnkel hatte die Gewohnheit, im Sommer
weit hinauszureiten auf die Heiden. Damals war das
Gletschertal schon ganz besiedelt bis hinauf zu der Brücke. So
ritt Hrafnkel einmal den Fließtalbezirk hinauf und sah, daß
ein unbewohntes Tal vom Gletschertal ausging. Das schien
ihm einladender als alle Täler, die er früher gesehen hatte.
Als Hrafnkel heimkam, verlangte er von seinem Vater sein
Erbe und sagte, er wolle sich eine Wohnstatt bauen. Das gewährte
sein Vater ihm, und er baute sich an in jenem Tale
und nannte den Hof Adelfarm. Hrafnkel heiratete Oddbjörg,
Skötdolfs Tochter, aus dem Lachsachentale. Die beiden bekamen
zwei Söhne; der ältere hieß Thorir, der jüngere Asbjörn.
Sobald aber Hrafnkel in Adelfarm sich festgesetzt hatte, da sing
Thule-Bd.12-076 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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er mächtig an zu opfern. Er ließ einen großen Tempel bauen,
Keinen Gott liebte er mehr als Frey, und ihm schenkte er von
allen seinen besten Besitzstücken die Hälfte.
Hrafnkel nahm das ganze Tal in Besitz und schenkte neuen
Ansiedlern Ländereien, aber er wollte ihr Häuptling sein und
machte sich zu ihrem Goden. 1 Daher bekam er einen Beinamen
und hieß Frey-Gode oder Freys-Priester. Er war ein großer
Gewaltmensch, aber ein tüchtiger Kerl. Er brachte die Leute
vom Gletschertal unter sich, daß sie seine Thingmannen 2 wurden,
war lind und feundlich gegen seine eigenen Leute, aber
hart und unbeugsam gegen die Gletschertalleute, und die fanden
bei ihm ihr Recht nicht. Hrafnkel war groß in Zweikämpfen
, zahlte aber für niemand Buße, denn es bekam überhaupt
keiner von ihm Buße, was er auch tat.
Der Fließtalbezirk ist unwegsam, sehr steinig und schlammig.
Und doch ritten Vater und Sohn regelmäßig zu einander,
denn sie kamen gut zusammen aus. Hallfred fand aber den
Weg beschwerlich, und so suchte er sich einen andern über die
Vorberge der Fließtalheide. Da fand er es trockener, wenn auch
weiter zu reiten. Das heißt die Hallfredgasse. Dieser Weg ist
nur für solche, die sich besonders gut auskennen dort in der
Gegend.
3. Von Freyfaxi, Einar und Sam
Es war ein Mann namens Bjarni, der wohnte auf dem
Hof Zu den Quellhäusern; das ist im Hrafukelstal. Er
war verheiratet und hatte mit seiner Frau zwei Söhne; der
eine hieß Sam, der andere Eyvind. beides wackere, tüchtige
Männer. Eyvind lebte zu Hause bei seinem Vater Sam dagegen
war verheiratet und wohnte im nördlichen Teil des
Tales auf dem Hofe Spielball; er war recht wohlhabend. Sam
war etwas wie ein Händelsucher und ein guter Gesetzeskenner.
Später ging Eyvind zur See, fuhr heim nach Norwegen und
überwinterte dort. Von da reiste er weiter in die Ferne, machte
halt in Byzanz, kam zu Ehren beim Griechenkaiser und blieb
dort längere Zeit.
Thule-Bd.12-077 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Hrafnkel hatte unter seinem vieh ein kostbares Tier, das war
ihm mehr wert als andere Wertstücke: es war ein Hengst,
mausgrau von Farbe, mit einem schwarzen Streifen auf dem
Rücken. Er nannte ihn seinen Freyfaxi, denn erbaue auch
von diesem Hengste seinem Freunde Frey die Hälfte geschenkt.
Zu dem Pferde batie er eine solche Liebe, daß er einen Eid
schwor, wer ihn ritte ohne seinen Willen, den wolle er totschlagen
.
Es war ein Mann, namens Thorbjörn, ein Bruder Bjarnis.
Er wohnte auf dem Hofe Hol im Hrafnkelstal, gegenüber
Adelfarm auf der Ostseite. Thorbjörn hatte wenig vermögen,
dagegen eine Menge unversorgter Kinder. Ein Sohn von ihm
hieß Einar - der älteste; der war groß und kräftig.
Eines Frühjahrs war es, daß Thorbjörn zu Einar sagte, er
solle sich irgendwo ein Unterkommen suchen; ,denn', sagte er,
ich brauche nicht mehr Arbeitskräfte, als ich ohne dich hier
habe; du aber wirst leicht ein Unterkommen finden, denn du
bist kräftig. Das ist es nicht, daß ich dich nicht lieb hätte —du
stehst mir ja am nächsten von meinen Kindern; die Sache ist
vielmehr die, daß ich ja nichts habe und ein armer Schlucker
bin. Meine andern Kinder müssen sich auch dereinst selbst durchschlagen
; du wirst leichter unterkommen als sie.' Einar erwiderte:
,Das hättest du mir eher sagen sollen, denn nun haben
alle sich Stellen gesucht und natürlich die besten fortgenommen.
Was noch übrig bleibt, behagt mir wenig.'
Eines Tages nahm Einar sein Pferd und ritt nach Adelfarm.
Hrafnkel saß in der Stube. Er nahm seinen Gruß gut auf,
ganz heiter. Einar fragte nach einer Dienststelle bei Hrafnkel.
Der antwortete: ,Warum kommst du erst jetzt damit: Dich
hätte ich vor allen andern genommen! Jetzt hab ich aber schon
alles Gesinde angestellt — ausgenommen eine Arbeit, die du
gewiß nicht haben willst.' Einar Sagte, was das für eine Arbeit
wäre. Hrafnkel sagte, er habe noch keinen Mann bei den
Schafen; gerade das sei aber nicht jedermanns Sache. Einar
meinte, es sei ihm gleich, was er zu tun bekäme, ob es nun
dies oder etwas anderes wäre; er wolle nur für ein Jahr sein
Unterkommen haben. ,Du sollst gleich erfahren, woran du
Thule-Bd.12-078 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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bist,' sagte Hrafnkel, ,du hast fünfzig Schafe auf der Alm zu
hüten und das ganze Sommerholz heranzuschaffen. Dafür
bekommst du Unterhalt auf ein Jahr. Über eins aber will ich
dich noch aufklären, ebenso wie meine andern Hirten. Im Tale
geht Freyfaxi mit seinen Stuten. Auf ihn mußt du ein Auge
haben Sommer und Winter. Warnen aber will ich dich vor
einem: setze dich nie dem Tiere auf den Rücken, und wenn die
Not noch so groß ist! Denn das habe ich hoch und teuer geschworen
, daß ich jeden totschläge, der auf ihm reitet. Zu ihm
gehören zwölf Stuten; davon kannst du jede zum Reiten nehmen,
bei Tage oder bei Nacht. Richte dich nun nach meinen
Worten! Mit Warnen ist wenig getan, sagt das alte Sprichwort.
Jedenfalls weißt du, was ich geschworen habe!' Einar
sagte, so etwas werde ihm nicht passieren, daß er ein Pferd
ritte, das ihm verboten sei, wenn doch noch viele andere da
wären. Dann ritt er heim, seine Kleider zu holen, und siedelte
über nach Adelfarm.
Bald zog man im Hrafnkelstal auf die Alm, zur Steinfeldhütte
. Einar traf es gut den Sommer über, so daß nie ein
Schaf abhanden kam bis Mittsommer. Dann aber fehlten an
einem und demselben Morgen beinahe dreißig Schafe. Einar
suchte auf allen Weiden und fand nichts. Sie fehlten ihm beinahe
eine Woche. Da ging er eines Tages in aller Frühe aus.
Nebel und Niederschlag hatten sich verzogen. Er nahm einen
Stab in die Hand, Gebiß und Reitdecke und ging damit über
die Steinfeldache, die an der Sennhütte vorbeifloß. Da lag
am Ufer sein Vieh, das am Abend vorher zur Stelle gewesen
war. Er trieb es zur Hütte und ging auf die Suche nach dem
übrigen. Bald sah er vor sich am Ufer die Pferde weiden und
wollte sich eine Stute greifen zum Reiten, meinte, ein Reiter
käme besser vorwärts als ein Wanderer. Wie er an die Pferde
herankam, machte er Jagd auf sie. Die Tiere aber, die nie
einen Reiter getragen hatten, waren scheu. Nur Freyfaxi nicht ;
der stand wie angewurzelt. Einar bedachte, daß die Zeit verging,
und meinte, Hrafnkel werde es nicht erfahren, wenn er
das Pferd ritte. Er nahm es beim Kopf, legte ihm das Gebiß
an, die Decke auf den Rücken, saß auf und ritt an der
Thule-Bd.12-079 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Steinfeldkluft bergauf und weiter bergauf zu den Gletschern,
westwärts an den Gletschern entlang bis dahin, wo die Gletscherach
an ihrem Fuße fließt, dann flußabwärts nach Rauchalm
. Er fragte alle Schäfer auf der Alm, ob einer das Vieh
gesehen hätte, und keiner sagte, er habe es gesehen.
Einar hatte den Freyfaxi geritten vom ersten Tageslicht bis
gegen Abend. Der Hengst hatte ihn schnell eine weite Strecke
getragen, denn er war ein guter Renner. Nun fiel ihm ein,
es wäre Zeit heimzukehren und erst das Vieh ins Haus zu
treiben, das beim Hause war, wenn er auch das andere nicht
fände. Und er ritt nach Osten über die Bergrücken. Als er
aber zum Steinfeld hinab kam, da hörte er Schafe blöken weiter
vorne in der Kluft, da, wo er am Morgen entlang geritten
war. Er lenkte dahin und sah dreißig Schafe, die ihm entgegen
liefen, dieselben, die er eine Woche vermißt hatte, und
er trieb sie heim mit dem übrigen Vieh.
Der Hengst war ganz naß von Schweiß, so daß jedes Haar
ihm triefte, war stark mit Lehm bespritzt und todmüde. Er
wälzte sich an die zwölfmal herum, ließ ein lautes Wiehern
hören und setzte sich dann in schnellen Lauf den Weg hinab.
Einar liep ihm nach, wollte ihm zuvorkommen, ihn ergreifen
und zu den Stuten zurückfahren, aber der Hengst war so
störrisch, daß Einar nicht an ihn herankonnte. Er trabte das
Tal hinab und machte erst halt, als er in Adelfarm ankam.
Hrafnkel saß gerade beim Essen. Als der Hengst an die Tür
kam, wieherte er laut. Hrafnkel sagte zu einer Frau, die bei
Tisch bediente, sie solle zur Tür gehn, denn ein Roß wiehere,
und es sei ihm so vorgekommen, als wäre es Freyfaxis Stimme.
Sie trat in die Tür, sah Freyfaxi schlimm zugerichtet und erzählte
Hrafnkel, Freyfaxi sei draußen vor der Tür, übel anzusehen
. ,Was mag das gute Tier wollen, daß es heimgekommen
ist sagte Hrafnkel, ,das bedeutet nichts Gutes" Und er
ging hinaus, sah Freyfaxi und sprach zu ihm: ,Das ist schlimm,
lieber Freund, daß dir so mitgespielt ist! Aber du hast deinen
verstand gebraucht; daß du es mir erzähltest: es soll gerächt
werden. Geh nun zu deinem Gesinde!' Das Tier trabte sogleich
talaufwärts zu seinen Stuten.
Thule-Bd.12-080 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Hrafnkel ging zu Bett und schlief die Nacht hindurch. Am
Morgen ließ er sich ein Pferd bringen und einen Sattel auflegen
und ritt zur Alm hinauf. Er war in blauen Kleidern.
Eine Art hatte er in der Hand, doch sonst keine Waffen.
Einar hatte gerade neues vieh in die Hürden getrieben. Er
lag über den Zaun und zählte die Schafe, und die Frauen saßen
beim Melken. Alle grüßten den Herrn. Er Sagte, wie die
Arbeit ginge. Einar antwortete: ,Schlecht ist es mir ergangen,
denn es fehlten dreißig Schafe beinahe eine Woche; aber jetzt
sind sie gefunden.' Jener sagte, das rechne er nicht; ob denn
nichts Schlimmeres vorgefallen sei; ,daß Vieh gefehlt hat,'
meinte er, ,hätte leicht noch öfter vorkommen können; aber wie
ist's? hast du nicht gestern ein wenig auf Freyfaxi geritten:
Einar antwortete, er könne es nicht bestreiten. Hrafnkel sagte:
Warum rittest du gerade dieses Roß, das dir verboten war,
wo es doch solche genug gab, die dir erlaubt waren: . . . Ich
hätte dir diese eine Sache durchgehn lassen, hätte ich nicht hoch
und heilig geschworen. Aber ein tüchtiger Bursche bist du doch!'
Und jener Aberglaube, daß dem nie etwas Gutes blühe, der
ein Gelübde bricht, der machte, daß er vom Pferde sprang,
auf ihn zu, und ihm den Todesstreich versetzte. Darauf ritt er
ohne weiteres heim nach Adelfarm, erzählte, was geschehen
war, und schickte einen andern Mann zu den Schafen auf die
Alm. Einars Leiche aber ließ er auf die Halde schaffen und
beim Grabe einen Steinhaufen errichten. Das heißt die Einars warte
sie liegt westlich von der Sennhütte.
Die Kunde von Einars Fall kam nach Hol zu Thorbjörn,
seinem Vater Der nahm das übel auf. Er stieg zu Pferde,
ritt hinüber nach Adelfarm und forderte von Hrafnkel Buße
für den Tod seines Sohnes. Dieser sagte, er habe mehr Männer
erschlagen als diesen einen: ,es ist dir nicht neu, daß ich
für niemand Buße zahle, und darein wird man sich nun einmal
finden müssen. Und doch ist mir so, als hätte ich schon an
bessere Stellen getroffen als diesmal. Du bist lange mein Nachbar
gewesen, ich bin gut mit dir ausgekommen. und ebenso du
mit mir. Es wäre zwischen Einar und mir nicht das geringste
vorgefallen, hätte er nicht den Hengst geritten. Man hat's
Thule-Bd.12-081 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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wohl oft ;u bereuen, wenn man zuviel gesagt hat; die Reue
käme seltener, wenn man weniger sagte. Kur;, ich will sehen
lassen, daß ich mit dieser meiner Tat weniger zufrieden bin
als mit andern der Art: ich will deinen Hof ausrüsten mit
Milchvieh im Sommer und mit Fleisch im Herbst; und das
will ich Jahr für Jahr tun, solange du wirtschaften magst.
Deine Söhne und Töchter werden wir ausstatten mit meiner
Beihilfe und sie so in Gang bringen, daß es ihnen später gut
geht. Und alles, was du in meinem Haushalt vorhanden weißt
und selber brauchst fortan, das sollst du mir nennen, sollst
fortan nichts mehr entbehren, was du nötig hast. Du sollst
wirtschaften, solange es dir Vergnügen macht, aber zu mir
ziehen, sobald du es satt hast, da will ich für dich sorgen bis
zu deinem Ende. Damit wird alles zwischen uns ausgeglichen
sein . . . Mich dünki, mancher wird sagen, ich lasse mir den
Einar etwas kosten.' ,Darauf gehe ich nicht ein', sagte Thorbjörn
. ,Worauf denn?' fragte Hrafnkel. Da sagte Thorbjörn:
Ich verlange Schiedsrichter" Hrafnkel erwiderte: ,Du stellst
dich auf gleichen Fuß mit mir; so werden wir uns nie vergleichen.'
Da ritt Thorbjörn weg und den Bezirk hinab. Er kam zu den
Quellhäufern, suchte seinen Bruder Bjarni auf erzählte ihm,
was vorgefallen, und bat ihn, er möge in der Angelegenheit
das Seinige tun. Bjarni meinte, mit so einem wie Hrafnkel
könne er nicht anbinden; ,wenn ich auch Geld genug habe,'
sagte er. ,so kann ich mich doch im Streit mit Hrafnkel nicht
messen. Es bleibt dabei: stark ist, wer sich nicht stärker dünkt,
als er ist! Jener hat schon manchen untergekriegt, der sich besser
stand als ich. Mir scheint, du hast wenig verstand gezeigt, ein
so gutes Anerbieten zu verschmähen. Ich gebe mich hiermit
nicht ab.' Thorbjörn sprach manches bittere Wort zu seinem
Bruder; je mehr auf dem Spiel stehe, desto weniger Tatkraft
sei in ihm, sagte er. Dann ritt er fort; der Abschied war nicht
gerade freundlich.
Er machte erst halt, als er unten in Spielhall war. Da klopfte
er an die Tür. Drinnen rührten sich Schritte. Thorbjörn bat
Sam herauszukommen. Sam begrüßte seinen Oheim und lud
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ihn zum Bleiben ein. Aber jener zeigte wenig Lust dazu. Sam
sah ihm seinen Kummer an und Sagte, was geschehen sei. Da
berichtete Thorbjörn den Fall seines Sohnes Einar. ,Nichts
Ungewöhnliches', sagte Sam, ,ein Totschlag von Hrafnkel.'
Thorbjörn fragte, ob Sam ihm helfen wolle: ,die Sache liegt
ja so, daß der Hieb auw von dir nicht allzu fern gefallen ist,
wenn auch der Mann mir am allernächsten stand.' ,Hast du
dich, wie es geziemend ist, irgendwie an Hrafnkel selbst gewandt"
Thorbjörn erzählte die ganze Wahrheit darüber,.
wie es zwischen ihm und Hrafnkel gegangen war. ,Davon
hörte ich nie,' sagte Sam, ,daß Hrafnkel jemandem ein solches
Angebot gemacht hätte wie jetzt dir. Reiten wir zusammen
nach Adelfarm hinauf gehn behutsam mit Hrafnkel um und
überzeugen uns, ob er sein Angebot noch aufrecht hält. Du
sollst sehen, er benimmt sich anständig.' ,Erstens', versetzte
Thorbjörn, ,wird Hrafnkel jetzt nicht mehr wollen; und dann
gefällt mir die Sache jetzt um nichts besser als wie ich von ihm
ritt.' ,Schwer, Hrafnkel die Stange zu halten', sagte Sam. Thorbjörn
antwortete: ,Ich will dir sagen, warum ihr Jungen nicht
in die Höhe kommt: ihr seid zu leicht eingeschüchtert! Ich glaube,
niemand hat eine so windige verwandtschaft wie ich. Wenig
anständig kommen mir solche Leute vor wie du, der du dich für
einen Rechtspraktikus hältst und auf kleine Händel versessen
bist, diese Sache aber nicht angreifen willst, die so sonnenklar
ist. Du wirst üble Nachrede einheimsen, wie in der Ordnung,
denn du bist sonst der Unternehmendste in unserer Sippe. Nun
ist es ja wohl klar, wohin die Sache steuert!' Sam versetzte:
Was hast du davon, wenn ich die Sache in die Hand nehme,
und es geht uns dann gemeinsam schlecht?' ,Ein großer Trost
ist mir's doch,' antwortete Thorbjörn, ,es geht dann, wie es
gehn muß.' Sam entgegnete: ,Ungern lass' ich mich darauf
ein. Ich tue es mehr aus Freundschaft zu dir. Und glaube mir:
wer dir in dieser Sache hilft, hilft einem Toren.' Damit hielt
Sam seine Hand hin und übernahm den Prozeß von Thorbjörn
. Er ließ sich ein Pferd satteln, ritt das Tal entlang auf
einen Hof, meldete den Totschlag und warb Hilfsmannschaft
gegen Hrafnkel. Der hörte davon und fand es lächerlich, daß
Thule-Bd.12-083 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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ein Mann wie Sam sich auf einen Prozeß einließ gegen einen
Mann wie er.
Es wurde Winter. Jm Frühjahr, als die Vorladungszeit kam,
ritt Sam hinauf nach Adelfarm und lud Hrafnkel vor wegen
des Totschlages an Einar. Dann kam er zurück und lud die
Nachbarn als Beisitzer auf dem Thing. Eine Zeitlang blieb er
still daheim, bis die Leute sich zum Thingritt rüsteten.
Da schickte Hrafnkel Boten talabwärts und bot seine Leute
auf. An siebzig Thingmannen begleiteten ihn. Mit dieser
Schar ritt er durch den Fließtalbezirk, um das Seende herum,
den Hals ins Rutschental, dieses hinauf dann südwärts über
die Axtheide zum Bärinnenfjord, endlich den großen Thingmannenweg
an der Halde geradeaus. Vom Fließtal bis zum Thingfeld
sind siebzehn Tageritte.
Als Hrafnkel aus dem Bezirk heraus war, sammelte auch Sam
Mannschaft. Die er mitnahm, waren meist anhanglose Leute,
außer denen, die er schon geladen hatte. Er verschaffte ihnen
Waffen, Kleider und Nahrung für die Reise. Dann verließ er
das Tal auf einem andern Wege: erst nördlich auf die Brücke
zu, über die Brücke und weiter über die Nesseltalheide; im
Nesseltal übernachteten sie. Weiter ging's zum Schulterbreitenwerder
, oben an den Blauen Bergen hin, ins Hakental und
dann nach Süden auf den Sprengisand. So kamen sie herab
um Schafsberg und von da auf die Thingebene. Hrafnkel
war noch nicht da; er brauchte länger, denn er hatte den weiteren
Weg. Sam schlug seine Baracken abseits von den Plätzen
auf, wo sonst die Ostfjordleute zu bauen pflegen.
Wenig später erschien Hrafnkel auf dem Thing. Er schlug an
der gewohnten Stelle seine Bude auf und erfuhr, daß Sam
anwesend war. Das kam ihm lächerlich vor.
Das Thing war diesesmal stark besucht. Die meisten Häuptlinge,
die es auf Island gab, waren anwesend. Sam suchte sie
alle auf und bat um Schutz und Hilfe. Aber alle hatten dieselbe
Antwort: keiner glaubte bei Sam so hoch in der Schuld
;u stehn, daß er sich entschlossen hätte, um seinetwillen mit
dem Goden Hrafnkel anzubinden und die eigene Stellung aufs
Spiel zu setzen. Sie versicherten einstimmig, es sei den Meisten
Thule-Bd.12-084 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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gleich ergangen, die mit Hrafnkel Thiiigitreitigfeiien gehabt
hätten, nämlich allen gleich schlimm. Sam ging beim zu seiner
Bude. Ihm und Thorbjörn war traurig zu Mute. Sie fürchteten,
ihre Sache würde im Sande verlaufen und ihnen nichts
einbringen als Schande und Schmach. Und so sehr nahmen
sie sich dies zu Herzen, daß sie weder schliefen noch aßen, weil
alle Häuptlinge sie im Stich ließen, auch die, von denen sie
Hilfe erwartet hatten.
4. Der Retter in der Not
Es war eines Morgens früh, als der alte Thorbjörn erwachte
. Er weckte Sam: ,Steh auf; ich kann nicht
schlafen.' Sam stand auf und fuhr in seine Kleider. Sie gingen
hinaus, zum Axtfluß hinab, unterhalb der Brücke, und wuschen
sich dort. Thorbjörn sagte zu Sam: ,Das ist mein Rat,
daß du unsere Pferde zusammentreiben läßt und wir nach
Hause reiten. Es ist ja nun klar, daß uns nichts bevorsteht als
Schmach.' Sam antwortete: ,Das ist gut, denn du wolltest ja
durchaus mit Hrafnkel anbinden und schlugst Anerbietungen
aus, die mancher, der um einen Verwandten trauert, gern angenommen
hätte. Uns, die wir von der Sache nichts wissen
wollten, schaltest du Memmen. Jetzt aber werde ich nicht abladen,
bis ich sehe, daß wir etwas erreichen.' Das wurde Thorbjörn
zu viel: er sing an zu weinen.
Da sahen sie am jenseitigen Ufer, ein wenig flußabwärts, fünf
Männer aus einer Baracke treten. Der voranging, war hochgewachsen
, doch nicht der kräftigste an Wuchs; er trug einen
laubgrünen Rock und in der Hand ein verziertes Schweri; ein
Mann von regelmäßigen Gesichtszügen, frischer Farbe und
stattlichem Äußern; hellbraun und üppig das Haar. Dieser
Mann war leicht kenntlich, denn er hatte eine weiße Stelle in
seinem Haar auf der linken Seite. Sam sagte: ,Laß uns aufstehn
und hinübergehn, jenen Leuten entgegen" Sie gingen
den Fluß hinab. und der Mann, der voranging, grüßte sie zuerst
und fragte, wer sie wären. Sie nannten ihre Namen. Sam
Sagte den Mann nach dem seinigen, und er nannte sich Thorkel
Sohn des Thjostar. Sam fragte nach seiner Verwandtschaft
Thule-Bd.12-085 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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und Heimat. Er sagte, er stamme nach Geschlecht und Herkunft
aus dem Westlande und sei am Dorschfjord daheim.
Sam Sagte: ,Bist du Gode?' Er verneinte es. ,Was für einer
bist du denn?' fragte Sam. ,Ein anhangloser Mann bin ich,'
antwortete jener; ,letzten Winter kam ich ins Land; bin sieben
Jahre auswärts gewesen und bis nach By anz gekommen,
bin Gefolgsmann des Griechenkaisers. Jetzt bin ich zu Gast
bei meinem Bruder, der Thorgeir heißt.' ,Ist der Gode?' fragte
Sam. ,Gewiß ist er Gode, am Dorschfjord und weiter herum
im Westlande.' ,Ist er hier auf dem Thing ,Gewiß ist er
hier.' ,Wie stark ist seine Mannschaft?' ,Gegen siebzig,' sagte
Thorkel. ,Seid ihr noch mehr Brüder?' fragte Sam. ,Noch
ein dritter.' ,Wer ist das?' ,Er heißt Thormod und wohnt in
Gard auf dem Schwanenkap. Seine Frau ist Thordis, die
Tochter Thorolfs, Enkelin Skallagrims von Borg."
Willst du uns helfen?' sagte Sam. ,Was tut euch not?' fragte
Thorkel. ,Hilfsmannschaft und Häuptlingsstärke,' war die
Antwort" denn wir haben zu tun mit dem Freyspriester Hrafnkel
wegen des erschlagenen Einar. Thorbjörns Sohn, eine
Sache, die wir wohl zu Ende bringen können mit deiner Hilfe.'
Thorkel versetzte: ,Ich sagte schon, daß ich kein Godentum habe.'
Warum hast du dich beiseite schieben lassen: Du bist doch
ein Häuptlingssohn so gut wie dein Bruder!' Thorkel erwiderte:
,Das sagte ich nicht, daß ich nie ein Godentum besessen
hätte. Aber ich übertrug es, ehe ich außer Landes ging, meinem
Bruder Thorgeir. Später habe ich es ihm gelassen, denn
mir scheint, es ist bei ihm gut aufgehoben. Ihn solltet ihr aufsuchen
. Bittet ihn um seine Fürsorge. Er ist kraftvollen Sinnes,
ein wackerer Bursche und steht nach jeder Richtung seinen Mann,
dabei ist er jung und ehrgeizig. Solche Männer sind es am
ehesten, von denen ihr Hilfe erwarten könnt.' Sam: ,Wir
werden nichts von ihm erreichen, wenn du nicht unsere Bitte
unterstützt.' Thorkel: ,So viel will ich versprechen, daß ich eher
mit als gegen euch sein werde. Denn mir scheint, jedermann
bat Grund genug, für einen erschlagenen Verwandten einzutreten.
Thule-Bd.12-086 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Gebt nun voran zur Hütte und hinein. Die Leute liegen
noch im Schlaf. Quer über die Hütte werdet ihr zwei Schlafsäcke
liegen sehen. Aus dem einen komme ich eben, in dem
andern liegt mein Bruder Thorgeir. Er hat, seit er auf dem
Thing ist, ein großes Geschwür am Fuß gehabt und daher
nachts wenig geschlafen. Diese Nacht ist es aufgegangen, und
der Eiter ist heraus. Danach ist er eingeschlafen und hat den
Fuß aus dem Schlafsäcke herausgestreckt auf das Fußbreit,
weil ihm so heiß ist am Fuß, — Der Alte da soll vorangehn,
immer weiter in die Hütte hinein. Er kommt mir recht altersschwach
vor, auch an den Augen . . .Wenn du an den Schlafsack
kommst, Mann, so mußt du arg stolpern. Fall auf das
Fußbreit, pack die sehe, die verbunden ist, zieh sie an dich heran
und sieh zu, wie er sich dazu stellt.' Sam versetzte: ,Ich
zweifle nicht, daß du guten Rat für uns hast; aber dies scheint
mir nicht rätlich.' Thorkel antwortete: ,Ihr habt die Wahl:
tut, was ich euch vorschreibe, -der rechnet nicht auf meine
Hilfe.' Sam nahm das Wort und sagte: ,Tun wir nach seinem
Rat!' Thorkel erklärte, er werde nachkommen; er warte auf
seine Leute.
Sam und Thorbjörn machten sich auf und kamen in die Hütte.
Alle Leute schliefen noch. Sie sahen gleich, wo Thorgeir lag.
Der alte Thorbjörn ging voran und stolperte sehr, und als er
an den Schlafsack kam, da siel er auf das Fußbreit, ergriff
die kranke Zehe und zog sie an sich. Darüber erwachte Thorgeir,
sprang aus dem Sack auf und fragte, wer so tölpelhaft
daherkäme, daß er Leuten auf die Füße trete, die kaum genesen
wären. Sam und Thorbjörn wußten nichts zu antworten.
Da betrat Thorkel die Hütte und sagte zu Thorgeir:
Sicht so zornig, Bruder! Dir wird's wohl nicht schaden. Man
greift wohl einmal daneben, und es kommt vor, daß man nicht
auf alles gleich gut achten kann, wenn man den Kopf voll
Sorgen hat. Es ist zu begreifen, Bruder, wenn dir dein Fuß
noch web tut, in dem ein arges Übel gesteckt hat; das wirst
du selbst am besten wissen. Es mag aber wohl sein, daß es
einem alten Manne nicht weniger weh tut, wenn sein Sohn
gefallen ist, er keine Buße erhält und sich nicht helfen kann;
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das wird er selbst am besten wissen! Und es ist kein Wunder.
wenn ein solcher Mann nicht auf alles gut achten kann, denn
er hat den Kopf voll Sorgen.'
Thorgeir sagte: ,Mich wundert, das er mich dafür verantwortlich
macht. Ich habe seinen Sohn nicht erschlagen, und
so kommt die Rache bei mir an die falsche Stelle.' ,Es war
nicht als Rache gemeint,' sagte Thorkel, ,er hat dich nur härter
angerannt, als er wollte. Das kommt von seinen schlechten
Augen. Er hoffte auf deine Hilfe. Es wäre eine wackere Tat,
einem alten Manne beizustehn, der es nötig bai. Er ist in
einer Zwangslage und klagt keineswegs nur zum Vergnügen
um den gefallenen Sohn. Alle Häuptlinge aber versagen den
Leuten ihre Hilfe und zeigen damit, daß sie keine wackern
Männer sind.' Thorgeir Sagte: ,Gegen wen klagen die Leute:
Thorkel antwortete: ,Der Gode Hrafnkel hat den Sohn dieses
Thorbjörn ohne Grund erschlagen. Er begeht eine Untat nach
der andern und gibt niemandem Genugtuung.' Thorgeir
sagte: ,Es wird mir so gehn wie den andern: ich erinnere mich
nicht, den Leuten derart zu Dank verpflichtet zu sein, daß ich
mich mit Hrafnkel einlassen möchte. Mir scheint, er schert alle,
die gegen ihn klagen, Sommer für Sommer über denselben
Kamm: sie erreichen von ihm nichts oder wenig; allen ergeht
es gleich, soweit ich sehe. Das ist wohl der Grund, weshalb
die Wenigsten dazu Lust haben, solange sie nicht geradezu gezwungen
sind.' Thorkel sagte: ,Kann sein, daß ich auch
spräche, wenn ich Häuptling wäre. Aber ich sehe doch nicht so
große Hindernisse wie du. Ich möchte mich gerade gerne mit
so einem messen, dem bisher niemand hat standhalten können.
Dadurch würde ich —oder der betreffende Häuptling, der dem
Hrafnkel eins versetzte — im Ansehen steigen, und jedenfalls
nicht sinken, auch wenn es mir so schlecht gehn sollte wie den
andern. Denn das Sprichwort sagt: mich kann treffen, was
manchen trifft; aber auch: gewagt ist schon halb gewonnen.'
Ich sehe,' sagte Thorgeir, ,wie es mit dir steht: du biss entschlossen
, den Leuten zu helfen. So will ich dir denn mein
Godentum und meine Herrschaft, die du früher gehabt hast,
zurückgeben. Künftig wollen wir es zusammen verwalten,
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und du kannst dann allen helfen, denen du willst.' ,Mich dünkt,
sagte Thorkel, ,unser Godentum ist am besten bei dir aufgehoben
. Keinem gönne ich es so wie dir, denn du hast unter
uns Brüdern am meisten von dem, was dem Manne wohl
ansteht. Ich aber bin im Augenblick noch unschlüssig, was ich
beginnen soll, und du weißt selbst, Bruder, daß ich mich kaum
in irgend etwas gemischt habe, seit ich nach Island kam. Jetzt
kann ich einmal erproben, wie viel mein Rat gilt. Weiter die
Sache betreiben werde ich nicht. Kann sein, daß Thorkel Fleck
noch einmal wohin kommt, wo seine Worte schwerer wiegen.'
Thorgeir sagte: ,Nun sehe ich, wie du es meinst, Bruder: es
ist dir nicht recht so. Das konnte ich nicht wissen. Wir wollen
uns also, wenn du es so haben möchtest, der Leute annehmen,
es gehe dann, wie es mag!' Thorkel sagte: ,Ich pflege nur um
solche Dinge zu bitten, die zu gewähren nach meiner Überzeugung
das Richtige ist'
Was glauben die Leute selbst dazu tun zu können, daß ihre
Sache guten Fortgang nimmt: 'Sagte Thorgeir. ,Es istso, wie ich
heute schon sagte,' antwortete Sam: ,wir brauchen Unterstützung
von Häuptlingen. Vorbringen werde ich die Sache schon selbst.'
Thorgeir erklärte, dann sei es leicht, ihm zu helfen; ,nun kommt
es darauf an,' meinte er, ,die Sache so korrekt wie möglich
einzuleiten. Mich dünkt aber, Thorkel wünscht, daß ihr ihn
aufsucht, ehe die Gerichte zusammentreten. Eins von zweien
werdet ihr dann für euer heißes Bemühen zum Lohn bekommen:
entweder ein bißchen Trost, oder aber Demütigung mehr
noch als bisher, Arger und Kummer. Geht nun heim und seid
fröhlich, denn wenn ihr mit Hrafnkel euch messen wollt, so
müsst ihr eine Zeitlang den Kopf hoch tragen. Erzählt es aber
niemand, daß wir euch Hilfe versprochen haben.' Da gingen
sie heim ;u ihrer Hütte, ließen Bier bringen und waren
fröhlich. Die Leute wunderten sich, daß sie so schnell umgestimmt
waren, denn sie waren ja so traurig am Morgen aufgebrochen
,
Sie warteten, bis die Gerichte zusammentraten. Dann rief Sam
seine Leute zusammen und ging zum Gesetzesfelsen, wo das
Gericht tagte. Er trat dreist heran, begann sogleich die Zeugen
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aufzurufen und brachte seine Klage gegen den Goden Hrafnkel
vor, genau nach den Landesvorschriften, unbarmherzig, in
klingendem vortrag. Alsbald erschienen auch die Thjostarsöhne
mit starkem Gefolge. Alle Leute aus dem Westlande
hatten ihnen Zuzug geleistet, und es zeigte sich, daß die Thjostarsöhne
beliebte Männer waren. Sam führte die Anklage
bis zu dem Punkte, wo Hrafnkel aufgefordert wurde, sich zu
verteidigen, wenn nicht etwa jemand da wäre, der für ihn die
verteidigung führen wolle in richtigem Rechtsgänge. Lauter
Beifall folgte Sams Rede. Keiner meldete sich, um Hrafnkel zu
verteidigen. Einige Leute sprangen Hrafnkels Hütte und
erzählten ihm, was im Werke war. Er gab sofort Folge, ließ
seine Leute aufstehn und ging zu den Gerichten. Er wußte
wohl, daß an verteidigung kaum zu denken sei, gedachte aber
den kleinen Leuten, die gegen ihn klagten, das Handwerk zu
legen, wollte dem Sam das Gericht auseinander jagen und
ihm den Prozeß zerschlagen. Aber dazu war keine Aussicht-Es
stand eine solche Menge Menschen davor, daß Hrafnkel
nicht herankam. vielmehr wurde er mit großer Übermacht
weggedrängt, sodaß es ihm nicht einmal vergönnt ward, die
Rede seiner Ankläger zu hören. Es fiel ihm also schwer, seine
verteidigung vorzubringen. Indessen führte Sam die Anklage
bis zu Ende: bis die Acht heraussprang für Hrafnkel.
Hrafnkel ging zu seiner Hütte, ließ die Pferde satteln und verließ
das Thing, übel zufrieden mit dem Urteil, denn erbaue
ein solches noch nie erlebt. Er ritt auf die Lyngtalheide und
weiter zur Halde und geradeswegs nach Hause ins Hrafnkelstal.
Dort ließ er sich in Adelfarm nieder und tat, als wäre
nichts geschehen.
Sam aber war noch auf dem Thing und trug den Kopf nicht
niedrig. viele waren mit dem Ablauf der Sache wohl zufrieden
, daß Hrafnkel einmal blamiert war; sie dachten daran,
wie manchem er zu nahe getreten war. Sam wartete, bis das
Thing sich auflöste und die Leute sich zur Heimreise anschickten.
Er dankte den Brüdern für ihre Hilfe. Da fragte ihn Thorgeir
lachend, wie er über die Sache dächte. Er äußerte sich sehr
zufrieden. Thorgeir sagte: ,Glaubst du jetzt weiter zu sein als
Thule-Bd.12-090 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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vorher: Darauf Sam: ,Hrafnkel hat eine Schande erlebt,
von der man noch lange sprechen wird, von dieser seiner Schande,
und das ersetzt eine hohe Geldbuße.' ,Der Mann ist nur halb
geächtet, solange die Exekution nicht vollzogen ist, und das
muß an seiner Heimstätte geschehen, vierzehn Tage nach der
Waffennahme.' Waffennahme heißt es, wenn die Landsgemeinde
vom Thing reitet. ,Und ich glaube,' fuhr Thorgeir
fort, ,Hrafnkel ist heimgekommen und gedenkt, in Adelfarm
zu bleiben. Er wird auch, euch zum Trotz, nach wie vor Gode
sein. Du aber gedenkst jedenfalls heimzureiten und dich in
deinen Hof zu setzen — wenn du dazu kommst, was der günstigste
Fall ist. Dein Prozeß hat dir dann das eingebracht, daß
du ihn Waldmann' nennen darfst. Aber seine Schreckensherrschaft
wird andauern — wenn es dir nicht etwa noch extra
schlimm ergeht.' ,Das geht mich nichts an', sagte Sam. ,Du
bist ein tüchtiger Kerl', sagte Thorgeir, ,und mich dünkt, mein
Bruder Thorkel, nachdem er einmal A gesagt hat, wird auch
B sagen. Er wird dir zur Seite stehn, bis der Handel zwischen
dir und Hrafnkel ganz ausgetragen ist, so daß du dann ruhig
leben kannst. Ihr werdet finden, daß wir die Nächsten dazu
sind, euch zur Seite zu stehn, da wir uns vorher am tiefsten
auf die Sache eingelassen haben. Wohlan, wir wollen dir
helfen, dich auf eine Zeitlang in die Ostfjorde begleiten. Weißt
du einen Weg dahin. der keine allgemeine Landstraße ist"
Sam erklärte, er werde denselben Weg einschlagen, den er gekommen
war. Und er war froh hierüber.
5. Wie das Urteil vollstreckt ward
Thorgeir wählte sein Gefolge aus und nahm vierzig Mann
mit. Sam hatte auch vierzig Mann. Der Trupp war
gut bewaffnet und beritten. Sie ritten alle denselben Weg,
bis sie in der Morgendämmerung ins Gletschertal kamen. Sie
überschritten die Brücke der Gletscherach. Es war der Morgen
deo Tages, an dem die Exekution vollzogen werden mußte.
Da fragte Thorgeir, wie sie am besten unbemerkt herankam
Thule-Bd.12-091 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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men könnten. Sam sagte, dafür wisse er Rat. Sogleich bog
er vom Wege ab, hinauf auf den Rücken und dann den Berg
ug zwischen Gletschertal und Hrafnkelstat entlang, bis sie
von außen herum unter die Spitze des Berges kamen, an dessen
Fuße das Gehöft Adelfarm liegt. Grasige Klüfte zogen sich zur
Hochebene hinauf, aber zum Tal hinab war der Abhang steil,
und gerade unterhalb stand das Gehöft,
Da stieg Sam vom Pferde und sagte: ,Lassen wir unsere Pferde
weiden, zwanzig mann bleiben bei ihnen zurück. Wir andern
sechzig greifen das Gehöft an. Da unten wird wohl noch
niemand auf den Beinen sein.' Man tat, wie er vorschrieb,
und es heißt dort seitdem die Roßklüfte,
Bald waren sie unten beim Gehöft. Da war die Zeit des Aufstehens
vorüber. doch die Leute lagen noch im Schlaf. Sie
stießen die Tür mit einem Balken auf und sprangen hinein.
Hrafnkel lag in seinem Bette. Sie holten ihn heraus und alle
seine Hausgenossen, soweit sie waffenfähig waren. Frauen
und Kinder wurden in ein Haus getrieben.
Im Hofe stand ein einzelnes Vorratsgebäude, von dem ein
Balken, um Kleider aufzuhängen, zur Wand des Wohnhauses
hinüberführte. Dorthin brachten sie Hrafnkel und seine Leute.
Er bot hohes Lösegeld für sich und die Seinen. Als das nichts
half, bat er um das Leben seiner Leute, ,denn sie haben euch
nichts zu Leide getan,' sagte er, ,ssr mich aber ist es keine Unehre,
wenn ihr mich totschlägt. Um dem zu entgehn, sage ich
kein Wort. Gegen Mißhandlungen aber erhebe ich Einspruch.
Davon habt ihr keine Ehre.' Thorkel erwiderte: ,Wir haben
gehört, du bist gegen deine Feinde stets wenig gefällig gewesen.
Es trifft sich gut, daß du heute selbst solche Erfahrung machen
kannst.' Und sie ergriffen Hrafnkel und seine Leute und banden
ihnen die Hände auf dem Rücken. Dann erbrachen sie das
vorratshaus, nahmen Stricke von den Haken herab, bohrten
mit den Messern Löcher in ihre Fersen, zogen die Stricke hindurch
, warfen die Enden über den Balken und hängten sie
alle acht daran auf. Da sagte Thorgeir: ,Nun bist du endlich
in der Stellung, Hrafnkel, die du schon längst hättest einnehmen
sollen. Du hättest wohl kaum geglaubt, daß je von irgend einer
Thule-Bd.12-092 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Seite eine solche Schmach über dich kommen würde, wie jetzt
bier zu sehen ist! —Wofür entscheidest du dich nun, Thorkel:
willst du hier bei Hrafnkel sitzen und sie bewachen, : der lieber
mit Sam hinausgehn bis auf Bogen schuß weite vom Gehöft
und von einem Steinhügel aus, wo weder Acker noch Wiese
ist, die Exekution verkünden?' Dies mußte dazumal geschehen,
wenn die Sonne genau im Süden stand. Thorkel sagte: ,Ich
will hier bei Hrafnkel sitzen; das scheint mir die leichtere Aufgabe.'
Da gingen Thorgeir und Sam und verkündeten die
Exekution. Sie kamen zurück, nahmen Hrafnkel und seine
Leute herab und setzten sie im Hofe nieder, die hatten ganz blutunterlaufene
Augen.
Da sagte Thorgeir zu Sam, er möge jetzt mit Hrafnkel anfangen,
was er wolle; ,denn jetzt sieht er mir nicht mehr gefährlich
aus', sagte er. Sam gab da Bescheid: ,Ich lasse dir die
Wahl, Hrafnkel: entweder führen wir dich hinaus und mit
dir die von deinen Leuten, die du willst, und schlagen dich tot.
Weil du aber für viel hilfloses Pack zu sorgen hast, so will
ich dir vergönnen, diese Fürsorge auszuüben. Willst du also
am Leben bleiben, so verlaß mit deinem ganzen Anhang Adelfarm
und nimm nur so viel Geld und Gut mit, als ich dir
zumesse. Das wird aber nur gans wenig sein können, wenn
ich Hof und Herrschaft von dir übernehmen soll. Du darfst nie
Ansprüche darauf erheben und ebensowenig deine Erben. Du
darfst nicht näher wohnen als östlich vom Fließ. Willst du
hieraufeingehn, fo magst du es mir durch Handschlag zusichern.'
Hrafnkel rel versetzte: ,Manchem würde ein schneller Tod besser
dünken als solche Mißhandlungen. Aber mir wird es gehn
wie andern vor mir: ich ergreife die Gelegenheit und wähle
das Leben. Hauptsächlich tue ich es um meiner Söhne willen,
denn aus ihnen wird nichts, wenn ich ihnen wegsterbe.'
Daraufhin wurde Hrafnkel losgebunden und überließ Sam,
die Bedingungen festzusetzen. Sam teilte ihm so viel Habe zu,
wie ihm genehm war, und es war in der Tai wenig. Seinen
Spieß behielt Hrafnkel, doch sonst keine Waffen. Noch denselben
Tag verließ er Adelfarm und mit ihm alle seine Hausgenossen.
Thule-Bd.12-093 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Thorkel sagte zu Sam: ,Ich weiß nicht, was du dir hierbei
denkst. Du wirst es selbst am meisten bereuen, daß du ihm das
Leben läßt.' Sam erklärte, es gehe nicht anders.
Hrafnkel zog durch den Fließtalbezirk und quer über das Fließtal
auf die Ost seite des Seefließes. Beim Seende lag ein kleiner
Hof, der Lothilla hieß. Diesen Besitz kaufte Hrafnkel auf
Borg, denn seine Mittel reichten eben hin zum Wirtschaftsbetrieb.
Man redete viel davon, wie sein Übermut so plötzlich
ein Ende genommen hatte, und manchem fiel das Sprichwort
ein, daß Hochmut vor dem Fall kommt.
Das neue Land war sehr waldig und unwegsam, die Häuser
baufällig, und darum kaufte er alles billig. Aber Hrafnkel ließ
es sich nicht verdrießen, fällte den Wald, so groß er war, und
errichtete da ein stattliches Gehöft, das später Hrafnkelshausen
hieß und immer für einen wertvollen Hof gegolten hat. Die
ersten Jahre aber wohnte Hrafnkel doch recht unbehaglich. Solange
das Gehöft im Bau war, legte er selbst mit Hand an.
Anfangs zog er im Winter Kälber und Lämmer auf, und er
brachte sie gut durch, so daß fast jedes Tier, das zu versorgen
war, am Leben blieb. Man konnte beinahe sagen: jedes Tier
hatte zwei Köpfe. Gleich im ersten Sommer gab das Fischen
im Seefließ reichen Ertrag, das kam den Leuten dort im Bezirk
für ihre Wirtschaft zugute, und es blieb so in den nächsten
Sommern.
6. Wie es Freyfaxi erging
Auf Adelfarm wurde Sam Hrafnkels Nachfolger. Bald
richtete er ein stattliches Gastmahl aus und lud dazu alle,
die des vorigen Goden Thingleute gewesen waren. Er erbat
sich, an Hrafnkels Statt ihr vormann zu sein. Die Leute sagten
ja dazu, dachten aber doch noch verschieden darüber. Die Thjostarsöhne
ihm, freundlich, freigebig und hilfreich gegen seine
Mannen zu sein, eine kräftige Stütze für jeden, der seiner bedürfte:
,Tust du das, so sind sie keine Männer, wenn sie dir nicht
willig Gefolgschaft leisten bei allem, wozu du sie brauchst. Wir
raten dir dies deshalb. weil wir möchten, daß dir alles wohl
gerät, denn du giltst uns als ein wackerer Mann. Achte also
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wohl auf alles und sieh dich vor, denn schwer ist's, den Schlechten
auszuweichen.'
Die Thjostarsöhne ließen auch Freyfaxi und seine Stuten holm
und erklärten, diese Prachtstücke sehen zu wollen, von denen
so viel erzählt wurde. Die Pferde wurden vorgeführt, und die
Brüder betrachteten sie. Da sagte Thorgeir: ,Die Stuten scheinen
mir nötig für die Wirtschaft. Ich rate, daß sie eingespannt
werden und sich nützlich machen, bis sie alt und aufgebraucht
sind. Der Hengst dagegen dünkt mich nicht besser als andere
Hengste, vielmehr schlimmer, weil so manches Schlimme von
ihm ausgegangen ist. Ich will nicht; daß noch mehr Totschläge
von ihm ausgehn, als er schon verschuldet hat. Es scheint in
der Ordnung, daß der ihn bekommt, dem er gehört.' Sie führten
den Hengst die Ebene hinab. Unten am Flusse ist ein Felsen
und davor eine tiefe Stelle im Grunde. Auf diesen Felsen führten
sie den Hengst. Die Thjostarsöhne zogen ihm einen Sack
über den Kopf, nahmen lange Stangen und jagten ihn vorwärts
ins Wasser hinab. Da sie ihm einen Stein an den Hals
gebunden hatten, kam er uni. Der Felsen heißt seitdem Frey-
Weiter abwärts standen die Tempel, die Hrafnkel gehört hatten.
Thorkel wollte dorthin. Er ließ sämtliche Götterbilder plündern,
dann den Tempel anzünden und alles verbrennen.
Danach brachen die Gäste auf. Sam wählte wertvolle Geschenke
für beide Brüder, sie versprachen sich gegenseitig treues Zu-
sammenhalten und schieden als gute Freunde. Die Brüder
ritten geradeswegs ins Westland und kamen ruhmvoll heim
zum Dorschfjord. Sam ließ den alten Thorbjörn in Spielball
wohnen. Sams Frau sog zu ihm nach Adelfarm, und er wohnte
dort von nun an.
7. Hrafnkel auf Hrafnkelshausen
Drüben im Fließtal hörte Hrafnkel, daß die Thjostarsöhne
Freyfaxi ertränkt und den Tempel verbrannt hatten.
Da sagte er: ,Dummes Zeug der Glaube an die Götter!' und
erklärte, von jetzt an nicht mehr auf Götter zu vertrauen. Er
bandelte auch danach, opferte niemals mehr.
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Hrafnkel saß auf Hrafnkelshausen und häufte seine Habe. Er
gedieh bald zu hohem Ansehen im Bezirk, so daß jeder so sitzen
und so stehn wollte wie Hrafnkel. Damals kamen besonders
viel Schiffe aus Norwegen nach Island, und viele neue Ansiedler
ließen sich zu Hrafnkels Zeit gerade in jenem Bezirk
nieder. Aber zur Selbständigkeit brachten es nur die, die
Hrafnkel um Erlaubnis baten. Alle mußten sich ihm zur Gefolgschaft
verpflichten. Er versprach dagegen seinen Schutz.
Das ganze Land östlich vom Seefließ unterwarf er sich. Und
diese Thingmannschaft wurde bald weit größer und zahlreicher
als seine frühere. Sie reichte hinauf ins Rutschental und das
ganze Seefließ entlang.
Mit seiner Sinnesart war eine Veränderung vorgegangen. Er
war viel beliebter als früher. Was wirtschaftliches Streben und
Gastfreiheit anging, so blieb er derselbe. Aber der Mann war in
allen Stücken ruhiger, leutseliger und umgänglicher als zuvor.
Oft trafen er und Sam einander bei Versammlungen, doch
erwähnten sie niemals, was zwischen ihnen vorgefallen war.
So ging es sieben Jahre. Sam war beliebt bei seinen Thingleuten
, denn er war umgänglich, friedliebend und willig sum
Beistand, wohl eingedenk dessen, was die Brüder ihm geraten
hatten, und er hielt dabei auf prächtiges Auftreten.
8. Von Eyvind, Bjarnis Sohn
Es wird berichtet, daß in die Rotwalförde ein Schiff einlief
. Der Steuermann war Eyvind, Bjarnis Sohn. Er
war sieben Jahre draußen gewesen, hatte sich tüchtig herausgemacht
und war ein starker, mutiger Mann geworden. Bald
erfuhr er, was vorgegangen war, sagte aber wenig dazu. Er
war einer von denen, die sich nicht gern um alles kümmern.
Sobald Sam benachrichtigt wurde, ritt er zum Schiff. Es gab
ein frohes Wiedersehen zwischen den Brüdern. Sam lud Eyvind
zu sich ein. Der nahm es an und bat Sam, vorauszureiten
und ihm Pferde entgegenzuschicken für seine Waren.
Er ließ sein Schiff auf den Strand ziehen und festmachen. In
wischen tat Sam nach seiner Bitte, ritt heim und ließ Eyvind
Pferde entgegentreiben.
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Als dieser seine Waren aufgepackt hatte, brach er auf nach dem
Hrafnkelstal und sog die Rotwalförde entlang. Sie waren
ihrer fünf; dazu kam als sechster Eyvinds junger Diener. Der
war Isländer von Geburt und mit Eyvind entfernt verwandt,
Eyvind batie den Zungen dem Elend entrissen, mit nach Norwegen
genommen und wie seinen eigenen Sohn gehalten. Diese
Handlungsweise Eyvinds war allgemein bekannt, und es gab
nur eine Stimme darüber, daß wenige seinesgleichen wären.
Sie ritten hinauf auf die Thorirtalheide und trieben sechzehn
beladene Packpferde vor sich her. Es waren zwei Knechte Sams
und drei Schiffsleute, alle in bunten Kleidern und mit blanken
Schilden. Sie überquerten das Rutschental und kamen
über den Hals ins Fließtal, beim Bolungfeld, und hinab auf
den Gilsachstrand; der tritt von Osten an das Fließ heran zwischen
Hallormshausen und Hrafnkelshausen. Sie ritten am
Seefließ aufwärts, unterhalb der Felder von Hrafnkelshausen
um das Seende herum und bei der Häuserfurt über die kleine
Gletscherach. Da war es mitten zwischen Weck zeit und Frühstückszeit.
Eine Magd stand am Wasser und spülte ihre Wäsche.
Sie sah die Reiter, raffte die Wäsche zusammen und lief heim,
Draußen bei einem Holzstoß warf sie sie hin und sprang ins
Haus. Hrafnkel war noch nicht aufgestanden, auch einige Vor knechte
lagen noch im Schlafraum. die Arbeitsleute aber waren
aufs Feld gegangen. Es war um die Zeit der Heuarbeit.
Als die Frau hereinkam, sing sie an: ,Wahr ist, was die väter
sagten: je älter, um so sager! Rasch zu Ansehen kommen ist
nichts wert, wenn man dann nicht mehr weiß, wao man 1ich
schuldig ist und sich nicht getraut, einmal Genugtuung zu nehmen
inen! Sehr zu verwundern ist so etwas bei einem Manne; der
einst tüchtig war! Umgekehrt ist es mit solchen, die beim Vater
aufwachsen und von euch übersehen werden, dann aber, wenn
sie erwachsen find, ein Land nach dem andern durchstreifen und
nirgends, wo sie hinkommen, übersehen werden — und dann
kommen sie heim und gelten mehr als die Häuptlinge. Eyvind,
Bjarnis Sohn, ist eben bei der Häuserfurt über den Fluß geritten
mit so blankem Schild, daß es nur so leuchtete; er istein
ansehnlicher Mann - es würde sich lohnen!' Die Magd war
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tüchtig im Zuge. Hrafnkel stand auf und antwortete ihr: ,Kann
sein, daß du so ziemlich die Wahrheit sagst — und offenbar
nicht zu deinem eigenen Nutzen. Es geziemt sich, daß du auch
deine Mühe davon hast. Lauf, so schnell du kannst, nach Weitfelden
zu den Söhnen des Hallstein, Sigvat und Snorri. Sag'
ihnen, sie sollen sogleich zu mir kommen mit allen Waffenfähigen
, die bei ihnen sind.'
Eine weite Magd schickte er nach Hrolfshausen, um die Söhne
des Hrolf, Thord und Halli, mit ihren waffenfähigen Leuten
zu holen. Beide, die von Weitfelden und Hrolfshausen, waren
Männer von Ruf und Erfahrung. Auch nach seinen Knechten
schickte Hrafnkel. Sie wurden ihrer achtzehn, waffneten sich in
Eile und ritten über den Fluß, jenen nach,
Da waren Eyvind und seine Leute auf die Heide gelangt. Er
ritt westwärts durch die Bessigasse mitten auf die Heide. Da
ist ein offenes Moor, es reitet sich da wie durch lauter Schlamm,
und der reichte ihnen immerfort bis ans Knie oder gar halb
den Oberschenkel hinauf, zuweilen bis an den Leib; unten ist
es hart wie Fels. Westlich folgt eine nackte Felsplatte. Als
sie diese erreichten, sah der Bursche sich um und sagte zu Eyvind
Es reiten Leute hinter uns her, nicht weniger als achtzehn.
Dabei ist ein großer Mann in blauen Kleidern, der sieht mir
wie der Gode Hrafnkel aus; freilich hab' ich den lange nicht
gesehen.' Eyvind entgegnete: ,Was geht uns das an: Ich habe
von Hrafnkel nichts zu fürchten, hab ihm nichts getan. Er wird
Geschäfte haben drüben im Gletschertal, vielleicht will er Freunde
dort besuchen.' Der Bursche antwortete: ,Mir ist, als wollte
er dich besuchen.' ,Meines Wissens,' sagte Eyvind, ,hat er mit
meinem Bruder Sam nichts gehabt, seit sie sich damals versöhnten.'
Der Bursche antwortete ,Ich wünschte, daß du dich
westwärts ins Tal davon machst; da wirst du geborgen sein.
Ich kenne Hrafnkels Sinnesart: bekommt er dich nicht, so wird
er uns nichts tun. Alles ist in Ordnung, wenn du in Sicherheit
bist. Da ist dann eben der Fuchs aus dem Eisen geschlüpft.
Und es ist gut, was auch aus uns wird.' Eyvind erklärte,
er werde sich nicht so eilig davon machen; ,ich weiß ja gar
nicht, was das für Leute sind,' sagte er, ,manchem würde
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es lächerlich vorkommen, wenn ich so ins Blaue hinein auskneife'
Sie ritten über das Steinfeld hinaus. Da hatten sie vor sich
ein zweites Moor, das Ochsenmoor; das ist weithin mit Gras
bewachsen. Es hat solche Schlammmassen, daß es beinahe unwegsam
ist. Deshalb hatte seinerzeit der alte Hallfred die Straße
oben herum gelegt, obwohl das weiter war. Eyvind ritt in
das Moor hinein. Da saßen bald die Lasttiere im Schlamme
fest, und das hielt sie sehr auf. Jene aber, die ledig ritten,
kamen schnell näher und ritten bald ihrerseits in das Moor
hinein. Da hatten Eyvind und die Seinen den jenseitigen Rand
erreicht, und nun erkannten sie Hrafnkel und seine beiden Söhne.
Man bat Eyvind, davonzureiten: ,die unwegsamen Strecken
liegen alle hinter uns; du wirst Adelfarm erreichen, ehe sie über
das Moor herüber sind.' Eyvind antwortete: ,Ich fliehe nicht
vor Leuten, denen ich nichts zu leide getan habe.'
Sie reiten auf den Bergrücken hinauf. Oben erheben sich einzelne
Anhöhen und vor der einen ein verwehter Strandhaferhügel
, der rings steil abfiel. Zu diesem Hügel reitet Eyvind,
steigt ab und wartet. ,Jetzt wird sich gleich zeigen, was sie vorhaben,'
sagt er. Sie besteigen den Hügel und brechen oben eine
Anzahl Steine los. Inzwischen biegt Hrafnkel vom Wege ab
und auf den Hügel zu. Ohne ein Wort zu sagen, beginnt er
sogleich den Angriff. Eyvind wehrt sich gut und wacker.
Sein Bursche wußte sich nicht kräftig genug zum Kämpfen,
nahm sein Pferd, ritt über den Bergrücken nach Adelfarm und
meldete Sam, was los war. Sam gab sogleich Folge und
schickte nach Leuten. Sie wurden ihrer zwanzig; es war eine
wohlausgerüstete Schar. Mit ihnen ritt Sam auf die Heide
hinauf und dahin, wo der Kampfplatz gewesen war. Da hatte
es sich zwischen ihnen entschieden. Man sah Hrafnkel ostwärts
davon reiten. Eyvind war gefallen und mit ihm alle
seine Leute.
Das erste, was Sam tat, war, nachzusehen, ob sein Bruder
noch ins Leben zurückzurufen war. Aber das Stück Arbeit
war gründlich getan: sie waren alle fünf tot. Auf Hrafnkels
Seite waren zwölf gefallen; sechs ritten von dannen.
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Sam hielt sich nicht lange auf und befahl seinen Leuten, die
verfolgung aufzunehmen. Hrafnkel und die Seinen ritten, so
scharf sie konnten, hatten aber müde Pferde. Da sagte Sam:
Einholen können wir sie, denn sie haben müde Pferde und wir
lauter frische. Ob es uns gelingt, muß sich zeigen, ehe sie von
der Heide herunter sind.' Inzwischen war Hrafnkel bis auf die
Ostseite des Ochsenmoors gekommen. Es ritten nun beide
Parteien, bis Sam an den Rand der Heide gelangte. Da sah
er, daß Hrafnkel schon weit hinab in die vorhügel gekommen
war, und erkannte, daß er ins flache Land entwischen würde.
Da sagte er; ,Hier wollen wir umkehren, denn Hrafnkel wird
Zuzug erhalten.'
Damit kehrte Sam um, kam an die Stelle, wo Eyvind lag,
griff zu und bestattete ihn und seine Gefährten unter einem
Hügel. Seitdem heißt es dort Eyvindhügel, Eyvindberg und
Eyvindial.
Dann ritt Sam mit der ganzen Ware nach Hause nach Adelfarm.
Heimgekommen schickte er nach seinen Thingleuten, sie
sollten am nächsten Morgen vor dem Frühstück sich einfinden.
Er wollte ostwärts über die Heide — und ,werde dann, was
mag!' Als Sam am Abend zu Bett ging, war schon ein guter
Teil der Mannen zur Stelle.
9. Hrafnkels Rückkehr
Hrafnkel ritt heim und erzählte, was geschehen war. Er
ass und sammelte gleich Mannschaft, so daß er gegen
siebzig beisammen hatte, ritt mit diesem Gefolge über die Heide,
erschien unerwartet in Adelfarm, ergriff Sam in seinem Bett
und führte ihn vor das Haus. Da sprach Hrafnkel: ,Jetzt bist
du in eine Lage gekommen, Sam, die du noch vor kurzem für
unwahrscheinlich gehalten hättest. Dein Leben steht in meiner
Hand. Nun will ich dich nicht weniger anständig behandeln,
als du mich behandelt hast. Ich lasse dir die Wahl: entweder
du wirst totgeschlagen —das andere ist, daß ich allein zwischen
uns das Urteil finde.' Sam erklärte, er siehe das Leben vor,
finde aber, daß beides hart sei. Hrafnkel sagte, das könne er
glauben, ,aber', meinte er, ,wir sind es dir ja so schuldig; und
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ich würde dich doppelt so gut behandeln, wenn es der Mühe
wert wäre. Du sollst von Adelfarm umziehen nach Spielball
unten und da auf deinem Hofe bleiben. Mitnehmen kannst du
die Sachen, die Eyvind gehört haben, sonst nichts; nur das,
was du seinerzeit hierher mitgebracht hast, das sollst du alles
auch wieder fortnehmen. Ich will mein Godentum wieder übernehmen,
ebenso den Hof und die Heimstatt. Ich sehe, daß mein
Besitz tüchtig gewachsen ist; davon sollst du keinen Nutzen
haben. Eyvind, deinen Bruder, soll keine Buße gezahlt
werden, weil du die Buße für deinen früher gefallenen verwandten
so schonungslos eingetrieben hast. Ihr habt reichlich
Genugtuung für Einars Tod, indem du sechs Jahre Herrschaft
und Habe besessen hast. Eyvinds und seiner Leute Fall dünki
mich nicht mehr wert als jene Mißhandlung an mir und meinen
Leuten. Du vertriebst mich aus dem Bezirk; ich aber lasse mir
daran genügen, daß du in Spielhall sitzt. Das wird dir gefallen,
so lange du dir keine verlegenheiten ertrotzt. Mein Untertan
sollst du sein, so lange wir beide leben. Du kannst darauf
rechnen, daß es dir um so schlimmer ergehn wird, je öfter wir
beide in Streit geraten.' Sam zog mit seinen Hausgenossen
fort, hinunter nach Spielhall, und bezog wieder seinen alten
Hof.
10. Sams Besuch am Dorschfjord
Hrafnkel mit seinen Leuten richtete sich auf Adelfarm ein.
Auf Hrafnkelshausen ließ er seinen Sohn Thorir wohnen-so
war er Gode über beide Bezirke. Asbjörn blieb beim Vater
im Hause, denn er war noch zu jung.
Sam saß den Winter über still in Spielhall. Er war schweigsam
und gab sich mit wenig Dingen ab. Es war offenkundig,
daß ihm seine Lage wenig behagte.
Als im Winter die Tage länger wurden, brach Sam mit einem
Begleiter auf, nahm aber drei Pferde mit. Er ritt über die Brücke, von
da über die Nesseltalheide und dann über die westliche
Gletscherach, weiter zum Mückensee, über die Fließheide, durch
die Lauterseescharte; und er machte erst halt, als er drüben die
Westküste erreichte und an den Dorschfjord kam. Dort wurde
Thule-Bd.12-101 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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er gut aufgenommen. Thorkel war gerade wieder von der Reise
heimgekehrt, nachdem er vier Jahre auswärts gewesen.
Sam blieb eine Woche und ruhte sich aus. Dann erzählte er
den Brüdern seinen Handel mit Hrafnkel und bat sie, ihm noch
einmal Hilfe und Mannschaft zu leiden. Diesmal führte hauptsächlich
Thorgeir das Wort für die Brüder. Er erklärte, der
Sache fern bleiben zu wollen — ,es ist zu weit von uno zu
euch. Wir meinten dich gut in Gang gebracht zu haben, ehe wir
dich verließen, so daß es dir leicht wäre, dich zu halten. Es ist
gekommen, wie ich mir dachte, als du Hrafnkel das Leben
schenktest. Ich sagte dir, das würdest du selbst am meisten bereuen
. Wir trieben dich an, Hrafnkel aus der Welt zu schaffen.
Aber du liesest dir nicht dreinreden. Jetzt ist es klar, wie viel
klüger er ist als du. Er ließ dich anfangs ruhig hausen und
ging dir erst zu Leibe, als er den andern aus dem Wege geräumt
hatte, der ihm wichtiger schien als du. Für dein Pech
können wir nicht aufkommen. Auch ist uns nicht gerade so viel
daran gelegen, mit Hrafnkel uns zu messen, daß wir unsere Stellung
darum noch einmal aufs Spiel setzen möchten. Aber wir wollen
dich mit den Deinigen hierher einladen, daß du unter unserm
Schutze lebst —falls du dir hier ein Leben mit leichterem Herzen
versprichst als unter Hrafnkels ?lugen.' Sam erklärte sich das
nicht zu getrauen, sagte, er wolle heim, und bat sie, ihm frische
Pferde für die seinigen zu geben. Alsbald war er reisefertig. Die
Brüder wollten Sam reich beschenken, er wollte aber nichts annehmen
und sagte, sie wären von kleinlicher Gesinnung.
Damit ritt Sam heim und wohnte nun in Spielhall bis in
sein Alter. Er kam nie mehr in die Höhe gegenüber Hrafnkel,
so lange er lebte.
Hrafnkel aber saß auf seinem Hofe und behauptete seine Stellung
. Er starb an einer Krankheit. Sein Hügel ist im Hrafnkelstal
hinter Adelfarm. Ins Grab mitgegeben wurde ihm viel
Gut, seine ganze Waffenrüstung und sein guter Speer.
Das Godentum erbten seine Söhne. Thorir wohnte auf
Hrafnkelshausen, Asbjörn auf Adelfarm. Sie verwalteten die
Godenschaft gemeinsam und galten für ansehnliche Männer.
Hier hat die Geschichte von Hrafnkel ein Ende.
Thule-Bd.12-103 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Die Geschichte von
Mn Söhnen der
Droplaug
Thule-Bd.12-105 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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1 . Wie Ketil Lärm seinen besten Kauf
machte
Es war ein Mann namens Ketil, mit dem Beinamen Lärm,
der wohnte im Rutschental auf dem Häuserhof. Und es
war ein Mann namens Atli, der war Ketils Bruder und zubenannt
Ätti Grütze. Sie wirtschafteten zusammen und waren
sehr wohlhabend, segelten ins Ausland als Kaufleute und erwarben
große Reichtümer. Ihr Vater hieß Thidrandi.
Eines Frühlings rüstete Ketil sein Schiff in der Rotwalförde,
denn dort hatte er es den Winter über stehn gehabt, und dann
stachen sie in See. Sie waren lange unterwegs, landeten
im Herbst in Konungahella 1 und zogen dort ihr Schiff ans
Land. Darauf kaufte Keul sich Pferde und ritt, zwölf Mann
stark, nach Jämteland zu einem Manne namens Bethorm. Der
war ein großer Häuptling und Ketils guter Freund. Sein Vater
war Rögnvald, der Sohn des Ketil von Roms dal. Vethorm
hatte drei Brüder, Grim, Guttorm und Ormar. Die waren
alle graße Krieger; im Winter lebten sie bei vethorm und im
Sommer auf Heerfahrten. Ketil blieb mit seinen Leuten den
Winter über dort.
Zu Vethorms Haushalt gehörten zwei Frauen unbekannter
Herkunft. Die eine tat alle Arbeit, die sie konnte; die andere
saß und nähte, und diese war die ältere. Die jüngere Frau
machte ihre Arbeit gut, aber man lohnte es ihr übel. Sie
weinte oft, und Ketil bemerkte das.
Eines Tages - Ketil war noch nicht lange dort — ging diese
Frau mit Wäsche zum Fluß und wusch. Dann wusch sie auch
ihren Kopf, und ihr Haar war reich und schön und kleidete
sie gut. Kerrt hatte sie bemerkt, ging ihr nach und fing ein
Gespräch mit ihr an. ,Wer bist du?' fragte er. ,Arnheid heiße
ich, 'versetzie sie. Darauf Ketil: ,Und deine Sippe" ,Ich sollte
meinen, das geht dich nichts' Er drang aber eisig in sie
und bat sie, es ihm zu sagen. Da sprach sie unter Tränen:
Mein Vater hieß Ashjörn ; man nannte ihn Scherenbliß. Er
herrschte über die Hebriden und war Jarl über die Inseln
Thule-Bd.12-106 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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nach Tryggvis Fall. Dann heerten vethorm und seine Brüder
dort mit achtzehn Schiffen. Sie kamen nachts sum Gehöft
meines Vaters und verbrannten ihn und alle Mannsleute im
Hause. Wir Frauen erlangten freien Ausgang. Mich und
meine Mutter, die Sigrid heißt, brachten sie hierher, die andern
Frauen verkauften sie als Mägde. Herr über die Inseln
ist jetzt Guttorm.'
Sie trennten sich. Am nächsten Tage sagte Keul zu vethorm:
Willst du mir Arnheid verkaufen: vethorm antwortete:
Weil wir Freunde sind, kannst du sie für ein halbes Hundert
Silbers 1 bekommen.' Ketil erbot sich noch Geld zu zahlen für
ihren Unterhalt, denn sie sollte nicht arbeiten. Und vethorm
versprach ihr denselben Unterhalt zu gewähren wie seinem
übrigen Gefolge.
In diesem Sommer kamen Vetborms Brüder Grim und Ormar
nach Hause von Heerfahrten in Schweden. Jeder der beiden
hatte ein Lastschiff, beladen mit seinem Beuteanteil. Sie
überwinterten bei vethorm und rüsteten im Frühjahr ihre
Schiffe zur Islandfahrt. Sie und Ketil gedachten zusammen
zu segeln. Und als sie vor der Wik 2 lagen, bat Arnheid Ketil,
er möge sie an Land gehn lassen, um sich Waldfrüchte zu sammeln
, und eine andere Frau mit ihr, die auch auf dem Schiffe
war. Er erlaubte es ihr, hieß sie aber nicht zu weit sich entfernen
. Die beiden gingen also an Land und kamen an den
Fuß eines Hügels. Da fing es stark an zu regnen. Arnheid
sagte: ,Geh zum Schiffe und bitte Ketil, daß er zu mir kommt.
Ich fühle mich krank.' Die andere tat es, und Ketil kam allein
zu Arnheid. Sie grüßte ihn und sprach: ,Sieh, ich habe hier
Kohlen gefunden.' Sie gruben den Sand auf, fanden eine
Kiste voll Silber und kehrten damit an Bord zurück. Retil
bot ihr an, er wolle sie mit dem Gelde zu ihren verwandten
bringen. Aber sie blieb lieber bei ibm.
Sie stachen in See, und die Schiffe kamen auseinander. Ketil
landete mit dem seinigen in der Rotwalförde, zog es auf den
Strand und begab sich auf seinen Hof. vierzehn Tage später
Thule-Bd.12-107 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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landete Ormar ebenfalls in der Rotwalförde; Ketil lud ihn
;u sich ein, und das Schiff wurde aufs Trockene gelegt. Im
selben Sommer kam Grim mit seinem Schiff an die ,Strande',
in den Hafen, der Kockensund heißt, und überwinterte bei einem
Manne namens Thorkcl. Im Frühjahr darauf ergriff er Besitz
von dem Lande, das seitdem Grimskap heißt, und wohnte am
Hausberge bis zu seinem Lebensende.
2. Von Ketils Nachkommen
Jetzt ist von Keul zu berichten, daß er sich Land kaufte
westlich vom Seefließ. Der Hof hieß Arnheidhausen, wo
er seitdem wohnte. Auf dem Frühjahrsthing kaufte er auch
Land für Ormar; das hieß Ormarhausen und lag am Seefließ
etwas weiter nach der Rüste zu; dort wohnte Ormar bis
in sein Alter. Bald kaufte sich Ketil auch ein Godentum
blankes Silber. Früher hatten er und sein Bruder, der Grützen
Atli, sich immer alles Geld geteilt. Nun kaufte Atli sich Land
auf der Ostseite des Seefließes, oberhalb von Hallormshausen,
an der Atlibucht, wie es seitdem heißt, und wohnte dort bis zu
seinem Tode. Jetzt sieht man dort Reste von viehställen.
Darauf hielt Keul Hochzeit mit Arnheid, denn sie war eine
sehr tüchtige Frau. Die beiden hatten einen Sohn namens
Thidrandi; der war ein großer und schöner Mensch. Ketil
starb früh. Da erbte Thidrandi des Vaters Vermögen und
Godentum.
es war ein Mann namens Havar, Sohn des Bessi, der der
kluge Bessi hieß, Er wohnte auf dem Felderkap, war verheiratet
und hatte zwei Kinder, einen Sohn Bessi und eine Tochter
Yngvild. Diese galt für die beste Partie dort in der Gegend.
Thidrandi warb um sie, und sie wurde seine Frau.
Es war ein Mann namens Egil, Er hatte das ganze Land
um den Nordfjord in Besitz genommen und wohnte da, wc
es Auf dem Kap heißt. Mit Beinamen hieß er der Rote und
war ein Sohn des Gothorm, war verheiratet und hatte eine
Tochter namens Ingibjörg, Um sie warb Bessi, Havars Sohn,
und sie wurde seine Frau und brachte ihm als Mitgift das
Kapland.
Thule-Bd.12-108 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Thidrandi und Yngvild hatten viele Kinder: ein Sohn hieß
Ketil, ein anderer Thorvald, eine Tochter Joreid (die Siduhall
heiratete), eine andere Hallkatla (die Frau Geitirs von
der Kreuzbucht in der Waffenförde), eine dritte Groa, die
weiter seewärts wohnte an der Eyvindache. Ein Sohn von
ihr hieß Bard. Als Keul und Thorvald erwachsen waren,
wurde ihr Vater Thidrandi krank und starb. Sie erbten sein
vermögen, konnten es aber nicht in Einigkeit verwalten. Thorvald
war groß, stark, schweigsam, von fester Sinnesart und
großem Ansehen im Bezirk. Ketil war fröhlich und gesprächig.
Sie teilten das Vermögen; Thorvald behielt Arnheidhausen,
Ketil bekam das Godentum, wohnte an der Njardbucht und
war ein großer Häuptling.
Es war ein Mann namens Thorgrim, der an den Schluchten
im nördlichen Gletschertal wohnte. Er war verheiratet und hatte
eine Tochter, die hieß Droplaug. Sie war schön und anstellig.
Um sie freite Thorvald. Die Ehe kam zustande, und es wurden
zwei Söhne geboren, erst Helgi, dann Grim; sie waren
nur ein Jahr auseinander. Thorvald wurde nicht alt. Nach
seinem Tode blieb Droplaug auf dem Hofe wohnen und bei
ihr ihre Söhne. Helgi war hochgewachsen, schön und stark,
ein fröhlicher Gesellschafter und von lautem Wesen. Um die
Wirtschaft mochte er sich nicht kümmern, war aber streitbar
wie nur einer. Grim war auch hochgewachsen und von starker
Hand, aber schweigsam und von ruhigem Wesen, dabei ein
eifriger Landwirt. Zu den Gewohnheiten der Brüder gehörten
Leibesübungen aller Art, und sie galten nach ihrer ganzen
Art für die ersten unter den jungen Leuten der Gegend, so
daß es ihresgleichen nicht gab.
3. Die Nachbarn. Helgis erste Tat
Ein Mann namens Bessi wohnte auf Bessihausen, Sohn
des Özur. Holmstein hieß ein Sohn von ihm, der
wohnte auf Weitfelden — dem südlichen — und hatte zur
Frau Aslaug, Thorirs Tochter, die Schwester des Goden
Hrafnkel.
Auf dem nördlichen Weitfelden wohnte Hallstein aus dem Breiten
Thule-Bd.12-109 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Tal. Er war reich und beliebt. Seine Frau hieß Thorgerd,
ihre drei Söhne Thord, Thorkel und Eindridi.
Auf Hrafnkelshausen wohnte Thorgeir.
Helgi, Asbjörns Sohn, wohnte auf Oddshausen, oberhalb der
Bocksach. Er war Gode und hatte Droplaug zur Frau, eine
Tochter Bessis, und mit ihr viele Kinder,
Ein Beuer Helgis hieß Hrafnkel. Er wohnte zu Bocksach und
war noch jung. Er und Helgi hatten das Godentum gemeinsam,
aber Helgi versah die Geschäfte.
Damals lebte ein Mann namens An, zubenannt der Trottel,
auf Gunnlaughausen unterhalb des Schmalen Kaps.
Ein gewisser Özur wohnte am Rücken, westlich vom Fließ,
ein Schwager Helgis. Von ihm wird berichtet, daß er ein
kluger Mann war und die Leute ihn oft in ihren Angelegenheiten
um Rat Sagten.
Ein gewisser Hjarrandi wohnte in Ongulsach, östlich vom Fließ,
auf den Feldern. Er hatte eine Tochter Helgis zur Frau, die
Thorkatla hieß.
Ein Mann namens Björn wohnte auf den Mooren westlich
von der Geißtalache, genannt Björn der Weiße und ebenfalls
verheiratet mit einer Tochter Helgis.
Es war damals Sitte, den Wöchnerinnen Speise und Trank
ins Haus zu bringen. So brach Droplaug, Helgis Frau, eines
Tages auf, um ihre Mutter Ingibjörg in Bessihausen zu besuchen
. Sie begleiteten zwei Knechte. Sie nahmen ein Gespann
Ochsen mit und dazu einen Schlitten. Droplaug blieb nur eine
Nacht dort oben, denn daheim in Oddshausen sollte den Tag
darauf ein Gastmahl sein. Es war kurz vor dem Frühjahrsthing
. Sie fuhren also heim über das Eis des Fließes. Als sie
an Hallormshausen vorbei waren, da festen sich die Knechte
in den Schlitten, denn die Ochsen konnten von da an den Weg
allein finden. Als sie aber die Bucht südlich von Oddshausen
erreichten, gerieten die Ochsen in ein Loch im Eise, und alle
ertranken. Seitdem heißt es dort die Knechtsbucht. Helgi empfing
die Nachricht unter vier Augen von seinem Schafhirten;
er verbot ihm, es weiter zu erzählen. Darauf besuchte Helgi
das Frühjahrsthing, verkaufte dort Oddshausen und kaufte
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dafür das Schmale Kap. Dorthin verlegte er seinen Wohnsitz
und hoffte so Droplaugs Tod eher zu verwinden.
Nicht lange danach warb Helgi, Asbjörns Sohn, um Thordis
Zotte, Brodd-Helgis Tochter, und er erhielt sie zur Frau
Auf dem Mückenkap, am Ostufer des Seefließes, nach dem
Meere zu, wohnte ein wann namens Thorir. Er war verheiratet
und sehr gescheit. Bei ihm lebte ein gewisser Thorgrim,
zubenannt der Mistkäfer.
Es war ein Mann namens Thorsinn. Der vermietete sich im
Sommer als Knecht, im Winter zog er als Händler mit Waren
herum. Im Herbste war er eingekehrt bei Thorir auf dem
Mückenkap und saß unter den Knechten am Feuer. Da begann
eine lebhafte Unterhaltung darüber, welche Frau die
beste wäre da im Bezirk, und man einigte sich auf Droplaug
von Arnheidhausen vor der müßten die meisten weichen. Da
sagte Thorgrim: ,Wäre sie ihrem Manne immer treu gewesen,
so könnte es wohl stimmen.' ,So etwas haben wir nie gehört,'
meinten alle. Inzwischen trat der Bauer Thorir hinzu und
hieß sie sogleich stille sein. Die Nacht verging. Thorsinn brach
auf, kam nach Arnheidhausen und berichtete Droplaug alles,
was Thorirs Knechte sich erzählt hatten. Sie ging nicht gleich
darauf ein, sondern schwieg.
Eines Morgens Sagte Helgi seine Mutter, was ihr fehle. Und
sie erzählte den Brüdern die Verleumdung, die Thorgrim Mistkäfer
ihr nachgesagt hatte: ,aber diese Schmach werdet ihr doch
nicht rächen, so wenig wie irgend eine andere, mag es auch die
meine sein" Sie taten, als hörten sie nicht, was sie sprach.
Helgi war damals dreizehn, Grim zwölf Jahre.
Nicht lange, so machten sie sich auf und sagten, sie wollten
einen Verwandtschaftsbe such machen in Eyvin dach bei Groa
Wirklich gingen sie über das Eis dorthin und blieben eine
Nacht dort. Am Morgen standen sie früh auf. Groa Sagte,
was sie vorhätten, und sie antworteten ,Schneehühner gilt
es zu jagen.' Sie gingen nach dem Mückenkap, trafen dort
eine Magd und fragten nach dem Bauer. Es hieß, man sei
acht Mann stark auf den Sand hinausgegangen. ,Und was
tun die andern Knechte?' Sagte Helgi: ,Thorgrim Mistkäfer
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und Asmund sind nr Heuarbeit auf die Insel
1 gegangen.'
Sie wandten sich vom Gehöft dem Fuß des Höhenzuges zu,
an dem der Eisen seitenbach entlang fließt, und gingen so auf
die Insel hinaus zu jenen. Asmund stand auf dem Heufuder,
sah die Brüder kommen und erkannte sie. Sie spannten das
Pferd vom Schlitten, und Thorgrim wollte nach Hause reiten.
In dem Augenblick, wie er aufsitzen wollte, traf Helgi ihn
mit dem Spieß in der Mitte des Leibes, und sofort fiel Thorgrim
tot nieder. Asmund fuhr mit dem Schlitten heim und
ängstigte sich. Die beiden aber gingen weiter und kamen zurück
nach Eyvindach. Groa fragte nach ihrer Jagdbeute. Helgi
sagte: ,Wir haben nur einen Mistkäfer gejagt.' ,Die Beute mag
euch gering dünken,' versetzte sie, ,aber Thorir ist nicht zu verachten.
Macht, daß ihr heim kommt nach Arnbeidhausen.' Sie
taten es und hielten sich von nun an starke Mannschaft zu
4. Wie Helgi, Asbjörns Sohne, der erste
Streich gespielt ward
Thorir kam am Abend heim und hörte, was vorgefallen
war. Er sagte, die Sache gehe ihn nichts an, denn Thorgrim
sei ein Freigelassener Helgis des Asbjörnsohnes. Bald
besuchte er denn auch diesen und berichtete ihm den Totschlag.
Ich behaupte,' sagte er, ,die verfolgung der Sache kommt
dir zu.' Helgi gab es zu, und Thorir ritt heim.
Eines Tages sagte Droplaug zu ihren Söhnen: ,Ich schicke
euch nach der Waffenförde, zu Geitir an die Kreuzbucht.' Sie
brachen auf und kamen auf die Bergheide, und als sie ein
viertel des Weges hinter sich hatten, überfiel sie ein heftiges
Unwetter, so daß sie die Richtung verloren. Endlich stießen sie
auf eine Hauswand und gingen um das Haus herum in der
Sichtung des Sonnenlaufs, bis sie eine Tür fanden. Da merkte
Helgi, daß es das Opferhaus des Bessi war. Sie ritten weiter
und kamen tief in der Nacht heim nach Arnheidhausen. Das
schlechte Wetter dauerte vierzehn Tage und kam den Leuten
auffallend lang vor. Bessi sagte, es rühre daher, daß die Söhne
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der Droplaug in der Richtung des Sonnenlaufs um sein Götterhaus
gegangen wären, und dann auch daher, daß sie die
Tötung des Thorgrim nicht gesetzmäßig kundgegeben, worüber
die Götter erzürnt wären. Bald danach suchte Bessi die Brüder
auf. Sie machten den Totschlag kund und ritten dann die
Kreuzbucht zu Geitir.
Im nächsten Frühjahr kam Thorkel, Geitirs Sohn, mit Grim
und Helgi ins Fließtal zum Thing am Krakibach. Dort trafen
sie sich mit Helgi, Asbjörns Sohne, und verglichen sich wegen
Thorgrtms Fall, Thorkel bezahlte die Buße. Doch Helgi gefiel
es übel, daß die Sache mit Geld ausgeglichen wurde; es schien
ihm, so bliebe die Verleumdung ungerächt.
Die Brüder blieben an der Kreuzbucht, und Helgi lernte von
Thorkel die Gesetze. Er führte nun oft Klagen durch, und besonders
solche, die gegen Thingleute Helgis des Asbjörnsohnes
gerichtet waren. — Regelmäßig kamen die Brüder mit ihrer
Mutter zusammen.
Eindridi, der Sohn Hallsteins von Weitfelden, war auf einer
Reise an der Küste von Irland gefangen genommen worden.
Das erfuhren seine Brüder Thorkel und Thord. Sie fuhren aus,
kauften ihn los und kamen mit ihm nach Island zurück. Da war
Hallsteins Frau gestorben, und er warb um Droplaug und führte
sie als seine Gattin heim nach Weitfelden. Helgi erklärte, wäre
es nach ihm gegangen, so wäre es anders gekommen.
Die Brüder ritten mit zehn Begleitern hinab zum Werder zu
dem Bauer Jngjald, Nidgests Sohne. Er hatte eine Tochter
namens Helga. Um sie warb Grim und bekam sie zur Frau.
Darauf verkaufte Jngjald sein Gut, kaufte die Hälfte von Arn-
heidhausen und wirtschaftete mit seinem Schwiegervater 3u-
stammen. Helgi war abwechselnd an der Kreuzbucht oder bei
Grim und den Seinigen. —
Hrafnkel verlangte von seinem Vetter Helgi, Asbjörns Sohne,
das Godentum, bekam es aber nicht. Da ging er zu Holmstein
nach dem südlichen Weitfelden und bat ihn um Beistand. Holmstein
sagte: ,Gegen Helgi, Asbjörns Sohn, werde ich nichts unternehmen,
, denn er hat meine Schwester zur Frau gehabt. 1
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Aber ich will dir etwas raten: bitte Helgi den Droplaugsohn
dir zu helfen. Ihr sollt dann meine Thingleute zur Unterstützung
haben.'
Daraufhin suchte Hrafnkel Helgi, Droplaugs Sohn, auf und
bat ihn um Beistand. Helgi erwiderte: ,Mir scheint, Holmstein
müßte sich mehr danach richten, daß er deine Schwester zur
Frau hat, als nach Dingen, die vergangen find.' Hrafnkel bat
ihn aber weiter um Hilfe. Da sagte er: ,Ich rate dir: geh nach
einer Woche hinaus nach Gunnlaughausen, suche An Trottel
auf und geh ihm tüchtig um den Bart (zwischen Helgi, Asbjörns
Sohne, und An herrschte enge Freundschaft, weil An
jenem viele wertvolle Geschenke gemacht hatte); frage An, was
für Ehren Helgi ihm bisher erwiesen habe, und lobe ihn selbst
dabei in jedem Satze. Und wenn ihm das zu gefallen scheint,
so frage ihn, ob er schon einmal zur Beisitzerwürde gelangt
sei dadurch, daß Helgi Gode ist. 1 Sagt er dann, so weit habe
er es noch nicht gebracht, so sage ihm, er täte am besten, Helgi,
Asbjörns Sohne, auch noch seinen Zuchthengst zu schenken, damit
er ;u der Ehre gelange, Beisitzer zu sein.' Damit trennten
sie sich. Und bald darauf kam Hrafnkel zu An und redete zu
ihm, wie Helgi geraten hatte. In dem letzten vorschlage sagte
An. er wolle es versuchen.
Im Frühling versammelte man sich zum Thing. Da ernannte
Helgi, Asbjörns Sohn, An Trottel sum Beisitzer. Die Sache
sollte aber geheim bleiben, denn An hatte Helgi einen Hengst
und nicht weniger als sechs Stuten geschenkt. Als An seinen
Platz unter den Beisitzern einnahm, sorgte Helgi dafür, daß
er einen Filzhut aufhatte, der sein Gesicht verbarg, und er
hieß ihn auch möglichst wenig reden.
Bald kam Hrafnkel zum Gericht und mit ihm die Söhne der
Droplaug und großes Gefolge. Da trat Helgi vor an die Stelle,
wo An Trottel saß. Er schlug mit dem Schwert griff unter den
Filzhut, so daß der abfiel, und Sagte, wer da säße. An nannte
seinen Namen. Helgi Sagte: ,Wer ernannte dich zum Beisitzer
kraft seiner Godenwürde?' ,Helgi, Asbjörns Sohn', antwortete
er. Da forderte Helgi Hrafnkel auf, sich Zeugen zu ernennen
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und Helgi dem Asbjörnssohne das Godentum abzuerkennen.
Er habe alle Prozesse ungültig gemacht, indem er An Trottel
zum Beisitzer ernannte.
Da entstand ein großes Gedränge, und man rüstete zum Kampf,
bis Holmstein dazwischen trat und einen vergleich vorschlug.
Der Vergleich siel so aus, daß Hrafnkel das Godentum bekommen
sollte auf so lange, wie Helgi es schon innegehabt hatte.
Danach sollten beide es gemeinsam haben, doch so, daß Helgi
Hrafnkel bei allen Streitigkeiten Beistand leisten sollte, auf
Thingen und Zusammenkünften und wo immer er Zuzug bedürfe
Helgi, Droplaugs Sohn, sagte zu Hrafnkel: ,Ich sollte meinen,
jetzt habe ich dir beigestanden.' Er erwiderte, so sei es. Und man
ritt vom Thing nach Hause.
5. Wie Helgi, Asbjörns Sohn,
zum zweitenmal unterlag
Im Winter darauf fehlte es an Futter, und das vieh ging
ein. Thorgeir auf Hrafnkelshausen hatte große Verluste.
Es war ein Mann namens Thord, der wohnte auf dem Geirulfsstrand
westlich vom Rutschental. Er hatte ein Kind Helgis des
Asbjörnsodnes in Pflege und war wohlhabend. Zu ihm begab
sich Thorgeir und kaufte von ihm gegen Ware fünfzig Schafe.
An diesen Schafen hatte er wenig Freude. Sie kamen abhanden.
Im Herbst ging Thorgeir selbst auf die Suche nach seinem
vieh und fand in den Hürden bei Geirulfsstrand achtzehn seiner
Mutterschafe; die waren gemolken. Er fragte die Mägde,
wer das angeordnet habe. Sie antworteten: Thord. Da ging
er zu Thord und verlangte gütlich Ersatz von ihm; er ließ ihm
die Wahl, ihm entweder ebenso viele zweijährige Hammel zu
geben oder die Mutterschafe für den Rest des Winters zu sim
ern. Jener aber schlug beides ab. Leiste er hier Ersatz, sagte
er, so sei das so, als wäre Helgi des Asbjörnsohnes Kind nicht
bei ihm, sondern anderswo in Pflege.
Darauf ging Thorgeir zu Helgi, Asbjörns Sohn, und trug
ibm die Sache vor. Der sagte: ,Es ist mein Wille, daß Thord
dir Buße leistet. Dein Anspruch ist gerecht. Bestelle ihm das von
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mir!' Thorgeir ging wieder zu Thord, erreichte aber nichts. Da
wandte er sich an Helgi, Droplaugs Sohn, und bat ihn, sich der
Sacheanzunehmen; ,ich bin's 's zufreden, 'setzte er hinzu" wenn du
das behältst, was dabei herauskommt.' Daraufhin sagte Helgi ja.
Im Frühjahr ritt er nach Geirulfsstrand und lud Thord vor
das Allthing: er habe die Schafe in diebischer Absicht beiseite
gebracht und ihre Milch gestohlen. So kam die Sache vor das
Thing, und Helgi, Droplaugs Sohn, und Thorkel, Getiers
Sohn, erschienen mit starker Mannschaft. Bei ihnen war auch
Keul von der Njardbucht. Ihnen gegenüber hatte Helgi, Asbsörns
Sohn, nicht Leute genug, um den Prozeß zunichte zu
machen. Da bat man die Parteien, sich zu einigen. Doch Helgi;
Droplaugs Sohn, wollte nichts anderes als Selbsturteil. Und
darauf lief denn auch der vergleich hinaus. Helgi bestimmte
als Buße den Wert von ebenso viel Kühen 1 wie die Mutterschafe
, die Thord hatte melken lassen. Als dieser Spruch gefällt
war, trennte man sich, und Helgi war der Ansicht, die
Sache sei nach Wunsch gegangen.
6. Von den Händeln am Borgfjord und des
Asbjörnsohnes dritter Niederlage
Es war ein Mann namens Sveinung, der wohnte in Bakki
am Borgfjord und war der Sohn eines Thorir. Er war
groß, stark und klug, ein Freund Helgis des Droplaugsohnes.
Den folgenden Winter war Helgi lange bei diesem Sveinung
am Borgfjord.
Es war ein Mann namens Thorstein, der wohnte am Heumoor
am Borghard. Seine Frau hieß Thordis; sie war nahe verwandt
mit Helgi, Droplaugs Sohn. Thorstein zog Helgi dem
Asbjörnsohne ein Kind auf.
Es war ein Mann namens Björn, der wohnte auf dem Snotrakap
am Borgfjord. Er war verheiratet, hatte aber auch noch
andere Eisen im Feuer. Gerne kam er nach dem Heumoor, um
mit Thordis zu plaudern. Thorstein war schon bejahrt, und
die Frau war ihm nur des Geldes wegen gegeben worden.
Doch war er sonst ein tüchtiger Mann.
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Eines Tages sprach Thorstein mit Helgi, Droplaugs Sohne,
und bat ibn, einmal die Probe zu machen, ob Björn ihm gehorchte,
; wenn er ihn auffordere, die Besuche bei Thordis einzustellen
. Er hatte nicht viel Lust dazu, versprach aber, es einmal
zu versuchen.
Eines Nachts war Björn unterwegs nach dem Heumoor. Da
kamm ihm Helgi und Sveinung entgegen. Helgi sagte: ,Mir
liegt daran, Björn, daß du deine Gänge zu Thordis unterläßt.
Es bringt dir keine Ehre, einem alten Manne das Leben
zu verbittern. Erfülle meinen Wunsch, und ich werde dir ein
anderesmal gefällig sein.' Björn antwortete nicht und ging
seines Weges.
Ein anderesmal begegnete Helgi dem Björn, als dieser vom
Heumoor kam, und bat ihn mit sanften Worten, von seinen
Ausflogen dorthin zu lassen. Björn versetzte, der Übelstand
sei nun einmal unabänderlich.
Die Sache entwickelte sich so weiter, daß Thordis schwanger
ging und dies in der ganzen Gegend ruchbar wurde. Helgi
hatte Thorstein die Sache abgenommen und forderte also von
Björn Buße. Der erwiderte, erdenke nicht an Buße oder Rechtfertigung
. Darauf gab Helgi ihm den Todesstoß und erklärte
ihn für straflos gefallen, weil in gerechter Sache. In der folgenden
Nacht schafften Helgi, Sveinung und zwei andere
Björns Leiche auf eine Schäre vor der Küste und scharrten
sie dort ein. Daher der Name Björns Schäre.
Boten kamen aufs Schmale Kap zu Helgi, Asbjörns Sohn;
Björns Witwe meinte, auf ihn könne sie sich verlassen in betreff
der Klage. Im Frühling nach dem Totschlag ritt Helgi,
Asbjörns Sohn, an den Borgfjord, seine Klage vorzubereiten.
Er fand aber Björns Leiche nicht. Da lud Helgi den Droplaugsohn
vors Allthing, weil er die Leiche eines Erschlagenen beiseite
geschafft habe; ins Meer versenkt und nicht mit Erde bedeckt;
darauf stand Waldgang. Helgi der Droplaugsohn hatte
seinerseits die Ehebruchsklage beim Allthing anhängig gemacht.
Beide Sachen kamen also auf das Allthing und dort vor Gericht.
Helgi, Asbjörns Sohn, forderte die Gegenpartei auf, sich zu
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rechtfertigen. Da ging Helgi, Droplaugs Sohn, zum Gericht
mit starkem Gefolge. Er rief Zeugen auf, um zu bestätigen,
daß die ganze Klage des Asbjörnsohnes nichtig wäre, und
nannte die Leute, die gesehen hatten, wie Björn mit Erde bedeckt
wurde. Sveinung und die zwei andern leisteten einen
feierlichen Eid auf den Opferring: sie hatten gesehen, wie Björn
mit Erde bedeckt wurde. So ward Helgis des Asbjörnsohnes
ganze Klage zunichte. Da wollte Helgi, Droplaugs Sohn, Björn
für straflos gefallen erklären lassen. Helgi, AsbjörnsSohn, aber
bot Geldbuße; und der andere hatte da selbst die Höhe zu bestimmen
. Er nannte hundert Öre in dem damals gangbaren
Silber. 1 Und damit gingen sie auseinander.
7. Von der verschwörung
Einige Jahre später kam Helgi, Droplaugs Sohn, auf dem
Rückwege vom Herbstthing nach dem unteren Weitfelden
zu Hallstein, seinem Stiefvater, und seiner Mutter Droplaug
. Es war das erstemal seit ihrer Wiederverheiratung, daß
erste besuchte. Da bat Droplaug ihren Mann Hallstein,
er solle Helgi einladen, den Winter dort zu bleiben. Er meinte:
Daran liegt mir nicht viel. Lieber schenke ich ihm ein paar
Ochsen oder Pferde.' Aber auf ihr Zureden bot er Helgi doch
an, da zu bleiben, und der ging darauf ein,
Hallstein hatte einen Knecht mit Namen Thorgils.
vierzehn Tage waren vergangen, da hatten eines Morgens
Helgi, Droplaug und der Knecht Thorgils ein Gespräch mit
einander. Niemand wußte, worüber,
Thorgils arbeitete den Winter über bei den Schafen in einem
Gehege südlich vom Gehöft - er war ein tüchtiger Arbeiter —
und dorthin wurde viel Heu gebracht. Eines Tages kam Thorgils
zu Hallstein und bat ihn, mitzukommen und einmal sein
Heu und vieh anzusehen. Er ging, betrat die Scheune und
wollte dann hinaus durch eine Luke. Da hieb Thorgils mit
einer Art, die Helgi, Droplaugs Sohne, gehörte, auf Hallstein
ein, so daß er genug hatte. Helgi kam gerade die Halde herab
von seinen Pferden her und sah, das Hallstein erschlagen lag,
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Auf der Stelle erschlug er den Knecht. Dann ging er ins Haus
und sagte seiner Mutter, was geschehen war. Sie saß beim
Feuer und ihre Frauen bei ihr.
Bald brachten die Knechte von Weitfelden es unter die Leute,
daß Helgi, Droplaug und Thorgils eines Tages vor Hallsteins
Fall lang die Köpfe zusammen gesteckt hatten, und dieser Totschlag
fand wenig Freunde. Helgi, Asbjörns Sohn, nahm die
Sache in die Hand und lud Helgi und Droplaug vor wegen
eines Anschlags auf Hallsteins Leben, und zwar sollte die
Sache vor das Allthing kommen. Helgi, Droplaugs Sohn, blieb
ziemlich allein. Nur Thorkel, Geitirs Sohn, und Ketil, Thidrandis
Sohn, leisteten ihm Zuzug. Als man aufbrach zum
Allthing, nahm Droplaug alles tote und bewegliche Gut, das
sie mit Hallstein zusammen besessen hatte, und schiffte sich nebst
ihrem dreijährigen Sohne Herjolf im Bärinnenfjord ein. Sie
gingen in See und landeten auf den Färöern. Da kaufte sie
sich Land und lebte dort bis an ihr Ende. In dieser Geschichte
kommt sie nicht mehr vor.
8. Von Helgis Ächtung und des Gegners
Drohung
Die Klage war deswegen von Helgi, Asbjörns Sohne, in
die Hand genommen worden, weil Hallsteins Söhne nicht
hier im Lande waren.
Auf dem Thing sammelte sich starke Mannschaft um ihn. Ein
Vergleich zwischen den Namensvettern wurde vorgeschlagen,
aber nichts erreicht, als daß Helgi, Asbjörns Sohn, allein
entscheiden sollte. Die Entscheidung fiel so aus: für die Tötung
Hallsteins sollten erlegt werden zwölf Hunderte (so daß der
volle Wert von fünf Kühen darin enthalten war), 1 und Helgi,
Droplaugs Sohn, sollte außer Landes gehn auf drei Jahre
und bis zur Abreise in keinem Hause länger bleiben als eine
Nacht. Reiste er nicht, so sollte er als friedlos dem Kläger
preisgegeben sein zwischen der Buttersee- und der Haffheide.
Helgi, Droplaugs Sohn, tat keinerlei Schritte, um abzureisen.
Da verließ Grim seinen Hof und kam zu seinem Bruder, und
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sie verbrachten den Winter bei Thorkel an der Kreuzbucht. Sie
ritten durch den ganzen Bezirk zu Thingen und Zusammenkünften
ganz so, als wäre Helgi gar nicht geächtet,
Eines Tages landeten in der Rotwalförde Hallsteins Söhne
Thord und Thorkel. Eindridi war in Irland gestorben. Sie
schenkten Helgi, Asbjörns Sohne, Holz zu einem Saalbau zum
Dank für die Klage um ihren Vater Der Saal steht noch heute
auf dem Schmalen Kap.
In Mittelhof am Nordfjord wohnte Thorgrim Fellhaube. Seine
Frau hieß Rannveig, eine Schwester der Thordis, der Schwester
Thorsteins, und eine verwandte Helgis des Droplaugsohnes.
Eines Frühjahrs bat sie auf dem Mulithing ihren Vetter Helgi,
er möge kommen und das vermögen zwischen ihr und Fellhaube
teilen. Es kam dahin, daß Helgi es zusagte.
Ein paar Jahre zuvor waren die beiden Helgi einander auf
dem Herbstthing am Thingfelsen begegnet. Da sollte der Droplaugsohn
die neuen Gesetze vortragen und kam dabei aus dem
Tert. Die Leute lachten laut darüber; Helgi, Asbjörns Sohn,
lächelte. Das merkte der andere und rief ,Hinter dir steht
Hrafnkel, Helgi!' ,Das ist kein vorwurf für mich,' sagte Helgi,
Asbjörns Sohn; ,doch merke dir: wir treffen uns noch einmal
so, daß wir nicht beide heil von dannen gehn!' Der Droplaugsohn
antwortete: ,Die Drohung schreckt mich nicht, lächerlich
wie sie ist! Denn ich denke daran, dir Steine über dem Kopf
aufzuschichten, 1 wenn wir uns treffen" Das waren für diesmal
die letzten Worte, die zwischen ihnen fielen.
9. Wie Helgi Rannveig von ihrer Fellhaube
befreite
Im Frühjahr darauf schickte Flosi von Schweinberg dem
Thorkel, Geitirs Sohne, Botschaft, er solle mit starker
Mannschaft zu ihm stoßen. Flosi wollte nämlich den Arnor,
Ornolfs Sohn, den Bruder Halldors in den Wäldern, den er
hatte erschlagen lassen, für straflos gefallen erklären. Da sammelte
Thorkel Leute. Es wurden ihrer dreißig. Er bat auch
Helgi, Droplaugs Sohn, mitzukommen. Helgi sagte: ,Ich sollte
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und ich wollte gern auf diesem Zuge mit dabei sein. Aber ich
bin krank und muß zu Hause bleiben.' Thorkel fragte Grim,
ob er mit wolle. Aber Grim war nicht geneigt, Helgi mit seiner
Krankheit allein zu lassen. Dann ritt Thorkel mit seinen dreißig
Leuten nach Schweinberg und von da Flosis ganze Schar, hundertzwanzig
Mann stark, westwärts in die Wälder.
Bald darauf eröffnete Helgi seinem Bruder Grim, jetzt wolle
er seine Verwandte Rannveig aufsuchen und die Teilung vornehmen
zwischen ihr und Thorgrim Fellhaube. Mit ihnen ritten
Thorkel und Gunnstein von der inneren Kreuzbucht und zwei
Knechte, so daß sie ihrer sechs waren. Es ging über die Heide
nach Osten, zunächst zu Thorkel auf Torfihausen. Dessen Tochter
Tofa, zubenannt die Haldensonne, war eine Freundin Helgis,
Sie übernachteten dort, und Helgi und Tofa hatten viel mit einander
zu reden. Eine Ahnung sagte ihr, er werde von diesem
Ritt nicht heimkehren. Sie begleitete ihn auf den Weg hinaus
und weinte sehr. Helgi nahm seinen wertvollen Suriel ab mit
dem verzierten Messer daran und schenkte es ihr. Damit trennten
sie sich.
Sie ritten zu einem Gehöft, das Am Strom heißt, und dort
schloß sich ihnen ein Mann an namens Helgi, zubenannt der
Magere, so daß sie nun ihrer sieben waren. So kamen sie nach
Eyvindach zu Groa und wurden gut aufgenommen. Groa hatte
einen Knecht Thorbjörn, der verstand sich gut auf das Schärfen
von Waffen. Ihn bat Helgi, Droplaugs Sohn, sein Schwert
zu wesen, während er zu den Fjorden binabritte. Thorbjörn
schenkte Helgi ein anderes Schwert.
Sie ritten weiter zum Nordfjord zu Helgis verwandtem Thorstein,
1 der Thordis, Rannveigs Schwester, zur Frau hatte. An
dem Tage, wo Helgi dort saß, kam über die Bergheide herab
Thorkel Schwarzdichter, der Bruder Thorarins von der Schafförde,
mit einem Begleiter. Die blieben dort ebenfalls die Nacht.
Helgi und Thorkel sprachen viel mit einander und schlossen
Freundschaft. Helgi fragte: ,Wohin willst du von hier?' Er
antwortete: ,Hinaus auf das Kap zu Björn. Er hat im Winter
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für meine Rechnung Leinwand gekauft. Ich bleibe drei Tage
dort.' Da sagte Helgi: ,Ich möchte, daß wir den Weg über den
Berg zusammen machen.' Thorkel war gern einverstanden. Sie
ritten alle zusammen bis Mittelhof, und dann Thorkel hinaus
aufs Kap.
Helgi pochte in Mittelhof an die Tür, und Rannveig kam heraus.
Er Sagte sie: ,Willst du jetzt die Vermögensteilung zwischen dir
und Thorgrim?' ,Gerne', versetzte sie, ernannte sich Zeugen und
erklärte ihre Scheidung von Thorgrim Fellhaube. Sie nahm
alle seine Kleider und warf sie in die Mistgrube. Darauf ritten
die Männer mit Rannveig davon, denn Helgi gedachte ihr Vermögen
erst später zu fordern. Sie frühstückten im Fönntal.
Als sie fort waren, sprang Thorgrtm aus dem Bette auf, nahm
sein Bettzeug und wickelte es um sich; denn Kleider gab es ja
nicht. Dann lief er nach Hof, wo Thorarin Erdachse 1 wohnte,
ein bedeutender Mann. Thorarin fragte: ,Woher so eilig, Thargum
, und so notdürftig bekleidet?' Er gab zur Antwort, seine
Frau sei ihm geraubt, und er bitte Thorarin um seine Hilfe
in dieser Sache. Darauf Thorarin: ,Zuerst will ich dir Kleider
geben, denn das ist jetzt das nötigste.' Dies getan, frühstückte
Thorgrim dort. Da sagte Thorarin: ,Ich rate dir, daß du Helgi,
Asbjörns Sohn, aufsuchst und von ihm verlangst, dir Genugtuung
;u verschaffen. Und kommt es so, wie ich vermute; erreichst
du nämlich nichts von ihm, so frage ihn, wann erdas
Wort wahr zu machen gedenke, das er auf dem Herbstthing
am Thingfelsen gesprochen hat. Beißt er auch darauf nicht an,
so bitte nur noch um seinen Rat, erzähle ihm aber, daß Helgi,
Droplaugs Sohn, binnen drei Tagen wird über das Gebirge
geritten kommen und sechs Mann mit ihm. Komm zu Helgi,
Asbjörns Sohn, am Abend und nicht zu früh, denn erschließt
jeden Abend selbst auf dem Schmalen Kap die Türen.'
Sie trennten sich. Thorgrim ging seines Weges und kam am
Abend desselben Tages nach dem Schmalen Kap. Helgi saß
am Feuer. Thorgrim brachte sogleich sein Anliegen vor und erwechslung
wie bei Thorstein. Doch gibt es auch im Nordfjord eine Örtlichkeit,
die Kap heißt (vergl. Kapitel 2 über Egil). 1 Das Wort bezeichnet ein dem
mistkäfer ähnliches Insekt.
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zählte seine Not. Er bekam aber kein Wort aus jenem heraus.
Da sagte er: ,Es sieht wirklich so aus, als wolltest du deine
Thingleute nicht mehr schützen vor Schmach und vor Helgi,
Droplaugs Sohn! Diese Einsicht kann ich nun also mit nach
Hause nehmen. Glaubst du etwa, ihr werdet euch je so begegnen
, wie du ihm am Thingfelsen verhießest, nämlich so, daß
einer liegen bleibt: Oder möchtest du noch mehr Demütigungen
von ihm dulden?' Helgi, Asbjörns Sohn, sagte: ,Hast du diesen
Rat dir selbst gegeben?' Die Antwort war: ,Thorarin Erdachse
hat ihn mir gegeben.' Da sagte Helgi ,Thorgrim, geh über den
Hals auf die Moore zu meinem Schwager Björn dem Weißen
und sag ihm, er soll vor morgen mittag hierher kommen. Nimm
den Rückweg über das Bolungfeld, besuche in Weitfelden die
Söhne Hallsteins und bitte sie, hierher zu kommen, wenn ihnen
daran liegt, ihren Vater zu rächen. Dann geh am Westufer des
Sees entlang zu Özur am Rücken, heiße ihn hierher kommen
und geb dann mit ihm.'
Thorgrim brach sogleich auf. Im Lauf kamen die so Entbotenen
zum Schmalen Kap. Bei Helgi berbergten zwei Norweger; der
eine hieß Sigurd Scharf, der andere Önund. Sechzehn Mann
stark kam man nach Höfdi, 1 und Helgi forderte Hjarrandi und
seinen Bruder Kari auf mitzureiten. Hjarrandi sagte: ,Dazu
wäre ich längst bereit gewesen.' Nun waren sie achtzehn, kamen
das Eyvindtal hinauf zur Knuthütte und lauerten dort Helgi,
Droplaugs Sohn, auf.
Unter dem Skagenberg im Eyvindtal wohnte ein gewisser Igul
mit seinem Sohne Thord. Die sollten Ausguck halten nach dem
Droplaugsohn, denn von dort konnte man nahende Reiter eber
sehen als von der Knuthütte.
10. Der Kampf im Eyvindtal
Nun geht die Geschichte da weiter, wie Helgi, Droplaugs
Sohn, im Fönntal saß. Dort stieß Thorkel wieder zu
ihm, und sie blieben die Nacht dort. Helgi schlief unruhig und
mußte in der Nacht dreimal geweckt werden. Als Thorkel ihn
fragte, was ihm geträumt habe, erwiderte er: ,Das werde ich
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nicht sagen.' Sie kleideten sich an. Helgi bat Thorstein, für
Rannveigs Unterhalt zu sorgen; ,laß sie zu meinem Bruder
Grim bringen, wenn du willst,' sagte er,
vor Tag verließen sie das Fönntal und wandten sich, neun
Mann stark, hinauf auf die Bergheide. Als sie die Vor hügel
hinter sich hatten, ruhte Helgi sich aus, weil er sich erschöpft
fühlte, und er breitete seinen Mantel unter sich. Da kratzte er
sich die Wange und rieb sich das Kinn und sagte dies: ,Ehe
der Abend kommt, hört es auf bier zu jucken. Liegt dir, Thorkel
, noch ebenso viel daran, meinen Traum zu hören, wie heute
nacht" ,Nicht weniger jetzt als damals', versetzte der. ,Mir
war,' erzählte Helgi, ,als kämen wir dieses Weges, den wir
eben hinter uns haben, und gingen dann das Eyvindtal hinab
zum Kalbs hügel. Da rannten uns achtzehn oder zwanzig
Wölfe entgegen, einer davon bei weitem der größte. Wir wollten
auf den Hügel, konnten aber nicht. Sie fielen sogleich uns
an, und einer kam mir mit der Tatze ans Kinn und an die
Zähne. Da wurde ich geweckt.' Thorkel meinte: ,Gewiß lauert
man dir auf. Es wird Helgi, Asbjörns Sohn, sein und andere
aus dem Bezirk. viele hier nehmen Anstoß an deiner Überlegenheit
. Wir beide haben Freundschaft geschlossen, und ich
möchte, daß du mich nach meinem Hause begleitest und dort
eine Zeitlang bleibst.' Helgi versetzte: ,Ich gebe, wo ich gebn
wollte.'
Sie gingen hinab ins Eyvindtal und kamen auf den Hof der
Thordis. Sie war eine alte Frau, häßlich und schwarz. Helgi
wollte sie fragen, was sie Neues wisse. Aber in diesem Augenblick
nahm ein Mann eine Handvoll Schnee auf, machte einen
Ball daraus und warf ihn der Thordis an die Wange. Sie
ward böse und rief: ,Die Trolle über euch" Da sagte Helgi
Ungezogene Knaben werfen nach Frauen, und den schlimmsten
Feind hat man selbst im Gefolge.' So bekam also Helgi dort
nichts Neues zu hören.
Sie gingen weiter und kamen zur Valakluftache. Da erbot sich
Thorkel, noch bis Eyvindach mitzugehn. ,Nicht nötig', sagte
Helgi, und sie trennten sich. Als Thorkel ein kurzes Stück durch
die Hügel bergauf gegangen war, kehrte er um und kam wie
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der zu Helgi. Der begrüßte ihn freundlich und sagte: das heiße
sich als Freund bewähren.
Sie kamen zum Kalbsfurtstrand. Da sahen sie auf einmal, wie
achtzehn Männer ihnen entgegen liefen. Helgi, Droplaugs Sohn,
und die Seinen wollten auf den Kalbshügel, konnten aber
nicht. Da wandten sie sich vom Wege aufwärts zum Rande der
Schlucht über der Strandkluftache. Dort war eine kleine Bodenerhebung
und an ihrem Fuße eine Schneewehe. Heute ist der
ganze Abhang mit Gebüsch überwachsen; an der Stelle, wo
)ie kämpften, steht eine kleine Warte aus Steinen.
Helgi Sagte seinen Bruder Grim, ob er Helgi, Asbjörns Sohn'
oben oder unten treffen wolle, und Grim wählte oben. ,Zu
Tode treffen willst du also meinen Namensvetter nicht,' sagte
Helgi; ,da, wo ich hinschieße, schützi ihn kein Schild.' Sie
warfen beide zugleich die Speere gegen Helgi, Asbjörns Sohn.
Grims Speer drang durch den Schild, verwundete aber Helgi,
Asbjörns Sohn, nicht. Helgi, Droplaugs Sohn, aber traf die
Kniescheibe; der Speer riß auch das ganze Schienbein auf und
durchbohrte noch den Ansatz des Fußes. Helgi, AsbjörnsSohn,
war sofort kampfunfähig. Björn der Weiße setzte sich auf den
Boden nieder und stützte seine Schultern; keiner von beiden
beteiligte sich mehr am Kampfe. Auch Özur vom Rücken trat
beiseite. Er werde nicht gegen Helgi, Droplaugs Sohn, kämpfen,
sagte er und saß untätig dabei.
Thord Scharf, des Asbjörnsohnes Kundschafter, hatte im
Flusse gelegen, und seine Kleider waren gefroren. Der stürmte
die Schneewehe hinan gegen Helgi, Droplaugs Sohn; er meinte,
er habe ihm etwas heimzuzahlen. Und als er oben auf die
Webe kam, warf Helgi den Speer nach ihm, zwischen die Beine
und durch die Schamgegend. Er fiel sogleich zurück. Der Speer
blieb im Schnee stecken, und er hing dort an der Wehe den
ganzen Tag.
Nun reizte Helgi, Asbjörns Sohn, seine Schwiegersöhne zum
Angriff und rief zuerst Hjarrandi auf. Da gingen Hjarrandi
und Karl auf Helgi, Droplaugs Sohn, los, die Söhne Hallsteins
und noch einer auf Grim. Thorkel Schwarzdichter griffen
die beiden Norweger an; Sigurd war der drittbeste Streiter
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in der Schar. Thorkel Schwarzdichter fiel, nachdem erden
andern Norweger getötet und Sigurd schwer verwundet hatte.
Denn Thorkel war der beste Streiter auf seiner Seite nächst
Helgi und Grim.
Der Kampf wurde heftig. Als Hjarrandi und Kari auf Helgi,
Droplaugs Sohn, loskamen, da sprang Helgi der Magere von
Strom Kari entgegen, und sie wechselten Hiebe, bis siel
und Helgi schwer verwundet stand. Inzwischen rückte Hjarrandi
dem Droplaugsohn auf den Leih mit starken und schnellen Hieben
, und jener wehrte sich ebenso. Aber das Schwert, das er
in der Hand hatte, taugte nichts. Da rief Helgi Hjarrandi zu:
Deine ganze Kraft bekäme man wohl erst zu sehen, wenn deine
Frau eine freigeborene Tochter Helgis des Asbjörnsöhnes
wäre!' Hjarrandi versetzte: ,Laß es drauf ankommen! Gleich
nah verwandt sind ihm beide Töchter.' Und er ging schärfer
vor als bis dahin, obgleich solche Worte gefallen waren. Der
Schild Helgis, des Droplaugsohnes, ging arg in Stücke, und
er sah, daß es so nicht weitergehn könne. Da zeigte Helgi seine
Kampfkünste: er warf Schild und Schwert in die Luft, ergriff
das Schwert mit der Linken und hieb nach Hjarrandi. Es traf
den Schenkel. Aber das Schwert schnitt nicht, sobald es auf
den Knochen stieß, und glitt abwärts in die Kniekehle. Von
dieser Wunde wurde Hjarrandi kampfunfähig. Im selben
Augenblick aber schlug er nach Helgi. Der hielt den Schild
vor, und das Schweri glitt ab und ihm ins Gesicht. Es traf
die vorderzähne und schnitt die Unterlippe ab. Da sagte Helgi:
Schön sah ich niemals aus; aber du hast nichts daran gebessert.'
Er griff mit der Hand zu, schob sich den Bari in den
Mund und biß darauf. Hjarrandi aber glitt die Schneewehe
herab und setzte sich nieder. — Man sagt allgemein, das Zusammentreffen
der beiden hätte sich schneller entschieden, wenn
Helgi sein eigenes Schwert zur Hand und nicht um mehrere
Gegner sich zu kümmern gehabt hätte. Und doch war Hjarrandi
so tapfer wie einer.
Da sah Helgi, daß sein Bruder Grim gefallen war. Seine
Gegner waren beide tot und Grim auf den Tod verwundet.
Da ergriff Helgi Gäms Schwert und sagte: ,Nun ist der ge
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fallen, von dem ich am meisten hielt. Mein Namensvetter wird
einverstanden sein, daß wir es damit nicht genug sein lassen,'
Und er stürmte hinab auf die Stelle zu, wo Helgi, Asbjörns
Sohn, saß. Da waren schon alle Angreifer von der Schneewehe
zurückgewichen, und keiner wollte Helgi standhalten.
Da stehst du, Özur,' sagte Helgi, ,aber vor dir brauche ich
mich nicht vorzusehen, denn du hast mich mit Wasser de.
sprengt." Er kam gerade auf Özur los. Da mußte dieser sich
schnell entschließen, denn es handelte sich darum, welcher der
beiden Helgi jetzt sterben sollte. Özur fand den Ausweg, daß
er mit dem Spieß gegen Helgi, Droplaugs Sohn, auslegte
und ihn durchbohrte. Helgi lief auf den Spieß auf und sprach
zu O ur: ,Betrogen hast du mich!' Özur sah, daß Helgi auf
ihn loskam und ihn mit dem Schwerte erreichen konnte. Da
gab er dem Speer und dem was daran hing, einen Ruck vorwärts;
der Schaft drang in die Erde, und Özur ließ los. Als
Helgi sah, daß er ihn nicht erreichte, sprach er: ,Ich bin zu langsam
, doch du bist schnell genug!' Und er sank vorwärts in den
Schnee. Das war das Ende Helgis, des Droplaugsohnes.
Fünf Mann von der Gegenseite hatten das Leben vor ihm gelassen;
und alle andern waren wund, außer Björn dem Weißen
und Özur. Mit Helgi, Droplaugs Sohne, fielen dort Thorkel
Schwarzdichter und sein Begleiter, ein Norweger, den Helgi
von Hause mitgebracht hatte, und sein Bruder Grim.
11. Wie Grim gerettet wurde
Helgi, Asbjörns Sohn, ritt vom Kampfplatz; man mußte
ihn von hinten im Sattel stützen. Hjarrandi saß allein zu
Pferde. Aber Kari ward auf Schilden heimgetragen nach Höfdi
und dort sein Grabhügel aufgeworfen. In Höfdi mußten sie
erzählen, was geschehen war. Einer Sagte: ,Was hat Helgi,
Droplaugs Sohn, heute Großes getan?' Da sagte Sigurd
Scharf: ,Wären alle, die mit ihm waren, seinesgleichen gewesen,
keiner von uns wäre davongekommen.'
Helgi der Magere kam nach Eyvindach und erzählte Groa
das Geschehene. Er war schwer verwundet. Da sagte sie zu
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ihrem Sohne Bard: ,Nimm Pferde und Schlitten und laß
uns Helgi und Grim holen!' Sie fuhren ab und kamen zur
Walstatt. Die Brüder wurden auf die Schlitten gelegt, und
Thorkel dazu, während man die verwundeten zu Pferde setzte
und die andern Toten begrub. Auf dem Heimwege hielt Groa
sich meist zu dem Schlitten, auf dem Grim lag, und sorgte
dafür, daß ihm nichts geschah. So kamen sie heim und schafften
die Toten in ein Vorratshaus. Groa sagte: ,Ich und mein Sohn
Bard werden die Leichenwache halten. Ihr aber sorgt für die,
die noch leben, und pflegt sie.' Aber als die Leute im Schlaf
lagen, fuhr Groa über den See zum Witwenberg; da wohnte
die Ärztin Alfgerd. Groa bat sie mitzukommen und erzählte
ihr, was vorlag. Sie kamen zurück nach Eyvindach. Da war
Leben in Grim. Alfgerd verband seine Wunden und nahm
ihn mit sich. Am nächsten Morgen ward ein Hügel aufgeworfen
an der Eyvindache südlich vom Hof. Das Begräbnis besorgten
Bard und noch ein Mann, dem sie am ehesten verschwiegenheit
darüber zutrauten, daß Grim am Leben war.
Helgi und Thorkel wurden also begraben.
Grim lag den Winter hindurch an seinen Wunden danieder.
und ebenso Helgi, Asbjörns Sohn. Da kam das Gerücht auf,
Grim sei am Lebm. Einer bekräftigte es, ein anderer nannte
es eine Lüge. Zuerst kam es auf bei den Hausgenossen der
Groa.
Als Helgi hörte, daß Grim geheilt sei, ließ er sich auf dem
Schmalen Kap eine verschließbare Schlafkammer machen.
Grim begab sich nach der Kreuzbucht zu Thorkel, Geitirs
Sohne, und wurde dort gut aufgenommen.
12. Wie Grim heimlich aufbrach
Helgi, Asbjörns Sohn, kaufte sich ein Gut, das Bei den
Engen heißt; weiter seewärts im Bezirk; das Schmale
Kap verkaufte er. Er glaubte; dort, wo ringsum seine Thingleute
wohnten, besser aufgehoben zu sein. Auch dort ließ er
eine verschließbare Schlafkammer machen. Seine Frau Thordis
Sagte ihn, warum er lieber an einer Stelle wohnen wolle,
wo der Wald von allen Seiten dicht an die Häuser trete und
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man nicht sehen könne, wenn Leute sich näherten. Da sprach
Helgi eine Weise:
1 | Wenn die Nacht sich aufmacht,
Ist im Wald, dem wilden —
Zwergenschiff ergriff ich —,
Zwischen zweien Tagen,
Der Warnende ferne
Nicht, der mir berichtet.
Feinde hör' ich, kühne,
Kampfgerüstet flüstern. |
Grim blieb ein paar Jahre an der Kreuzbucht und war nicht
froh. Er lachte nicht mehr seit Helgis Fall.
Einmal mußte Thorkel nach der Inselförde reiten, wo ein
Streit zwischen seinen Thingleuten entstanden war. Er ritt
davon, während Grim zurückblieb und in der Wirtschaft arbeitete.
Als ein paar Tage um waren, machte Grim sich auf,
Er sagte; er habe Forderungen einzuziehen von einem gewissen
Thorgrim auf Herdhagen im Gletschertal: ,es ist nun klar,'
sagte er" daß er nicht bezahlen will.' Da sprach Jorun, Thorkels
Frau —sie war eine Tochter des Einar von Querach —: ,Diese
Schuld will ich dir bezahlen; geh nicht hin!' ,Dann bezahlt
er nicht,' sagte Grim, brach auf und nahm Reisekost mit. Seine
Pflegebruder, Glum und Thorkel Kranich, begleiteten ihn. Sie
gingen bis an die Rangach, westlich vom Seefließ, schwammen
hinüber und gelangten zu einem Hof, der Am Hügel heißt,
auch an der Westseite des Fließes. Dort gingen sie in den Stall,
nahmen einen Spaten und eine Schaufel heraus und gingen
weiter zum Oddmarsbach westlich vom Engenwald. Am Bache
gruben sie sich einen unterirdischen Raum; die Erde warfen sie
in den Bach. Dieses versteck wollten sie im Notfall benuzen.
13. Grims Rache
Am selben Tage, wo oic am Bache arbeiteten, ging das
Lämmerkap-Thing auseinander; und viele Männer begleiteten
Helgi, Asbjörns Sohn, nach den Engen. Ein Bauer
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namens Ketilorm, der auf Hrollaugshausen wohnte, begleitete
Helgi mit dreißig Mann. Auch Helgis Schwiegersöhne, Björn
und Hjarrandi, waren dabei.
Am Abend verließen Grim und die beiden andern ihr Versteck
und gingen nach dem Engenhof. Sie traten ein durch die Kuhstalltür.
vom Kuhstall führte ein Gang in das Wohnhaus.
Dort blieben sie stehn; sie konnten sehen, was drinnen geschah.
An diesem Abend sagte Helgi, Asbjörns Sohn, zu seiner Frau:
Wo, denkst du, sollen Ketilorm und seine Frau schlafend" Sie
antwortete: ,Ich habe ihnen ein gutes Bett im Seitenraum hergerichtet.'
Helgi sagte: ,Sie sollen in unserm eigenen Bett liegen,
denn sie räumen uns jedesmal das ihrige ein, wenn wir dort
sind.' Thordis versetzte: ,Du bist nicht immer gleich vorsichtig!
Wäre ich an Grims Stelle, so würde ich dich aufsuchen, wenn
recht viele Gäste hier sind und du alle Hände voll zu tun hast.'
Darauf er: ,Oft hat man mir's verdacht, daß ich allzu vorsichtig
sei" Und er verfügte über die Betten, nicht sie.
Grim sagte zu Thorkel: ,Geh hinein und sieh zu, das Schwert
zu bekommen, das Thorbjörn gewetzt hat und das meinem
Bruder Helgi gehörte.' Thorkel ging hinein, kam zurück und
hatte das Schwert.
Etwas später sagte Grim: ,Geh und sieh zu, wo Helgi mit
seiner Frau schlafen mag.' Thorkel war kurze Zeit fort. Dann
meldete er Grim, sie schliefen im Seitenraum in einem Verschlag
ohne Tür davor.
Helgi, Asbjörns Sohn, hatte einen Knecht namens Arnodd,
war blind, aber stark von Gliedern. Er schlief Helgi gegenüber
im Seitenraum an der Wand.
Nun sagte Grim zu Thorkel kcl: ,Dir habe ich zugedacht, hineinzugehn
und Helgi eins zu versetzen. Denn du bist der Zweitnächste
zur Rache fw meinen Bruder Helgi.' ,Das ist wahr,'
sagte Thorkel. Da gab Grim ihm das Schwert in die Hand,
und sie gingen zur Tür hinein. Thorkel blieb stehn und sagte
zu Grim: ,Ich möchte nicht, daß du es so deutest, als hätte ich
Furcht, zu Helgi hmeinzugehn. Und doch wundere ich mich,
denn du hast einmal gesagt, du gönnest es niemand als dir
selbst, deinen Bruder zu rächen.' ,Das kommt daher, weil mir
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die Aussicht auf Rache immer noch nicht ganz dahin scheint, solange
ich selbst lebe.' Da wollte Thorkel hineingehn. Aber Grim
hielt ihn fest und sagte: ,Ein wackerer Bursche bist du, Thorkel,
aber du siehst mir so aus, als wäre es nicht ganz sicher, daß
du Helgi so tief verwundest, wie ich möchte. Laß mich das
wahr machen, woran du mich erinnert hast: Keinem vergönne
ich die Rache für Helgi als mir selbst" Grim nahm das Schwert
und sagte: ,Du, Thorkel, sollst den Türring festhalten. Denn
dir traue ich am ehesten zu, daß du dich nicht ins Bockshorn
jagen läßt. Und Glum soll den Schlagbalken vor die Tür
legen. '
Ehe Grim hineinging, nahm er eine Garnwinde in die Hand.
Er war im Hemd und in Leinenhosen und ohne Schuhe an
den Füßen. Im Eintreten bemerkte er, daß an der Tür zum
Kuhstall ein Haufe geschlagenes Hols lag. Glum hatte im
Laufe des Abends allen Kühen im Stall paarweise die Schwänze
zusammengebunden.
Grim betrat den Raum beim Bette des Helgi, legte das, was
er in der Hand trug, am Eingang nieder und ging an das
Beit heran. Er zog Helgi die Bettdecke weg. Der erwachte
davon und sagte: ,Hast du mich angefaßt, Thordis ' Warum
ist deine Hand so kalt: ' ,Ich habe dich nicht angefaßt, ' versetzte
sie, ,aber du bist unvernünftig; ich fürchte, es hat schlimme
Folgen. ' Beide schliefen wieder ein. Da trat Grim an Helgi
heran und nahm die Hand der Thordis weg, die sie über ihn
gelegt hatte. Er rief: ,Wach auf, Helgi; hast genug geschlafen! '
und dann durchbohrte er ihn mit dem Schwert.
Helgi rief: ,Wacht auf Burschen, im Schlafraum! Man er
schlägt mich. ' Da nahm Grim das Holz auf, das er auf den
Boden gelegt hatte, und schleuderte es. Es traf den Hol haufen,
und der stürzte zusammen. Nun sprangen die Leute im Schlafsaal
auf und glaubten, der Täter sei dort entwichen, wo der
Lärm zu hören war. Grim aber wandte sich zur selben Tür,
durch die er eingetreten war. Plötzlich faßte jemand ihn mitten
um den Leib und hob ihn sich auf die Brust. Das war Arnodd.
Er rief: ,Hierher, Leute; ich halte den Täter" Da sagte Grim:
Unglücks mensch, laß mich los! Ich wollte Helgi rächen. ' Arnodd
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betastete ihn mit der einen Hand und merkte, daß er barfuß
und in Linnenkleidern war. Da ließ er Grim los, sagte
aber gleich darauf: ,Ich habe ihn losgelassen, weil ich nicht
wissen konnte, daß es besser gewesen wäre. ihn festzuhalten.'
Grim sprang zur Tür und entschlüpfte. Thorkel machte die
Tür wieder zu. Glum warf den Schlagbalken vor, und sie
liefen zu ihrer Erdhöhle, wo sie sich versteckten.
Im Hause beratschlagte man, und es wurde beschlossen, an
allen Übergängen Wache zu halten und an die Brücken über
die Gletscherach Hinterhalte zu legen. Zuerst kamen Hjarrandi,
Ketilorm und Helgis verwandte heraus und gingen auf die
Suche. Die meisten trafen bei ihrer Rückkehr Helgi noch am
Leben. Er Sagte, ob Björn, Hjarrandi und die Ihrigen heimgekommen
wären. ,Hier bin ich,' sagte Björn. ,Es ist wieder
so,' sagte Helgi, ,daß Hjarrandi sich mir als der bravste Bursche
zeigt.' Darauf starb er.
Die Nacht verging. Da verließen Grim und seine Freunde das
Erdhaus und gingen am Seeufer hinauf bis Höfdi. Dort sahen
sie ein Zelt. Grim trat darauf zu und rief: ,Warum überlast
ihr Dieben euer Schiff:" Thorlak hieß der Mann, dem das
Schiff gehörte. Er hatte norwegische Kaufleute zu ihrem Schiff
begleitet. Er lieh Grim sein Boot, und sie setzten über. Grim
ruderte das Boot zurück und schwamm dann über den See.
Sie wanderten nun am Seeufer hinab und kamen zur Gletscherach.
Grim schwamm mit Thorkel hinüber, während Glum
sich hier von ihnen trennte. Von da ging es weiter zur Kreuzbucht
. Thorkel war noch nicht heimgekommen. Man fragte sie
nach Neuigkeiten. Sie sagten, sie erzählten keine.
Am nächsten Tage saß Grim mit einem Norweger beim Brettspiel
, als ein Knabe, ein Sohn Thorkels und der Jorun, herangesprungen
kam und das Brett umwarf. Der Norweger gab
dem Knaben einen Fußtritt, und der furzte dagegen. Grim
lachte lama uf. Da trat Jorun zu ihm und sagte: ,Was ist dir
unterwegs zugestoßen, daß du jetzt lachen kannst: Was hast
du Neues zu melden?' Da sprach Grim.
| Laut erklang das Lachen,
Als mir Leid bereitet |
Thule-Bd.12-132 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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| Ward, dieweil ich wund lag,
Wilden Schmerz im Hergen:
Anders saust es endlich
Südwärts ob dem Erdzaun, 1
Raunt von Feindestaten,
Fall des Allbeliebten.' |
Ist es nicht so,' fragte Jorun, ,daß du deinen Bruder Helgi
gerächt bast?. Da sprach Grim.
| Rache darf ich rechnen,
Richtend und vernichtend
Helgis Feind und meinen,
Mir als Werk und Jubel:
Grund genug zur Sühne
Für den grimmen Bjarni;
Raben Freude biß der
Blanke Wundenfunke." 3 |
Nun wird es sich zeigen,' sagte Jorun, ,daß wir schutzlos sind,
sobald der Bauer nicht zu Hause ist. Und doch könnten wir
beide es ruhig abwarten, wenn nicht Helgis, des Asbjörnsohnes
Schwager Björn uns so dicht vor der Tür säße.'
Grim und seine Gefährten blieben dort versteckt, solange
Thorkel fort war. Als er heimkam, suchte er Grim auf und
Sagte nach dem Geschehenen und besonders nach den Umständen
Helgis Tod. Grim erzählte. wie alles sich zugetragen
, und sprach die Weisen:
| Harten Schwertes Schneide
Schnitt in Mannes Mitte —
Meine Faust umfaßte
Fest den Todesboten —,
Als er starb, enterbet
Alles Hallenjubels, 4
meines Bruders Todfeind,
Björns, des Asen, Sprößling.' |
Thule-Bd.12-133 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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| Mit der Waffe schuf er, 1
Hallend auf der Walstatt,
Heldenwerf, das Helgis
Üngestüm berühmte,
Als er, froh des Streites,
Stritt in volkesmitte,
Drei der Feinde fällte,
Eh er fiel dem Beile.'
Wogenrosses Wächter 2
Mußt ' in Wildnis hausen
Sieben lange Tage,
Bebend um das Leben,
Als der Baum des Kampfes 3
Blutbespritzten Spaten
Stach in Leibes Erde,
Leichentau erreichend. ' |
Thorkel ritt zum Thing. Grim aber blieb in einem Zelte auf
dem Berge, der Schneespitze beißt, oberhalb der Kreuzbucht,
und seine Gefährten mit ihm.
14. Von Grims Zufluchtsorten
Der Gode Hrafnkel, Helgis des Asbjörnsohnes Vetter
erhob die Totschlagsklage gegen Grim. Thorkel, Geitirs
Sohn, bot Sühnegeld für ihn, doch Hrafnkel wollte es nicht
nehmen. So wurde Grim geächtet, und die Leute kamen beim
vom Thing.
Im selben Sommer landete in der Kreuzbucht ein Schiff, das
einigen Norwegern gehörte. Der Steuermann nahm mit drei
andern Aufenthalt bei Thorkel.
Als es herbstete, zog Grim mit seinem Zelt herab auf einen
Felsvorsprung. Da stand eine große Steinwarte oberhalb des
Zeltes und eine ebensolche unterhalb. Das Ganze lag da, wo
der Graswuchs aufhört, und heißt noch jetzt Bei Grims Hütte,
Die Norweger kamen nach der Kreuzbucht, um zu spielen 5
Thule-Bd.12-134 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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und um den Steuermann zu besuchen. Da sagte einer von
ihnen: ,Ich glaube oben am Berge ein Zelt zu sehen — oder
einen grauen Stein; es wird aber eher ein Zelt sein.' Thorkel
sagte: ,Du hast scharfe Augen. Es ist ein Stein; wir nennen
ibn den Zeltstein.' Weiter wurde nicht darüber gesprochen,
In der darauf folgenden Nacht kam Thorkel zu Grim und
sagte: ,Bald kommen Leute aufs Gebirge. Ich möchte, daß
ihr euch nach Arnheidhausen begebt. Dein Schwiegervater
Jngjald ist ein kluger Mann, und bei ihm werdet ihr gut aufgehoben
sein. Seid ihr ihm aber unbequem, so kommt wieder
zu mir.' Grim und seine Freunde zogen also zu Jngjald und
wurden von ihm in eine Höhle gebracht, die jetzt Grims-Höhle
heißt.
Jngjald sagte zu seinem Schafhirten: ,Kommen ein paar
Schafe abhanden, so brauchst du dich nicht darum zu kümmern.'
Da sagte eine Magd zu Jngjald: ,Unser Bach ist so schmutzig,
daß man kaum daraus trinken kann.' ,Das kommt daher, daß
wir ibn abgedämmt hatten,' versetzte er; ,ich bin hingewesen,
ibn wieder in Fluß zu bringen.' In Wirklichkeit bing es anders
zusammen: Grim schaufelte sich ein Erdhaus — der Gang
mündete neben dem Bett seiner Frau, und er lag bei ihr in
den Nächten —, die Erde aber ward in den Bach geworfen.
An der Njardbucht wohnte Thorkel der Kluge, der groß war
im Erkunden verborgener Dinge. Er war mit Grim verwandt.
Der Gode Hrafnkel gab ihm ein Hundert Silbers, 1 daß er
herausbrächte, wo Grim sich aufhielt. viele Freunde hatte er
nicht. So zog Thorkel über die Berge landeinwärts, an der
Ostseite des Sees hinauf, und dann an der Westseite wieder
binah. Er kam auch nach Arnheidhausen. Grim hatte einen
sechsjährigen Sohn. An den machte Thorkel sich heran und
fragte: ,Bist du Grims Sohn ,Ia,' erwiderte der Knabe.
Thorkel fuhr fort: .Ist dein Vater zu Hause?' .Das weiß ich
nicht. Und auch wenn ich es wüßte, würd' ich's nicht sagen.'
um Abend Sagte eine Frau: ,Wo ist Grims Eimer: Ich finde
ihn nicht.' ,Was ist los mit Grims Eimer?' erkundigte sich
Thorkel. Da kam Jngjald hinzu und sagte: ,Grim heißt ber
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Thule-Bd.12-135 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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den Frauen unser Bock, und in dem Eimer bekommt er zu
saufen.' Nun glaubte Thorkel genug zu wissen, machte sich
fort und meldete Hrafnkel, wie es stand.
Im Frühling traten Jngjald und Thorkel Kranich eine Reise
landeinwärts am Sie wandten sich südwärts über die Gletscher
und stiegen hinab zum Hornfjord. Da stand ein Schiff auf
Rollen. Jngjald verschaffte Grim und allen den Seinigen Platz
an Bord und gab dem Steuermann Geld, daß er es geheim
hielt. Heimlich sollten die Fahrgäste dorthin kommen. Danach
kehrte Jngjald wieder heim, und bald darauf geleitete er Grim
und die Seinen zum Schiff, ohne daß jemand es merkte, und
blieb beim Schiffe, bis sie in See stachen. Dann machte er sich
auf den Heimweg.
Als Hrafnkel erfuhr, daß Jngjald Grim zur Flucht verholfen
hatte, erhob er dafür von ihm drei Mark Silbers. 1
Grims Schiff lief in den Sognefjord ein. Da sagte der Steuermann
Thorkel zu Grim: ,Das Essen, das ich an euch wende, tut
mir nicht leid; aber ich getraue mich nicht, dich sicher zu stellen
vor dem Norweger Gunnar und den andern, die dir nach dem
Leben trachten.' Und Thorkel kaufte Pferde für Grim und die
Seinen und verschaffte ihnen einen Führer auf das Hochland.
Sie schieden als Freunde.
Die Reise ging auf das Hochland zu einem gewissen Finngeir. Der
war jung und reich. Er hatte eine Schwester Sigrid, ein schönes
und kunstfertiges Mädchen. Dort übernachtete Grim mit den
Seinen. Finngeir Sagte ihn: ,Wohin soll deine Reise gehn: 'Grim
erzählte ihm, wie es um sie stand. ,Bleibe vierzehn Tage hier,
wenn du willst!' Und als die vierzehn Tage um waren, sagte
Finngeir: ,sieh auf den Hof, Grim, der meinem verstorbenen
Bruder gehört hat, und gefällt es dir hier, so verfahre damit,
als wäre er dein Eigentum.' Das Anerbieten nahm Grim am
15. Wie Grim seinen Tod fand
Es war ein wilder Wiking namens Gaus, mit drei Genossen.
Die fügten vielen schwere Unbill zu, und Eisen
Thule-Bd.12-136 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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wollte bei ihnen nicht recht beißen. Seit einigen Jahren saß
Gaus im Hochland, hatte zwei Bauern von ihren Höfen vertrieben
und sich zu ihrem Nachfolger gemacht. Darauf warb
er um Finngeirs Schwester Sigrid. Sie wollte ihn aber nicht,
und da forderte Gaus Finngeir zum Holmgang.
1 Finngeir
sagte: ,Ich hätte nichts dagegen, wenn ich vier Jahre älter
wäre. Und doch will ich mich lieber schlagen als ihm meine
Schwester geben.' Er bot nun verschiedenen Männern Geld,
daß sie mit Gaus kämpften, und versprach dem, der ihn erschlüge
, seine Schwester. Aber keiner wollte es wagen. Da begleitete
Grim Finngeir auf den Holm und war bereit, ihn
zu kämpfen. Gaus kam mit seinen Leuten und legte sechs
Mark Silbers nieder als Holmlösung. ,Das Geld will ich
annehmen,' sagte Grim. Grim hatte zwei Schwerter, weil
Gaus die Schneiden stumpf zu machen verstand. Er focht
gleich gui mit beiden Händen. Er zückte das Schwert mit der
Linken und schlug gleichzeitig mit der Rechten zu und durchschnitt
dem Gaus das Bein oberhalb des Knies. Gaus siel.
Im Fallen schwang er das Schwert gegen Grim. Es traf das
Bein und gab eine tiefe Fleischwunde. Dann floh der Wiking,
und Grim nahm das Silber und hatte gute Nachrede von
dieser Tat. Finngeir schenkte ihm den Hof, den er verwaltete,
mit allem beweglichen Gut, Acker und vieh.
Grims Wunde wurde schlimm, und der Fuß schwoll an. Eines
Abends erschien eine Frau, die sagte, sie sei Ärztin, und bat
Grims Wunde verbinden zu dürfen. Man gewährte es ihr,
und sie ging. Bald darauf stellte sich eine Entzündung ein, die
bis zum Rumpf hinaufging. Da schickte man nach einem Priester
. Grim empfing seine Dienste und starb. —Jene Frau aber
hieß Gefion die Zauberin. Sie war Gaus' Geliebte gewesen.
Der Winter verging. Im Frühjahr kaufte Finngeir ein Schiff
für Helga, und sie fuhr mit all ihrer Habe nach Island, Thorkel
Kranich mit ihr. Sie landeten in der Rotwalförde. Jngjald
kam seiner Tochter entgegen und brachte sie heim nach Arnheidhausen.
Dort wohnte sie von nun an. Sie schenkte Thorkel
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das halbe Schiff; die andere Hälfte verkaufte sie an die Norweger
. Thorkel ging im nächsten Frühjahr außer Landes, und
von ihm ist nichts mehr zu erzählen.
Thordis, Helgis des Asbjörnsohnes Witwe, verheiratete sich
mit Höskuld, dem Sohne des Goden Thorgeir vom Lautersee.
Höskuld ergriff jenen Glum, der Grim bei der Tötung Helgis
begleitet hatte, und er und seine Frau ließen ihn totschlagen.
Nach Ingjalds Tode war Helga Herrin von Arnheidhausen,
zusammen mit Thorvald, ihrem und Gäms Sohne. Thorvalds
Sohn war Jngjald, und dessen Sohn war Thorvald, der diese
Geschichte erzählt hat.
Helgi, Droplaugs Sohn, ist gefallen ein Jahr nach der Ankunft
des Priesters Dankbrand in Island.
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Das Bruchstück
von Thorstein, dem
Sohn Siduhalls
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1. Thorstein im Auslande
Diesen Sommer hatte Thorstein mit Thorleif eine Fahrt
ins Ausland vor, und sie waren vor dem Thing reisefertig.
Da kam die Rede darauf, wem Thorstein sein Godentum
anvertrauen solle. Er meinte: ,Ich hätte mich wohl nicht
sehr weit umgetan, wenn Thorhadd mir noch so nahe stünde
wie einst. Aber so, wie die Dinge jetzt liegen, weiß ich nicht
recht. Er hat ja das Zeug dazu, Verstand und Tatkraft. Aber
es ist noch nicht alles in Ordnung zwischen uns.'
Es ging, wie das Sprichwort sagt: einmal über die Lippen,
läuft das Wort nur so — das Wort gelangte bis zum Thorhadd.
Der besuchte alsbald Thorstein und sprach: ,Ich habe etwas
gehört, was mir gut gefällt. Seien wir klug und tun die Spannung
ab, die zwischen uns entstanden ist; schließen wir von
neuem Freundschaft: Und wenn es dir wirklich ratsam scheint,
daß ich dein Godentum übernehme, so bin ich so bereit wie berufen
zu dieser Arbeit, zu der du mich anstellst.' Thorstein erwiderte,
das sei gut gesprochen. Thorhadd übernahm auf dem
Thing das Godentum, und sie trennten sich in Freundschaft.
Thorstein segelte aus und landete auf den Orkaden. Zu dieser
Zeit herrschte auf den Inseln der Jarl Sigurd, Hlödvirs Sohn-Er
nahm Thorstein gütig auf, lud ihn ein, sein Gast zu sein,
und Thorstein verbrachte den Winter bei ihm in hohem Ansehen.
Als der Frühling kam, fragte ihn der Jarl, ob er mit
ihm auf Heerfahrt segeln oder lieber zu Hause bleiben wolle.
Thorstein wählte das erste und wurde auf dem Schiffe des
Jarls Bugwächter. An Bord war er der Tüchtigsten einer, als
wäre er an solche Arbeit gewöhnt. Thorstein war klug in Ratschlägen
, scharfsinnig und kühn, und der Jarl bat ihn, lange zu
bleiben, da er auch seine Sippe kannte und wußte, daß sie
verwandt waren: denn die Mutter des Siduhall war Thorey,
Özurs Tochter, und Özur war ein Enkel des Jarls Rögnvald
von Möre, von dessen Sohn, dem Jarl Torf-Einar, über die
Jarle Thorfinn Schädelspalter und Hlödvir, der Jarl Sigurd
abstammte.
Jarl Sigurd heerte den Sommer hindurch weithin an den
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schottischen, Küsten. Anreizende Reden waren bei Thorstein
überflüssig. Vielmehr waren sein Wort, seine hohe Abstammung
, seine Mannhaftigkeit treibende Kräfte bei dem unternehmen
. Der Jarl erschlug viel Raubgesindel, anderes entfloh
in die Wälder, und so segelte er weithin um die Westländer
mit Feuer und Schwert.
Spät im Herbst kehrte er heim nach den Orkaden und saß nun
drei Monate ruhig, Gaben verteilend an seine Freunde. Zu
Thorstein sagte er da: ,Gute und wackere Gefolgschaft bast
du mir geleistet. Nimm diese goldbeschlagene Art von mir an.
Sie geziemt dir zu tragen.' Thorstein dankte dem Jarl, denn
das Stück war sehr kostbar. — In diesem Herbst kam der
Mordbrand-Flosi mit seinen Leuten nach den Orkaden, und
es ging ihm dort bei Jarl Sigurd so, wie in der Geschichte
vom weisen Njal erzählt wird.
Im Winter rüstete Jarl Sigurd zur Irlandfahrt, und nachher
kämpfte er gegen den König Brjan in jener berühmtesten
Schlacht, die je in den Westlanden geschlagen wurde, so viele
waren der Kämpfer und so große Ereignisse geschahen dort. 1
Beim Aufbruch Sagte der Jarl Thorstein, ab er mitwolle. Er
antwortete, ihm zieme nichts anderes als mitzufahren und ihm
in die Gefahr zu folgen, da er sich ja auch das gute Leben im
Frieden habe gefallen lassen. Für diese Worte dankte ihm der
Jarl. Dann fuhren sie nach Irland und kämpften gegen den
König Brjan, wobei viel Merkwürdiges sich ereignete, wie in
seiner Geschichte erzählt wird. So sielen dort drei Bannerträger
des Jarls Sigurd nach einander. Da bai der Jarl Thorstein,
das Banner zu tragen. Thorstein versetzte: ,Trag selber deine
Krähe 2, Jarl! Da sagte jemand: ,Du tust recht, Thorstein,
denn ich habe dabei meine drei Söhne verloren.' Der Jarl
nahm das Banner von der Stange, verbarg es in seinen Kleidern
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und kämpfte tapfer weiter. Gleich darauf hörte man eine
Stimme in der Luft: ,Will Jarl Sigurd den Sieg, so soll er
seine Schar auf die Dumaz-Höhe führen!' Beim Sturm auf
diese Höhe siel der Jarl und mit ihm viele aus seinem Gefolge.
Gleichzeitig erschlug Brodir den König Brjan. Doch Ospak,
sein Bruder, ließ ihn ergreifen, die Därme aus seinem Leibe
ziehen und ihn um eine Eiche herumführen, bis erstarb.1 viele
bedeutende Männer sielen da zur selben Stunde,
Thorstein und noch einige, die bei einander geblieben waren,
machten am Walde halt. Da sagte einer: ,Warum fliehst du
nicht, Thorst~n: ?' Er antwortete: ,Weil ich heute abend doch
nicht mehr nach Hause komme, auch wenn ich fliehe.' Man
schenkte Thorstein das Leben.
Er fuhr zurück zu den Orkaden und von da nach Norwegen,
wurde dort ins Gefolge des Königs Magnus des Guten aufgenommen
und war ein anderer Mann als solche, die zu Hause
sitzen und sich von großen Ereignissen erzählen lassen. Er
verkehrte in den Häusern vieler großen Herren, überall hoch
angesehen als hervorragende Persönlichkeit. Auch im eigenen
Hause trat er prächtig auf, und sein Hof stand nicht zurück
hinter der Lebensweise großer Herren. Thorstein war als
Freund zuverlässig, heiter und leutselig im Umgang, klug und
nachgibig, aber auch scharfblickend und von langer Rache, grimmig
gegen seine Widersacher, doch gut gegen Arme und alle,
die seiner bedurften; Leute dagegen, die nicht zu den kleinen
gehörten, bedrängte er, solange er hier im Lande wohnte, oft
durch seine Übermacht. Ausgezeichnet schon durch seine Abkunft,
verschaffte er sich dazu eine wertvolle Schwägerschaft,
den Beistand der Leute von der Waffenförde.
Nachdem er drei Jahre draußen gewesen und sehr berühmt
geworden war, kehrte er nach Island zurück. Er war zwanzigjährig
gewesen, als er in der Brjansschlacht mitkämpfte,
Er landete an der Ostküste kurz vor dem Herbstthing und begab
sich zu seinem Hof, freudig empfangen von verwandten,
Freunden und allen Thingleuten.
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2. Von Thorhadd und Hauk
Während Thorsteins Abwesenheit hatte Thorhadd seine
Thingleute gut behandelt. Zugleich bekam er viel
Geld von Hauk. 1 Im ersten Sommer, als er anfing, das Geld
einzuziehen, ward ihm ein großer, wertvoller Kessel in Zahlung
gegeben. Bei der Teilung blieben sie so lange einig, bis dieser
Kessel an die Reihe kam. Da sagte Thorhadd: ,Dieses Stück
will ich haben für meine Wirtschaft. Du kannst etwas anderes
dafür bekommen.' Hank erklärte, den Kessel nicht entbehren zu
können; jener könne auch so zufrieden sein, da er so ziemlich
alles bekommen habe, und es sei nicht billig, ihm den Kessel
abzusprechen. Thorhadd entgegnete, so sei es, aber es hätten
noch mehr Leute als er ein Anrecht auf den Kessel. Dann ritt
er davon.
Gleich darauf trat Gudleif hinzu und sagte: ,Hätte ich zu
entscheiden gehabt, so hättest du den Kessel nicht verweigert.
Bei dem Übermut meines Vaters kann dies schlimm ablaufen.
Man soll ihm nachreiten und ihm den Kessel anbieten.' Hauk
erwiderte: ,Das ist nicht nötig. Geben wir ihm das eine, so
verlangt er gleich mehr.' Sie sagte: ,Ich möchte es nicht darauf
ankommen lassen, daß mein Vater darüber die Entscheidung
behält; wie die Sache weitergehn soll. Kauf dir lieber einen
neuen Kessel!' So wurde dem Thorhadd ein Reiter nachgeschickt
und ihm der Kessel angeboten. ,Es ist das Richtige,' sagte er,
wenn Hank den Kessel behält. Ich besorge dann das Meinige
nach Gutdünken.' Hauk erfuhr dies und war es zufrieden.
Gudleif dagegen sagte, es werde ein schlechtes Ende nehmen.
Im nächsten Herbst ließ Thorhadd fünf Ochsen und dreißig
Hammel, Hanks Eigentum, von der Bergweide herabtreiben
und sagte, man solle dem Hauk bestellen, das wäre ein Bruchteil
von dem Werte des Kessels. Hauk fand dies unziemlich
gegen sich gehandelt, konnte aber nichts dagegen tun, solange
Thorstein fort war; er meinte, dies sei ein schlechter Dank für
sein Anerbieten. Gudleif sagte, ihnen sei schlimm mitgespielt,
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aber sie wolle es darauf ankommen lassen, daß man einstweilen
Ruhe hielte. Den andern Leuten dort in den Bezirken war Thorhadd
ein guter Herr und stiftete Recht unter ihnen nach Kräften.
Im folgenden Herbst ließ er wieder ebenso viel vieh, das Hauk
gehörte, von der Alm treiben und für seine Wirtschaft schlachten
und bat wiederum Hauk zu sagen, das wäre ein Bruchteil
von dem Werte des Kessels. Hauk äußerte, er wisse wirklich
nicht, was er gegen solche Beraubung tun solle; er vermisse
schmerzlich seinen Freund Thorstein.
Auch dieses Jahr verging, und im dritten Herbst rüstete Thorhadd
sich, aufs Gebirge zu steigen, und alle seine Söhne mit
ihm, und er ließ dann hundertzwanzig Hammel und zehn
Ochsen herabtreiben und für seine Wirtschaft schlachten. Diese
Tat fand niemandes Beifall. Hauk fragte Gudleif um Rat,
was zu tun sei. Sie sagte, es sei mißlich, bei solchem Übermut
Thorhadds einen Rat zu geben; ,Thorstein wird bald kommen,'
meinte ue.
3. Wie Thorhadd gedemütigt ward
In jenem Sommer nun kam, wie erzählt, Thorstein heim.
Das Herbstthing nahte, und Thorstein machte sich mit
großem Gefolge dahin auf. Auch Thorhadd kam hin. Das
Thing war stark besucht, und die Leute verhandelten über ihre
Angelegenheiten und die Bezirksregierung. Thorstein sagte,
er habe erfahren, daß Thorhadd aller Leute Angelegenheiten
gut verfolgt habe, ausgenommen die des Hauk, die noch ganz
unerledigt sei. Thorhadd versetzte, er und sein Schwiegersohn
würden sich allein darüber einigen; doch hätten auch andere Leute
davon ihren Nutzen gehabt. Thorstein nannte es in der Ordnung
, daß jeder über das Seinige bestimme; ,und jetzt', sagte
er, ,ist wohl auch der Zeitpunkt gekommen, daß ich mein Godentum
wieder übernehme.' Thorhadd antwortete: ,Das hättest
du sagen sollen, ehe die Prozesse verhandelt wurden. Jetzt
ist es besser, wir machen die Sache auf dem nächsten Frühjahrsthing
ab, vor den Gerichtsverhandlungen. Im Winter brauchst
du ja das Godentum nicht.' Thorstein wurde sehr zornig, als
er das Godentum nicht bekam, und sie trennten sich.
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Der Sommer ging Ende, auch der Winter verging, und
das Frühjahrsthing kam heran. Ehe Thorstein von Hause
wegritt sagte seine Frau Yngvild: ,Es ist nicht alles richtig
zwischen dir und den Leuten an der Waffenförde, wenn du
keinen höheren Namen trägst als ein beliebiger Bauer."
Und als Thorstein sich dem Thingplatze näherte, sagte er: ,Hier
wollen wir halt machen und auf Thorhadd warten. Wir beide
kommen nicht zusammen auf dieses Thing, erhalte ich mein
Godentum nicht zurück.' Bald erschien Thorhadd mit seinen
Söhnen und einem Trupp Reiter. Thorstein sprang auf und hieß
ibn das Godentum ausliefern und die Hand darreichen; ,sonst',
sagte er, ,müssen wir unsere Kräfte messen '; es gehe nicht an,
daß die Bauern beraubt und die Häuptlinge geschändet würden.
Er machte ihm heftige Vorwürfe wegen seines Handels
mit Hauk und sagte, er dürfe Hauk, und ebenso seine Tochter,
nicht länger so schmachvoll behandeln. Thorbadd sagte, er sei
kühn; ,es ist wahrscheinlicher,' sagte er. ,daß du Hauk in
Schmach bringst, denn jedesmal, wenn du bei ihm zu Gast
bist, schläfst du im Bette seiner Frau. So lohnst du ihm seine
Geschenke.' Thorstein antwortete: ,Gut lügt nur; wer mit Zeugen
lügt. Ich glaube aber, du kannst keinen Zeugen dafür beibringen
, daß ich je eines Mannes Frau verführt hätte. Ich
habe nämlich eine gute Frau und bin ihr treu. Entschließe 'dich
nun schnell: gib das Godentum heraus, oder — das andere
ist das Schlimmere" Thorhadd: ,Ein hitziger Mensch bist du,
nicht gerade von ruhigem Wesen. Du sollst dein Godentum
bekommen, auch ohne Drohungen. Dein Vater machte es anders
, als er auf dem Allthing seinen Sohn Ljot verlor. Da redete
er bedächtig genug, und es war doch wirklich eine Prüfung
für ihn, während dies für dich keine ist.' Viele Dritte mischten
sich ein. und Thorstein bekam auf dem Thing das Godentum
zurück.
Die verhandlungen gingen vor sich. Bei der Auflösung des
Thinges auf dem Thinghügel stand Thorstein auf und sprach:
Der Landsgemeinde ist bekannt der Handel zwischen Thorhadd
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und Hauk. Soll es so weitergehn, so sind die Bauern
rettungslos verloren. Darum soll Thorhadd allsogleich erfahren,
daß ich mächtiger bin als er. Ich verkünde hiermit, Thorhadd
, daß dir als Wohnsitz der Hof An der Straße, vor dem
Bärinnenfjord, zugedacht ist und daß du abziehen sollst aus
Rannveighausen, ehe vier ebu Tage um sind. Tust du das
nicht, so führe ich dich schonungslos fort. Aber ich dulde nicht,
daß du oder deine Söhne aus dem Bezirk fliehst, denn wir
Ostfjordleute sind die nächsten dazu, uns mit eurer schlimmen
Lage ;u beschäftigen. Geht ihr aus dem Bezirk ohne meinen
Willen, so verbiete ich, euch aufzunehmen, und sage denen, die
es tun, den Frieden auf.' Thorhadd sagte, das seien unbedachte
Reden; ,es könnte so kommen,' fuhr er fort, ,daß mein Verbleiben
im Bezirk wenig Nutzen brächte, wenn man uns allzu
wenig Raum gönnt; übrigens habe ich bisher immer selbst
über meinen Wohnsitz bestimmt.' Thorstein erklärte, es folie
nun einmal so sein, wie er bestimmt habe. Und man trennte
sich.
Thorhadd ritt nach Hause und ließ nichts von sich hören. So
verging einige Zeit. Er sagte, Thorstein werde sicher den Ablauf
der Frist übersehen.
Die letzte Nacht der vierzehn Tage kam, und als am nachsten
Morgen Thorhadd ruhig zu Hause bleiben wollte, erschien
Thorstein mit fünfzehn Mann und erklärte, er habe Thorhadd
nur das gedroht, was er wahr zu machen gedächte. In
aller Frühe war Thorhadds Schäfer hereingekommen und
hatte gemeldet, fünfzehn Reiter seien im Anzuge; ,du sagtest,'
hatte er hinzugefügt, ,Thorstein würde die Frist vergessen;
aber mir scheint, jetzt kommt er.' Thorhadd hatte erwidert:
Stehn wir auf und brauchen unsere Waffen; ehe man uns
totschlägt, geschieht etwas.' Als Thorstein sich dem Hofe näherte,
ließ er absitzen und sagte, die Pferde sollten Hauks Gras
nicht zertrampeln. Sie gingen zu Fuß an das Haus. Dort sagte
man ihnen, Thorhadd und seine Söhne warteten drinnen.
Die Türen waren zu, Thorstein trat an den Eingang und
sagte: ,Vernimmt Thorhadd meine Worte, so bin ich nicht
feindlicher Absicht da, wenn er herauskommen will und ab
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guben.' Thorhadd rief zurück, er solle nur angreifen. Aber
Thorstein erklärte, seine Leute seien ihm zu schade dazu: ,Wir
wollen Feuer an das Haus legen und Hauk Genugtung verschaffen
für den Hausbrand" Man tat es und schaffte Feuer
herbei. Den Frauen gewährte Thorstein Seien Ab ug. Bald
erfüllte die Zimmer dichter Qualm, und es rauchte immer stärker
. Da sagte Helgi ': ,Es dünkt mich ein übler Tod, eingeräuchert
zu werden wie Füchse. Lieber geb ich hinaus zu Leben
oder Kampf!' Er tat es und ging voran, und wie sie herauskamen
, ließ Thorstein einen nach dem andern binden, sonst aber
ihnen nichts tun. Dann wurden ihre Wirtschafisgeräte fortgeschafft
und ihr vieh nach der Straße getrieben. Dort ließ
Thorstein Thorhadds ganzen Besitz in zwei Teile teilen, und
er mußte sich darein fügen und blieb dort wohnen. Thorstein
ritt beim nach Hof. Man schickte Hank Nachricht. Er kam und
nahm das Seinige an sich.
4. Von Thorhadds Rache
Nun entstand von neuem Feindschaft zwischen Thorstein
und Thorhadd, und besonders von Thorhadds Seite,
da er so vergewaltigt worden war. Er und seine Söhne setzten
schlimme Gerüchte in Umlauf über Thorstein; sie waren mit
Worten höchst gefährliche Gegner.
Eines Abends kam bei Thorhadd ein Mann zu Gast namens
Grimkel; der war ein Landstreicher und dabei eine arge
Lästerzunge. Thorhadd plauderte viel mit ihm, und er blieb
eine Zeitlang dort. Thorhadd wollte von ihm haben, er solle
ins Westviertel ziehen und dort eine Verleumdung über Thorstein,
Halls Sohn, aussprengen des Inhalts, Thorstein wäre
jede neunte Nacht in ein Weib verwandelt und verkehre dann
mit Männern. Dies war für Grimkel ein gefundenes Fressen.
Er zog westwärts und lästerte über Thorstein, und das Gerede
drang dann wieder ins Ostland. Es fand fast in jedem
Hause Eingang, und Thorsteins Feinde machten eine Schmach
Rr ihn daraus, seine Freunde bedauerten es.
ver erste, der ihm darüber reinen Wein einschenkte; war sein
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Bruder Kol; er war gerade Gast im Hause, war im Sommer
aus dem Auslande heimgekehrt. Eines Tages sagte er zu Thorstein
,Hast du gemerkt, Bruder, wie unfreundlich man dich
behandelt und dich aufs seltsamste: verleumdet: Das ist der
Grund, weshalb deine Freunde zurückhaltender gegen dich sind
als früher, und daher auch das Lächeln Einiger. Die Sache
ist eingefädelt von deinen besten Feinden. Man tut, als komme
es aus dem Westlaude, aber ich glaube, die Welle springt hier
ganz in der Nähe auf. So etwas ahndet man nicht ischt zu
schwer" Thorstein erwiderte ,Das ist eine feige Handlungsweise
. Es wird wohl kein gutes Ende nehmen. Jeden andern
Tort hätte ich von Thorbadd und seinen Söhnen eher erwartet.'
5. Thorhadds Träume
Es war ein Mann namens . . . ., der wohnte im Breiten
Tal an der Klippe. Bei ihm war ein gewisser Stein zu
Gast. Der deutete Träume besser als irgend ein anderer und
war auch ein sehr geschickter Brettspieler . . . .
(Thorhadd war zu Besuch an der Klippe und unterhielt sich
mit Stein.) Thorhadd war sehr lustig und schlug ein Brettspiel
vor. ,Man hat mir erzählt,' sagte er, ,daß du ausgezeichnet
Brett spielst, und ich finde auch Vergnügen daran.' Stein war
es recht. Sie spielten, und Thorhadd unterlag. Da sagte er:
Man hat mir deine Geschicklichkeit nicht übertrieben. Jetzt
wollen wir aufhören mit dem Brettspiel, denn ich habe etwas
anderes mit dir abzumachen.' Stein Sagte, was das sei. Thorhadd
erwiderte: ,Man bat mir erzählt, du seiest ein sehr guter
Traumdeuter. Darauf möchte ich jetzt die Probe machen. Ich
habe nämlich wunderbare Träume gehabt, und es verlangt
mich, zu wissen, wie du sie deutest.' ,Ich verstehe nur schlecht ,
Träume deuten, aber ich kann mir denken, daß du v!
träumst, denn du redest viel.
Thorhadd sprach: ,Mich träumte, ich spränge mit einer Stange
in der Hand den Bergabhang über der Straße hinauf und
über etliche Gruben und Wege, und ich käme wieder hinab
dort, wo es Am Bogen heißt.' — Stein sagte: ,Ich glaube
deinen Traum so richtig zu deuten: deine Angelegenheiten
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wenden auf einen Abweg geraten, du biegst nämlich vom geraden
Wege ab und schlägst einen krummen ein, und es kann
sein, daß es eines Tages mit dir um die Ecke geht; das macht
mir Angst.' Thorhadd versetzte: ,Du deutest ev wenig nach
meinem Sinn.' .Erzähle mir nur solche Träume, von denen
du willst, daß ich sie so deute, wie ich es fur richtig halte,
sagte Stein.
Thorhadd sprach: ,Das war mein zweiter Traum: ich sah zwei
Monde; der eine war ein gewöhnlicher Mond; der andere hing
am Berge hinter meinem Hause, und ich nahm diesen Mond
und ass ihn. ließ aber ein kleines Möndchen übrig und verwahrte
das in meinem Beutel.' — Stein sagte: ,Das ist ein
wunderbarer Traum. Doch glaube ich zu erkennen, was er
bedeutet: du hast ein Weltwunder verschluckt, daher die ungeheuerlichen
Reden, die aus deinem Munde kommen. Noch
sind nicht alle heraus, die du in deinem Herzen verwahrst,
denn du hast etwas von dem Monde übrig behalten.'
Thorhadd sprach: ,Es klingt nicht gerade erfreulich, was
passieren soll; aber vielleicht hat der Traum wirklich nichts
Gutes zu bedeuten. —Der dritte Traum war dieser: ich stand
in einer Schmiede und machte einen Spieß, und meine Söhne
fachten mit dem Blasebalg das Feuer an, aber die Arbeit wurde
nicht fertig, obgleich die Funken stoben.' — Stein sagte: ,Das
sind eure fauchenden Mäuler und die Spießruten, die ihr andere
Leute laufen laßt, eine Arbeit, die nie fertig wird, obgleich
die Funken davon über das ganze Cand sprühen du bist der
Hauptmann, und deine Söhne gebn dir getreulich zur Hand.'
Thorbadd sprach: ,Mein vierter Traum ist dieser: ich ging in
eine andere Schmiede; da war plötzlich alles wunderbar verändert
, und ich bereute den Gang.' — Stein erwiderte: ,In
der Tat bist du vor eine andere Schmiede gegangen als früher,
wo du Ansehen bei den Menschen und die Gunst der Götter
genossest; jetzt genießt du die Feindschaft der Menschen, und es ist
nicht unwahrscheinlich, daß dir die Schmiede einmal leid wird.'
Thorhadd sprach: ,Dies war mein fünfter Traum: ich ging
an den Strand hinab, wo Salz gesotten wurde, und meine
Söhne mit mir; da ass ich glühendes Salz und trank Seewasser
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dazu.' - Stein sagte: ,Das bedeutet deine Lästerreden.' ,Du
schonst mich wenig bei deiner Traumdeuterei,' sagte Thorhadd.
Stein versetzte, er deute so, wie es ihm richtig scheine.
Thorhadd sprach: ,Dies ist mein sechster Traum: wir brachen
von Hause auf, ich und meine Söhne, und wanderten zwischen
dem Berge und der See; da warf uns eine Brandungswelle
in eine Bergspalte, und es war sehr eng darin; ich hatte
aber einen so langen Arm, daß ich damit bis oben an den
Kamin reichen konnte, und so zog ich mich hinauf und zog
meine Söhne nach, so daß wir alle miteinander oben auf dem
Berge standen.' -Stein erwiderte: ,Wenn deine Arme länger
waren als von Natur und von Rechtswegen, so zeigt sich das
darin, daß du weit ausgreifende Torheiten begehrt und deine
Söhne mit hineinziehst in deine verwicklungen; und wenn
ihr hoch auf dem Berge standet, so bedeutet das: ihr fühlt euch
erhaben über jede vernünftige Vorsicht.' Thorhadd sagte: ,Ich
halte diesen Traum für einen guten Traum.' Stein versetzte,
es werde schon so kommen, wie er voraussage.
Thorhadd sprach: ,Dies war mein siebenter Traum: ich zog
meines Weges dahin, aber nicht auf der Hauptstraße, sondern
auf einem nebenher laufenden Pfad, und ich gelangte auf einige
Hügel hinter dem Gehöft An der Straße; Thorstein, Hall's
Sohn, aber ging unter mir auf dem Hauptwege.' —Stein sagte,
es sei klar, daß Thorstein auf dem rechten Wege wandle, ,du
aber gehst krumme Wege bei euren Händeln, und zuguterletzt
wird er dir von unten zu Leibe rücken.'
Thorstein sprach: ,Dies war mein achter Traum: meine Zunge
war so lang, daß ich sie seitwärts in den Nacken zurückschlug
und auf der andern Seite wieder nach vorne bis in den Mund.' —
Sinn erwiderte: ,Es ist klar, daß sich deine Zunge wohl noch
einmal um deinen Kopf wickelt."
Thorhadd sprach: ,Dies ist mein neunter Traum: ich stand auf
dem Berge Held —so einen gibt es im Ostland —und schaute
von da über alle Lande, nur nicht in die Nähe, da war alles
in Nebel gehüllt.' — Stein sagte: ,Wenn du auf dem Berge
Held standest, so bedeutet dies, daß du einstmals eine Art Held
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warst, als du Thorsteins Godentum verwaltetest und vielen
beistandest mit Geld und vor Gericht; jetzt aber bist du weitsichtig
geworden, denn du machst Dummheiten und siehst nicht;
was dir sehr nabe ist, dagegen siehst du genau alles, was weit
weg im blauen Dunst liegt.
Thorhadd sprach: ,Mein zehnter Traum war so: ich kam auf
eine stark besuchte versammlung, und da warf man mir Blechstücke
in die Schürze, aber die Mächtigeren warfen schwere
Eisen klumpen, so daß die Blechstücke zu Boden fielen.' —Stein
sagte: ,vermutlich wird ein Einigungstermin anberaumt zwischen
dir und Thorstein, und da werden, glaube ich, die kleinen
Leute; die große Masse, dir Beistand leisten, weil du manchmal
ihr Fürsprecher gewesen bist, aber die Großen werden alles, was
dir helfen soll, niederschmettern und sich mehr an deine bösen
Reden balten.'
Thorhadd sprach: ,Mein elfter Traum war: ich ging das Breite
Tal hinauf und raffte den ganzen Bezirk wie eine Garbe Ähren
in meine Arme.' — Stein deutete: ,Dann wirst du alle Leute
im Bezirk vor der Brust haben als deine Gegner.'
Thorhadd erzählte den zwölften Traum: ,Ich wanderte aus
dem Breiten Tal durch die Herdenscharte zu dem Hof 'Am Ende,
da wohnte eine Witwe, und ich trat in eine Pfütze, glitt aus
und fiel, während Thorstein quer über den Weg auf mich zuritt.'
—Stein sagte: ,Das überrascht mich nicht, daß du durch
die Schafscharte gehst und in die Patsche gerätst und dort ein
Ende nimmst.' Thorhadd selbst fand es wahrscheinlich, daß
er nicht alt würde. Damit beendeten sie das Gespräch, und Thorhadd
ging heim.
6. Wie man die Gegner zu versöhnen suchte
Bald darauf mischten sich Leute aus der Gegend ein und
versuchten, ob ein Vergleich sich zustande bringen ließe.
Sie baten Thorstein, dazu zu erscheinen. Er sagte; es werde wohl
wenig bei einer solchen Verhandlung herauskommen; sollte dagegen
über die Bezirksregierung beraten werden, so wolle er sich
einfinden, auch wenn Thorhadd und seine Söhne dabei wären.
Die Zusammenkunft fand statt bei dem Bauern Jngjald in
Thule-Bd.12-153 Gesch.v. den Ostlandfamielien. |
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Karshausen auf dem Bärinnenkap. Man stellte sich zahlreich
ein, auch Thorstein. Zuerst wurde über die Bezirksregierung
gesprochen, wie es damit zu halten sei, und es stellte sich Einigkeit
heraus. Dann ergriff Orökja, Holmsteins Sohn, das Wort
—er war ein Verwandter Thorhadds —: ,Ich frage dich, Thorstein,
ob man nicht einen vergleich anregen darf zwischen dir
und Thorhadd. Wir wollen uns alle daran beteiligen und weder
mit Geld zurückhalten noch mit sonst etwas. Du kannst es
glauben, er und seine Söhne würden dir zu manchem nützen
können. Jenes andere aber ist keine Schande für dich; deine
Häuptlingsschaft leidet nicht unter ihren ungeheuerlichen Reden.'
Andere unterstützten den vorschlag, führten Thorhadds
Sache und versicherten, Thorstein werde nur Nutzen davon
haben, jener habe wiederholt, wenn Thorstein nicht dabei war,
guten Willen gezeigt, dessen Angelegenheiten zu fördern.
Es antwortete hierauf Kol, Thorsteins Bruder: ,Seltsam, so
etwas uno zuzumuten im Namen dieses Thorhadd, der sich
so schändlich betragen hat, er und seine Söhne!', und dasselbe
antworteten alsbald auch manche andere, Verwandte und
Freunde Thorsteins. Da sagte Thorstein selbst: ,Es ist überflüssig,
viele Worte darüber zu machen. Ich und Thorhadd
vergleichen uns nicht.' Der versöhnungstermin verlief also,
wie Stein vermutet hatte.
Thorbadd sagte: ,Ich will nicht viel dazu bemerken. Aber das
sollst du wissen, Thorstein, daß ich reich mit Träumen begnadet
bim Es ist nicht unwahrscheinlich, daß bald einige davon in
Erfüllung gehn; schließlich aber werden sie alle etwas bedeuten.
So träumte mich. ein Eisbär käme vom offenen Meer
herein und spränge hier auf dem Bärinnenkap über mich und
meine Söhne hinweg; er rannte dann fort, entlang an einer
langen Hügelreihe, und da sah ich, wie ein Fuchs aus dem
Geröll hervorsprang und den Bären totbiß. Deute das, Thorstein"
Thorstein erklärte, er werde seinen Traum nicht deuten
und wünsche überhaupt das Gespräch nicht fortzusetzen. Da
erwiderte Thorhadd: ,So werde ich ihn selbst deuten! Nach
dem, was mitunter anderen zu Ohren kommt, weiß ich, daß
du mir Böses zugedacht hast, und es kann sein, daß es dir
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glückt, mir und meinen Söhnen eins auszuwischen. von der
Hand eines Mannes, wie du bist, zu fallen, ist gut, verglichen
mit dem Tode durch den Schurken, der eines Tages über deinem
gespaltenen Schädel stehn wird. —Ich hatte noch einen
andern Traum: Wir beide, Thorstein, und meine Söhne aßin
zusammen, jedem war ein halber Brotlaib zugeteilt, der
Brei aber allen gemeinsam. Ich und meine Söhne verzehrten
unser Brot, und am Ende hatte Thorstein den ganzen
Brei weggegessen und dazu sein Brot. Deute diesen Traum,
Thorstein! Thorstein sprang auf und erklärte noch einmal, er
werde seine Träume nicht deuten. So sei es wohl ihm selbst
vorbehalten, ihn zu deuten, sagte Thorhadd; ,und so soll es
sein,' fuhr er fort: ,ich deute ihn so, daß ich und meine Söhne
unser Leben bald beenden werden; du, Thorstein, wirst uns
die Mittel zum Leben entziehen; es kann aber sein, daß auch
deine Tage gezählt sind.'
Die versammlung ging auseinander, und man ritt heim. Die
Feindschaft zwischen den beiden wurde immer größer.
7. Wie Thorstein auf eine Tat sann
In diesem Winter begab sich Thorstein nach der Wassenförde,
um seinen Schwager Skegg-Broddi zu besuchen.
Sein Bruder Kol und noch ein paar Leute begleiteten ihn, und
sie blieben eine Zeitlang dort; die Schwäger hatten immerfort
mit einander zu reden.
Beim Abschiede erhielt Thorstein von Broddi wertvolle Geschenke,
und als sie südwärts über die Butterseeheide gingen,
da stolperte einer von ihnen an einer Erhöhung. Thorstein
lachte; und mehrere andere auch, denn dem Manne war nichts
zugestoßen. Da sagte Kol: ,Mich wundert, Bruder, daß du
lachen kannst nach solchen Reden, wie Thorhadd über dich verbreitet
hat. Du scheinst gar nicht an Rache zu denken, und
brauchtest doch nur zuzugreifen wie ein großes Raubtier, das
einem kleinen viehzeug den Garaus macht. Inzwischen wehen
ihre Lästerreden über das Land wie Schneeflocken vor dem
Winde. Es wird nichts übrig bleiben, als daß ich die Sache
in die Hand nehme.' Thorstein erwiderte, vom vielen Stacheln
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werde es nicht besser; übrigens habe er noch selten Schmähreden
geduldig ertragen und nicht anderer Hilfe gebraucht, um
sich Genugtuung zu schaffen.
Man kam beim und blieb den Winter über zu Hause. Als der
Frühling anbrach, machte Thorstein sich südwärts auf, um nach
seinen Geschäften und nach seinen Thingleuten zu sehen. Sie
stießen auf einen großen Fluß, kamen wohlbehalten hinüber
und begegneten, als sie auf der andern Seite ans Land ritten,
dem Thorbadd. Er ritt mit Lastpferden und fragte, wie man
über den Fluß käme. Thorstein erwiderte, allein würde es ihm
schwer fallen, aber er wollte ihm einige geschickte Leute mitgeben
zu seiner Begleitung. Thorhadd nahm das an und kam
glücklich hinüber. Es erregte Verwunderung, daß Thorstein
ihm diesen Dienst erwies. Als man ihn fragte, warum er es
tue, antwortete er: ,Es gibt nicht viel, was mir in meinem
Leben mehr am Herzen gelegen hai als jetzt Thorhadd heil
über den Fluß zu bringen, —denn ich gönne ibm einen andern
Tod als das Ertrinken.'
Thorstein kehrte nach Hause zurück. Bald darauf träumte ihn,
daß seine Mutter Joreid ihn besuchte. Sie war Thidrandis
Tochter und damals schon tot. Sie fragte: ,Willst du nun bald
um vergleichstermin mit Thorhadd: Er erwiderte, das habe
er nicht im Sinne. ,Du denkst also auf Rache?' fragte sie weiter.
Daran habe er gedacht, erwiderte er. Da sagte sie: ,Dann darfst
du nicht lange zögern, denn die verleumdungen werden erst
aufhören, wenn die Rache kommt '; den nächsten Tag nannte
sie dm günstigsten Zeitpunkt und riet ihm: ,nimm deine beiden
Arie in die Hand, den Jarl und den Thidrandi, und wähle zur
Tai diejenige, die schwerer in der Hand wuchtet; denn der Thidrandi
hai sich oft bewährt, obgleich er nicht so schön aussieht
wie der Jarl.' Da erwachte Thorstein und meinte noch ihre Bewegung
zu sehen, als sie hinausging.
8. Die Fahrt nach Bärinnenkap
An dem Tage war das Wetter sehr ungünstig zur Fahrt.
Thorstein nahm die Arte und wog sie in der Hand: der
Thidrandi war schwerer, und das überraschte ihn. Danach
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rüstete er zum Aufbruch, bestieg ein Fährboot, und sie fuhren
nach den Hofinseln. Dort nahmen sie ein gutes Langschiffund
ruderten hinaus aus der Schwanenförde in aller Morgenfrühe;
achtzehn Mann stark, nordwärts bis zum Landkap. Thorstein
war ziemlich schlechter Laune, bis beim Eiderstein eine Welle
über Bord kam und die Leute das Wasser wieder ausschöpften.
von da an war Thorstein wieder prol); es war ein gutes
vorzeichen, daß sie der Gefahr entgangen waren.
Als Thorstein aufgebrochen war, merkte es ein Norweger, der
bei ihm als Gast wohnte und vorher bei Thorbadd gewohnt
hatte. Er sing die Sache so an, daß er zum Fjord hinabeilte.
Als er sum innern Fjord kam und einigen Leuten begegnete,
fragte er sie nach Neuigkeiten. Da war er so erschöpft, daß er
nicht mehr hervorbringen konnte als diese Frage und gleich
darauf zu Boden stürzte.
Thorstein und seine Leute landeten am Fuße des Hügels auf
dem Bärinnenkap und fragten Ingjalds Schäfer, dem sie begegneten
, was für Gäste im Hause wären. Der antwortete:
Das brauche ich nicht zu verheimlichen. Da sind Helgi, Thorhadds
Sohn, und seine Brüder Thorvard und Nadd. Thorhadd
selbst ist, glaube ich, bei Thorkel hier auf dem Bärinnenkap,
, und Asbjörn ist mit ihm.' ,Das ist willkommene Kunde',
sagte Thorstein, und man trennte sich.
von Thorstein und seinen Leuten ist weiter zu berichten, daß
sie sich um Hofe Karshausen wandten und allesamt an die
Giebelwand traten. Da sprach Thorstein: ,Ihr kennt den Grund
meines Hierseins und wißt, daß ich Unbill rächen will. Keiner
von euch soll mir beistehn gegen Thorhadd, solange es sich
nicht um mein Leben handelt, denn ich möchte sie sämtlich allein
erschlagen. Ich warne euch; mein Zorn trifft den, der mein
Gebot übertritt.' Er ging an die Tür und bat um Einlaß.
Daraufhin kam Jngjald heraus und begrüßte ihn. Er fragte,
was für Gäste da seien. Jngjald stutzte, gab aber doch Auskunft
. Da sagte Thorstein: ,Ist es nicht so, daß sie deine Eidame
werden, Thorhadds Söhne, und deine Töchter besuchen: Bitte
sie herauszukommen, wenn's ihnen gefällig ist, damit wir über
unsere versöhnung reden. Du gibst ja wohl keine große Gesell
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schaft.' Der Bauer hieß es gut, wenn sie sich vertragen wollten,
ging hinein und meldete jenen, Thorstein sei draußen und wolle
mit ihnen reden. Helgi äußerte sich zweifelhaft darüber, ob ihm
das gefallen könne. Thorvard erklärte, er wolle hinausgehn,
wenn Thorstein allein wäre, und er ging hinaus, ebenso Nadd,
während Helgi langsamer hinterdrein kam. Draußen bai Thorstein
sie, sich zu setzen und zu verhandeln. Er trat seitwärts zu
einem Kieshügel, und sie folgten ihm; die Sache sei wohl nicht so
bald erledigt, sagte er, und es empfehle sich deshalb zu sitzen.
Thorvard setzte sich nieder —er war ein höchst stattlicher Mensch
— und während er sich setzte, gab Thorstein Nadd den Todesstreich
. Thorvard wollte aufspringen, doch ehe er auf den Füßen
stand, schlug Thorstein auch ihm einen tötlichen Hieb. In diesem
Augenblick kam Helgi heraus, sprang hinter einen Felsblock,
der vor dem Hause stand, und wehrte äch von da. Er
war groß und stark und ein schneidiger Kämpfer. Thorstein
ging auf ihn los, und sie tauschten eine Zeitlang Hiebe.
Unter Thorsteins Begleitern war einer namens Sigurd der
Reiche. Der sprang auf Helgi zu und hieb nach ihm mit dem
Schwert. Im selben Augenblick schlug Thorstein mit der Art
nach Helgi und schlug ihn tot. Er rief, Sigurd sei ein schlechter
Zuschauer, doch wolle er ihm das nachsehen, was er keinem
andern nachgesehen hätte. ,Aber ich hab ihm den Todesstreich
gegeben!' schloß er. Sigurd entschuldigte er habe ihr Fechten
nicht länger untätig mit ansehen können . . . .
(Es folgt eine größere Lücke, in der unter anderm Thorhadds
und Thorsteins Fall erzählt war. Thorstein wurde, wie eine
andere Ouelle berichtet, von seinem irischen Knechte Gilli, den
er aus unbekanntem Grunde hatte entmannen lassen, im Schlafe
ermordet durch einen Messerstich in die Kehle. Mit seiner letzten
Kraft sprang er auf, zückte das Schwert und stürzte im nächsten
Augenblick tot zu Boden. —Der bewahrte Schluß bringt nur
joch Stammbäume.)
9. Von den Nachkommen Siduhalls
Ljot, Halls Sohn, hatte Helga, Einars Tochter von Querach, zur
Frau. Ihre Tochter war Gudrun, die Frau Aris des
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Thorgilssohnes vom Rauchkap. — Halls zweiter Sohn war
Thorstein, von dem wir jetzt eine Weile erzählt haben. —Sein
dritter Sohn war Egil; der vierte Kol.
Eine Tochter Halls war Groa, die Teti zur Frau hatte, der
Sohn Gizurs des Weißen. Ihr Sohn war Hall, der Vater
Gizurs, des vaters des Bischofs Magnus. Nach Teits Tode
heiratete Groa Snorri, Kalfs Sohn, und ihr dritter Mann
war Thorvard Krähennase
Eine andere Tochter Haus war Yngvild. Sie hatte Eyjolf zur
Frau, der Sohn Gudmunds des Mächtigen von Krappfelden.
Ihre Tochter war Thorey, die Mutter Sämunds des Gelehrten.
—Jorun, Teits des Isleifsohnes Frau, war die Enkelin
der Thordis, der Tochter Thorsteins des Hallsohnes.
Damit schließt diese Erzählung von Thorstein.