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Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten
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Rasch ist der Knecht zur Rache, Der Feige fürchtet sich, |
aber der wahre, Seie Mann genießt seine Rache kalt. Grettir läßt seinen alien Gegner, der ihn einst beim Ballspiele übel behandelt hai, seine Überlegenheit fühlen, und nur das zufällige Dazwischentreten des Bardi verhütet das Äußerste. Am liebsten möchte Grettir jetzt mit diesem anbinden, zumal da er durch ihn von einem Fehdezuge ausgeschlossen wird, aber Bardi schlägt den Zweikampf aus. An diesem Gegner hätte Grettir lernen können, daß Tapferkeit sich sehr wohl mit Friedensliebe vereinen läßt, ibn aber führt die rohe Kraft, der Einsicht bar, ins verderben. Bei einer Pferdehatz wird er von einem Manne gereizt, er zerbricht ihm drei Rippen, und die Folgeist das Gefecht auf dem Hrutafjardarhals. Der starke gewalttätige Thorbjörn Ochsenkraft trennt die Kämpfenden, erntet aber wenig Dank von Grettir, und als Thorbjörns spottlustiger Freund Thorbjörn Ferdalang einige hämische Bemerkungen macht, artet das gespannte verhältnis zwischen beiden Parteien in offene Feindschaft aug.
Eingehend und sorgfältig wird dann die Tat vorbereitet, die Grettirs höchster Ruhm und tiefstes Unglück werden soll, der Kampf mit dem gespenstischen Widergänger Glam. Der Unhold unterliegt zwar endlich nach furchtbarem Ringen, aber sterbend flucht er dem Sieger: Achtung solle ihn treffen, einsam werde er leben müssen, seine Taten sollen sich ihm in Unglück und Mißgeschick wandeln, immer sollen ihm die Augen des Sterbenden vor schweben und ihn schrecken."von Stund an war in der Hinsicht mit ihm eine große Veränderung vorgegangen, daß er so furchtsam vor der Finsternis geworden war, daß er nirgends hingeben mochte, sobald es finster wurde. Er sah allerlei seltsame Gesichte, und es war später eine Redensart geworden, daß Glam denjenigen, die anders sehen, als es wirklich ist Augen leiht oder ihnen das Glamgesicht gibt". Die Nachricht, daß König Olaf tapfere Jünglinge für sein Gefolge sucht, bestimmt ihn, nach Norwegen zu fahren; vorher aber erschlägt er Thorbjörn Ferdalang, der mit frechem Spott Grettirs totkranken Vater begeifert hat.
Grettirs Kampf mit Glam ist der Höhepunkt des Romans, aller Glanz der Darstellung ist auf dieses Kapitel verwendet, unmittelbar daneben liegt die Peripetie. Von einer richtigen Würdigung gerade dieser Szenen hängt das verständnis der fallenden Handlung ab.
Die Bedeutung von Grettirs Kampf mit Glam liegt nicht auf stofflichem Gebiete. Die Überwindung eines gespenstischen Toten im Ringkämpfe ist ein beliebtes Abenteuer starker Männer, wenn auch das Grauen hier noch dadurch gesteigert wird, daß Glam nicht ein gewöhnlicher menschlicher Widergänger ist, sondern, wie die Schilderung seiner gewaltigen Größe zeigt, ein Riese. Auch darauf kommt es nicht in erster Linie an, inwieweit die Szene Motive aus dem Bärensohnmärchen enthält; oder die magischen Schauer des winterlichen Nordlichtes, den schreckenerregenden, spukhaften Eindruck des Vollmondes in Winternächten malt. Ohne Frage hat der Erzähler den alien Aberglauben gekannt, daß des Toten Auge den Lebenden fasziniert: dem Augenblicke, da Glam fällt, blickt er in den Mond, und in eben diesem Augenblicke erscheinen seine Augen
Grettir als das Furchtbarste, was er je gesehen hat. Ohne Frage auch hat der Erzähler aus eigener Erfahrung gewußt, warum Grettir sich immer fürchtet, wenn es zu dunkeln anfing,Die Angst vor dem Dunkel, die bei uns und bei Kindern vorkommt, , die künstlich graulich gemacht werden, ist noch heute eine bei vielen einfachen Isländern erscheinende Eigentümlichkeit. Auf meinen wiederholten Reisen in die abseits gelegenen Teile Islands, wohin noch keine moderne Aufklärung gedrungen ist, bin ich mehrfach gefragt worden, ob man auch bei uns das Gefühl der "Furcht vor der Finsternis" kennt. Man muß an die Grauen der isländischen Winternacht denken, um diese Angst nachempfinden ;u können; z. B., obwohl Steinpyramiden den kurzen Weg bezeichnen. der vom Hofe nach dem Schafställe führt, ereignet es sich doch oft, daß sich die Knechte und Mägde in der rabenschwarzen Finsternis, bei Schneegestöber und Sturm, verirren und stundenlang umhertasten, ja selbst den Tod finden, Nun stelle man sich einen Mann vor, der dazu verdammt ist, fünfzehn Jahre fern von den Menschen zu leben, darunter mindestens fünf Jahre allein in grauenhafter Einöde, allein mit seinen Gedanken, immer ins undurchdringliche Dunkel gebannt: Je länger diese entsetzliche Zeit währt, um so größer wächst natürlich die Furcht vor dem Alleinsein in der Finsternis. Das ist der furchtbarste Fluch, der den Achter treffen kann: gegen feindliche Wien scheu und Naturgewalten kann er sich mit seinen Kräften wehren. aber diesem unheimlichen, nicht zu fassenden Feinde gegenüber, der gespensterhaft immer wieder auf ihn los schleicht, der plötzlich wieder da ist, wenn er kaum verscheucht war, ist er ohnmächtig, da helfen weder Unbändigkeit noch Stärke. Ein moderner Mensch würde vielleicht wahnsinnig werden , der isländische Kecke wird zermürbt. sein Trotz wird zertrümmert , jetzt erst wird der Friedlose wirklich friedlos, Glams Fluch geht in Erfüllung.
In jedem Menschen, sagt Jonas Lic, Norwegens tiefster Romandichter, sind Trolle, Unholde, um deren Modelle man nicht in verlegenheit zu sein braucht. Auch in Grettir steckt ein Troll, und dieser Troll ist nicht nur sein Trotz und seine zügellose Heftigkeit, sondern im tiefsten Innern, keinem als ihm selbst bekannt
und erst spät ihm zum Bewußtsein gekommen, das verlangen, unter Menschen zu sein, die Furcht vor dem Alleinsein in der Finsternis. Glams Fluch wird nicht darum für Grettir verhängnisvoll, weil die Aussage eines Unholds, der Fluch eines Sterbenden immer in Erfüllung geht, sondern weil er die schwache Seite von Grettirs Charakter trifft, der für solche Suggestionen in hohem Maße empfänglich ist. Darum wird ihm unmittelbar nach der Weissagung der Rat gegeben, sich selbst zu beherrschen, dann könne sich Glams Fluch nicht erfüllen, — denn dann braucht er die Menschen nicht zu meiden.Aber schon vor dem Kampfe mit Glam siebt eine bedeutungsvolle Szene, die nicht übersehen werden darf. Als Grettir in Ruhe und Frieden den Winter auf Bjarg sitzt, beklagt er sich immer; daß er nirgends Gelegenheit finden könne, seine Kräfte zu erproben (Kap. 31 a. E.). Als er mit seinem Oheim Jökul über den Spuk spricht, rät ihm dieser dringend und herzlich, von dem tollkühnen Wagnis abzulassen: Glück und Tapferkeit sind zwei ganz verschiedene Dinge, Worte, die als Motto für die ganze Saga gelten können. Grettir unternimmt gleichwohl das gefährliche Abenteuer. Aus Mitgefühl für den so schwer geplagten Bauer: vielleicht; denn Grettir ist im Grunde gutmütig und warmherzig, immer bereit, andern zu helfen und "anderer Schwierigkeiten zu lösen" — aber was ihn in Wahrheit in den Kampf mit Glam treibt, das ist sein ruheloser Ehrgeiz , sein kecker Trotz, der ihn von einem Unglück ins andere reißt, sein unbändiges verlangen, überall mit im Spiele sein zu müssen. Dieser dämonische Zug zwingt ihn, sich immer mit Unholden und Trollen abzugeben, unwiderstehlich reizt es ihn, sich mit solchen Ungeheuern zu messen, und je furchtbarer sie sind, um so lieber nimmt erdas Ringen mit ihnen auf. Und dadurch, daß er sich überhebt bei solchen widernatürlichen Kämpfen, bekommen die Dämonen Macht über ihn. Darum wird sein Geschick, das bisher hell und herrlich gewesen war; von jetzt an eine ununterbrochene Kette von Unglücksschlägen. —
Sogleich nach seiner Ankunft in Norwegen soll Grettir merken, daß das Schicksal jetzt furchtbar gegen ihn ausholt. Wie der starke Hans im Märchen von seiner Umgebung, die ihn ver
derben möchte, an einen gefährlichen Ort geschickt wird, um Feuer zu holen, so schwimmt der gutmütige Grettir, obwohl er ahnt, daß sie es ihm übel lohnen werden, für die Kaufleute, die jammern, vor Nässe und Frost sterben zu müssen, über den Sund und holt Feuer. Aber als Grettir, der in seinem gefrorenen Schwimmanzuge wie ein Troll aussieht, in das Haus eintritt , wollen ihm die Söhne des Isländers Thorir wehren, Feuer zu nehmen und schlagen auf ihn los; er verteidigt sich mit Feuerbränden und kehrt glücklich zu seiner Reisegesellschaft zurück. Am nächsten Morgen stellt sich heraus, daß das Haus in Flammen aufgegangen ist. Wie die Entstehung des Asylbrandes in Ibsens "Gespenstern" absichtlich nicht erklärt wird, so läßt uns auch hier die Saga im Unklaren. wodurch das Haus eingeäschert ist. Beide Dichter aber, der moderne wie der alte, verwerten den Zufall für ihre Zwecke. Um nicht selbst in Verdacht zu kommen, verdächtigen die Kaufleute Grettir und bezichtigen ibn überall der Neidingstat, die er mit der verbrennung der Thorirssöhne begangen habe. Mit diesem tragischen Ereignisse erreicht Grettirs Unglück seinen Höhepunkt, die Tücke des Fatums hat ihn gepackt und läßt ihn nicht wieder los. Grettir fühlt sich nicht einmal als unfreiwillige Ursache des Mordbrandes und ist bereit, sich vor König Olaf dem Heiligen durch Gottesgericht zu reinigen. Über als er zu diesem Zwecke durch den Dom von Drontheim schreitet, ist es, als ob die Wildheit in seiner Seele in der Gestalt des Burschen aus ihm herausspringt , der ihn verspottet, und den er an geweihter Statt zu Boden schlägt. Deutlich und unverhüllt tritt hier der Grundgedanke hervor: durch seine Unbändigkeit, sagt der König, hat Grettir das Gottesgericht unmöglich gemacht; " aus Unbesonnenheit kommt immer Böses" er kann ihm nicht mehr helfen: "ich glaube, es wird dir schwer fallen, gegen dein Unglück zu kämpfen."Auf der Reise zu seinem Bruder Thorstein tötet Grettir den Berserker Snaekoll, der eine Bauerntochter tns Unglück stürzen will, und in einer rührenden Szene verspricht der Bruder; böser Ahnungen voll, ihn zu rächen (Kap. 44 ). Inzwischen ist auf Island Grettirs Vater gestorben, der noch auf seinem Toten
bette die treffenden Worte äußert, das ihm Grettirs Leben auf ein rollendes Rad gelegt zu sein scheine. Grettirs Bruder Atli ist von Thorbjörn Ochsenkraft getötet, und er selbst ist auf dem Allthing geächtet worden, Thorir hat einen Preis auf seinen Kopf gesetzt — durch einen Justizmord ist Grettir immer aus der Gesellschaft der Menschen ausgestoßen. —Und doch empfinden wir; dank der Kunst des Erzählers, diese Ausstoßung nicht als einen plumpen Schlag, der ihn unverdient träfe. Wir haben das Gefühl: nicht erst das Gericht auf dem Allthing, sondern Grettirs eigener Sinn hat ihn friedlos unter den Menschen gemacht. Und nun geschieht etwas sehr Merkwürdiges, das für die stolze Höhe der Darstellungskunst des Dichters spricht: langsam, aber immer herzlicher wendet sich unsere Teilnahme dem Geächteten zu, nicht weil er so elend und jämmerlich gehetzt wird, sondern weil Grettir erst jetzt Gelegenheit hat, sich richtig zu entfalten. Die Überfälle und Straßenräubereien, die er begehen muß, um sein Leben zu fristen, sind die notwendige Folge seiner Lage. Aber er ist ein ganzer Mann, Reue kennt er nicht. Je grausamer und ungerechter der ungehobelte Bursche verurteilt worden ist, je mehr seine verfolger ihre kleinliche Bosheit und Niedertracht an den Tag legen, im Gegensatze zu seiner Gradheit und Hochherzigkeit je mehr sein Leiden gesteigert wird und die Hoheit seines Charakters sich offenbart; — um so mehr gewinnt er unsere Sympathie. So rauh er sich in seinem Gebahren zeigt; so warm empfindet er erwiesene Wohltat. Ein Freund körperlicher Arbeit ist er auch jetzt noch nicht aber seine Kühnheit ist ohnegleichen. So schwer er sich früher an Menschen angeschlossen hat, so stark betrachtet er jetzt die Einsamkeit als schlimmste Strafe. Gutmütig redlich, hilfsbereit den Schwachen gegenüber, ausdauernd, geduldig im Leiden, mit einem derb humoristischen Scherz oder einem witzigen, beißenden Spott auf den Lippen, mit einer treffenden Antwort auf der Zunge —so steht der vom Glück verlassene und von den Feinden verfolgte Mann jetzt vor uns.
Sobald er den Boden der Heimat betritt, erfährt er seine Achtung und des Bruders Ermordung. Bevor der verfasser aber Grettirs Rache an Thorbjörn und dessen Sohn erzählt, schiebt
er ein kleines humoristisches Stück ein, die sogenannten Södulkollu-Stropben . Der Held unserer Sage ist eben ein Dichter, und wenn er auch nicht, wie fast alle seine berühmten Volksgenossen, Fürstenskalde geworden ist, so ist er dafür um so schlichter und volkstümlicher geblieben. Die Art und Weise, wie er und der Bauer sich an versen überbieten, ist ein regelrechter Sangeswettkampf, ein Wettdichten, wie es noch heute auf Island viel geübt wird, und Grettir zeigt sich hier als ein überaus gewandter Stegreifdichter.Vor seines Feindes Freunden flieht Grettir von Hof zu Hof, bis er auf Keykholar für den Winter Unterkunft findet. Wie Gott Thor und der starke Hans trägt er einen Stier auf dem Rücken fort. Fast wäre er auf dem Allthing des nächsten Jahres von der Acht bereit worden, aber Thorirs Zorn und Haß ist noch zu frisch und heiß. Am Isafjördr wird er von den Bauern gefangen genommen, aber die Godenfau reitet ihn und gibt ihm eine volle Ehrenerklärung: "Das war ein rechtes Mißgeschick, daß diese Jammerkerle dich greifen sollten !", und zu den Bauern sagt sie: "Das ist nicht euereins Sache, einen Grettir ums Leben zu bringen, denn er ist ein berühmter wann aus großem Hause, mag er auch ein Unglücksmann sein" (Kap. 52). Den Winter über bleibt Grettir bei einem verwandten am Hvammsfjördr, beschließt aber dann indie Einsamkeit ;u gehen, nach der Arnarvamsheidi im inneren Hochlande. —
In der Einsamkeit des Hochlandes, wo der friedlose Grettir die nächsten Jahre von Fischfang, auch wohl von Plünderung ahnungsloser Reisender lebt, stößt ab und zu ein zweiter Schier zu ihm, "dunkle Gestalten, denen der Sippenanhang und das Standesgefühl fehlen, die den edlen Achter, den Friedlosen aus guter Familie, vor dem niedrigen verbrechertum bewahren". Grettir schart nicht, wie ein anderer berühmter Achter, Verbrecherhaufen um sich und wird nie zu einem Auswurf der Gesellschaft, obwohl er furchtbar Glams Fluch empfindet, er vermag kaum noch die Einsamkeit und das Dunkel der Nacht zu ertragen. "Die Wüste wächst — weh dem, der Wüsten birgt! (Nietzsche).
Als sein erbitterter Gegner Thorir mit achtzig Mann gegen
ihn heranzieht, deckt ihm ein gewaltiger Mann, namens Hallmund, den Rücken und nimmt ihn zu sich in seine Behausung am Fuße des Balljökull, wo seine Tochter beider Wunden pflegt. Dann weilt er drei Jahre bei Björn im Hitardalr, der gewohnheitsmäßig Friedlose bei sich wohnen hatte und sich von einigen Waldmänner eine Befestigung um seinen Hof hatte bauen lassen. Hier versetzt Grettir dem Prahlhänse Gisli eine tüchtige Tracht Prügel und verteidigt sich gegen die Übermacht der Moorleute. Da unter den Gefallenen auch Freunde und verwandte Björns sind, muß er abermals den Fuß von hier wenden und zieht sich von neuem in das innere Hochland zurück, in den Thorisdalr, in die Märchenwelt der Halbriesen. Doch die Einsamkeit verscheucht ihn auch von hier, drei Jahre zieht er im Ost- und Nordlande umher und vollbringt im Bardardalr noch einmal eine ganz von Märchen umrankte Heldentat, indem er einen weiblichen Unhold, der in der Nacht den Hof eines Bauern besucht und die Bewohner tötet, in seiner Höhle unter einem Wasserfalle aufsucht und nach hartem Kampfe bewältigt. Weil er aber vor den Nachstellungen Thorirs keine Ruhe findet, muß er sich nach einem sicheren Aufenthalt umsehen; als solcher wird ihm der einsame Inselhorst Drangey im Skagafjördr angewiesen. Er nimmt Abschied von der Heimat und von der Mutter, und diese — wie die große Mutter der Makkabäer, das ganze Weib ein brechend Mutterherz —läßt tapferen Sinnes ihren jüngsten Sohn Jllugi ihn begleiten, damit er nicht allein zu sein braucht. Den beiden Brüdern schließt sich der feige Schwätzer Glaum an, aus reiner Gutmütigkeit von Grettir mitgenommen. und wieder wird ihm eine in ihren Beweggründen edle Tat zum verhängnis.Schon die Begegnung Grettirs mit Hallmund auf dem Kjölr, dann der Besuch bei diesem am Balljökull, trägt einen mythischen Charakter und ist die vorbereitung für Grettirs Aufenthalt im Thorisdalr: der von den Menschen verfemte findet Aufnahme bei den Halbriesen. In diesem leisen Hinübergleiten in die Märchenwelt liegt ein neuer Zug, der unsere Saga von den andern Ächtergeschichten unterscheidet und vorbildlich für eine neue, jüngere Gruppe von Ächtersagen geworden ist. Die
Naturgemäß haben die Achter, die in das unwirtliche Hochland fliehen mußten, auch die Kenntnisse der Isländer von dem Hochlande, den Einöden und Gletschern etwas bereichert. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß das fruchtbare, geheimnisvolle Thoristal mitten zwischen den Eismassen und unzugänglichen Felsen wirklich zuerst von Grettir entdeckt worden ist; aber fest steht, daß diese genaue Beschreibung nur von einem Manne herrühren kann, der selbst in diesem Talkessel gewesen ist. Zwei isländische Geistliche des 17. Jahrhunderts, haben zuerst das Tal wieder aufgesucht, dann hat 1835 Islands unermüdlicher Kartograph es eingehender durchforscht. Es liegt genau nördlich vom Gletscher Skjaldbreid, und die rechte von den drei Gletscherzungen in der Mitte unseres Bildes bildet weit und breit die einzige Abstiegmöglichkeit vom steilen Thoristalsgletscher ; deshalb darf man diese Zunge als Grettirs Abstiegstelle betrachten. Gras findet sich nirgends, auch keine Andeutung von Gesträuch, aber eine üppige Moos- und Algen- flora. Das Tal hat frisches, klares Quellwasser und mag für einen Menschen mit bescheidenen Ansprüchen recht wohl bewohnbar sein. Freilich darf nicht verschwiegen werden, daß ein deutscher Forscher den Thorisdalr nicht hier, sondern in der Nähe gefunden zu haben glaubt: er schiebt sich in einer Länge
von 10 km und in einer Breite von 1-3km zwischen den isolierten Thorisdalsjökull und das Hauptmassiv des Langjökull M, und man kann ibn von Nordwest und Süd trockenen Fußes erreichen, ohne die Gletscher betreten; vulkanische Spuren aber, heiße Quellen, auffallende Felsenfärbungen fehlen auch hier völlig, ebenso jede Spur von Pflanzenwuchs; etwa in der Mitte der felsigen Querwand Thorishöfdi muß die Höhle des Riesen zu suchen sein; das Tal macht wirklich den Eindruck, als sei es auf allen Seiten, wie die Saga beschreibt; von überhängenden Gletschern umschlossen, da man die beiden Zugänge nicht siebt.Ebenso muß der Verfasser die kleine Landzunge am Arnarvatn, auf der Grettirs Hütte stand, die übrigens noch heute zu sehen ist, wenn sie auch von den Bauern immer wieder erneuert worden ist, aus eigener Anschauung gekannt haben. Der ,Aarsee' ist im allgemeinen flach, höchstens 2 m tief, bei Grettishöfdi aber ist seine Tiefe am größten, dort beträgt sie fast 4 m: hier allein hat also Grettir unbemerkt vor seinem falschen Besucher unter Wasser schwimmen können.
Weniger genau sind die Angaben des Verfassers über das Nordland (Kap. 65, 66) und das östliche Nordland (Kap. 63); hier ist er offenbar nicht so gut zu Hause, hier finden sich einige unrichtige geographische Angaben.
Der Verfasser unserer Saga, die so reich wie keine zweite der Familiengeschichten an phantastischen Abenteuern ist, hai also auf der andern Seite einen ungewöhnlich scharfen Blick für die Wirklichkeit gehabt und darf sogar als einer der ältesten und zuverlässigsten Zeugen für naturgetreue topographische Beschreibungen des Hochlandes gelten.
Endlich kann auch die genaue Beschreibung von Grettirs letzter Zufluchtsstätte, der Felsenklippe, in ihren bis in das kleinste richtigen Angaben ebenfalls nur von einem Augenzeugen herrühren. —
Die Freude des Erzählers an dem Reichtum der Geschichten, die ihm zur Verfügung standen, verleitet ihn dazu, Grettir einmal von Drangey aus einen Abstecher nach der im Süden der Insel liegenden Landschaft Hegranes machen zu lassen.
Er verdirbt sich damit freilich die starke Wirkung, die Grettirs kühnes Schwimmen nach dem Festlande hat, von wo er Feuer holen will, aber die Episode gibt ibm Gelegenheit, seine Kenntnis der Friedensgelübde an den Mann zu bringen (Kap. 72), eines ältesten Reste nordischer Poesie, der weit in die vor isländische Zeit zurückgehen kann,Dreimal versucht der starke, aber rohe Thorbjörn Angel, der die Felsenklippe von den Bauern gekauft hat, Grettir von seinem Horst fortzubringen. Eine gütliche überredung hat natürlich keinen Erfolg. Als durch die Unachtsamkeit des Knechtes das Feuer auf der Insel ausgegangen ist, entschließt sich Grettir zu seiner letzten kühnen Tat: er durchschwimmt das Meer, das an der schmalsten Seite eine Meile breit ist. Aber in der warmen Stube des Gehöftes, von wo erdas Feuer holen will, überwältigt ihn die Müdigkeit, er schläft im leichten Schwimmanzug ein. So finden ihn die Bauerntochter und eine Magd in der Frühe; diese macht sich lustig über den Mann, der oben so stark, in der Mitte so schwach sei; Grettir aber, der ihre Worte gehört hat, ergreift sie und beweist ihr, daß er auch in der geschmähten Leibesgegend stark genug ist. Der Bauer gibt ihm Feuer und rudert ihn auf die Insel zurück.
Auch diese Erzählung, ein Seitenstück zu dem ersten Feuerholen Grettirs, das für ihn die Ouelle allen Unglücks werden sollte, mag aus dem Märchen stammen, wo man sich über den schlafenden Starken lustig macht. Eigenartig isländisch aber sind die beiden Strophen, die Grettir bei dieser Gelegenheit spricht. Die Isländer hatten, wie die ?libener zur Zeit des Aristophanes, eine besondere Freude an derben erotischen Witzen. Überliefert aus dem Altertum uns so gut wie nichts davon, und heutigen Tags, wo dieses echt bäuerliche Behagen an fern ellen Späßen noch unvermindert fortlebt, haben sich die Männer und Burschen, die der isländischen ,Jugendwehr ' angehören, dem ,verein der jungen Männer', sogar eidlich verpflichtet dergleichen Zoten nicht weiter zu geben. Daß wir also eine Probe davon aus alter Zeit haben, verdanken wir wieder dem Sammeleifer unseres verfassers.
Vielleicht hat noch eine andere Erwägung ibn veranlaßt, die
Episode von der lüsternen Magd einzuflechten. Zwar ist überhaupt in den Sagas selten von Ehebruch, Entführung und verführung die Rede, aber in der Geschichte vom starken Grettir spielt der von Frauen ausgeübte Reiz doch eine zu nebensächliche Rolle. Auffallend ist, daß sich der Dichter die Gelegenheit entgehen läßt, zwischen Grettir und Thorirs Tochter oder Hallmunds Tochter ein Liebesverhältnis anzuspinnen; denn gerade die Töchter der Riesen haben ja nach Menschenjünglingen ein besonders heißes verlangen — oder ist dieses Motiv bei der Fülle des Stosses nur nicht recht herausgearbeitet worden: Der volksmund erzählte, so wird endlich nachdrücklich hervorgehoben (Kap. 67 a. E.), daß Grettir mit der Bäuerin Steinvör, deren Hof er von dem unheimlichen Spuk befreit hatte, einen ungewöhnlich starken Sohn gezeugt hätte. Vielleicht waren das unserem verfasser nicht genug Liebesabenteuer , und er malte darum mit mönchischer Lust diese Szene mit der Magd aus —zuzutrauen wäre es ihm, wenn der Schluß der Saga von ihm herrühren sollte, der zuerst die junge Bettschwester, dann die alte Betschwester so greifbar deutlich vor uns hinstellt.Den zweiten vergeblichen Versuch, Grettir unschädlich zu machen, unternimmt Thorbjörn mit Hilfe des gewandten Kleiterers Haering. Im folgenden Jahre bemühen sich Grettirs Freunde auf dem Allthing das Ende seiner Acht zu erwirken, und im Winter darauf gelingt es Thorbjörn durch die Zauberkünste seiner Amme Thurid, Grettir eine lebensgefährliche Wunde beizubringen und den Halbtoten vollends zu erschlagen.
Mit vollendeter Kunst sind die letzten Tage des Helden geschildert , die ganze Hoheit seines Charakters offenbart sich uns zum Schlusse noch einmal ergreifend. Der unbändige; jäh auffahrende Grettir ist durch das Schicksal und das lange Alleinsein aufgerieben. Er schlägt den faulen Knecht nicht nieder, wie er es früher getan hätte und jetzt auch hätte tun sollen, sondern müde und milde; mit verzeihender Großmut begnügt er sich mit dem Tadel: Das Böse hat gesiegt. Zweimal hast du uns Unglück gebracht: das erstemal, als das
Feuer ausging, das zweitemal. als du dieses Unglücksholz herbrachtest; geschieht es zum drittenmal, so wird es dein und unser aller Tod." Und das drittemal kommt bald, der elende Wicht ist zu faul, die Leiter einzuziehen, Thorbjörn ersteigt den Horst und klopft ungestüm gegen die Hütte, in der der Todwunde liegt, von seinem Bruder treu behütet. Jllugi wähnt, es sei der Widder, ihr guter Freund, das einzige Tier von dem vieh, das sie auf der Insel am Leben gelassen hatten: "Der Widder will herein," und der Schwerwunde lächelt zum letzten Male: "Er stößt mächtig mit seinen Hörnern gegen die Tür — da wird die Tür entzwei geschlagen, und der Tod tritt herein. Rührend, wie der sterbende Held an der armseligen Kreatur hängt; er, den die Menschen nicht mögen, und der sie meiden muß ! Und als die Mörder von der Insel ziehen, was lassen sie dort zurück: Was bleibt übrig von all dem leidenden Heldentum, das für alle Zeiten einen unvergänglichen Glanz auf dies Felseneiland geworfen hat: Ein Stück vieh, ein Schaf — eine unsäglich bittere Ironie, würdig des Magus des Nordens!von dem Augenblick an, wo Grettir der erbärmlichsten Hinterlist der gemeinen Zauberei erliegt, da sein Meuchelmörder seiner feigen Niedertracht mit dem rohen Hohne gegen die edle Mutter des Erschlagenen die Krone aufsetzt; gehört ihm die volle, ungeteilte Sympathie des Lesers. Mit Genugtuung sieht er, daß Grettirs Überwinder doppelt verklagt wird, und nicht nur des Kopfgeldes verlustig geht, sondern durch Schiedsspruch des Landes verwiesen wird. Mit Freude sieht der Leser, ohne daß auch nur im geringsten auf seine rührende Sentimentalität spekuliert wird, daß dem Helden seine Ehre im Grabe dadurch widerfährt, daß er auf wunderbare und vielbesprochene Art und Weise im fernen Byzanz von seinem Halbbruder gerächt wird, der seinem Gelübde getreu dem Mörder nachgereist ist und ibn mit Grettirs altem Siegsschwerte erschlägt.
Auf Grettir passen Hebbels für einen unendlich größeren Dichter, aber weniger heldenhaften Mann, bestimmten Verse :
Er war ein Dichter und ein Mann wie Einer, Er brauchte selbst dem Höchsten nicht zu weichen, |
An Kraft sind Wenige ihm zu vergleichen, An unerhörtem Unglück, glaub ich, Keiner. — |
Wo die alte Saga aufgehört hat, wie sie unserem Erzähler zu Ohren gekommen war, darüber kann man im Zweifel sein. Zwar wird sie schwerlich mit Ende von Kapitel 84, mit der Bestattung der Brüder ihren Abschluß gehabt haben, denn dann fehlte der ausklingende Akkord, die Rache in Konstantinopel . Aber mit der Vollziehung der Rache durch Thorstein, mit dessen Befreiung aus dem Gefängnis durch Spes und der Aufahme in ihr Gefolge sind eigentlich alle Handlungen zu Ende geführt worden (Kap. 87 a. E.). Gleichwohl schließt die Dichtung damit nicht, sondern spinnt den Faden der Erzählung noch weiter und läßt Thorstein und seine Gattin Spes zunächst in Konstantinopel, dann in Norwegen noch mancherlei Abenteuer erleben.
Dieser Nachtrag bringt nicht wenige Überraschungen.
Zunächst " von Tristan und Isolde kenn ich ein traurig Stück" . Die altisländische Greitissaga enthält am reinsten von allen alten Zeugnissen die novellistische Wendung vom zweideutigen Eid, der in die alte Tristandichtung aufgenommen ist; sie muß den Schwank in derselben Form gekannt haben, wie er dem verlorenen Tristanroman von 1150 vorlag: eine des Ehebruchs angeklagte Frau erbietet sum Reinigungseide, auf dem Wege zum Gericht wird sie von ihrem als Narr oder Bettler verkleideten Geliebten umarmt; und schwört Daun, sie sei nie von einem anderen Manne als ihrem rechtmäßigen Gatten und diesem Bettler, wie ja alle Anwesenden gesehen hätten, umarmt worden.
Daß unser Erzähler, der es in so trefflicher Weise verstanden hat, aus den verschiedensten Bestandteilen eine zusammenhängende und gut unterhaltende Sage zu schreiben, ein Geistlicher von widfjördr gewesen sei, wird wohl nicht mit Unrecht angenommen . Aber niemals bat, bis auf ganz geringfügige Kleinigkeiten , der Stand des verfassers auf die Darstellung abgefärbt; dürften wir diesen Schluß nicht aus ganz allgemeinen Erwägungen ziehen, aus dem Roman selbst würden wir kaum zu dieser Annahme kommen. Das Nachwort jedoch verrät, namens
lich am Ende von Kapitel 91 und 92, in jeder Zeile den geistlichen verfasser : durch reichliche Gaben erlangt man Vergebung der Sünden; Spes und Thorstein - junger Tannhäuser, alter Parsifal! kommen zu der Einsicht, mehr nach der Welt Weise als nach Gottes Wort gelebt zu haben, pilgern deswegen nach Rom, beichten dem Papste, erhalten Vergebung aller Sünden und beschließen ihr Leben in steinernen Zellen unter Beten und Fasten.Alle waren sich darüber einig so schließt der Komme Ausgang dieser schlüpfrigen Geschichte —, daß Thorstein und Spes wahre Glückskinder gewesen waren (Rap. 92 a E.). Schon vorher war von Thorstein gesagt worden; "Thorstein schien ein richtiges Glückskind ;u sein, so wie es ihm gelang, aus allen Schwierigkeiten herauszukommen" (Kap. 90), und noch einmal wird eindringlich in den letzten Zeilen hervorgehoben: "Dazu kommt, welch ein Glückskind Thorstein in seinen letzten Tagen geworden ist" (Kap. 93 Ende). Also trotz Ehebruch und Jesuiteneid ist Thorstein das geborene Glückskind! Warum: Weil er sich von den Vorschriften der christlichen Kirche leiten läßt (Kap. 91). Wäre das auch der Standpunkt des verfassers des ganzen Romans gewesen, so hätte er uns unbedingt auf diese Auffassung vorbereiten und diese auch auf Grettir beziehen müssen. Keime dazu waren vielleicht vorhanden. Schon Thorarin, den Bardi um Rat Sagt, ob er Grettir an dem Rachezuge gegen den Mörder seines Bruders teilnehmen lassen darf, meint bedächtig: "Ich zweifle, daß Grettir vom Glück begünstigt ist, und du solltest doch solche Männer in deiner Begleitung haben, die nicht vom Unglück verfolgt werden (Kap. 31). König Olaf nennt Grettir einen Unglücksmenschen: Du bist ein Unglücksmensch, Grettir! . . . . .Es wird nicht leicht werden, gegen dein Unglück anzukämpfen . . . . .Wenn je Mensch zum Unglück geboren ist, so bist du es vor allen anderen" (Kap. 39). Selbstverständlich hätte dieser Gedanke sehr wohl die bunte Menge des Stoffes zusammenhalten können; das wäre ein Problem gewesen, dem fast alle Einzelheiten zur Beleuchtung hätten dienen können, es gibt kaum einen Zug, der ohne Beziehung zu dieser grüblerischen Schicksalsfrage
gewesen wäre. "Der glücklichste Mann ist der größte Mann", sagt Bischof Nikolas zu Jarl Skule, und König Hakon sagt am Schlusse der "Kronprätendenten" über ihn: "Skule Bardsson war Gottes Stiefkind auf Erden — das war das Rätsel an ihm." Etwa gleichzeitig schreibt Björnson in einem Briefe von dem Helden einer geplanten Dichtung: " hat das glückliche Wiegengeschenk eines sonnigen Gemüts, das alle Schwierigkeiten der Welt spielend überwindet."Ein solcher Sonnenjüngling war Grettir sicherlich nicht. War er Gottes Stiefkind auf Erden: vielleicht nach der Darstellung der letzten Seiten, kaum nach der Anlage des Romans im ganzen.
Die Gestalt des starken Grettir barg von Anfang an, sobald sich ihrer die Phantasie des Volkes und der Erzähler bemächtigte , die Kraft in sich, Shee das Individuum hinaus zu einem Ideal oder Typus heranzuwachsen. Schon in unserem Roman ist Grettir eine Art Sagen- und Märchenheld und gewissermaßen Islands offizieller Unholdentöter. im weiteren Verlaufe der Zeit aber ist Grettir Islands sagenumsponnener Nationalheld geworden. Unter allen Charakteren, die die altisländische Erzählungskunst gezeichnet hat, ist Grettir allein ein Symbol geworden. Weil in seiner Saga die Fülle der Geschichten auf die eine oder andere Weise erklärt, wie ein solcher Mann notwendig ein solches Schicksal haben mußte; faßte man ein innerliches Mitgefühl für ihn und erhob Grettir zum Volkshelden. In diesem streitbaren, vom Unglück gehetzten, friedlosen und verfolgten Manne sahen die Isländer ein Spiegelbild ihres eigenen volkswesens, ihres eigenen Volksgeschickes.
Als sich im vergangenen Jahrhundert die Dichtkunst auf Island zu einer neuen klassischen Höhe erhob. lebte auch Grettir in ihr wieder auf; eine Ballade von Grettirs Kampf mit Glam und ein ganzer Liederzyklus über Grettir sind heute jedem Bauern und Fischer wohl bekannt. Grimur Thomsen (1820 bis 1896), Islands Uhland, ein fein gebildeter Mann mit tiefen poetisch -ästhetischen Interessen, zeichnet sich in seinen Balladen besonders durch psychologische Gedichte aus; er
wählt mit vorliebe eigenartige Menschen, am liebsten in einer bestimmten, scharfumrissenen Situation, und sie stehen wie in Erz gegossen vor uns in ihrer ganzen charakteristischen Originalität . Sein Gedicht "Glam zeigt, wie seine Heimatskunst stark beeinflußt durch die alten Sagas und ihre Helden ist.Matthias Jochumsson (geb. 1835, lebt noch frisch und fruchtbar in der Hauptstadt Nordislands) hat vor allem als Lyriker die ungeteilte Bewunderung seiner Landsleute gefunden. Erbat sich zwar auch als Dramatiker versucht — er schrieb unter anderem ein Schauspiel "Die Achter" —, ist jedoch besonders groß darin, mit rührender Innerlichkeit, wunderbarer Stimmung und gewaltigem Pathos das tragische Schicksal hervorragender Männer zu besingen. Die ,Grettislieder'. ,im Jahre 1897 in Isafjördur erschienen, gelten den Isländern als die weitaus bedeutendste Schöpfung des hochbegabten Dichters. Sie stehen in der Anordnung, der Anwendung der verschiedenen versmaße —merkwürdig, daß sich der Hexameter solcher Beliebtheit auf Island erfreut! — und der Zerlegung in 34 Romanzen deutlich unter dem Einflusse von Tegnérs Frithjofssage. In dem einleitenden Liede erklärt der Dichter, daß ein altes Lied angefangen werden soll, um Islands Winter zu kürzen; Männer und Frauen mögen ihm Gehör schenken, wenn er die Lieder von Grettir fingen will. Sie sollen nicht den Pomp der Edda haben, sollen groß, aber einfach sein. Warum hat sich keiner füher an diesen Stoff herangewagt: Warum hat keiner die tiefsten Lieder der isländischen Saga gesungen: "Du bist, Grettir, mein Volk ! Manche Romanze ist freilich nur eine bloße Wiedererzählung der Saga. Stimmungsvoll ist die Naturbeschreibung der Thoristals (Lied 23) und der Aarseehnde (24), mild versöhnend, von wahrhaft christlichem Geist nach Tegnérs Muster, der Schlußgesang "Auf dem Gesetzesfelsen". Seine ganze Liebe bai der Dichter der Heldenmutter Asdis geschenkt; hinter ihren an Grettir gerichteten Worten kann man Island zu seinen Söhnen sprechen hören, nicht so, daß es sich störend aufdrängt, aber so, daß es so sein könnte wenn man darüber nachdenkt . Ein Glanzstück der Sammlung, oratorisch und gedanklich, ist auch bei ihm
Grettirs Kampf mit Glam, und um den Unterschied zwischen Grimur und Matthias zu zeigen, habe ich auch seine Neudichtung von Grettirs Ringkampf mit dem gespenstischen Unholde im Anhange übersetzt.Durch die Ächtersagen angeregt hat der erste und bisher einzige Bildhauer Islands, Einar Jansson (geb. 1874) seine berühmte, überlebensgroße Gruppe "Der Achter" geschaffen. Wohl jeder, der Islands Hauptstadt Reykjavik besucht hat, kennt das 1901 entstandene Kunstwerk; es war Suber im Flur des Allthingsgebäudes aufgestellt und schmückt jetzt die vorhalle der Islandbank. Die charakteristischen Gesichtszüge des Mannes, die stark hervortretenden Backenknochen, die eigenartigen Schuhe, die über den sehen und an den Fersen zusammengenäht sind, während oberhalb des unbedeckten Spanns die Riemen um die Knöchel verschlungen sind, der wie sein Herr halb scheu, halb grimmig blickende Polarhund, das in ein Schaffell dürftig gehüllte Kind — das alles zeigt uns ohne weiteres, daß wir einen Isländer vor uns haben. Der arme, unstete Mann, den seine volksgenossen geächtet haben, mit den sagt tierähnlich grimmigen, von Gram durchfurchten und doch trotzigen Zügen, trägt auf dem Rücken sein totes Weib, mit der Linken hält er sein kleines Kind, das sich in rührendem vertrauen an ihn schmiegt, in der Rechten hat er einen Spaten; er ist bei Nacht über die Berge gestiegen, um sein junges Weib, dessen zarte Kräfte der Angst der Einöde, den eisigen Nordstürmen und den Mühen des Lebens zwischen Gletschern und nackten Felsen nicht gewachsen gewesen sind, in geweihter Erde zu begraben. Die rauhe Wildnis der isländischen Landschaft, der fürchterliche Fluch, der auf diesem unglücklichen Achter gelegen hat; spricht erschütternd zu unserem Herzen. Wenn auch das Kunstwerk in speziell isländischen verhältnissen und Anschauungen wurzelt, seine schlichte Tragik ist jedem auch ohne Deutung verständlich.
Torgau (Elbe), 26. Dezember 1912 Paul Herrmann
Erzählung von
Önund Holzfuss
1. Önunds Geschlecht und erste
Wikingerzüge
Önund hieß ein Mann er war der Sohn des Ofeig Klumpfuß des Sohnes von Ivar Stößel. Önund war der Bruder der Gudbjörg, der Mutter des Gudbrand Buckel, des vaters der Asta, der Mutter König Olafs des Heiligen. Mütterlicherseits stammte er aus den "Oberen Ländern"; aber väterlicherseits war sein Geschlecht vor allem in Rogaland und Hördaland zu Hause. 1 Önund war ein tapferer Wiking und unternahm Wikingerzüge ins Westmeer. 2 Mit ihm war auf Plünderung Balki Bläingsson von Sotanes 3 und Orm der Reiche. Hallvard hieß ihr dritter Gefährte; sie hatten fünf gut ausgerüstete und bemannte Schiffe. Einmal heerten sie auf den Hebriden, und als sie nach den Barr-Inseln 4 kamen, trafen sie einen König namens Kjarval, der auch fünf Schiffe hatte. Sie griffen ihn an, und ein harter Streit begann. Önunds Leute kämpften tapfer, und viele fielen auf beiden Seiten; aber das Ende war, das der König mit einem ein igen Schiffe fliehen mußte. Önunds Mannen bemächtigten sich seiner übrigen Schiffe und vieler Habe und blieben den Winter über dort. Drei Sommer heerten sie auf Irland und Schottland, dann fuhren sie nach Norwegen zurück.
2. Der Kampf im Hafrsfjördr
In dieser Zeit herrschte großer Unfriede in Norwegen, denn gerade damals verschaffte sich Harald Lufa, d. h. Strubbelkopf, ein Sohn Halfdans des Schwarzen, die Herrschaft über ganz Norwegen. 5 Zuerst war er König in den "Oberen Ländern".
In diesem Herbste kehrten Önund und seine Gefährten zurück; aber als Thorir Haklang und König Kjötvi das erfuhren, sandten sie Boten zu ihnen, baien sie um Beistand und stellten ihnen Ehre und Ansehen in Aussicht. Sie schlossen sich an Thorirs Heer an, denn sie hatten große Lust, ihre Kräfte zu erproben. Nur die Bedingung machten sie, daß sie dorthin gestellt würden, wo es in der Schlacht am heißesten herginge. Die Schlacht zwischen diesen Häuptlingen und König Harald fand in Rogaland statt, im sogenannten Boksfjord; 2 beide hatten starke Truppenmassen. Diese Schlacht ist eine von den größten, die in Norwegen je geschlagen wurden; und die meisten Geschichten erzählen davon; denn es wird meistens von denen erzählt, von denen die Geschichtsdarstellung am liebsten anhebt. 3 Aus dem ganzen Lande strömten Leute dahin, auch viele aus andern Ländern und eine Menge Wikinger. Önund legte sein Schiff neben das Schiff Thorirs, ungefähr mitten in der Flotte. König Harald stellte sein Schiff Thorir gegenüber, denn Thorir war ein großer Berserker und ein tapferer Mann. Auf
Da sagten die Mannen des Königs: "Dieser Mann drängt mit großer Kühnheit vor, ganz vorn am Steven; laßt uns ihm einen Denkzettel geben, daß er nicht vergißt, wie er an der Schlacht teilgenommen hat!
Önund hatte den Fuß auf den Schiffsrand gesetzt und holte ;u einem Hiebe aus, in demselben Augenblicke stach ein anderer nach ihm, und wie er dem Stoß ausweichen wollte, beugte er sich mit dem Oberkörper rückwärts. Da hieb einer von den Königsmannen, der vorn im Steven stand, wo die tapfersten Krieger ihren Platz haben, nach Önund, traf das Bein unterhalb des Knies und schlug ihm den Fuß ab. Önund war sogleich kampfunfähig geworden. Da fiel auch der größte Teil seiner Schiffsbesatzung. Man brachte Önund an Bord eines anderen Schiffes zu einem Manne namens Thrand; er war der Sohn des Björn, Bruder des Ostmanns, d. h. Norwegers Eyvind; er kämpfte gleichfalls gegen König Harald, und sein Schiff lag neben dem Önunds. Jetzt begann eine allgemeine Flucht. Thrand und die andern Wikinger ergriffen auch die tucht; das beste, was sie tun konnten, und segelten westwärts. Önund folgte ihnen, und Vals und Hallvard Sugandi, d. h. vielleicht " der Stürmende". Önund wurde geheilt und ging seitdem sein ganzes Leben lang mit einem Holzfuß; davon bekam Önund den Beinamen Trefot, d. h. "Holzfaß", solange er lebte.
3. Önund und Ofeig werden Freunde
Damals befanden sich zahlreiche hervorragende Männer auf den britischen Inseln, die König Harald aus ihren Stammgütern in Norwegen vertrieben hatte; denn er erklärte alle für friedlos, die gegen ihn gekämpft hatten, und bemächtigte sich ihres Eigentums. Als Önund von seiner Wunde genesen war, begab er sich mit Thrand zu Geirmund Heljarskinn, denn er war damals der berühmteste unter allen Wiking ern, westlich über das Meer; sie fragten ihn, ob er daran dächte, sein Land in Hördaland wieder zu gewinnen, und boten ihm dazu ihren Beistand an. Sie selbst hatten auch großen Schaden gehabt, denn Önund war aus vornehmem Geschlecht und sehr reich. Geirmund aber erwiderte, König Haralds Macht wäre jetzt so groß geworden, daß wenig Aussicht wäre, durch eine Fehde mit ihm Ehre zu gewinnen, zumal da man damals eine Niederlage erlitten hätte, wo sich das ganze Volk im Lande gegen ihn erhoben hätte; er hätte aber auch keine Lust. fügte er hinzu, Sklave des Königs zu werden und von dem König das Land als Lehen zu erbitten, das er vorher als freier Fürst selbst besessen hätte; am liebsten wolle er sein Glück anderswo versuchen —er war auch damals schon nicht mehr jung. Thrand und Önund kehrten nach den Hebriden zurück und trafen da viele von ihren Freunden.
Ofeig hieß ein Mann, mit Beinamen Grettir, d. h. der Greiner. 1 Sein Vater war Einar, der Sohn des Olvir Barnakarl, d. b. des Kindermanns, sein Bruder war Okeif, der Breite, der Vater des Thormod Skapti, d. h. Schaft. Ein anderer Sohn von Olvir Barnakarl war Steinolf, der Vater der Una, die mit Thorbjörn Larakarl, d. h. Lachsmann, verheiratet war. Olvir Barnakarl hatte noch einen Sohn, namens Steinmod; der war der Vater des Ronal, des Vaters der Alfdis von den Barr-Inseln. Konal hatte einen Sohn mit Namen Steinmod
Als Thrand und Önund nach den Hebriden kamen, trafen sie dort Ofeig Grettir und Thormod Skapti bald entstand große Freundschaft unter ihnen. denn jeder glaubte einen vom Tode Erstandenen zu sehen, wenn er einen sah, der in Norwegen 1
Fort der Freude Hort ist —Früh kommt Leid und Müh oft —, Harter Hieb ja ward mir; Heil nichts blieb vor'm Beile. Schwerlich schätzen mehr noch Schwertesschwinger wert mich, — Weißt jetzt, weshalb man beißt Heute freudelos mich. |
Thrand sagte, daß er immer für einen tapferen Mann gehalten würde, wo er auch wäre. "Übrigens solltest du dir einen festen Wohnsitz suchen und dich verheiraten; und dazu biete ich dir meinen Beistand an, mit Wort und Tat, wenn ich weiß, was du vorhast."
Önund antwortete, er zeige sich wacker; aber füher, meinte er; seien die Aussichten einer vorteilhaften Heirat besser gewesen als jetzt.
Thrand erwiderte: "Ofeig hat eine Tochter, die Asa heißt; dahin können wir uns wenden, wenn du willst."
Önund war damit einverstanden, und sie sprachen dann mit Ofeig darüber.
Er nahm die Werbung wohl auf und sagte, er wüßte, daß der Mann von vornehmer Familie und reich an beweglichen Gütern wäre. " Aber auf seine Liegenschaften gebe ich wenig; 1 er ist auch nicht gerade gut zu Fuß, und meine Tochter ist noch ein Kind."
Thrand entgegnete, Önund wäre gesünder als mancher mit heilern Fuß; so wurde mit Thrands Hilfe der Kauf geschlossen Ofeig sollte seiner Tochter bewegliche Güter als Mitgift geben, denn für die Ländereien, die in Norwegen waren, wollte keiner etwas geben. Bald darauf verlobte sich Thrand mit einer Tochter des Thormod Skapti. Die beiden Mädchen sollten drei Winter
4. Önund und Thrand besiegen zwei
Wikinger
Vigbjod und Vestmar hießen zwei Wikinger; sie waren von den Hebriden und lagen Winter und Sommer draußen. Sie hatten acht Schiffe und heerten besonders in Irland, wo sie manche schlimme Tat verübten, bis der Norweger Eyvind dort die Landesverteidigung übernahm. Darauf fuhren sie nach den Hebriden und heerten dort wie in den Schottlandssiorden. Thrand und Önund suchten sie auf und erfuhren, daß sie nach einer Insel gesegelt wären, die Bot hieß. 1 Thrand und Önund kamen mit fünf Schiffen. Als die Wikinger ihre Schiffe sahen und merkten, wie schwach sie waren, glaubten sie genug Streitkräfte zu haben, ergriffen die Waffen und stellten sich ihnen entgegen. Önund bat, sein Schiff zwischen zwei Klippen legen zu dürfen. war da ein schmaler tiefer Sund, wo man nur von einer Seite angreifen konnte und nur mit fünf Schiffen zu einer Zeit. Önund war ein kluger Kopf; er stellte seine fünf Schiffe in Schlachtlinie im Sund so auf, daß sie leicht rückwärts hinauszubringen waren, wenn sie wollten — denn hinter ihnen war das weite, offene Meer. Auf der einen Seite war ein Holm im Sunde; eins von den Schiffen ließ er unter diese kleine Insel legen und schaffte eine Menge Steine auf den Felsen, wo es von den feindlichen Schiffen nicht bemerkt werden konnte. Die Wikinger fuhren mutig auf sie los und dachten, daß die andern in eine Klemme geraten wären. Vigbjod fragte, wer sie wären, die da so eingeschlossen wären.
Thrand antwortete, er wäre der Bruder des Norwegers Eyvind. "Und vor allem ist hier mein Gefährte; Önund Holzfuß."
Da lachten die Wikinger und sagten dies:
Troll den Holstoß hole, Alle bring zu Falle! |
Önund antwortete, das könnte man noch nicht wissen, es käme erst auf eine Probe an.
Darauf fuhren sie mit den Schiffen aufeinander los. Es kam zu einem heftigen Kampfe, und beide Teile fochten tapfer. Als der Streit zunahm, fuhr Önund rückwärts unter den Felsen, und als die Wikinger das sahen, glaubten sie, er wollte fliehen, stürmten auf sein Schiff los und unter den Felsen, um es dort zu erreichen. In demselben Augenblick erreichten die damit beauftragten Leute den Felsen und warfen so große Steine auf die Wikinger herab, daß nichts widerstehen konnte. Da fiel eine große Zahl der Wikinger, und andere wurden so verletzt, daß sie kampfunfähig waren. Nun wollten sich die Wikinger zurückziehen, aber sie konnten es nicht; denn ihre Schiffe befanden sich jetzt gerade da, wo der Sund am schmalsten war, und die Schiffe wie der Strom waren ihnen da im Wege. Önund und seine Leute griffen mit großer Heftigkeit da an, wo Vigbjod war, Thrand aber ging auf Vestmar los, richtete aber nicht sonderlich viel aus. Als sich die Reihen auf Vigbjods Schiff mehr und mehr lichteten, beschlossen Önund und seine Mannen es zu entern. Das sah Vigbjod und spornte seine Leute mit aller Macht an. Er selbst wandte sich gegen Önund, und von dessen Genossen wichen die meisten zur Seite. Önund bat seine Besatzung, darauf zu achten, wesen Ausgang der Kampf nähme, denn er war gewaltig stark. Sie schoben einen Holblock unter seinen Beinstumpf, so daß er fest stand. Der Wiking eilte von hinten nach vorn, bis er Önund erreichte, und schlug mit dem Schwerte nach ihm. Der Hieb traf den Schild und schnitt ihn entzwei; dann fuhr das Schwert in den Holzblock, den Önund unter seinem Beinstumpf hatte, und blieb darin sitzen. Als aber vigbjod sich bückte, um das Schwert herauszuziehen, hieb ihn Önund in die Achsel, so daß der Arm sich löste. Da war der Wiking kampfunfähig geworden. Sobald Vestmar erfuhr, daß sein Genosse gefallen war, lief er nach dem Schiff, das zu äußerst in der Reihe lag, und floh; dasselbe taten alle die andern Wikinger , die noch Gelegenheit zum Fliehen hatten. Darauf ließ
Önund die Gefallenen untersuchen. Vigbjod war dem Tode ab.Önund ging zu ihm und sprach:
Sieh, wie sehr du blutest; Ich, das siehst du, wich nicht. Holstoß 1 erhielt von dem Stolzen 2 Hieb nicht noch Schramme; die bliebe. Manchem Mann ist es eigen Mehr sich mit Worten zu wehren. Kriegers ! 3 im Kampfe zu siegen Kraft nicht hattest noch Saft du. |
Sie machten große Beute und fuhren im Herbst nach den Barr Inseln zurück.
5. Önund und Thrand besuchen Eyvind
Im folgenden Sommer trafen sie Vorbereitungen für eine Reise westlich nach Island. Aber Balki und Hallvard beschlossen nach Island zu fahren, denn man sagte, dort wäre Gelegenheit , gutes Land zu erwerben. Balki nahm sich im Hrutafjördr 4 Land und wohnte da auf den Höfen, die Balkisstadir hießen. Hallvard Sugandi nahm den Sugandastördr und die Skalavik bis Kap Säge und wohnte dort. Thrand und Önund suchten Eyvind, den Norweger; auf, und der nahm seinen Bruder freundlich auf; aber als erhörte, daß Önund mit ihm gekommen war, wurde er zornig und wollte ihn angreifen. Thrand bat ihn, das nicht zu tun; er sagte; es ziemte sich nicht; Feindseligkeiten gegen Norweger auszuüben, am allerwenigsten gegen die, die niemals Gewalttaten begingen. Eyvind erwiderte, Önund hätte früher eine Gewalttat begangen und König Kjarval bekriegt, das müsse er jetzt büßen. Lange sprachen die Brüder hin und her darüber, aber schließlich erklärte Thrand, daß dasselbe Los sie beide treffen sollte, und da ließ sich Eyvind
6. Thrand holt das Erbe seines vaters aus
Norwegen
Es begab sich, daß Björn, Thrands Vater, starb. Aber als der Herse Grim das erfuhr, begab er sich zu Ondott Kraka und beanspruchte Björns Eigentum; Ondott jedoch sagte, daß Thrand seinen Vater beerben sollte. Grim wandte dagegen ein, daß Thrand westlich über das Meer gezogen wäre, Björn wäre außerdem ein Gautländer, und es wäre Recht des Königs, das Erbe aller Ausländer an sich zu nehmen. Öndoit erwiderte, er wolle das Erbe seines Tochtersohnes Thrand wegen haben, Darauf fuhr Grim fort, ohne etwas von dem Gelde bekommen zu haben.
Thrand erfuhr nun den Tod seines Vaters und machte sich sogleich fertig, die Hebriden zu verlassen; Önund Holzfuß begleitete ihn. Ofeig Grettir aber und Thormod Skapti fuhren mit allen ihren Hausleuten nach Island, kamen nach Eyrarbakki im Südlande und hielten sich den ersten Winter bei Thorbjörn Laxakarl auf. Darauf nahmen sie den Gnupverjahreppr, d. h. "Gemeinde der Männer der überhängenden Felsenmassen" in Besitz. Ofeig nahm den westlichen Teil zwischen der Thvera und Kalfa, er wohnte in Ofeigsstadir bei Steinsholt; Thormod aber nahm den östlichen Teil und wohnte in Skaptaholt. Thormods Töchter waren Thorvör, die Mutter des Goden Thorodd in Hjalli, und Thorve, die Mutter des Goden 1 Thorstein, des vaters Bjarnis des Klugen.
Nun ist von Thrand und Önund zu erzählen, daß sie vom Westen über das Meer nach Norwegen fuhren und solchen
Thrand war dazu bereit. Er nahm das Gut und machte sich fertig, um so schnell wie möglich Norwegen zu verlassen.
Bevor Thrand in See stach, Sagte er Önund Holzfuß, ob er nicht nach Island fahren wollte; Önund aber erwiderte, er wolle vorher seine Anverwandten und Freunde im südlichen Norwegen besuchen.
Thrand sagte: "So müssen wir uns jetzt trennen. Ich bitte dich, meinen verwandten beizustehen, denn gegen sie wird sich die Rache richten, wenn ich entkomme. Ich fahre jetzt nach Island . und wünsche, daß du dasselbe tust."
Önund versprach es, und sie nahmen herzlichen Abschied voneinander . Thrand segelte nach Island. Ofeig und Thormod Skapti nahmen ihn freundlich auf. Thrand wohnte in Thrandarholt, westlich von der Thjorsa.
7. Ondott wird ermordet, seine Söhne und
Önund rächen ihn
Önund reiste südlich nach Rogaland und besuchte dort viele verwandte und Freunde. Er hielt sich heimlich bei einem Manne auf, der Kolbein hieß. Önund erfuhr, daß König Harald sein Eigentum eingezogen und es einem Manne namens Harek gegeben hatte, der des Königs vogt war. Önund begab äch eines Nachts zu ihm und überfiel ihn in seinem Sause. Harek wurde hinausgeführt, um enthauptet zu werden. Önund bemächtigte sich aller beweglichen Gsier; die er kriegen konnte, und steckte das Haus in Brand. Dann war er den Winter
über an verschiedenen Orten. Denselben Herbst erschlug dort der Herse Grim den Ondott Kraka, weil er ihn verhindert hatte, sich für den König der Nachlassenschaft des Björn zu bemächtigen . Aber Signy, Öndotts Frau, brachte sogleich in derselben Nacht alle ihre bewegliche Habe an Bord eines Schiffes und begab sich mit ihren Söhnen Asmund und Asgrim zu ihrem Vater Sighvat. Bald darauf schickte sie ihre Söhne in das Sogndal 1 zu ihrem Ziehvater Hedin, aber diesen gefiel es dort nur kurze Zeit, und sie wollten wieder zu ihrer Mutter zurückkehren. Sie gingen weg und kamen zur Julzeit zu Jngjald Tryggvi d. h. dem Treuen in Hvin. Er nahm sie freundlich auf, auf Bitten seiner Frau Gyda, und dort blieben sie während des Winters.Im Frühjahr kam Önund nach Nord-Agdir 3 , denn er hatte erfahren, daß Ondott erschlagen worden war. Als er Signy traf, fragte er, welche Hilfe Signy und ihre Söhne von ihm erwarteten. Sie sagte, daß sie gern den Mord Öndotts an dem Hersen Grim gerächt haben wollte. Man sandte nun Boten zu Öndotts Söhnen, und als sie Önund Holzfaß trafen, schlossen sie sich mit ihm zusammen und suchten zu erkunden, was Grim vorhatte.
Einst im Sommer war großes Bierbrauen bei Grim, denn er hatte den Jarl Audun eingeladen. Als dies Önund und Öndotts Söhne erfuhren, begaben sie sich nach Grims Gehöft, legten Feuer an die Gebäude, denn sie kamen unerwartet, und verbrannten den Hersen Grim innen und fast dreißig Mann. Sie erbeuteten dort viele Kostbarkeiten und Kleinode. Darauf zog sich Önund in den Wald zurück, aber die beiden Brüder nahmen ein Boot, das ihrem Ziehvater Jngjald gehörte, ruderten fort und hielten sich nicht weit vom Gehöft versteckt. Der Jarl Uudun kam zum Gelage, wie verabredet worden war, aber traf seinen Freund nicht auf der Stelle. Er sammelte Leute 1
Als die Bauern und andern Leute im Bezirke (die auf dem Gehöft versammelt waren) merkten, daß sich ein Streit entsponnen hatte, gingen sie hinaus und wollten dem Jarl helfen . Es kam zu einem heftigen Kampfe denn Önund hatte viele Mannen bei sich. Da fiel manch wackrer Bauer und Gefolgsmann des Jarls. Nun kamen die Brüder und erzählten, was zwischen ihnen und dem Jarl vorgefallen war.
Önund sagte, es wäre böse, daß sie den Jarl nicht erschlagen hätten. "Das wäre doch nur eine kleine Rache an König Harald, für den Schaden, den er uns zugefügt hat."
Sie sagten, daß das, was geschehen wäre, dem Jarl zu weit größerer Schande gereichte und begaben sich dann nach Surendalen zu dem Gauvorsteher Eirik Olfus. Er nahm sie alle auf, und sie blieben dort während des Winters.
Zur Julzeit sollte ein Trinkgelage abwechselnd bei Eirik und bei einem Manne gehalten werden, der Hallstein hieß, mit dem Beinamen Hest, d. h. Roß (oder hitzig). Zuerst bewirtete Eirik, und es war gui und reichlich. Darauf bewirtete Hallstein, da
bei wurden er und Eirik uneinig, und er schlug Eirik mit einem Trinkhorn. Eirik ging heim, ohne damals Gelegenheit gefunden zu haben, sich zu rächen. Damit waren aber Öndotts Söhne unzufrieden. Einige Zeit darauf kam Asgrim nach dem Hofe Hallsteins, ging allein hinein und versetzte Hallstein eine schwere Wunde. Die in der Stube waren, sprangen auf und griffen Asgrim an. Er wehrte sich tapfer und entrann ihren Händen im Dunkeln, aber sie glaubten ihn getötet zu haben. Als Önund und Asmund das hörten, glaubten sie, Asgrim wäre tot, meinten aber, sie könnten nichts daran ändern. Eirik riet ihnen, nach Island zu fahren; er sagte, in Norwegen könnten sie sich doch nicht halten, sobald der König imstande wäre, sie zu erreichen. Sie folgten seinem Rate und machten sich fertig zur Reise nach Island, jeder hatte sein Schiff. Hallstein lag an seinen Wunden danieder und starb, ehe sie absegelten. Kolbein, der früher erwähnt worden ist, folgte auf Önunds Schiffe mit.
8. Önund und Asmund reisen nach
Island
Önund und Asmund stachen in See, als ihre Schiffe klar waren und hielten ihre Schiffe dicht aneinander. Da sprach Önund dies:
Schwerlich beim Schwingen der Schwerter Schienen Helden kühner. Nimmer nahte schlimme Not mir und Hallvard im Tode. muß nun mir zum verdrusse Fortgehn mühsam an Bord. Island ich aufsuch, und dieses Achte ich als Schmach mir. |
Sie hatten eine beschwerliche Seereise und südlichen Gegen- wind, so daß sie weit nach Norden trieben. Sie erreichten aber Island doch und waren nördlich vom Langanes gekommen, als sie sich zurechtfänden. Damals war so geringer Abstand zwischen ihnen, daß sie miteinander reden konnten. Asmund
sagte, sie sollten nach dem Eyjafjördr segeln, und die andern waren damit einverstanden. Sie kreuzten nun an der Küste hin. Da erhob sich ein Sturm von Südosten. Beim Lavieren aber brach eine Rahe auf Önunds Schiff. Sie zogen die Segel ein, und der Sturm trieb sie da wieder auf das Meer hinaus. Asmund erreichte Hrisey 1 und wartete dort, bis erin den Eyjafjördr hineinsegeln konnte. Helgi der Magere gab ibm die ganze Kraeklinga-Halde, die nach den Söhnen Öndotts Kraka benannt ist; und er setzte sich an der südlichen Glera fest. Sein Bruder Asgrim kam einige Winter später nach Island und wohnte an der nördlichen Glera. Sein Sohn war Ellidagrim, der Vater des Asgrim Ellidagrim.
9. Önund erhält Land
Nun ist von Önund Holzfuß zu sagen, daß sie einige Tage und Nächte vor dem Sturme trieben. Darauf schlug der Wind um, er fing an von der Seeseite zu wehen, so daß sie nach dem Lande zu segeln konnten. Die, die früher des Wegs gewesen waren, erkannten jetzt, daß sie sich westlich von Skagi befanden. Da segelten sie in den Sirandafloi hinein und nahe zu der südlichen Strandir. Da kamen sechs Mann auf einem Zehnruderer zu ihnen, riefen das Seeschiff an und Sagten, wer die Bemannung wäre. Önund nannte sich und fragte, woher sie wären. Sie antworteten, sie wären Diener des Thorvald von Drangar. Önund aber fragte weiter, ob das Land um die Strandir schon besetzt wäre. Sie erwiderten, daß noch wenig besetzt wäre an den inneren Stränden, an den Nordstränden aber rein gar nichts. Da fragte Önund seine Schiffsgenossen, ob sie noch nordwärts Land suchen sollten oder das haben, das ihnen soeben gewiesen worden wäre. Sie zogen vor, das Land erst weiter kennen zu lernen, fuhren nun die Küste entlang tiefer in den Fjord und legten erst bei in der Bucht vor Arnes. Da setzten sie das Boot aus und ruderten an das Land. Dort wohnte ein angesehener Mann, Eirik Snara, d. h.
Sie zogen in den Fjord hinein, und als sie nach Ofära kamen, sagte Eirik: ""Hier könnt ihr sehen; von diesem Punkt an und hin bis zu Björns Besitz ist nichts in Besitz genommen." Auf dieser Seite der Fjorde ragte ein großer Berg empor, der mit Schnee bedeckt war.
Önund blickte nach dem Berge hin und sprach diese Weise:
Wind und Wellen bedingen Erwerben von Land —oder Sterben; Aber über die Meerflut Eilt das Schiff unverweilt. Heimat hab ich und Freunde Hinter mir, muß künden: Kläglich ists, Kaldbakr 1 zu tauschen, Kornland daheim ist verlorn. |
Eirik antwortete: "Gar manche haben so viel in Norwegen verloren, daß sie es nicht ersetzt bekommen können. Ich glaube auch, daß das meiste Land in den Hauptbezirken in Besitz genommen ist; darum kann ich dir nicht raten, von hier fortzuziehen . Ich will auch Wort halten, du kannst von meinen Liegenschaften so viel haben, wie dir dienlich ist."
Önund erklärte, er nehme das Angebot an und nahm dann Land von Ofära bis zum Kaldbaks-Bergrücken um die drei Buchten herum Byrgisvik, Kolbeinsvik und Kaldbaksvik. Später gab Eirik ihm den ganzen Veidileysafjord und den Reykjafjördr und ganz Reykjanes auf der Seite; aber über die Strandgerechtigkeit wurde keine Verabredung getroffen, denn damals trieb so viel 2 an das Land, daß jeder hatte, was 1
10. Ofeig Grettir wird erschlagen
Önund war ein so tapferer Mann, daß sich nur wenige mit ihm niesen konnten, wenn sie auch gesunde Glieder hatten; er war über das ganze Land berühmt seiner vorfahren wegen. Hierauf begannen die Streitigkeiten zwischen Ofeig Grettir und Thorbjörn Jarlakappi d. h. "Jarlkämpe , und sie endeten so, daß Thorbjörn den Ofeig Grettir an der "Grettisspalte" bei dem Hofe Haell erschlug. Viele verbanden sich mit Ofeigs Söhnen, um ihnen zu helfen, die Mordsache ;u verfolgen. Es wurde auch zu Ofeigs Schwiegersohn Önund geschickt, und er ritt im Frühjahr nach Süden und kehrte im Hofe Hvammr ein bei Aud djupudga d. h. "der verständigen " . Sie nahm ihn freundlich auf, denn er war auch in Irland oft ihr Gast gewesen. Ihr Enkel Olaf Feilan 1 war damals erwachsen, Aud selbst war altersschwach. Sie sprach mit Önund darüber, daß sie ihren Enkel Olaf gern verheiratet sähe, und wünschte, daß er um Alfdis von den Barr-Inseln werben sollte, denn sie war Geschwisterkind der Asa, Önunds Ehefrau. Das dünkte Önund gut, und Olaf ritt mit ihm nach Süden. Als Önund seine verwandten und Verschwägerten traf, luden sie ihn zu sich ein und besprachen den Handel. Die Sache wurde an das Kjalarnes-Thing gebracht, denn das Allthing war damals noch nicht eingesetzt. Dann wurde die Sache verglichen, und für den Totschlag auf große Geldbuße gesprochen; Thorbjörn Jarlakappi aber wurde des Landes verwiesen. Sein Sohn war Sölmund, der Vater des Svidu-Kari. Vater und Sohn hielten sich darauf lange Zeit im Auslande auf. Thrand lud Önund und Olaf zu sich ein, und dasselbe tat Thormod Skapti. Sie brachten nun Olafs Werbung vor; man machte keine Schwierigkeiten, denn man wußte, daß Aud
11. Önunds und Eiriks Kinder
Önund und Asa hatten zwei Söhne, der ältere hieß Thorgeir und der jüngere Ofeig Grettir. Bald darauf starb Asa. Darauf heiratete Önund eine Frau namens Thordis; sie war die Tochter Thorgrims von Gnupr im Midfjördr, 3 und verwandt mit Midfiardar-Skeggi. Mit ihr hatte Önund einen Sohn, der Thorgrim hieß. Er war bereits Säh groß von Wuchs und stark, und sehr wirtschaftlich. Önund wohnte in Kaldbakr bis zu seinem Tode; er starb den Strohtod und liegt im Holzfuß-Hügel begraben. Er war der tapferste und waffentüchtigste einbeinige Mann, der je auf Island gelebt hat.
Thorgrim war von Önunds Söhnen der angesehenste, obwohl er der jüngste war. Aber als er fünfundzwanzig Jahre alt war, hatte er schon graue Haare auf dem Kopfe, darum wurde er Härukoll, d. b. Graukopf genannt. Seine Mutter Thordis verheiratete sich wieder mit Andun Skökul d. h. Deichsel im Vididalr; ihr Sohn war Asgeir in Asgeirsa. Thorgrim Graukopf und seine Brüder hatten großen Besitz zusammen, denn eine Teilung hatte nicht stattgefunden.
Eirik wohnte auf Arnes, wie früher erzählt worden ist. Er war mit Alöf verheiratet, einer Tochter Ingolfs vom Ingolfsfjördr . Ihr Sohn hieß Flosi. Er war ein vielversprechender Jüngling und hatte zahlreiche Verwandte.
Streitigkeiten zwischen Önunds und
Eiriks Söhnen
Zu der Zeit kamen die drei Brüder Ingolf, Ofeig und Eyvind nach dieser Gegend, nahmen die drei Fjorde
Niemals war auch nur die geringste Uneinigkeit entstanden- solange die Alten lebten. Aber als Eirik gestorben war, dünkte es seinen Sohn Flosi, daß die Bewohner von Kaldbakr nicht rechtmäßigen Anspruch auf die Liegenschaften hätten, die Eirik dem Önund gegeben hatte. Daraus entstand großer Zwist unter ihnen, aber Thorgrim und seine Brüder behielten nichts desto weniger; was sie hatten. Sie verkehrten gar nicht mehr miteinander. Thorgeir verwaltete den Hof der Brüder im Reykjarfjördr und ruderte immer zum Fischen hinaus, denn damals waren die Fjorde voll von Fischen. Die Leute in der Trekyllisvik 1 machten nun ihre Pläne. Flosi in Ames hatte einen Knecht namens Thorsinn. Diesen Mann sandte Flosi aus, um Thorgeir zu töten. Er versteckte sich im Schuppen. Denselben Morgen schickte sich Thorgeir an, auf das Meer hinauszurudern mit zwei Mann, von denen der eine Brand hieß. Thorgeir ging zuerst. Er hatte eine Lederflasche auf dem Rücken, und in ihr war ihr Getränk. Es war sehr dunkel. Als er nun aus dem Schuppen hinab nach dem Strande ging, sprang Thorsinn auf ihn los und hieb ibm mit der Axt zwischen die Schulter; die Art ging tief, und es gab einen glucksenden Laut. Er ließ die Art los, in dem Glauben, daß hier ein verband überflüssig wäre 3 und machte sich so schnell wie möglich fort. Von Thorfinn ist zu sagen, daß er nördlich nach Arnes lief; er kam dort an, bevor es recht Tag war, und erzählte hier den an Thorgeir verübten Mord; er sagte, er bedürfte jetzt Flosis Hilfe und fügte hinzu, das Einzige, was zu tun wäre, sei einen Vergleich anzubieten. Denn ein solches vorgehen wird unsere Angelegenheit besser machen, und das ist nötig bei der großen Sache, die wir jetzt auf dem Halse haben.
Flosi sagte, er müßte erst genauere Nachrichten darüber abwarten." Ich glaube, du bist bange genug nach deiner großen Tat.
von Thorgeir ist nun zu erzählen, das er sich nach der Seite gewendet hatte, als der Hieb fiel, die Art traf die Lederflasche, und er selbst ward nicht verwundet. Sie suchten nicht nach dem Manne, denn es herrschte Finsternis, sondern ruderten sum Fjord hinaus, kamen nach Kaldbakr und erzählten diese Begebenheit. Sie foppten ihn deswegen gehörig, und nannten ihn Thorgeir Flöskubak, d. h. "Flaschenrücken" ; so hieß er seitdem. Damals entstand dieses Gedicht:
12. Der Kampf auf Rifsker 2
Damals kam eine so große Hungersnot über Island, daß ihresgleichen niemals wieder gewesen ist. Der Fischfang hörte fast völlig auf, und nichts trieb an Land. Das dauerte mehrere Jahre. In einem Herbste wurde ein Kaufmannsschiff vom Sturm dahin verschlagen, und sie litten in der Bucht Schiffbruch. Flosi nahm vier oder fünf von der Besatzung bei sich auf, darunter den Steuermann Stein. Die andern fanden an verschiedenen Stellen in der Bucht Unterkommen und wollten sich aus dem Wrack ein Schiff zimmern, aber das war keine leichte Sache. Das Schiff war schmal am Vorder- und Hintersteven, aber breit in der Mitte.
Im Frühjahr kam ein heftiger Nordwind, der fast eine Woche anhielt. Als der Sturm aufhörte, untersuchte jeder seinen Strand, um zu sehen, was angetrieben war.
Ein Mann namens Thorstein wohnte auf Reykjanes. Er fand einen Wal, der war auf dem Kap ans Land getrieben,
In Gjögr wohnte ein Mann namens Einar. Er war ein Landsasse der Bewohner von Kaldbakr und sollte acht geben auf das, was an ihren Strand antrieb auf dieser Seite der Fjorde. Dieser Mann erfuhr, daß der Wal angetrieben war. Er nahm sogleich sein Boot und ruderte über den Fjord nach der Byrgisvik; ; von da schickte er einen Mann nach Kaldbakr. Als Thorgrim und seine Brüder das hörten, machten sie sich so schnell wie möglich fertig, es waren zwölf Mann in einem Zehnruderer . Kolbeins Söhne, war und Leif, fuhren auch mit, es waren sechs zusammen. Alle Bauern, die konnten, fuhren mit nach dem Wal.
Nun ist von Flosi zu sagen, daß er Boten schickte zu seinen verwandten nördlich nach dem Ingolfsfjördr und Ofeigsfjördr und nach Olaf Eyvindarson, der auf Drangar wohnte. Flosi kam zuerst zu dem Wal und mit ibm die Bewohner der Bucht. Sie begannen sogleich den Speck abzuschneiden und die abgeschnittenen Stücke auf das Land zu ziehen. Es waren zuerst etwa zwanzig wann, aber bald kamen noch mehr hinzu. Nun kamen die Leute von Kaldbakr mit vier Schiffen. Thorgrim erhob Ansprüche auf den Wal und verbot den Bewohnern der Bucht, den Wal abzuspecken, zu teilen oder fortzuschaffen . Flosi forderte auf zu beweisen, daß Eirik deutlich und ausdrücklich dem Önund Holzfaß das Strandrecht übertragen hätte; sonst würde er es um Kampfe kommen lassen. Thorgrim glaubte nicht genug Mannschaft bei sich zu haben und griff deswegen nicht an. Da kam ein Schiff von Süden her über die Fjorde gerudert, und sie strengten sich mächtig an; sie kamen bald dort an. Es war Svan von Holl an dem Bjarnarfjördr und seine Dienstleute. Als er angekommen war, forderte 1
Thorgeir sagte: "Hier gebe ich dir deine Art zurück." Dann schlug er ihn so über den Hals, daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Flosi stand auf einem Sand- und Steinhaufen, als er das sah. Er feuerte seine Leute zum Widerstand an. Nun kämpften sie lange, und die Leute von Kaldbakr hatten einige Vorteile. Nur wenige der Leute hatten Waffen, außer den Arten, womit sie den Wal abzogen, und kurzen Messern. Die Bewohner der Bucht mußten sich vom Wal auf den Strand zurückziehen, der trocken war, da es gerade Ebbezeit war. Die Ostleute aber hatten gute Waffen, mit denen sie leicht Wunden schlagen konnten. Der Steuermann Stein hieb war Kolbeinsson einen Fuß ab, aber Leif Ivars Bruder, schlug einem Gefährten Steins mit einer Walrippe tot. Man schlug sich jetzt mit allem, was man kriegen konnte, und auf beiden Seiten sielen Leute. kam Olaf von Drangar mit vielen Schiffen und ergriff Flosis Partei. Die Leute von Kaldbakr mußten der Übermacht weichen. Sie hatten vorher ihre Schiffe beladen. Svan forderte nun auf, an Bord zu geben. Sie bewegten sich nach den Schiffen hin. Die Männer von der Bucht verfolgten sie. Und als Svan an das Meer herabgekommen war; hieb er nach dem Steuermann Stein und versetzte ihm eine schwere Wunde. Dann sprang er auf das Schiff hinaus. Thorgrim verwundete den Flosi schwer und entrann ihm dann. Olaf schlug nach Ofeig Grettir und verwundete ihn tödlich. Aber Thorgeir nahm Ofeig in seine Arme und sprang mit ihm auf das Schiff. Darauf ruderten die Leute von Kaldbakr von Süden über die Fjorde, und so endete dieser Streit.
Über den Kampf wurde folgendes gedichtet:
Hart, so hab ich gehört, Hob der tobende Kampf an, Rund auf den Rippenschären Recken stritten im Drecke. Speck statt Speere schoß man, Sprang entlang den Walleib, Fleischklumpen warf man sich wütend Auf den Bauch —welch Brauch! |
Darauf wurde ein Friede zustande gebracht, und sie legten die Sache dem Allthing vor. Der Gode Thorodd und Midstardar- Skeggi und viele aus dem Südlande ergriffen die Partei der Leute aus Kaldbakr. Flosi wurde geächtet und viele, die mit ihm gewesen waren. Das kostete ibn viel Geld, denn er wollte allein alle Bußen zahlen. Thorgrim und seine Brüder konnten nicht beweisen, daß sie die Ländereien und das Strandrecht käuflich erworben hatten, worüber Flosi sich beschwert hatte. Thorkel Mani, d. h. "Mond", war damals Gesetzessprecher. Ihm wurde die Entscheidung übergeben. Er sagte, ihm schiene eine gesetzliche Abtretung des Eigentums stattgefunden zu haben, wenn man nur etwas dafür gezahlt hätte, wenn es auch nicht der volle Wert gewesen wäre. "Denn so tat Steinvör die Alte und mein Großvater Ingolf; sie bekam nämlich von ihm das ganze Rosmhvalanes und gab dafür einen schmutzigen Mantel, und dieser Kauf ist niemals für ungültig erklärt worden; und das Land, das Steinvör erhielt, wird mehr Wert haben, ab das. über das hier gestritten wird." "Nun gebe ich den Rat," schloß er, "daß man das umstrittene Land teilen soll, so daß beide Parteien ein gleich großes Stück bekommen; dann sei das als Bestimmung in die Gesetze aufgenommen, daß jeder das Strandrecht vor seinen Ländereien bat."
So geschah es. Man nahm die Teilung so vor, daß Thorgrim und seine Brüder den Reykjarfjördr und den ganzen Land 1
13. Thorgrim Graukopf heiratet Thordis,
Asmunds Tochter
Bald darauf teilten die Brüder Thorgrim und Thorgeir ihre Güter; Thorgrim bekam die bewegliche Habe, aber Thorgeir die Ländereien. Thorgrim zog später in den Midfjördr und kaufte dort auf Skeggis Rat den Hof Bjarg. Thorgrim war verheiratet mit Thordis, einer Tochter Asmunds von Asmundargnup, der die Thingeyrasveit 2 in Besitz genommen hatte. Thorgrim und Thordis hatten einen Sohn namens Asmund. Er war ein großer und starker und kluger Mann, und hatte sehr schönes Haar. [Er bekam frühzeitig graue Haare; ;] darum wurde er Haerulang genannt, d. h. einer, der lange [graue] Haare hat. 3
Asmunds Reise nach Norwegen. Seine
erste und zweite Heirat
Thorgrim nahm sich sehr seines Hofes an und hielt alle Leute zur Arbeit, die bei ibm waren. Asmund aber hatte wenig Lust zur Arbeit, und darum war das verhältnis zwischen Vater und Sohn wenig freundschaftlich. Das blieb so, bis Asmund erwachsen war. Da bat Asmund seinen Vater um Mittel zu einer Reise ins Ausland. Thorgrim sagte, daß die Mittel, die er von ibm bekäme, nur unbedeutend wären, doch gab er ihm etwas bewegliche Habe. Damit reiste Asmund ins Ausland und erwarb sich bald ein hübsches vermögen. Er fuhr nach verschiedenen Ländern und wurde ein großer Kaufmann und sehr reich. Er war beliebt und zuverlässig und hatte viele vornehme Freunde in Norwegen.
Einmal nahm Asmund im Herbst Aufenthalt östlich in der Vik 1 bei einem vornehmen Manne, der Thorstein hieß. Er stammte aus den "oberen Ländern" und hatte eine Schwester namens Rannveig; sie war eine sehr gute Partie. Um diese Jungfrau warb Asmund, und Thorstein, ihr Bruder; gab seine Einwilligung zu dieser verbindung. Asmund ließ sich dort einige Zeit nieder und stand in großem Ansehen. Er und Rannveig hatten einen Sohn namens Thorstein; der war ein schöner, starker Jüngling, hoch von Wuchs und hatte eine gute, laute Stimme, war aber etwas langsam in seinen Bewegungen; darum wurde er Dromund 2 genannt. Als Thorstein noch klein war, wurde seine Mutter krank und starb. Darum fühlte sich Asmund nicht recht zufrieden in Norwegen. Thorsteins verwandte von der mütterlichen Seite nahmen ihn zu sich und bewahrten sein vermögen. Asmund aber beschloß zum zweiten Male Handelsreisen zur See zu unternehmen und wurde ein berühmter Mann. Er landete mit seinem Schiff im Hunavatn. Damals war Thorkel Krafla, 3 d. h. Krabbler Häuptling der
Bei Thorkel wurde eine Frau namens Asdis aufgesogen. Sie war die Tochter des Bard Jökulsson, eines Sohnes von Ingimund dem Alten, dem Sohne des Thorstein, des Sohnes Ketils des Hochgewachsenen. Die Mutter der Asdis war Aldis, die Tochter des Ofeig Grettir, wie früher gesagt worden ist. Asdis war noch nicht verheiratet und galt als eine vorzügliche Partie, nach ihrer Herkunft und nach ihrem vermögen. Asmund hatte nun keine Luft mehr, Seereisen zu unternehmen. Er wollte sich auf Island fest niederlassen. Er beschloß deshalb um diese Frau zu werben. Thorkel kannte seine verhältnisse genau und wußte, daß er reich und fähig war, sein vermögen zu verwalten, und so kam es, daß Asmund Asdis heiratete. Er wurde Thorkels treuer Freund und bewirtschaftete eifrig seinen Hof, er war gesetzkundig und strebte vorwärts. Bald darauf starb Thorgrim Graukopf in Bjarg. Asmund beerbte ihn und wohnte seitdem in Bjarg.
Geschichte von
Grettir dem Starken
Erster Teil
14 . Grettirs Jugendstreiche
Asmund Härulang hatte in Bjarg einen großen und ansehnlichen Haushalt und viele Leute. Er war beliebt. Asmund und Asdis hatten diese Kinder: Atli war der älteste; er war tauglich und tüchtig, verträglich und zutunlich, und bei allen gern gesehen. Sie hatten einen zweiten Sohn, der hieß Grettir. Es ließ sich sehr schwer mit ihm umgehen, während er heranwuchs; er war karg mit Reden und rauh im Umgang, und schnell zu Gewalttätigkeiten bereit in Worten und Werken. Sein Vater Asmund hatte keine sonderliche Liebe zu ihm, aber seine Mutter liebte ihn sehr. Grettir, Asmunds Sohn, war von Aussehen ein schöner Mann, er hatte ein breites und kluges Antlitz, rote Haare und viele Sommersprossen; er entwickelte sich nur langsam, solange er noch im Kindesalter war. Eine Tochter Asmunds hieß Thordis, die später Glum heiratete, der Sohn des Ospak Kjallaksson von Skridinsenni. Rannveig hieß Asmunds weite Tochter. Sie heiratete Gamli, der Sohn Thorhalls des Winländers. 1 Sie wohnten in Melar am Hrutafjördr . Ihr Sohn war Grim. Der Sohn des Glum und der Thordis, der Tochter Asmunds, war Ospak, der mit Odd, dem Sohn Ofeigs, Streitigkeiten hatte, wie in der "Geschichte vom durchtriebenen Ofeig" berichtet wird.
Grettir wuchs in Bjarg auf. Als er ins zehnte Jahr kam, begann er sich besser zu entwickeln. Asmund befahl ihm, etwas zu arbeiten. Grettir antwortete, er wäre nicht gerade geschickt dazu, Sagte aber doch, was er tun sollte.
Asmund entgegnete: "Du sollst meine zahmen Gänse hüten." Grettir antwortete und sprach: "Das ist eine kleine Arbeit und passend für einen Taugenichts."
Asmund entgegnete: "Besorg das nur gut, und das Verhältnis zwischen uns wird besser werden."
So übernahm es Grettir, die Gänse zu hüten. Es waren fünfzig und eine Menge Küchlein. währte nicht lange, da schien es
1 Winland, Neu-Schottlaud, wurde von Leif, dem Sohne Erichs des Roten, entdeckt und besiedelt (Thule, Bd. 13, S. 35). 2 Thule, Bd. 10, 4.
ihm beschwerlich, sie zu treiben, und die Küchlein kamen nur langsam von der Stelle. Darüber wurde er sehr ärgerlich, denn Ruhe und Besonnenheit hatte er nur in geringem Grade. Bald darauf fanden Landstreicher die Küchlein draußen auf der Flur tot und die zahmen Gänse mit gebrochenen Flügeln. Das war im Herbste. Asmund wurde sehr zornig darüber und fragte, ob Grettir die vögel getötet hätte. Er lachte und sprach:Wahrlich, wird es Winter; Würg ich ab die Küchlein; Sind auch ein'ge älter, Auch sie rupf am Bauch ich. |
"Du sollst in Zukunft keine Gelegenheit haben, ihnen das Leben zu nehmen," sagte Asmund.
"Der ist eines andern Freund, der ihn hindert, Schlechtes zu tun," antwortete Grettir.
"Du bekommst jetzt eine andere Arbeit," sagte Asmund. "Mehr weiß der, der mehr versucht", sagte Grettir. "Was soll ich jetzt tun:"
Asmund antwortete: "Du sollst meinen Rücken am Feuer reiben, wie ich immer tun lasse."
"Davon wird man warm an den Händen,"sagte Grettir."'Aber doch ist diese Beschäftigung nur einen Taugenichts passend."
Eine ganze Weile verrichtete Grettir dieses Amt. Aber da der Herbst kam, wurde Asmund fösterig und forderte Grettir auf, ihm feste den Rücken zu reiben. Es war damals Sitte, daß auf den Höfen große Küchen waren. Die Männer saßen da am Abend an den Langfeuern; 1 dort wurden auch die Eßtische vor die Leute gesetzt, und danach schliefen die Männer auf den Erhöhungen an den Rückenwänden oberhalb der Feuer. Am Tage arbeiteten dort die Frauen und reinigten Wolle.
Es geschah eines Abends, als Grettir Asmunds Rücken kratzen sollte, daß der Alte sagte: "Laß mich nun sehen, du Lump, daß du dich tüchtig tummeln kannst." 1
Grettir antwortete: "Übel ist es, den zu reizen, der niemals weicht.
Asmund sprach: "Du taugst zu gar nichts."
Da fiel Grettirs Auge auf die Bank, wo die Wollkämme lagen; er nahm einen davon und ließ ibn über Asmunds Rücken hin und her gehen. Der fuhr wie rasend in die Höhe und wollte Grettir mit seinem Stocke schlagen; aber er sprang beiseite. In dem Augenblick trat die Mutter hinein und fragte, was los wäre. Grettir sprach da diese Weise:
Mutter, Vater wollte Schänden meine Hände. Übel dünkt und schlecht mich Aber seine Absicht. Kriegt er mich, ich kratz mit Allen meinen Krallen. Rabe macht bereit sich, Ritz ich, spritzt das Blut gleich. |
Übel dünkte es die Mutter, daß Grettir das getan hatte, und sie sagte, er würde schwerlich ein Mann werden. der sich bei seinen Handlungen vorsähe. Das verhältnis zwischen Vater und Sohn wurde dadurch nicht besser. Einige seit darauf sagte Asmund, Grettir sollte seine Pferde hüten. Grettir antwortete, das dünke ihn besser, als Feuer auf dem Rücken 2 anzuzünden .
"Du sollst dich so benehmen," sagte Asmund, " wie ich dir sage. Ich habe eine blaßgelbe Stute, deren Mähne und Schweif sind schwarz, dazu hat sie einen schwarzen Streifen längs des Rückens; ich nenne sie darum Keingala. 3 Sie weiß Wetter und Regen voraus, so daß es niemals fehlschlägt, daß ein Schneesturm kommt, wenn sie nicht hinaus auf die Weide will. Dann sollst du die Koppel im Stall drin lassen; aber wenn strengere Kälte eintritt, sollst du die Pferde nördlich auf dem länglichen Bergrücken grasen lassen. Es wäre zu
Grettir antwortete: "Das ist eine kalte Arbeit, aber eine, die sich für einen Mann geziemt; doch dünkt es mich übel, sich auf eine Stute zu verlassen, denn soweit ich weiß, hat es niemand Suber getan."
Grettir begann nun die Pferde zu hüten, und die Zeit verging so bis Weihnachten. Da trat starker Frost ein und Schneefall, so das die Pferde kaum draußen weiden konnten. Grettir war schlecht mit Kleidern versehen und noch wenig abgehärtet. Ihn fror erbärmlich; aber Keingala blieb fortwährend, wenn das Wetter auch noch so rauh war, an den Stellen stehen, wo der Wind am stärksten wehte; und wenn sie auch noch so früh auf die Weide kam, sie wollte niemals in den Stall zurück, ehe es ganz dunkel war. Da siel Grettir ein, der Stute einen solchen Streich zu spielen, daß sie für ihr fortwährendes Draußenbleiben gestraft würde. Eines Morgens früh kain Grettir nach dem Pferdestalle; er schloß auf, und Keingala stand allein vor der Krippe; denn obwohl allen Pferden Futter vorgelegt wurde, behielt sie doch alles für sich allein. Grettir setzte sich nun auf ihren Rücken. Er hatte ein scharfes Messer in der Hand, und damit schnitt er ihr einen Riß quer über ihre Schultern, und ebenso beide Seiten des Rückens entlang. Die Stute bäumte und stieg hoch, denn sie war wohlgenährt und scheu, sie schlug mit den Hinterfüßen so mächtig aus, daß die Hufe gegen die Wände krachten. Grettir fiel herunter, aber sobald er wieder auf die Beine kam, wollte er sich von neuem auf den Rücken der Stute schwingen. Zwischen beiden war ein harter Kampf aber das Ende war, daß er dem Pferde die ganze Rückenhaut herunter riß bis zu den Lenden; darauf trieb er die Koppel auf die Weide. Reingala wollte kein Gras fressen, sondern schnappte immer nach ihrem Rücken, und kurz nach der Mittagsstunde machte sie sich davon und lief wieder nach dem Stalle. Grettir schluß den Pferdestall ab und ging beim. Asmund fragte, wo die Pferde wären. Grettir erwiderte , er hätte sie wie gewöhnlich in den Stall eingeschlossen . Asmund meinte, in kurzer Zeit hätte man einen
Schneesturm zu erwarten, da die Pferde bei solchem Wetter nicht weiden wollten.Grettir antwortete: "Oft irren die, von denen man mehr Verstand erwarten sollte." Die Nacht verging, und es kam kein Schneesturm. Grettir trieb die Pferde hinaus, aber Reingala konnte es auf der Weide nicht aushalten. Asmund kam es merkwürdig vor, daß das Wetter nicht umgeschlagen war. Am dritten Morgen ging Asmund selbst zu den Pferden, und zwar zuerst zu Keingala und sagte: "Ich finde, die Pferde sind in ziemlich kläglichem Zustande, und doch war der Winter so milde; aber dein runder Rücken, Bleikala, 1 wird sich wohl erhalten haben."
"Beides kann kommen," sagte Grettir, " was man erwartet, und ebenso, was man nicht erwartet."
Asmund streichelte den Rücken der Stute mit der Hand, aber dav Fell löste sich los. Er konnte nicht verstehen, wie das zuginge , meinte aber, Grettir wäre gewiß daran schuld. Grettir grinste und entgegnete nichts.
Der Bauer ging heim und schimpfte sehr. Er ging in die Küche und hörte, wie die Hausfrau sagte: "Ach, wenn doch der versuch , die Pferde zu hüten, für meinen Sohn gut ausgefallen wäre!"
Asmund sprach die Weise:
Ach, die arme Stute — Übles Grettir übte! Schlauer scheint als ich er, Schinder ist das Kind. Künftig wird der Kerl mir Kaum den Willen erfüllen. Goldgeschmückte Göttin, 2 Merk dir Grettirs Werke! |
Die Mutter antwortete: "Ich weiß nicht, was mir verkehrter vorkommt, daß du ihm immer etwas zu tun aufgibst, oder daß er sich immer auf dieselbe Weise davon drückt." 1
"Dem soll jetzt ein Ziel gesetzt werden," sagt Asmund. "Aber er soll es teuer bezahlen"
"So wird keiner dem andern was vorzuwerfen haben," sagte Grettir; und so verging eine Weile.
Asmund ließ Keingala töten. viele Bubenstreiche verübte Grettir; die nicht aufgezeichnet sind. Er wurde jetzt groß von Wuchs; seine Kräfte kannte man nicht genau, denn an den Ringkämpfen nahm er nicht teil. Häufig dichtete er Lieder und kurze Verse, meist spottenden und kränkenden Inhalts. Er saß nicht immer in der Küche 1 und war gewöhnlich wortkarg.
15. Grettir beim Ballspiel am
Midfjardarvatn
Damals wuchsen am Midfjördr noch mehrere andere Jünglinge heran. Skaldtorfa wohnte damals auf Torfustadir ; ihr Sohn hieß Bessi, ein tüchtiger Mann und ein guter Skalde. Auf Melr wohnten die Brüder Kormak und Thorgils, und mit ihnen wuchs ein Mann auf namens Odd; sie wollten für ihn sorgen und ihn aufziehen, darum hieß er Odd Omagaseald , d. h. Skalde, der sich nicht selbst zu unterhalten vermag. Audun hieß ein Mann. Er wuchs in Audunarstadir im Vididalr auf; er war ein tüchtiger Mann, gut zu leiden und der Stärkste unter seinen Altersgenossen im Nordlande. Ralf Asgeirsson und sein Bruder Thorvald wohnten in Asgeirsa. Atli, Grettirs Bruder, war nun schon herangereift; alle mochten ihn gern, jeder konnte ihn gut leiden. Alle diese Jünglinge spielten gewöhnlich zusammen Ball auf dem Eise des Midfjardar-Sees. Dahin kamen Leute aus dem Midfjördr und dem Vididalr; dahin kamen auch viele Leute aus vestrhop und Vatnsnes; ebenso aus dem Hrutafjördr. Die von weit ber kamen, blieben dort, solange die Spiele währten. Die gleich 1
"Rasch ist der Knecht zur Rache, Der Feige fürchtet sich." |
Man nahm daraus keinen Anlaß zum Streite miteinander, denn die Brüder Kalf und Thorvald wollten, daß sie sich vergleichen sollten, um so mehr, als Audun und Grettir etwas verwandt waren. Man setzte das Spiel fort, und es ereignete sich nichts, woraus Zwietracht hätte entstehen können.
16. Grettirs erste Verbannung
Thorkel Krafla war nun ein sehr alter Mann geworden; er hatte das Godord 1 der Leute aus dem Vatnsdalr und war
Thorkel sagte: "Also ein nützlicher Mann, wie du; aber was sagst du über Grettir:"
Asmund entgegnete: " von ihm ist das zu sagen, daß er ein starker und unbändiger Mann werden wird; vielen verdruß und manchen Arger hat er mir bereitet."
Thorkel sagte: "Das verheißt nichts Gutes, Schwager! Aber wie soll es mit unserer Thingfahrt im Sommer werden:"
Asmund antwortete: "Ich bin schon etwas schwerfällig und möchte gern daheim bleiben."
"Willst du, daß Atli an deiner Stelle reist " fragte Thorkel
"Ihn kann ich kaum entbehren", antwortete Asmund, "wegen seiner Tüchtigkeit in den Arbeiten im Hause und im Hof; aber Grettir hat zu keiner Arbeit Lust. Doch hat er einen so guten verstand, daß ich glaube, er wird mit deiner Hilfe allen gesetzlichen Verflichtungen an meiner Statt nachkommen."
"Wie du willst, Schwager" sagte Thorkel.
Er ritt nun heim, da er das ausgerichtet hatte, was er wollte, und Asmund gab ihm gute Gaben beim Abschiede.
Einige Zeit darauf machte sich Thorkel fertig zur Reise nach dem Thing. Er ritt mit sechzig Mann; denn alle ritten mit ihm, die in seinem Godord waren. Er kam nach Bjarg, und von da ritt Grettir mit ihm. Sie ritten südlich über die Heide, die Tvidögra heißt, denn man braucht zwei Tage, um sie zu
Er antwortete und sagte, er hieße Skeggi und wäre ein freier Diener von Ass im Vatnsdalr im Nordlande. "Ich bin einer von Thorkels Gefolge", fügte er hinzu, "und habe durch Unachtsamkeit meinen Schnappsack verloren."
Grettir antwortete: "Das schlimmste Unglück dünkt einen das, das ihn allein trifft; auch ich habe meinen Sack verloren, laß uns nun beide zusammen suchen!"
Skeggi gefiel das wohl. Sie gingen nun eine Weile. Mit einem Male begann Skeggi über die Heide zu laufen und hob einen Schnappsack auf. Grettir sah, wie er sich bückte, und fragte, was er aufgenommen hätte. .
"Meinen Schnappsack," antwortete Skeggi.
"Wer außer dir kann das bezeugen:" fragte Grettir. "Laß mich ihn sehen, denn viele Dinge gleichen einander."
Skeggi erwiderte, keiner sollte ihm nehmen, was sein Eigen
"Das wäre ein wunderlicher Glaube," sagte der Knecht, " wenn keiner sein Eigentum gegen euch verteidigen dürfte, ihr Leute aus dem Midsiördr, wenn auch nicht alle so reich sind wie ihr."
Grettir erwiderte, das hätte mit Stand und Ansehen nichts zu tun, wenn jeder das bekäme, was sein Eigentum wäre.
Skeggi sagte: "Schade, daß Audun so weit weg ist, um dich zu drosseln; wie beim Ballspiel."
"Nein, gut ist das!" sagte Grettir. " Aber du kommst gewiß nicht dazu, mich zu drosseln, wie auch das andere abgelaufen sein mag."
Skeggi packte seine Art und schlug nach Grettir. Aber als das Grettir sah, faßte er mit der linken Hand den Schaft der Art so kräftig oberhalb von Skeggis Händen, daß er loslassen mußte. Grettir schlug ihm dann seine eigene Art gegen den Kopf. daß sie in das Gehirn drang und er sogleich tot umfiel. Darauf nahm Grettir den Schnappsack und legte ihn quer über seinen Sattel. Danach ritt er hinter seinen Reisegefährten her.
Thorkel war voraus geritten, denn er wußte nicht, was geschehen war. Die Leute vermißten Skeggi in dem Gefolge. Aber als Grettir zu ihnen stieß, fragten sie ihn, was er über Skeggi wüßte.
Da sprach Grettir diese Weise:
Unhold aus dem Felsen 1 Keck sich stürzt' auf Skeggi. Gierig der Kampfes-Göttin Mut begehrte Blut-mit der scharfen Schneide Schien das Beil auf ihn, Traf den Kopf in Trümmer. Traun: ich mußt es schaun. |
Thorkels Gefolge sprang auf und sagte, ein Troll hätte doch nicht einen Menschen am hellen, lichten Tage entführen können.
Thorkel schwieg eine Weile und sagte danach: "Die Sache wird sich anders verhalten; ich glaube, Grettir hat ihn getötet; übrigens was war die Ursache:"
Grettir erzählte darauf alles von ihrem Zwist,
Thorkel antwortete: "Das ist eine recht unangenehme Geschichte , denn Skeggi gehörte zu meinem Gefolge, und er war aus guter Familie. Indes, ich will die Sache auf die Weise übernehmen, daß ich die Buße trage, die über dich verhängt wird. Aber daß du verurteilt wirst, kann ich nicht hindern. Du hast nun die Wahl, Grettir, ob du lieber mit aufs Thing reiten willst und es darauf ankommen lassen, wie es dort ausläuft, oder hier umkehren."
Grettir zog vor; aufs Thing zu reiten, und dabei blieb es.
Diese Sache ward von den Erben des Erschlagenen zur Sprache gebracht. Thorkel verpflichtete sich zur Ausführung des Urteils und zur richtigen Bezahlung der Buße, was er auch tat, Grettir aber wurde für friedlos erklärt und sollte drei Winter im Elend sein. Die Häuptlinge ritten vom Thing fort und rasteten am Sledaass, bevor sie sich trennten. Da hob Grettir den Stein empor, der im Grase liegt und jetzt Grettirshub heißt. Da gingen viele Leute bin, um den Stein zu sehen, und es dünkte sie höchst wunderbar, daß ein so junger Mann es vermochte, einen so großen Felsblock zu heben.
Grettir ritt beim nach Bjarg und erzählte von seiner Reise. Asmund nahm es kühl auf und sagte, er würde ein Unruhstifter werden.
17. Grettir erleidet auf der Reise nach
Norwegen Schiffbruch
Haflidi hieß ein Mann, der auf Reydarfell in der Landschaft
Hvitarsida wohnte. Er unternahm Handelsreisen nach fremden Ländern und hatte ein Schiff auf dem Meere; das ließ er an der Mündung der Hvita überwintern. Auf seinem Schiff war ein Mann namens Bard; erbaue eine schöne, junge Frau. Asmund schickte Boten zu Haflidi, er möchte Grettir mitnehmen und für ihn sorgen. Haflidi antwortete, ihm wäre erzählt worden, daß Grettir zu Gewalttätigkeiten neigte, aber
um der Freundschaft willen, die zwischen ihm und Asmund bestand, nahm er ihn doch auf. Grettir machte sich fertig zur Fahrt ins Ausland. Asmund wollte ibm keine Ausrüstung für die Reise geben außer Lebensmitteln für die Fahrt und ein wenig grobes Woll eug. Grettir bat ihn, ihm irgend eine Waffe zu geben.Asmund antw-riete "Niemals hast du mir gehorchen wollen. Ich weiß auch nicht, was du nützliches mit Waffen ausrichten könntest; ich gebe dir keine."
Grettir sagte: "Der braucht nichts zu vergelten, der nichts erhält."
Darauf schieden Vater und Sohn mit geringer Zärtlichkeit. viele wünschten ihm Glück auf die Reise, aber wenige Wiederkehr. Seine Mutter geleitete ihn eine Strecke; und ehe sie sich trennten, sagte sie: "Du wirst nicht so ausgerüstet von Hause entlassen, Kind, wie ich wünschte, und wie es sich für einen Mann von deiner Herkunft geziemte. Der größte Mangel aber dünkt mich zu sein, daß du keine Waffe hast; die brauchbar ist; mir ahnt, daß du sie nötig haben wirst.
Sie zog ein Schwert hervor, das sie unter ihrem ärmellosen Überkleide verborgen gehalten hatte; es war ein kostbares Kleinod. Sie fuhr fort: "Dieses Schwert besaß mein Ahnherr Jökul und Leute des Vatnsdalr aus der alten Zeit, und es brachte ihnen Sieg. Jetzt will ich dir das Schwert geben, möchte es dir von Nutzen sein"
Grettir dankte ihr für die Gabe und sagte, sie schiene ihm besser zu sein als andere Schätze, selbst wenn sie wertvoller wären. Danach sog er seine Straße, aber Asdis wünschte ihm Glück und Heil. Grettir ritt südlich über die Heide und reiste ununterbrochen , bis er südlich beim Schiff eintraf. Haflidi nahm ihn freundlich auf und fragte nach seiner Ausrüstung für die Reise. Grettir sprach die Weise:
Reiter des Rosses der Wellen" Reiche das Meiste nicht reichen. 1 |
Lager des Lintwurms 2 sie gaben Lang nicht genug für den Gang. 3 Aber die Mutter um Abschied Mir verehrt ein Schwert hat — Wahrlich, das kostbarste Kleinod Kindern die Mütter sind. |
Haflidi sagte; es wäre leicht zu erkennen, daß sie es war, die am besten für ihn gesorgt hätte.
Sie stachen in See, sobald sie fertig waren und Fahrwind bekamen; und als sie an allen Untiefen vorübergekommen waren, setzten sie Segel auf. Grettir machte sich eine Grube unter dem Boote hinter dem Maste. und daraus wollte er sich gar nicht fortrühren, weder um das ins Schiff gelaufene Wasser zu schöpfen, noch um Segel zu setzen, noch sonst eine Arbeit an Bord zu verrichten, damit die andern Mitfahrenden mehr täten als er; sich freikaufen wollte er gang und gar nicht. Sie segelten nach Süden an Reykjanes vorbei und dann südlich das Land entlang, und als das Land aus Sicht war, begann die See hoch zu gehen. Das Schiff war etwas leck; und sie konnten darum den schweren Seegang nicht aushalten; der Besatzung ging es übel. Grettir ließ einen vers nach dem andern fliegen; das ärgerte das Schiffsvolk nicht wenig. Es geschah eines Tages, daß das Wetter stürmisch und kalt war; da riefen ihn die Leute wieder und baten ihn, mit anzupacken: "Denn wir sind jetzt ganz klamm an den Fingern." Grettir antwortete:
Frost die Rechte zerreißt, Recht ist das den Knechten. |
Sie kriegten ihn nicht dazu, an irgendeiner Arbeit teilzunehmen, sie wurden noch ärgerlicher als zuvor und sagten, er werde büßen für seine Neidverse und für seine verachtung der an Bord herrschenden Gesetze. "Es dünkt dich besser," sagten sie, "die Frau des Steuermanns Bard am Bauch zu tätscheln, als deine Pflicht auf dem Schiffe zu tun; und das ist nicht zu ertragen ."
Der Sturm nahm immerfort zu; sie standen halbe Tage unaufhörlich beim Wasserausschöpfen. Da begannen sie Grettir zu bedrohen. Und als Haslidi das hörte, ging er dahin, wo Grettir lag, und sagte:"Das Verhältnis zwischen dir und der Besatzung dünkt mich nicht gut zu sein; du tust deine Schuldigkeit nicht und dichtest obendrein Neidverse über sie, aber sie drohen dich über Bord zu werfen. Das ist unpassend."
"Warum sollen sie nicht tun, was sie sich vorgenommen haben?" ' sagte Grettir."Aber das wollte ich doch, daß einer oder zwei von ihnen mir folgen, wenn ich über Bord geben sollte."
"Das geht nicht an," antwortete Haflidi."Es wird uns niemals gut gehen, wenn ihr das im Sinne habt; ich will dir indessen einen Rat geben."
"Und der ist —?" "fragte Grettir.
"Sie tadeln an dir, daß du Neidverse über sie dichtest; nun wünsche ich," sagte Haslidi, "daß du einen Neidvers auf mich dichtest; kann sein, daß sie daim eher Nachsicht gegen dich üben." "
Auf dich", entgegnete Grettir" dichte ich nie etwas anderes als Gutes; dich rechne ich nicht zu den vertrockneten Knechten."
Haflidi sagte: "Du kannst ja die Weise so dichten, daß sie schön und ruhmreich aussieht, wenn sie genau untersucht wird, obwohl sie im ersten Augenblick nur Spott zu enthalten scheint."
"von der Art habe ich auch eine Menge," antwortete Grettir.
Haflidi ging zu der Besatzung und sprach: "Schwer ist eure Arbeit, und es ist zu verstehen, daß ihr über Grettir ärgerlich seid."
"Am schlimmsten von allem scheinen uns seine Neidverse zu sein," sagten die Schiffsleute.
Da sprach Haflidi laut: "Darum wird es ihm auch zuletzt schlecht ergehen."
Als Grettir hörte, wie Haflidi ibn tadelte, sprach er diese Weise:
Mancher 1 reißt den Mund auf Mächtig, das ist nicht schlecht. Doch zu Hause hat er |
Hunger stets gering. Frühstück süsst er zweimal vormittags an Bord — Doch zagt er auch nicht zu versehren Zweimal am Tage Feinde. |
Die Schiffsleute wurden sehr ärgerlich und sagten, das sollte er nicht umsonst getan haben, Neidverse auf den Bauer Haflidi zu dichten.
Da sagte Haflidi: "vollauf hätte Grettir verdient, daß ihr ihm irgendeinen Hohn zufügtet; aber ich will meine Ehre nicht aufs Spiel setzen gegen seine Bosheit und Gleichgültigkeit. Jetzt wollen wir nicht dafür Rache nehmen, solange wir uns in einer so großen Gefahr befinden, aber daran denken, wenn wir ans Land kommen, wenn es euch recht ist."
Sie antworteten: "Warum sollten wir nicht dasselbe können wie du : Warum sollen seine Spottverse uns mehr beißen als dich" '
Haslidi bat sie, so zu handeln. von da an ertrug die Besatzung seine verse leichter als vorher. Sie hatten eine lange und beschwerliche Seereise; das Leck im Schiff wurde immer größer. Die Leute wurden durch die Arbeit ganz erschöpft. Die junge Steuermannsfrau pflegte, wenn Grettir aufgestanden war, ihm die Hemdärmel unten wieder zuzunähen, 1 und die Schiffsleute verspotteten ihn deswegen. Haslidi ging dahin, wo Grettir lag und sprach die Weise:
Hurtig heb dich vom Lager, Tief sich senkt das Schiff. Fröhlich gedenk der Freundschaft, Froh der Frau auch so. Wieder hat die Holde Hemd genäht dem Fremden. Tüchtig sollst du dich tummeln, Während wir treiben im Meere. |
Grettir stand schnell auf und sprach:
Schaukeln mags und schlingern, Schnell kommt eu 'r Geselle, Schelten würd ' die Schöne, Schlief ich auf dem Schiffe. Flachses-Gonin flucht mir, Flieht mich, Huld entzieht mir: Andre solln nicht immer Allein bei der Mbeki sein. |
Danach lief er nach dem Achterdeck des Schiffes, wo sie mit Schöpfen beschäftigt waren und fragte; was sie wollten, das er täte. Sie antworteten, er würde wenig Gutes tun.
Er sagte: "Etwas ist eines Mannes Hilfe immer wert."
Haflidi bat sie, seine Hilfe nicht abzuschlagen."Kann sein, daß er beabsichtigt, seine verpflichtungen erfüllen, wenn er uns seinen Beistand anbietet."
Damals leerte man das Wasser aus den Schiffen nicht durch eine Rinne, in die es aufgepumpt wurde, sondern mit Bottichen oder Bütten, das nannte man "Bottich- oder Büttenschöpfen". Diese An zu schöpfen war beschwerlich, und man wurde ganz naß dabei; man hatte nämlich zwei Bottiche, und der eine sollte niedergereicht werden, während der andere emporgereicht wurde. Die Leute baten Grettir, die Bottiche zu füllen und emporzureichen; sie fügten hinzu, jetzt könne man erproben, was er vermöchte."Kleine Proben sind die besten," erwiderte er. Er ging hinunter in das Schiff und füllte die Bottiche, zwei Mann sollten sie ausleeren, wenn er sie ihnen zureichte. Aber es währte nicht lange, bis die beiden ganz erschöpft waren. Da gingen vier hin, aber es verlief ebenso. So sagen einige, daß am Ende acht zu gleicher Zeit die von Grettir zugereichten Bottiche ausleerien; da war das Schiff aber auch lenz gepumpt. von der seie an schlug die Schiffsmannschaft Grettir gegenüber einen ganz andern Ton an. denn sie hatten gesehen, welche Kräfte er hatte. Aber auch er war von der Zeit an der Tüchtigste und faßte immer zu, wobei man ihn auch gebrauchte.
Sie trieben weiter nach Osten und waren immer von dichtem Nebel umgeben; eines Nachts merkten sie plötzlich, daß sie mit dem Schiff auf eine Schäre auffuhren, wobei der ganze Unterteil los ging; das Boot wurde in See gelassen und die Frauen hineingebracht und alles, was los im Schiffe war. Nicht weit von ihnen war eine kleine Insel, und dorthin schafften sie ihr Hab und Gut; soweit es ihnen im Laufe der Nacht gelang. Als es zu tagen begann, suchte man sich klarzumachen, wo man wäre. Die von den Schiffsleuten, die füher zwischen Island und Norwegen gefahren waren, erkannten, daß sie nach Söndmör in Norwegen gekommen waren. Da war eine Insel dicht bei ihnen auf dem Wege nach dem Festlande, die Harhamsö heißt. Auf der Insel gab es viele kleine Gehöfte, und da war auch der Sitz des Gauvorstehers.
18. Grettir wird von Thorfinn
aufgenommen
Thorsinn hieß der Gauvorsteher, der auf der Insel wohnte. Er war ein Sohn von Kar dem Alten, der dort lange gewohnt hatte. Thorsinn war ein großer Häuptling. Als es bell geworden war, sahen die Leute von der Insel, daß sich die Kaufleute in großer Gefahr befanden. Es wurde Thorsinn mitgeteilt. Er brach sogleich auf und ließ ein großes Fahrzeug, das er hatte; aufs Meer bringen. Sechzehn Mann konnten auf jeder Seite rudern. Diesmal waren fast dreißig Mann an Bord sie ruderten so schnell sie konnten und bargen das Eigentum der Kaufleute. Aber das Schiff sank; und viel Gut ging verloren. Thorsinn brachte alle Leute von dem Schiff auf seinen Hof; und sie lebten dort eine Woche und trockneten ihre Waren. Danach reisten die Kaufleute nach Süden, und sie kommen in dieser Geschichte nicht wieder vor.
Grettir öffnet den Grabhüget Kars
des Alten
Grettir blieb bei Thorsinn zurück; er betrug sich anspruchslos und redete gewöhnlich wenig. Thorfinn ließ ihm Essen reichen und gab sich sonst wenig mit ihm ab. Grettir begleitete
ihn selten und wollte nicht mit ihm draußen am Tage gehen: das gefiel Thorsinn wenig, aber doch konnte er ihm das Essen nicht verweigern. Thorfinn hielt auf ein schmuckes Aussehen seines Hauses und der Wohnungseinrichtung und war ein heiterer Mann; er wollte auch, daß andere heiter wären. Grettir machte gern Besuche und ging zu andern Höfen dort auf der Insel. Audun hieß ein Mann, er wohnte auf einem Hof namens Vindheimr. Dorthin begab sich Grettir täglich, und er und Audun wurden gute Freunde; dort saß Grettir gewöhnlich bis tief in den Abend hinein.Es war eines Abends sehr spät, daß Grettir, als er nach Hause geben wollte, ein großes Feuer draußen auf der Landzunge hervorbrechen sah, die sich nördlich von Auduns Hof erstreckte. Grettir fragte, was das bedeutete. Audun sagte, das brauchte er nicht zu wissen.
"In unserer Heimat würde man sagen," erwiderte Grettir, "wenn man dergleichen sähe, daß das Feuer von einem Schatz kommt."
Der Bauer antwortete: "Ich glaube, der, von dem das Feuer herrührt, ist von der Art, daß nichts Gutes dabei herauskommt, sich danach zu erkundigen."
"Ich will es nichtsdestoweniger wissen," erwiderte Grettir.
"Dort auf der Landzunge steht ein Hügel," sagte Audun."In ihm ist Kar der Alte, Thorsinns vater; beigesetzt; Vater und Sohn hatten zuerst ein Gehöft auf der Insel, aber seitdem Kar gestorben ist, hat er so sehr gespukt, daß er alle Bauern fortgescheucht hat, die hier Höfe hatten, so daß jetzt Thorsinn die ganze Insel allein besitzt. Nur denen, über die Thorsinn seine Hand hält, tut er kein Leid."
Grettir war zufrieden mit dieser Erklärung und sagte: "Ich will morgen früh hierher kommen, sorge du für Gerätschaften zum Graben."
"Ich rate dir," antwortete Audun, "laß dich nicht darauf ein, denn ich weiß, daß du dir dadurch Thorfinns Feindschaft zusiehst."
Grettir erwiderte, er wollte es auf eine Probe ankommen lassen.
Nun verging die Nacht. Grettir kam am nächsten Morgen dahin . Die Werkzeuge zum Graben waren zur Stelle. Der Bauer ging mit ihm nach dem Hügel.
Grettir brach den Hügel auf, und das war eine harte Mühe; er arbeitete ununterbrochen, bis er auf Hols stieß. Da neigte sich der Tag bereits zum Ende. Danach schlug er ein Loch in das Holz. Audun riet ihm dringend ab, in den Hügel zu gehen. Grettir bat ihn, auf das Seil aufzupassen:"Denn ich will nachsehen, wer hier wohnt" .
Grettir ließ sich in den Hügel hinab. Darinnen war es gans dunkel und durchaus nicht wohlriechend. Er tastete sich nun vorwärts, um zu sehen, wie es innen im Hügel aussah. Er fand einige Pferdeknochen, und danach stieß er gegen den Rücken eines Stuhls, und bemerkte, daß ein Mann auf dem Stuhle saß. Da war ein großer Schatz an Gold und Silber zusammengetragen, und ein kleiner Schrein, mit Silber angefüllt, diente dem Mann als Fußschemel. Grettir nahm alle diese Schätze und schleppte sie nach dem Seile hin; aber als erden Hügel entlang nach außen ging, packte jemand ihn fest an. Er ließ den Schatz los und stellte sich zur Gegenwehr; sie faßten nun einander; und nicht gerade sanft. Alles zerbrach, was ihnen in den Weg kam. Der Hügelbewohner ging angriffsweise vor. Grettir tat lange nichts anderes als sich verteidigen, aber zuletzt sah er ein, daß es nichts nützte, sich zurückzuhalten. Keiner schonte jetzt den andern. Sie gerieten dahin, wo die Pferdeknochen lagen; da rangen sie eine lange Weile, und bald brach der eine, bald der andere in die Knie. Aber das war das Ende, daß der Hügelbewohner rücklings hinfiel, und das gab ein mächtiges Getöse. Audun verließ jetzt die Stelle, wo das Seil festgebunden war, und glaubte, Grettir wäre tot. Grettir zog nun das Schwert Jökulsnaut 1 und schlug nach dem Hals des Hügelbewohners, so daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Er setzte den Kopf an das Hinterteil des Hügelbewohners. Danach ging er mit dem Schatz nach dem Seit, aber Audun war verschwunden; da mußte er
Grettir antwortete: "Manches muß in späten Abendstunden gemacht werden, wenn es auch nur geringfügig ist."
Dann legte er den ganzen Schatz, den er in dem Hügel erbeutet hatte, auf den Tisch. Ein Kleinod war darunter, das Grettir besonders in die Augen stach; es war ein kurzes, breites Schwert, eine so gute Waffe, das er niemals eine bessere gesehen zu haben glaubte; das legte er zuletzt auf den Tisch. Thorfinn runzelte zornig die Augenbrauen, als er das Schwert sah; denn es war ein Erbstück; das immer in seiner Familie gewesen war. "Wo hast du diesen Schatz bekommen fragte Thorsinn. Grettir sprach diese Weise:
Stanz des Meeres-Geber: 1 Gold ich holen wollte Aus der Erde Schoße — Euch erzähl' ichs gleich jetzt. Wahrlich wen' ge Kämpfer Werden in die Erde Dringen, um des Drachen Fluch 2 sich dort zu suchen. |
Thorfinn antwortete: "Du läßt dich gewiß nicht durch Kleinigkeiten erschrecken, niemand hat vor dir gewagt, den Hügel zu erbrechen. Aber da ich weiß, daß die Schätze schlecht angewendet sind, die in der Erde verborgen oder in einem Hügel niedergelegt sind, so will ich nicht mit dir deswegen rechten, besonders da du mir den Schatz gebracht hast. Aber woher hast du das gute Schwert erhalten:"
Grettir antwortete und sprach die Weise:
Fen'r der Flut-verderber! 1 Fand (der Tag mir schwand schon) Schwert, das schwelgt im Blute, Schwer der Treu sich wehrte. Ließ der Helme Lohe 2 Leicht nicht von mir weichen. Hätt ich erst die scharfe Schneide mir zur Seite. 3 |
Thorsinn antwortete: "Gut ist das gesagt; aber eine Heldentat musst du erst verrichten, ehe ich dir das Schwert gebe, denn so lange mein Vater lebte, wollte er es mir niemals überlassen."
Grettir sagte: "Man kann nicht wissen, wem das Schwert den größten Nutzen bringt, wenn das Ende da ist."
Thorfinn nahm den Schatz und versteckte das Schwert bei seinem Bett. Der Winter verging so bis zur Weihnachtszeit, ohne daß etwas geschah, das zu erzählen der Mühe lohnte.
19. Grettirs Kampf mit den Berserkern
Im nächsten Sommer reiste der Jarl Eirik Hakonsson von Norwegen nach England, um seinen Schwager, König Knut den Mächtigen, zu besuchen; er setzte seinen Sohn Hakon ein, um inzwischen das Reich zu regieren, aber da dieser noch ein Kind war, gab er ihn und das Land in die Obhut seines Bruders, des Jarls Svein. Bevor aber der Jarl Eirik aus dem Lande ging, hatte er die Lehnsleute und die mächtigeren Bauern zu sich berufen. Sie sprachen da viel miteinander über Landrecht und gesetzgeberische Anordnungen, denn Eirik war ein tüchtiger Herrscher. Dem volke schien ein sehr übler Zustand im Lande zu sein, daß Landfriedensbrecher und Berserker den nächsten Besten unter den mächtigeren und reicheren Bauern forderten, wegen Guts oder Weiber; und dabei sollte keiner dem andern bußfällig sein, wenn auch Kränkung oder Lebens 1
von zwei Brüdern sagte man, daß sie die Schlimmsten wären; der eine hieß Thorir Thömb, d. h. Bogensehne, der andere Ögmund der Böse. Sie stammten aus Helgeland und waren größer und stärker als andere Menschen. Sie gerieten in Berserkerwut und schonten nichts, wenn sie wild wurden. Sie raubten den Männern ihre Frauen und behielten sie eine Woche bei sich oder zwei, und schickten sie dann denen wieder zurück, denen sie von rechtswegen gehörten. Wohin sie kamen, raubten und plünderten sie. oder verübten andere Untaten. Jarl Eirik erklärte sie in ganz Norwegen für friedlos. Es geschah besonders auf Thorsinns Antrieb, daß sie des Landes verwiesen wurden; darum glaubten sie, ihm diese feindliche Tat vergelten zu müssen. Dann verließ der Jarl Norwegen, wie in seiner Geschichte erzählt wird, und Jarl Svein übernahm die Regierung für ihn. Thorsinn reiste heim nach seinem Hofe und saß zu Hause ungefähr bis zur Weihnachtszeit, wie früher erzählt worden ist. Als das Julfest herannahte, schickte er sich an, nach seinem andern Hof am Slyngsfjord zu reisen; der lag auf dem Festlande. Dorthin hatte er viele von seinen Freunden eingeladen . Thorsinns Hausfrau konnte den Bauer nicht begleiten, denn ihre erwachsene Tochter lag krank, und darum blieben Mutter und Tochter zu Hause. Grettir blieb auch daheim und acht Knechte. Thorfinn brach zum Julschmaus mit dreißig Freigelassenen auf; dort herrschte große Freude, und man fand gut Essen und Trinken.
Nun kam der Tag vor dem ersten Weihnachtstage heran; es war klares und ruhiges Wetter. Grettir war am Tage meist draußen und beobachtete die Schiffe, die nach Süden und Norden
"Ich nehme an," sagte Thorir, "dast Thorsinn, euer Herr, von uns bai reden hören — oder ist er vielleicht zu Hause:"
Grettir antwortete: "Ihr seid wahrhaftig Glücks kinder, denn zu guter Stunde seid ihr hier angekommen, wenn ihr die Männer seid, für die ich euch halte. Der Bauer ist mit allen seinen Hausleuten , die freigelassen sind, fortgereist, und hat nicht im Sinne zurückzukommen, bevor Weihnachten vorüber ist; die Hausfrau ist allein daheim mit ihrer Tochter, und wenn ich ein kleines Unrecht zu rächen hätte, so wollte ich unter solchen Umständen kommen, denn hier ist alles, was das Herz begehrt, Bier und anderes, was den Sinn csem."
Thorir schwieg, während Grettir seine Zunge laufen ließ. Danach sprach er zu Ögmund: "Ging das etwa anders, als ich prophezeit hatte? Das wäre mir nicht unlieb, mich an Thorsinn
dafür zu rächen, daß er uns friedlos gemacht hat. Dieser Mann hat das Herz auf der Zunge, und wir brauchen ihm nicht die Worte mit der Zange herauszuziehen.""Jeder ist Herr über seine Worte," antwortete Grettir. "Ich will nun für eure Bewirtung sorgen, so gut ich kann; jetzt geht heim mit mir."
Sie baten ihn, ihren schönsten Dank anzunehmen und sagten, sie nähmen seine Einladung an.
Als sie auf das Gehöft kamen, nahm Grettir Thorir bei der Hand und führte ihn in die Stube. Grettir war sehr gesprächig und vergnügt. Die Hausfrau war in der Stube, ließ die Wände behängen 1 und traf sonstige Vorbereitungen für das Julfest. Aber als sie Grettir reden hörte, blieb sie auf der Diele stehen und fragte, wen er so freundschaftlich begrüßte.
Grettir antwortete: "Es ist ratsam, Hausfrau, Gäste freund- aufzunehmen. Hier ist der Bauer Thorir Thömb gekommen und alle die Zwölf; sie wollen Weihnachten über hier bleiben; dag trifft gieb ausgezeichnet, denn wir waren vorher nur herzlich wenig."
Sie erwiderte: "Nicht rechne ich diese ;u Bauern und guten Menschen, denn sie sind die schlimmsten Räuber und Missetäter, und ich würde mit Freude einen großen Teil meiner Habe gegeben haben, wenn ich dadurch hätte bewirken können, daß sie zu dieser seit nicht hierher gekommen wären. Übel lohnst du auch Thorsinn dafür; daß er dich schiffbrüchigen Habenichts aufgenommen hat und dich den Winter über wie einen freigeborenen Menschen behandelt hat."
Grettir antwortete: "Besser ist es vorerst, den Gästen die nassen Kleider abzunehmen, als mich tadeln; dazu wird sich noch Gelegenheit genug finden."
Da sagte Thorir: "Zürne nicht, Hausfrau Du sollst deinen Mann nicht zu entbehren brauchen, wenn er auch nicht zu Hause ist, denn ich will dir einen Mann an seiner Stelle geben, und deine Tochter und aue Mädchen auf dem Hofe; die sollen jede ihren Mann bekommen." 1
"Das war männlich gesprächen," sagte Grettir. "Da hat keine Grund, mit ihrem Lose unzufrieden zu sein."
Alle Frauen stürzten aus der Stube, große Trauer und Weinen überfiel sie.
Grettir sagte zu den Berserkern: "Gebt mir, was ihr von euern Wassen und feuchten Gewändern ablegen wollt, denn mit den andern ist kaum auszukommen, solange sie überängstlich sind."
Thorir sagte, er kümmere sich wenig darum, wenn Weiber knurrten. "Aber groß ist der Unterschied zwischen dir und den andern Leuten auf dem Hofe; mich dünkt; wir können dir unser vertrauen schenken."
"Das dürft ihr," erwiderte Grettir. "Aber ich verstehe einen Unterschied bei den Leuten zu machen:"
Danach legten sie fast alle ihre Waffen ab. Dann sagte Grettir; "Es scheint mir ratsam, daß ihr zu Tisch geht und etwas trinkt, denn ihr müßt durstig von dem Rudern sein."
Sie erklärten sich dazu bereit, sagten aber, sie wüßten nicht, wo der Keller wäre. Grettir Sagte, ob sie wünschten, daß er es übernehme, für sie zu sorgen. Die Berserker antworteten, das wollten sie gerne. Grettir ging nach dem Keller und holte Bier und gab ihnen zu trinken. Sie waren sehr müde und tranken in großen Zügen. Er sparte das Bier nicht, das stark berauschend war, und das ging so lange Zeit; er erzählte ihnen auch viele lustige Geschichten. Von all dem ward großes Lärmen und Toben bei ihnen drinnen. Keine Lust aber verspürten die Leute des Hofes zu ihnen hinein zu gehen.
Da sagte Thorir: "Niemals habe ich einen unbekannten Mann getroffen, der uns so gui behandelt hat, wie dieser Mann; welchen Lohn willst du von mir und meinen Gefährten für diese Dienste haben:"
Grettir antwortete: "Ich habe keinen Lohn vorläufig erwartet; aber wenn wir so gute Freunde sind, wenn ihr fortgeht, wie es jetzt den Anschein hat, so will ich in Gemeinschaft mit euch treten, und obwohl ich weniger vermag als einer von euch, so will ich doch große Unternehmungen nicht hemmen."
Sie wurden sehr froh darüber und wollten sogleich durch einen
Eid ihn als Blutsbruder aufehmen. Grettir sagte, das sollten sie nicht tun:"Wahr sagt das Sprichwort: ,ein Trunkener weiß nicht, was er redet '; und wir wollen das nicht übereilen, sondern wir lassen es auf dem beruhen, was ich gesagt habe; wir sind alle beide jetzt nicht nüchtern und vernünftig genug."Sie sagten, sie würden nicht von dem abgeben, das sie gesagt hätten. Der Abend kam, und es begann sehr dunkel zu werden. Grettir sah, daß sie ansingen vom Trinken müde zu werden.
Da sagte er: "Dünkt euch nicht Zeit zu sein, ins Beit zu gehen "
Thorir sagte, so solle es sein. "Und jetzt will ich balten, was ich der Hausfrau versprochen habe."
Grettir ging aus der Stube und rief laut: "Geht zu Bett, ihr Frauen So will es der Bauer Thorir haben."
Die Frauen wünschten ibm alles Böse dafür, und es war von ihnen ein Geheul zu hören wie von Wölfen. In dem Augenblick kamen die Berserker aus der Trinkstube.
Grettir sagte: "Laßt uns hinausgehen; ich will euch die Stube von Thorsinn zeigen, in der die Kleider und andere Kostbarkeiten aufbewahrt werden."
Sie nahmen es an. Sie gingen zu einem sehr großen Außenhause mit einer hinauswärts führenden Tür; die mit einem starken Riegel verschlossen war; das Haus war außerordentlich stark gebaut. Bei dem Außenhause war ein großer, fester Abort, und zwischen ihm und dem Hause war ein Bretterverschlag ; die Häuser standen hoch und man mußte einige Stufen hinaufgehen. Die Berserker trieben viel Possen und stießen Grettir. Er wich ihnen nach links und rechts aus und lief, als sie es am wenigsten erwarteten, aus dem Hause, faßte die Haspe, schloß die Tür und schob den Riegel vor. Thorir und seine Genossen glaubten zuerst, daß die Tür von selbst zugeschlagen war und kümmerten sich nicht weiter darum; sie hatten Licht bei sich, denn Grettir hatte ihnen viele Kostbarkeiten gezeigt, die Thorsinn besaß; und diese besahen sie nun eine Weile. Grettir stürzte nach dem Gehöfte, und sobald er in die Tür trat, rief er laut und fragte, wo die Hausbau wäre. Sie schwieg, denn sie wagte nicht zu antworten.
Er sagte: "Hier ist ein Fang zu tun; sind einige Waffen vorhanden, die brauchbar sind:"
Sie antwortete:"Waffen sind vorhanden; aber ich weiß nicht, was du mit ihnen willst."
"Darüber können wir später sprechen," antwortete er."Jeder tue jetzt, was er kann; es wird keine bessere Gelegenheit mehr geben."
Die Hausfrau sprach: "Jetzt wäre Gott in unserm Hause, wenn unsere Lage sich auch nur ein wenig bessern würde; über Thorsinns Bett hängt der große Hakenspeer, den Kar der Alte besaß; da ist auch ein Helm und eine Brünne und das gute Schwert ; und diese Waffen taugen, wenn dein Mut dir nicht versagt."
Grettir ergriff den Helm und den Speer, gürtete sich das Schwert um und lief eilig hinaus. Die Hausfrau rief die Knechte und gebot ihnen, dem braven Kerl zu folgen. Vier von ihnen nahmen ihre Waffen, aber die andern vier wagten nicht einmal in die Nähe der Kämpfenden zu kommen.
Nun ist von den Berserkern zu sagen, daß es ihnen schien, wie wenn Grettir ziemlich lange fort bliebe. Sie vermuteten, es könnte Verrat im Spiele sein. Sie liefen nach der Tür und fanden sie verschlossen. Sie stemmten sich mit allen Kräften gegen den Bretterverschlag, so daß es in jedem Balken krachte und knackte. Endlich gelang es ihnen, den Verschlag zu durchbrechen , und sie kamen so hinaus auf den Gang und von da auf die Treppe; da kam der Berserkergang über sie, und sie heulten wie Hunde. In dem Augenblicke kam Grettir hinzu. Er warf mit beiden Händen den Speer gegen Thorir, gerade als er die Treppe hinunter wollte, so daß er von dem Haken ganz durchbohrt wurde. Das Blatt an dem Speere war lang und breit. Ögmund der Böse, der Thorir zunächst ging, drängte ihn von hinten, so daß der Speer tief in seinen Körper drang, genau bis zu dem Haken hinter dem Speerblatte. Die Spitze, die durch Thorirs Schultern ragte, drang in Ögmunds Brust, und beide stürzten vom Speer getötet. Da sprang jeder von den andern aus dem Gang da hinunter, wo er gerade stand. Grettir
Die Knechte gingen heim und erzählten viel von ihren Heldentaten. Die Hausfrau bat sie nachzusehen, was aus Grettir geworden wäre, aber dazu waren sie nicht zu bewegen. Zwei Berserker tötete Grettir im Schuppen, aber vier entkamen aus dem Schuppen vor ihm. Zwei und zwei von ihnen flohen je in derselben Richtung. Er verfolgte die, die ihm am nächsten waren. Infolge des Einbrechens der Nacht wurde es dunkel. Sie liefen nach dem Getreideschuppen auf dem Hofe, der her erwähnt worden ist und der Vindheimr hieß. Dort kämpften sie lange, aber schließlich tötete Grettir alle beide. Er war nun entsetzlich müde und ganz steif; ein großer Teil der Nacht war vergangen; das Wetter war sehr kalt mit Schneetreiben. Er hatte nicht Lust, die beiden Wikinger zu suchen, die noch übrig waren. Er ging heim nach dem Hofe. Dort hatte die Hausbau Licht III die Fensteröffnungen der unter dem Dache gelegenen Stuben stellen lassen. damit er daran einen Wegweiser hätte. Es war auch so, daß er dav Licht sah und auf diese Weise sich heimfand. Als er in die Tür trat, ging ihm die Hausfrau entgegen und hieß ihn willkommen: "Du hast", sagte sie, " eine große Heldentat ausgeübt und mich und meine Mägde von einem Schimpf befreit, dessen Folgen wir
niemals überwunden hätten, wenn du uns nicht gerettet hättest:"Grettir sagte:"Ich glaube, ich bin völlig derselbe Mann in diesem Augenblick wie gestern abend, da du mich ausschaltest."
Die Hausbau entgegnete so: "Wir wußten nicht, daß du solch ein Held warst, wie wir jetzt erfahren haben. Alles auf dem Hofe, was ich dir geben kann und du mit Ehren annehmen kannst, steht ;u deiner verfügung, und ich denke wohl, daß Thorsinn es dir besser lohnen wird, wenn er heimkommt."
Grettir antwortete: "Vorläufig wird keine Belohnung nötig sein, aber ich nehme dein Anerbieten an, bis dein Mann heimkommt. Ich hoffe, ihr könnt in Ruhe vor den Berserkern schlafen."
Grettir trank nur wenig am Abend und behielt während der Nacht seine Waffen bei sich. Am Morgen, als es anfing hell zu werden, sammelte mali die Leute auf der Insel. Dann suchte man nach den Berserkern, die am Abend entkommen waren. Spät am Nachmittag fand man sie unter einem Stein liegen, tot vor Kälte und Wunden. Dann schleppte man alle Leichen hinunter nach dem Strande und begrub sie unter Steinen . Darauf ging jeder in sein Haus, und die Inselbewohner glaubten nun des Friedens sicher ;u sein.
Grettir sprach diese Weise, als er heim zu der Hausfrau kam:
Grub ein Grab am Strande, Grimme Berserker ;u bergen; Zwölf ich zwang zu Boden, Zaglos bei dem Wagnis. Hehre Hausfrau sag mir: Heißt das Heldengeist nun: Rechnest du den Ruhm mir Gering bei diesem Ringen: |
Die Hausfrau sprach: "Wahrlich, wenige Männer, die jetzt leben, sind dir gleich." Sie bat ihm den Ehrensitz an und erwies ihm alles Gute. So verging die Zeit, bis Thormann daheim erwartet wurde.
20. Grettirs Ruhm wird weit verbreitet
Nach Weihnachten rüstete sich Thorsinn zur Heimfahrt und gab vielen von denen, die er eingeladen hatte, gute Gaben zum Abschiede. Dann brach er mit seinem Gefolge auf. Aber als er nahe seinem Schiffsschuppen kam, bemerkten sie, daß ein Schiff am Strande lag, und bald erkannten sie, daß es ein großes Fahrzeug war. Er hatte damals noch nichts über die Berserker erfahren. Er hieß sie sich beeilen, um an Land zu kommen: "Denn mir ahnt, daß es nicht Freunde sind, die hier ihre Geschäfte besorgt haben."
Thorsinn war der erste von seinen Leuten, der an Land stieg, und eilte sogleich nach dem Schiffsschuppen. Er sah da ein Schiff steden und wußte sogleich, daß es den Berserkern gehörte.
Er sprach da zu seinen Leuten: "Mir ahnt; daß hier solche Begebenheiten vorgefallen sind, daß ich die Insel mit allem, was darauf ist, dafür hergeben würde, wenn es nicht geschehen wäre."
Sie Sagten, was er meinte.
Er antwortete: "Hierher sind die schlimmsten Wikinger, die ich in ganz Norwegen kenne, gekommen, Thorir Thömb und Ögmund der Böse. Sie haben gewiß nicht gut für uns auf dem Hofe gewirtschaftet, und zu dem Isländer habe ich nicht recht Vertrauen."
Er redete noch mehr darüber zu seinem Gefolge. Grettir war daheim, und er war schuld daran, daß es so lange währte, bis jemand nach dem Strande hinunter ging. Er sagte nämlich, er mache sich nichts daraus, wenn auch der Bauer ein bißchen ängstlich würde in bezug auf das, was geschehen wäre. Aber als ihn die Hausfrau um Erlaubnis bat, gehen zu dürfen, sagte er, es stünde ihr frei, zu gehen oder zu bleiben, aber er für seine Person würde keinen Schritt tun. Sie lief Thorfinn entgegen und umarmte ihn herzlich,
Darüber ward er froh und sagte:"Gott sei Dank, daß ich dich gesund sehe, und ebenso meine Tochter; wie ist es euch ergangen, seit ich von Hause abreisten"
Sie antwortete: "Zuletzt ging alles gut; aber wir hätten beinahe so schwere Schande erlitten, daß wir ihre Folgen niemals überwunden hätten. wenn nicht dein Wintergast uns geholfen hätte."
Thorsinn sprach da: "Laß uns niedersetzen und erzähle, was hier geschehen ist."
Sie erzählte ausführlich alles, was geschehen war und rühmte sehr Grettirs Mut und Tapferkeit. Thorfinn schwieg lange. Als sie fertig mit ihrer Geschichte war antwortete er so:"Das Sprichwort sagt die Wahrheit: ,Lange soll man den Menschen auf die Probe stellen' — wo ist Grettir jetzt:" Sie antwortete: "Er ist daheim in der Stube."
Danach gingen sie nach dem Hofe. Thorfinn ging zu Grettir, umarmte ihn und dankte ihm mit schönen Worten für den Heldenmut, den er gezeigt hatte. "Und nun will ich dir sagen, was wenige zu einem Freunde sagen würden: ich möchte wohl, du kämest in die Lage, Hilfe zu bedürfen; dann solltest du sehen, ob ich dir solche Dienste zu erweisen imstande bin, wie ein Mann sie seinem Freunde erweisen soll, oder nicht; denn niemals werde ich dir lohnen können, was du an mir getan hast, wenn dich nicht Not trifft. Es steht dir frei, bei mir zu bleiben, solange du dessen bedarfst, und mit der größten Ehrerbietung sollst du von meinen Mannen behandelt werden."
Grettir dankte ihm vielmals dafür: "Und ich hätte dein Anerbieten wohl auch angenommen, wenn du es früher an mich gerichtet hättest."
Grettir blieb den Winter über da und wurde von Thorsinn mit der größten Freundschaft behandelt. Durch seine Heldentat wurde er in ganz Norwegen berühmt, besonders an den Orten, wo die Berserker die schlimmsten Gewalttaten verübt hatten.
Im Frühjahr Sagte Thorsinn den Grettir, was er vorhatte. Er sagte, er wolle nördlich nach Vaagen 1 reisen, solange dort Markt wäre. Thorfinn antwortete, Geld könne er von ihm bekommen, soviel er wollte. Grettir aber sagte, daß er für den Augenblick nur Geld für die Reise und Ausrüstung bedürfte.
Thorsinn erwiderte, das sollte er haben, und begleitete ihn an Bord. Dort gab er Grettir das gute Schwert; das trug Grettir, solange er lebte, und es war ein kostbares Kleinod. Beim Abschied bat Thorsinn ihn, zu ihm zurückzukehren, wenn er Hilfe nötig hätte.
Grettir reiste nun nordwärts nach Wagen, und dort war eine Menge Menschen zusammengekommen. Viele, die ihn niemals zuvor gesehen hatten, begrüßten ihn freundlich um der Heldentat willen, die er verrichtet hatte, damals als er die Wikinger erschlagen hatte. viele angesehene Männer luden ihn zu sich ein, aber er wollte zu seinem Freunde Thorfinn zurückfahren. Er mietete sich einen Platz auf einem Handelsschiffe, das ein Mann namens Thorkel besaß. Dieser wohnte am Saltenfjord in Helgeland und war ein angesehener Mann. Als Grettir zu Thorkels Wohnsitz kam, nahm er ihn sehr freundlich auf und bat Grettir herzlich, den Winter über bei ihm zu bleiben. Grettir nahm das Anerbieten an und verlebte den Winter bei Thorkel in guter Aufnahme.
21. Grettirs Kampf mit dem Bären
Bei Thorkel hielt sich auch ein Mann namens Björn auf. Er war hitzig und aufbrausend an Sinnesart, aber von guter Familie und mit Thorkel etwas verwandt. Er war nicht beliebt bei den Leuten, denn er setzte gern die, die bei Thorkel waren, durch seine Redereien herab. Auf diese Weise hatte er erreicht, daß viele fortgejagt waren. Er und Grettir standen auf gespanntem Fuße miteinander. Björn schätzte ihn gering ein im Vergleich mit sich selbst, aber Grettir fügte sich ihm niemals . Björn war ein Freund hoher, tönender Worte und machte viel Wesen von sich; es schlossen sich ihm viele junge Männer an, und sie schlenderten oft abends draußen umher. Im Anfang des Winters geschah es, daß ein grimmiger brauner Bär aus seinem Winterlager fortlief und er war so wild, daß er weder Menschen noch Tiere schonte. Das Volk glaubte, daß der Lärm, den Björn mit seinen Genossen vollführte, ihn geweckt hätte. Der Bär wurde so gefährlich, daß er eine große Menge vieh den Bauern zerriß. Thorkel hatte den größten
Schaden davon, denn er war der reichste Mann in dieser (hegend.Eines Tages bot Thorkel seine Dienstleute auf, um zu suchen, wo die Höhle des Bären wäre. Sie fanden sie in den Felsen am Meere; da war ein kleiner Felsen und vorne in der Klippe eine durch überhängende Felsmassen gebildete Höhle, ein ein iger Steg führte dahin. Unter der Höhle war ein steiler Abhang, und steiniger Grund das Meer entlang; der Tod war dem gewiß, der aus der Höhle niederstürzte. Am Tage lag der Bär in der Höhle, des Nachts aber ging er gewöhnlich auf Raub aus. Kein Pferch konnte die Herden vor ihm schützen. Mit Hunden konnte man nichts ausrichten. Björn, Thorkels verwandter, sagte, die Hauptarbeit wäre damit getan, daß man die Höhle des Bären gefunden habe. "Ich will nun einen versuch machen," sagte er, "wie das Spiel zwischen mir und meinem Namensvetter 1 endigt."
Grettir tat so, wie wenn er nicht hörte, was Björn sagte.
Gewöhnlich geschah es so des Abends, wenn die Männer zu Bett gingen, daß Björn draußen verschwand. Eines Nachts begab es sich, daß Björn nach der Höhle ging. Er merkte, daß das Tier da war, es brummte schrecklich. Björn legte sich an dem Steg nieder, er hatte den Schild über sich und gedachte zu warten, bis sich das Tier wie gewöhnlich fort trollte. Petz aber witterte den Menschen und zögerte zu kommen. Björn wurde sehr schläfrig, wo er da lag, und konnte sich nicht wach halten; in diesem Augenblicke trat das Tier aus der Höhle; es sah, wo der Mann lag; es packte den Schild mit den Pranken, entriß ihn ihm und warf ihn den Abhang hinunter. Björn erwachte und sprang auf; er nahm die Füße in die Hände und stürzte davon; es fehlte nicht viel, und das Tier hätte ihn ergriffen. . Seine Gefährten wußten wohl, was da geschehen war, denn sie hatten Björns Wege beobachtet. Sie fanden den Schild am nächsten Morgen und machten sich sehr lustig über ihn.
Zur Julzeit ging Thorkel selbst mit nach der Höhle des Bären; in seiner Begleitung waren Björn und Grettir und andere aus Thorkels Gefolge. Grettir hatte einen Lodenmantel an, den
Da sprach er: "Wer hat mir diesen Possen gespielt und meinen Mantel in die Höhle geworfen:"
Björn antwortete: "Das hat der getan, der es wohl eingestehen darf."
Grettir erwiderte: "Nun, ich lege dem kein großes Gewicht bei.
Sie machten sich auf den Heimweg. Als sie eine Weile gegangen waren, zerriß Grettirs Strumpfband. Thorkel bat die andern, auf ihn zu warten. Aber Grettir meinte, das wäre nicht nötig.
Da sprach Björn: "Ihr müßt nicht glauben, daß Grettir seinen Mantel im Stiche läßt. Jetzt wird er eine große Tat verüben und allein das Tier töten, vor dem wir acht ausgekniffen sind; dann erst wäre er der Mann, als der er gepriesen wird; aber heute hat er nicht gerade Tapferkeit bewiesen."
"Nicht weiß ich," erwiderte Thorkel, " was du taugst; aber ich glaube kaum, daß du dich mit ihm an Tapferkeit messen kannst; hüte dich, ihn zu beleidigen."
Björn entgegnete; weder Thorkel noch Grettir hätten ihm vorzuschreiben , was er zu sagen habe.
Nun hatten sie sich so weit von Grettir entfernt, daß sie ein Hügel von ihm trennte. Er kehrte wieder um und ging nach dem Steg. Da konnte man keinem andern mehr den Angriff zuschreiben, sondern nur ihm allein. Er zog das von Jakut stammende Schwert, aber am Griff des Schwertes war ein Ring befestigt, durch den Grettir die Hand hindurchstecken konnte; das tat er; weil er dann besser vornehmen konnte, was
er wollte, da die Hand frei war. Er kletterte sogleich den Steg nach der Höhle empor. Und als das Tier den Mann gewahrte, sprang es in größter Wut auf, griff Grettir an und schlug nach ihm mit der Tatze, die nicht dem Abgrunde zugekehrt war Grettir schlug nach dem Bären mit dem Schwerte, traf die Pranke oberhalb der Klauen und schnitt sie ab. Da wollte das Tier ihn mit der Pfote schlagen, die noch unversehrt war; es stützte sich auf den Stumpf stand aber dadurch nicht so hoch, wie es sich gedacht hatte, und fiel darum Grettir gerade in die Arme. Er packte den Bären da fest an seinen Lauschern und hielt ihn so weit von sich ab, daß der Bär ihn nicht beißen konnte. So hat Grettir selbst gesagt, daß nach seiner Meinung dies seine größte Kraftäußerung war, wie erden Bären von sich abhielt. Da nun das Tier hin und her drängte, der Platz aber eng war, stürzten sie beide den Abhang hinunter. Nun war der Bär schwerer und stürzte darum zuerst auf die Steine am Strande nieder; Grettir fiel auf ihn drauf, aber der Bär wurde auf der Seite ganz zerschlagen, die nach unten lag. Grettir zog nun sein kurzes Schwert und stieß es dem Bären ins Herz, und das ward dessen Tod. Darauf ging er nach der Höhle un d holte seinen Mantel, der in lauter Stücke zerfetzt war. Er nahm auch das Stück mit, das er dem Bären von seiner Tatze abgeschlagen hatte. Thorkel saß beim Trunk, als Grettir in die Stube trat. Sie lachten über den in Stücke gerissenen Mantel, den Grettir anhatte. Er warf das Stück, das er dem Bären von der Pranke abgeschlagen hatte, auf den Tisch.Thorkel Sagte: "Wo ist nun mein Vetter Björn: Niemals sah ich deine Wassen so scharf beißen; und ich will, daß du Grettir Genugtuung gibst für die Kränkung, die du ihm zugefügt
Björn antwortete, darauf könnte er lange warten. "Mir verschlägt es nicht, ob ihm das gefällt oder nicht." Grettir sprach diese Weise:
Wolltest in der Höhle Petzen oft verletzen, — Scheu doch schlichst du heimwärts, |
Haut hat keiner geschaut noch. Mich sah nie ein Mensch voll Mordlust lauern dorten, — Doch ins dunkle Felsloch Drang ich und bezwang ihn. |
"Wahr ist," erwiderte Björn, "daß du dich als tapferer Mann gezeigt hast; aber du verstehst auch, über uns ein verschiedenes Urteil auszusprechen; ich merke wohl, daß der Hieb mich treffen
Thorkel sprach: "Ich bitte dich, Grettir," sagte er, "räche dich nicht an Björn, ich will dir für ihn volle Mannsbuße zahlen, vergleich dich mit ihm:" —
Björn sagte, er könne sein Geld besser anwenden, als daß er Buße hierfür bezahlte. "Mir scheint es geratener; was Grettir und mich betrifft, daß des einen Verdruß des andern Freude
Grettir sagte, er wäre zufrieden damit.
"So bitte ich dich, Grettir," sagte Thorkel, " um meinetwillen, tu Björn nichts Böses, solange ihr bei mir seid."
"Das soll geschehen," erwiderte Grettir.
Björn sagte, er würde keine Angst haben, wo immer auch Grettir und er sich träfen. Grettir lachte, aber das Geld, das ibm für Björn geboten war, wollte er nicht annehmen. Sie blieben den Winter über dort.
22. Grettir tötet Björn und wird von Jarl
Svein vor Gericht geladen
Im Frühjahr reiste Grettir nordwärts nach Vaagen mit Thorkels Leuten. Sie schieden in Freundschaft. Björn aber segelte westwärts nach England und war Befehlshaber über das von Thorkels Schiffen, das dorthin ging. Björn hielt sich den größten Teil des Sommers in England auf und kaufte für Thorkel ein, was dieser ihm aufgetragen hatte. Im Herbste fuhr er heim von England. Grettir blieb in Vaagen, bis die Kauffahrteiflotte abging. Darauf segelte er südwärts mit einigen Kaufleuten, bis sie an den Hafen kamen, der Garten heißt, an der Mündung des Drontheim-Fjords, und sie spannten über
das Schiff die Zelte aus. Als sie damit fertig waren, segelte ein Schiff von Süden in den Hafen hinein. Sie erkannten bald, daß es ein Englandfahrer war. Die Neuangekommenen legten weiter draußen am Strande an und stiegen an Land. Grettir und seine Gefährten gingen ihnen entgegen. Als sie sich trafen, sah Grettir, daß Björn unter der Schar war, und er sprach: "Gut, daß wir uns hier begegnen l Jetzt können wir unsere alte Rechnung abschließen. Nun will ich die Probe machen, wer von uns beiden mehr vermag."Björn erwiderte, das wären in seinen Augen verjährte Geschichten . "Aber wenn zwischen uns etwas geschehen ist, so will ich dir dafür Buße zahlen, so daß du damit zufrieden sein kannst."
Grettir sprach diese Weise:
Bissger Bär ist meine Beute, zum Ruhm der Leute. Meinen Mantel riß das Tier vom Leibe mir ab. Wer mir das bewirkt hat, Büßen wird er's müssen; Lieb' nicht leeres Prahlen, Liebe scharfe Hiebe. |
Björn erwiderte, schon größere Sachen als diese hätte man mit Geld gebüßt. Grettir sagte, nur einige hätten gewagt, ihn zu kränken; und Geld hätte er niemals dafür genommen, und das wolle er jetzt auch gewiß nicht tun. "Wir beide werden nicht lebendig den Platz verlassen, wenn ich bestimmen darf. Ich erkläre dich hiermit für einen Feigling, wenn du nicht wagst, dich mit mir zu schlagen."
Björn sah nun ein, daß er keine Ausflüchte mehr machen konnte; er nahm sein Waffen und ging an Land. Danach stürzten sie auf einander los und fochten, aber es währte nicht lange, da ward Björn verwundet, und bald darauf fiel er tot zu Boden. Als das Björns Begleiter sahen, gingen sie an Bord; sie segelten nordwärts die Küste entlang zu Thorkel und erzählten ihm, was geschehen war. Er meinte, das wäre ihm nicht unerwartet
gekommen. Bald darauf reiste Thorkel südwärts nach Drontheim und traf dort den Jarl Svein.Nach Björns Ermordung reiste Grettir ebenfalls südwärts nach Möri, besuchte seinen Freund Thorsinn und erzählte ihm, was sich begeben hatte. Thorfinn nahm ihn freundlich auf. "Es freut mich," sagte er, "daß du jetzt eines Freundes bedarfst; jetzt sollst du bei mir bleiben, bis dieser Handel ausgetragen ist."
Grettir dankte ihm für sein Anerbieten und sagte, jetzt wolle er es annehmen.
Der Jarl Svein hielt sich auf dem Hofe Stenkjär in Drontheim auf als erhörte, daß Björn erschlagen wäre. Bei ihm war Hjarrandi, Björns Bruder. Er gehörte zum Gefolge des Jarls. Er ward sehr zornig, als er Björns Tod erfuhr, und bat den Jarl um seinen Beistand, um die Sache zu verfolgen. Der Jarl versprach es ihm. Er sandte Boten zu Thorfinn und forderte ibn und Grettir vor sich. Beide, Thorsinn und Grettir. machten sich sogleich, wie der Jarl befohlen hatte, fertig zur Reise und begaben sich nach Drontheim, um den Jarl zu treffen. Dieser hielt ein Thing ab in dieser Angelegenheit, und Hjarrandi sollte dabei zugegen sein.
Hjarrandi aber antwortete, er wolle seinen Bruder nicht im Beutel tragen. 1 "Entweder will ich", sagte er" ,denselben Weg gehen oder seinen Tod rächen."
Als die Angelegenheit untersucht wurde, erkannte der Jarl, daß Björn dem Grettir verschiedentlich Grund zur Klage gegeben hatte. Außerdem bot Thorfinn so große Buße für den Erschlagenen, daß der Jarl fand, die Erben des Toten könnten vollauf damit zufrieden sein dazu hob Thorsinn in einer langen Rede hervor, welchen Frieden Grettir den Bewohnern des nördlichen Teils in seinem Lande verschafft hätte; damit, daß er die Berserker erschlagen hätte, wie früher erzählt worden ist.
Der Jarl antwortete: "Es ist wahr; was du sagst, Thorsinn; Grettir hat das Land von den Übeltätern gereinigt; und es geziemt sich wohl, daß wir die Buße um deiner Rede willen
Hjarrandi jedoch wollte auf keinen Vergleich eingehen, und das Thing wurde aufgehoben. Thorsinn beauftragte seinen Vetter Arnbjörn, jeden Tag den Grettir auf Schritt und Tritt zu begleiten, denn er wußte, daß Hjarrandi ihm nach dem Leben trachtete.
23. Grettir tötet Björns Bruder
Hjarrandi
Es geschah eines Tages, als Grettir und Arnbjörn durch die Straßen gingen, um sich zu unterhalten, daß sie an einem Torweg vorbeikamen; da sprang ein Mann aus dem Torweg mit erhobener Art vor und schlug mit beiden Händen auf Grettir. Dieser hatte nichts geahnt und schlenderte langsam dahin. Arnbjörn sah den Mann; er gab Grettir einen so starken Stoß, daß dieser in die Knie fiel. Die Ari traf das Schulterblatt und glitt herunter, quer zwischen Oberarm und Seite; das war eine tüchtige Wunde. Grettir richtete sich schnell in die Höhe und zog sein Schwert; er sah nun, daß es Hjarrandi war. Die Art satz fest im Boden, und es dauerte einige Zeit, bis Hjarrandi sie los bekam. In dem Augenblicke schlug Grettir nach Hjarrandi der Hieb traf den Arm oben an der Schulter und trennte ihn vom Körper. Da stürzten Hjarrandis Begleiter fünf an der Zahl, auf Grettir und Arnbjörn los. Zwischen: ihnen entbrannte ein heftiger Kampf. Aber er nahm bald ein Ende. Denn Grettir und Arnbjörn töteten Hjarrandis Begleiter bis auf einen, der entkam, sich sofort zum Jarl begab und das Geschehene meldete. Der Jarl zürnte heftig, als er das hörte und bestimmte ein Thing für den folgenden Tag. Thorsinn und Grettir stellten sich ein auf dem Thing. Der Jarl erhob Klage wider Grettir wegen des Todschlages; Grettir gab ihn auch zu, sagte aber, er hätte in der Notwehr sein Leben zu verteidigen gehabt. "Ich habe auch deutliche Spuren an mur," fügte er hinzu, "und ich hätte den Tod gefunden, wenn nicht Arnbjörn mich gerettet hätte."
Der Jarl sagte, es wäre schade, daß er nicht getötet wäre.
"Du wirst vieler Männer Mörder werden, wenn du das Leben behältst."
Damals hielt sich Bessi Skald-Torfuson bei dem Jarl auf, Grettirs Spielgefährte und Freund. Er und Thorfinn traten vor den Jarl, baten um Frieden für Grettir und boten dem Jarl an, allein in dieser Angelegenheit zu richten, unter der einzigen Bedingung, daß Grettir Sicherheit seines Leibes und Erlaubnis erhielte, im Lande zu bleiben. Der Jarl hatte wenig Lust, sich auf einen Vergleich einzulassen, aber schließlich ließ er sich durch ihre Bitten bewegen. Grettir erhielt Frieden und Sicherheit im Lande bis zum nächsten Frühjahre, doch wollte der Jarl keinen vergleich schließen, bis Björns und Hjarrandis Bruder Gunnar zugegen wäre. Gunnar war Besitzer eines Bauernhofes in Tönsberg am Eingang des Kristianiafjords.
Im Frühjahr bestellte der Jarl Grettir und Thorfinn ostwärts nach Tönsberg, denn er wollte sich dort aufhalten, solange die Schiffahrt dort am lebhaftesten war. Grettir und Thorsinn begaben sich dorthin. Der Jarl war schon in der Stadt, als sie kamen. Grettir traf da seinen Bruder Thorstein Dromund. Er nahm ihn freundlich auf und lud ihn sich ein. Thorstein hatte einen Bauernhof in der Stadt. Grettir erzählte ihm seine Sache, Thorstein versprach ihm seinen Beistand, riet ihm aber, vor Gunnar auf der Hut zu sein. So ging es in das Frühjahr hinein.
24. Grettir tötet Björns zweiten Bruder
Gunnar
Gunnar war in der Stadt und wartete auf eine Gelegenheit, um Grettir zu töten. Es begab sich eines Tages, daß Grettir in einem Ausschank saß und trank, denn er wollte es vermeiden, mit Gunnar zusammenzutreffen. Und als er nicht das geringste Unheil ahnte, wurde plötzlich so hart gegen die Tür gestoßen, daß sie in Stücke ging. Hinein stürmten vier vollbewaffnete Männer. Es waren Gunnar und seine Gefährten . Sie griffen Grettir an. Er faßte seine Waffen, die über ihm hingen. Dann zog er sich in eine Ecke zurück und verteidigte
sich. Er hatte den Schild vor sich und schlug mit dem Schwerte. Die Angreifer hatten nur geringen Erfolg; er schlug einem von Gunnars Leuten einen Hieb, daß er genug hatte. Dann bahnte Grettir sich einen Weg auf der Diele. Sie wichen den Fußboden des Ausschanks entlang nach außen. Da fiel der Zweite von Gunnars Leuten. Da wollte Gunnar und sein Begleiter stieben. Letzterer erreichte auch die Tür, stolperte aber über die Schwelle und konnte nicht schnell genug wieder auf die Füße kommen. Gunnar hielt den Schild vor sich und wich Schritt für Schritt vor Grettir zurück; der aber griff ihn mit Ungestüm an und sprang auf die Querbank an der Tür. Gunnars Hände befanden sich noch innerhalb der Türöffnung, und ebenso sein Schild. Da schlug Grettir mit dem Schwerte zwischen ihn und den Schild, so daß beide Arme am Ellbogengelenk abgehauen wurden. Er selbst fiel rücküber zur Tür hinaus Grettir gab ibm den Todesstoß. Inzwischen war Gunnars Gefährte wieder auf die Füße gekommen; er begab äch sogleich zu dem Jarl Svein und teilte ihm das Geschehene mit. Der Jarl war über diese Botschaft fürchterlich zornig und bestimmte sogleich ein Thing in der Stadt. Aber als Thorfinn und Thorstein Dromund das erfuhren, boten sie ihre verwandten und Freunde auf und kamen mit einer großen Schar nach dem Thinge. Der Jarl war schrecklich zornig und ließ sich nicht dazu bewegen, ihre Rede anzuhören.Thorfinn trat zuerst vor und sprach: "Darum bin ich hierher gekommen, daß ich dir Vergleich und Buße biete für den Todschlag, den Grettir ver übt hat. Ihr sollt allein entscheiden und beschließen, wenn der Mann Frieden und Sicherheit erhält."
Der Jarl antwortete sehr zornig: "Spät wirst du müde, um Frieden für Grettir zu bitten; aber ich glaube; daß deine Fürsprache vergeblich sein wird. Nun hat er drei Brüder erschlagen , einen nach dem andern, alle so tüchtige und tapfere Männer, daß keiner von ihnen seinen Bruder im Beutel tragen 1 wollte. Es nützt dir nichts, Thorfinn, diesmal für Grettir zu bitten, denn ich will nicht Gesetzlosigkeit im Lande einführen damit, daß ich Buße nehme für solche Freveltat."
Da trat Bersi Skald-Torfuson vor und bat den Jarl. den Vergleich anzunehmen. "Ich will selbst", sagte er, " meine Habe dafür anbieten, denn Grettir ist aus vornehmer Familie und mein guter Freund. Ihr könnt auch, Herr, wohl verstehen, daß es besser ist, einem Manne das Leben schenken und sich dadurch viele zu Dank verpflichtet zu wissen, als ein ehrenvolles Anerbieten nicht anzunehmen und sich obendrein dem auszusetzen, daß man den Mann nicht in seine Macht bekommt."
Der Jarl antwortete: "Gut hast du geredet, Bergi, und immer zeigst du, daß du ein wackerer Mann bist; aber doch habe ich keine Lust, die Gesetze des Landes zu brechen und Mördern Frieden zu geben."
Da trat Thorstein Dromund vor, grüßte den Jarl und bot Buße für Grettir und redete darüber mit vielen schönen Worten. Der Jarl fragte, welchen Grund er hätte, Buße für diesen Mann zu bieten. Thorstein erwiderte, sie wären Brüder. Der Jarl sagte, das hätte er nicht gewußt. "Aber wacker ist es von dir, daß du ihm helfen willst. Aber da wir beschlossen haben, keine Buße in dieser Angelegenheit anzunehmen, so dürfen wir euer aller Fürbitte keinen Wert beilegen; Grettirs Leben wollen wir haben, sobald sich die Gelegenheit bietet, koste es, was es wolle." Der Jarl sprang auf und wollte nichts mehr von einem vergleiche hören. Thorfinn und die andern gingen heim nach Thorsteins Hof und machten sich fertig, sich zu verteidigen. Als der Jarl das sah, ließ er seine ganze Gefolgschaft sich waffnen, stellte sie in Schlachtordnung auf und zog dorthin. Bevor sie dort ankamen, hatten sich die andern inzwischen zur verteidigung vor dem Torweg aufgestellt. In der ersten Reihe standen Thorsinn, Thorstein, Grettir und Bersi; jeder von ihnen hatte eine große Schar bei sich. Der Jarl gebot ihnen, Grettir auszuliefern und sich nicht ins Unglück zu stürzen. Aber sie machten dasselbe Angebot wie vorder. Der Jarl wollte nichts davon hören. Thorsinn und Thorstein erklärten, Grettirs Leben würde dem Jarl teuer zu stehen kommen: "Denn ein Schicksal soll über uns alle kommen, und das wird man sagen, daß ihr viel für das Leben eines Mannes geopfert habt; wenn wir alle dafür ins Gras beißen."
Der Jarl entgegnete, keiner von ihnen würde verschont werden. Nun war es dicht daran, daß der Kampf zwischen ihnen ausbrach . Da traten viele wohlgesinnte Männer vor den Jarl und baten ihn, daß er nicht ein so großes Unglück verursachen sollte sie sagten, diese Männer würden gewiß ein großes Gemetzel anrichten , bevor sie getötet würden. Der Jarl sah ein, daß das wahr sei, und ließ sich jetzt eher besänftigen. Danach wurde aufs neue über einen Vergleich verhandelt. Thorfinn und Thorstein waren bereit, einen Vergleich einzugehen, unter der Bedingung, daß Grettir Frieden und Sicherheit zugestanden würde.
Der Jarl erwiderte: "Das sollt ihr wissen, daß ich das nicht für einen Vergleich ansehe, wenn ich mich auch dazu bewegen lasse, in betreff der Mordklagen nachzugeben. Aber ich habe keine Lust; mich mit meinen eigenen Mannen zu schlagen, obwohl ich sehe, daß ihr meinen Willen in dieser Sache nur wenig achtet."
Da sprach Thorfinn: "Davon habt ihr, , die größere Ehre; denn ihr allein sollt die Buße bestimmen."
Der Jarl sagte, daß Grettir, wenn sie damit zufrieden wären, in Frieden und Sicherheit nach Island reisen sollte, sobald ein Schiff dahin ginge. Sie erklärten sich bereit, darauf einzugehen- Sie bezahlten dem Jarl so große Geldbuße, wie er verlangte, und damit schieden sie ohne große Freundschaft. Grettir reiste mit Thorsinn. Die Brüder Thorstein und Grettir trennten sich als gute Freunde. Thorsinn gewann hohen Ruhm durch den Beistand, den er Grettir geleistet hatte, denn er hatte gegen eine große Übermacht kämpfen müssen. Keiner von den Männern, die Grettir geholfen hatten, kamen später wieder in Gunst bei dem Jarl, Bersi allein ausgenommen. Grettir dichtete folgendes Lied.
Der Tapfern Freund, Thorsinn, wurde Zu Heil und Hilfe Dem Helden 1 geboren, |
Als in ihrer Höhle Die hohläugige Hcl 1 Leib und Leben Verlangte von mir. |
Das schnelle Schiff, 2 Der Ersch lager der Riesen, 3 , Der Wohnsitz des Zwerges 4 — Er war es gewesen, Der mehr als andre Mich abgehalten, Zu besuchen Byleists 5 Brudertochter. |
Damals dünkte Die Diener des Jarls Mit uns Recken zu ringen Nicht recht geheuer; Als der Bär 6 ihre Brust verbrennen wollte Mit dem Feuer des Schildes, 7 Dem funkelnden Schwert. |
Grettir reiste mit Thorsinn wieder nordwärts und hielt sich bei ihm auf, bis er ihn an Bord eines Schiffes brachte; zu Kaufleuten, die nach Island segeln wollten er gab ihm manche Kostbarkeiten mit; Kleider; einen bemalten Sattel und einen Zaum dazu. Sie schieden in Freundschaft. Thorsinn bat ihn, ihn zu besuchen, wenn er wieder nach Norwegen käme.
25. Thorgils Maksson wird von Thorgeir
Havarsson erschlagen
Asmund Härulang wohnte auf Bjarg in der Zeit, da Grettir im Auslande war, und galt als der mächtigste Bauer im Midfjördr. Thorkel Krafla starb, während Grettir nicht in Island weilte. Thorvald Asgeirsson wohnte damals auf Ass im Vatnsdalr und war ein angesehener Häuptling. Er war der Vater der Dalla, die Isleif heiratete, der später Bischof in Skalholt wurde. Asmund hatte eine große Stütze an Thorvald, sowohl in Rechtssachen als auch in andern Dingen. Bei Asmund wurde ein Mann namens Thorgils aufgezogen; er wurde Thorgils Maksson genannt; er war ein naher verwandter des Asmund. Thorgils war ein starker Mann und erwarb sich mir Asmunds Hilfe ein hübsches Stück Geld. Asmund kaufte ihm den Hof Lökjamot, und dort nahm er Wohnung. Thorgils war auch ein tüchtiger Hauswirt und zog jedes Jahr nach den Strandir; dari gewann er Wale und andern Fang. Thorgils war auch ein mutiger Mann; er untersuchte auch die"östlichen Gemeindeweiden" . 1 In dieser Zeit standen die Schwurbrüder Thorgeir Havarvson und Thormod Kolbrunarskald 2 im größten Ansehen. Sie hatten ein großes Boot und raubten und stahlen weit und breit, was sie brauchten, Recht und Billigkeit achteten sie nur gering. Es geschah in einem Sommer, daß Thorgils Maksson einen Wal auf den "Gemeindeweiden" angetrieben fand; er und seine Gefährten begannen sogleich den Wal abuzuspecken. Als das die Schwurbrüder erfuhren, eilten sie dorthin, und es sah anfangs so aus, als würden ihre Unrerhandlungen einen befredigenden Ausgang nehmen. Thorgils machte das Anerbieten, daß die Schwurbrüder die Hälfte des Teiles des Wales haben sollten, der noch nicht abgespeckt war, aber diese beanspruchten entweder
26. Der Prozess gegen Thorgeir
Es war ein Mann namens Thorstein, ein Sohn des Thorkel Kuggi, 1 eines Sohnes des Thord Gellir; d. h. des Schreiers, eines Sohnes des Olaf Feilan, eines Sohnes Thorsteins des Roten, eines Sohnes der Aud. der verständigen.
Die Mutter des Thorstein Kuggason war Thurid, eine Tochter des Asgeir Ädikoll, d. h. des Hitzigen. Asgeir war der Stiefbruder des Asmund Härulang. Thorstein Kuggason kam es zu, zusammen mit Asmund Härulang, den Prozeß wegen der Ermordung des Thorgils Maksson anzustrengen. Asmund sandte Boten zu Thorstein, das er zu ibm kommen solle. Thorstein war ein mächtiger Kämpe und gewalttätiger Mann. Er machte sich sogleich auf zu seinem Verwandten Asmund, und sie vereinbarten das Nötige wegen der Mordsache. Thorstein war sehr eifrig; er erklärte, mit Geldbuße lasse er sich nicht abfinden; sie hätten genug Sippenanhang, um entweder Acht oder Blutrache zu erlangen. Asmund erklärte, er würde ibm in allem beistehen, was er auch immer tun würde. Sie ritten nordwärts zu ihrem Verwandten Thorvald und baten ihn um Hilfe; er versprach ihnen diese sogleich. Sie taten nun die vorbereitenden Schritte in dem Pro ess gegen Thorgeir und Thormod. Thorstein ritt dann heim nach seinem Hofe. Er wohnte damals auf Ljarskogar in der Landschaft Hvammr. Skeggi wohnte auf dem Hofe Hvammr; er schloß sich auch Thorstein in dieser Sache an. Skeggi war der Sohn des Thorarin Fylsenni, d. h. Fohlenstirne, eines Sohnes des Thord Gellir Die Mutter Skeggis war Fridgerd, die Tochter des Thord vom Hofe Höfdi. Sie hatten viel Volk um sich versammelt, als sie zum Allthing ritten und brachten die Klage vorwärts mit größtem Eifer. Asmund und Thorvald ritten nordwärts mit sechzig Mann und blieben mehrere Nächte auf Ljarskogar.
27. Thorgeir wird verurteilt und verläßt
Island
Thorgils wohnte auf dem Hofe Reykbolar; 1 er war ein Sohn von Ari Marsson, dem Sohne Atlis des Roten, des Sohnes des Ulf des Schielenden, der Reykjanes in Besitz nahm. Die Mutter des Thorgils Arason war Thorgerd, eine Tochter von Alf aus Dalir. Eine andere Tochter von Alf war Thorelf, die Mutter des Thorgeir Havarsson. Hier fand Thor
Nach Thorgils Ermordung begab sich Thorgeir nach Reykholar und erzählte Thorgils, was geschehen war. Thorgils sagte, Aufenthalt bei ihm stünde ihm zu Diensten. "Aber ich denke," sagte er, "die Feinde werden den Prozeß mit viel Tatkraft führen, und ich habe nicht Lust, die Schwierigkeiten noch größer zu machen. Ich will jetzt einen Mann zu Thorstein senden und Buße für die Ermordung Thorgils bieten; aber wenn erden vergleich nicht annehmen will, werde ich die Sache des Angeklagten nicht mit Gewalt führen."
Thorgeir erklärte, daß er mit dem zufrieden wäre, was er tun wollte. Im Herbste schickte Thorgils einen Mann zu Thorstein Kuggason, um ihm einen vergleich anzubieten. Aber der wollte nichts von Geldbuße für Thorgils Ermordung wissen; was jedoch die Ermordung der übrigen anbetreffe, wollte er äch nach dem richten, was verständige Männer für recht und billig hielten. Und als Thorgils das erfuhr, ratschlagte er mit Thorgeir und fragte, welcher Art Hilfe er unter diesen Umständen von ihm am liebsten wünschte. Thorgeir antwortete, ihm schiene es am besten, ins Ausland zu fahren, wenn er zur Friedlosigkeit verurteilt würde. Thorgils sagte, daß man das versuchen wollte.
Ein Schiff überwinterte oben in der Nordra im Bargarfjördr. Auf diesem Schiffe kaufte Thorgils heimlich Plätze für die Schwurbrüder. So verging der Winter. Thorgils hörte; daß Thorstein und die anderen Häuptlinge eine Menge Leute für das Allthing sammelten, und daß sie in Ljarskogar waren. Darum schob er seine Abreise auf, denn er wollte, daß Thorstein und die übrigen Häuptlinge vor ihm südwärts ritten,
ehe er vom Westlande käme. Thorgils ritt nach Süden, und die Schwurbrüder folgten ihm. Auf dieser Reise tötet Thorgeir den Böggul-Torfi an der Marskelda; ebenso tötete er Skuf und Bjarni im Hundadalr. So sagt Thormod in dem Totenliede auf Thorgeir:Thorgeir traf zu Tode Vor den andern Thorgils; Reichlich zum Zerreißen Raben Fleisch da haben. Der da ritt das Roß der Wellen, 1 tät auch fällen Skuf und Bjarni, beide Bracht' er in der Schlacht um. |
Thorgils verglich sogleich in den Tälern den an Skufi und Bjarni verübten Totschlag, wurde aber dadurch länger aufgehalten . als er sich gedacht hatte. Thorgeir begab sich nach dem Schiff, Thorgils aber nach dem Allthing und kam dort erst an, als sich die Richter schon auf den Wegen zu ihren Plätzen befanden, wo sie das Urteil fällen sollten. Da forderte Asmund Härulang die Gegenpartei auf, die Gründe der Verteidigung in Sachen des an Thorgils Maksson verübten Mordes anzuführen. Thorgils trat vor die Richter und bot Geldbuße für den Mord, wenn Thorgeir dadurch frei von Friedlosigkeit würde. Er suchte die Anklage dadurch zu entkräften, daß er fragte, ob nicht jeder gleiches Fangrecht auf den Gemeindeweiden hätte. Der Gesetzessprecher wurde gefragt, ob das ein gesetzmäßiger Verteidigungsgrund wäre. Skapti war damals Gesetzessprecher, er gab eine für Asmund günstige Antwort um ihrer verwandtschaft willen; er erklärte, daß es Recht wäre, wenn die Betreffenden einander Gleichstehende wären, meinte aber, daß im übrigen Bauern das vorrecht hätten vor ledigen Leuten. Asmund sagte, daß Thorgils den Schwurbrüdern angeboten hätte, den Teil des Wals, der noch nicht abgespeckt war, als sie kamen, zu teilen; und damit war die verteidigung abgewiesen. Thorstein und seine verwandten
Als Thorgeir seine Friedloslegung erfuhr, sprach er so: "Das möchte ich wünschen, daß die, die mich fiedlos gemacht haben, volle vergeltung dafür bekämen, ehe es zu Ende ist, wenn es bei mir stünde!"
Ein Mann hieß Gaut, und wurde genannt Sleituson; er war ein verwandter von Thorgils Maksson. Dieser Gant hatte sich einen Platz auf dem Schiffe genommen, mit dem Thorgeir segeln sollte. Er war wenig liebenswürdig zu Thorgeir und erwies ihm keine Freundlichkeit; als die Kaufleute das bemerkten , hielten sie es nicht für ratsam, daß die beiden in einem und demselben Schiffe führen. Thorgeir sagte, er mache sich nichts daraus, ob Gaut ornig die Augenbrauen runzele, aber es wurde doch beschlossen, daß Gant das Schiff verlassen sollte; er reiste nach dem Nordland. Diesmal kam es nicht zu Feindseligkeiten zwischen Thorgeir und Gaut, aber daher stammt doch die veranlassung zu der Feindschaft zwischen ihnen, die später zum Ausbruche kam,
28. Grettirs zweiter Ringkampf mit
Audun
Diesen Sommer kehrte Grettir Asmundarson nach Island zurück und landete im Skagafjördr. Er war damals so
berühmt durch seine Stärke und Tapferkeit, daß keiner von den jungen Leuten ihm gleich geachtet wurde. Er ritt sogleich heim nach Bjarg, und Asmund nahm ihn sehr freundlich auf. Atli verwaltete damals den Hof; wissen den Brudern herrschte ein herzliches Verhältnis. Grettirs Übermut war nun so groß, daß ihm nichts unmöglich schien.Nun waren die schon völlig erwachsen, die damals noch jung waren, alg Grettir teilnahm an den Spielen am Midfjardar- See, ehe er ins Elend fuhr. Einer von ihnen war Audun, der auf Audunarstadir wohnte im Vididalr. Er war der Sohn des Asgeir Audunarson. Audun war ein guter Bauer und ein tüchtiger Mann; er war der Stärkste im Nordlande und genoß allgemeine Achtung in dieser Gegend.
Grettir fiel nun ein, daß er den Kürzeren vor Audun beim Ballspielen gezogen hatte, wie früher erzählt worden ist, und er wollte erproben, wer von ihnen beiden seitdem die größten Kräfte bekommen hätte. Darum brach er von Hause auf und ritt nach Audunarstadir. Es war im Beginn der Heumahd. Grettir verwendete große Sorgfalt auf seine Kleidung und Ausrüstung und ritt auf dem kunstvoll angefertigten und bemalten Sattel, den ihm Thorsinn geschenkt hatte. Er hatte ein gutes Pferd, und seine Waffen waren sehr kostbar. Grettir kam früh am Morgen nach Audunarstadir und klopfte an die Tür. Nur wenige Leute waren auf dem Hofe. Grettir Sagte, ob Audun ;u Hause wäre. Die Leute antworteten, daß er nach der Sennhütte gegangen wäre, um Speise zu holen. Grettir nahm seinem Pferde die Zügel ab. Die Hauswiese war noch nicht gemäht; und der Gaul trottete dahin, wo das Gras am üppigsten stand. Grettir ging in die Schlafstube, setzte sich auf einige Bretter und schlief bald ein. Ein wenig später kam Audun nach Hause. Er sah, daß ein Gaul mit gemaltem Sattel im umzäunten Grasland des Hofes war. Audun brachte Skyr '
Audun sprach: "Das war ein alberner Streich, was ist dein Begehr
"Ich will mit dir kämpfen," antwortete Grettir. "
Erst muß ich meine Speise besorgen," sagte Audun.
"Das kannst du gerne," sagte Grettir, " wenn du das nicht andern überladen kannst."
Audun bückte sich nieder, hob den Skyrschlauch auf, warf ihn Grettir ins Gesicht und sagte, er solle zuerst in Empfang nehmen, was man ihm schickte. Grettir war über und über mit Skyr besudelt. Das dünkte ihn eine weit größere Schande, als wenn Audun ihm eine schwere Wunde versetzt hätte. Danach packten sie sich und rangen gewaltig. Grettir war immer der Angreifende, und Audun hatte genug damit zu tun, sich vor dem Hinfallen zu hüten; er merkte doch, daß Grettir stärker als er geworden war. Alles, was ihnen in den Weg kam, wurde von der Stelle gerückt, sie gerieten bald hierhin, bald dorthin in der Stube. Keiner von ihnen schonte sich, aber zuletzt behielt Grettir die Oberhand, und Audun siel nieder. Alle Waffen, die Grettir trug, hatte er ihm abgerissen. Sie drückten und preßten sich, daß es laut krachte. In diesem Augenblicke dröhnte es draußen auf dem Hof, und Grettir hörte; wie jemand an die Gebäude heranritt, abstieg und schnell in das Haus ging. Er sah ihn eintreten, es war ein schöner Mann, in einem roten Rock, und einen Helm auf dem Haupte. Er wandte sich nach der Schlafstube, weil er den großen Lärm hörte, den sie beim Ringen machten. Er Sagte, was in der Stube vorginge.
Grettir nannte seinen Namen. "Aber wer Sagt danach:
"Bardi heiße ich," antwortete der neu Angekommene.
Bist du Bardi, der Sohn des Gudmund aus Asbjarnarnes "
"Eben der bin ich," antwortete Bardi. " Aber was machst du hier:"
Grettir antwortete: "Ich und Audun ringen hier zum vergnügen.
"Das sieht nicht nach vergnügen aus" sagte Bardi. "Und außerdem seid ihr recht ungleiche Gegner; du bist übermütig und rücksichtslos, aber er ist ein gutmütiger und wackerer Mensch, laß ihn sogleich aufstehen"
Grettir antwortete: "Mancher mischt sich ohne Not in Dinge, die ihn nichts angehen; ich würde glauben, dir läge mehr daran den Tod deines Bruders Hall zu rächen, als dich in das zu mengen, was ich und Audun mit einander vorhaben.
"Das höre ich oft genug," antwortete Bardi. "Aber ich weiß nicht; ob der Mord gerächt wird; jedoch, wie dem auch sein mag, ich will, daß du Audun in Ruhe läßt, denn er ist ein sanftmutiger Mann."
Auf Bardis Aufforderung ließ Grettir Audun los, aber es behagte ihm wenig. Bardi fragte, was zwischen ihnen vorgefallen wäre. Grettir sprach diese Weise:
Dank für den Dienst wird Audun Schwerlich dir gewähren: Packt dich an der Keble; Preßt umklammernd fest sie. Japsen konnt der Jüngling 1 Wahrlich kaum vor Jahren, Als 2 er auf mich lossprang, Mir die Kehle zuschnürte. |
Bardi sagte, das wäre etwas anderes, wenn er etwas dadurch zu rächen hätte. "Jetzt will ich unter euch einen vergleich zustande bringen," sagte Bardi. "Ich will, daß ihr euch verträgt und das Geschehene vergeßt."
Und sie ließen es dabei bewenden, denn sie waren verwandt
Bardi ging mit Freuden auf dieses Anerbieten ein und dankte ihm dafür; danach trennten sie sich. Bardi kehrte noch einmal um und sprach:"Das will ich doch hinzufügen," sagte er" ,daß du mich nicht begleiten darfst, wenn es Thorarin nicht erlaubt, denn er hat über die Reise zu bestimmen."
"Ich dachte, du wärest alt genug, um selbst eine Entscheidung zu treffen," erwiderte Grettir. "Ich mache meine Person nicht von andern Leuten abhängig; aber das sage ich dir, ich nehme es dir übel, wenn du meine Begleitung verschmähst."
Jeder ritt jetzt seine Straße, und Bardi sagte, er würde es Grettir wissen lassen, " wenn Thorarin seine Genehmigung gibt, daß du mitreisst," sonst solle er sich ruhig verhalten. Grettir ritt heim nach Bjarg, Bardi nach seinem Hofe.
29. Eine Pferdehatz
Im Sommer wurde eine Pferdehatz auf Langafit unterhalb des Hofes Reykir 1 abgehalten. Eine Menge Leute fand sich dort ein. Atli auf Bjarg hatte einen guten, aschfarbenen Hengst, mit einem schwarzen Streifen auf dem Rücken, er stammte von Keingala ab; Vater und Sohn hielten sehr viel von dem Hengste. Die Brüder Kormak und Thorgils auf Melr hatten einen braunen Hengst, der war als ein sehr tüchtiger Rampfhengst berühmt; diese Brüder und Atli von Bjarg sollten ihre Pferde gegen einander hetzen. Außer ihnen gab es noch eine ganze Reihe anderer guter Pferde. Odd Omagaflald, Kormaks Vetter sollte an dem Tage den Hengst der Brüder in die Hatz führen. Odd war ein starker Mann gewar 1
"Das weiß ich noch nicht recht," antwortete Ätti.
"Willst du es mir überlassen:" Sagte Grettir.
"Ja, aber du mußt recht besonnen sein, lieber Bruder," sagte Atli "Denn wir haben es mit hochmütigem Volk zu tun."
"Sie sollen selbst ihren Übermut entgelten," sagte Grettir "wenn sie sich nicht beherrschen können."
Nun wurden die Hengste vorgeführt, die übrigen Pferde standen nahe an dem Rande des hohen Flußufers und waren zusammengebunden. Ein tiefer Kessel war am Ufer. Die Hengste bissen sich gut, und es war ein Hauptspaß. Odd führte seinen Hengst mit Gewalt vor, aber Grettir ließ seinen zurückweichen; mit der einen Hand hielt er ihn am Schweif, in der andern hatte er eine Stange, mit der er den Gaul hetzte. Odd stand dicht neben seinem Hengste, und man konnte davor nicht sicher sein, daß er nicht mit der Stange nach Anis Hengst stieß oder stach, um ihn zu verhindern, sein Pferd anzugreifen. Grettir tat, wie wenn er es nicht bemerkte. Die Hengste drängten näher und näher nach dem Fluß hin. Da stach Odd mit der Stange nach Grettir und traf ihn am Schulterblatt, denn Grettir hatte ihm gerade die Seite zugewendet. Das war ein tüchtiger Stoß, das Fleisch schwoll an, aber die Wunde, die Grettir erhielt, war nur klein. In diesem Augenblick bäumten die Hengste hoch auf; Grettir stellte sich hinter den Schenkel seines Pferdes und stieß Odd so heftig mit der Stange, daß ihm drei Rippen gebrochen wurden; Odd stürzte in den Flußkessel, und ebenso sein Hengst und die übrigen Pferde, die zusammengebunden waren. Man schwamm ihm nach und zog ihn aus dem Flusse. Dabei entstand lautes Schreien und Rufen. Kormak und sein Gefolge griff sogleich nach den Waffen, und die Leute von Bjarg ebenfalls. Aber als das die Männer vom Srutafjördr und Vatnsdalr sahen, traten sie dazwischen und trennten sie. Sie begaben sich nach Hause, und jeder ließ Drohungen gegen den andern fallen, doch hielten sie eine Weile Frieden. Ätti sprach wenig darüber, aber Grettir war sehr aufgebracht und sagte; daß sie sich wieder treffen würden, wenn er zu bestimmen hätte.
30. Der Kampf auf dem
Hrutafjardarhals
Thorbjörn hieß ein Mann, er wohnte auf Thoroddsstadir am Hrütafjördr. Er war der Sohn des Arnor Heynef d. h. Flaumnase der den Hrutafjördr am östlichen Ufer bis zum Hofe Bakki in Besitz genommen hatte. Thorbjörn war der stärkste aller Männer. Er wurde Ornamegin d. b. Ochsenkraft genannt. Sein Bruder hieß Thorodd, mit dem Beinamen Drapustuf. Ihre Mutter war Gerd, die Tochter des Bödvar von dem Hofe Bödvarsbolar. Thorbjörn war sehr tapfer und hatte viele Leute auf seinem Hofe. Man sagte von ihm, daß es ibm schwerer siele Gesinde zu bekommen als anderen Leuten, und er zahlte selten oder niemals seinem Gesinde den Lohn; es war nicht leicht mit ihm zu verkehren. Ein Verwandter von ihm hieß Thorbjörn mit dem Beinamen Ferdalang d. h. Langgereist. Er war gewöhnlich auf Handelsreisen zur See, und die beiden Thorbjörne trieben Handel in Gemeinschaft. Er hielt sich gewöhnlich auf Thoroddsstadir auf, und Thorbjörn wurde durch den Umgang mit ihm nur noch schlimmer. war tadelsüchtig und übte gern Spott gegen verschiedene Menschen.
Thorir hieß ein Mann, der Sohn des Thorkel in Bordeyrr. Er wohnte zuerst auf Melar am Hrutafjördr. Seine Tochter war Helga, die Sleitu-Helgi zur Frau nahm. Aber nach dem Kampfe bei Fagrabrekka sog Thorir südwärts nach dem Haukadalr und wohnte in Skard; den Hof in Melar aber verkaufte er an Thorhall , den Sohn Gamlis des Winländers. Dessen Sohn war Gamli, der Rannveig geheiratet hatte, Asmunds Tochter und Grettirs Schwester. Sie wohnten damals auf Melar und saßen in guten verhältnissen. Thorir auf Skard hatte zwei Söhne; der eine hieß Gunnar, der andere Thorgeir. Sie waren hoffnungsvolle junge Männer und hatten zu dieser Zeit die Bewirtschaftung des Hofes nach ihrem Vater übernommen, aber sie waren gewöhnlich bei Thorbjörn Ochsenkraft. Sie waren hochmütig.
Denselben Sommer, der nun erwähnt worden ist, ritten Kormak
und Thorgils und ihr Freund Narsi südwärts nach dem Nordrardalr; um einige Geschäfte zu besorgen. Odd Omagaflald befand sich auch in ihrem Gefolge. Die Steifheit, die er bei der Pferdehatz bekommen hatte, war gehoben. Während sie sich in Nordrardalr aufhielten, ritt Grettir von Hause fort mit zwei Dienstleuten Artis. Sie ritten über den Fluß nach dem Hofe Burfell und von da über den Berg nach dem Hrutafjördr und kamen gegen Abend nach Melar. Sie hielten sich dort drei Nächte auf. Rannveig und Gamli nahmen Grettir freundlich auf und baten ihn, längere Zeit bei ihnen zu bleiben, aber er wollte heimreiten. Da hörte er, daß Kormak und Thorgeir von Süden gekommen wären und auf dem Hofe Hrutatunga die Nacht gerastet hätten. Grettir brach früh von Melar auf Gamli bot ihm einige Männer zur Begleitung an. Er hatte einen Bruder namens Grim, einen sehr tapferen Mann. Er folgte selbzweit Grettir. Sie waren also fünf zusammen; sie ritten, bis sie nach dem Hrutarfjardarhals kamen westlich von Burfell. Dort steht ein großer Stein, der Grettirshub genannt wird; Grettir beschäftigte sich einen großen Teil des Tages damit, diesen Stein zu heben. und wartete dort, bis Kormak und seine Begleiter kamen. Grettir ritt sofort auf sie zu, und beide Parteien sprangen von den Gäulen. Grettir sagte, es wäre für einen edlen Mann geziemender, jetzt gewaltige Schwertschläge auszuteilen als sich mit Stangen zu schlagen wie Landstreicher. Kormak feuerte seine Leute an, tapfer Widerstand zu leisten und ihr Bestes zu tun. Darauf stürzten sie aufeinander los, und der Kampf begann. Grettir war an der Spitze seiner Schar und gebot ihnen, acht zu geben, daß sie nicht im Rücken überfallen würden. Sie fochten nun eine Weile, und auf beiden Seiten gab es verwundete.Thorbjörn Ochsenkraft war an demselben Tage über den Berg nach Burfell geritten, und auf dem Heimwege traf er die Kämpfenden . In seiner Begleitung waren Thorbjörn Ferdalang und Gunnar und Thorgeir, die Söhne des Thorir; und Thorodd Drapustuf. Sobald sie ankamen, forderte Thorbjörn seine Leute zur vermittlung auf. Diese waren aber so kampfbegierig, daß Thorbjörns Gefolge nichts ausrichten konnte. Grettir bahnte
sich mit seinem Schwert eine Gasse. Die Thorirssöhne kamen ihm in den Weg, und er stieß so mächtig gegen sie, daß beide zu Boden fielen. Darüber wurden sie so sehr aufgebracht, daß Gunnar einen von Atlis Knechten niederhieb. Und als Thorbjörn das sah, gebot er mit Kämpfen innezuhalten er erklärte, er würde dem seinen Beistand gewähren, der zuerst seiner Aufforderung nachkäme. Da waren zwei von Kormaks Dienstleuten gefallen. Grettir sah ein, daß es kein gutes Ende nehmen würde, wenn Thorbjörn sich auf die Seite der Gegner schlüge; darum hörte er auf zu kämpfen. Alle waren verwundet, die am Kampfe teilgenommen hatten. Grettir war wenig erfreut darüber, daß der Kampf ein solches Ende genommen hatte. Alle ritten darauf beim. Ein vergleich wurde nicht eingegangen.Thorbjörn Ferdalang spottete aber darüber; dadurch wurde das verhältnis zwischen den Leuten von Bjarg und Thorbjörn Ochsenkraft noch gespannter, so daß es zuletzt volle Feindschaft wurde, wie sich später zeigte. Keine Geldbuße wurde Ätti für seinen Knecht geboten, aber er tat, wie wenn er keinen Wert darauf legte. Grettir hielt sich in Bjarg auf bis zum fünften Sommermonat. 1 Es wird nicht erzählt, daß er und Kormak später eine erwähnenswerte Zusammenkunft gehabt hätten.
31. Grettir fordert Bardi vergebens zum
Zweikampf heraus
Bardi Gudmundsson und seine Brüder ritten heim nach Asbjarnarnes, nachdem sie sich von Grettir getrennt hatten. Sie waren die Söhne des Gudmund Sölmundarson. Sölmunds Mutter war Thorlaug, eine Tochter des Sämund von den Hebriden, des Zieh bruders Ingimunds des Alten. Bardi war ein vornehmer Mann. Bald darauf ritt er von Hause fort, um seinen Ziehbruder Thorarin, den verständigen, zu besuchen. Der nahm Bardi freundlich auf und Sagte, welche Unterstützung er sich jetzt gesichert hätte, denn sie hatten Bardis Zug nach dem Borgarfjördr schon vorher verabredet.
Bardi antwortete, daß er einen Mann zur Begleitung gewan
Thorarin schwieg eine Weile und sprach:"Das ist gewiß Grettir Asmundarson."
"Ein weiser Mann errät die Wahrheit," sagte Bardi. "Er ist es und kein anderer, lieber Ziehvater."
Thorarin antwortete: "Das ist wohl wahr, daß Grettir weit alle anderen Männer hier im Lande übertrifft, unter denen man jetzt die Wahl hat, und schwerlich wird ihn einer im Kampfe besiegen können, wenn er seine volle Gesundheit hat. Aber ich zweifle, daß er vom Glücke begünstigt ist, und du solltest doch solche Männer in deiner Begleitung haben, die nicht vom Unglück verfolgt werden; und es wird genug vorkommen, selbst wenn er nicht mit dir reitet; er soll dich nicht begleiten, wenn ich raten darf."
"Ich hatte nicht gedacht, lieber Ziehvater," antwortete Bardi, "daß du mir von einem Manne abraten würdest, der außerordentlich tapfer ist, wie es uns auch ergehen mag. Man darf nicht zu genau sein, wenn man gezwungen ist, Hilfe anzunehmen , wie es bei mir der Fall ist."
"Es wird zu deinem Besten sein", sagte Thorarin, " wenn ich die Sache in die Hand nehme."
Es ward nun so, wie Thorarin wollte, nämlich daß keine Botschaft zu Grettir geschickt wurde. Bardi aber ritt südwärts nach dem Borgarfjördr, und da geschahen die Begebenheiten, die in der "Geschichte vom Hochlandskampfe" 1 erzählt werden.
Grettir hielt sich in Bjarg auf, als er erfuhr, daß Bardi südwärts geritten war. Er wurde sehr zornig, daß ihm keine Botschaft geschickt worden war, und sagte, ihre Beziehungen würden damit keineswegs zu Ende sein. Er verschaffte sich Nachricht darüber, wann ihre Rückkehr vom Süden erwartet würde, und ritt nach dem Hof Thoreyjargnupr und beschloß dort zu warten, bis sie vom Süden angeritten kämen. Er ging von dem Gehöft nach der Halde, an der der Weg vorüber führte, und wartete dort.
Denselben Tag kamen Bardi und seine Begleiter von Süden
Als sie an dem Hof vorüber gekommen waren, sagte Bardi: Ein Mann steht da oben auf der Halde, mit Wassen. Kennt ihr ihn:"
Sie sagten, sie wüßten nicht; wer es wäre.
Bardi sprach: "Mich dünki, es ist Grettir Asmundarson. Und wenn dem so ist, so will er uns gewiß treffen; ich schließe daraus, daß er zornig darüber ist, daß er nicht mit uns geritten ist. Mich dünkt, wir sind wenig darauf vorbereitet, wenn er im Sinne hat, uns Böses zuzufügen. Ich glaube darum, es ist das beste, Boten nach den Leuten von Thoreyjargnupr zu schicken, damit ich nicht gezwungen bin, Feindseligkeiten von ihm zu erleiden."
Alle fanden diesen Rat vortrefflich und taten so. Danach ritt Bardi und sein Gefolge weiter. Grettir sah sie kommen und stellte sich ihnen in den Weg; als sie sich trafen, grüßten sie einander. Grettir fragte nach Neuigkeiten, und Bardi erzählte ohne Zaudern alles, was geschehen war. Grettir Sagte weiter; welche Leute Bardi in seiner Begleitung hätte. Bardi erwiderte, es wären seine Brüder und sein Schwager Eyjolf.
"Nun hast du dich von bösem Leumund befreit," sagte Grettir. "Aber jetzt wollen wir beide die Probe machen, wer von uns der Stärkste ist."
Bardi antwortete: "Die Arbeit auf meinem Hofe liegt mir näher am Herzen, als mich mit dir ohne den geringsten Grund herumzuschlagen, und die glaube ich jetzt besorgt zu haben."
"Ein Feigling dünkst du mich zu sein, Bardi" sprach Grettir "wenn du dich nicht mit mir zu schlagen wagst."
"Nenn es, wie du willst", sagte Bardi, "aber ich sähe am liebsten , du ließest an andern deinen Übermut aus als an mir; und das dünkt mich nicht unwahrscheinlich, weil dein Hochmut über alles Was geht."
Grettir gefiel seine Prophezeiung wenig, und er war im Zweifel, ob er auf einen von ihnen losgehen sollte; aber es schien ihm etwas unvorsichtig, darum, daß sie sechs waren und er nur einer. Und in diesem Augenblicke kamen Leute von Thoreyjargnupr,
um Bardi zu helfen. Grettir ließ den Abstand zwischen sich und Bardi größer und größer werden und ging dann zu seinem Pferde. Aber Bardi und seine Begleiter ritten ihre Straße, und sie trennten sich, ohne einander Lebewohl zu sagen. von einem späteren Zusammenstoß zwischen Bardi und Grettir bai man keine Kunde.So hat Grettir selbst gesagt, daß er keine Angst kannte vor einem Kampfe mit den meisten Menschen, selbst wenn drei gegen ihn wären; er würde auch nicht vor vieren fliehen, ohne einen Kampf zu versuchen, aber kämpfen gegen mehr würde er nur in dem Falle, wenn es sein Leben gälte; wie er in dieser Weise sagt:
Dreist ich kämpf mit dreien, Droht auch harte Not mir; In dem Spiel der Speere Spür ich Furcht nicht für mich. Mehr als vier der Feinde —Fliegt der Speer des Kriegsgotts 1 — Scheu ich in dem scharfen Schlachtsturm, hab die Macht ich. 2 |
Nachdem Bardi mit seinen Leuten fortgeritten war, ging Grettir wieder heim nach Bjarg. Er war ganz unglücklich darüber; daß er nirgends seine Kräfte erproben konnte, und zog überall Erkundigungen ein, ob es nicht irgendwo eine große Tat für ihn zu tun gäbe.
32. Stam wird von einem Unhold
erschlagen und fängt an zu spuken
Thorhall hieß ein Mann, er wohnte auf Thorhallsstadir im Forsäludalr. Dieses ,Schattental' liegt im oberen Vatnsdalr. Thorhall war ein Sohn des Grim, des Sohnes des Thorhall Fridmund, der den Forsäludalr in Besitz nahm. Thorhall war mit einer Frau namens Gudrun verheiratet. Ihr Sohn hieß Grim, sie hatten auch eine Tochter namens Thurid. Beide waren schon ziemlich erwachsen. Thorhall war ein wohlhabender 1
Thorhall sprach: "Einen guten Rat möchte ich von dir haben." "Dazu bin ich kaum imstande sagte Skapti. "Aber was ist dir zugestoßen:"
Thorhall antwortete "Es geht mir so, daß es mir schwer fällt, Schafhirten zu balten; sie erleiden sehr leicht Schaden, andere aber balten ihre Dienstzeit nicht zu Ende aus. Es will sich keiner dazu hergeben, dem es bekannt ist, was vorgeht."
Skapti erwiderte: "Da muß ein böser Geist dahinter stecken, daß die Leute weniger Lust haben deine Schafe zu hüten als die anderer Leute. Weil du aber bei mir Rat geholt hast; so will ich dir einen Schafhirten besorgen, der Glam heißt, aus den Sylgsdalir in Schweden stammt und im vorigen Sommer hierher gekommen ist; er ist groß und stark; aber wenig bei den Leuten beliebt."
Thorhall sagte; daß er sich daraus nichts machte, wenn er nur die Schafe gui hütete. Skapti erwiderte, daß er nicht hoffen dürfte, sich später wieder nach anderen umschauen zu dürfen, wenn diesem die Kraft und der Mut fehlte; die Schafe zu
hüten. Thorhall ging fort. Es war gegen das Ende des Things.Thorhall vermißte zwei Falben, und er machte sich selbst auf, sie ;u suchen; daraus glaubten die Leute schließen zu müssen, daß er kein Mann von hohem Stande wäre. Er ging Sledaass entlang und südwärts nach dem Bergzug, der Armannsfell heißt. Da sah er, wie ein Mann oben vom Godenwalde kam und Reisig auf einem Pferde führte. Sie trafen sich bald. Thorhall fragte ihn nach seinem Namen, aber er antwortete; er hieße Glam. Dieser Mann war hochgewachsen und von ungewöhnlichem Aussehen, er hatte graue und graße Augen und wolfsgraue Haare. Thorhall wurde etwas wunderlich zumute , als er diesen Mann sah; aber er merkte doch, daß er es war; an den er gewiesen worden war.
"Was ist dir am liebsten zu arbeiten: fragte Thorhall.
Glam antwortete, daß er geschickt dazu wäre, Schafherden im Winter zu hüten.
"Willst du meine Schafe hüten: " sagte Thorhall."Skapti hat dich mir überlassen."
"Meine Dienste werden dir nur unter der Bedingung zuteil, wenn ich meine eigenen Wege gehen darf, denn es ist nicht leicht mit mir auszukommen, wenn mir etwas nicht gefällt," antwortete Glam.
"Das soll mich nicht hindern," sagte Thorhall, " und ich will, daß du zu mir ziehst."
"Das kann ich machen " sagte Glam. "Sind damit Gefahren verbunden:"
"Es scheint dort nicht recht geheuer zu sein," sagte Thorball.
"vor solchen Unholden bin ich nicht bange," sagte Glam."Es macht mir Spaß, sie zu sehen."
"Spaße sachte," sagte Thorhall."Es wird dir zugute kommen daß du nicht schwächlich bist."
Darauf verhandelten sie miteinander, und Glam sollte in den Winternächten 1 kommen. Dann trennten sie sich, und Thorhall fand seine Pferde, die er soeben noch gesucht hatte. Thorhall
Der Sommer verging, und Thorhall erfuhr nichts von dem Schafhirten; keiner wußte etwas von ihm. Aber zu der verabredeten Zeit kam er nach Thorhallsstadir. Der Bauer nahm ihn gut auf, aber alle übrigen mochten ihn nicht, am wenigsten die Hausfrau. Er übernahm die Schafhut, und es machte ihm wenig Mühe; er hatte eine laute, tiefe Stimme, und alles vieh rannte herbei, wenn er es rief. Eine Kirche war in Thorhallsstadir. Aber Olam wollte nicht hineingehen, er war kein Freund des Gottesdienstes und war ungläubig, eigensinnig und unfreundlich; er wurde von allen verabscheut. Nun ging es so hin, bis Weihnachtsheiligabend herankam. Da stand Glam früh auf und verlangte sein Essen.
Die Hausfrau sprach: "Das ist nicht Brauch bei Christenmenschen , an diesem Tage zu essen, denn morgen ist der erste Weihnachtsfetertag," sagte sie. "Darum ist es Pflicht; heute zu fasten."
Er antwortete: "manchen Aberglauben habt ihr; der keinen Zweck hat. Ich weiß nicht, daß es den Menschen jetzt besser geht als damals, wo die Leute dergleichen nicht trieben. Es gefiel mir damals besser, als sie Heiden genannt wurden, und ich will mein Essen haben und nicht solche Albernheiten."
Die Hausbau antwortete: "Ich weiß gewiß, daß es dir heute schlecht ergehen wird, wenn du solche schlechte Tat begehst."
Glam verlangte, sie sollte auf der Stelle das Essen bringen; sonst würde es ihr, sagte er, schlecht gehen. Sie konnte nicht anders handeln, als seinen Willen erfüllen. Und als er satt war, ging er hinaus, und sein Atem stank. Das Wetter war so geworden, daß es rings umher dunkel war, der Schnee stöberte vom Himmel, es sauste und brauste in der Luft; und es wurde immer ärger; je mehr der Tag zu Ende ging. Bei Tagesanfang hörten die Leute den Schäfer noch, aber weniger, als der Tag verstrich. Es begann richtig zu schneien, und am Abend erhob sich ein Unwetter. Man ging zum Gottesdienst, und so verstrich die Zeit bis zum Schlusse des Tages. Glam kam nicht heim. Es wurde nun darüber gesprochen, ob man ihn
nicht suchen sollte, weil aber ein Unwetter und Finsternis wie während des Neumondes war, wurde nichts aus dem Suchen. Er kam in der Julnacht nicht nach Hause, und sie warteten, bis der Gottesdienst vorüber war. Als es vollständig Tag geworden war, machten sich die Leute auf, ihn zu suchen und fanden das Vieh rings umher in den Mooren, vom Unwetter durchpeitscht, oder oben in den Bergen, wo es Schutz gesucht hatte. Dann kamen sie zu einer Spur weiter oben im Tal. Es schien ihnen, wie wenn da ein heftiger Ringkampf stattgefunden hätte, denn das Steingeröll war weithin aufgewühlt und ebenso der Erdboden. Sie blickten genauer bin und sahen den Ort, wo Glam lag, etwas seitwärts ab von ihnen. Er war tot und schwarz wie Hcl und geschwollen wie ein Ochs. Es ekelte sie sehr vor ihm, und sie schauderten im Geiste bei seinem Anblicke . Dennoch versuchten sie ihn in die Kirche zu tragen, brachten ihn aber nicht weiter als bis zum Rande einer Schlucht, die sich etwas weiter nach unten zu befand, und gingen so heim und erzählten es dem Hausherrn. Er fragte, was wohl die Ursache von Glams Tode gewesen sein könnte. Sie antworteten, sie wären auf Spuren gestoßen so groß, wie wenn der Boden eines Fasses von dort herabgestürzt worden wäre, von wo die Spur sichtbar war, bis hinauf zu den Bergen, die oben im Tale lagen, und große Blutlachen wären in ihrer Nähe gewesen. Daraus schlossen die Leute, daß das Gespenst, das schon früher da gehaust hatte, den Glam getötet haben könnte, daß es aber dabei einige Wunden abbekommen hätte, an denen es genug gehabt haben dürfte, denn seitdem hätte es sich nicht wieder sehen lassen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag ging man wieder hinaus, um zu versuchen, Glam nach der Kirche zu bringen gen. Es wurden Pferde vorgespannt, aber sobald sie auf ebenem Gelände waren und es nicht den Abhang herunter ging, konnten sie ihn nicht von der Stelle bringen. Sie mußten unverrichteter Dinge heimkehren. Am dritten Tage ging der Priester mit ihnen, und sie suchten den ganzen Tag, und Stam wurde nicht gefunden. Der Priester wollte nun nicht mehr mitgehen, aber sobald er nicht mehr dabei war, wurde der Schäfer gefunden. Da gab man es auf, ihn nach der Kirche zu bringen, und sie warfen Steine über ihn an der Stelle; wo er lag. Etwas später wurden die Leute gewahr, daß Glam zu spuken anfing. Das brachte ihnen großen Schaden, denn viele verloren das Bewußtsein, sobald sie ihn sahen, andere verloren den verstand dadurch. Sogleich nach Weihnachten glaubten Leute ihn daheim auf dem Hofe zu sehen. Die Leute erschraken entsetzlich, und viele zogen davon. Zunächst begann Glam des Nachts oben auf den Häusern zu reiten, so daß sie fast völlig zerstört wurden. Es dauerte nicht lange, so ging er bei Tag und bei Nacht um. Kaum wagte man noch, das Tal hinauf zu ziehen, selbst wenn man dort wichtige Geschäfte hatte. Alle Bewohner des Bezirkes fanden, daß es ein gewaltiges Unglück war.
33. Der Spuk wird immer
furchtbarer
Im Frühling nahm sich Thorball neues Gesinde, stellte die zerstörten Gebäude wieder her und wohnte wie von Neuem auf seinem Hofe. Da begann der Spuk abzunehmen, solange die Sonne hoch stand. So ging es bis zum Mittsommer. Da kam ein Schiff in das Hunavatn; auf ihm befand sich ein Mann namens Thorgaut. Er war ein Ausländer, groß und stark; er hatte zweier Männer Kraft; er war ledig und stand für sich allein; arm an Geld wollte er sich Arbeit suchen. Thorhall ritt nach dem Schiff und traf Thorgaut; er fragte ihn, ob er bei ibm arbeiten wollte. Thorgaut sagte, das könne wohl sein, und es wäre ihm gleichgültig, was er zu tun bekäme.
"So mußt du dich darauf gefaßt machen." antwortete Thorhall , daß dort für eine Memme kein Platz ist, wegen der Gespenster, die da in der letzten Zeit ihr Wesen getrieben haben, — aber ich will dich nicht betrügen."
Thorgaut erwiderte: "Ich gebe mich nicht sogleich für verloren, wenn ich auch kleine Gespenster sehe; es muß schon ganz schlimm kommen, wenn ich mich entsetzen soll, und darum suche ich mir keinen andern Aufenthaltsort aus." 1
Sie wurden leicht handelseins, und Thorgaut sollte im Winter die Schafherden hüten.
Der Sommer ging zu Ende. Thorgaut übernahm das vieh in den Winternächten. Er war bei allen beliebt. Beständig kam Glam wieder hin und ritt oben auf dem Hause. Das dünkte Thorgaut wunderlich, und er sagte: "Der Knecht müßte doch noch etwas näher kommen, wenn ich mich vor ihm fürchten soll." Thorball bat ihn, wenig von der Sache zu erzählen: Am besten ist, daß ihr euch nicht gegen einander erprobt."
Thorgaut sprach: Euch ist wahrhaftig das Herz ganz in die Schuh gefallen; aber du darfst nicht denken, ich falle sogleich vor Angst tot um, wenn ich im Zwielicht über Glam erzählen höre."
So ging es den Winter hindurch bis zu Weihnachten. An dem dem Julfeste vorausgehenden Tage begab sich der Schäfer zur Herde.
Da sprach die Hausfrau: "Nun will ich wünschen, daß es nicht so geht wie das letztemal."
Er antwortete: "Fürchte dich nicht davor, Hausbau," sagte er. "Es wird sich auf jeden Fall etwas Erzählenswertes ereignen, wenn ich nicht zurückkehre."
Darauf ging er zu seinen Schafen zurück. Das Wetter war kali, und es schneite stark. Thorgaut war gewöhnt nach Hause zu kommen, wenn es halbdunkel war, jetzt aber kam um diese Zeit nicht heim. Die Kirchgänger kamen an wie gewöhnlich , Es schien den Leuten dem nicht ungleich auszusehen, wag sich früher begeben hatte. Der Bauer wollte nach dem Schäfer suchen lassen, aber die Kirchgänger machten Ausflüchte und sagten, sie trauten sich bei Nacht nicht hinaus, der Unholde wegen, und der Bauer wagte nicht hinzugehen, und so ward nichts aus dem Nachforschen. Am Weihnachtstage, als die Leute sich fattgegessen hatten, zogen sie aus und suchten nach dem Schäfer. Sie gingen zuerst nach dem Haufen Steine, die sie über Glam geworfen hatten, denn sie dachten, daß er schuld am verschwinden des Schäfers wäre. Aber als sie sich dem Steinhaufen näherten, sahen sie auch, daß etwas Entsetzliches vorgefallen war: sie fanden den Schäfer, dem war der Hals
gebrochen, und jeder Knochen in ihm war zermalmt. Darauf brachten sie ihn nach der Kirche; niemand erlitt aber später einen Schaden durch Thorgaut. Glam aber fing von neuem an, noch mehr zu spuken; er trieb es so furchtbar, daß alle Leute aus Thorhallsstadir fortzogen, mit Ausnahme des Bauern und seiner Hausfrau.Ein und derselbe Rinderhirt war dort lange Zeit gewesen; Thorhall wollte ihn wegen seiner Sorgfalt und Zuverlässigkeit beim Hüten behalten. war ein alter Mann, und es dünkte ihn darum schwer, seinen Dienst aufzugeben, und er sah auch, daß alles, was der Bauer besaß, zugrunde ginge, wenn keiner darauf acht gäbe. Und nach Mitte Winter geschah es eines Morgens , daß die Hausfrau nach dem Kuhställe ging, um die Kühe wie gewöhnlich zu melken. Es war da schon ganz hell, denn niemand getraute sich, den Kuhhirten ausgenommen, früher hinaus; er ging schon hinaus, sobald es tagte. Sie hörte einen großen Lärm im Kuhställe und ein fürchterliches Brüllen; sie tief schreiend wieder hinein und rief, sie wüßte nicht, was für ein schreckliches Ereignis sich im Stalle zugetragen hätte. Der Bauer ging hinaus und kam zu den Kühen, und diese stießen sich gegenseitig mit den Hörnern. Das schien ihm ein schlechtes Zeichen zu sein, und er ging in die Scheune. Da sah er den Hirten liegen, er hatte den Kopf in einem Ständer und die Füße in dem andern, er lag auf dem Rücken. Der Bauer trat zu ihm und betastete ihn, er merkte bald, daß er tot war, und daß ihm das Rückgrat an einem Ständerstein 1 gebrochen war. Da schien es dem Bauern dort unerträglich zu sein, und er zog mit allem, was er fortschaffen konnte, von dannen. Aber alles vieh, das zurückgeblieben war, tötete Glam. Und dann zog er das ganze Tal entlang und verheerte alle Gehöfte oberhalb von Tunga. Thorhall verbrachte den Rest des Winters bei verschiedenen Freunden. Niemand mochte mehr mit Pferd oder Hund das Tal hinaufziehen, da diese Tiere sogleich getötet wurden. Aber als es zum Frühling ging und die Sonne am höchsten stand, ließ der Spuk etwas nach. Thorball wollte nun 1
34. Grettirs Besuch bei seinem Oheim
Jökul
Es wurde zuletzt von Grettir Asmundarson erzählt, daß er sich in diesem Herbste daheim in Bjarg aufhielt, nachdem er und Bardi Gudmundarson äch in Thoreyjargnupr getrennt hatten. Und nicht lange mehr bis zu den Winternächten, da ritt Grettir von Hause fort über die Berge nach dem vididalr und übernachtete auf Audunarstadir. Er und Audun verglichen sich da völlig, Grettir schenkte ihm ein gutes Beil, und sie schlossen gegenseitig Freundschaft. Audun wohnte lange auf Audunarstadir, und seine Nachkommen waren angesehene Leute. Sein Sohn war Egil, der die Ulfheid heiratete, eine Tochter von Eyjolf Gudmundarson, ihr Sohn war Egil, der auf dem Allthing erschlagen wurde. Er war der Vater des Orm, des Kapellans des Bischofs Thorlak. Grettir ritt nordwärts nach dem Vatnsdalr und kam zum Vetternbesuch nach Tunga. Dort wohnte damals Jökul Bardarson, Grettirs Mutterbruder. Jökul war ein großer, starker und sehr übermütiger Mann. Er unternahm gewöhnlich Handelsreisen nach fremden Ländern, und es war nicht leicht mit ihm auszukommen, aber sonst war er ein angesehener Mann. Er nahm Grettir freundlich auf, und er blieb drei Nächte bei ihm. Damals hatten Glams Spukereien einen solchen Grad erreicht, daß die Leute von nichts so viel redeten wie davon. Grettir fragte genau nach allem, was geschehen war. Jökul sagte, alles was darüber erzählt würde, wäre vollkommen wahr: "Aber sag mir, lieber Neffe, hast du Lust, dahin zu gehen:"
Grettir sagte, dag wäre richtig.
Jökul bat ihn, das nicht zu tun. Denn es ist ein großes Wag-stück , und deine verwandten würden einen großen verlust erleiden wenn du dein Leben dabei verlörest, ein Mann wie du" so sagte er. "Keiner von den jungen Männern kann mit dir verglichen werden; aber was Glam anbetrifft, so fürchte ich, daß man auf ihn mit Recht das Sprichwort anwenden kann: ,bei einem Bösen erfährt man Böses'. Weit besser ist es, mit menschen anzubinden, wie sie auch sein mögen, als mit solchen Ungeheuern.
Grettir erklärte, daß er doch große Lust hätte, nach Thorhallsstadir zu geben und sich zu überzeugen, wie es dort aussähe.
Jakut sprach: Ich sehe wohl, daß es nichts nützt, dir abzuraten ; aber wahr ist, was das Sprichwort sagt ,Glück und Tapferkeit sind zwei ganz verschiedene Dinge '."
"Bei dem einen steht das Unheil schon vor der Tür, das beim andern schon drinnen ist; und denk du lieber daran, wie es dir im Laufe der Zeit selbst gehen wird," antwortete Grettir.
Jökul erwiderte: "Kann sein, daß wir beide ein wenig in die Zukunft sehen, und trotzdem vermag keiner uns das zu ändern.
Darauf trennten sie sich, und jeder war mit der Weissagung des anderen unzufrieden.
35. Grettirs Kampf mit Glam
Grettir ritt nach Thorhallsstadir. und der Bauer nahm ihn freundlich auf. Er fragte, wohin Grettir zu reisen beabsichtigte, er aber sagte, daß er über Nacht da bleiben wollte, wenn es dem Bauern genehm wäre. Thorhall entgegnete; daß er ihm dafür zu Dank verpflichtet wäre. "Aber wenigen scheint ein Vorteil damit verbunden zu sein, hier zurzeit als Gast zu sein; du wirst wohl gehört haben, was hier vor sich geht. Ich möchte nicht gern, daß du durch mich Unannehmlichkeiten hättest. Aber wenn du auch mit heiler Haut davonkommen solltest, so weiß ich doch für gewiß, daß du dein Pferd einbüßen wirst; denn niemand, der hierher kommt, behält sein Pferd unverletzt,"
Grettir sagte, Pferde gäbe es genug, was auch mit diesem geschähe.
Thorhall freute sich darüber, daß Grettir dableiben wollte, und nahm ihn mit offenen Armen auf. Grettirs Pferd wurde fest im Hause eingeschlossen. Darauf gingen sie schlafen, und die Nacht verging, ohne daß Glam ins Haus kam.
Da sprach Thorhall: "Es hat gut geholfen, daß du hierher gekommen bist, denn Glam ist gewohnt, jede Nacht auf dem Hause herumzureiten und die Türen aufzubrechen, wie du deutlich sehen kannst."
Grettir erwiderte: "So wird wohl eins von beiden der Fall sein, daß er sich nicht länger ruhig verhält, oder daß seine Gewohnheit, hierher zu kommen, mehr als eine Nacht aufhört . Ich will noch eine zweite Nacht hierbleiben und sehen, was geschieht."
Darauf gingen sie zu Grettirs Pferde, und ihm war nichts geschehen. Den Bauern schien nun alles gut ablaufen zu wollen. Grettir blieb noch die zweite Nacht, und der Schafknecht kam nicht in die Wohnung. Das schien dem Bauern eine Wendung zum Bessern zu bedeuten. Er ging darauf, um nach Grettirs Pferd zu sehen. Da war der Stall erbrochen, als der Bauer heran kam, der Gaul war vor die Tür gezogen und ihm jeder Knochen im Leibe zerschlagen worden.
Thorhall erzählte Grettir, was geschehen war und bat ihn, sich vorzusehen: "Denn gewiß ist dein Tod, wenn du Glam erwartest."
Grettir antwortete: "Sehen will ich den Kerl doch, das ist dag wenigste, was ich für meinen Gaul haben muß."
Der Bauer sagte, daß damit wenig gewonnen wäre, ihn zu sehen. "Denn er ist keiner menschlichen Gestalt ähnlich aber gui dünkt mich jede Stunde, die du hier bleiben willst."
Der Tag verstrich nun, und als die Leute sich schlafen legen sollten, wollte Grettir seine Kleider nicht ausziehen und legte sich auf dem Sitze nieder, gegenüber dem Bettschrank des Bauern. Er hatte einen zottigen Pelz über sich und wand den einen Zipfel unter den Füßen zusammen, den andern aber legte er sich unter den Kopf und guckte aus dem Schlitz heraus. Ein sehr starker Pfosten der Zwischenwand war vor dem Sitze; und dagegen stemmte er die Füße. Der ganze Türrahmen war
von der Tür abgebrochen, es war aber das Bruchstück einer Tür davor gebunden und ohne Sorgfalt befestigt. Die Wand, die das Schlafgemach vom Hausflur trennt, war gänzlich aus dem Zimmer herausgeworfen, oberhalb und unterhalb des Querbalkens, der das Dach stützt. Die Bettbänke waren sämtlich von der Stelle gerückt. Es war dort ganz ungemütlich. Licht brannte während der Nacht in der Stube. Und als ungefähr ein Drittel der Nacht vorüber war, hörte Grettir von draußen ein gewaltiges Dröhnen; es stieg da etwas auf die Dächer und ritt auf dem Schlafzimmer und schlug mit den Fersen gegen das Dach, so daß es in allen Balken krachte. Das währte geraume Zen, dann kam es oben vom Dache herab und ging nach der Tür. Und als die Haustür geöffnet war, sah Grettir, daß der Knecht den Kopf hereinsteckte. und der erschien ihm schrecklich groß und ungeschlacht. Glam ging langsam und reckte sich lang aus, als er in die Tür kam; er ragte bis oben an die Dachbalken hinauf; er ging in die Stube und legte die Ellbogen auf das Gebälk und streckte den Oberkörper über die Querbalken in das Gemach hinein. Der Bauer ließ keinen Laut von sich hören, denn es schien ihm schon das entsetzlich genug, daß er das hörte, was draußen vorging. Grettir lag still und rührte sich nicht. Glam sah, daß ein Haufe auf dem Sitz lag, ging hinein in die Stube und packte den Pelz fest. Grettir stemmte sich gegen das Brett, und der Mantel blieb, wo er war. Glam zerrte zum zweiten Male, noch viel stärker, aber der Pelz bewegte sich nicht. Beim dritten Male riß er mit beiden Händen so gewaltsam, daß er Grettir vom Sitze empor in die Höhe sog, sie rissen den Mantel mitten zwischen sich entzwei. Glam beobachtete den Fetzen, den er in der Hand hielt, und wunderte sich sehr, wer ihn so kräftig gegen ihn gepackt haben möchte. In diesem Augenblick sprang ihm Grettir zwischen die Hände durch, faßte ihn mitten um den Leib, spannte seine Arme um Glams Rücken, so fest er konnte, indem er beabsichtigte, Glams Oberleib dadurch rückwärts zu beugen. Der Knecht aber ergriff Grettirs Arme so fest, daß er vor solcher Gewalt gänzlich nachgeben mußte denn seine Kräfte reichten nicht aus, sich aufrecht zu halten. Grettir wurde von einer Bank auf die andere gedrängt. Die Pfosten wurden ausgerissen, und alles zerbrach, was ihnen im Wege war. Glam wollte ihn hinaus erren, Grettir stemmte aber seine Füße gegen alles, was er erreichen konnte. Dennoch gelang es Glam, ihn aus dem Gemache zu zerren. Sie hatten da einen sehr starken Strauß, denn der Knecht beabsichtigte, ihn aus dem Hause hinaus zu bringen aber so schlimm es auch war, mit Glam drinnen etwas zu tun zu haben, das sah Grettir doch ein, daß es noch schlimmer war, sich draußen mit ihm einzulassen, und deshalb wehrte er sich mit allen Kräften dagegen, hinaus zu kommen. Glam strengte sich außerordentlich an und preßte ihn an sich heran, als sie an die Flurtür kamen. Und als Grettir sah, daß er die Füße nicht dagegen stemmen konnte, führte er zu gleicher Zeit zwei Handlungen aus: er sprang, so gewaltig er konnte, dem Knechte gegen die Brust und stemmte beide Füße zugleich gegen einen an der Tür fest im Boden stehenden Stein. Darauf war Glam nicht vorbereitet; er hatte gerade mit besonderer Kraftanstrengung Grettir an sich gezogen und dabei sich schon rückwärts gebeugt und vorne angestemmt; gerade deswegen stürzte er rückwärts aus der Tür, so daß seine Schultern gegen den über dem Türpfosten liegenden Querbalken stießen, und die Decke ging entzwei, sowohl die Balken und Sparren, als auch die zusammen gefrorenen Erd- und Rasenstücke, mit denen das Dach gedeckt war; so siel er mit ausgestreckten Armen rückwärts aus dem Hause hinaus und Grettir über ihn. Es war heller Mondschein draußen und durchsichtige Wolken; sie zogen bald vor ihm hin, bald von ihm weg. In dem Augenblicke nun, da Glam fiel, zog eine Wolke von dem Monde fort, und Glam stierte mit den Augen dagegen. Und so hat Grettir selbst gesagt, daß dies der einzige Augenblick war, der ibn mit Entsetzen erfülle hätte. Da wurde ihm so elend zumute, daß er aus Erschöpfung und weil er sah, wie Glam seine Augen rollen ließ, nicht vermochte sein Schwert zu gebrauchen, sondern fast zwischen Leben und Sterben lag. Darin hatte Glam eine furchtbarere Zaubermacht als die meisten übrigen Wiedergänger, daß er wie folgt sprach: "Du hast dich sehr bemüht, mit mir zusammenzutreffen, Grettir!" sagte er. "Und es wird nicht wunderbar scheinen, daß du nicht viel Glück durch mich erreichst . Auch muß ich dir sagen, daß du jetzt nur die Hälfte der Kraft und Stärke erhalten bast, die dir vom Schicksal bestimmt war, falls du nicht mit mir zusammengekommen wärest. Jetzt kann ich die Kraft nicht von dir nehmen, die du früher gehabt hast; aber das kann ich veranstalten, daß du nie stärker wirst als du jetzt bist, und doch bist du hinreichend stark, so daß es viele zu ihrem Schaden erfahren werden. Du hast bis jetzt Ruhm durch deine Taten errungen, aber von nun an werden dir verbannung und Mordtaten als Los zufallen, und die allermeisten deiner Taten werden sich dir zu Unglück und Mißgeschick verwandeln. Du wirst vogelfrei erklärt werden, und es ist dir bestimmt, beständig einsam in der Fremde wohnen. Den Fluch lege ich auf dich, daß diese meine Augen dir stets und ständig vor den Blicken stehen, wie ich sie habe; und es wird dich schwer bedünken allein zu sein, und das wird dich wohl zum Tode ziehen."Und wie der Knecht das gesprochen hatte, da wich die Ohnmacht von Grettir; die ihn wie befangen hielt. Er zog sein Schwert, hieb Glam den Kopf ab und setzte ihn an sein Gesäß. Da kam der Bauer heraus; er hatte sich angekleidet, während Glam seine Worte sprach, aber er hatte es nicht gewagt näher zu kommen, eh Glam gefallen war. Thorhall pries Gott und dankte Grettir herzlich, daß er diesen unreinen Geist besiegt hatte. Sie gingen dann daran und verbrannten Glam zu kalten Kohlen. Darauf taten sie seine Asche in einen Sack und gruben sie da ein, wo am wenigsten Schafweiden und Menschenpfade waren. Dann gingen sie nach Hause, und der Tag war schon ganz angebrochen. Grettir legte sich nieder, denn er war ganz steif. Thorhall schickte Boten zu den Leuten auf den nächsten Gehöften und zeigte und erzählte ihnen, was geschehen war. Allen, die es hörten, schien diese Tat großartig. Es wurde allgemein gesagt, daß im ganzen Lande, was Mut, Stärke und Gewandtheit beträfe, niemand wie Grettir Asmundarson wäre.
Thorhall entließ Grettir freundlich von seinem Hofe und gab ihm ein gutes Pferd und geziemende Kleider denn die er vorder
getragen hatte, waren ganz zerrissen. Sie schieden freundschaftlich voneinander. Grettir ritt von da nach Ass im Vatnsdalr. Thorvald nahm ihn gut auf und befragte ihn genau nach seinem Zusammenstoße mit Glam; Grettir erzählte ihm ihr Zusammentreffen und sagte, daß er niemals zu einer solchen Kraftprobe gekommen wäre, so lange hatte der Kampf gedauert , den sie miteinander gehabt hätten.Thorvald riet Grettir; sich nicht übermütig zu betragen:"Dann wird alles gut gehen, aber sonst kann es dir leicht zum Unglück ausschlagen."
Grettir sagte, daß sich seine Stimmung nicht gebessert hätte, er wäre jetzt viel weniger ruhig als früher und könne Kränkungen noch schlechter hinnehmen. In der Hinsicht war eine große veränderung mit ihm vorgegangen, daß er so furchtsam vor der Finsternis geworden war, daß er nirgends hingeben mochte, sobald es finster wurde. Es traten dann bei ihm allerlei Sinnestäuschungen auf, und es war später eine Redensart geworden, daß Glam denjenigen, die anders sehen als es wirklich ist, Augen leibi oder ihnen das Glamsgesicht gibt. Grettir ritt heim nach Bjarg, als er seine Unternehmungen vollendet hatte, und blieb den Winter über zu Hause.
36. Thorbjörn Langgereist verspottet
Grettir
Thorbjörn Ochsenkraft veranstaltete im Herbst ein großes Fest, und viele waren dazu eingeladen. Das geschah, während Grettir nordwärts nach dem Vatnsdalr im Herbste ritt. Thorbjörn Langgereist war auch bei dem Feste. Die Bewohner des Hrn fragten, wie es bei dem Kampfe zwischen Grettir und Kormak oben auf dem Bergrücken im Sommer hergegangen wäre. Thorbjörn Ochsenkraft rühmte Grettir sehr und sagte, es wäre Kormak schlecht ergangen, wenn man sie nicht getrennt hätte.
Da sprach Thorbjörn Langgereist: "Ich für mein Teil habe nicht gesehen, daß er, Grettir, Ehre beim Kampfe einlegte; auch glaube ich gewiß, daß er bange wurde, als wir kamen; und es war eine leichte Sache, ihn dahin zu bringen, vom
Kampfe abzulassen: auch sah ich nicht, daß er den geringsten versuch machte, die Ermordung von Atlis Knecht zu rächen, und darum glaube ich, daß er nicht viel Mut hat, wenn er die Übermacht nicht auf seiner Seite hat.Auf solche Weise machte sich Thorbjörn lustig über Grettir. viele antworteten, das wäre ein unnützer Scherz, und Grettir würde es nicht dabei sein Bewenden haben lassen, wenn er es erführe. Sonst geschah nichts auf dem Feste. Die Leute reisten nach Hause. Im Winter fielen Drohworte auf beiden Seiten, aber keiner griff den andern an. Der Winter verging, ohne daß etwas Besonderes geschah.
37. Grettir tötet vor seiner Abreise nach
Norwegen Thorbjörn
Zeitig im Frühjahr kam ein Schiff von Norwegen; es war vor Beginn des Allthings. Die Leute an Bord wußten mancherlei zu erzählen, vor allem, daß ein Häuptlingswechsel in Norwegen stattgefunden hatte. Olaf Haraldsson war König geworden, und der Jarl Svein hatte das Land räumen müssen im Frühjahr nach der Schlacht bei Nesjar. Es wurden viele merkwürdige Dinge über König Olaf erzählt, unter anderem auch, daß er gern alle Männer in sein Gefolge aufnahm, die sich irgendwie auszeichneten. Das waren gute Nachrichten für die jungen Burschen, und sie bekamen große Lust, ins Ausland zu reisen. So ging es auch Grettir. Er wollte auch nach Norwegen fahren und hoffte, sich Ehre und Ruhm bei dem Könige zu erwerben wie alle anderen. Ein Schiff hatte bei Gasir im Eyjafjördr überwintert; Grettir nahm sich einen Platz auf diesem Schiffe und traf Vorbereitungen für die Reise ins Ausland; eine große Ausstattung für die Reise hatte er nicht.
Asmund war nun sehr alt und hinfällig geworden und stand selten von seinem Bett auf. Er und Asdis hatten einen vielversprechenden Sohn, der Jllugi hieß, aber noch sehr jung war. Atli übernahm die Bewirtschaftung des Hofes und die verwaltung des vermögens. Alles schien jetzt viel besser zu gehen, denn Atli war sanftmütig und vorsichtig,
Grettir ritt nach dem Schiffe bin. Auf demselben Schiff hatte
Thorbjörn Langgereist einen Platz belegt, bevor man wußte; daß Grettir mitfahren wollte. viele rieten nun Thorbjörn davon ab, mit Grettir zusammen zu reisen, aber Thorbjörn erklärte, er führe trotzdem mit. Er machte sich fertig zur Fahrt ins Ausland, wurde aber ziemlich spät fertig. So kam er nach Gaseyri, als das Schiff schon klar zur Abfahrt da lag. Bevor Thorbjörn aufgebrochen war, war Asmund Härulang, Grettirs Vater krank geworden und hatte das Bett hüten müssen. Thorbjörn kam am Abend nach dem sandbedeckten Strande. Man sollte gerade speisen und war dabei, sich die Hände draußen an den Buden zu waschen. Als Thorbjörn durch den Seien Platz zwischen den Buden 1 hindurch ritt, begrüßte man ihn und fragte ihn nach Neuigkeiten.Er sagte, er wüste nichts zu erzählen, " es sei denn, daß ich glaube, der Kämpe Asmund auf Bjarg ist jetzt tot."
viele meinten, da wäre ein angesehener Bauer von hinnen gefahren. Aber wie ist es zugegangen Sagten sie
Er antwortete: Es ist dem Kämpen schlecht ergangen; er erstickte wie ein sund im Stubenrauche; aber groß schade um ihn ist es nicht; denn er war vor Alter ganz kindisch."
Sie antworteten: "Du redest unpassend über einen Mann wie Asmund! Und das würde Grettir nicht behagen, wenn er es hörte."
"Das kümmert mich nicht," sagte Thorbjörn. "Grettir muß sein Schwert höher schwingen als im letzten Sommer auf dem Hrutafjardarhals, wenn ich Angst vor ihm haben soll."
Grettir hörte jedes Wort, das Thorbjörn sagte, aber ließ sich nichts merken, solange er redete; jedoch als er schwieg, sagte er: "Das weissage ich dir, Langgereist sagte er, "daß du nicht im Stubenrauch stirbst, aber es kann auch kommen, daß du nicht ein hohes Alter erreichst; unpassend ist es. höhnische Worte über einen schuldlosen Mann zu äußern."
Thorbjörn sprach: Das soll mich nicht abhalten; aber mich dünkt, daß du minder große Worte gebrauchst, damals als 1
Wundenschlangen —Schwinger! 2 Schnell die Zunge schnellt dir, Rache für rasches Reden Leicht den Frevler erreicht. Mancher Mann verübte Minder schwere Sünde Langgereist! Sein Leben Ließ er bald für diese. |
Thorbjörn sprach: "Deine Redereien bringen mich nicht dem Tode näher."
Grettir antwortete: "Meine Weissagungen pflegen bald in Erfüllung zu gehen, und so wird es auch diesmal der Fall sein. Nimm dich darum in acht wenn du willst; später wird es eine bessere Gelegenheit nicht geben."
Danach hieb Grettir nach Thorbjörn; dieser wollte den Hieb mit dem Arm abwehren. Der Hieb traf den Arm oberhalb des Handgelenkes. und von da sprang das Schwert nach dem Halse, so daß der Kopf vom Körper getrennt wurde. Die Kaufleute sagten, dieser Mann teilte gewaltige Hiebe aus, solche Männer wären geeignet, um bei einem König in den Dienst zu treten; aber es dünkte sie kein großer Schade, daß Thorbjörn erschlagen war, denn er war zanksüchtig und spottlustig gewesen. Balddarauf stachen sie in See und kamen gegen Ende des Sommers nach Hördaland in Norwegen. Hier hörten sie, daß König Olaf Nördlich in Drontheim war. Grettir verschaffte sich einen Platz an Bord eines Handelsschiffes, denn er wollte zum König.
38. Grettir wird unschuldig wegen Brandstiftung
angeklagt
Thorir hieß ein Mann, der auf Gardr im Adaldalr wohnte. Er war der Sohn des Skeggi, des Sohnes des Bödolf.
von Grettir und seinen Gefährten ist zu sagen, daß sie zu derselben Zeit nordwärts die Küste entlang fuhren; sie hatten oft schlechtes Wetter, denn es war Winters-Anfang. Auf der Reise bekamen sie südlich von Stadtland einen Schneesturm mit strengem Frost erreichten eines Abends mit Mühe und Not Land und waren von den Anstrengungen ganz ermattet. Da wo sie landeten, war eine geringe Erhebung des Bodens am Strande, und sie konnten dort ihr Hab und Gut und die Lebensmittel
bergen. Die Kaufleute klagten und jammerten, daß sie kein Feuer hätten, denn darauf beruhte nach ihrer Meinung ihr Leben und ihre Gesundheit. So lagen sie da am Abend, in dieser traurigen Verfassung. Spät am Abend bemerkten sie, das ein großes Feuer auf der anderen Seite des Sundes, wo sie waren, sichtbar wurde. Als Grettirs Schiffsgefährten das Feuer sahen, sagten sic, daß der glücklich wäre, der Feuer hätte, und sie dachten einen Augenblick daran, das Schiff loszumachen und über den Sund zu rudern, aber es schien ihnen doch mit zu großer Gefahr verbunden zu sein. Sie redeten viel darüber, ob es denkbar wäre, daß irgend jemand Feuer holte. Grettir mischte sich nur wenig in ihr Gespräch und sagte nur, daß man früher Männer gefunden haben würde, die das nicht gehindert hätte. Die Kaufleute antworteten, ihre Lage wäre deshalb um nichts besser, weil es früher solche Männer gegeben hätte, wenn sich nicht jetzt jemand fände, der dazu imstande wäre. "Oder getraust du dich, Grettir, das Feuer zu holen "sagten sie. "Denn du giltst ja als der tüchtigste und geschickteste aller Isländer, und du weißt, wieviel uns daran gelegen ist."Grettir antwortete:" Es ist keine Heldentat, das Feuer zu holen, aber ich weiß nicht, ob der Lohn nach verdienst ausfällt, wenn ich es tue."
Sie sprachen: "Warum hältst du uns für solch schändliche Leute, daß wir es dir nicht gut lohnen sollten:"
"So will ich es versuchen, da ihr so viel Wert darauf legt; aber mir ahnt, daß für mich nicht viel Gutes dabei herauskommen wird.
Sie sagten, das würde niemals eintreten und wünschten ihm alles Gute und alles Glück.
Darauf machte sich Grettir zum Schwimmen fertig und warf die Kleider von sich. Er zog einen Mantel an und grobe Hosen; er schürzte den Mantel auf und schlang sich ein Bastseil mitten um den Leib, ein Gefäß hatte er auch bei sich. Darauf sprang er über Bord. Er schwamm quer über den Sund und ging an Land. Er sah da ein Haus stehen und hörte Stimmen und viel lustiges Lärmen aus der Richtung. Grettir ging auf das Haus zu.
Die Leute, die darin saßen, waren Thorirs früher erwähnte Söhne und ihre Begleiter. Sie hatten sich hier mehrere Nächte aufgehalten und auf günstigen Fahrwind gewartet, um nordwärts nach Stadtland zu gelangen. Sie waren im ganzen zwölf und saßen und tranken. Sie lagen in dem inneren Hafen, und dort hatte man den Leuten eine Herberge zum Aufenthalt gebaut, die die Küste entlang fuhren, eine Menge Stroh war gestreut. Ein großes Feuer brannte auf dem Fußboden. Grettir ging in das Haus hinein und wußte nicht, wer diese Leute waren. Der Mantel war ganz mit Eis bedeckt, sobald er an Land kam, und er war furchtbar groß anzusehen, wie wenn er ein Riese wäre. Die Leute. die drinnen waren, erschraken bei seinem Anblick und glaubten, daß er ein Unhold wäre. Sie schlugen nach ihm mit allem, was sie zu fassen kriegten, und es entstand ein großer Lärm. Aber Grettir stieß sie mit den Armen von sich. Einige schlugen mit Feuerbränden nach ihm, die Funken flogen durch das ganze Haus. Er entschlüpfte mit dem Feuer und kehrte zu seinen Gefährten zurück. Sie rühmten sehr seinen Weg und seine Tapferkeit und sagten, er hätte nicht seinesgleichen. Nun verging die Nacht; und sie sahen sich als gerettet an, weil sie Feuer bekommen hatten. Am nächsten Morgen war das Weiter gut. Die Kaufleute erwachten zeitig und machten sich fertig, weiter zu segeln. Sie sprachen davon, die Leute zu besuchen, die das Feuer angezündet hatten, um zu wissen, wer sie wären. Sie machten das Schiff los und ruderten über den Sund. Sie fanden da kein Gebäude mehr, sondern sahen dort einen großen Haufen Asche, und darin fanden sie viele Menschenknochen. Es war ihnen nun klar, daß die Unterkunftshütte mit all den Leuten, die darin gewesen waren, bis auf den Grund niedergebrannt war. Sie fragten Grettir, ob er schuld an diesem Unglück wäre, und sagten, das wäre eine ganz gemeine Tat. Grettir erwiderte, jetzt wäre erfüllt, was er geahnt hätte, daß sie ihm sein Feuerholen schlecht lohnen würden, und fügte hinzu, Kerlen von so erbärmlicher Gesinnung sollte man niemals helfen. Davon hatte Grettir großen verdruß, daß die Kaufleute überall, wo sie hinkamen, erzählten, Grettir hätte diese Leute verbrannt. Man erfuhr
bald, daß es Thorirs Söhne von Gardr waren, die Suber erwähnt worden sind, die in diesem Hause ihren Tod gefunden hätten, und ihre Begleiter. Die Kaufleute jagten Grettir von ihrem Schiffe fort und wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er wurde nun so verachtet, daß keiner ibm etwas Gutes antun wollte. Die Aussichten schienen ihm recht kläglich zu sein, aber jetzt wollte er um jeden Preis zum Könige fahren und reiste deswegen nordwärts nach Drontheim. Der König hielt sich dort auf und war bereits von allein unterrichtet, ehe Grettir kam; er war sehr beim Könige verleumdet worden. Grettir war einige Zeit in der Stadt, ehe er es erlangte; zum Könige zu gehen.
39. Grettirs Wunsch, sich durch die Feuerprobe
zu reinigen, wird vereitelt
Es begab sich eines Tages, als der König zu Gericht saß, daß Grettir vor ibn trat und ibn grüßte. Der König sah ihn an und Sagte: "Bist du Grettir der Starke
Er antwortete: "So hat man mich genannt; und ich bin hierher gekommen, weil ich von Euch etwas Hilfe gegen die üble Nachrede erhoffe, die man gegen mich erhebt; denn mich dünkt, daß ich unschuldig an dem bin, was geschehen ist."
König Olaf sprach: Wacker siehst du aus; aber ich weiß nicht, ob es dir gelingt, dich von diesen Anschuldigungen zu reinigen, und doch ist es wahrscheinlich, daß du nicht mit Absicht diese Männer verbrannt hast."
Grettir sagte, er wünschte sehr; sich von dieser Anschuldigung zu reinigen, wenn der König meinte, daß es möglich wäre. Der König gebot ihm, die volle Wahrheit zu erzählen wie es zugegangen wäre. Grettir sagte da alles, was füher erzählt worden ist, und fügte hinzu, daß sie alle am Leben gewesen wären, als er mit dem Feuer fortging. "Ich erbiete mich zu jedem Unschuldsbeweise, wie das Gesetz Euch zu erfordern scheint."
König Olaf sprach: "Wir wollen dir erlauben, glühendes Eisen zu tragen, um dich zu reinigen, und damit wir sehen, ob es dir gelingt."
Grettir war damit einverstanden. Er begann nun zu fasten für die Feuerprobe, und so verstrich die Zeit bis zu dem Tage, da die Beweisführung durch das Gottesgericht erfolgen sollte. Da ging der König nach der Kirche und der Bischof und eine Menge Volks denn alle waren neugierig, Grettir zu sehen, so viel war über ihn geredet worden. Danach wurde Grettir in die Kirche geführt. Und als er nach der Kirche kam, blickte die Menge, die dort versammelt war, auf ihn und sagte, er wäre den meisten ungleich an Kraft und Wuchs. Grettir ging nun den Mittelgang der Kirche hinauf, da sprang ein fast erwachsener häßlicher Bursche vor und sagte zu ihm: "Wunderliche Sitten gibt es in diesem Lande, wo die Leute sich Christen nennen; Übeltäter und Räuber und Diebe gehen in Frieden und dürfen sich reinigen; kann man anderes von einem Missetäter erwarten, als daß er versucht, sein Leben zu retten, wenn sich ibm die Gelegenheit dazu bietet: Hier ist nun ein Bösewicht, der seiner Schandtaten überführt ist und unschuldige Leute verbrannt hat, und doch soll er den Unschuldsbeweis antreten. und das ist eine große Schande." Er ging auf Grettir zu, zeigte mit dem Finger auf ihn, schnitt ihm Fratzen und schalt ihn Sohn eines Meerweibes und mit vielen anderen häßlichen Namen. Grettir wurde ärgerlich und verlor seine Selbstbeherrschung. Er schlug den Burschen mit der geballten Faust hinter die Ohren, so daß er alsbald in Ohnmacht fiel, und einige sagen, er währe sogleich gestorben. Aber keiner konnte sagen, woher er gekommen sei, oder was aus ihm geworden wäre; die meisten glauben, daß er ein unreiner Geist war, Grettir zum Unheil gesandt. Lauter Lärm erhob sich in der Kirche, und es wurde dem Könige gemeldet, daß der, der das Eisen tragen sollte, eine Schlägerei angefangen hätte. König Olaf schritt vorn in die Kirche und sah, was es gab. Er sagte: "Du bist ein Unglücksmensch, Grettir! Nun kann nichts aus der Feuerprobe werden nach dem, was geschehen ist; es wird nicht leicht werden, gegen dein Unglück anzukämpfen ."
Grettir antwortete: "Ich hatte gehofft, Herr, größere Ehren bei Euch meines Geschlechtes wegen zu erlangen als es sich
jetzt ansehen läßt," und er sagte, daß viele ihr Glück bei König Olaf gemacht hätten, wie früher erzählt worden ist. "Gerne möcht ich," sagte Grettir, "daß Ihr mich in Euern Dienst nehmt, und ich glaube, Ihr habt gar manchen um Euch, der nicht mutiger und tapferer ist als ich.""Ich sehe wohl," erwiderte der König, "daß wenige sich mit dir an Stärke und Tapferkeit messen können. aber du bist ein solcher Unglücksmensch, daß du nicht bei uns sein darfst. Nun kannst du dich in Frieden hier im Lande aufhalten, wo du willst, den Winter über, aber im Sommer mußt du zurück nach Island reisen, denn dort, ist es des Schicksals Wille, sollst du dein Haupt zur letzten Ruhe legen.
Grettir entgegnete: "Zuerst möchte ich mich von der Anklage der Brandstiftung reinigen, wenn es möglich ist, denn ich habe es nicht aus vorsatz getan."
"Das dünkt mich wahrscheinlich," sagte der König. "Aber weil du das Gottesurteil durch deine Ungeduld unbrauchbar gemacht hast, so kannst du in dieser Sache nicht mehr ausrichten, als was bereits geschehen ist; Unbesonnenheit erzeugt stets verdruß; und wenn je ein Mensch sum Unglück geboren ist, so bist du es vor allen anderen."
Darauf hielt sich Grettir noch eine Weile in der Stadt auf; richtete aber bei König Olaf nicht mehr aus, als was jetzt erzählt ist. Danach reiste er südwärts im Lande und beabsichtigte sich dann ostwärts nach Tönsberg zu wenden, um seinen Bruder Thorstein zu besuchen. Und von seiner Reise weiß man nichts zu sagen, ehe er ostwärts nach Jäderen kam.
40. Grettir tötet den Berserker
Snäkoll
Zur Julzeit kam Grettir zu einem Bauern namens Einar. Er war ein reicher Mann, verheiratet und hatte eine heiratsfähige Tochter mit Namen Gyrid; sie war ein hübsches Mädchen und galt als eine gute Partie. Einar bat Grettir ihm über Weihnachten zu bleiben, und er nahm es an.
Damals geschah es oft in Norwegen, daß Waldbewohner und Räuber aus den Wäldern an der schwedischen Grenze
hervorkamen und die Männer zum Holmgang forderten, um ihnen ihre Frauen wegzunehmen oder ihnen ihr Hab und Gut zu rauben, wenn nicht Leute genug da waren, um Widerstand zu leisten. So geschah es eines Tages zur Julzeit, daß eine große Menge Räuber zu Einar kamen. Der an ihrer Spitze stand, hieß Snäkoll; er war ein gewaltiger Berserker. Er forderte den Bauer Einar auf, ihm seine Tochter zu überlassen oder sie ihm streitig zu machen, wenn er sich dazu Mannes genug dünkte. Der Bauer war damals nicht jung genug mehr und kein Krieger. Er sah sich einer übeln Lage und Sagte Grettir im Stillen, wozu er ihm riete: "Denn du bist ein berühmter Mann."Grettir bai ihn, nur in das einzuwilligen, was nicht entehrend wäre. Der Berserker saß zu Roß, hatte einen Helm auf dem Haupt, aber die Schuppenketten seines Helms waren unten nicht geschlossen; er hatte einen Schild mit einem eisernen Rande vor sich und gebärdete sich gar schrecklich. Er sprach zu dem Bauer: "Triff schnell deine Wahl! Was flüstert dir der lange Kerl zu, der neben dir steht Will er etwa ein Spiel mit mir wagen "
Grettir sagte: "Es geht mir wie dem Bauer, keiner von uns versteht etwas vom Kriegshandwerk."
Snäkoll sprach: "Bange würdet ihr werden, wenn ich zornig würde."
"Das weiß man, wenn man es erprobt hat," sagte Grettir. Der Berserker merkte, daß man die Sache durch Redensarten hinhalten wollte. Er begann darum laut zu heulen und nahm den Schild in den Mund, sperrte das Maul über den obern Schildrand, biß mit den Zähnen hinein und tat gar grausig. Grettir lief über den Platz, und als er neben das Pferd des Berserkers gekommen war, trat er mit dem Fuße so mächtig gegen den zugespitzten unteren Teil des Schildes, daß der Schildrand dem Berserker ganz in den Mund drang, so daß der Unterkiefer zerriß und ihm auf die Brust niederhing. Zu gleicher Zeit packte Grettir mit der Linken den Helm, riß den Wiking vom Roß herunter, mit der Rechten zog er sein kurzes Schwert, das er umgegürtet hatte, und schlug ihm gegen den
Hals, so daß der Kopf vom Körper rollte. Als Snäkolls Begleiter das sahen, flohen sie davon. Grettir hatte kme Lust sie zu verfolgen, denn er sah, daß sie feige Kerle waren. Der Bauer dankte ihm sehr für diese Tat, und viele andere mit ihm. Man war sich darin einig, daß Grettir diese Tat mit Schnelligkeit und Tapferkeit ausgeführt hätte. Grettir blieb nun die Weihnachtszeit über bei dem Bauer, in hohem Ansehen; der Bauer entließ ibn aus seinem Hofe mit guten Gaben. Grettir reiste darauf ostwärts nach Tönsberg und besuchte seinen Bruder Thorstein. Der nahm Grettir herzlich auf, Sagte ihn nach seiner Reise und erfuhr, daß er den Berserker erschlagen hätte. Grettir sprach die Weise:Durch die Speisenpforte 1 Drang der Schild der blanke; Mit dem Fuß einen Tritt ver- Setzt ich dem verletzten. Und der schwere Schild schlug Seiner Zähne Reiben: Bis zur Brust der Kiefer Klappte nieder schnappend. |
Thorstein sprach: "Manche tüchtige Tat hast du verrichtet, lieber Bruder! Wenn nur das Unglück dich nicht verfolgen wollte!"
Grettir antwortete: "Man spricht von dem, was getan wird."
41. Thorstein Dromund verspricht
Grettirs Tod zu rächen
Den Rest des Winters bis in das Frühjahr hinein hielt sich Grettir bei Thorstein auf. Es geschah eines Morgens , als die Brüder Thorstein und Grettir in ihrem Schlafzimmer im oberen Stock lagen, daß Grettir seine Arme über das Bettzeug gelegt hatte; Thorstein erwachte und sah es. Grettir erwachte ein wenig später,
Da sprach Thorstein: "Ich habe deine Arme gesehen, Bruder, sagte er. "Es ist mir gans erklärlich, daß viele deine Hiebe 1
"Es ist doch offenbar;" antwortete Grettir, "daß, wenn ich nicht so außerordentlich stark wäre, ich niemals das ausgeführt hätte, was ich getan habe."
"Besser dünkte es mich," sagte Thorstein, "daß deine Arme etwas dürrer wären, aber dir mehr Glück brächten."
Grettir antwortete: "Das ist ein wahres Wort, daß keiner sich selbst schafft. Laß mich nun deine Arme sehen," sagte er.
Thorstein tat es. Er war sehr lang und von schmächtigem Aussehen. Grettir lächelte und sprach: "Die brauche ich nicht lange anzusehen; man kann ja die Rippen in deinem Leibe zählen; ich glaube, ich habe niemals so dünne Zangen gesehen wie deine Arme; fast möchte ich glauben, du hast Kräfte wie eine Frau."
"Das mag wohl sein," sagte Thorstein. "Aber das sollst du doch wissen, daß diese dürren Arme dich rächen werden, sonst wirst du niemals gerächt werden."
"Niemand weiß, was geschieht, ehe das Ende da ist. sagte Grettir. "Aber ganz unwahrscheinlich kommt es mir vor."
Mehr wird nicht über ihr Gespräch berichtet. Das Frühjahr ging zu Ende; Grettir bestieg ein Schiff und fuhr im Sommer nach Island zurück. Die Brüder schieden in Freundschaft; sie sahen sich niemals wieder.
42. Grettirs Vater stirbt
Die Erzählung wird nun da wieder aufgenommen, wo sie früher abgebrochen war, daß nämlich Thorbjörn Ochsenkraft den Tod des Thorbjörn Langgereist erfuhr, wie vorher berichtet worden ist. Er wurde sehr zornig und gab zu verstehen, daß er schon Gelegenheit finden würde, sich an einem aus Grettirs Hause zu rächen. Asmund Langhaar lag lange krank während des Sommers, und da er merkte, daß sein Ende nahte, rief er seine Familie zu sich und sagte, es wäre sein Wille, daß ?litt nach seinem Tode die Bewirtschaftung des Hofes übernähme. "Aber ich fürchte," sagte Asmund" daß du kaum Gelegenheit hast, in Frieden zu leben, wegen der Unbilligkeit
anderer Menschen. Darum wünsche ich, daß alle meine Verwandten ihm beistehen, so gut sie können. Über Grettir kann ich keine Bestimmungen treffen, denn sein Glück scheint mir auf rollendem Rade zu ruhen. Und obwohl er ein starker Mann ist, fürchte ich doch, daß er mehr mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben wird, als dass-er imstande ist, seinen verwandten zu helfen. Obwohl Jllugi noch jung ist, wird er doch ein tüchtiger Mann werden, wenn er Leben und Gesundheit behält." Und nachdem Asmund seine Söhne angewiesen hatte, was geschehen sollte, verschlechterte sich sein Zustand; und er starb bald darauf und wurde in Bjarg begraben, denn Asmund hatte dort eine Kirche bauen lassen; sein Tod schien allen Leuten im Bezirk ein großer Verlust zu sein.Ätti wurde ein angesehener Bauer und hielt viele Leute auf seinem Hofe; er war ein tüchtiger Landwirt. Gegen Ende des Sommers zog er nach der Snäfellsnes-Halbinsel, um getrocknete Fische zu holen. Er trieb viele Pferde zusammen und ritt nach Melar am Hrutafjördr zu seinem Schwager Gamli. Grim Thorhallsson, Gamlis Bruder, und außerdem noch ein Mann, schloß sich ihm an. Sie ritten westwärts über das Haukadalsskard und dann direkt nach Snäfellsnes. Sie kauften dort viele gedörrte Fische und luden sie auf sieben Pferde; als sie fertig waren, ritten sie nach Hause.
43. Ätti und Grim töten die Söhne des
Thorir von Skard
Thorbjörn Ochsenkraft hatte erfahren, daß Ätti und Grim nach Hause gereist wären. Gunnar und Thorgeir, die Söhne des Thorir von Skard, waren bei ihm. Atlis Beliebtheit erregte Thorbjörns Mißgunst, und darum hetzte er die Brüder, die Söhne des Thorir auf, Atli einen Hinterhalt zu legen, wenn Ätti und seine Begleiter heimritten. Sie ritten nach dem Hofe Skard und warteten dort, bis Ätti mit seinen bepackten Pferden vorbeikam. Als sie an dem Gehöft vorüberritten, sahen die Brüder sie, brachen sogleich mit ihren Knechten auf und setzten ihnen nach. Aber als Ätti sie heranreiten sah, gebot er seinen Knechten die Lasten vom Rücken der Rosse
herunterzunehmen: "Sie werden mir Buße bieten wollen meinen Knecht, den Gunnar im vorigen Sommer erschlagen hat; wir wollen sie nicht zuerst angreifen, sondern uns nur unserer Haut wehren, wenn sie anfangen."Die Brüder kamen nun heran und schwangen sich aus dem Sattel. Arti begrüßte sie und Sagte nach Neuigkeiten: "Oder willst du mir Buße geben für meinen Knecht, Gunnar:"
Gunnar antwortete: "Etwas ganz anderes habt ihr Leute von Bjarg verdient als Buße zu empfangen; eher sollte Buße für Thorbjörn gezahlt werden, den Grettir erschlagen hat."
"Dafür bin ich nicht verantwortlich, entgegnete Atli. "Außerdem kommt es dir nicht zu, dein Recht in dieser Angelegenheit geltend zu machen."
Gunnar sagte, er wolle die Sache betreiben: "Wir wollen sie angreifen und uns zu nutze machen, daß Grettir nicht dabei -
Sie stürmten auf Atli los und waren zusammen acht; aber Ätti und seine Mannen waren sechs. Ätti ging seiner Schar voran und schwang das Schwert Jökulsnaut, das Grettir ihm gegeben hatte. Da rief Thorgeir höhnisch:"Tapfere Leute gleichen einander in vielen Dingen; aber höher schwang Grettir das Schwert im vergangenen Sommer auf dem Hrutaffardarbals :"
Ätti antwortete: "Er ist auch mehr geübt in Kriegstaten als ich.
Danach begannen sie den Kampf. Atli drang so heftig vor, daß Gunnars Begleiter zurückwichen. Er tötete zwei von dem Gefolge der Brüder. Da sprach Ätti: "Dabei gewinnen wir keine Ehre, wenn wir uns gegenseitig die Knechte töten, laßt uns jetzt allein kämpfen, obwohl ich noch nie zuvor mit den Waffen in der Hand gekämpft habe" . Gunnar wollte das nicht Atli gebot seinen Knechten auf die bepackten Pferde acht zu geben: "Aber ich will erst sehen, was sie machen." Gunnar griff Ätti mit rasendem Ungestüm an. Und als sie eine Weile gekämpft hatten, wandte sich Ätti plötzlich gegen Gunnar und schlug nach ihm, so daß der Schild unterhalb der Handhabe quer gespalten wurde; dann traf der Hieb das Bein unterhalb
des Knies, und augenblicklich holte er zu einem neuenSchlage aus und brachte ihm eine tödliche Wunde bei.
Nun ist von Grim Thorhallsson zu sagen, daß er sich gegen Thorgeir wandte, und sie kämpften lange, denn sie waren beide tapfere Männer. Thorgeir sah seinen Bruder fallen und wollte fliehen. Grim lief ihm nach und verfolgte ihn, bis Thorgeir strauchelte und vornüber stürzte. Da hieb ihm Ätti mit einer lit zwischen die Schultern, so daß sie tief eindrang. Dann schenkten sie den drei Knechten, die übrig geblieben waren, das Leben. Darauf verbanden sie ihre Wunden, packten den Pferden die Lasten wieder auf, ritten dann heim und verkündeten, wen sie erschlagen hatten. Atli blieb den Herbst über daheim und hatte viele Leute auf seinem Hofe. Thorbjörn Ochsenkraft war sehr aufgebracht darüber, konnte aber nichts gegen Ätti ausrichten, denn Atli war sehr vorsichtig. Grim war während des Winters bei ihm, und ebenso Gamli, Atlis Schwager, Ein anderer Schwager von ihm, Glam Öspaksson, war auch da; er wohnte auf dem Hof Eym am Bitrufjördr. viele Leute hatten also auf Bjarg längeren Aufenthalt genommen, und es ging dort den Winter über sehr lustig zu.
44. Vergleich zwischen Ätti und
Thorbjörn
Thorbjörn Ochsenkraft nahm die Anklage wegen Tötung der Söhne des Thorir in die Hand. Er strengte den Prozeß gegen Grim und Atli an, aber diese erhoben die Abwehrklage auf Unheiligkeit 1 der Gefällten wegen Angriffs und Überfalls. Die Sache wurde vor das Frühlingsthing am Hunavatn gebracht, und beide Parteien versammelten eine Menge Leute. Atli hatte ein sehr zahlreiches Gefolge, denn seine verwandten waren viel und mächtig. Die Freunde beider Parteien nahmen sich der Sache an und suchten einen Vergleich herzustellen; alle sagten, Atli wäre ein wackerer Mann, der keine veranlassung zum Streiten suchte; aber tapfer wäre, wenn es darauf ankäme. Thorbjörn merkte, daß das Ehrenvollste, das
45. Thorbjörn ermordet Ätti
Thorbjörn Ochsenkraft hatte einen Knecht namens Ali. Er war ziemlich unzugänglich und faul. Thorbjörn forderte ihn auf, besser zuzufassen, sonst bekäme er Prügel, sagte er. Ali antwortete, er hätte keine Lust mehr zu arbeiten, als er täte, und war sehr bockbeinig. Thorbjörn verlor die Geduld, warf ihn zu Boden und mißhandelte ihn. Darauf lief Ali aus seinem Dienst fort und zog nordwärts über die Höhe bis um Midfjördr; er hörte nicht eher auf, als bis er nach Bjarg kam. Atli war daheim und Sagte, wohin er wollte. Er sagte, er suche einen Dienst.
"Bist du nicht Thorbjörns Arbeiter:" Sagte Ätti.
"Wir kamen beide nicht gut miteinander aus," antwortete Ali. "Ich war nicht lange dort, und mir gefiel es nicht sonderlich, solange ich dort war. Wir schieden so, daß nicht viel fehlte und er hätte mich erdrosselt; ihm nehme ich niemals wieder Dienst, was auch aus mir werden mag. Das ist auch wahr, daß ein großer Unterschied ist, wer von euch beiden am leichtesten Gesinde bekommt. Ich würde gern bei dir arbeiten, wenn es möglich wäre."
Ätti entgegnete: "Ich habe Arbeiter genug und habe nicht nötig, Thorbjörn die Leute wegzunehmen, die er gemietet hat, auch traue ich dir nicht viel Tüchtigkeit im Arbeiten zu, geh wieder hin zu ihm"
Ali sprach: "Wenn ich nicht gezwungen werde, gehe ich nicht dahin."
Ali blieb die Nacht über da, am Morgen machte er sich mit Atlis Knechten an die Arbeit und schaffte so, wie wenn er am ganzen Körper Hände hätte. So blieb es mit Ali bis Ende des Sommers. Ätti kümmerte sich nicht weiter um ihn, ließ ihm aber doch Essen geben, weil er seine Arbeit zur Zufriedenheit tat. Thorbjörn erfuhr nun, daß Ali auf Bjarg war. Er ritt selbdritt dahin und bat Atli um eine Unterredung. Ätti ging hinaus und begrüßte ihn.
Thorbjörn sprach: "Schon wieder willst du, Ätti, die alten Kränkungen gegen mich erneuern; warum hast du meinen Arbeiter aufgenommen Das ist unrecht!"
Ätti antwortete:"Ich habe keine Beweise dafür gesehen, daß er dein Arbeiter ist, aber ich will ihn nicht halten, wenn du beweisen kannst, daß er dein Knecht war; doch habe ich keine Lust ihn zur Tür hinauszuwerfen." "
Entschließe dich" sagte Thorbjörn. "Ich fordere den Mann von dir und verbiete dir, seine Dienste auszunutzen. Komme ich ein andermal zu dir, so ist es nicht sicher, daß wir als so gute Freunde scheiden wie jetzt,"
Atli antwortete: "Zu Hause warte ich und nehme entgegen, was auch kommen mag."
Danach ritt Thorbjörn heim. Als das Arbeitsvolk am Abend
nach Hause kam, erzählte Atli sein Gespräch mit Thorbjörn und forderte Ali auf, seine Straße zu ziehen und erklärte, er wolle nicht, daß er sich länger bei ihm aufhielte.Ali antwortete: "Wahr ist doch das alte Sprichwort: ,die Leute, die am meisten gelobt werden, sind die ersten, die unser vertrauen täuschen'. Ich hätte niemals geglaubt, daß du mich fortjagen würdest, nachdem ich mich hier im Sommer schier zu Tode geschuftet habe, und ich hätte eher erwartet, daß du mir Schutz gegen feindliche Angriffe gewähren würdest; aber so geht es mit euch, wieviel Gutes man auch von euch glaubt erwarten zu dürfen. Nun will ich mich hier vor deinen Augen ausprügeln lassen, wenn du mir nicht helfen willst."
Bei dieser Rede schlug Anis Stimmung um, und er hatte nicht das Herz ihn fortzujagen. Nun verging die Zeit, und die Männer begannen die Heumahd.
Es geschah eines Tages kurz vor Mittsommer, daß Thorbjörn Ochsenkraft nach Bjarg ritt. Er hatte einen Helm auf dem Haupte, ein Schwert an der Seite und einen Spieß in der Hand, der ein breites, flaches Blatt an der Spitze hatte. Es regnete an dem Tage. Atli hatte einige von seinen Knechten nach der Heuernte geschickt, andere waren nordwärts bei Hornstrandir auf Fischerei. Atli war zu Hause mit einigen wenigen Leuten. Thorbjörn kam etwa gegen Mittag nach Bjarg. Er war ganz allein und ritt bis an die Tür. Sie war geschlossen und niemand draußen. Thorbjörn klopfte an die Tür und ging dann hinten um das Haus herum, so daß ihn niemand von der Tür aus sehen konnte. Das Gesinde hörte, daß jemand klopfte; und eine Frau ging hinaus. Thorbjörn sah die Frau einen Augenblick, ließ sich aber selbst nicht sehen, denn er hatte anderes vor. Sie ging wieder in die Stube. Ätti fragte, wer draußen wäre. Sie antwortete, sie hätte niemand gesehen. Und als sie das redeten, klopfte Thorbjörn mächtig gegen die Tür,
Da sprach Atli: "Dieser Mann will mich treffen; und er hat eine Botschaft an mich, die ja sehr eilig zu sein scheint." Er ging aus der Stube nach der Haustür und blickte hinaus. Er sah niemand draußen. Es regnete jetzt stark, und darum trat
er nicht ins Freie, sondern hielt sich mit einer Hand an den Türpfosten und blickte sich um. In diesem Augenblicke sprang Thorbjörn vor die Tür und stieß mit beiden Händen den Spieß Atli mitten durch den Leib.Atli sprach, als er den Stoß bekam: "Die breiten Spieße, sie werden Mode,"sagte er. Danach fiel er vornüber auf die Türschwelle. Nun kamen die Frauen heraus, die in der Stube gewesen waren. Sie sahen, daß Atli tot war. Thorbjörn war auf den Rücken seines Rosses gekommen, erklärte, daß er der Mörder wäre und ritt dann beim. Asdis sandte Boten nach den Leuten und traf die Vorbereitungen zu Atlis Begräbnis; er wurde an der Seite seines Vaters begraben. Sein Tod betrauert, denn er war klug und beliebt gewesen. Keine Buße wurde für Atlis Ermordung gezahlt, überhaupt nicht beansprucht, denn es kam Grettir zu, den Totschlag zu verfolgen , wenn er heim kam. So wurde nicht an diese Sache gerührt während des Sommers. Thorbjörn wurde wegen dieser Tat wenig günstig beurteilt, doch saß er in Frieden auf seinem
46. Grettir wird auf dem Allthing friedlos
erklärt
Diesen Sommer, von dem erzählt worden ist, kam ein Schiff vor Beginn des Allthing nach Gasir. Hier bekam man Nachrichten über Grettirs Reise, und das Schiffsvolk erzählte auch von dem Hausbrand. Bei diesen Erzählungen wurde Thorir auf Gard äußerst aufgebracht, und er glaubte, er müßte den Tod seiner Söhne an Grettir rächen. Thorir ritt mit zahlreichem Gefolge nach dem Thing und klagte hier Grettir an, seinen Söhnen das Haus über dem Kopf angezündet zu haben; aber die Leute glaubten, sie könnten nichts dazu sagen, weil keiner zur Antwort da war. Thorir erklärte, er wolle auf jeden Fall Grettir friedlos erklärt sehen in dem ganzen Lande wegen solcher Untaten.
Da gab ber Gesetzessprecher sein Gutachten dahin ab: "Natürlich ist das eine große Schandtat, wenn dem so ist, wie gesagt wird; aber man weiß nur die halbe Wahrheit, wenn man nur
die eine Paris hört, denn die meisten sind geneigt, eine zweifelhafte Sache in ein solches Licht zu stellen, daß sie nicht schöner wird. Unter diesen Umständen kann ich Grettirs Ächtung nicht befürworten."Thorir war ein in seinem Bezirke mächtiger Mann und großer Häuptling; auch befreundet mit vielen angesehenen Herren. Er ging so scharf var, daß mit der Freisprechung Grettirs nichts auszurichten war. Thorir setzte durch, daß Grettir im ganzen Lande geächtet wurde. und er war ihm seitdem der erbittertste von allen seinen Feinden, wie üch später zeigte. Dann setzte er einen Preis auf Grettirs Kopf wie bei andern Geächteten und ritt dann nach Hause. viele sagten, das wäre mehr aus Leidenschaft als nach dem Gesetze gehandelt; aber doch ließ man's so bewenden. Nun fiel nichts weiter vor bis nach Mittsommer.
Zweiter Teil
47. Grettirs Heimkehr
Gegen Ende des Sommers kehrte Grettir nach Island zurück und landete an der in den Borgarfjördr einmündenden Hvita. Aus allen Teilen des Bezirks ritten die Leute nach dem Schiff. Grettir bekam so mit einem Male all die Neuigkeiten zu hören: zuerst, daß sein Vater gestorben war, dann, daß sein Bruder erschlagen war, und zum dritten, daß er im ganzen Lande geächtet war. Da sprach Grettir diese Weise:
Friedlos! Vater Bruder — Alle Hel verfallen: All zu unerwartet Kam, was ich vernahm. Wahrlich, manches Mannes Herz soll meinen Schmerz Bitter büßen —hab sie Bald in der Gewalt! |
So sagen die Leute, daß bei diesen Nachrichten keine veränderung an Grettir zu spüren war, und daß er ebenso froh war wie vorher. Grettir hielt sich noch eine Weile bei dem Schiffe auf, denn er konnte kein Pferd bekommen, das ihm gefiel. |
Svein hieß der Mann, der auf dem Hofe Bakki wohnte, oberhalb von Thingnes. Er war ein guter Bauer und ein munterer Mann, und erdichtete oft Verse, so daß man seine Freude daran hatte. Er hatte eine braune Stute, einen ausgezeichneten Renner; Svein nannte sie Södulkolla, d. h. Sattelstute. Grettir ging eines Nachts von vellir fort, denn er wollte nicht, daß die Kaufleute es gewahr würden. Er verschaffte sich einen schwarzen Mantel, zog ihn über seine Kleider und war so schwer zu erkennen. Er ging an Thingnes vorbei nach Bakki. Da war es heller Tag geworden. Da sah er eine braune Stute an der Hauswiese stehen, ging hin, legte ihr das Gebiß auf, schwang sich auf sie und ritt die Hvita entlang aufwärts, an Bor
vorbei, nach der Flokadalsa und kam auf die Straße oberhalb von Kalfanes. Zu dieser Zeit standen die Arbeiter auf Bakki auf und sagten dem Bauer, daß ein Mann seine Stute bestiegen hätte. Er stand auf, lächelte und sprach folgendes:Rasch auf meinem Roß ent- Rann der Dieb von dannen vor dem Hofe fand er's, Machte fort bei Nacht sich. Sicher wird des Schildes Schwinger 1 noch vollbringen Manche andre Meintat, — Mut steckt ihm im Blute. |
Danach nahm er sein Pferd und setzte Grettir nach. Grettir ritt, bis er an dem Hofe Kroppr vorbeigekommen war. Dort traf er einen Mann, der sich Halli nannte und sagte, daß er auf dem Wege nach dem Schiffe wäre. Gettir sprach die Weise:
Baum des Bogens! 2 künde Bald in Feld und Wald an, Daß nach Kropp gekommen Der berühmte Klepper. Mann darauf bemerkt ich, Schwarz der Mantel war, Wirft die Würfel gerne 3 — Eile, Mann! nicht weile! |
Und dann trennten sie sich, Halli ging die Straße hinab bis Kalfanes, wo er Svein begegnete. Sie begrüßten sich eilig. Da sprach Svein:
Sage, sahst du etwa Meiner Braunen Beine: Räuber stahl den Renner; Schmerz zerreißt das Herz mir. von den braven Bauern 1 |
Blau wird er gehauen; Holen sie das Pferd ein, — Hiebe setzt's dem Diebe. |
"Dahinter kannst du schon kommen," sagte Halli. "Ich traf den Mann, der sagte, er ritte auf Södulkolla und bat mich, es unten in der besiedelten Gegend und im Bezirk zu erzählen, in Feld und Wald; er war groß von Wuchs und hatte einen schwarzen Mantel an."
"Großen Übermut zeigt der Mann," antwortete der Bauer, "Ich will doch erfahren, wer er ist" und dann setzte er ihm nach, Grettir kam nach dem Hof Deildartunga. Da war eine Frau draußen. Grettir redete mit ihr und sprach die Weise:
Bring dem Herrn der Braunen Botschaft, die nicht Not schafft. Frau, sag ihm das verslein, Werte und verehrte Auf dem raschen Renner Reitet Grettir eilig: Erst in Schluchtenhügel 1 Hält sein Pferd der Held an. |
Die Frau merkte sich die Weise. ritt seine Straße weiter. Svein kam ein wenig später dahin, sie war noch nicht wieder hineingegangen, und sobald er kam, sagte er folgendes:
Welcher Recke ritt heut Hier vorbei an dir, Trotzend Wind und Weiter: Braun er wird gehaun. Fast den ganzen Tag schon Floh er vor mir so her, Unverschämt und schamlos Scheint mir die Gemeinheit: |
Sie sagte, wie Grettir sie gelehrt hatte. Er dachte über die Weise nach und sprach: "Wahrscheinlich ist es, daß dieser Mann nicht mit sich spielen läßt; aber doch will ich ihn treffen."
Er ritt nun weiter durch die bewohnte Gegend, Grettir nach; der eine konnte immer den andern sehen. Das Wetter war stürmisch und regnerisch. Grettir kam nach dem Hof Gilsbakki am Abend. Als Grim Thorhallsson das erfuhr, nahm er ihn sehr freundlich auf und bai ihn, bei ihm zu bleiben. Grettir nahm das Anerbieten an; er nahm der Stute Zaum und Sattel ab und erzählte Grim, auf welche Weise er in ihren Besitz gekommen wäre. Da kam Svein, schwang sich aus dem Sattel und sah seine Stute. Da sprach erfolgendes:
Wer ritt meinen Braunen Wer den Lohn gewährt mir: Wer sah schlimmern Dieb je, Mann im schwarzen Mantel: |
Grettir hatte seine nassen Kleider abgelegt und hörte die Weise.
Wollte Gast bei Grim sein, Würdig dünkt der Wirt mich. Kleinen Cohn fürlieb nimm, Friedlich sei und schiedlich! |
"So wollen wir quitt sein," erwiderte der Bauer, "der Lohn für den Ritt ist reichlich."
Darauf sagte jeder die Weise her, die er gedichtet hatte, und Grettir erklärte, er wollte Svein nicht tadeln, daß er diese Verse gedichtet hätte, denn er wäre ja der Benachteiligte gewesen. Der Bauer blieb über Nacht da, und beide hatten ihren Spaß an den Weisen. Sie nannten sie "Södulkollu-Strophen". Am Morgen ritt Svein nach Hause, und er und Grettir schieden als gute Freunde. Grim erzählte Grettir viele Neuigkeiten vom Midfjördr, die sich begeben hatten, während er im Elend war, unter anderem, daß Ätti keine Buße gezahlt worden war; Thorbjörns Macht aber wäre so groß, daß es ungewiß wäre, ob sich seine Mutter Asdis auf Bjarg halten könnte, wenn es so bliebe.
Grettir hielt sich nur kurze Zeit bei Grim auf, denn er wollte nicht, daß irgendeine Kunde von ihm nach dem Nordland über das Hochgebirge käme. Grim bat ihn, zu ihm zu kommen,
wenn er Hilfe bedürfte ; " aber ich will mich keiner Gesetzesübertretung schuldig machen, so daß ich wegen meiner dir gewährten Hilfe friedlos werde.Grettir sagte, er wäre ein anständiger Mann. " Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß ich später mehr deines Beistandes bedarf als jetzt."
Grettir ritt nordwärts über die Tvidögra, dann nach Bjarg und kam dort um Mitternacht an. Alle Leute schliefen dort außer seiner Mutter. Er ging hinten um das Haus herum und durch eine Tür, die da war, denn er kannte die Einrichtung des Hofes, dann nach der Schlafstube an das in die Wand eingelassene Bett seiner Mutter und tastete sich vorwärts. Sie fragte, wer da wäre. Grettir nannte seinen Namen.
Sie richtete sich im Bett empor und umarmte ihn, seufzte tief auf und sprach:"Willkommen, lieber Sohn!" sagte sie."Wenig Freude habe ich an meinen Söhnen; der eine ist erschlagen, der mir von größtem Nutzen war, du bist geächtet, und für deine Tötung braucht man nicht einmal Buße zu zahlen; und der dritte ist so jung, daß er noch nichts ausrichten kann."
"Ein altes Sprichwort sagt," erwiderte Grettir, " am besten kommt man über Kummer damit hinweg, daß man auf den nächsten wartet '; anderes als Geld vermag das Leid zu lindern; Atli wird sicher gerächt werden, und was mich selbst betrifft, so ist es ungewiß zu sagen, wenn ich mit einem zu tun kriege, ob er oder ich den Kürzeren zieht."
Sie sagte, das wäre wohl möglich. Grettir hielt sich nun eine Weile auf Bjarg auf, ohne daß die meisten davon eine Ahnung hatten, und zog Erkundigungen über die Handlungsweise der Leute im Bezirk ein. Man wußte noch nicht, daß Grettir nach dem Midfjördr gekommen war. Er erfuhr, daß Thorbjörn Ochsenkraft zu Hause war und nur wenig Leute bei sich hatte. Es war zu der Zeit, wo man das Gras auf der Hauswiese abgemäht hatte.
48. Grettir rächt den Tod seines Bruders
Ätti
Eines Tages, da gut Wetter war, ritt Grettir westwärts über die Höhen nach Thoroddsstadir. Er kam zur Mittagszeit
dort an und klopfte an die Tür. Einige Frauen kamen hinaus und grüßten ihn. Sie kannten ihn nicht. Er fragte nach Thorbjörn. Sie sagten, er wäre draußen auf den Wiesen, um Heu zu binden, und mit ihm sein sechzehnjähriger Sohn Arnor. Thorbjörn war ein arbeitsamer Mann und fast nie ohne Beschäftigung. Als Grettir das gehört hatte, verabschiedete er sich von ihnen und ritt in der Richtung nach dem Gehöft Reykir. Dort erstreckt sich ein Moor von den Höhen abwärts, und dort war reiches Grasland, Thorbjörn hatte da eine Menge Heu geschlagen, und es war schon ganz trocken; er und der Knabe wollten es zusammen binden und auf den Pferden nach Hause schaffen lassen, und eine Frau harkte das liegen gebliebene Heu zusammen. Grettir betrat mit seinem Pferde die Wiese, aber Thorbjörn und sein Sohn standen etwas höher da oben, ein Bündel Heu hatten sie zusammen gebunden, mit dem zweiten waren sie gerade beschäftigt. Thorbjörn hatte Schild und Schwert abgelegt, auf das fertige Bündel Heu, aber der Knabe hatte ein Handbeil bei sich. Thorbjörn sah den Mann und sprach zu dem Knaben: "Da kommt ein Mann auf uns losgeritten, laß uns mit Binden aufhören und hören, was er will." Und so taten sie.Grettir stieg vom Pferde. Er hatte einen Helm auf dem Haupte, ein Schwert umgegürtet, in der Hand einen großen, silberbeschlagenen Spieß, ohne Haken. Er setzte sich nieder und zog den Nagel heraus, mit dem das Blatt des Speeres am Schafte befestigt war, denn er wollte nicht, daß Thorbjörn den Spieß auffangen und zurückwerfen könnte.
Da sprach Thorbjörn:"Das ist ein großer Mann, und ich kenne keinen Mann aus der Entfernung, wenn das nicht Grettir Asmundarson ist; er glaubt gewiß guten Grund zu haben, uns zu treffen. Aber wir wollen mutig sein und keine Ängstlichkeit zeigen. Wir wollen mit List gegen ihn vorgehen: ich will ihn von vorn angreifen und sehen, wie es uns ergeht, denn ich traue mich an jeden Beliebigen heran, wenn ich es mit einem zu tun habe. Du aber sollst ihn von hinten angreifen und ihn aus allen Kräften mit dem Beile zwischen die Schultern schlagen. Du brauchst nicht bange zu sein, daß er dir ein Leid antut, da er dir ja den Rücken zukehrt."
Weder Thorbjörn noch sein Sohn hatte einen Helm. Grettir betrat nun das Moor, und da er auf Wurfwette heran war, schleuderte er den Spieß gegen Thorbjörn. Aber er saß loser am Schafte, als er erwartet hatte, schwankte im Fluge hin und her, glitt vom Schafte los und fiel zu Boden. Thorbjörn nahm den Schild und hielt ihn vor sich, zog sein Schwert und wandte sich gegen Grettir, als er ihn erkannte. Grettir schwang sein Schweri und sah sich ein wenig um, so daß erden Knaben im Auge behielt, der hinter ihm stand, und deshalb war er in fortwährender Bewegung; aber als er bemerkte, daß der Knabe auf Schlagweite herangekommen war, holte er mächtig aus und schlug dem Knaben mit dem Rücken der Schweriklinge so heftig auf den Kopf, daß der Schädel gespalten wurde; Arnor fiel tot zu Boden. Dann sprang Thorbjörn auf Grettir los und hieb nach ihm; dieser wehrte den Hieb mit dem gebuckelten Schilde ab, den er in der Linken hatte, in demselben Augenblicke schlug er nach Thorbjörn und zerklaubte ihm den Schild; der Schlag traf Thorbjörns Kopf mit solcher Macht, daß das Schwert in das Gehirn eindrang, und er fiel sogleich tot um. Weiter brachte Grettir dem Thorbjörn keine Wunde bei. Darauf suchte er nach seinem Spieß, konnte ibn aber nicht finden. Dann ging er nach seinem Pferde, ritt nach dem Hofe Reykir und verkündete dort den Totschlag.
Die Frau, die auf dem Wiesenstreifen war, hatte den Kampf mit angesehen. Sie stürzte entsetzt nach Hause und erzählte, daß Vater und Sohn erschlagen wären. Das kam allen, die daheim waren, gänzlich unerwartet, denn niemand wußte etwas von Grettirs Reise. Es wurde nach den Leuten auf den nächsten Höfen geschickt. Sogleich kamen viele zusammen und brachten die Leiche nach der Kirche. Thorodd Drapustuf übernahm es, die Mordsache zu verfolgen und sammelte sogleich eine Schar.
Grettir ritt heim nach Bjarg, traf seine Mutter und erzählte ihr, was geschehen war. Sie freute sich darüber und rühmte, er hätte jetzt seine Ähnlichkeit mit dem Geschlechte der Bewohner des Vatnsdalr gezeigt: Aber doch wird hier der erste Anfang eines fiedlosen Lebens fur dich sein; weiß gewiß, hier kannst du nicht lange bleiben Thorbjörns Verwandter wegen;
aber nun können sie doch sehen, daß du dir nicht alles gefallen läßt.Grettir sprach diese Weise:
Der mit Riesen 1 rastlos Rang und Bären 2 zwang, Stark gleich einem Stier war 3 — Wahrlich, stumm er ward! Rache schien zu schlummern, Schlecht schien Atli gerächt; Tod riß jetzt den Thorbjörn Fort am Widderfjord. |
Asdis sagte, das wäre wahr. "Aber ich weiß nicht, was du jetzt tun willst."
Grettir antwortete; er wollte seine Freunde und Verwandten in den westlichen Gegenden besuchen. "Du sollst durch mich nicht in Ungelegenheiten kommen," sagte er. Er machte sich fertig zur Abreise, und Mutter und Sohn nahmen herzlich Abschied voneinander. Er ritt zuerst nach Melar am Hrutafjördr und erzählte seinem Schwager Gamli alles, wie es sich bei der Ermordung Thorbjörns zugetragen hatte.
Gamli riet ihm, sich schleunigst aus dem Hrutafjördr fortzumachen , solange Thorbjörns verwandte Leute um sich versammelt hätten. "Aber wir wollen dir helfen. soweit wir können, wegen Anis Ermordung dein Recht geltend zu machen."
Darauf ritt Grettir westwärts über die Laxardalsheidi und rastete nicht eher, als bis er nach Ljarskogar kam zu Thorstein Kuggason, und dort blieb er den Herbst über.
49. Grettir bei Thorstein und dem Goden
Snorri
Thorodd Drapustuf zog rings umher Erkundigungen ein, wer Thorbjörn und seinen Sohn erschlagen haben könnte.
Als sie nach dem Hof Reykir kamen, wurde ihnen erzählt, daß Grettir dorthin gekommen wäre und sich offen als der Mörder bekannt hätte. Thorodd glaubte nun zu wissen, wie es zugegangen wäre. Er ritt nach Bjarg, wo viel Leute versammelt waren, und Sagte, ob Grettir au Hause wäre.
Asdis antwortete, er wäre fortgeritten, und sie würde ihn nicht versteckt halten, wenn er da wäre."Ihr könnt es jetzt auch ruhig bei dem bewenden lassen, was geschehen ist. Denn für Atlis Ermordung ist das keineswegs eine zu große Rache. Damals bekümmertet ihr euch nicht um mein Leid; jetzt bin ich zufrieden mit dem Ausfall der Sache."
Sie ritten nun heim, und es dünkte sie nicht leicht, etwas daran zu ändern. Der Speer, den Grettir verloren hatte, wurde erst zu einer Zeit gefunden, deren üch jetzt Lebende noch erinnern; das Speerblatt wurde nämlich gegen Ende der Lebenszeit des Gesetzessprechers Sturla Thordarson 1 gefunden, und zwar in dem Moore, wo Thorbjörn gefallen war; und seitdem heißt dieses Moor"Speermoor", und daraus zieht man den Schluß, daß dort wirklich Thorbjörn erschlagen worden ist, wenn es auch an andern Stellen heißt, daß er in Midfitjar erschlagen wäre. Thorbjörns verwandte erfuhren, daß Grettir sich in Ljarskogar aufhielt. Sie sammelten sogleich Leute und wollten sich dahin begeben. Aber als Gamli auf Melar es erfuhr, benachrichtigte er Thorstein und Grettir von dem, was die Bewohner des Hrutafjördr vorhatten. Und als Thorstein es hörte, schickte er Grettir nach dem Hofe Tunga zu dem Goden Snorri, denn damals war noch Prozeßfriede zwischen ihnen, und er gab Grettir den Rat, daß er Snorri bitten sollte, sich seiner anzunehmen, und wenn dieser ihn abweise, forderte er Grettir auf, sich westwärts nach dem Hofe Reykbolar zu Thorgils Arason zu begeben. "Er wird dir gewiß Aufenthalt bei sich während des Winters gewähren. Auf den Westfjorden sollst du bleiben, bis diese Sache beigelegt ist."
Grettir versprach seinen Kat zu befolgen und ritt nach Tunga, er traf den Goden Snorri und bai ihn um seinen Beistand. 1
Snorri antwortete: "Ich bin nachgerade ein alter Mann und habe keine Lust mehr, Achter zu beherbergen, wo mich keine Pflicht dazu treibt. Aber wie kam es, daß der Häuptling dich von sich fortwies:"
Grettir antwortete, Thorstein hätte ibm viel Gutes getan."Aber jetzt bedarf ich des Beistandes von mehreren Leuten, wenn es etwas nützen soll."
Snorri sprach:"Ich werde deine Sache vertreten, wenn dir das von Nutzen sein kann. Aber deinen Aufenthalt mußt du anderswo suchen als bei mir."
Nach dieser Unterredung schieden sie. Grettir ritt westwärts nach Reykjanes. Die Leute aus dem Hrutafjördr kamen mit ihrem Gefolge bis Samsstadir. Dort erfuhren sie, daß Grettir fort nach Ljarskogar gegangen war und kehrten wieder um.
50. Drei Ächter auf Reykholar
Grettir kam gegen Winters Anfang nach dem Hofe Reykholar und bat Thorgils um Aufenthalt.
Thorgils sagte, Essen stünde ibm zur Verfügung wie jedem andern Seien Manne. "Aber der Aufenthalt hier ist nicht sehr angenehm."
Grettir antwortete, daraus machte er sich nichts.
"Hier ist noch ein anderer bedenklicher Umstand,"sagte Thorgils. "Hier wollen noch zwei andere Männer Aufenthalt nehmen, mit denen schwer zu verkehren ist, das sind die Schwurbrüder Thorgeir und Thormod. Ich weiß nicht, wie du mit ihnen auskommen wirst. Aber ihnen habe ich bereits jederzeit Aufenthalt gewährt, wenn sie hier sein wollen. Nun kannst du hier bleiben, wenn du willst; aber das sage ich dir; ich dulde nicht, daß ihr euch gegenseitig streitet."
Grettir antwortete, daß er nicht zuerst jemandem zu nahe treten würde, besonders nicht, da er jetzt des Bauern Willen kenne. Bald darauf kamen die Schwurbrüder nach Hause. Das Verhältnis zwischen Thorgeir und Grettir war nicht sonderlich freundlich, aber Thormod betrug sich, wie es sich ziemte. Der Bauer Thorgils sagte den Schwurbrüdern dasselbe, was er Grettir gesagt hatte. Aber sie hatten solche Achtung vor ihm,
daß keiner von ihnen dem andern ein verkehrtes Wort gab, Aber ein freundschaftliches verhältnis bestand zwischen ihnen nicht. Das dauerte so bis zum Winter.Man erzählt, daß der Bauer Thorgils die Inseln besaß, die Olafsinseln heißen. Sie liegen draußen im Fjord, ungefähr anderthalb Seemeilen von Reykjanes. Darauf hatte Thorgils einen guten Ochsen, aber er war im Herbste nicht abgeholt worden. Thorgils sprach oft davon, daß er ihn vor Weihnachten holen lassen wollte. Es geschah eines Tages, daß die Schwurbrüder sich anschickten, den Ochsen zu holen, wenn sie einen dritten Mann zu Hilfe bekämen. Grettir erbot sich, sie zu begleiten, und sie nahmen es an. Sie fuhren mit einem Zehnruderer. Das Wetter war kalt, und es webte von Norden. Das Schiff war auf dem Hvalshausholmr. Sie segelten hinaus, und der Sturm nahm zu; sie gelangten nach der Insel und kriegten den Ochsen. Grettir Sagte, was sie lieber wollten, den Ochsen in das Boot befördern oder das Boot halten; denn eine starke Brandung war bei den Inseln. Sie baten ihn, das Boot zu halten. Grettir stand mitten vor dem Boot, auf der Seite, die dem Lande abgekehrt war, das Meer reichte ihm bis zu den Schultern; und er hielt das Boot so fest, daß es sich nicht rührte. Thorgeir trug den Ochsen hinten und Thormod vorn, und so hoben sie ihn in das Schiff hinein. Darauf griffen sie in die Ruder, Thormod saß am vordersteven, Thorgeir in der Mitte und Grettir am Achterende, und so ruderten sie nach dem Fjord hinein. Aber als sie innerhalb der Bockklippe gekommen waren, schlug der Sturm ihnen entgegen.
Da sprach Thorgeir: "Dem Achterdeck fehlt es an Schnelligkeit."
Grettir antwortete: "Das Achterdeck kann nicht sacken, wenn gut am vordersteven gerudert wird."
Thorgeir legte sich so heftig in die Ruder, daß beide Dollen losgingen. Da sprach er: "Streng dich an, Grettir, während ich die Ruderklammern ausbessere"
Grettir packte die Ruder fest, während Thorgeir ausbesserte. Aber als Thorgeir wieder zu rudern anfing, waren die Ruder so beschädigt, daß Grettir sie an den Seiten des Bootes zer
splittert hatte. Thormod sagte, es wäre besser weniger scharf zu rudern als die Ruder zu zerbrechen. Grettir ergriff zwei dicke Stangen, die im Schiffe lagen, brach zwei große Löcher in die Reling und ruderte so stark, daß es in jedem Balken des Bootes krachte. Aber da es ein gutes Schiff war und alle drei tüchtige Männer, gelang es ihnen. den Hvalshausholmr zu erreichen. Grettir fragte sie, ob sie den Ochsen heimbringen oder das Schiff in den Schuppen setzen wollten. Sie wählten das letztere und setzten das Schiff in den Schuppen, voll von Wasser wie es war, und mit Eis bedeckt innen und außen. Grettir zog mit dem Ochsen ab, der war sehr fett und schwerfällig und wurde darum sehr müde. Als er unterhalb von Titlingsstadir war, ging es nicht mehr. Die Schwurbrüder eilten nach Hause, denn keine von beiden Parteien wollte der anderen helfen. Thorgils fragte nach Grettir, und sie sagten, wo sie sich von ihm getrennt hätten. Er schickte ihm da Leute entgegen. Und als sie unterhalb von Hellisbolar waren, sahen sie, wie einmann ihnen entgegenkam, ein Rind auf dem Rücken, und das war Grettir, der den Ochsen trug. Alle verwunderten sich darüber, wie stark er war. Aber Grettirs Kraft erregte Thorgeirs Mißgunst.Es geschah eines Tages nach Weihnachten, daß Grettir allein ins Bad ging. Thorgeir erfuhr davon und sprach zu Thormod: "Laß uns hingehen und sehen, was Grettir anstellt, wenn ich auf ihn losgehe, wenn er aus dem Bade kommt."
"Ich habe keine Lust dazu", antwortete Thormod. "Ich glaube kaum, daß du viel Freude dabei haben wirst!"
"Ich will es doch tun," sagte Thorgeir.
Er ging den Hügel hinab und hielt seine Art hoch. Grettir kam gerade aus dem Bade, und als sie sich begegneten, sprach Thorgeir: Ist es wahr, Grettir," sagte er, "daß du gesagt hast, du würdest niemals vor einem einzelnen Manne weichen:
"Das weiß ich nicht so genau," erwiderte Grettir. Aber vor dir bin ich niemals weit gewichen," sagte Grettir.
Thorgeir schwang die Art. In diesem Augenblicke sprang Grettir auf ihn los und schleuderte ihn tüchtig zu Boden.
Thorgeir sprach da zu Thormod: "Willst du dabei stehen und zusehen, wenn der Teufel mich unter sich wirft:"
Thormod packte Grettirs Füße und wollte ihn von Thorgeir fortzerren, aber konnte es nicht. Er wollte das Schwert ziehen, mit dem er umgürtet war. Da kam der Bauer Thorgils hinzu und gebot ihnen Frieden zu halten und Grettir loszulassen. Sie taten es auch und sagten, es wäre nur Spaß gewesen. Sie hatten seitdem nichts mehr mit einander vor. Die Leute meinten , Thorgils hätte großes Glück damit gehabt, so übermütige und unruhige Männer in Zucht zu halten. Als es Frühling wurde, zogen sie alle drei fort. Grettir begab sich nach dem Thorskafjördr. Er wurde gefragt, wie ihm Kost und Winteraufenthalt auf Reykholar gefallen hätte. Er antwortete: "Da ist es mir so ergangen, daß ich am meisten zufrieden war mit meinem Essen, wenn es bis zu mir hinreichte." Dann zog er westwärts über das Hochgebirge.
51. Vergeblicher versuch, Grettirs Friedlosigkeit
ein Ende zu machen
Thorgils Arason ritt nach dem Thinge mit zahlreichem Gefolge. Alle Herren im Lande kamen dorthin. Thorgils traf bald den Gesetzessprecher Skapti und begann mit ihm eine Unterredung.
Da sprach Skapti: "Ist es wahr, Thorgils, daß du diesen Winter die drei Männer bei dir wohnen hattest, die als die größten Kampfhähne gelten, und sind dazu alle friedlos, und hast sie so im Zügel gehalten, daß keiner dem andern ein Leid tat:"
Thorgils antwortete, das wäre wahr.
Skapti sprach: "So etwas ist rechte Häuptlingsart; aber was denkst du über ihre Sinnesart: Wie steht es mit ihrem Mut und ihrer Tapferkeit, wenn man jeden für sich allein betrachtet?'
Thorgils antwortete: " Alle halte ich für vollkommen tapferen Sinnes; aber unter ihnen sind zwei, von denen ich glaube, daß sie sich fürchten können. Doch besteht zwischen der Furchtsamkeit des einen und der des andern ein Unterschied; denn Thormod ist bange vor Gott und gewaltig glaubenseifrig, Grettir
aber ist so furchtsam vor der Finsternis, daß er sich nirgends hingetraut, sobald es zu dunkeln beginnt, wenn er seiner Stimmung nach tun dürfte. von meinem Vetter Thorgeir aber glaube ich, daß er sich nicht fürchten kann.""Das ist gewiß ganz richtig, was du sagst," entgegnete Skapti. Darauf trennten sie sich.
Auf diesem Allthing rügte Thorodd Drapustuf den Totschlag Thorbjörns Ochsenkraft, denn es war ihm nicht gelungen, auf dem Thing der Leute vom Hunavatn wegen der Verwandten Atlis die Sache zu einer befriedigenden Entscheidung zu bringen, Er dachte, hier würde seine Klage nicht so leicht über Bord geworfen werden können. ?litis verwandte wandten sich an Skapti; er sagte, er sähe in der Klage wegen Thorbjörns Ermordung einen gesetzlichen Verieidigungsgrund, weshalb für Atli das volle Wergeld bezahlt werden müßte. Danach wurde die Sache den Schiedsrichtern übertragen, und die meisten waren der Ansicht, daß sich die beiden Totschläge, der des Ätti und der des Thorbjörn, ausgleichen würden. Als das Skapti merkte, ging er zu den Schiedsrichtern und Sagte sie, wie sie diese Entscheidung rechtlich begründen könnten. Sie antworteten, daß sie die Erschlagenen als gleichwertig ansähen.
Skapti Sagte: "Was geschah zuerst, daß Grettir geächtet wurde, oder daß Atli erschlagen wurde:"
Es wurde nachgerechnet, und es ergab sich, daß Grettir auf dem Allthing in die Acht siel, eine Woche bevor Ätti erschlagen wurde, als das Allthing schon vorbei war.
Skapti sprach:"Das dachte ich mir, daß ihr bei der Zurichtung der Anklage nicht darauf achten würdet, daß ihr als Kläger einen Mann betrachtet, der vorher schon fiedlos war und seine Sache weder verteidigen noch verfolgen konnte. Grettir hatte nichts mit der Sache zu tun; der muß die Sache rügen, der nach dem Gesetze der Nächste dazu ist."
Da fragte Thorodd Drapustuf: "Wer soll denn Rede stehen für die Tötung meines Bruders Thorbjörn:"
"Da seht ihr selber zu!" sagte Skapti. "Aber für Grettir werden seine Verwandten kein Geld verschwenden, wenn ihm doch kein Friede erkauft werden kann."
Als Thorvald Asgeirsson gewahr wurde, daß Grettir wegen der Tötung Thorbjörns nicht herangezogen werden könnte, Sagte er nach, an wen er sich dann zu hatten hätte. Die nächsten verwandten waren Skeggi, der Sohn Gamlis auf Melar; und Ospak, der Sohn des Glam von Eyrr am Bitrufjördr. Sie waren beide leidenschaftliche und streitbare Männer. Thorodd musste Buße zahlen für den an Atli verübten Totschlag; es waren zwei Hundert in Silber.
Da machte der Gode Snorri den Vorschlag: "Wollt ihr, beide Parteien, daß diese Bußzahlung niederfalle und dafür Grettir acht frei werde Denn ich denke, er wird ein gefährlicher Ächter werden."
Grettirs verwandte gingen gern auf diesen vorschlag ein und erklärten, ihnen läge nichts an dem Gelde, wenn er Frieden und Freiheit erlangte. Thorodd sagte, er sähe wohl, seine Sache stünde schlecht, und darum wäre er bereit, den Vergleich anzunehmen . Snorri riet, zuerst herauszubekommen, ob Thorir auf Gardr seine Einwilligung dazu gäbe, das Grettir acht frei würde.
Als der das hörte, wurde er sehr zornig und sagte, Grettir sollte niemals aus seiner Friedlosigkeit herauskommen, und weit entfernt davon, daß er achtien würde, wolle er noch einen höheren Preis auf seinen Kopf setzen, als je auf irgendeinen andern Geächteten gesetzt worden wäre. Durch Thorirs hartnäckigen Widerstand wurde nichts aus Grettirs Befreiung von der Acht. Gamli nahm das Geld in Verwahrung, aber Thorodd Drapustuf erhielt keine Buße seinen Bruder Thorbjörn. Er und Thorir setzten einen großen Preis auf Grettirs Kopf; drei Mark Silber jeder. Das erschien den Leuten als eine Neuerung, denn niemals war ein größerer Preis ausgesetzt worden als drei Mark. Snorri sagte, es wäre unverständig, mit solchem Eifer einen Mann in der Acht festzuhalten, der soviel Schlimmes anrichten könne; mancher würde dafür zu büßen haben. So trennte man sich und ritt vom Thing nach Hause.
52. Gettir wird gefangen genommen und
wieder befreit
Als Grettir über die Thorskafjardarheidi nach dem Langadalr gekommen war, brandschatzte er das Eigentum der kleinen Bauern und raubte ihnen, was er wollte. Von einigen nahm er Waffen, von andern Kleider; sie gaben verschiedenes her, aber alle sagten, wenn er fort war, daß sie nur notgeswungen es ihm gelassen hätten. Damals wohnte im Vatnsfjördr Vermund der Schmächtige, ein Bruder des vigastyr. Er war mit Thorbjörg verheiratet, einer Tochter des Olaf Pfau, des Sohnes des Höskuld; sie wurde Thorbjörg die Dicke genannt. Damals als Grettir im Langadalr weilte, war Vermund nach dem Thing geritten. Grettir kam nach dem Hof Laugabol, da wohnte ein Mann namens Helgi. Er war einer der ansehnlichsten Bauern in dieser Gegend. von ihm bekam Grettir ein gutes Pferd. Von da ritt er nach dem Hofe Gervidalr, dort wohnte ein Mann namens Thorkel. Er war in guten verhältnissen, aber sonst kein mutiger Mann. von hier nahm sich Grettir, wonach sein Verlangen stand, und Thorkel wagte nicht Einwendungen zu machen oder Widerstand zu leisten. von da begab sich Grettir nach Eyrr und weiter diese Seite des Fjords entlang, und von allen Höfen holte er sich Essen und Kleider und behandelte die Bauern recht unsanft- die meisten fanden ihr Los unerträglich. Grettir ging mit der größten Dreistigkeit vor und dachte nicht im geringsten an seine Sicherheit. Er zog weiter, bis er nach dem Vatnsfjardardalr kam und traf dort auf eine Sennhütte. Er hielt sich hier viele Nächte auf und lag in den Wäldern und schlief dort und nahm sich gar nicht in acht. Als die Schafhirten das merkten, gingen sie nach dem Hof und sagten, ein Unhold wäre in die bewohnte Gegend gekommen, mit dem nicht gut anzubinden wäre. Da taten sich die Bauern zusammen und waren dreißig Mann. Sie hielten sich im Walde versteckt, ohne daß Grettir etwas davon wußte, und ließen die Hirten ausspähen, wann sich eine Gelegenheit böte, Grettir zu überfallen; aber sie wußten immer noch nicht richtig, wer der Mann wäre.
Nun geschah es eines Tages, als Grettir lag und schlief, daß die Bauern ihn überfielen. Und als sie ihn sahen, berieten sie, wie sie ihn gefangen nehmen könnten, so daß sie selbst einen möglichst geringen Verlust an Menschenleben hätten, und sie bestimmten , daß zehn Mann sich auf ihn werfen und einige seine Füße binden sollten. Sie taten so und stürzten sich auf ihn, Aber Grettir schlug so mächtig um sich, daß er sie von sich abschleuderte und sich auf die Knie richtete; in demselben Augenblicke warfen sie Stricke um seine Füße. Grettir stieß zwei von ihnen so heftig gegen die Ohren, daß sie in Ohnmacht fielen. Nun sprangen die andern auf ihn zu, aber er sträubte sich heftig und lange; endlich überwältigten sie ihn doch und banden ihn. Darauf beratschlagten sie, was sie mit ihm anfangen sollten. Sie forderten Helgi von Laugabol auf, ihn zu sich zu nehmen und in Gewahrsam zu halten, bis Vermund vom Thing nach Hause käme.
Er antwortete: "Ich habe nötigere Arbeit für mein Gesinde, als ibn bewachen zu lassen; daraus wird nichts, daß ich ihn zu mir ins Haus nehme."
Da baten sie Thorkel in Gervidalr, ihn zu sich zu nehmen, sie sagten, er besäße ja genug. Thorkel erklärte, er würde das unter keinen Uniständen tun. "Denn ich und meine Frau sind ganz allein auf dem Hof, und an allen Seiten weit ab von anderen Menschen; in diesem Stricke saugt ihr mich nicht," sagte er.
"Du, Thoralf auf Eyrr," sagten sie, " nimm du Grettir zu dir und behandle ihn gut, solange das Thing währt; sonst kannst du ihn auch nach dem nächsten Hof bringen, paß nur gut auf, daß er dir nicht entwischt; liefere ihn gebunden ab, wie du ihn jetzt empfängst."
Er antwortete: "Niemals will ich Grettir aufnehmen, denn dazu habe ich weder Hab und Gut genug noch Lebensmittel. Er ist auch nicht auf meinem Grund und Boden gefangen genommen worden. Es scheint mir auch eher mit Gefahr und Beschwerde als mit Ehre verbunden zu sein, ihn zu sich zu nehmen und überhaupt etwas mit ihm zu tun zu haben; niemals soll er in mein Haus kommen!"
So versuchten sie es bei einem Bauer nach dem andern, aber alle weigerten sich. Diese Beratung der Bauern gab veranlassung zu einem Gedichte, Greitisförsla genannt, d. h. Grettirs Transport, zu dem später spaßhafte Worte hinzugefügt worden sind, den Leuten zur Unterhaltung. Als sie darüber hin und her geredet hatten, wurden sie zum Schluß darüber einig, um nicht die Gelegenheit unbenutzt vorübergehen zu lassen, einen Galgen dort im Wald zu errichten und Grettir zu hängen, und darüber jubelten sie laut.
Da sahen sie sechs Menschen das Tal heraufleiten, und einer war in einem Anzuge aus künstlich gefärbtem Stoffe. Sie vermuteten, daß es die Hausfrau Thorbjörg vom Vatnsfjördr wäre, und sie war es auch. Sie wollte nach der Sennhütte. Sie war ein Kernweib, berühmt durch ihre Klugheit; sie besorgte die Angelegenheiten des Bezirks und erledigte alle Geschäfte , wenn Vermund nicht daheim war. Sie ritt dahin, wo die versammlung war, und einer half ihr vom Pferde. Die Bauern begrüßten sie freundlich.
Sie sprach: "Was für eine Zusammenkunft habt ihr da: Wer ist der mit dem dicken Halse, der da gebunden liegt:" Grettir nannte seinen Namen und grüßte sie.
Sie antwortete: "Was hat dich dazu getrieben, Grettir," sagte sie, "mit Unfrieden gegen meine Thingleute vorzugehen:" "Man kann nicht auf alles Rücksicht nehmen; und irgendwo mußte ich sein."
"Das war ein rechtes Mißgeschick," sagte sie, "daß diese Jammerkerle dich greifen sollten Aber was hattet ihr mit ihm vor:"
Die Bauern sagten ihr, sie hätten im Sinne, ihn am Galgen wegen seiner Gewalttaten aufzuhängen.
Sie antwortete: "Kann sein, daß Grettir dies verdient hat; aber es ist nicht euereins Sache, ihr Leute vom Isafjördr, einen Grettir ums Leben zu bringen, denn er ist ein berühmter Mann aus großem Hause, mag er auch ein Unglücksmann sein. Was willst du nun tun. Grettir um dein Leben zu retten, wenn ich es dir schenke:"
Er antwortete: "Was verlangst du:"
"Schwöre mir einen Eid, jagte sie, "daß du keine Gewalttaten verübst hier am Isaflördr! Räche dich an keinem von denen, die diesen Überfall auf dich gemacht haben!
Grettir sagte, sie hätte zu bestimmen. Darauf wurde er entfesselt . Und er hat selbst gesagt, das wäre die schwierigste Probe seiner Selbstbeherrschung gewesen, daß er die nicht durchprügelte, die sich etwas zugute taten auf ihre Tapferkeit ihm gegenüber. Thorbjörg forderte ihn auf, mit ihr nach Hause zu reiten und ließ ihm ein Pferd geben. Er ritt mit ihr nach dem Vatnsfjördr und blieb dort; bis Vermund nach Hause kam, und die Hausbau behandelte ihn gut. Sie gewann großen Ruhm dadurch in der ganzen Gegend. Vermund war wenig erbaut davon, als er nach Hause kam und fragte, warum Grettir da wäre. Thorbjörg erzählte alles, wie es Grettir mit den Leuten vom Isafjördr ergangen wäre.
Welchem Umstande hat er es zu verdanken," fragte Vermund, daß du ihm das Leben schenktest
Verschiedene Gründe waren dafür da," antwortete Thorbjörg. Erstens," sagte sie, "daß du für einen größeren Häuptling gelten wirst als Suber, da du eine Frau hast, die solches zu tun wagt. Zum Zweiten würde auch seine Verwandte Hrefna 1 gewünscht haben, daß ich ihn nicht töten ließ. Und zum Dritten ist er in mancher Beziehung ein großer Held."
"Du bist eine verständige und kluge Frau," sagte Vermund. "Hab Dank für das, was du getan hast."
Darauf sprach er zu Grettir: "Wenig hätte gefehlt, ein wie gewaltiger Kämpe du auch bist, und diese Jammerkerle hätten dich überwältigt; so geht es immer mit gewalttätigen Menschen ."
Grettir sprach da diese Weise:
In der Eisförde Ging mir's übel, Zu frisch war 1 |
Des Fjordes Flut. Die alten Ferkel Fest mich hielten, Wollten mich Ins Wasser werfen. |
Was wollten sie mit dir machen, Sagte Vermund, als sie dich gefangen hatten " Grettir sprach:
Sagten, so Wie Sigar einstmals, Als er hieß Hagbard hängen. 1 Der Baum, der einst Den Donnrer barg 2 Reichte mir Der Rettung Hände. |
Vermund sprach: "Glaubst du, daß sie dich gehängt hätte-, wenn sie allein darüber zu bestimmen gehabt hätten? Grettir sprach:
Wahrhaftig, sicher Säß ich im Stricke —Haupt und Hals Hingen schon drin —, Trat die tapfre Thorbjörg nicht Schnell dazwischen, Den Zwist schlichtend. |
Vermund nagte: "Lud sie dich zu sich ein:" Grettir antwortete:
Der Baum, der einst Barg den Donnrer, 3 1 |
Hieß mich geben In ihr Haus. Gutes Roß Gab sie Grettir, Leib ich ihr und Leben danke. |
"Du wirst einen harten Kampf dein ganzes Leben zu bestehen haben," sagte Vermund, "laß es dir endlich eine Lehre sein, daß du dich vor deinen Feinden hüten mußt. Ich habe keine Lust; dich bei mir zu behalten und mir dadurch manchen mächtigen Mann zum Feinde zu machen. Für dich ist es das beste, deine verwandten aufzusuchen; wenige von ihnen werden dich freilich aufnehmen wollen, wenn sie imstande sind, etwas Besseres zu tun. Du bist auch nicht gerade umgänglich für die meisten Menschen. Grettir blieb noch eine Weile am Vatnsfjördr und begab sich dann nach den Westfjorden und suchte Unterschlupf bei manchem angesehenen Manne; aber immer kam etwas dazwischen, so daß ihn keiner gerne behielt.
53. Grettir bei Thorstein Kuggason
Im Herbste, gegen Winters Anfang, kehrte Grettir um, reiste südwärts und rastete nicht eher, als bis er nach Ljarskogar kam zu seinem Vetter Thorstein Kuggason, dort wurde er feundlich aufgenommen. Thorstein bot ihm an, den Winter über bei ibm zu bleiben, und er nahm es an. Thorstein war ein geschickter Arbeiter und Schmied und hielt auch seine Leute streng zur Arbeit an. Grettirs Sinn war wenig auf Arbeit gerichtet, und darum bestand zwischen ihnen nicht das beste verhältnis. Thorstein hatte auf seinem Hofe eine Kirche gebaut. Zwischen den Gebäuden und der Kirche hatte er eine Brücke bauen lassen; sie war sehr kunstvoll angelegt. Denn an den äußersten Balken, auf denen die Brücke ruhte, waren Ringe angebracht, und daran hingen Schellen, die gaben einen so starken Klang; wenn man über die Brücke ging, daß man es bis Skarfsstadir hören konnte, eine halbe Seemeile weit. Thorstein hatte viel zu tun, solange die Brücke in Arbeit ward denn er war selbst ein tüchtiger Eisenschmied. Grettir hatte
große Kräfte, um das Eisen zu hämmern, aber hatte nicht immer Lust zur Arbeit, doch verhielt er sich ruhig und friedlich während des Winters, so daß nichts vorkam. das der Rede wert wäre. Als die Leute vom Hrutafjördr erfuhren, daß Grettir bei Thorstein war, sammelten sie Leute zu Frühlings Anfang. Als Thorstein das hörte, sagte er zu Grettir, er sollte sich einen andern versteck suchen."Denn ich sehe, daß du nichts tun willst, und für solche Leute, die nichts arbeiten, habe ich keine verwendung."Wohin rätst du mir also zu gehen " fragte Grettir.
Thorstein empfahl ihm, nach dem Süden zu gehen und dort seine Verwandten aufzusuchen. "Aber komm wieder zu mir, wenn sie dir nicht helfen wollen."
Grettir tat so, zog südwärts nach dem Borgarfjördr zu Grim Thordallsson und blieb dort. bis das Thing geschlossen war. Grim wies ibn an den Gesetzessprecher Skapti in Hjalli. Grettir reiste südwärts über das dem Meere zunächst liegende Hochgebirge und rastete nicht eher, als er bis nach dem Hofe Tunga kam zu Thorhall, einem Sohne des Asgrim, eines Sohnes des Ellidagrim. Thorhall nahm Grettir wie einen Bekannten auf, um seiner vorfahren 1 willen. und weil Grettir jetzt im ganzen Lande berühmt war wegen seiner Tapferkeit und Stärke. Thorhall war ein kluger Mann und nahm Grettir freundlich auf, aber wollte ihn doch nicht längere Zeit bei sich behalten.
54. Die Begegnung mit Lopt
Grettir reiste von Tunga hinauf in den Haukadalr und von da nordwärts nach dem Kjölr und hielt sich dort während des Sommers auf; oft genug kam es vor, daß erden Leuten, die in der einen oder andern Richtung über den Kjölr reisten, ihr Gepäck raubte, denn er hatte Mangel an Lebens 1
"Darüber habe ich noch keinen Entschluß gefaßt;" antwortete Grettir. Aber das ist mein Auftrag an dich, ob du mir etwas von dem überlassen willst, was du bei dir trägst
Lopt entgegnete: "Warum sollte ich dir das geben, was ich bei mir habe: Was willst du mir als Ersatz geben "
Grettir antwortete: "Hast du nicht gehört, daß ich niemals zu bezahlen pflege: Und doch halten es die meisten ratsam, mir zu geben, wao ich verlange."
Lopt sprach: Solche Bedingungen magst du denen anbieten, denen sie gefallen; aber ich lasse, was ich habe, niemals auf solche Weise fahren; jeder möge seine Straße ziehen! Damit ritt er weiter, an Grettir vorbei, und gab seinem Pferde die Sporen.
Grettir rief: "So schnell trennen wir uns nicht ! griff dem Pferde des Lopt in die Zügel und hielt es mit beiden Händen fest.
Lopt sprach: Zieh deine Straße! Nichts bekommst du von mir, wenn ich es festhalten kann!"
"Das wollen wir gleich sehen!" sagte Grettir.
Lopt griff am ledernen Kopfstück seines Pferdes entlang, faßte die Zügel zwischen den Ringen, mit denen sie am Gebiß befestigt waren, und Grettirs Händen und zog sie mit solcher Kraft heraus, daß Grettirs Hände die Zügel entlang rutschten And sie los lassen mußten. Grettir starrte eine Weile in seine
Lopt antwortete und sprach:
Nach der Grotte Gehen will ich, Von riesigen Gletschern Rings umgeben; Sturm durchheult Die eisige Höhle: Hallmund heiß ich, Willst du es wissen. |
Grettir sprach: "Ich glaube, es wird mir schwer fallen, deine Wohnung zu finden, wenn du dich nicht deutlicher ausdrückst. Er sprach und sagte:
Will dir nicht hehlen Meine Behausung, Solltest du mich Besuchen wollen: Hab erkorn Den Kugelferner, 1 Wie ihn die Bauern Des Borgfjords nennen. |
Danach trennten sie sich. Grettir sah ein, daß er sich mit diesem Manne nicht an Stärke messen könnte. Da sprach Grettir die Weise:
Jllugi und Ätti, Reiter ihr für Grettir, Habe eure Hilfe Schwer hier heut entbehrt. Als mir Lopt den Zügel Zog, der aus der Faust flog. 1 |
Meine Mutter grämt sich, Klagt, wenn ich verzagt bin. |
Darauf verließ Grettir den Kjölr und zog südlich nach Hjalli; er traf Skapti und bat ihn um Aufnahme.
Skapti antworete: "Das ist mir gesagt worden, daß du ziemlich gewaltsam einherziehst und den Leuten ihr Gut greifst; und das ziemt dir schlecht, einem Manne aus so großem Hause! Aber weil ich den Namen des Gesetzessprechers im Lande führe, steht es mir nicht an, Friedlose aufzunehmen und so das Gesetz zu brechen. Ich will, daß du von hier irgend woandershin gehst, wo du nicht nötig hast, anderen ihr Gut wegzunehmen !"
Grettir sagte, das wollte er gern tun, fügte aber hinzu, daß es ihm fast unmöglich wäre, allein zu sein mit seiner Furcht vor der Finsternis. Skapti antwortete, er könnte kaum darauf rechnen, so zu leben, wie er am liebsten möchte. "Aber trau keinem zu sehr, damit es dir nicht geht wie in den Westsjorden!' Das ist manchem Manne zum Verhängnis geworden, daß er anderen allzuviel getraut hat."
Grettir dankte ihm für seinen guten Rat, zog im Herbste wieder nach dem Borgarfjördr traf seinen Freund Grim Thorhallsson und erzählte ihm, was ibm Skapti gesagt hatte. Grim riet ihm, nordwärts nach den Fiskivöm auf der Arnarvatnsheidi 1 zu geben, und Grettir tat es.
55. Grettir tötet den Waldmann
Grim
Grettir begab sich nach der Arnarvatnsheidi, baute sich eine kleine Hütte, von der noch Spuren zu sehen sind, und richtete sich dort ein, denn er wollte unter keinen Umständen mehr von Raub leben; er machte )ich ein Netz und ein Boot und fing Fische zum Lebensunterhalt. Es kam ihm sehr langweilig auf dem Hochgebirge vor, denn er war sehr furchtsam 1
Grim hieß ein Mann aus dem Nordlande. Diesen Mann kauften sich die Leute vom Hrutafjördr, daß er Grettir töten sollte, und sie versprachen ihm Freiheit und viel Geld, wenn er es ausführte. Er begab sich zu Grettir und bat ibn um Aufnahme.
Grettir sagte: Ich glaube nicht, daß es dir viel helfen wird, wenn ich dich zu mir nehme; andererseits ist es schwer, sich vor euch Waldmännern in acht zu nehmen; doch mich dünkt es gräßlich, allein zu sein, wenn es anders sein könnte; auf jeden Fall will ich, daß der, der bei mir bleibt, alle Arbeit verrichten muß, die vorkommt.
Grim antwortete, er hätte nichts anderes erwartet und bat ihn dringend um Aufnahme. Da ließ sich Grettir überreden und nahm ihn auf. Er war nun da bis in den Winter hinein und trachtete Grettir nach dem Leben, aber er fand niemals Gelegenheit dazu. Grettir mißtraute ihm und hatte seine Waffen bei sich Nacht und Tag, und Grim wagte gar nicht Grettir anzugreifen, wenn erwach war.
Es geschah eines Morgens, als Grim vom Fischfange heimkam , daß er in die Hütte ging; er stampfte mit den Füßen auf, um zu wissen, ob Grettir schliefe; aber er rührte sich nicht und lag ganz still. Das Schwert hing über ihm. Grim glaubte nun, daß er eine bessere Gelegenheit nie wieder bekäme. Er machte großen Lärm, damit Grettir aufwachen und reden sollte; aber das war nicht der Fall. Nun war er überzeugt; daß Grettir schlief, schlich leise an das Bett, streckte die Hand nach dem Schwerte aus, nahm es und holte zum Hiebe aus. In diesem Augenblicke sprang Grettir auf den Fußboden, ergriff das Schwert, während Grim es schwang, packte ihn mit der andern Hand an den Schultern und schleuderte ihn so fürchterlich auf den Boden, daß er fast ohne Besinnung dalag. Also das lag hinter deinen schönen Redensarten:"
Grim mußte die volle Wahrheit bekennen, dann tötete Grettir
ihn. Aber nun glaubte er zu wissen, wie gefährlich es wäre; Waldmänner aufzunehmen. So verstrich der Winter. Aber nichts schien Grettir ein größeres Übel zu sein, als die Furcht vor der Finsternis.
56. Grettir tötet einen andern falschen
Kameraden
Thorir in Gardr erfuhr nun, wo Grettir sich aufhielt, und überlegte, wie er es anstellte, daß Grettir getötet würde. Ein Mann hieß Thorir Raudskegg, d. h. Rotbart, ein sehr starker Mann und berühmter Totschläger, und deshalb war er friedlos erklärt worden über das ganze Land. Ihm sandte Thorir in Gardr Botschaft. Und als sie sich trafen, forderte er den Rotbart auf, in seinem Dienste ;u reisen Grettir den den Starken Starken zu zu erschlagen. Der Rotbart sagte, das wäre keine leichte Arbeit; er meinte, Grettir wäre ein kluger und vorsichtiger Mann. Thorir bai ihn, es zu versuchen. Das wäre eine kühne Tat für einen Helden, wie du bist; aber ich will dich von deiner Friedlosigkeit befreien und dir dazu genug Geld geben."
Der Rotbart ging darauf ein. Thorir sagte ihm, wie er es machen sollte, um Grettir zu erschlagen. Darauf ging der Rotbart zuerst nach dem Ostlande, denn so glaubte er jedes Mißtrauen gegen seine Reise zu beseitigen. Er kam nach der Arnarvamsheidi, als Grettir dort einen Winter gewesen war. Als Grettir und der Rotbart sich getroffen hatten, bat er Grettir um Aufnahme.
Er antwortete: Ich habe keine Lust dazu, daß noch mehrere in derselben Weise ihr Spiel mit mir treiben, wie der, der im letzten Herbste hierher kam; er war sehr einschmeichelnd, aber sobald ereine kleine Weile hier gewesen war, trachtete er mir nach dem Leben. Ich will nicht öfter mein Leben aufs Spiel setzen, indem ich Waldmänner ausnehme.
Thorir antwortete: "Du bist vollauf entschuldigt, wenn du den Waldmännern mißtraust. Von mir wirst du manche Mordgeschichte und Ungebühr gehört haben, aber niemals solche Untat, daß ich meinen Herrn verraten hätte. Böse ist es für den, dem es böse geht, daß der eine dem andern nicht traut. Niemals
wäre ich hierher gekommen, wenn ich anderswo ein besseres Los zu erwarten hätte. Aber ich glaube nicht, daß wir aufgeschmissen sind, wenn wir uns gegenseitig helfen. Nun kannst du mich erst auf die Probe stellen und sehen, wie du mit mir auskommst; laß mich wieder weggehen, wenn du den geringsten Grund findest, mir nicht zu trauen."Grettir antwortete: "So will ich einen versuch mit dir machen; aber du sollst dies wissen, daß, wenn du mir die geringste veranlassung zum Mißtrauen gibst, es dein Tod wird."
Thorir war damit einverstanden. Grettir nahm ihn auf und merkte, daß er die Kraft von zwei Männern hatte für alles, was er anfaßte. Er war willig zu allem, wozu Grettir ihn schickte. Grettir brauchte selbst nicht das geringste zu tun, und niemals hatte er vorher ein so behagliches Leben geführt, seit er geächtet worden war; aber er nahm sich doch stets in acht, so daß Thorir keine Gelegenheit fand, ihn zu überfallen. Thorir Rotbart war zwei Winter bei Grettir auf dem Hochgebirge. Nun wurde es ibm allmählich langweilig, auf der Heide zu sein. Er sann daraus wie er irgend etwas ausfindig machen könnte, worauf Grettir nicht vorbereitet wäre. Eines Nachts im Frühjahr kam, während sie schliefen, ein großer Sturm. Grettir wachte auf und fragte, wo ihr Boot wäre. Thortr sprang auf, lief nach dem Boot und schlug es ganz in Stücke, aber die Trümmer streute er rings umher, so daß es aussah, als ob der Sturm das Boot entzwei geschlagen hätte. Darauf ging er in die Hütte und sagte laut: "Uns ist es nicht gut ergangen, mein Freund!" sagte er. "Unser Boot ist zertrümmert, und die Netze liegen weit draußen im Wasser."
"Hol sie selbst!' sagte Grettir. "Denn mich dünkt, daß du allein daran schuld bist, daß das Boot zerbrochen ist.
Thorir antwortete: "Diese Kunst ist die einzige, die ich nicht verstehe, nämlich die Schwimmkunst; in allen andern Dingen kann ich es mit jedem gewöhnlichen Menschen aufnehmen. Du weißt selbst, daß ich niemals deine Hilfe eine Arbeit beansprucht habe, seitdem ich zu dir gekommen bin. Und ich würde es auch jetzt nicht getan haben, wenn ich selbst imstande wäre, es zu tun.
Grettir stand auf, nahm seine Waffen und ging hinab an den See. Dort war der Zustand der Art, daß eine Landzunge hinaus in den See ging, und auf der andern Seite der Landzunge war eine Bucht. Der See war tief am Rande.
Grettir sprach: "Schwimm hinaus nach den Netzen und laß mich sehen, wozu du taugst."
"Ich habe dir schon vorher gesagt, antwortete Thorir "daß ich nicht schwimmen kann; und ich weiß nicht. wo nun dein Mut und deine Kühnheit geblieben ist.
"Haben muß ich die Netze," sagte Grettir. "Aber betrug mich nicht, wenn ich dir jetzt traue."
Thorir antwortete: "Trau mir doch nicht solche Niedertracht und Gemeinheit zu!"
Grettir sprach: "Du mußt selbst zeigen, wer du bist."
Darauf legte er seine Kleider und Waffen ab und schwamm hinaus nach den Netzen. Er rollte sie zusammen, schwamm an Land und warf sie an das Ufer. Und als er an Land gehen wollte, ergriff Thorir das Schwert und zog es schnell. Er sprang dann schnell auf Grettir los, als er den Fuß ans Ufer setzte; und schlug nach ibm. Grettir warf sich rücklings ins Wasser und ging unter wie ein Stein. Thorir blickte auf das Wasser hinaus und wollte ihn verhindern an Land zu kommen, wenn er wieder auftauchte. Aber Grettir schwamm unter Wasser das Ufer entlang, so daß Thorir ihn nicht sehen konnte, bis erin die Bucht kam, hinter ihm, da ging er an Land. Davon hatte Thorir nichts bemerkt; und er gewahrte es nicht eher, als bis Grettir ihn über seinen Kopf gehoben und so heftig zu Boden geschmettert hatte, daß ihm das Schwert aus der Hand fiel. Grettir faßte es und schlug ihm, ohne ein Wort zu sagen, das Haupt vom Rumpfe, und so endete sein Leben. Darauf wollte Grettir niemals Waldmänner bei sich aufnehmen, und doch war es ihm fast unmöglich, allein zu sein.
57. Grettirs Begegnung mit Hallmund
Auf dem Allthing erfuhr Thorir von Gardr die Ermordung des Thorir Rotbart. Er merkte nun, daß es keine leichte Sache war mit Grettir anzubinden. Er beschloß, vom Thing
Grettir antwortete: Man bai noch nicht getrunken, wenn auch der Trank schon in den Becher gegossen ist; von weither seid ihr hierher gekommen, aber bevor wir uns trennen, sollen einige noch ein Zeichen davontragen, daß sie im Kampfspiele gewesen sind."
Thorir feuerte seine Mannen zum Angriffe an. Der Felsennnschnitt war schmal, so daß er ihn gut von der einen Seite verteidigen konnte; aber darüber wunderte er sich, daß niemand ihm in den Rücken fiel, so daß es ihm zum Schaden gereicht hätte. Einige von Thorirs Leuten fielen, andere wurden verwundet , sie konnten nichts ausrichten.
Da sprach Thorir: "Das habe ich gehört," sagte er, "daß Grettir die meisten an Stärke und Mut übertrifft, aber das habe ich nicht gewußt, daß er so zauberkundig ist, wie ich jetzt sehe; denn es fallen doppelt so viele dort, wo er den Rücken hin wendet. Nun sehe ich, daß wir es hier mit einem Troll zu tun haben und nicht mit Menschen."
Er gebot seinen Leuten mit dem Kämpfen aufzuhören und sich zurückzuziehen; und so geschah es. Grettir wunderte sich, warum sie das taten, denn er war doch über die Maßen müde. Thorir und seine Mannen zogen ab und ritten nordwärts. Alle waren sich darüber einig, daß ihnen diese Fahrt zur Schande gereichte. Thorir hatte achtzehn Mann verloren, und viele waren verwundet.
Grettir ging die Bergscharte hinauf und traf dort einen Mann, hoch von Wuchs. Er saß oben auf dem Felsen und war schwer verwundet.
Grettir Sagte ihn nach seinen Namen, er antwortete, er hieße Hallmund. "Aber das kann ich dir sagen, um dir das Wiederkennen zu erleichtern, das dich dünkte, ich hätte dir fest in die Zügel gerissen auf dem Kjölr in dem Sommer, wo wir uns begegneten; aber ich glaube, jetzt habe ich es dir vergolten!""Du hast recht," sagte Grettir. "Du hast dich mir als wackeren Gefährten gezeigt, aber wie kann ich es dir lohnen:"
Hallmund sagte: "Das will ich jetzt; daß du mit mir kommst, denn die Zeit muß dir lang werden hier auf der Heide."
Grettir sagte, das wolle er gerne. Sie begaben sich nun beide südwärts nach dem Balljökull. 1 Dort bewohnte Hallmund eine große Höhle. Er hatte eine Tochter, die war stattlich und wohlgewachsen . Vater und Tochter behandelten Grettir freundlich, und sie heilte beider Wunden. Hier hielt sich Grettir lange Zeit während des Sommers auf. Er verfaßte ein Gedicht auf Hallmund , darin heißt es:
Rief' gen Schrittes sucht der Recke sein versteck auf. |
Weiter heißt es in demselben Gedichte.
Bei den Adlerteichen Braust der Schwerter Sausen, Schlange sucht sich watend Weg ins Fleisch und Stege. Tapfre trinken Erbbier Für die toten Führer. Hallmund aus der Höhle Rettete den Grettir. |
Im Herbste zog Grettir südwärts nach den Mooren.
58. Grettir bei Björn im Hitardalr
Damals wohnte Björn Hitdölakappi auf Holmr. Er war ein Sohn von Arngeir, dem Sohne des Bessi Gottlos, eines Sohnes des Balki, der den Hrutarfjördr in Besitz nahm, wie früher erzählt worden ist. 2 Björn war ein großer Häuptling und sehr kühn und hatte gewohnheitsmäßig Friedlose bei sich wohnen. Grettir kam nach Holmr, und Björn nahm ihn freundlich auf, denn Freundschaft hatte zwischen ihren Vätern bestanden. 3 Grettir fragte, ob er ihm einigen Beistand gewähren wollte. Björn sagte, es schwebten so viele Klagen gegen ihn, daß die Leute sich wohl fürchten würden, ihn aufzunehmen, weil darauf Strafe stünde. " Aber mit gutem Rat will ich dir beistehen, wenn du die Leute in Ruhe läßt, die unter meinem Schutze stehen, was du auch andern Leuten hierin der Gegend tun mögest."
Grettir war damit einverstanden.
Björn sprach: Ich habe bemerkt, daß hier eine Stelle im Berge ist an der nach Westen gekehrten Seite der Hita, die man leicht verteidigen kann, und die doch auch ein guter Schlupfwinkel ist, wenn man sich klug anstellt. Eine Höhle geht nämlich durch den Felsen, wie man von der Straße sehen kann, die den Berg entlang geht; nach dem Loch führt ein Sandhügel, der ist so steil, daß ihn kaum jemand erklimmen kann,
Grettir sagte, er würde seinem Rate folgen, wenn er ihm helfen würde. Grettir begab sich auf das Fagraskogaffall und richtete sich dort ein. Er setzte grobes, graues Wollzeug vor die Höhle; vom Wege aus sah es gleichwohl so aus, als ob man durch die Höhle blickte. Seine Lebensmittel holte er unten aus der bewohnten Gegend. Die Moorleute dünkte mit Grettir ein Unglücksgast gekommen zu sein.
Thord Kolbemsson wohnte damals auf Hitarnes. Er war ein guter Skalde. dieser Zeit war große Feindschaft zwischen Björn und Thord, und Björn war es nicht unangenehm, daß Grettir gegen Thords Leute und Gut Gewalttaten verübte. Grettir war gewöhnlich bei Björn, und sie übten manchen Streich zusammen aus, und nach der Aussage der Geschichte von Björn und Thord 1 galten sie für einander gleich an Kraft und Geschicklichkeit . Aber die meisten Leute glauben, daß Grettir hier im Lande der stärkste Mann gewesen ist, seit Orm Storolfsson und Thorolf Skolmsson Kraftproben ablegten. Grettir und Björn schwammen ohne auszuruhen die Hita hinauf, von ihrem Ausfluß aus dem Hitarvatn bis zu ihrer mündung in den Farafjördr. Sie errichteten zusammen einen steinernen Deich in dem Flusse, und trotz Hochwasser, trotz Gefieren des Flusses, trotz Eisgang, der Deich steht seitdem unverrückt fest. Grettir blieb so einen ganzen Winter auf dem Fagraskogastall, ohne daß ihn jemand angriff. Viele wurden von ihm gebrandschatzt und konnten doch nichts ausrichten, denn seine Felshöhle war unerstürmbar, und er war immer gut Freund mit seinen nächsten Nachbarn.
59. Grettir und Gisli
Ein Mann hieß Gisli. Er war der Sohn des Thorstein, den der Gode Snorri töten ließ. Gisli war ein großer
Gisli sprach: "Ist es wahr, was mir erzählt wurde, daß du es nicht durchsetzen kannst, den Waldmann fort zu bekommen, der euch so manchen Schaden zugefügt hat:"
Thord sagte: "Wir haben es noch nicht versucht; aber vielen scheint er schwer erreichbar zu sein, und das hat mancher empfunden."
Es ist mir ganz erklärlich, daß es dir schwer fällt, etwas gegen Björn auszurichten, wenn du nicht einmal diesen Mann vertreiben kannst. Es ist schade, daß ich zu weit weg im Winter bin. um die Sache in Ordnung zu bringen.
Ihn nur durch Hörensagen kennen zu lernen, wird für dich das beste sein.
Du brauchst mir nichts von Grettir zu erzählen," sagte Gisli. Ich habe schon manchen stärkern Strauß gestritten, damals als ich auf Heerfahrt im Westen war mit König Knut dem Mächtigen; damals habe ich meinen Platz auf dem Schiffe verteidigt ; und bekäme ich es mit ihm zu tun, so würde ich mich auf mich und meine Waffen verlassen."
Thord antwortete, er sollte es nicht für umsonst getan haben, wenn er Grettir tötete. Es ist auch ein größerer Preis auf seinen Kopf gesetzt als je auf den Kopf eines andern Waldmanns; es waren früher schon sechs Mark Silber, aber im Sommer hat Thorir aus Gardr noch drei Mark zugelegt, und doch meint man, daß der, der das Geld empfangen wird, genug zu tun haben wird."
Um Geld zu verdienen, wird alles gewagt," sagte Gisli. "Das gilt nicht am wenigsten von uns Kaufleuten. Aber laß uns unser Gespräch heimlich halten; kann sein, daß er sich mehr in acht nimmt," sagte er, wenn er weiß, daß ich mit dir im
Bunde bin. Ich gedenke im Winter draußen auf dem ÖOlduhryggr , auf Snäfellsnes zu sein; liegt seine Zufluchtsstätte auf dem Wege dahin: Er soll schon nichts merken! viel Leute werde ich nicht sammeln, wenn ich gegen ihn siebe."Thord gefiel dieser Beschluß gut. Er ritt dann heim und sprach nicht darüber. Aber es ging hier, wie das Sprichwort sagt, oft haben die Bäume Ohren'. Einige von Björns Freunden hatten das Gespräch zwischen Thord und Gisli gehört und erzählten es ihm Wort für Wort wieder. Als Grettir und Björn sich trafen, erzählte es Björn ihm wieder; er sagte, nun könnte er zeigen, was er wert wäre. Es wäre herrlich," sagte Björn, " wenn du ihm, ohne ihn zu töten, eine ordentliche Züchtigung zuteil werden lasen könntest."
Grettir lächelte und sagte nichts. Im Herbst, als das Vieh von den Hochweiden heimgetrieben wurde, ging Grettir nach Flysjuhverfi hinab und wollte sich einige Schafe holen. Er erbeutete vier Hammel. Die Bauern erfuhren von seiner Tat und setzten ihm nach. Er hatte gerade die Halde erreicht, aber in demselben Augenblicke holten sie ihn ein und wollten ihm die Hammel wegnehmen. Aber mit Waffen griffen sie ihn nicht an. Sie waren sechs an der Zahl und stellten sich ihm in den Weg. Er geriet in Zorn bei dem Gedanken, daß er die Schafe wieder verlieren sollte, packte drei von den Bauern und warf sie den Hügel hinab, so daß sie bewußtlos dalagen. Und als das die andern drei sahen, wurden sie bange. Grettir nahm die Schafe, verschränkte ihre Hörner, warf über jede Schulter zwei und lief dann den Berg hinauf nach seiner Zufluchtsstätte. Die Bauern kehrten wieder um, wenig erbaut von dem Ausgang; und sie ärgerten sich noch mehr über das, was ihnen geschehen war.
Gisli blieb bei seinem Schiff den Herbst über, bis es aufs Land gerollt war. Mancherlei hielt ihn auf, so daß er sich verspätete und erst kurz vor Wintersanfang fort kam. Er ritt südwärts, übernachtete auf dem Hofe Hraun südlich von der Hita.
Am nächsten Morgen, als Gisli weiter ritt, sagte er zu seinen Begleitern: "Laßt uns in roten Kleidern reiten, damit die Waldmänner sehen, daß wir nicht wie andere Strolche sind, die sich hier täglich umhertreiben,"
Sie waren drei zusammen und taten so.
Und als sie den Fluß überschritten hatten, sagte er: "Man hat mir erzählt, daß sich der Waldmann hier oben in den Bergen aufhält; und es ist nicht leicht da hinaufzukommen; aber ich vermute, daß er selbst zu uns kommt; um unsere Schätze zu sehen."
Sie sagten, daß er so gewöhnlich handelte. Grettir war seitig am Morgen aufgestanden in seiner Zufluchtsstätte. Es war Frostwetter, und Schnee war gefallen, aber nicht viel. Er sah drei Männer von Süden über die Hita kommen, und die Prachtgewänder und die Schilde mit Schmelzfarben glänzten in der Sonne. Grettir ahnte, wer sie waren, und dachte, es könnte nichts schaden, sich etwas von dem zu holen, was sie bei sich trügen. Er hatte auch große Lust, mit diesen Prahlern nähere Bekanntschaft zu machen. Er nahm seine Waffen und lief den Abhang hinab.
Und als Gisli das Geröll klirren hörte, sprach er so: "Da kommt ein Mann die Halde herunter; er ist groß an Wuchs und will uns sicher treffen. Benehmen wir uns tapfer, denn das Wild läuft uns gerade in die Armes"
Seine Begleiter sagten, das dieser Mann kaum ihnen gerade in die Arme laufen würde, wenn er sich nicht etwas zutraute: "Und er soll seinen Willen haben" Darauf schwangen sie sich schnell aus dem Sattel.
In diesem Augenblicke kam Grettir, nahm einen Sack mit Kleidern , den Gisli auf seinem Gaule hinter dem Sattel hatte, und sprach: "Das nehme ich! Ich lasse mir oft genügen an einer Kleinigkeit."
Gisli antwortete: "Niemals! Du weißt wohl nicht, mit wem du es zu tun hast
Grettir antwortete: "Es ist mir nicht so gans klar; aber in der Beziehung mache ich keinen großen Unterschied bei den Leuten, wenn ich so wenig beanspruche."
"Kann sein, daß es dich wenig dünkt," sagte Gisli. "Aber ich würde ungefähr dreitausendsechshundert Ellen einbüßen; dein Übermut scheint nicht gering zu sein! Auf, Burschen, wir wollen ihn angreifen und sehen, was er kann!"
Sie taten so. Grettir wich etwas zurück und zog sich hinter einen Stein, der am Wege steht und Grettirs Hub heißt, und verteidigte sich. Gisli feuerte seine Begleiter laut an. Grettir bemerkte bald, daß Gisli nicht der mutige Mann war; als der er sich ausgab, denn er hielt sich beständig hinter seinen Begleitern . Grettir wurde der Enge überdrüssig, er schwang sein Schwert und versetzte einem von Gislis Gefährten den Todesstreich ; dann verließ er seine Stellung hinter dem Steine und griff so heftig an, daß Gisli schleunigst den Felsen entlang zurückwich. Da fiel der zweite Geselle Gislis.
Grettir sprach: "Das ist an dir nicht zu merken, daß du anderwärts so tapfer vorgegangen bist, und diese Leute läßt du übel im Stiche."
Gisli antwortete: "Der spürt das Feuer am meisten, der ihm zunächst sitzt; und schlimm ist es, mit einem Teufelskerl zu tun zu haben."
Sie wechselten einige wenige Hiebe, bis Gisli seine Waffen fortwarf und aus allen Kräften den Berg entlang lief. Grettir gab ihm Zeit, das fortzuwerfen, was er wollte, und jedesmal wenn Gisli die Gelegenheit dazu sah, warf er ein Kleidungsstück nach dem andern weg. Grettir verfolgte ihn absichtlich nicht schneller, als daß immer eine kleine Entfernung zwischen ihnen war. Gisli lief unaufhörlich am Berg vorbei, dann quer über den Kaldardalr, über 'Aslaugarhlid und an Rolbeinsstadir vorbei und dann nach dem Borgarhraun. Gisli hatte nur noch seine Unterhosen an und war schrecklich müde. Aber Grettir war ständig hinter ihm ber und konnte ibn beinahe mit der Hand greifen.
Er schnitt sich unterwegs einen großen Busch ab. Gisli hörte nicht eher auf, alb bis er an die Haffjardara kam. Sie war hoch angeschwollen und kaum zu durchschreiten. Gisli wollte sich sogleich in den Fluß stürzen. Grettir aber eilte ihm nachfaßte ihn, und da zeigte sich, wer von beiden der Stärkste war. Grettir warf ibn zu Boden und fragte: "Bist du der Gisli, der Grettir Asmundarson treffen wollten?"
Gisli antwortete: "Jetzt habe ich ibn getroffen; aber ich weiß nicht, wie wir uns von einander trennen. Behalte nur deinen Raub und laß mich los."
Grettir sprach: "Du wirst nicht recht verstehen, was ich dir sage, ich will dir erst einen Denkzettel geben."
Damit sog er ihm das Hemd über den Kopf und ließ die Rute auf seinem Rücken und seinen beiden Seiten tanzen; Gisli wollte sich ihm fortwährend entwinden und warf sich bald auf den Rücken, bald auf die Seite. Grettir peitschte ihn gehörig durch und ließ ihn dann los. Gisli dachte, daß er lieber nichts von Grettir lernen wollte als so verprügelt zu werden. Und er machte sich niemals wieder solcher Durchpeitschung wert. Sobald Gisli auf die Füße kam, sprang er in den Flußkessel und schwamm hinüber, zur Nachtzeit kam er nach dem Hofe Hroßholt und war vollständig erschöpft. Dort lag er eine Woche, und der ganze Körper schwoll an. Dann zog er nach dem Orte, wo er sich vorgenommen hatte den Winter zu verbringen. Grettir kehrte wieder um, nahm unterwegs alles auf, was Gisli fortgeworfen hatte, brachte es mit sich nach Hause und bekam Gisli nie wieder zu sehen. viele glaubten, Gisli hätte diese Behandlung wegen seiner Possen und Prahlereien redlich verdient. Grettir dichtete über diese Begegnung folgendes:
Kläglich kneift der Klepper, Stampft nicht mit im Kampfe, 1 Zerrt nicht mit den Zähnen, Flieht, obwohl nicht müde. So konnt' Gisli springen, Suchte Heil in Flucht sich, Ansehn gab und Ehre Preis der alte Scheißkerl! |
Im nächsten Frühling begab sich Gisli zu seinem Schiffe und verbot streng, daß seine Waren südwärts am Fagraskogafjall vorbei geführt würden. Denn dort, sagte er, hauste der böse Feind. Er ritt nach seinem Schiff auf dem Wege; der die Küste entlang führt; er und Grettir trafen sich niemals wieder; aber er schien keinem mehr der Beachtung wert zu sein und kommt in dieser Geschichte nicht mehr vor. Thord wurde 1
60. Grettirs Kampf mit den
Moorleuten
Nun hatte Grettir zwei Winter auf dem Fagraskogaffall verweilt, und als der dritte kam, begab er sich südwärts nach den Myrar auf den Hof Lökjarbug und nahm sich sechs Hammel von dort, gegen den Willen des Besitzers. Darauf ging er nach dem Hofe Akrar, nahm sich zwei Rinder zum Schlachten und viele Schafe und zog damit heimwärts die Sita entlang. Als die Bauern seine Fahrt gewahr wurden, schickten sie Botschaft zu Thord auf Hitarnes und forderten ihn auf, sich zu verpflichten, Grettir zu töten. Aber er lehnte es ab, ließ jedoch durch ihre Bitten bewegen, seinen Sohn Arnor der später Jarlaskald genannt wurde, an ihre Spitze zu stellen und befahl ihnen, Grettir nicht entwischen zu lassen. Es wurden Boten weit und breit in der Gegend umber geschickt.
Bjarni hieß ein Mann, der in Jörvi in Flysjuhverfi wohnte. Er sammelte Leute östlich von der Hita. Ihr Plan war, in zwei Scharen auf beiden Seiten des Flusses gegen Grettir vorzurücken. Grettir hatte zwei Mann bei sich; der eine hieß Eyjolf ein flinker Mann, ein Sohn des Bauern von Fagraskogar ; außerdem war noch ein dritter bei diesen beiden. Thorarin von Akrar und Thorsinn von Lökjarbug kamen zuerst mit einem Gefolge von fast zwanzig Mann. Grettir wollte da über den Fluß gehen, aber in diesem Augenblicke kamen Arnor und Bjarm an das entgegengesetzte Ufer. Eine schmale Landzunge erstreckte sich in den Fluß auf der Seite, wo Grettir war. Als er die Schar sah, trieb er das vieh vorn auf die Landzunge; denn er wollte durchaus nichts preisgeben, was er einmal bekommen hatte. Die Moorleuie schickten sich sogleich zum Kampfe an und benahmen sich tapfer. Grettir bat seine beiden Begleiter aufzupassen, daß sie ihm nicht in den Rücken kämen, von vorn konnten ihn allzuviel nicht mit einem Male angreifen.
Es ward ein harter Kampf mit ihnen. Grettir schlug nach allen Seiten mit dem Schwert, und es war keine leichte Sache für sie, auf ihn einzudringen. Einige von den Moorleuten sielen, andere wurden verwundet. Die Schar auf dem entgegengesetzten Ufer verspätete sich dadurch, daß die Furt ziemlich weit entfernt war. Sie hatten noch nicht lange gekämpft, da zogen sich die Moorleute zurück. Thorarin von Akrar war ein ziemlich alter Mann, darum war er nicht am Angriffe beteiligt gewesen. Gerade als der Kampf aus war, kam Thrand an, Thorarins Sohn, und Thorgils Ingjaldsson, Thorarins Brudersohn, und Finnbogi, ein Sohn von Thorgeir Thorhaddsson aus dem Hitardalr, und Steinolf Thorleifsson aus dem Hraundalr. Diese feuerten die Leute zu einem neuen Angriffe an. Es wurde gleichfalls ein harter Kampf. Grettir sah ein, daß ihm nur die eine Wahl blieb: fliehen oder sich nicht schonen. Er rückte nun so hart vor, daß keiner ihm standhalten konnte, denn sie waren so viele, daß er daran verzweifelte, sich retten zu können; das einzige, was er hoffte, war, möglichst großen Schaden anzurichten, bevor er fiel. Er wollte das Leben des Bauern haben, der ihm an Tüchtigkeit am meisten wert schien. Er sprang auf Steinolf aus Hraundalr los, schlug ihm einem Hieb gegen den Kopf und spaltete ihn bis zu den Schultern auseinander. Mit einem zweiten Hiebe traf er Thorgils Ingjaldsson mitten vor den Leib und hieb ihn schier durch und durch. Da wollte Thrand vorstürmen und seine Verwandten rächen. Grettir hieb ihm in den rechten Schenkel, so daß der ganze Muskel zerfetzt wurde, und er wurde sogleich kampfunfähig . Darauf brachte er Finnbogi eine schwere WundeDa rief Thorarin und gebot ihnen, vom Kampfe abzulassen. "Denn je länger ihr mit ihm kämpft, desto größeren Schaden fügt er euch zu, und er sucht stets die Besten aus eurer Schar aus."
Sie taten so und zogen sich zurück. Zebn Mann waren gefallen; fünf zu Tode verwundet oder zu Krüppeln geworden; die übrigen, die am Kampfe teilgenommen hatten, waren leicht verwundet. Grettir war über die Maßen müde; aber nur wenig verwundet. Die Moorleute zogen ab und hatten großen ver
lust erlitten, denn viele tüchtige männer waren gefallen. Die am andern Flußufer kamen nur langsam vorwärts und langten erst an, als man den Kampf aufgegeben hatte. Und da sahen, wie übel es den andern ergangen war, hatte Arnor nicht Lust, sich in Gefahr zu stürzen; und er bekam dafür manch bartes Wort von seinem Vater und von vielen anderen zu hören. Man glaubt, daß er kein tapferer und mutiger Mann gewesen ist. Die Landspitze, wo der Rampf stattfand, heißt jetzt Grettisoddi.Grettir und seine beiden Leute nahmen nun ihre Pferde und ritten den Berg hinaus denn sie waren alle verwundet. Und als sie nach Fagraskogar kamen, blieb Eyjolf dort zurück. Die Tochter des Bauern war draußen und fragte nach Neuigkeiten. Grettir erzählte so deutlich wie möglich, was vorgefallen war, und sprach die Weise:
Spenderin des Stetes" Spar die Mühe! Wahrlich, Tödlich traf ich Steinolf, Tot liegi er am Boden. Kaum gibt Thorgils Hoffnung, Knochen sind zerbrochen, Außerdem acht andre Helden als tot gelten. |
Darauf begab sich Grettir an seine Zufluchtsstätte und blieb dort während des Winters.
61. Grettir im Thorisdalr
Als Biörn Grettir traf, sagte er, es wäre zuviel vorgefallen: Länger kannst du bier nicht bleiben. Du hast meine verwandten und meine Freunde erschlagen; aber ich will mein versprechen halten, das ich dir gegeben habe, solange du hier bist."
Grettir erwiderte, er hätte seine Hände und sein Leben verteidigen müssen: "Aber leid tut es mir, wenn du mir zürnst."
Björn sagte, es musste so bleiben. Bald darauf kamen die Männer 1
Im Herbste zog Grettir nach Geitland und hielt sich dort auf, bis helles Wetter kam. Dann ging er den Geitlandsjökull hinauf, hielt sich in südwestlicher Richtung den Gletscher entlang und hatte einen Kessel und Feuerzeug bei sich. Man glaubt, daß er diesen Weg auf Hallmunds Anweisung gegangen ist, denn ihm war hier alles weit und breit bekannt. Grettir ging weiter, bis er im Ferner ein langes und schmales Tal fand, auf allen Seiten von Gletschern eingeschlossen, so daß sie über das Tal hinüberhingen. Er stieg an einer Stelle hinab; da sah er, daß die Halden mit Grav und niedrigem Gebüsch bewachsen waren. Im Tale waren warme Quellen, und er zog daraus den Schluß, daß das unterirdische Feuer daran schuld war, daß der Gletscher oben nicht zusammen ging und so das ganze Tal zudeckte. Eine kleine Ache floß durch das Tal mit glatten Ufern auf beiden Seiten. Man sah die Sonne nur eine kurze seit am Tage, aber es gab eine unzählige Menge Schafe hier. Sie waren besser und fetter als die, die er früher gesehen hatte.
Hier schlug er seine Behausung auf und machte sich eine Hütte von dem Holz, das er hier fand. Er schlachtete Schafe zu seinem Lebensunterhalt und fand, daß einer dieser Schöpse besser war als zwei gewöhnliche. Ein Schaf mit einem graubraunen Kopfe war da, das er seiner Größe wegen besonders bewunderte und ein Lämmchen. Er bekam Lust das Lamm zu nehmen und tat so und schlachtete es. Es gab vierzig Pfund Talg, und das Fleisch war köstlich. Aber seitdem das Mutterschaf sein Lämmchen verloren hatte, kam es jede Nacht nach der Hütte Grettirs und blökte, so daß er keine Nacht schlafen konnte. Er bereute es aufrichtig , das Lamm geschlachtet zu haben, wegen der Unruhe; die ihm das Tier verursachte. Jeden Abend in der Dämmerung hörte er Hirtenruf oben im Tal, und dann lief die ganze Schafherde nach derselben Stelle bin. So hat Grettir selbst erzählt , daß über das Tal ein Mischling 1 geherrscht habe, ein Riese, der Thorir hieß, und in seinem Schutze sei Grettir da gewesen; nach ihm benannte Grettir das Tal und gab ibm den Namen Thorisdalr, d. h. Tal des Thorir. Er sagte, Thorir hätte Töchter gehabt; die hätten ihn freundlich aufgenommen, denn selten kamen Leute dahin. Als die Fasttage kamen, gab er die Anweisung, daß er in der großen Fastenzeit nur Talg und Leber ass. Den Winter über geschah nichts Neues. Da war Grettir der Aufenthalt so verleidet, daß er nicht länger bleiben mochte. Er ging fort aus dem Tale und zog in südlicher Richtung quer über den Geitlandsjökull und kam so mitten auf den Gletscher Skjaldbreid. Er stellte eine Steinplatte aufrecht auf und schlug ein Loch mitten durch; wenn man das Auge an das Loch in der Steinplatte legte, konnte man die Bergschlucht hinabsehen, die in den Thorisdalr führte. Dann begab er sich nach dem Süd- und Ostlande. Hier blieb er den ganzen Sommer und den folgenden Winter und besuchte alle angesehenen Leute; aber immer war etwas im Wege, daß keiner ihm Kost oder Aufenthalt gewähren wollte. So ging er wieder nach dem Nordlande und hielt sich dort an verschiedenen Stellen auf.
62. Hallmunds Tod
Kurz nachdem Grettir die Arnarvatnsheidi verlassen hatte, kam ein Mann namens Grim auf die Hochebene. Er war der Sohn der Witwe auf dem Hofe Kroppr. Er hatte Eid Skeggjasons Sohn auf Ass erschlagen und war darum fiedlos geworden Er ließ sich dort nieder, wo Grettir vorher gewesen war, und fischte im See. Hallmund war eifersüchtig darüber, daß Grim an Grettirs Stelle gekommen war, und dachte es so einzurichten, daß er keinen großen Vorteil davon hätte, wenn er auch viel singe.
Es geschah eines Tages, daß Grim hundert Fische sing, sie nach der Hütte trug und sie draußen umhüllte, aber am nächsten Morgen waren sie alle fort. Das kam ihm seltsam vor; er ging nach dem See und fing zweihundert Fische; erbrachte sie heim und deckte sie zu, aber es ging genau so: am nächsten Morgen waren sie alle fort. Er vermutete, das müßte alles dieselbe Ursache haben. Am dritten Tage sing er dreihundert Fische, brachte sie nach Hause und blieb die ganze Nacht über wach in seiner Hütte. Er konnte durch ein Loch in der Tür sehen, wenn jemand nach der Hütte käme. So verging eine gute Zeit. Und als etwa ein Drittel der Nacht vorüber war, hörte er jemand draußen gehen mit schweren Schritten; als Grim das bemerkte, ergriff er seine Art. es war eine sehr scharfe Waffe. Er wollte wissen, was dieser Mann machte. Der Fremde trug einen großen Korb auf dem Rücken, setzte ihn auf die Erde und blickte sich nach allen Seiten um, sah aber keinen Menschen außerhalb der Hütte. Er beklopfte die Fische und nahm eine gute Hand voll; dann warf er alle Fische in seinen Korb. Der wurde ganz voll. Die Fische waren so groß, daß Grim glaubte, kein Pferd könnte mehr tragen. Er bückte sich, um den Korb auf den Rücken zu beben. Und in diesem Augenblick, als er aufstehen wollte, sprang Grim hervor und hieb ihm mit beiden Händen nach dem Halse so daß die Art bis auf den Rücken hineindrang. Ein mächtiger Ruck durchlief den Fremden, und er lief südwärts in die Berge mit dem Korbe auf dem Rücken. Grim setzte ihm nach und wollte wissen, was aus ihm würde. Sie liefen südlich nach dem
Balljökull, dort ging der Mann in eine Höhle. Innen in der Höhle brannte ein helles Feuer, dabei saß eine Frau, groß von Wuchs, aber doch schmuck. Grim hörte, daß sie ihren Vater begrüßte und ihn Hallmund nannte. Er warf die Bürde heftig zu Boden und stöhnte laut. Sie fragte; wovon er so mit Blut bedeckt wäre. Er antwortete und sprach:Klar erkannt ich, Keiner kann Seiner Stärke Stets vertrauen. Mut und Mannheit vom Manne weicht, Glück betrügt ihn Am Todestage. |
Sie fragte ihn genau nach seinem Streite mit Grim, und er erzählte alles, wie es sich zugetragen hatte. "Nun sollst du zuhören," sagte er. "Ich will jetzt singen von meinen Taten; und während ich mein Lied dichte; sollst du es auf einen Stock ritzen." Da sang er das Lied von Hallmund, und darin heißt es:
Galt als kräftig, Als ich Grettir Zog aus der Hand Den Zaum des Hengstes- Lange sah ich Ihn besehen Immer seine Versehrten Hände. | Rücken an Rücken Gegen achtzig Recken. |
Ich habe gefochten Mit Felsenbewohnern, Mit Thurstn 1 und Trollen Trat ich zum Kampf an. Mit Riesen hab ich Und Halbriesen gerungen, Ohn Zaudern erschlug ich Das schlimme Gezücht. |
Ich hab auch Alfen Und üble Unholde Nicht wenig bekämpft, Wo ich nur konnte. |
viel waren der Taten, die Hallmund in seinem Liede aufzählte, denn er hatte das ganze Land durchstreift.
Da sprach seine Tochter: "Nicht ließ dieser Mann seine Beute entschlüpfen; und man konnte auch nichts anderes erwarten. denn du hast dich schlecht mit ihm gestellt. Wer, glaubst du, wird dich rächen:"
Hallmund antwortete: "Es ist keineswegs sicher, daß ich gerächt werde; doch weiß ich bestimmt, daß Grettir mich rächen würde; wenn ich ihm Gelegenheit dazu böte. Aber es wird ihm nicht leicht werden, gegen das Glück dieses Mannes vorzugehen, denn ihm ist Großes beschieden."
Gegen Ende des Gedichtes nahmen Hallmunds Kräfte sehr ab, und nicht lange, nachdem er sein Lied beendet hatte, starb er. Sie war sehr betrübt und weinte bitterlich. Da trat Grim bevor und tröstete sie: "Jeder muß gehen, wenn seine seit gekommen ist. Er ist selbst schuld an seinem Tode; denn ich konnte doch nicht ruhig zusehen, daß er mich bestahl."
Sie sagte; Darin hätte er recht: "Unrecht sieht Unglück nach sich. -
Alles, was sie mit Grim sprach, tröstete sie in ihrer Trauer. Grim blieb viele Tage bei ihr in der Höhle und lernte das Lied auswendig; und das Verhältnis zwischen ihnen war gut. Grim hielt sich nach Hallmunds Tode den folgenden Winter auf der Arnarvatnsheidi auf. Da kam Thorkel Eyjolfsson zu ihm auf die Hochebene, um ihn zu töten, und sie kämpften mit einander. Der Streit endete so, daß Grim Thorkels Leben in seine Hand bekam, aber er wollte ihn nicht töten. Da nahm Thorkel ihn bei sich auf, half ihm aus dem Lande und gab ibm viel Gut mit; alle fanden, beide hätten anständig aneinander gehandelt. Grim wurde ein Kaufmann, und man hat eine lange Geschichte über ihn.
63. Grettirs Begegnung mit Thorir
Nun ist von Grettir zu erzählen, daß er sich, als er von den Ostfjorden kam, verborgen hielt, damit Thorir ihn nicht treffen sollte; im Sommer lag er draußen auf der Mödrudalsheidi und an verschiedenen andern Orten; bisweilen war er auch auf der Reykjaheidt. Thorir erfuhr, daß Grettir auf der Reykjaheidi war, er sammelte Leute, ritt auf die Hochebene und hoffte, daß Grettir ihm nicht entgehen sollte. Grettir bemerkte sie erst, als sie schon ganz nahe gekommen waren. Er war bei einer Sennhütte, die dicht am Wege lag, er war selbzweit . Und als sie die Schar sahen, galt es schnell einen Plan zu fassen; Grettir gebot, daß sie die Pferde niederwerfen und in die Sennhütte ziehen sollten; und sie taten so. Thorir ritt vorbei, nordwärts über die Heide, sie wurden in ihrer Erwartung getäuscht, fanden den nicht, den sie suchten, und kehrten wieder um.
Auf dem Rück wege kamen sie abermals an der Sennhütte vorbei, und Grettir sprach: "Ihre Fahrt wird ihnen wenig gefallen, wenn wir uns nicht treffen. Gib du auf unsere Pferde Obacht, aber ich will ihnen entgegen geben. Es gäbe einen Hauptspaß, wenn sie mich nicht erkennen würden."
Sein Gefährte riet ihm davon ab; aber er ging doch und wechselte
die Kleider, setzte sich auf den Kopf einen Hut, der über die Augen reichte und hatte einen Stock in der Hand; so ging er ihnen entgegen. Sie grüßten ihn und fragten, ob er nicht jemanden hätte über die Heide reiten sehen."Freilich habe ich die Leute gesehen, die ihr sucht; ihr werdet sie gleich finden, denn sie waren südlich von dem Moor; dort, zur Linken."
Als sie das hörten, stürmten sie auf das Moor hin. Der Sumpf war so weich, das sie nicht von der Stelle kamen, sie mußten selbst ihre Pferde herausziehen und trieben sich dort einen großen Teil des Tages herum. Sie verwünschten den Strolch, der sie so zum besten gehabt hätte. Grettir ging sogleich zu seinem Genossen zurück, und als sie sich getroffen hatten, sagte er:
Gerne geh ich aus dem Wege, will erregen Stolze Kriegsschar Streit, Lasse ihr die Straße. Allzu große Meng' Meide, geb beiseite. Wo sich Thorir tummelt, Scheu ich tapfre Leute. |
Grettir und sein Genosse ritten nun so scharf wie möglich westwärts und waren längst an dem Hof Gardi vorbei, als Thorir mit seiner Schar aus den Bergen kam. Und als sie nahe am Hofe waren, trafen sie einen Mann, der sie nicht kannte. Sie sahen, daß draußen eine junge, schön gekleidete Frau stand. Grettir Sagte, wer die Frau wäre. Der Neuangekommene sagte, es wäre Thortrs Tochter. Da sprach Grettir die Weise:
Göttin du des Goldes! 1 Gruß dem Vater mußt du Bieten, wenn auch wenig Gelten wird die Schelte: Selbdritt ritt vorüber Grettir am Stakete |
Euers saubern Hofes: Sein Gefolge klein war! |
Daraus konnte dei Neuangekommene den Schluß ziehen, wer er war, er ritt sogleich nach der Ansiedlung Relduhversi und erzählte, Grettir wäre schon längst vorbeigekommen. Als Thorir nach Hause kam, waren die meisten sich darüber einig, daß Grettir ihnen das Bett über den Kopf gezogen hätte. 1 Thorir stellte überall Leute auf. die aufpassen sollten, wo Grettir wäre. Grettir beschloß daher, seine Begleiter mit den Pferden nach dem Westlande zu schicken, er selbst begab sich in die Berge und hatte einen Mantel an, der ihn unkenntlich machte; so entkam er, ohne erkannt zu werden, im Beginn des Winters nach dem Nordlande. Alle waren der Überzeugung, daß es Thorir diesmal ebenso schlecht oder noch schlechter ergangen wäre als sonst.
64. Der Spuk im Bardardalr
Stein hieß ein Priester, der auf dem Pfarrhofe Eyjardalsa im Bardardalr wohnte. Sein Sohn hieß Kjartan, ein tüchtiger, wohlhabender Mann. Auf dem Hofe Sandhaugar, 2 südlich von Eyjardalsa, wohnte Thorstein der Weiße. Seine Frau Steinvör war jung und von fröhlicher Art. Sie hatten Kinder. aber diese waren damals noch jung. Es schien den Leuten nicht recht geheuer auf dem Hofe zu sein, Trolle trieben dort ihr Unwesen. Es begab sich wei Winter; bevor er nach
Sie erwiderte: "Das nenne mutig, wenn du wagst zu Haus zu bleiben."
"Ein Leben ohne Abwechslung ist langweilig," meinte er.
"Übel dünkt es mich, daheim zu bleiben," sagte sie. "Aber ich kann nicht über den Fluß."
"So will ich dir hinüberhelfen," sagte Grettir.
Danach machte sie sich fertig zur Messe, und ihre kleine Tochter mit ihr. Draußen war Tauwetter, das Eis auf dem Flusse war aufgebrochen, es war Eisgang auf ihm.
Da sprach die Hausfrau: "Der Fluß ist für Menschen und Pferde nicht zu durchschreiten."
"Es gibt wohl Furien," antwortete Gest. "Du brauchst keine Angst zu haben.
"Trag zuerst das Kind," sagte die Frau, " es ist leichter." "Ich habe keine Lust; zweimal die Fahrt zu machen," sagte Gest. "Ich will dich auf meinen Armen tragen."
Sie bekreuste sich und sprach: "Das ist unmöglich; aber wie willst du es mit dem Kinde machen:"
"Da werde ich schon noch Rat schaffen", antwortete er, hob sie beide empor, setzte die Kleine der Mutter in den Schoß und trug sie so auf dem linken Arme; aber den rechten Arm hatte er frei, und so watete er durch den Fluß. Sie wagten nicht zu schreien, so bange waren sie. Das Wasser reichte ihm sogleich bis an die Brust. Eine große Eisscholle trieb ihm entgegen, aber er schob sie mit der freien Hand beiseite. Es war so tief, daß der Strom ihm bis an die Schultern ging. Er watete rüstig weiter, bis er an das andere Flußufer kam, und setzte sie an Land. Dann kehrte er um, und es war dämmerig geworden, als er nach Sandhaugar kam; er verlangte zu essen. Und als er satt war, gebot er den Leuten, tiefer in das innerste Ende der Stube hinein zu gehen. Er nahm alle Tische und losen Holzstücke, schichtete sie quer in der Stube auf und machte eine große Scheidewand, so daß keiner vom Gesinde hinüber konnte. Keiner wagte ihm zu widersprechen oder im geringsten zu murren. Die Stubentür war an der Seitenwand am Hintergiebel des Hauses, und unmittelbar neben dem Eingange war eine Bank. Auf ihr legte Gest sich nieder, aber zog sich nicht aus. Licht brannte in der Stube der Tür gegenüber. So lag Gest bis in die Nacht hinein. Die Hausbau war nach Eyjadalsa zur Messe gekommen, und alle wunderten sich, wie sie über den Fluß gekommen wäre.
Sie sagte, sie wüßte nicht, ob sie ein Mann übergesetzt hätte oder ein Troll.
Der Priester meinte, es müßte ein Mensch gewesen sein, wenn er auch wenigen gleich wäre: "Aber laß uns schweigen darüber: kann sein, daß er bestimmt ist, dir aus deiner schwierigen Lage zu helfen."
Die Frau blieb dort während der Nacht.
65. Grettir und die Riesin
Nun ist von Gest zu erzählen, daß er gegen Mitternacht ein starkes Dröhnen draußen hörte. Dann trat eine mächtige Riesin in die Stube. Sie hatte in der einen Hand einen Trog, in der andern ein großes Messer. Sie blickte sich um, als sie in die Stube kam, sah, wo Grettir lag, und sprang auf ihn los, er richtete sich schnell empor, und sie packten sich und rangen mit einander lange in der Stube. Sie war stärker, aber er entzog sich ihr behende. Alles, was ihnen in den Weg kam, zerbrachen sie, selbst die Bretterverkleidung der Stubenwand. Sie zog ibn durch die Stubentür hinaus und dann nach dem Flur; dort leistete er heftigen Widerstand. Sie wollte ibn mit aller Macht aus dem Gehöft hinauszerren. aber das gelang ihr erst, nachdem sie den ganzen Türrahmen in Stücke zerrissen hatten, und sie trug ihn auf ihren Schultern hinaus. Sie schleppte ihn nach dem Fluß hinab, nach der Kluft oberhalb des Wasserfalls . Gest war entsetzlich müde, aber eins von beiden mußte er tun: entweder alle Kräfte anspannen oder sich von ihr in die Kluft stürzen lassen. Sie kämpften die ganze Nacht hindurch . Niemals, dünkte ihn, waren seine Kräfte auf eine härtere Probe gesetzt. So fest hatte sie ihn umschlungen, daß er seine Hände nur dazu rühren konnte, sie mitten um ihren Leib zu spannen. Und als sie an die Flußkluft gekommen waren, schüttelte er die Unholdin so furchtbar, daß er den rechten Arm frei bekam. Schnell zog er sein Schwert, das an seiner Seite bing, und bolte aus; er traf die Schulter des Trollweibes, so daß ihr der rechte Arm abgehauen wurde, und er ward frei von ihr. Sie aber stürzte sich in die Kluft hinab und verschwand in dem Waßerfall. Gest war steif und matt und lag lange dort auf der Klippe. Als es zu tagen begann, ging er heim und legte sich ins Bett. Er war am ganzen Leibe geschwollen und blau.
Als die Hausbau vom Gottesdienste nach Hause kam, war sie über die Unordnung im ganzen Hause sehr verwundert. Sie ging zu Gest und fragte, was sich begeben hätte, daß alles zerspalten und zersplittert wäre. Er erzählte ihr alles, was geschehen
war. Das dünkte sie aller Ehre wert, und sie Sagte, wer er wäre. Er sagte ihr da seinen wahren Namen und bat sie, den Priester zu holen, er wolle gern mit ihm reden. Das geschah auch. Als der Priester Stein nach Sandbaugar kam, erfuhr er sogleich, das der Mann, der sich Gest nannte, Grettir war, der Sohn des Asmund. Der Priester fragte, was nach seiner Meinung aus den verschwundenen Männern geworden wäre. Grettir sagte, er glaube, daß sie in die Kluft geworfen wären. Der Priester hatte indessen wenig Zutrauen zu Grettirs Ansicht, so lange kein Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung zur Stelle wäre. Grettir erwiderte, den würde er später schon bekommen. Der Priester ging nach Hause. Grettir lag manche Nacht und manchen Tag im Bett. Die Hausfrau pflegte ihn getreulich; so kam die Weihnachtszeit heran. So lautet Grettirs eigene Aussage, das die Riesin sich in die Kluft des Wasserfalles stürzte, als sie die Wunde erhielt, aber die Bewohner des Bardardalr sagen, sie sei bei Tagesanbruch zu Stein geworden. während sie mit einander rangen, und sie sei zersprungen, als er ihr die Hand abhieb, und stünde noch da oben auf dem Felsen in Gestalt einer Frau. Die Bewohner des Tals versteckten dort Grettir.Im Winter, etwa nach Weihnachten, geschah es eines Tages, daß Grettir nach Eyjadalsa ging. Und als er den Priester traf; sprach er:"Ich sehe wohl, Priester." sagte er, "daß du wenig Zutraun zu meiner Ansicht hast. Nun sollst du mit mir nach dem Flusse gehen, ob es nicht seine Richtigkeit hat."
Der Priester tai so. Als sie an den Wasserfall kamen, sahen sie eine von einem überhängenden Felsen gebildete Höhle, die sich aufwärts unter dem Felsen hinzog; dieser war steil abfallend, so daß man nirgends hinaufklimmen konnte, und von der Höhe des Felsens bis zu dem Wasser deo Flusses waren nahezu zehn Klaftern. Sie hatten ein Seil mit. Da sprach der Priester: "Es scheint mir allzu gefährlich, dort hinunter zu steigen."
Grettir antwortete: "Man kann wohl hinuntersteigen; aber es gehört Mut dazu. Ich habe Lugt zu sehen, was in dem Wasserfall ist, aber du mußt auf das Seil aufpassen."
Der Priester war damit einverstanden, sie schlugen einen Pfahl ein zwischen zwei großen Steinen, befestigten das Seil daran, und der Priester setzte sich hin, um aufzupassen.
66. Grettir steigt in die Höhle unter dem
Wasser hinab und tötet einen Riesen
Nun ist von Grettir zu erzählen, daß er einen Stein an der Schlinge des Seils befestigte und ibn in den Wasserfall hinabließ.
"Wie willst du's nun machen" fragte der Priester.
"Ich will nicht gebunden sein," antwortete Grettir, " wenn ich in den Wasserfall hinunter komme; mir ahnt, daß ich den Seien Gebrauch meiner Glieder nötig habe."
Darauf machte er sich fertig für die Fahrt; er hatte nur wenige Kleider an, hatte das Schwert an seiner Seite und weiter keine Waffe. Dann sprang er von dem Felsen, von dem der Wasserfall herabstürzt, in den Fall hinunter. Der Priester sah kurze Zeit seine Fußsohlen, wußte aber sonst nicht, was aus ihm geworden war. Grettir tauchte unter hinter dem Fall, und das war schwer genug, denn der Wasserwirbel war reißend, und er mußte bis auf den Grund tauchen, bis er hinter den Wasserfall kam. Dort war eine Anhöhe, und diese kletterte er hinauf. Dort war eine große Höhle hinter dem Wasserfall, und der Fluß stürzt vor der Höhle von dem Felsen herab. Er ging in die Höhle hinein, und in ihr brannte mächtiges Feuer. Grettir sah da einen Riesen sitzen, fürcherlich groß und gräßlich anzusehen. Als Grettir auf ibn zukam, sprang der Riese auf. ergriff einen Spieß und schlug nach dem Ankömmling, denn man konnte damit sowohl stechen wie hauen, Ein Holzschaft war daran; die Waffe, die so beschaffen war, nannte man Heptisar, d. h. Schaftschwert. Grettir schlug mit dem Schwert nach ihm und traf den Schaft, so daß er in Stücke ging. Der Riese wollte hinter sich nach dem Schwerte langen, das in der Höhle hing. In diesem Augenblicke traf ihn Grettir an die Brust und durchschlug ihm die untersten Brustknochen und den Bauch, so daß die Eingeweide aus ihm herausstürzten
in den Fluß, und der Strom trieb sie weiter. Und der Priester, der auf das Seil aufpassen sollte, sah, wie die blutigen Fasern vor dem Strom trieben. Da hielt er in der Gefahr nicht stand und war überzeugt; daß Grettir tot wäre. Er lief von der Stelle weg, wo das Tau festgebunden war, und eilte nach Hause. Der Abend war schon hereingebrochen. Der Priester erzählte als gewiß, daß Grettir tot wäre, und sagte, es wäre ein großer Schade um ihn — einen Mann wie er gewesen wäre!Nun ist wieder von Grettir zu erzählen: er schlug einen Hieb nach dem andern, bis der Riese tot war. Dann ging er tiefer in die Höhle hinein. Er zündete ein Licht an und untersuchte die Höhle. Davon wird nichts erzählt, wieviel Geld er in der Höhle gefunden habe; aber man glaubt, daß es etwas war. Er fand dort die Gebeine von zwei Menschen und legte sie in einen Sack. Darauf verließ er die Höhle, schwamm nach dem Seil hin und rüttelte daran, denn er dachte, der Priester wäre noch da. Als er erkannte, daß der Priester nach Hause gegangen wäre, mußte er sich mit den Händen emporziehen, und es gelang ihm auch, den Felsen zu erreichen. Er ging nach Eyjadalsa und legte den Sack mit den Gebeinen vor dem Eingang der Kirche nieder, und dabei einen Runenstock, auf den er folgende verse hübsch eingeritzt hatte:
Ging hinab zur Grotte, Gähnend um mich dehnte Feucht der Wasserfall sich Nieder um die Glieder. Brausend brach des Wirbels Lust 1 die breite Brust mir. Stark drang gegen meine Achseln des Stromes Wachsen. |
Weiter heißt es:
Fahler Freund der Riesin 1 Kroch aus finsterm Loche, |
Schlug sich, das beschwör ich, Schrecklich mit dem Recken, Bis abhieb den Holzgriff Kraft des Schwerts vom Schafte. Auch durch Brust und Bauch drang Balmungs 1 scharfer Stahl ihm. |
Auf dem Runenstocke stand auch, daß Grettir diese Menschengebeine aus der Höhle mitgebracht hätte. Als der Priester am nächsten Morgen nach der Kirche kam, fand er den Runenstock mit dem, was dabei lag, und las die Runen. Grettir war heim nach Sandhaugar gegangen.
67. Grettir daheim
Als der Priester Grettir traf, Sagte er ihn genau nach dem Geschehenen, und dieser erzählte ihm alles, so wie es sich begeben hatte und meinte, der Priester hätte wenig sorgfältig auf das Seil aufgepaßt. Der Priester mußte es zugestehen. Man war überzeugt davon, daß diese Unholde an dem verschwinden der Menschen dort im Tal schuld waren. Es geschah auch in Zukunft kein Schaden mehr dort im Tale von Wiedergängern oder Gespensterunfug. Grettir schien dort eine große Landreinigung vorgenommen zu haben. Der Priester begrub die Gebeine auf dem Kirchhofe. Grettir war danach während des Winters auf Sandhaugar, aber hielt sich vor dem Volke verborgen. Als aber Thorir in Gardr das Gerücht zu Ohren kam, Grettir wäre im Bardardalr, sandte er Leute aus, ihn zu töten. Man riet ihm nun, sich wegzumachen, und er begab sich dann nach dem Westlande. Als er zu Gudmund dem Mächtigen auf Mödruvellir kam, bat er ihn um Beistand.
Aber der weigerte äch ihn aufzunehmen. "Der einzige Rat, den ich dir geben kann, ist der, dich dort niederzulassen, wo du nicht immer Angst um dein Leben zu haben brauchst,"
Grettir erwiderte, er wüßte nicht, wo ein solcher Ort wäre.
Gudmund sprach: "Eine Insel liegt im Skagastördr, die heißt Drangey. Sie ist eine so gute Festung, daß niemand auf sie
Ich will es versuchen," sagte Grettir. "Aber ich bin so furchtsam vor der Finsternis, daß ich um mein Leben nicht allein sein kann."
Gudmund sprach: "Wohl möglich, daß dem so ist; aber trau du keinem so gut wie dir selbst. viele sind mit vorsicht zu gebrauchen ."
Grettir dankte ihm für seinen guten Rat. brach sogleich von Mödruvellir auf. Er rastete nicht eher, als bis er nach Bjarg kam. Seine Mutter und sein Bruder Jllugi nahmen ihn freundlich auf. Er verweilte dort einige Nächte. Dort erfuhr er den Tod Thorsteins Skuggason. Das war im Herbst geschehen, als Grettir nach dem Bardardalr zog. Es schien ihm, als fange das Schicksal an ihn hart zu treffen. Er ritt südwärts über die Holtavörduheide und wollte Hallmund rächen, wenn er Grim träfe. Als er aber nach dem Nordrardalr kam, erfuhr er, daß Häm bereits vor zwei oder drei Wintern fortgezogen war, wie früher erzählt worden ist. Daß Grettir erst so spät diese Nachricht erfuhr, kam daher, daß er sich diese zwei Winter versteckt gehalten hatte (während des dritten Winters war er im Thorisdalr gewesen) und niemanden getroffen hatte, der ibm erzählt hätte, was geschehen war. Darauf begab er sich nach den Tälern des Breidifsördr und paßte auf die Männer, die über die Brauabrekka reisten. Er brandschatzte auch die Kleinbauern. war Mittsommerszeit.
Diesen Sommer gebar Steinvör auf Sandhaugar einen Knaben, der Skeggi genannt wurde. Zuerst galt Kjartan, der Sohn des Priesters Stein auf Eyjadalsa, als sein Vater. Skeggi glich nicht seinen übrigen Geschwistern, er war größer und stärker. Als er fünfzehn Winter alt war, war er der stärkste Mann im Nordlande und wurde Grettir zugeschrieben. Man hoffte, daß er ein ausgezeichneter Mann werden würde, aber
68. Grettir übt Großmut gegen Thorodd
Snorrason
Nach der Ermordung des Thorstein Kuggason legte der Gode Snorri seinem Sohne Thorodd und Sam, dem Sohne des dicken Bork, gegenüber großen Unwillen an den Tag. Was die Grundlage dazu war, weiß kein Mensch; am wahrscheinlichsten aber ist, daß Snorri ihnen irgendeine große Tat auferlegt batie; der sie sich entzogen hatten darum hatte der Gode Snorri den Thorodd verstoßen und verbot ihm zurückzukehren, wenn er nicht irgendeinen Wald gänger erschlüge, und dabei blieb es. Thorodd reiste hinüber nach Dalir. Damals wohnte in Breidabolstadr im Sökkolfsdalr eine Witwe namens Geirlaug. Sie hatte einen Schafhirten, der wegen Gewalttätigkeiten friedlos erklärt worden war; er war noch in jungen Jahren. Das erfuhr Thorodd Snorrason und reiste nach Breidabolstadr; er fragte, wo der Hirt wäre.
Die Hausbau sagte, er wäre bei den Schafen: "Aber was willst du von ihm:"
Er antwortete: "Ich will sein Leben haben, denn er ist ein geächteter Waldmann."
Sie erwiderte: "Das ist kein Ruhm für einen so tapferen Mann, wie du zu sein scheinst, einen solchen Wicht zu töten. Ich will dir Gelegenheit zu etwas ganz anderem geben, um deine Tapferkeit ;u zeigen, wenn du grase Lust dazu hast."
"Worin besteht das?' fragte er.
Sie antwortete: "Hier oben in den Bergen baust Grettir Asmundarson; binde mit ihm an: Das paßt besser für einen Mann wie dich!"
Thorodd gefielen diese Worte:"So soll es sein!" Er gab seinem Gaul die Sporen und ritt aufwärts durch die Täler. Als er auf die Höhen unterhalb der Austra kam, sah er eine Isabelle, den Sattel auf dem Rücken, grasen. Bei dem Pferde bemerkte er einen großen bewaffneten Mann und ritt sogleich auf ihn los. Grettir grüßte ihn und fragte ihn, wer er wäre. Thorodd
nannte seinen Namen und sprach: "Warum Sagst du mich nicht lieber nach meinem Begehr als nach meinem Namen:Weil," antwortete Grettir, "dein Begehr wohl nicht viel zu bedeuten hat. Bist du nicht ein Sohn des Goden Snorri"
Das bin ich," antwortete Thorodd. "Aber dennoch wollen wir jetzt erproben, wer von uns der Stärkste ist.
"Darüber besteht kein Zweifel," sagte Grettir. "Hast du nicht gehört, daß es den Wenigsten Glück gebracht hat, die mit mir zu tun gehabt haben:"
"Das weiß ich," sagte Thorodd. " Aber dennoch wollen wir jetzt ein Tänzchen wagen;" damit zog er sein Schwert und griff Grettir hitzig an. Der aber schirmte sich nur mit seinem Schilde und schlug nicht auf Thorodd, und das währte so eine Weile; Grettir wurde nicht verwundet.
Dann sprach Grettir: "Laß uns mit diesen Narrenstreichen aufhören, denn mich beliegst du niemals, wenn wir miteinander kämpfen."
Thorodd schlug wie ein Rasender. Grettir wurde es langweilig, er packte ihn, setzte ihn neben sich auf den Boden und sprach: "Ich kann mit dir machen, was ich will, und ich bin nicht bange davor, daß du mein Mörder wirst; aber ich bin bange um deinen Vater den Goden Snorri, den Graukopf; und seine Ratschläge, denn die haben die meisten in die Knie gezwungen. Du solltest ein wenig nachdenken, was du dir eigentlich vorgenommen hast, denn es ist kein Kinderspiel, sich mit mir zu schlagen."
Da Thorodd bemerkte, daß er nichts ausrichten konnte, gab er sich endlich zufrieden. und damit schieden sie. Er ritt heim nach Tunga und erzählte seinem Vater die Begegnung mit Grettir.
Der Gode Snorri lächelte und sprach: "Mancher ist sehr van sich eingebildet; ein großer Unterschied war zwischen euch; du hiebst auf ihn los, aber er konnte mit dir machen, was er wollte. Aber Grettir tat klug, daß er dich nicht tötete, denn ich hätte es kaum über mein Herz gebracht, dich ungerächt zu lassen; ich werde, glaub ich, etwas für ihn tun, wenn ich Anlass habe, in seine Sache einzugreifen."
Man konnte deutlich an Snorri merken, daß er fand, Grettir hätte sich großmütig gegen Thorodd benommen; und von da ab war er ihm immer wohlgesinnt in seinen Ratschlägen.
69. Grettirs Abschied von der mutter
Kurz nach der Trennung von Thorodd ritt Grettir nordwärts nach Bjarg und hielt sich dort eine Weile verborgen . Es war so weit mit seiner Furcht vor der Finsternis gekommen, daß er nicht wagte, irgendwohin zu gehen, sobald es zu dunkeln anfing. Seine Mutter bat ihn, da zu bleiben; es wäre freilich leicht zu sehen, fügte sie hinzu, daß es ihm nicht viel helfen würde, so viele Feinde wie er jetzt im ganzen Lande hätte.
Grettir erwiderte, sie solle seinetwegen keinen Kummer haben: "Aber wenn es auch mein Leben kostet, ich kann es nicht länger aushalten, allein zu sein."
Sein Bruder Jllugi war damals fünfzehn Jahr alt und ein tüchtiger Bursch. Er war bei dieser Unterredung zugegen. Grettir erzählte seiner Mutter, wozu Gudmund der Mächtige ihm geraten hätte und sagte, er würde versuchen, nach Drangey zu kommen. Aber er erklärte; er könnte dort nicht sein, wenn er nicht einen treuen Menschen bekäme, der bei ihm bliebe.
Da sprach Illuge"Ich will mit dir dahin geben, lieber Bruder ! swar kann ich dir nicht von großem Nutzen sein, aber das weis ich, daß ich dir treu bin und dich nicht im Stiche lasse, solange du am Leben bist; um so besser weiß ich, wie es dir geht, wenn ich bei dir bin."
Grettir antwortete: "Du bist der Mann, über den ich am meisten Freude empfinde, und ging es dem Herzen meiner Mutter nicht zu nahe, wünschte ich gebr, daß du mit mir gingst."
Asdis sagte: "Nun ist es dahin gekommen, daß ich die Wahl habe zwischen zwei unangenehmen Dingen: Hart kommt es mich an, Jllugi zu entbehren, aber ich weiß, daß ein so großer Fluch 1 auf Grettir liegt, daß irgend etwas mit ihm geschehen muß. Aber obwohl es mir schwer fällt, für immer von meinen 1
Darüber wurde Jllugi froh, denn er hatte große Lust mit Grettir zu gehen. Sie gab ihnen reichlich Geld. Darauf machten sie sich reisefertig.
Die Hausfrau begleitete sie ein Stückchen Weg vom Hofe, und als sie Abschied nahmen, sprach sie so: "Nun fahrt ihr dahin, meine beiden Söhne, und ihr werdet gemeinsam den Tod finden; und niemand vermag dem zu entrinnen, was ibm verhängt ist. Keinen von euch beiden werde ich wiedersehen. Dasselbe Los treffe euch beide! Ich weiß nicht, welches Glück ihr da auf Dranges sucht, aber dort werdet ihr euer Haupt niederlegen, und viele werden euch dort den Aufenthalt verwehren. Hütet euch wohl vor Verrat: Aber den Waffentod werdet ihr sterben, und wunderlich sind mir die Träume gekommen. Hütet euch wohl vor Hexenkünsten! Wenig ist stärker als Zauberei."
Als sie das gesagt hatte, weinte sie bitterlich.
Grettir sprach:"Weine nicht; liebe Mutter! Das soll man sagen, daß du Söhne gehabt hast und nicht Töchter, wenn wir mit Waffen angegriffen werden; und nun lebe wohl!"
Darauf schieden sie. Die Brüder reisten nordwärts und besuchten ihre verwandten. Und damit ging der Herbst zu Ende, und es wurde Winter. Sie begaben sich über Vatnsskard, Reykjaskard und Sämundarhlid und Langholt nach dem Skagafjördr. Sie kamen nach dem Hofe Glaumbör d .h."Lärmhof" eines Tages gegen Abend. Grettir hatte die Kappe seines Mantels auf die Schultern fallen lassen; das machte er stets, wie auch das Wetter war. Sie gingen weiter, und als sie sich ein Stück Weges vom Hof entfernt hatten, begegnete ihnen ein Mann; der hatte einen großen Kopf, war lang aufgeschossen und hager, und ziemlich dürftig gekleidet. Er grüßte sie, und sie Sagten einander nach dem Namen. Die Brüder nannten ihren Namen, und er sagte, er hieße Thorbjörn. Er war ein Hagestolz und ein Stromer und ein großer Prahlhans, und die meisten hatten ihren Spaß mit ihm. Er tat so, als ob sie alte Bekannte wären und wußte ihnen viel über die Leute des Bezirks zu erzählen. Grettir hatte seinen Spaß an ihm. Er Sagte, ob sie nicht einen Menschen brauchen
könnten, der für sie arbeitete. "Ich möchte gern mit euch gehen," schloß er.Endlich überredete er sie, daß sie ihn mit sich nahmen. Das Wetter war kalt, und es schneite tüchtig. Weil aber dieser Mann ein Possenreißer und großer Schwätzer war; hatte er einen Spitznamen bekommen und wurde Glaum d. b. Lärm genannt.
"Die Leute auf Glaumbör wunderten sich nicht wenig darüber, daß du ohne Kapuze bei diesem Unwetter gingst", sagte Glaum, "und dachten, ob du ebenso mutig und tapfer wärest wie unempfindlich gegen Kälte. Da waren zwei von den Söhnen des Bauern, ein paar stramme Kerle, die der Schafhirt aufforderte; ihm beim Einsammeln der Schafe zu helfen, aber die konnten kaum genug Kleider anbekommen, so erforen waren sie."
Grettir sprach: "Ich sah einen jungen Mann im Hausflur, der zog sich wollene Handschuhe an, und der andere ging zwischen Kuhstall und Misthaufen, 1 und vor keinem von den beiden brauche ich bange zu sein."
Darauf zogen sie ihre Straße weiter bis Reynines und blieben dort die Nacht. Von da reisten sie die Rüste entlang, bis sie den Hof Reykir erreichten; dari wohnte ein Mann namens Thorvald, ein guter Bauer. Grettir bat ibn, ihm zu helfen und erzählte ihm, daß er beabsichtigte nach Dranges zu ziehen. Der Bauer sagte, die Leute des Skagafjördr würden kaum meinen, das es ein guter Freund wäre, den sie so nah bekommen hätten. und machte Ausflüchte. Grettir nahm einen Beutel mit Geld, den ibm die Mutter gegeben hatte, und reichte ihn dem Bauern. Da glättete er die gerunzelten Augenbrauen und ließ sie von drei Knechten während der Nacht bei Mondschein übersetzen. von dem Hofe Reykir ist nur eine kurze Strecke bis zur Insel, eine Seemeile.
Als sie nach der Insel kamen, schien es Grettir, daß gui aussähe, denn sie war mit Gras bewachsen und fiel steil in das Meer hinab, so daß man sie unmöglich besteigen konnte, ausgenommen da, wo die Leitern waren. Und wenn man die oberste Leiter in die Höhe zog, stand es in keines Menschen Macht, auf die Insel zu kommen. Die Insel war auch ein großer Vogelberg während 1
70. Die Häuptlinge am Skagafjördr
Als Grettir nach Drangey kam, waren folgende Bezirks Häuptlinge am Skagafjördr. Hjalti wohnte auf Hof im Hjaltadalr, er war ein Sohn von Thord Hjaltason, einem Sohne von Thord Skalp. Hjalti war einer der angesehensten Häuptlinge; er war berühmt und beliebt. Sein Bruder hieß Thorbjörn Ongul , d. h. Angel. Er war groß von Wuchs und stark, streitbar und wenig umgänglich. Ihr Vater Thord hatte sich in seinen alien Tagen noch verheiratet, diese Frau war jedoch nicht die Mutter dieser Brüder. Sie war böse zu ihren Stiefkindern, besonders zu Thorbjörn, denn es war schwer mit ibm umzugehen und er war unbesonnen. Es geschah einmal, daß Thorbjörn eine Art Brettspiel spielte, Halatafl 2 genannt; seine Stiefmutter ging vorbei und bemerkte, daß er einen Fehler machte. Er schien ihr unaufmerksam zu sein, und sie schalt ihn deswegen aus, er aber antwortete verdrossen. Da ergriff sie plötzlich eine der Figuren des Brettspiels und stieß mit dem spitzen Ende nach Thorbjörns Backenknochen, aber der Nagel glitt ab und drang ins Auge, so daß es draußen auf der Backe lag. Er sprang auf und mißhandelte sie derart, daß sie sich ins Beit legen mußte und später daran starb; und man sagte auch, sie wäre schwanger gewesen. Thorbjörn wurde ein großer Kampfhahn. Er übernahm selbst die Bewirtschaftung seines Hofes und wohnte zuerst auf dem Hofe Vidvik.
Halldor, ein Sohn von Thorgeir, dem Sohne des Thord von Höfdi, wohnte auf Hof in der Höfdaströnd. Er war mit Thordis verheiratet, einer Tochter des Thord und Schwester der
Björn hieß ein Mann, der auf Haganes in Fljot wohnte; er und Halldor auf Hof waren Freunde. Diese Männer hielten stets zusammen.
Tungu-Stein hieß ein Mann, der auf Steinsstadir wohnte. Er war ein Sohn von Björn, einem Sohne des Ofeig Dünnbart, ; eines Sohnes des Kraku-Hreidar dem Eirik in Guddalr das Stück Land, Tunga genannt, unterhalb von Skalamyrr geschenkt hatte. Stein war ein angesehener Mann.
Eirik hieß ein Wann, ein Sohn von Holmgangs-Starri aus Guddalir, einem Sohne des Hroald, eines Sohnes von Geirmund mit dem aufrecht starrenden Barte. Er wohnte auf Hof in Guddalir. Diese waren alle Männer von Stellung.
Zwei Brüder, beide mit dem Namen Thord, wohnten auf dem Hof Breida in Sljettahlid. Sie waren außergewöhnlich stark, aber gutmütig.
Aue diese Männer hatten ihren Anteil an Drangey. Man sagt, daß nicht weniger als zwanzig Mann Anspruch auf die Insel hatten; und keiner wollte seinen Anteil verkaufen. Die Söhne des Thord hatten den größten Anteil, denn sie waren die Reichsten.
71. Grettir und die Bewohner des
Skagafjördr
Zur Zeit der Wintersonnenwende schickten sich die Bauern an, ihr Schlachtvieh von der Insel zu holen. Sie bemannten eine Schute, und jeder von ihnen stellte einen Mann, manche auch zwei. Als sie in die Nähe der Insel kamen, sahen sie Leute da oben. Das kam ihnen seltsam vor, und sie glaubten, daß hier jemand Schiffbruch gelitten und sich bier an Land gerettet hätte. Sie ruderten nun dahin, wo die beiden Leitern waren. Aber die andern, die oben waren, sogen die Leitern in die Höhe. Das kam den Bauern merkwürdig vor; sie riefen sie an und Sagten, wer die da oben wären. Grettir nannte seinen Namen und den seiner Gefährten. Die Bauern fragten, wer sie nach der Insel übergesetzt hätte.
Grettir antwortete: "Der setzte mich über, der selbst das Boot
besaß und selbst Hand anlegte, und er war mehr mein Freund als eurer."Die Bauern entgegneten: "Laß uns unsere Schafe holen, komm mit uns an Land, und was du schon geschlachtet hast, kannst du behalten"
Grettir antwortete: "Das ist ein freundliches Anerbieten! Aber das beste ist; daß ein jeder behält, was er hat. Und das will ich euch gleich sagen, von hier gebe ich nicht fort, außer tot oder erschlagen; und ich gebe nicht preis, was ich habe
Die Bauern schwiegen und merkten, daß ein Unglücksgast nach Drangey gekommen wäre. Sie machten ibm manches gute Anerbieten, an Geld und schönen Versprechen. Aber Grettir sagte "Nein" zu allem, und die Bauern mußten wieder nach Hause fahren, unverrichteter Sache, und höchst mißvergnügt, Sie erzählten den Leuten aus dem Bezirke, was für ein Wolf nach der Insel gekommen wäre. Das kam ihnen gans unerwartet , und hier war nach ihrer Meinung guter Rat teuer. Sie hatten nun genug Stoff für ihre Gespräche während des Winters, aber konnten keinen Rat finden, wie sie Grettir von der Insel brächten.
72. Grettir auf dem Hegranesthing
Der Winter verging, und im Frühjahr zogen die Leute nach dem Hegranesibing. 1 Und es kam dahin eine zahlreiche Menge von Leuten aus allen Gegenden, die dort das Thing zu besuchen hatten. Man blieb lange im Frühjahr dort zusammen, sowohl um seine Sachen ;u erledigen, als auch um sich zu vergnügen, denn es gab damals in diesem Bezirk eine Menge zum Scherzen aufgelegter Menschen. Grettir erfuhr nun, daß die meisten nach dem Thing gereist waren; davon benachrichtigten ihn seine Freunde; denn er stand sich ständig gut mit denen, die ihm am nächsten wohnten, und sparte ihnen gegenüber nicht an dem, was er zu verschenken hatte. Er sagte, er wollte
Da sprach Thorbjörn: "Keiner von denen, die ich heute angefaßt habe, war so schwer von der Stelle zu rücken wie du.
Wer bist du:"
Er antwortete: "Ich heiße Gest."
Thorbjörn sprach: "Nimm teil an unsern Spielen, so bist du ein willkommener Gast."
Er antwortete: "Große Veränderungen können in kurzer Zen geschehen; ich kenne keinen bier!"
Das Volk sagte, das wäre hübsch, wenn er zur Unterhaltung beitrüge, und es täte nichts zur Sache, daß er fremd wäre. Er fragte, was sie wollten, daß er täte. Sie forderten ihn auf, mit irgendeinem zu ringen. Er sagte, darin hätte er sich lange nicht geübt: "Aber es gab eine Zeit, da mir das Ringen viel Spaß machte."
Da er sich so nicht ganz geweigert hatte, suchten sie ihn um so mehr dazu zu bewegen.
Er sprach: "Wenn euch so viel darin liegt, mich zu überreden, so sollt ihr euern Willen haben, unter der Bedingung, daß ihr mir Frieden und Sicherheit gewährt, hier auf dem Thing und bis ich beim komme."
Sie riefen alle; das wollten sie gerne. Hafr hieß ein Mann; er war am eifrigsten dafür, das diesem Manne Friede zugesichert würde; er war ein Sohn von Thorarin, einem Sohne von Hafr, einem Sohne des Thord Knopf der das Land zwischen Stifla in Fljot und der Tungua in Besitz genommen hatte. Er wohnte auf Knappstadir und war sehr redegewandt. Er sprach die Zusicherung des Friedens mit großer Würde vor. Folgendermaßen beginnen diese Treuschwursprüche.
"Hiermit verbürge ich," sprach er, " einem jeden Frieden und Sicherheit, in Sonderheit dem Fremden, dessen Name Gest ist, und der hier unter uns sitzt, und hierin sind einbegriffen
alle Goden und angesehenen Bauern, und der ganze Gau, die wackern Mannen, die Waffen führen, und alle andern Bezirksleute im Hegranesthing, und endlich jedermann, wo er auch hergekommen sein mag, benannt oder unbenannt: wir alle verbürgen diesem unbekannten Fremden, der sich Gest nennt, Sicherheit und vollen Frieden während der Zeit, da er teilnimmt |
an Spiel und an Ringkampf und an allen Späßen, ob er hier sich aufhält oder nach Hause fährt, wo er auch weilt auf dem Meer oder Moor, auf See oder Sand. |
Er soll Sicherheit haben an allen Orten, benannten und unbenannten , so lange wie er bedarf
zu heiler Heimkunft, daß wir Frieden halten. |
Ich verbürge ihm Frieden von uns und unsern Verwandten,
Freunden und Vettern, sie seien Männer oder Mägde, Knaben oder Knechte, Freie oder leibeigene Leute. |
Der ist ein Neiding, der den Frieden bricht und die Treue nicht hält,
verstört und verstoßen von Gott und guten Menschen, von dem Himmelreich und von allen heiligen Männern, und niemals und nirgends habe ein Heim er, von allen Menschen sei er gemieden, soweit wie der Wolf gehetzt wird, oder Christenleute zur Kirche gehn, Heiden opfern im Hause der Götter; wie Feuer flammt, der Grund Gras trägt, Kind die Mutter kost, Kinder kommen zur Welt; wie Leute die Lohe anfachen, Schiff schreitet; |
Schilde blinken. Sonne scheint, Schnee liegt, |
der Finne auf Schneeschuhen fährt,
die Föhre wächst, Falke fliegt den langen Lenztag, |
steht ihm günstiger Fahrwind
unter beiden Flügeln; wie Himmel sich wölbt, Erde bewohnt wird, und Wind das Wasser wälzt nach dem Meere, |
Korn auf der Erde man aussät.
Fern soll er bleiben von Kirche und Christen, fern von Heiden, Haus und Höhle, fern jeder Heimstatt — außer der Hölle! Jetzt sollen wir sein versöhnt und einig unter einander treuen Herzens, ob wir uns treffen |
im Gebirg, an der trockenen Bucht,
auf Schiff oder Schneeschuhen, auf Fußpfad oder Ferner, auf See oder im Sattel, wie wenn man findet den Freund auf dem Wasser, oder den Bruder auf der Straße antrifft, versöhnet mit einander wie Sohn mit Vater oder Vater mit Sohn bei jedem Zusammensein. |
Hierauf geben wir einander unsere Hand. Wir alle wollen Frieden balten und alles, was in diesem Treuschwur gesagt ist. Gott sei Zeuge und gute Männer und alle, die meine Worte hören und auch die, die sich vielleicht in der Nähe befinden!" Mancher meinte, es wäre sehr viel gesagt.
Aber Grettir sprach: "Wohl hast du gesprochen, wenn ihr es später nicht brecht. Nun will ich nicht mehr zögern, zu zeigen, wozu ich fähig bin:"
Damit warf er den Mantel ab und alle andern Oberkleider. Einer sah den andern an, und es war ihnen seltsam zumute. Sie glaubten alle, Grettir, den Sohn des Asmund, zu erkennen, denn er war ungleich allen andern Menschen an Wuchs und Stärke. Alle schwiegen, und Hafr sah ein, daß er sich hatte um besten halten lassen. Zwei und zwei von den Leuten des Bezirks gingen zusammen und sprachen zusammen, und der eine schalt auf den andern, zumal auf den, der den Friedensvertrag hergesagt hatte.
Da sprach Grettir: "Sagt mir in klaren Worten, was ihr im Sinne habt, denn ich will nicht länger ohne Kleider sitzen. Aber schlimmer wird es euch ergehen, wenn ihr nicht Frieden haltet, als mir."
Sie antworteten nur wenig und setzten sich. Die Söhne Thords und ihr Schwager Halldor sprachen nun zusammen. Einige wollten Frieden halten, einige nicht. Sie steckten die Köpfe zusammen. Grettir sprach die Weise:
Mancher Mann heut morgen Konnt mich nicht erkennen, Kannt er mich auch sonst gut. Schlicht 1 ist mein Gesicht nicht. In der Tat betrogen Heut ich hab die Leute; Werden Wort sie halten: Hafr erscheint gans baff mir. |
Da sprach Tungu-Stein "So, das glaubst du, Grettir Aber was werden die Häuptlinge beschließen Es ist wohl wahr,
Sieh, wie sie zusammen Stecken, diese Recken! Bei den raschen Reden Bart äch reibt an Bart. 1 Die das Gold verteilen, 2 Trennen sich und rennen Ruhlos und betreten, Treuwort sie bereuen. |
Da sprach Hjalti Thordarson: "Das soll niemals geschehen," sagte er. "Das Geleit, das wir gegeben haben, halten wir, obwohl wir uns nicht gescheit benommen haben. Ich will nicht, daß die Leute das als Beispiel haben, daß wir selbst den Frieden brechen, den wir gegeben und zugesagt haben. Grettir soll ungehindert gehen, wohin er will, und er soll Frieden haben, bis er von dieser Fahrt heim kommt. Dann sind wir des Treuschwurs ledig, und wir können machen, was wir wollen."
Alle dankten ihm für seine Worte, und man fand, er hätte sich wie ein Häuptling benommen, wie die Sache einmal stand. Nur Thorbjörn Angel war still. Man beschloß, daß der eine von den Brüdern Thord mit Grettir ringen sollte, und er war auch dazu bereit. Nun trat der eine von den Brüdern vor. Grettir stand aufrecht da; der andere rannte schnell auf ihn los, aber konnte ibn nicht von der Stelle rücken. Grettir langte ihm über den Rücken, packte ihn an der Hose, hob ihn so an den Beinen empor und schleuderte ibn sich über den Kopf, so daß er mit den Schultern auf den Boden zu liegen kam; das war ein mächtiger Fall. Dann sagten die Leute, jetzt sollten beide Brüder auf Grettir losgehen, und es geschah auch. Es war ein heißes Ringen, bald war der eine, bald der andere im vorteil; aber Grettir hatte doch immer einen von den Brüdern unter sich; bald lag er, bald lagen beide Brüder in den Knien
Grettir blieb nicht lange auf dem Thing. Die Bauern baten ihn, die Insel aufzugeben, aber das wollte er nicht und die Bauern erreichten nichts. Grettir begab sich wieder nach Drangey, und Jllugi freute sich sehr über seine Rückkehr. Nun verging einige Zeit in Ruh und Frieden. Grettir erzählte ihnen von seiner Reise. Bald war der Sommer vorbei. Alle waren sich einig, daß die Leute des Skagaflördr sich sehr anständig benommen hätten, indem sie mit ihm Frieden hielten; und daraus kann man sehen, wie wacker sie waren, trotz allem, was Grettir ihnen angetan hatte. Die minder vermögenden Bauern fanden, daß sie nur geringen Nutzen davon hätten, einen Anteil an Drangs zu besitzen und boten den Söhnen des Thord ihren Anteil an. Hjalti wollte nicht kaufen. Die Bauern bedangen sich aus, daß der, der kaufte, entweder Grettir töten oder ihn sonst fortschaffen sollte. Thorbjörn Öngul erklärte, er würde es nich daran fehlen lassen, sich zu einem Angriff auf Grettir zu ver- pflichten, wenn sie ibm Geld dazu gäben. Hjalti, sein Bruder; gab ihm einen Teil von der Insel, denn Thorbjörn war der streitbarere und wenig beliebt. So taten auch mehrere andere Bauern. Auf diese Weise bekam Thorbjörn das meiste von der Insel gegen eine geringe Bezahlung, aber er übernahm es auch, Grettir fortzuschaffen.
73. Thorbjörn fordert Grettir auf, die
Insel zu verlassen
Gegen Ende des Sommers fuhr Thorbjörn Angel mit einer voll bemannten Schute nach Drangey, Grettir und seine beiden Gefährten gingen oben auf dem Felsen. So
sprachen sie mit einander. Thorbjörn forderte Grettir auf, die Insel in aller Güte zu verlassen. Grettir schlug es ab.Thorbjörn sprach: "Es könnte doch sein, daß ich dir von Nutzen wäre, wenn du es tust. Viele von den Bauern haben mir ihren Anteil von der Insel übertragen."
Grettir antwortete: Nun hast du ausgesprochen, was mich bestimmt, niemals die Insel zu verlassen, da du nun selbst den größten Teil der Insel besitzest. Jetzt und wir beide es also, die den Kohl teilen sollen. Ganz recht, es war eine große Schwierigkeit für mich, alle Leute des Skagrgafjördr gegen mich zu haben; aber hier sind die beiden Parteien gleich, denn keiner von uns beiden wird an der Freundschaft der Leute ersticken. Du brauchst dich nicht wieder hierher zu bemühen, denn meinerseits ist die Sache erledigt."
Alles Ding hat seine Zeit,"sagte Thorbjörn" ,und zuletzt wird es dir schlecht gehen."
"Das werden wir sehen," erwiderte Grettir. Damit schieden sie, und Thorbjörn begab sich wieder nach Hause.
74. Ohne Feuer
So wird erzählt, daß, als Grettir zwei Winter auf Drangey gewesen war, sie alle Schafe geschlachtet hatten, die dort gewesen waren. Nur einen Widder ließen sie am Leben, wie berichtet wird. Er hatte einen grauen Bauch und große Hörner. Sie hatten viel Spaß an ihm, denn er war so zahm, daß er draußen vor der Tür wartete und ihnen nachlief, wohin sie auch gingen. Des Abends ging er heim nach der Hütte und rieb mit den Hörnern gegen die Tür. Sie waren ganz zufrieden mit dem Aufenthalt auf der Insel, denn sie konnten sich leicht Nahrung verschaffen, wegen des Reichtums an Vögeln und Eiern; Brennholz allein war knapp zu bekommen; darum ließ Grettir immer den Knecht den Strand nach Treibholz absuchen; Holzstücke trieben dort häufig an, und der Knecht brachte sie dann nach Hause zum Feuer. Die Brüder hatten nichts anderes zu tun als auf die Felsen zu klettern, 1 wenn es ihnen paste. Der Knecht wurde dieser Arbeit allmählich
Eines Nachts geschah es, daß das Feuer erlosch. Da wurde Grettir ärgerlich und sagte, er hätte verdient, durchgeprügelt zu werden. Aber der Knecht sagte, es wäre ein elendes Dasein, hier in Friedlosigkeit zu liegen und böse Worte und Prügel zu bekommen, wenn etwas verkehrt ginge. Grettir fragte Jllugi, was sie tun sollten. Aber er wußte keinen andern Rat als zu warten, bis ein Schiff nach der Insel käme. Grettir sagte, damit könnten sie kaum rechnen: "Ich will lieber versuchen, nach dem Festlande zu schwimmen."
Das ist ein gefährliches Wagnis," sagte Jllugi. "Denn wir sind verloren, wenn dir etwas zustößt."
"Schwerlich werde ich ertrinken," antwortete Grettir. Aber in Zukunft will ich dem Knecht nicht mehr so vertrauen, so wichtig wie es für uns war."
Es war eine Seemeile weit nach dem Festlande von der Insel, wo die Entfernung am kürzesten war.
75. Grettir holt Feuer vom
Festlande
So machte sich Grettir fertig zum Schwimmen. er hatte einen Mantel von sehr grobem Zeug und trug Hosen; zwischen seinen Fingern brachte er eine Schimm haut an. Das Weiter war gut. Spät am Nachmittage schwamm er von der Insel ab. Jllugi war sehr bekümmert um seine Reise. Grettir schwamm hinaus nach dem Fjord; er hatte den Strom mit sich, und es war ganz still. Er schwamm rasch und kam nach Rey janes, als die Sonne untergegangen war. Er ging nach dem Hofe Reykir, nahm dort in der Nacht ein Bad und ging dann in die Stube. Dort war es sehr heiß gewesen, denn den ganzen Abend hatte dort ein Feuer gebrannt, und die Stube war jetzt ein wenig abgekühlt. Er war sehr müde und fiel sogleich in tiefen Schlaf. Dort lag er bis in den bellen Tag hinein. Als der Morgen anbrach, stand das Gesinde auf, und wei Frauen
kamen zuerst in die Stube. Es war eine Dienstmagd und die Tochter des Bauern. Grettir schlief noch, aber die Kleider, die er anhatte, waren von ihm auf den Boden geglitten. Sie erkannten ihn sogleich, als sie ihn sahen.Die Dienstmagd sprach: "So wahr ich lebe, Schwester! Hier liegt Grettir Asmundarson, und er scheint mir mächtig stark oberhalb der Lenden zu sein, und liegt nackt da. Merkwürdig aber dünkt mich, wie klein er unten ist, das entspricht nicht seiner sonstigen tadellosen Beschaffenheit."
Die Bauerntochter antwortete:"Wie kannst du soviel schwatzen: Da bist ein ganz albernes Frauenzimmer, schweig stille!'
"Darüber brauch ich nicht zu schweigen, liebe Schwester " sagte die Dienstmagd."Das hätte ich nicht für möglich gehalten, auch wenn mir's jemand gesagt hätte."
Sie trat an ihn heran und betrachtete ihn sich näher, aber bisweilen lief sie nach der Bauerntochter und schüttelte sich vor Lachen. Grettir hörte, was sie sagte, und als sie ihm zu nah kam, ergriff er sie und sprach die Weise:
Lüstern und voll Leichtsinn Gibt sich die verliebte; Wen' ge können würd 'gen, Wahrlich. andrer Haarschwert. 1 Möglich, daß bei manchen Strammer steht der Hammer 1 — Größer hängt der Beutel Grettirs, gerne weit ich. |
Dann sog erste zu sich auf die Bank. aber die Bauerntochter stürzte fort. Da sprach Grettir die Weise:
Kleine klagt, daß allzu Klein mein ,Kleiner' wäre, Recht bist du berichtet. Doch kann rasch vorm Loche Mähre mit der Mähne 1 Mitten bei dem Ritte |
Wachsen, länger werden. Warte, Mädchen, warte! |
Das Mädchen schrie laut auf, aber sie schieden so von einander, daß sie nicht unzufrieden mit Grettir war; als es vorbei war. Bald darauf stand er auf, ging zu dem Bauern Thorvald, erzählte ihm die ärgerliche Geschichte und bat ihn, ihn überzusetzen; der Bauer tat es, lieh ihm ein Boot und setzte ihn über. Aber als die Leute hörten, daß Grettir eine ganze Seemeile geschwommen wäre, kam allen seine Tapferkeit auf dem Wasser, wie auf dem Lande gans fabelhaft vor. Die Leute des Skagafjördr schalten Thorbjörn heftig, daß er Grettir nicht von Dranges vertrieben hätte, und drohten, jeder würde seinen Anteil auf der Insel wieder zurücknehmen. Er sagte, das wäre gar nicht so leicht, und bat sie, ihm Zeit zu geben.
76. Sin vergeblicher Überfall
In diesem Sommer kam ein Schiff in die Mündung des Gönguskardsoss. Auf dem Schiff war ein Mann namens Häring. Er war jung und so geschickt, daß es keinen Berg gab, den er nicht erste konnte. Er nahm bei Thorbjörn Öngul Aufenthalt und blieb dort bis in den Herbst. Er machte Thorbjörn große Lust, nach Drangey zu fahren und sagte, er möchte gerne sehen, ob die Klippe wirklich so schroff wäre, daß keiner sie erklettern könnte. Thorbjörn sagte, das sollte er nicht unisono tun, wenn er nach der Insel käme und Grettir verwundete oder tötete. Er machte es Häring recht verlockend. Darauf fuhren sie nach Drangey und setzten den Norweger dort irgendwo an Land; und er sollte sich ihnen unbemerkt nähern, wenn er auf die Insel käme; sie selbst sollten sich bei den Leitern aufstellen und Grettir durch Schwatzen hinhalten. Thorbjörn Sagte Grettir, ob er nicht von der Insel fort wollte. Er sagte; gans bestimmt niemals.
"Du hast uns gehörig zum besten gehabt," sagte Thorbjörn.
"Die Zeit kommt, da wir es rächen; aber ängstlich scheinst du nicht zu sein."
Sie sprachen lange darüber, aber es führte zu keinem Ergebnis.
Aber von Häring ist nun zu sagen, daß er hin und her auf dem Felsen kletterte, und es gelang ihm, an einen Punkt zu kommen, wo weder vorher noch nachher jemand gewesen ist. Da er nun oben auf dem Felsen war, sah er, wo die beiden Brüder standen und ihm den Rücken zukehrten. Nun glaubte er in einer kurzen Stunde Geld und Ruhm zu erringen. Keiner ahnte das geringste von seinem Vorhaben, denn sie glaubten, daß es nur möglich wäre da empor zu steigen, wo die Leitern wären. Grettir war durch sein Gespräch mit Thorbjörn in Anspruch genommen, und es fehlte an beiden Seiten nicht an höhnischen Worten. Da blickte sich Jllugi zufällig um und sah, daß ihm ein Mann sehr nahe gekommen war.
Er rief: "Hier ist ein Mann gekommen mit erhabner Art, er scheint keine friedlichen Absichten zu haben."
"Wende dich zu ihm!' sagte Grettir. "Ich will auf die Leitern aufpassen."
Jllugi stürzte auf Häring los. 'Über als der Norweger das sah, kehrte er um und lief auf der ganzen Insel herum. Jllugi setzte ihm nach, wo die Insel flach war. Aber als er nach dem Felsen kam, sprang Häring herab und brach sich alle Knochen im Leibe; so endete sein Leben. Der Ort, wo er seinen Tod fand, heißt seitdem Häringssprung. Jllugi kam zurück, und Grettir fragte ihn, was er ausgerichtet hätte.
"Er wollte mir entwischen," sagte Jllugi, " und dabei brach er am Fuße des Berges den Hals. und die Bauern mögen für ihn beten, wie wenn er tot wäre."
Und als Thorbjörn Öngul das hörte, gebot er fortzurudern: "Nun hab' ich zwei Fahrten gegen Grettir unternommen. Das drittemal tue ich es nicht, wenn ich meiner Sache nicht sicherer bin; aber ich fürchte, daß Grettir und seine Gefährten unbehelligt vor mir dort auf der Inselklippe bleiben. Gleichwohl hoffe ich, daß Grettir die längste Zeit hier gewesen ist."
Sie ruderten beim. Diese Fahrt dünkte sie noch schlechter als die vorige, und Grettir saß diesen Winter in Frieden auf Drangey, und er und Thorbjörn trafen sich diesen Winter nicht-In diesem Winter starb der Gesetzessprecher Skapti Thoroddsson. Das war fur Grettir ein großer Schade, denn er hatte
versprochen, Grettirs Befreiung von der Acht zu erwirken, sobald er zwanzig Jahre friedlos gewesen wäre; und dies Jahr, von dem jetzt eine Weile erzählt ist, war das neunzehnte seiner Acht. Im Frühjahr starb der Gode Snorri, und noch manches andere geschah in diesem Jahre, was in dieser Geschichte nicht vorkommt.
77. Grettirs Sache wird von neuem auf
dem Allthing besprochen
Diesen Sommer brachten Grettirs verwandte seine Acht auf dem Allthing zur Sprache; einige glaubten, er wäre der Acht ledig, wenn nur ein geringer Teil des zwanzigsten Jahres verstrichen wäre. Aber seine Ankläger wollten das nicht und sagten, er hätte seit seiner verurteilung manche Ächreriat begangen, und seine Friedlosigkeit müßte daher um so länger dauern. Dieses Jahr wurde ein neuer Gesetzessprecher gewählt, Stein. der Sohn des Thorgest, des Sohnes von Stein Mjöksiglandi d. h. dem Vielsegelnden, dem Sohne des Thorir Haustmyrk d. h. Herbstdunkel. Die Mutter des Gesetzessprechers Stein war Arnora, die Tochter Thords des Schreiers. Er war ein kluger Mann und wurde zum Schiedsrichter gewählt. Er bat zu untersuchen, ob dies der zwanzigste Sommer wäre, seitdem er geächtet wäre; und das war der Fall. Da ging Thorir aus Gardr los und suchte alle möglichen Hindernisse in den Weg zu legen und fand heraus, daß Grettir jenes eine Jahr auf Island zuviel angerechnet wäre, und so waren es nur achtzehn Jahre, die er in der Acht zugebracht hatte.
Da sagte der Gesetzessprecher, keiner sollte länger als zwanzig Jahre in der Acht sein, wenn er auch in dieser Zeit Achtertaten begangen hätte: " Aber vorher kann ich keinen der Acht ledig erklären."
So mußte die Aufhebung der Acht für diesmal unterbleiben. Doch schien es sicher, daß er im nächsten Sommer der Acht ledig werden würde. Das behagte den Leuten am Skagafjördr wenig, daß er fei werden sollte. Sie forderten Thorbjörn auf, entweder die Insel zurückzugeben oder Grettir zu töten. Das war eine üble Geschichte für ihn denn er sah keine Möglichkeit,
Grettir aus dem Wege zu räumen, und wollte doch die Insel behalten. Er überlegte hin und her, wie er Grettir beseitigen könnte, sei es mit Gewalt, sei es mit List, aber er fand keinen Ausweg.
78. Grettir verwundet die Zauberin
Thurid
Thorbjörn Angel hatte eine Amme, die Thurid hieß. Sie war sehr alt, und man glaubte, daß sie zu wenig zu gebrauchen wäre. Sie war sehr zauberkundig gewesen und sehr viel wissend. als sie noch jung war und die Leute noch Heiden waren. Nun glaubte man, daß sie alles vergessen hätte. Und obwohl das Christentum im Lande herrschte, waren doch noch manche Überreste des Heidentums im Lande zurück. Es war hier im Lande Gesetz gewesen, daß es nicht verboten war, heimlich zu opfern oder andern Aberglauben zu treiben, aber eine Verweisungssache wurde daraus, wenn es offenbar würde. Nun ging es manchem so, daß die Hand gern bei der Gewohnheit blieb, und das am bequemsten war, was man in der Jugend gelernt hatte. Da nun alle Anstrengungen Thorbjörns vergeblich gewesen waren, wandte er sich dahin um Hilfe, wo man es am wenigsten hätte erwarten sollen, nämlich an seine Amme, und fragte sie, ob sie Rat wüßte.
Sie antwortete: " glaube, es geht hier so, wie das Sprichwort sagt: ,mancher geht in den Ziegenstall, um Wolle zu holen'. Nach deiner Ansicht gehörst du zu den angesehnsten Leuten des Bezirkes, und es paßt dir natürlich nicht, daß du jetzt da nichts ausrichten kannst, wo es darauf ankommt. Ich sehe nicht, daß es mir schlechter ergeht als dir, obwohl ich kaum aus dem Bett aufstehen kann. Willst du meinen Rat haben, so will ich auch raten, wie es geschehen soll."
Er war damit einverstanden und sagte, sie hätte ihm immer guten Rat gegeben. Nun verging der Sommer bis zum August-
Eines Tages, als gut Wetter war, sagte die Alte zu Thorbjörn: Heute ist helles und klares Wetter; ich wünsche, daß du nach Drangey fährst und mit Grettir Zank und Streit anfängst.
Ich will mit dir fadren und sehen, wie vorsichtig er antwortet. Und wenn ich das sehe, werde ich mir auch darüber klar werden, ob sie vom Glücke begünstigt sind, und dann werde ich solche Worte über sie sprechen, die mir gefallen."
Thorbjörn antwortete: "Verleidet ist mir die Reise nach Drangey, denn jedesmal ist meine Stimmung schlechter, wenn ich von dort abfahre, als wenn ich hinfahre."
Da sprach die Alte: "Ich helfe dir nicht, wenn du mir nicht die Entscheidung überläßt."
"Nicht so, liebe Ziehmutter" antwortete er. "Aber das habe ich geschworen, daß, wenn ich das drittemal dahin komme, die Sache zwischen uns abgeschlossen werden soll."
"Gefährlich ist es," sagte die Alte. "Und du wirst viel Müh und Arbeit haben, bis du Grettir zu Fall bringst; und oft wird es dir unsicher vorkommen, ob es dir glücken wird, und schließlich wird dir der Ausgang Unglück bringen. Aber auf der andern Seite bist du gebunden, auf die eine oder andere Weise aus dieser üblen Lage herauszukommen."
Darauf ließ Thorbjörn einen Zehnruderer klar machen und ging selbzwölft an Bord. Die Alte war auch dabei. Sie ruderten nach Drangey hin. Und als die Brüder das sahen, gingen sie nach den Lettern hinab und begannen mit ihnen zu sprechen; Thorbjörn sagte, er wäre gekommen, um Antwort auf die Frage zu vernehmen. ob Grettir fortgehen wollte; er fügte hinzu, er würde den verlust an Vieh und Grettirs Aufenthalt auf der Insel verschweigen, wenn sie jetzt in Güte schieden. Grettir erklärte, von vergleichen, Nachgeben und Fortgehen wäre keine Rede: "Das habe ich so oft gesagt, und es hat darum gar keinen Zweck, noch darüber zu reden. Ihr könnt tun, was ihr wollt aber hier will ich warten, was auch kommt."
Thorbjörn konnte sich das Ergebnis seiner Reise denken, und er sprach: "Ich wußte wohl, mit welchen Teufelskerlen ich es hier zu tun hatte; und es ist wahrscheinlich, daß verschiedene Tage vergehen werden, bis ich wieder herkomme."
"Das rechne ich mir nicht zum Schaden, wenn du niemals wieder herkämest!" antwortete Grettir.
Die Alte lag im Achterdeck des Bootes und war gut zugedeckt.
Nun rührte sie sich ein wenig und sprach: "Diese Männer sind tapfer, aber vom Glücke verlassen. Ein großer Unterschied ist zwischen euch: du bietest ihnen gute Bedingungen an, aber sie wollen sie nicht annehmen; es gibt kaum ein deutlicheres Wahrzeichen für Unglück als nicht verstehen, das Gute anzunehmen. Jetzt wünsche ich dir, Grettir, daß du in Zukunft von allem sollst verlassen sein, von Glück und Glanz, Einsicht und Überlegung, und je länger du lebst, um so mehr! Und das verkündige ich dir, daß du weniger frohe Tage bier verbringen wirst als du bisher hier gehabt bast:"
Als Grettir das hörte, durchschauerte es ihn, und er sprach:
"Was für ein Satan ist bei ihnen im Boot:"
Jllugi antwortete: "Ich glaube, die Alte ist Thorbjörns Ziehmutter."
"Pfui, die alte Hexe!" sagte Grettir. " Etwas Schlimmeres konnte nicht geschehen! Niemals haben Worte die Wirkung auf mich gehabt wie die, die sie ausgestoßen hat. Ich weiß, von ihr und von ihrer Zauberei widerfährt mir Unglück. Sie soll auch etwas zum Andenken daran haben, daß sie hier gewesen ist!" Und dabei ergriff er einen gewaltigen Stein und schleuderte ihn auf das Boot und traf den Kleiderhaufen. Es war ein so weiter Wurf, daß Thorbjörn nie gedacht hätte, jemand könnte so weit werfen. Da ertönte ein lauter Schrei.
Der Stein hatte den Schenkel der Alten getroffen, so daß er gebrochen war.
Da sprach Jllugi: "Ich wollte, du hättest das nicht getan!"
"Schilt mich deswegen nicht" sagte Grettir. "Aber ich fürchte nur, daß ich sie nicht genug getroffen habe; denn es wäre nicht zu teuer bezahlt, das Leben dieser Alten für unser Leben"
Was meinst du damit:" fragte Jllugi. "Das wäre eine geringe Buße für unser Leben:"
Thorbjörn ruderte heim, und sie nahmen nicht freundlich Abschied von einander, als sie schieden.
Er sprach da zur Alten: "Nun ist es gegangen, wie ich ahnte, daß du wenig Ruhm von der Reise nach der Insel erlangen würdest. Du hast eine Verstümmelung davongetragen; wir haben nicht mehr Ruhm geerntet als früher, müssen ein ums
anderemal nur Spott und Hohn davontragen und kriegen keine Genugtuung dafür."Sie antwortete: "Das wird der Anfang zu ihrem Unglücke werden; ich denke, von jetzt ab soll es abwärts mit ihnen gehen. Ich zweifle nicht, daß ich ihm diesen Angriff, den er gegen mich unternommen hat, vergelten werde, wenn ich am Leben bleibe."
"Guten Muts scheinst du mir zu sein, Ziehmutter!" sagte Thorbjörn.
Nun kamen sie beim, die Alte legte sich ins Bett und lag fast einen Monat. Da war das Bein geheilt. Sie begann wieder umherzugeben. Ein großes Gelächter erhob sich bei den Leuten über die Fahrt Thorbjörns und der Alten; alle fanden, daß Grettir immer gut weggekommen wäre: zuerst auf dem Frühlingsthing, als sie ihm Frieden und Sicherheit zusagten, dann als Häring sein Leben verlor, und zum dritten, als der Schenkel der Alien brach; und niemals wurde etwas dagegen unternommen. Thorbjörn Öngul hatte viel verdruß von diesem Gerede.
79. Der Fluch der Zauberin geht
in Erfüllung
Im Herbst, drei Wochen vor Winters Anfang, verlangte die Alte, daß man sie an den Strand hinab bringen sollte. Thorbjörn fragte, was sie da wollte.
"Klein ist das Geschäft,"sagte sie."Aber es kann doch sein, daß es der vorbote größerer Ereignisse wird."
Man tat, wie sie gebeten hatte. Und als sie an den Strand kam, hinkte sie das Meer entlang, wie wenn es ihr gewiesen wäre, bis dahin, wo ein Baum mit samt der Wurzel vor ihr lag, ungefähr so groß, daß ihn ein Mann auf seiner Schulter forttragen konnte. Sie blickte prüfend den Klotz an und ließ ihn auf die andere Seite wenden. Da sah er wie angekohlt und gerieben aus. Sie ließ auf der abgescheuerten Seite eine kleine Fläche glatt schnitzen. Danach zog sie ihr Messer aus der Tasche, ritzte Runen auf die Baumwurzel, bestrich die eingeschnittenen Runen mit ihrem Blute und murmelte einige Zauberworte.
Dann hinkte sie rückwärts um den Klotz und zwar in der entgegengesetzten Richtung zum Sonnenlaufe und sprach viele zauberkräftige Worte über den Klotz. Darauf ließ sie die Wurzel in das Meer hinaus schleudern und gebot ihr nach Drangey zu treiben und Grettir zum größten Schaden zu werden, Darauf begab sie sich heim nach vidvik. Thorbjörn meinte; er wüßte nicht, was das bedeuten sollte. Die Alte antwortete, . das würde er später schon zu wissen bekommen. Der Wind stand landeinwärts in der Richtung des Fjords, aber der Klotz der Alten trieb auf Dranges zu, schneller als man annehmen sollte.
Nun saß Grettir auf Dranges, wie früher erzählt worden ist, und seine Gefährten, und sie waren muntrer Dinge. Den Tag, nachdem die Alte das Holz zuberkräftig gemacht hatte, gingen die Brüder an den Strand hinab und suchten Brennholz. Als sie auf die westliche Seite der Insel kamen, fanden sie den Wurzelknorren angetrieben.
Da sprach Jllugi: "Das ist ein großes Stück Holz zum Feuern, lieber Bruder: Laß es uns nach Hause tragen"
Grettir stieß mit seinem Fuß danach und sprach: "Böses Holz und vom Bösen geschickt! Wir müssen anderes Holz zum Feuer haben Und er schleuderte es hinaus ins Meer und bat Jllugi sich in acht zu nehmen und es nicht heimzutragen: "Denn es ist uns zum Unheil geschickt."
Darauf gingen sie nach der Hütte und erzählten dem Knechte nichts davon. um nächsten Tage fanden sie das Holz wieder, und jetzt war es an Land getrieben, näher an die Leitern heran als das erstemal. Grettir schleuderte es ins Meer und verbot, es je nach Hause zu tragen. Diese Nacht verging. Da kam stürmisches, regnerisches Wetter; und sie hatten keine Lust; selbst hinauszugehen und geboten dem Knechte, Holz zum Feuern zu holen. Er brummte und knurrte; sie peinigten ihn, und er müßte bei jedem noch so bösem Unwetter sich draußen abquälen. Er ging die Leitern hinunter und fand da den Klotz der Alten und meinte, er hätte seine Sache gut gemacht. Er nahm das Holz, schleppte es mühsam nach der Hütte und warf es dort nieder, so daß es laut krachte. Das hörte Grettir.
Glaum hatte etwas gefunden. Nun will ich hinaus und sehen, was es ist." Und er nahm seine Holzart und ging hinaus.
Glaum sprach da: "Sei nun ebenso schnell im Zerkleinern des Klotzes, wie ich ihn hergeschleppt babel"
Grettir ärgerte sich über den Knecht und schwang die Art mit beiden Händen nach dem Klotz und gab nicht acht darauf, was es für ein Klotz war. Aber in demselben Augenblick als die Art den Klotz traf, glitt die Schneide von dem Holz ab, glitt seitwärts und schlug ihm eine tiefe Wunde in das rechte Bein oberhalb des Knies.
Da sah er sich das Holz an und sprach: "Nun hat die Oberhand gewonnen, der die böse Absicht hatte! Bei dem einen Unglück wird es nicht bleiben. Jetzt ist das Holz hierher gekommen , das ich zweimal ins Meer hinausgeworfen habe. Nun ist dir zweimal Unglück widerfahren, Glaum: das erstemal, als du das Feuer ausgehen ließest, und jetzt, da du dies Unglücksbolz heimgebracht hast; geschieht es zum dritten Male, so wird es dein und unser aller Tod!"
Jllugi verband Grettirs Wunde; sie blutete nur wenig, und Grettir schlief die Nacht gut; so vergingen drei Nächte, ohne daß es in der Wunde schmerzte; und als sie den verband abnahmen , hatte sich die Wunde geschlossen, so daß sie fast verheilt war.
Da sprach Jllugi: "Ich glaube nicht, daß dir großer Schaden von dieser Wunde werden wird."
"Das wäre schön!" antwortete Grettir. "Aber wunderlich ist es zugegangen, wie es auch werden mag. Mir aber sagt meine Ahnung das Schlimmste."
80. Die Blutvergiftung
Am Abend gingen sie zu Beit. Gegen Mitternacht begann Grettir sich hin und her zu werfen. Jllugi fragte, warum er so unruhig wäre.
Grettir antwortete, er fühlte Schmerzen im Bein: "Ich glaube, es hat seine Farbe verändert."
Sie zündeten Licht an. Und als der verband abgenommen war, war das Bein geschwollen und schwarzblau, die Wunde war
aufgesprungen und sah viel schlechter aus als im Anfang. Es folgten starke Schmerzen, so daß er nicht einen Augenblick still liegen konnte, und kein Schlaf kam in seine Augen.Da sprach Grettir: "Wir müssen darauf gefaßt sein, daß die Krankheit, die ich bekommen habe, unheilbar ist, denn sie ist durch Zauberei hervorgerufen, und die Alte wird glauben, sie habe sich für den Steinwurf gerächt."
Jllugi antwortete: "Ich habe schon einmal gesagt, daß sie uns Unglück bringt!"
Es kommt alles auf eins heraus," entgegnete Grettir und sprach die verse:
Lang kannt ich mein Leben Schützen wider Schützen; Hinterhalt der Feinde Hielt mein beller Schild ab. Alte Hexe hat durch Zauber heut geraubt mir Kraft. Bin schwach. Der Schurken Tücke schafft nicht Glück uns. |
Oft entschied das Schwert zum Glück der Männer Schicksal. Meine mächtgen Kräfte Berserker bemerkten. Hjarrandi büßte dort ein Beide Hände, leider Leib und Leben Gunnar, Bald sank Björns Gestalt auch. 1 |
Kam mit breitem Boote Weiland auf ein Eiland, (Wölbung wie ein Tor hat's), |
Lang mit Waffen rang ich. Torsi, Vebrands Sprößling, Tapfer kämpfen tat er. In dem Spiel der Speere Spart' er keine Scharte. 1 |
In der Waffen Wortstreit, 2 Wahrlich, oftmals war ich. Solch ein Ausgang immer Ward dem Kampf, dem harten: Von der Walstatt wich er, Fern der Mut dem Herrn war. Schieden wir, so schenkt er Hengst, den hofft ich längst mir. |
Mir gemeldet war einst, Thorbjörn 3 träte vor mich, Töten wollt' der Tapfre, Leben mir nicht geben. Kaum erklang die Klinge, (Kläglich war's unsäglich!) — Fort vom Kampffeld floh er, Keiner war mehr bei mir. |
"Nun müssen wir gut aufpassen!" sagte Grettir. "Denn Thorbjörn und die Alte sind sicher nicht gewillt, es dabei sein Bewenden haben zu lasen. Ich gebiete, daß du, Glaum, jeden Tag von nun an auf die Leiter Obacht gibst und sie am Abend in die Höhe ziehst. Tu das getreulich, denn es kommt viel darauf an; aber wenn du uns betrügst, wird das Unglück dich bald erreichen."
Glaum versprach das beste. Nun trat sehr schlechtes Wetter ein. Ein scharfer Nordostwind blies, und es war grimmig kalt. Grettir fragte jeden Abend, ob die Leiter in die Höhe gezogen wäre.
Glaum sprach: Wie sollte man jetzt hier Menschen erwarten? Glaubst du, jemandem liegt soviel daran, dich zu erschlagen, daß er dafür sein eigenes Leben aufs Spiel setzen soll: Bei diesem Wetter kann niemand hierher kommen. Ich meine, jetzt ist es aus mit deinem Mut und mit deiner Tapferkeit, seit du glaubst, überall den Tod zu sehen."
"Du wirst dich jedenfalls feiger betragen," antwortete Grettir; wenn es darauf ankommt. Aber auf die Leiter sollst du aufpassen , ob du willst oder nicht!"
Sie jagten ihn jeden Morgen hinaus. Das gefiel ihm gar nicht. Der Schmerz in der Wunde nahm zu, so daß das ganze Bein anschwoll, der Schenkel wurde oben und unten ausgehöhlt, und die ganze Wunde ging in Eiterung über, so daß Grettir dem Tode nahe war. Jllugi wachte über ihm Nacht und Tag und vergaß darüber alles andere. So war ein Teil der zweiten Woche vergangen, seit Grettir die Wunde erhielt.
81. Thorbjörn macht sich auf, Grettir
zu töten
Thorbjörn Angel saß nun daheim auf seinem Hofe Vidvik und war sehr unzufrieden darüber, daß er Grettir nicht erschlagen konnte. Und als gui eine Woche vergangen war, seit die Alte den Klotz zauberkräftig gemacht hatte, kam sie zu Thorbjörn und Sagte, ob er nicht Lust hätte, Grettir zu besuchen.
Er sagte, er hätte zu nichts weniger Lust als dazu. "Oder willst du ihn treffen, liebe Ziehmutter:" sagte Thorbjörn.
Ich will ihn nicht treffen," antwortete die Alte. "Aber ich habe ihm meinen Gruß geschickt, und ich hoffe, er hat ihn erreicht. Und ich rate dir, daß du dich so schnell wie möglich zu ihm aufmachst, sonst glaube ich, daß du niemals ihn überwältigst ."
Thorbjörn antwortete: So viele schimpfliche Reisen habe ich dorthin unternommen, daß ich dorthin nicht wieder gehe. Und schon das allein genügt, mich davon abzuhalten, daß ein so stürmisches Wetter ist, daß man nicht einmal dahin reisen kann, wohin man muß."
Sie entgegnete: "Ganz unvernünftig bist du, wenn du dafür
nicht Mittel und Wege findest. Nun muß ich dir abermals einen Rat geben. Geh zuerst hinund sammle Leute und reit dann nach Hof zu deinem Schwager Halldor und frag ihn um Rat. Wenn ich etwas Schuld habe an Grettirs Gesundheitszustand, ist es dann so unwahrscheinlich, daß ich schuld bin an dem gelinden Winde, der zurzeit weht:Thorbjörn dünkte es wohl möglich, daß die Alte doch weiter sah 1 als er glaubte, und er schickte sogleich Boten zu den Leuten im Bezirk. Aber er erhielt sofort die Antwort, daß keiner von denen, die ihm ihren Anteil an der Insel abgetreten hatten, ihm irgendwelche Hilfe leisten wollte; sie sagten, Thorbjörn sollte beides haben, den Anteil an der Insel und den Angriff auf Grettir. Tungu-Stein gab ihm zwei Begleiter; sein Bruder Hjalti sandte ihm drei Mann; Eirik in Guddalir schickte ihm einen Mann. Er selbst hatte sechs Mann. Sie ritten nun zu Zwölfen aus Vidvik nach Hof. Halldor bot ihnen Herberge an und fragte nach Neuigkeiten. Thorbjörn setzte es ihm genau auseinander. Er sagte, daß seine Ziehmutter ihn aufgereizt hätte.
"Das wird nicht zu einem guten Ergebnis führen, denn war zauberkundig, und das ist nun verboten.
"Man kann es nicht immer so genau damit nehmen, ant- wartete Thorbjörn. "Aber jetzt soll unsere Sache so oder so ein Ende haben, wenn ich zu bestimmen habe; aber wie soll ich es anstellen, nach der Insel zu kommen:"
"Ich sehe wohl," sagte Halldor, "daß du auf etwas vertraust, aber ich weiß nicht, ob es gut ist. Aber willst du nun deinen Willen durchsetzen, so begib dich nach Haganes in Fljot zu meinem Freunde Björn, er hat eine gute Schute. Sag ihm in meinem Namen, daß er dir das Boot leiht. Von da könnt ihr nach Drangey hinüber segeln. Aber gefährlich dünkt mich eure Fahrt, wenn Grettir gesund und frisch ist. Ihr wißt: besiegt ihr ihn nicht in ehrlichem Kampfe, so hat er genug Leute, die sich seiner Totschlagssache annehmen werden. Tötet nicht Jllugi, wenn ihr anders könnt. Aber es kommt mir vor, als sei das, was ihr vorhabt, unchristlich." 1
82 .Grettirs letzter Kampf
Von Grettir ist nun zu erzählen, daß er so krank war, daß er kaum auf den Füßen stehen konnte. Jllugi wachte über ihm, und Glaum sollte aufpassen. Er brummte immer und sagte, sie glaubten ständig, den Tod vor Augen zu haben, obwohl doch nichts geschehen wäre. Er ging nur höchst widerwillig aus der Hütte. Und als er an die Leiter kam, dachte er hei sich, er walle sie nicht in die Höbe ziehen. Er wurde schläfrig, legte sich hin und schlief den ganzen Tag, bis Thorbjörn nach der Insel kam. Sie bemerkten sogleich, daß die Leiter nicht in die Höhe gezogen waren.
Da sprach Thorbjörn: Irgendeine veränderung muß hier vorgekommen sein, da niemand zu sehen ist, und die Leiter liegt gleichwohl am Vodern Kann sein, daß sich größere Dinge auf uns Reise begeben, als wir anfangs angenommen haben. Nun wollen wir nach der Hütte hinaufgehen und tapfer zu Werke gehen. Das wissen wir gewiß, daß wir alle unsere Kräfte anspannen müssen, wenn sie gesund sind."
Sie gingen die Insel entlang und blickten sich um und sahen nahe beim Aufgang einen Mann liegen, der laut schnarchte. Thorbjörn kannte Glaum, ging zu ihm, schlug ihm mit dem
Schwertgriffe ans Ohr und befahl dem Kerl aufzustehen: "Der ist in Wahrheit schlecht bestellt, der dir sein Leben anvertraut"Glaum sah auf und sprach: "Nun wollen sie mich weiter so schlecht behandeln wie gewöhnlich; oder glaubt ihr, ich habe es allzu gut, wenn ich bier in der Kälte liege:"
Thorbjörn sprach: "Bist du blödsinnig Merkst du nicht, daß eure Feinde gekommen sind und euch alle töten wollen:
Glaum schwieg, dann brüllte er los, so laut er konnte, als er die Männer erkannte.
"Nun hältst du entweder", sprach Thorbjörn," dein Maul und beschreibst uns die Einrichtung der Hütte, oder ich schlage dich tot
Und sogleich schwieg er, wie wenn er unter Wasser gehalten würde.
Thorbjörn Sagte: "Sind die Brüder in ihrer Hütte: Warum sind sie nicht tätig
"Das ist nicht so leicht," sagte Glaum. "Denn Grettir ist krank und dem Tode nah, und Jllugi wacht über ihm."
Thorbjörn Sagte nach Grettirs Gesundheitszustande, und wie es zugegangen wäre; und Glaum erzählte, wie es mit Grettirs Wunde stünde.
Da lachte Thorbjörn und sprach: "Wahr ist das alte Sprichwort: ,alte Freunde zeigen sich zuletzt unzuverlässig', und das andere: ,übel ist es, einen Knecht zum Freunde zu haben', wie du einer bist, Glaum! Schändlich hast du deinen Herrn betrogen , wenn er auch nicht gut ist."
viele ließen ihn harte Worte hören wegen seiner Unzuverlässigkeit , sie prügelten ihn halbtot und ließen ihn da liegen; dann gingen sie nach der Hütte hinauf und klopften fest gegen die Tür.
"Da sprach Jllugi: "Graubauch 1 stößt gegen die Tür, lieber Bruder." Und er stößt ziemlich kräftig," antwortete Grettir. In diesem Augenblicke ging die Tür in Stücke. Jllugi sprang nach seinen Waffen und verteidigte die Tür; so daß sie nicht hinein konnten. Sie kämpften lange; aber sie konnten keine
Sie brachen nun das Dach an den Balkenenden ab und stemmten sich mit aller Kraft gegen den Balken, bis er entzwei brach. Grettir lag auf den Knien und konnte sich nicht erbeben. Er ergriff das Schwert Karsnaut. In demselben Augenblicke sprangen sie in die Hütte hinab, und nun entstand ein heftiger Kampf. Grettir schlug mit dem Schwerte nach Vikar, einem aus dem Gefolge des Hjalti Thordarson, und traf ihn an der linken Schulter, gerade als er in die Hütte sprang; er zerschnitt ihm schräg die Schulter bis zur rechten Hand, spaltete den Mann so in zwei Teile, und der Körper stürzte in zwei Stücken auf Grettir. Darum konnte er sein Schweri nicht so schnell schwingen wie er wollte, und inzwischen stach ihn Thorbjörn mitten durch die Schultern, und das war eine tiefe Wunde.
Da sprach Grettir:"Bloß ist jeder im Rücken, der keinen Bruder hat." Jllugi warf einen Schild über ibn und verteidigte ihn tapfer, daß alle seine Tapferkeit rühmten.
Grettir sprach zu Thorbjörn Wer wies euch den Weg hierher nach der Insel:"
Thorbjörn antwortete: "Christus wies uns den Weg."
"Ich glaube," sagte Grettir, "daß es die elende Alte, deine Ziehmutter, war, die euch gewiesen hat, denn auf ihren Rat vertraust du."
"Es kommt für euch auf eins heraus," antwortete Thorbjörn, "auf wen wir vertrauen."
Sie griffen heftig an; Jllugi verteidigte sie beide tapfer; aber Grettir war völlig kampfunfähig wegen seiner Wunde und wegen seiner Krankheit.
Thorbjörn befahl, Jllugi zwischen die Schilde zu klemmen.
"Denn ich habe niemals einen seinesgleichen gefunden, selbst nicht unter älteren Kämpfern."
Sie taten so und drängten ihn so mit Balken und Waffen, daß er sich nicht mehr wehren konnte. Endlich bekamen sie ihn in ihre Gewalt und hielten ihn fest. Den meisten, die an diesem Angriffe beteiligt waren, hatte er eine Wunde beigebracht und drei aus Thorbjörns Gefolge getötet. Darauf gingen sie zu Grettir. Er war vornüber gefallen. Widerstand leistete er nicht mehr; denn er war schon dem Tode nahe durch die Wunde am Fuße; das gange Bein bis zu den Weichen war in Eiter übergegangen und erpressen. Sie versetzten ihm viele Wunden, aber sie bluteten wenig oder gar nicht. Da sie dachten, er wäre tot, griff Thorbjörn nach dem Schwert und sagte, er hätte es lange genug getragen. Aber Grettir hielt den Griff fest umklammert , und seine Finger ließen nicht los. Viele traten hinzu, aber sie richteten nichts aus. Zuletzt packten acht Mann zu, aber vergebens.
Da sprach Thorbjörn: "Warum sollen wir dem Waldmann Schonung zeigen: Legt die Hand über einen Balken!'
Und als das getan war, hieben sie ihm die Hand am Gelenk ab. Da streckten sich die Finger aus und ließen den Griff los. Thorbjörn nahm das Schwert mit beiden Fäusten und schlug es in Grettirs Kopf. Es war ein so gewaltiger Hieb, daß das Schwert es nicht aushielt und ein Stück von der Schneide abbrach- Und als sie das sahen, Sagten sie, warum ereine so kostbare Waffe verdürbe.
Thorbjörn antwortete: "So ist sie leichter zu erkennen, wenn nach ihr gefragt wird."
Sie sagten, es wäre nicht nötig, denn der Mann wäre bereits tot
"Doch soll er noch mehr haben!" sagte Thorbjörn.
Darauf schlug er zwei oder drei Hiebe nach Grettirs Hals, ehe der Kopf vom Körper getrennt wurde.
"Nun weiß ich bestimmt, daß Grettir tot ist: Wir haben einen gewaltigen Helden getötet!"rief Thorbjörn."Wir wollen seinen Kopf mit uns in das Land nehmen, denn ich will nicht das Geld verlieren, das auf seinen Kopf als Preis gesetzt ist; dann können sie nicht leugnen, daß ich Grettir getötet habe."
Sie überließen ihm die Entscheidung, aber es gefiel ihnen nicht recht, weil alle meinten, er hätte sich wenig ehrenhaft benommen .
Dann sprach Thorbjörn zu Jllugi: "Großer Schade ist es um einen so tapfern Jüngling, wie du bist, daß du so unverständig gewesen bist, an den bösen Taten dieses Achters teilzunehmen und dich dem auszusetzen, daß du getötet wirst, und daß dich keine Buße gezahlt wird."
Jllugi antwortete: "Wenn das Allthing im Sommer vorbei ist, dann weißt du, wer friedlos erklärt wird. Weder du noch die Alte, deine Ziehmutter, werden in dieser Sache richten, denn eure Zauber- und Hexenkünste haben Grettir getötet, und zu der Hexerei habt ihr die größte Neidingstat hinzugefügt, indem ihr das Schwert gegen den dem Tode nahen Mann gezückt habt."
Thorbjörn sprach: "Mannhaft redest du, aber es ist nicht so, wie du sagst. Doch will ich zeigen, daß mir deine Tapferkeit gefällt. Ich will dir dein Leben schenken, wenn du uns schwören willst, das du an keinem von denen, die an dieser Fahrt teilgenommen haben, Rache nehmen wirst."
Jllugi antwortete: "Es wäre erwägenswert, wenn Grettir imstande gewesen wäre, sich zu verteidigen, und wenn ihr ihm im ehrlichen, tapferen Kampfe besiegt hättet. Aber es kann niemals geschehen, daß ich das tue, um mein Leben zu behalten, wodurch ich ein ebenso großer Feigling würde wie du. Das sage ich euch gleich, daß keiner euch verderblicher ist als ich, wenn ich am Leben bleibe. Denn niemals wird mir aus dem Gedächtnis schwinden, wie ihr Grettir überwältigt habt. viel lieber will ich sterben!'
Da besprach sich Thorbjörn mit seinen Begleitern, ob sie Jllugi leben lassen wollten oder nicht. Sie überließen ihm die Entscheidung , weil er der Führer der Fahrt gewesen war. Thorbjörn erklärte, er wolle nicht vor dem Manne in fortwährender Gefahr schweben, der keinen Treueid leisten wollte. Und als Jllugi merkte, daß sie beabsichtigten, ihn zu erschlagen, da lachte er und sprach: "Jetzt habt ihr beschlossen, was am meisten nach meinem Sinne ist!"
Als es hell wurde, führten ihn auf die Ostseite 1 der Insel und hieben ihm den Hals ab; alle rühmten seine Tapferkeit, und alle glaubten, daß er ungleich seinen Altersgenossen wäre. Dann errichteten sie einen Steinhaufen über beiden Brüdern dort auf der Insel, aber Grettirs Kopf nahmen sie mit sich und alles, was Geldwert hatte an Waffen und Kleidern. Das gute Schwert ließ Throrbjörn nicht mit zur Teilung kommen, das trug er selbst seitdem beständig. Glaum nahmen sie auch mit, und er benahm sich recht unrühmlich. Der Sturm hatte sich sogleich während der Nacht gelegt. Sie ruderten am Morgen nach dem Festlande. Thorbjörn ließ sich da an Land setzen, wo es ihm am bequemsten war, aber das Boot schickte er zu Björn. Als sie in die Nähe des Hofes Ösland kamen, benahm sich Glaum so ungebührlich, daß sie keine Lust hatten, ihn weiter mit sich zu schleppen; sie töteten ihn dort, und er schrie laut, als sie ihn enthaupteten. Thorbjörn begab sich heim nach Vidvik und wähnte, große Ehre bei dieser Fahrt gewonnen zu haben. Grettirs Kopf legten sie in Salz und bewahrten ihn da in vidvik in einem Utibur d. h. Außenhause, das Grettisbur genannt wurde. Dort lag er während des Winters.
Thorbjörn wurde sehr gescholten wegen dieser Taten, sobald die Leute erfuhren, daß Grettir mit Hilfe von Zauberei erschlagen worden war. Thorbjörn verhielt sich ruhig bis nach Weihnachten. Dann ritt er zu Thorir nach Gardr und meldete ihm diesen Totschlag und fügte hinzu, daß er ein Anrecht auf das Geld zu haben glaubte, das als Preis auf Grettirs Kopf ausgesetzt wäre.
Thorir antwortete, das er nicht leugnen könnte, daß er Grettirs Friedlosigkeit erwirkt hätte: "Denn ich habe oft Schweres durch ihn erlitten; aber um ihn zu töten, würde ich niemals eine verabscheuenswerte Tat begehen, wie du getan hast. Um so weniger werde ich dir das Geld erlegen, als ich dich für todeswürdig halte wegen deiner Zauberei und Hexerei."
Thorbjörn antwortete: "Mehr glaube ich, trifft dich der Vorwurf des Geizes und Kargheit, als daß dir ansteht, danach
Thorir sagte, das einfachste wäre es, sie warteten bis um Allthing, und so sollte es sein, wie der Gesetzessprecher für Recht befände. Sie schieden so, daß es zwischen Thorir und Thorbjörn übel stand.
83. Thorbjörn und Grettirs Mutter
Grettirs und Jllugis Verwandte wurden sehr aufgebracht, als sie ihre Ermordung erfuhren, und nahmen die Sache von der Seite, das Thorbjörn eine Neidingstat begangen hätte, durch die Ermordung eines dem Tode nahen Mannes, und zweitens wegen Zauberei. Sie berieten sich mit den klügsten Männern, und man redete nur Übles von Thorbjörns Sache. Er ritt dann westwärts nach Midfjördr, als die ersten vier Wochen des Sommers vorüber waren. Als man seine Reise erfuhr, bestellte Asdis Männer zu sich, und es kamen viele von ihren Freunden, Gamli und Glum, ihre Schwiegersöhne, und deren Söhne, Skeggi Kur hand und Ospak, der früher genannt worden ist. Asdis war so beliebt, daß alle Bewohner des Midfjördr ihr zu Hilfe kamen, auch die, die füher Grettirs Feinde gewesen waren .Darunter war var allem Thorodd Drapustuf und die meisten Bewohner des Hrutastördr.
Thorbjörn kam nun nach Bjarg mit zwanzig Mann. Sie hatten Grettirs Haupt bei sich. Noch hatten sich nicht alle auf Bjarg eingehenden, die ihr Beistand versprochen hatten. Sie gingen in die Stube und legten den Kopf auf den Fußboden. Die Hausfrau war in der Stube und viele andere Männer. Grüße wurden nicht ausgetauscht. Thorbjörn sprach die Weise:
von der Felseninsel, Frau, kannst du den Kopf schaun. vor dir rollt des Rothaars Haupt, des Leibs beraubt nun. Lag's nicht lang im Salze, Wär' es längst versehrt schon, |
Die Hausfrau saß ruhig da, während er diese Weise sprach, Dann sprach sie:
Schweineker! Wie Schafe Schnell 2 vor Fuchses Bellen In die Salzflut ängstlich Laufen und ersaufen, Wärst auch du geflohen, Wär' er unversehrt noch! Neidingstat im Nordland Neulich übten Leute. |
Da sagten viele, es wäre nicht wunderbar, daß sie so tapfere Söhne hätte, so tapfer wie sie selbst wäre, trotz des großen Kummers, den man ihr bereitet hätte. Ospak war draußen und sprach mit denen von Thorbjörns Begleitern, die nicht mit hineingegangen waren und fragte sie über den Totschlag aus. Alle lobten Jllugis Tapferkeit. Sie erzählten auch davon, wie fest Grettir das Schwert gehalten hätte, als er schon tot war; das erschien allen merkwürdig. Man sah nun viele Leute von Westen her heranreiten; es waren viele von den Freunden der Hausfrau gekommen, darunter Gamli und Skeggi von Melar. Thorbjörn hatte die Absicht gehabt, ein Geldraubsgericht 3 nach Jllugi vorzunehmen, denn sie behaupteten, daß ihnen sein ganzes vermögen gehörte. Aber als die vielen Leute kamen, sah er, daß er es nicht durchsetzen könnte. Ospak und Gamli waren die hitzigsten und wollten Thorbjörn angreifen. Aber die, die klüger waren, baten sie; sich mit ihren verwandten Thorvald und anderen Häuptlingen zu beraten; sie sagten, je mehr verständige Männer sich der Sache annähmen, um so schlimmeren Ausgang würde Thorbjörns Sache nehmen. Durch ihr Dazwischentreten kam es dahin, daß Thor
84. Thorbjörn wird verurteilt
Nun ritten die Männer nach dem Allthing, und Thorbjörns Helfer wurden weniger als er erwartet hatte, denn seine Sache galt als schlecht. Halldor fragte, ob sie Grettirs Kopf mit äch nach dem Allthing nehmen sollten, Thorbjörn sagte, das wäre seine Absicht.
"Das ist unratsam," sagte Halldor."Deiner Widersacher werden genug sein, so daß du nicht solche Andenken brauchst, um ihren Zorn zu erwecken."
Sie waren bereits unterwegs und wollten südwärts über den Storisandr 1 reiten. Thorbjörn ließ den Kopf nehmen und unter einer kleinen Thufa d. h. ,Sandhügel' begraben, der seitdem Grettis thufa heißt.
Auf dem Allthing waren viele Leute. Thorbjörn trug seine Sache vor und rühmte sich sehr seiner Tat, daß er den Waldmann erschlagen hätte, der der angesehenste im ganzen Lande gewesen wäre, und beanspruchte den Preis, der auf dessen Kopf gesetzt war. Aber Thorir gab dieselbe Antwort wie früher. Da wurde der Gesetzessprecher zum Schiedsrichter ernannt. Er sagte, er müßte erst wissen, ob ein Prozeß wider den Kläger geführt würde; derart daß Thorbjörn sein Recht an dem ausgesetzten Preise verwirkt Häne; sonst würde er das Geld bekommen, das für seinen Kopf ausgesetzt wäre. Da forderte Thorvald Asgeirsson Skeggi Kurz band auf, die Sache vor Gericht zu führen, und verklagte Thorbjörn doppelt um den Zauber und die geheime Kraft, worin Grettir vermutlich den Tod gefunden hätte, und zweitens, daß sie ihn als halbtoten
Asdis blieb auf Bjarg wohnen und war so beliebt, daß niemand
ihr verdruß bereitete, nicht einmal zu der Zeit, da Grettir in der Acht war. Nach ihrem Tode kam der Hof in den Besitz von Skeggi Kurzhand; er war ein angesehener Mann. Sein Sohn war Gamli, der Vater des Skeggi auf Skarfsstadir und der Alfdis, der Mutter des Mönches Odd. viele Männer stammen von ihm.
85. Thorbjörn reist nach
Konstantinopel
Thorbjörn nahm sich einen Platz auf einem Schiff in Gasir mit alle dem, was er von seinem Vermögen mitnehmen konnte; aber sein Bruder Hjalti übernahm den Hof. Thorbjörn überließ ibm auch Drangey. Hjalti wurde später ein großer Häuptling, aber er kommt nicht weiter in dieser Geschichte vor. Thorbjörn fuhr nach Norwegen und prahlte sehr. Mit Grettirs Ermordung glaubte er eine große Heldentat verrichtet zu haben. Einige betrachteten sie auch so, die nicht wußten, wie es zugegangen war; aber viele wußten, ein wie berühmter Mann Grettir gewesen war. Er erzählte immer nur das von seinem Zusammentreffen mit Grettir, das ihm zum vorteile war, aber das erwähnte er in seiner Erzählung nicht, das ihm weniger zum Ruhme gereichte. Diese seine Erzählung drang im Herbst ostwärts nach Tönsberg. Und als Thorstein Dromund die Ermordung erfuhr, wurde er sehr still, denn ihm wurde gesagt; daß Thorbjörn ein gewaltiger Kämpe wäre. Thorstein erinnerte sich der Worte, die er gesagt hatte, als er und Grettir in längst vergangenen Tagen von ihren Armen gesprochen hatten. Er zog nun Erkundigungen ein, wohin Thorbjörn reiste. Sie waren beide in Norwegen während des Winters, Thorbjörn nördlich im Lande, und Thorstein in Tönsberg. Sie sahen einander nicht, aber Thorbjörn erfuhr doch, daß Grettir einen Bruder in Norwegen hätte. Da erschien es ihm schwer, sich in einem fremden Lande in acht zu nehmen, und er begann darüber nachzudenken, was er tun sollte. In dieser Zeit fuhren viele Nordleute nach Miklagard 1 und nahmen dort Kriegsdienste. Darum bekam auch
86. Grettir wird gerächt
Thorstein Dromund war ein mächtiger und angesehener Mann. Er erfuhr nun, daß Thorbjörn außer Landes gegangen und nach Miklagard gereist war. Er brach schleunig auf und übergab seine Ländereien seinen Verwandten zur Bewirtschaftung ; er machte sich fertig zur Reise, verfolgte Thorbjörns Spuren und reiste immer ihm nach, wohin jener vor ihm her reiste. Thorbjörn wußte nichts von seiner Fahrt. Thorstein kam nach Miklagard ein wenig später als Thorbjörn und wollte ihn bei der ersten besten Gelegenheit erschlagen aber keiner kannte den andern.
Sie nahmen beide Dienste unter den Wäringern 1 und wurden wohl aufgenommen. sobald man erfuhr, daß sie Nordleute waren. Damals war Mikael Katalak König über Miklagard . Thorstein gab beständig acht darauf, ob er nicht Thorbjörn an irgend etwas erkennen könnte; das gelang ihm aber nicht wegen der vielen Leute. Er lag immer wach und war
Als Denkmal ihres Aufentyaltes im byzantinischen Reiche haben " die beitragenden Barbaren aus Thule" die Runenschriften am Löwen vom Peiraieus hinterlassen (jetzt im Arsenal zu Venedig): vermutlich sind diese Inschriften von schwedischen Warägern zu Ehren eines in den griechischen Gewässern gefallenen Häuptltngs eingehauen.
gar nicht zufrieden mit seinem Lose. So groß dünkte ihn der verlust; den er erlitten hatte.Es traf sich nun, daß die Wäringer in den Krieg ziehen und das Land gegen Verwüstung schützen sollten. Und ehe sie von Hause fortzogen, war es auch Brauch und Sitte bei ihnen, daß ein Waffenthing 1 abgehalten wurde, und so taten sie auch jetzt. Und wenn ein Waffenthing angesetzt worden war; so mussten alle Wäringer zur Stelle sein und ebenso die, die mit ihnen in den Krieg zogen, und ihre Waffe vorzeigen. Dahin kamen auch die beiden, Thorstein und Thorbjörn. Thorbjörn trat zuerst mit seiner Waffe vor. Er hatte das Schwert Grettisnaut. Als er vorzeigte, wunderten sich viele höchlichst und sagten, das wäre eine ganz ausgezeichnete Waffe, aber es wäre ein großer Makel, daß die Scharte mitten auf der Schneide wäre; und sie fragten, wie das zugegangen wäre.
Thorbjörn sagte, das wäre wohl erzählenswert. "Denn das sollt ihr wissen, daß ich draußen auf Island", so erzählte er, "den Kämpen erschlug, der Grettir der Starke hieß, der dort der größte Held und mutigste Mann gewesen ist, denn keiner konnte ihn überwältigen, bis ich dazu kam. Und weil es mir vom Schicksal bestimmt war; ihn zu töten, so erschlug ich ihn, obwohl er viele Male stärker war als ich. Ich schlug ihm mit dem Schwerte in den Kopf, und davon brach die Scharte in der Schneide."
Die zunächst standen, sagten, der Mann müßte einen harten Schädel gehabt haben, und einer zeigte dem andern das Schwert. Daraus glaubte Thorstein den Schluß ziehen zu dürfen, wer Thorbjörn war; er bai, das Schweri sehen zu dürfen wie die andern. Thorbjörn hatte nichts dagegen, denn die meisten rühmten seinen Mut und seine Tapferkeit. Er dachte, dieser Mann würde es ebenfalls tun, denn er ahnte nicht, daß Thorstein oder ein Verwandter Grettirs da wäre. Thorstein nahm das Schwert, schwang es sogleich und schlug nach Thorbjörn. Der Hieb traf den Kopf und war so wuchtig, daß das Schwert bis in die Backenzähne drang; Thorbjörn Öngul fiel tot zu Baden. Stumm standen die männer da. Der
Thorstein sprach zu diesem Manne "Wie gefällt dir das Leben hier:"
Der andere antwortete: "Sehr schlecht, denn mir wird niemand helfen, und ich habe keine Verwandte, die mich auslösen."
Thorstein sprach: "Es gibt mehr als ein Mittel gegen Mißgeschick! Laß uns lustig sein und uns mit irgend etwas vergnügen "
Der andere sagte, er hätte an nichts mehr Freude.
"Wir wollen es doch versuchen" sagte Thorstein.
Er begann und sang ein Lied. Er hatte eine schöne Stimme, so daß man kaum ihresgleichen fand. Er schonte sie nicht. Eine verkehrsreiche Straße führte dicht am Gefängnis vorüber. Thorstein sang so laut, daß es in den Mauern schallte, und den andern, der vorher halbtot war, dünkte es eine gute Unterhaltung. So sang Thorstein bis zum Abend.
Erzählung von
Spes
87. Thorsteins Befreiung
Spes hieß eine angesehene Bürgerin in der Stadt, sie war reich und aus vornehmer Familie. Sigurd hieß ihr Mann. Er war wohlhabend, aber aus geringerem Geschlecht als sie. Sie war mit ihm verheiratet worden des Geldes wegen. Große Liebe bestand nicht unter den Eheleuten, und sie kam sich ziemlich unglücklich verheiratet vor. Sie war hochgesinnt und in jeder Beziehung vortrefflich. Es begab sich einst, daß, als sich Thorstein eines Abends vergnügte, Spes durch die Straße am Gefängnis vorüber ging; da hörte sie eine so schöne Stimme, daß sie vermeinte, niemals eine solche gehört zu haben. Sie ging mit vielen Begleitern und gebot ihnen dahin zu gehen und sich zu erkundigen, wer diese herrliche Stimme hätte. Sie riefen und fragten, wer da gefangen säße. Thorstein nannte seinen Namen.
Da sprach Spes: "Bist du ebenso tüchtig in andern Dingen wie im Singen "
Er sagte, es wäre nicht von Bedeutung.
"Was hast du verbrochen," fragte sie, "daß du hier zu Tode gequält werden sollst:"
Er antwortete, er hätte einen Mann erschlagen und damit seinen Bruder gerächt. " Aber ich kann es nicht mit Zeugen beweisen,"sagte er",und darum wurde ich hierher gesetzt, wenn mich keiner auslösen will. Aber dazu ist wenig Hoffnung, denn ich habe hier keinen Verwandten."
"Ein großer Schade würde es sein, wenn du getötet würdest-war dein Bruder, den du gerächt hast, ein so berühmter Mann, daß du seinetwillen dich in eine solche Gefahr begabst:"
Er antwortete, daß er mehr als doppelt so trefflich wäre als andere Menschen. Sie fragte, was er als Beweis dafür anführen könnte. Da sprach Thorstein diese Weise:
Ringgeschmückte Riesin! 1 Acht Mann hatten Macht nicht. Aus des Helden Faust zu |
Reißen ihm das Eisen. 1 Doch dem Mann, der furchtlos Fährt der Fluten Pferde, Hieb man ab die Rechte: Richtig ich berichte. |
"Ein gans ausgezeichneter Mann muß das gewesen sein!" sagten die, die die Weise verstanden. Und als sie das wußte, sprach sie so: "Willst du das Leben von mir annehmen, wenn es möglich ist
"Ich will es gerne", erwiderte Thorstein, " wenn dieser mein Genosse, der hier sitzt, auch mit mir ausgelöst wird; sonst bleiben wir beide hier."
Sie antwortete: "Ich glaube, du bist mehr wert als er."
"Wie dem auch sein mag", sagte Thorstein, " entweder gehn wir alle beide von bier fort oder keiner von uns."
Sie ging dahin, wo die Wäringer waren, forderte Thorsteins Auslösung und bot Geld dafür. Sie gingen darauf ein. Bei ihrer Beliebtheit und ihrem Reichtum setzte sie es durch, daß beide frei wurden. Sobald Thorstein aus dem Gefängnis kam, ging er zu Spes. Sie nahm ibn zu äch und hielt ihn versteckt; aber bisweilen war er mit den Wäringern auf Heerfahrten und zeigte sich in allen Kämpfen als ein sehr tapferer Mann.
88. Thorstein und Spes
In dieser Zeit war Harald Sigurdarson in Miklagard, und Thorstein gewann seine Freundschaft. Thorstein trat sehr ansehnlich auf, denn Spes ließ es ihm nicht an Geld fehlen. Thorstein und Spes faßten Liebe zu einander. Sie bewunderte seine Tüchtigkeit. Sie gab viel Geld aus, denn sie suchte sich viele Freunde zu verschaffen. Ihr Mann fand auch, daß sie sich veränderte, in ihrem Sinn und in ihrem Benehmen und namentlich in ihrer Verschwendung. Er vermißte Gold und Kleinodien, die aus ihrem Gewahrsam verschwanden. Einmal sprach Sigurd mit ihr darüber und sagte ihr, daß sie sich merkwürdig benähme: "Du nimmst unser Gui nicht in acht und 1
Sie antwortete: "Ich habe dir gesagt, und ebenso meine Angehörigen, als wir zusammen kamen, daß ich Freiheit haben wollte zu handeln nach meinem Belieben. wenn ich nur täte, was mir geziemte; und darum spar' ich dein Geld nicht. Hast du sonst noch etwas vorzubringen, das mir als Schande angerechnet werden könnte:"
Er antwortete: "Ich hege den Verdacht, daß du es mit einem Mann hältst, der dir besser scheint als ich."
"Ich wüßte nicht," antwortete sie, "daß du dazu Grund hättest; und ich dächte nicht, daß du das in Wahrheit behaupten könntest . Aber wir zwei wollen nicht allein darüber sprechen, wenn du solche ungehörigen Beschuldigungen gegen mich erhebst."
Er ließ nun die Sache fur diesmal auf sich beruhen. Thorstein und Spes lebten ebenso wie früher und waren nicht vorsichtig gegenüber den Worten böser Menschen, denn sie vertraute auf ihren Verstand und auf ihre Beliebtheit. Oft saßen sie im Gespräch zusammen und vergnügten sich.
Es war eines Abends, daß sie in der Kammer saßen, wo ihre Kleinodien aufbewahrt wurden. Sie bat Thorstein, etwas zu singen, denn sie glaubte, daß ihr Mann beim Trunk säße, wie er zu tun pflegte. Sie hatte die Tür geschlossen. Und als er eine Weile gesungen hatte, ward an die Tür geklopft und gerufen, sie sollte aufschließen. Ihr Mann war mit vielen Gefährten heimgekommen. Die Hausfrau hatte eine große Kiste geöffnet und zeigte Thorstein ihre Schätze. Als sie merkte, wer Einlaß begehrte, wollte sie die Tür nicht aufschließen.
Sie sagte zu Thorstein: "Schnell ist mein Entschluß: krieche in die Kiste und verhalte dich ruhig!"
Er tat so. Sie legte ein Schles vor die Kiste und setzte sich auf sie. In diesem Augenblicke kam ihr Mann in die Kammer, und sie hatten die Tür aufgebrochen.
Die Hausbau sprach: "Warum benehmt ihr euch so gewaltsam: Sind Feinde euch auf den Fersen:"
Der Mann antwortete: "Gut, daß du mir selbst den Beweis erbracht hast, wer du bist. wo ist der Mann, der eben so laut sang: Ich glaube, du schätzest seine Stimme schöner als meine."
Sie antwortete: "Der ist nicht ganz dumm, der zu schweigen versteht; aber von dir kann man das nicht sagen: du bildest dir ein, klug zu sein und wähnst, deine Lügen sollten auf mir sitzen bleiben. Nun kannst du ja die Beweise bekommen! Wenn wahr ist, was du sagst, so nimm ihn, denn durch die Wände oder durch das Dach kann er nicht entwischt sein.
Er suchte im ganzen Gebäude herum und fand nichts.
Sie sprach:"Warum nimmst du ihn nicht: Du glaubtest doch, deiner Sache sicher zu sein."
Er schwieg und konnte nicht begreifen, wie es zuging. Er fragte seine Begleiter; ob ihnen nicht wie ihm die Ohren geklungen hätten. Aber da sie merkten, daß die Hausbau ärgerlich war, ward es nichts aus ihrem Zeugnis, und sie sagten, zuweilen käme es vor, daß man sich verhörte. Ihr Gatte ging hinaus, der festen Überzeugung, daß er recht hätte, wenn er auch den Mann nicht finden könnte. Er ließ jetzt lange Zeit die Hausfrau und ihr Tun beobachten.
Ein andermal, viel später, saßen Thorstein und Spes in einer vorratskammer. Darinnen waren viele Kleider, fertige sowohl als auch das bloße Zeug, die ihr und ihrem Manne gehörten. Sie zeigte Thorstein verschiedene Arten Zeug, und sie breiteten die Stoffe aus. Und als sie es am wenigsten erwarteten, kam ihr Mann mit vielen Leuten und brach die Tür auf. Aber während sie es taten, hatte Spes die Kleider über Thorstein gepackt und sie stützte sich auf diesen Kleiderhaufen, als sie in das Zimmer traten.
"Willst du noch leugnen," sagte ihr Mann, "daß hier ein Mann bei dir gewesen ist Hier sind Leute, die euch beide gesehen haben."
Sie bat sie, nicht so zu toben. "Nun kann es euch ja nicht mißlingen; aber mich laßt in Ruhe und drängt mich nicht so!"
Sie suchten nun das ganze Haus ab und fanden nichts; endlich gaben sie es auf.
Da sprach die Hausfrau: "Es ist immer gut, seine Probe besser
zu bestehen als die Leute glauben; und es ist selbstverständlich. daß ihr nichts fandet, wo nichts war. Willst du nun deine Dummheit einräumen und mich von dieser Beschuldigung freisprechen "Er antwortete: "Weit entfernt davon, dich freizusprechen, bin ich vielmehr überzeugt davon, daß du dessen schuldig bist, dessen ich dich angeklagt habe. Du sollst dich auch selbst in dieser Sache anstrengen, wenn du von dieser Anklage gereinigt werden willst."
Sie sagte, dagegen hätte sie nichts. Damit trennten sie sich.
Darauf war Thorstein ständig bei den Wäringern, und man glaubt, daß er äch bei Harald Sigurdarson Rat geholt habe; denn man meint, daß er und Spes nicht so gut davon gekommen wären, wenn sie ihn nicht für ihre Sache gewonnen und seine Klugheit genossen hätten. Einige Zeit darauf gab Sigurd vor, daß er in einigen Geschäften verreisen müßte. Seine Frau suchte nicht, ihn davon abzuhalten. Und als er fort war, kam Thorstein zu Spes, und sie waren beide zusammen. Ihr Anwesen war so angelegt. daß es über dem Meere gebaut war, und es waren einige Gebäude, unter die das Meer heraufreichte . Dort hielten sich Thorstein und Spes gewöhnlich auf. Es war eine kleine Falltür im Fußboden, die keiner außer den beiden kannte. Sie sollte offen stehen, für den Fall, daß man sie schnell gebrauchen müßte.
Nun ist von dem Gatten zu sagen, daß er keineswegs abreiste, sondern er versteckte sich und wollte ausspähen, was seine Frau treibe. Es kam auch so, daß eines Abends, als sie es gar nicht vermuteten und in der Stube über dem Meere saßen und sich vergnügten, der Gatte unerwartet kam; er hatte viele Leute bei sich, und er führte einige nach dem Fenster; das im Hause war, und hieß sie sehen, ob es nicht an dem wäre, wie er gesagt hätte. Alle sagten, daß er recht berichtet hätte, und so würde es auch früher gewesen sein. Sie stürmten nun nach der Stube hinauf.
Und als sie den Lärm hörten, sprach sie zu Thorstein: "Hier mußt du herunter, was es auch kostet! Gib mir ein Zeichen, wenn du aus den Häusern entwischt bist."
Er sagte Ja" und stürzte sich sogleich durch den Fußboden, herab, die Hausfrau stieß mit dem Fuße gegen die Falltür. Sie klappte nieder. und man konnte sie am Fußboden überhaupt nicht wahrnehmen. Nun kam Sigurd und seine Leute. Sie suchten überall und fanden nichts, wie zu erwarten war, Das Zimmer war ganz leer, denn es war nichts darin außer dem glatten Fußboden und einigen Bänken. Die Hausfrau saß da und spielte mit ihren Ringen. Sie kümmerte äch gar nicht um sie und tat, als ob es sie nichts anginge. Sigurd fand es höchst lächerlich und fragte seine Begleiter, ob sie nicht den Mann drinnen gesehen hätten. Sie versicherten-sie hätten ihn gesehen.
Da sprach die Frau: "Hier kann man auch mit dem alten Sprichworte sagen ,aller guten Dinge sind drei'. So ist es mit dir, Sigurd! Dreimal hast du mir Unrecht getan, wie mir scheint. Bist du jetzt etwa klüger als zuvor
"Ich bin es jetzt nicht allein," sagte ihr Mann, "der gegen dich zeugt. Du sollst für all das den Unschuldsbeweis antreten, denn ich will diese Schande durchaus nicht ungebüßt lassen."
"Ich glaube," antwortete die Hausbau, "du forderst das, was ich freiwillig anbiete; denn mit Freude will ich mich von dieser Anschuldigung reinigen; sie ist so an die Luft gekommen. daß es mir zu großer Unehre gereichen würde, wenn ich sie nicht zurückwiese."
"Ebenso sollst du beweisen," sagte Sigurd, "daß du mein Geld und meine Kleinodien nicht fortgegeben hast."
Sie antwortete: "Zu derselben Zeit, wo ich mich von der einen Anklage befreie, reinige ich mich auch von den andern, die du gegen mich erhoben hast. Aber bedenke, wie das enden wird! Ich gehe gleich morgen zum Bischof. und er soll mir den vollen Unschuldsbeweis für diese Anschuldigung bestimmen!"
Sigurd war damit zufrieden und ging mit seinen Leuten fort-Nun ist von Thorstein zu sagen, daß er unter den Häusern vorschwamm, und er ging an Land, wo es ihm gefiel, nahm ein brennendes Holzscheit und hielt es hoch, so daß man es in dem Hause der Spes sehen konnte. Sie war lange am Abend und in der Nacht draußen, denn sie wollte wissen, ob Thor
stein an Land gekommen wäre. Und als sie das Feuer sah, glaubte sie zu wissen, daß er an Land gekommen wäre, denn sie hatten das miteinander abgemacht. Am nächsten Morgen sagte Spes ihrem Manne, sie sollten vor dem Bischof über ihre Angelegenheit sprechen, und er war ganz damit einverstanden. Sie kamen vor den Bischof und Sigurd brachte alle die früher erwähnten Anschuldigungen gegen seine Frau vor. Der Bischof fragte, ob sie früher wegen solcher Dinge angeklagt gewesen wäre; aber keiner sagte, dergleichen gehört zu haben. Da fragte er, was Sigurd für Beweise gegen sie anführen könnte. Er führte die Männer vor, die sie hinter verschlossener Tür hatten sitzen sehen, und ein Mann war bei ihr; und daraus schloß er, daß der Mann sie verführen wollte. Der Bischof sagte, daß sie sich wohl von dieser Anklage reinigen könnte, wenn sie wollte. Sie erklärte sich gern dazu bereit: "Ich zweifle nicht," sagte Spes, "daß ich Frauen genug finde, die mir die Wahrhaftigkeit meines Zeugnisses eidlich bestätigen werden.Die Eidesformel wurde ihr mitgeteilt und der Tag festgesetzt, wo der Eid abgelegt werden sollte. Darauf ging sie heim und war ganz zufrieden. Thorstein und Spes trafen sich und berieten sich.
89. Spes schwört einen Reinigungseid
Die Zeit verging, bis der Tag kam, wo Spes den Eid ablegen sollte. Sie lud alle ihre Freunde und verwandten zu sich ein und zog sich die besten Kleider an, die sie hatte. viele vornehme Frauen begleiteten sie. Es regnete stark. Der Weg war naß, und man mußte eine große Pfütze durchschreiten, bevor man nach der Kirche kam. Und als Spes und ihr Gefolge an die Pfütze kamen, hatte sich eine große Menge Menschen angesammelt, darunter viele Arme, die um Almosen bettelten, denn dort war die Hauptverkehrsstraße. Alle hielten es für ihre Schuldigkeit, sie aufs beste zu grüßen und ihr Glück und Segen zu wünschen, weil sie ihnen so oft geholfen hatte. Unter den andern Armen war auch ein Bettler, groß anwuchs, mit einem lang herabhängenden Barte. Die Frauen blieben an der Pfütze stehen, denn es dünkte sie schwer durch den Dreck zu gehen, ohne schmutzig zu werden. Und als der große Bett
ler die Hausfrau sah, daß sie besser gekleidet war als die andern Frauen, sprach er so zu ihr: "Gute Hausfrau," sagte er, " erweise mir die Herablassung, dich über diese Pfütze tragen zu dürfen, denn wir Bettler sind verpflichtet, dir zu dienen, so gut wir können.""Wie, du willst mich tragen sagte sie. "Und kannst dich kaum selbst tragen"
"Es würde eine Probe deiner Herablassung sein," antwortete er, "Ich kann nichts Besseres bieten, als ich selbst habe; und es wird dir um so besser gehen, je weniger stolz du gegen einen Armen bist."
"Du kannst mir glauben,"sagte sie" ,wenn du mich nicht ordentlich hinüber trägst; bekommst du eine solche Tracht Prügel, daß dir die Haut abgeht."
"Mit Freuden will ich es wagen," sagte er und trat in die Pfuse.
Sie tat so, wie wenn es ihr wenig behagte, daß erste trüge, aber setzte sich doch auf seinen Rücken. Er schwankte ganz langsam und humpelte an zwei Krücken. Und als erin die Mitte des Sumpfes kam, taumelte er nach allen Seiten.
Sie hieß ihn, sich zusammennehmen. "Und niemals soll es dir so schlecht ergangen sein wie jetzt; wenn du mich in den Dreck fallen läßt"
Der arme Kerl strengte sich mit allen Kräften an und watete weiter. Er quälte sich gehörig und war schon dem Trockenen ganz nahe, da strauchelte er plötzlich und fiel vornüber; sie konnte er noch auf das Trockene werfen, aber er selbst sank bis zu den Armen in die Pfütze. Als sie nun da lag, griff er nach ihr, 1 aber konnte ihre Kleider nicht fassen. Er packte sie mit seiner schmutzigen Hand ans Knie. Sie sprang auf und schimpfte, von Strolchen hätte man immer verdruß. "Du hättest verdient, durchgeprügelt zu werden, wenn es mich nicht eine Schande dünkte um deines Elends willen!"
Er sprach: "Nicht jedem ist das Glück hold. Ich meinte dir einen Dienst zu erweisen und hoffte Almosen von dir zu bekommen kommen aber statt dessen bekomme ich nur Droh- und Scheltworte 1
vielen erschien er als ein armer Kerl, aber sie meinte, er wäre der größte Schlaumeier. Da jedoch die Menge für ihn bat, nahm sie ihre Geldtasche, und darin waren viele Goldpfennige. Sie schüttelte die Pfennige hin und her: "Da, nimm. Alter! Es ist das beste, du erhältst volle Buße dafür, daß ich dich gescholten habe. Hiermit bist du auch vollkommen belohnt nach Verdienst."
Er sammelte das Gold auf und dankte ihr für die Gabe. Spes ging in die Kirche, wo eine Menge Volk versammelt war. Sigurd führte seine Sache mit großem Eifer und forderte sie auf, sich von den Anklagen zu reinigen, die er gegen sie erhoben hatte.
Sie antwortete: " kümmere mich um diese Anklagen nicht. Welchen Mann glaubst du bei mir im Zimmer gesehen zu haben: Es kommt nämlich oft vor, daß ein wackerer Mann mich besucht, und das nenne ich keine Schande. Aber ich bin bereit, einen Eid darauf abzulegen, daß ich keinem Manne Geld gegeben und mich mit keinem Manne leiblich verunreinigt habe, außer mit meinem Manne und dem Bettler, der mit seiner schmutzigen Hand mein Bein anfaßte; als ich heute über die Pfütze getragen wurde."
viele meinten, das wäre ein voller Eid, und es wäre ihr nicht als Schande anzurechnen, wenn der Alte sie unehrbar berührt hätte. Sie sagte, sie müßte alles so erzählen, wie es wäre. Darauf schwur sie den Eid, der den Wortlaut hatte, wie beschrieben war. viele meinten freilich, sie könnte das Sprichwort bestätigen: ,wenig soll in einem Eide unbeschworen bleiben'. 1 Sie aber antwortete, jeder verständige Mann würde finden, daß das ohne Hinterlist gesagt wäre. Ihre verwandten machten geltend, daß es ein großer verdruß für eine Frau
90. Thorstein und Spes reisen nach
Norwegen
Thorstein war bei den Warägern in der Zeit, wo diese Sache am meisten vom volke besprochen wurde. Er wurde so berühmt, daß man glaubte, es hätte kaum einen so tüchtigen Mann gegeben wie ihn. Harald Sigurdarson erwies ihm viele Ehre. denn sie waren auch verwandt mit einander; und man glaubt; daß Thorstein nach Haralds Rat gehandelt hatte. Einige Zeit, nachdem Sigurd aus dem Lande vertrieben war, warb Thorstein um Spes. Sie nahm es geziemend auf, aber wies ihn an ihre verwandten. Es wurde Familienrat gehalten, und sie wurden einig, daß sie selbst entscheiden müßte. Sie wurden vermählt; ihr Zusammenleben war gut, und sie hatten Geld die Fülle. Thorstein schien ein richtiges Glückskind zu sein, so wie es ihm gelang aus allen Schwierigkeiten herauszukommen. Sie waren zwei Winter zusammen in Miklagard. Darauf sagte
Thorstein zu seiner Frau, er wolle nach Norwegen reisen und nach seinem Eigentum sehen. Sie sagte, darüber hätte er zu bestimmen. Er verkaufte da sein Eigentum und bekam so eine Menge Geld. Sie begaben sich auf die Reise nach Norwegen mit ansehnlichem Gefolge und kamen ohne größeren Aufenthalt nach Norwegen. Thorsteins Verwandte nahmen beide freundlich auf, und man merkte bald, daß Spes freigebig und hochgesinnt war. Sie wurde bald sehr beliebt. Sie hatten drei Kinder zusammen, saßen nun auf ihrem Eigentum und waren mit ihrem Schicksal zufrieden. Damals war magnus der Gute König über Norwegen. Thorstein begab sich sogleich zu ihm und wurde freundlich aufgenommen, denn er war hochberühmt dadurch geworden, daß er Grettir den Starken gerächt hatte. Man kennt kaum ein Beispiel dafür, daß noch irgendein Isländer in Miklagard gerächt wurde, außer Grettir Asmundarson . So wird erzählt, daß Thorstein Gefolgsmann des Königs Magnus wurde. Thorstein lebte in Ruhe neun Jahre, seitdem er nach Norwegen gekommen war, und er und seine Frau genossen das größte Ansehen. Da kam aus Miklagard König Harald Sigurdarson nach Norwegen, und König Magnus gab ihm die Hälfte des Reiches. Beide waren eine Zeitlang Könige in Norwegen. Nach dem Tode des Königs Magnus waren viele, die seine Freunde gewesen waren, unzufrieden, denn alle liebten ihn. Aber es war schwer, sich nach König Haralds Sinn zu richten, denn er war bart und schnell bereit zu strafen. Thorstein Dromund begann nun zu altern, aber er war doch noch ein rüstiger Mann. Nun waren seit Grettirs Tode sechzehn Winter vergangen.
91. Thorstein und Spes treten eine Romfahrt
an
Viele forderten Thorstein auf, zu König Harald zu gehen und Dienste in seinem Gefolge zu nehmen, aber er erklärte sich nicht damit einverstanden.
Da sprach Spes: "Ich sehe auch nicht gerne, daß du zu König Harald gehst, denn wir sind einem andern König mehr schuldig, und daran müssen wir vor allem denken. Wir sind nun beide
alt und nicht mehr jung; aber wir haben uns beide mehr von unsern Wollüsten als von den Geboten des Christentums und der Rücksicht auf Recht und Billigkeit leiten lassen. Ich weiß, daß weder unsere verwandten noch unsere Reichtümer imstande sind uns von dieser Schuld zu lösen, wir müssen sie selbst sühnen . Darum wollen wir unsere Lebensweise verändern, das Land verlassen und zum Papst nach Rom fahren, denn ich glaube, dort können wir Verzeihung erhalten."Thorstein antwortete: "Mir sind die Dinge, von denen du sprichst, ebenso gut bekannt wie dir. Es ist billig, daß du jetzt bestimmst, was zu unserm Besten dient, denn du ließest mich bestimmen, als wir Böses im Sinne hatten. Es soll in jeder Beziehung so werden, wie du es willst.
Dies kam den Leuten gans unerwartet. Thorstein war jetzt siebenundsechsig Jahre alt und doch noch rüstig für sein Alter. Er lud alle seine Verwandten und Angehörigen ein und trug ihnen seine Absichten vor. verständige Leute fanden es ganz richtig, aber ihr Fortzug dünkte sie doch ein großer Schade.
Über seine Rückkehr sagte Thorstein nichts Bestimmtes. "Ich danke euch allen," sagte er, "daß ihr mein Hab und Gut so getreu verwaltet habt, während ich neulich außer Landes war. Nun möchte ich euch bitten, daß ihr euch des Vermögens meiner Kinder und ihrer selbst annehmt und sie erzieht, wie ihr es für richtig haltet, denn ich bin jetzt so alt, daß, selbst wenn ich noch am Leben bleibe, es doch zweifelhaft ist, ob ich zurückkehre. Ihr sollt für alles, was ich hier hinterlasse, so sorgen, wie wenn ich niemals wieder nach Norwegen zurückkehre."
Sie schwuren, daß alles gut geben sollte, wenn die Hausfrau da wäre und auf alles aufpasste.
Da sprach sie: "Ich habe mein Land und Miklagard mit Thorstein verlassen und habe meine verwandten und mein vermögen aufgegeben, denn ich wollte, daß ein Schicksal über uns beide gehen sollte. Mir hat es hier gut gefallen, aber mich verlangt nicht danach, lange bier in Norwegen oder hier in den Nordländern zu bleiben, wenn er fortreist. Stets haben wir einen Sinn gehabt, und niemals ist Zwist zwischen uns gewesen. Wir wollen beide zusammen fortgehen, denn wir kennen
am besten die mancherlei Dinge, die geschehen sind, seit wir zuerst uns getroffen haben."Als sie diese Bestimmung getroffen hatten, bat Thorstein bewährte Männer; sein Vermögen in zwei Teile zu teilen. Thorsteins verwandte nahmen den Teil, den die Kinder haben sollten , und bei ihnen wurden die Kinder erzogen; sie wurden angesehene Leute, und viele stammen von ihnen ab in Vik. Thorstein und Spes teilten wieder ihren Anteil, sie schenkten einen Teil der Kirche für das Heil ihrer Seelen, den andern nahmen sie mit. Sie traten nun ihre Romfahrt an, und viele wünschten ihnen Glück und Segen.
92. Thorstein und Spes gehen ins
Kloster
Sie setzten die Reise fort, bis sie nach Rom kamen. Als sie vor dem standen, der eingesetzt ist, die Beichte der Leute zu hören, da sagten sie alles der Wahrheit entsprechend, wie es sich begeben hatte, und mit welchen Listen sie ihre Ehe geschlossen hätten. Demütig wollten sie die Strafe leiden, die er ihnen auferlegen würde, sich zur Buße und Besserung. Aber weil sie selbst den Gedanken gefaßt hatten, ihr ungehöriges Betragen zu büßen, ohne irgendwelchen Zwang von seiten der Vorsteher der Kirche, wurde ihnen nur eine kleine Strafe auferlegt, die so milde wie möglich war; sie wurden in Güte ermahnt , nun verständig für das Heil ihrer Seelen zu sorgen und einen reinen Lebenswandel zu führen, nachdem sie Ablaß alle ihre Sünden empfangen hatten. Gut und klug schienen sie gehandelt zu haben.
Da sprach Spes: "Mich dünkt, unsere Sache ist zu einem guten Ende geführt: nun haben wir nicht allein das Böse zusammen geteilt. Kann sein, daß törichte Menschen sich ein Beispiel an unserem ersten Zusammenleben nehmen. Aber wir wollen unser Leben so schließen, daß es selbst guten Menschen nachahmenswert ist. Wir wollen jetzt einen Vertrag mit geschickten Maurern schließen, daß sie für jedes von uns eine besondere Klause bauen, und da wollen wir büßen, was wir gegen Gott verbrochen haben."
Thorstein bezahlte das Geld für die beiden Steinhauser und für das, was sie sonst nötig hatten zum Lebensunterhalt. Und als die Zellen fertig waren und alles vorbereitet war, da wählten sie eine passende Zeit und machten freiwillig ihrem zeitlichen Zusammenleben ein Ende, damit sie um so gewisser ein heiliges Zusammenleben in der andern Welt genießen könnten. Sie gingen jeder in seine Klause und lebten so lange, wie Gott es ihnen vergönnte, und endeten hier ihr Leben. Die meisten haben gesagt, daß Thorstein Dromund und seine Frau Spes die glücklichsten Menschen gewesen find, ein solches Ende, wie es mit ihnen genommen bat! Keins von seinen Kindern, keiner von seinen Nachkommen ist, soweit man weiß, nach Island gekommen.
93. Sturlas Urteil über Grettir
Der Gesetzessprecher Sturla bat gesagt, daß nach seiner Meinung kein Achter so berühmt gewesen ist wie Grettir der Starke. Drei Gründe führt er dafür an: erstens, daß er ihm der klügste gewesen zu sein scheint, denn erbat länger als sonst jemand in der Acht gelebt und wurde niemals überwältigt , solange er gesund war; zweitens, daß er der stärkste im Lande unter seinen Altersgenossen war und mehr Glück im Erschlagen von Wiedergängern und Gespenstern hatte als andere Menschen; drittens, daß erin Konstantinopel gerächt wurde, was mit keinem andern Isländer geschehen ist. Dazu kommt, welch ein Glückskind Thorstein Dromund in seinen letzten Tagen geworden ist.
Hier schließt die Geschichte von Grettir Asmundarson,
Anhang
Glam. Von Grimur ThomsenLang ist des kurzen Tages Nacht, In der Hütte wacht Grettir allein, Eintönig braust der Sturm mit Macht, Wolken verfinstern des Mondes Schein. — Da ertönen dumpfe Schläge, Scharf und schwer, an der Tür Gehege. |
Auf bricht die Tür, sie knarrt und knackt, Lärmend tritt's ein, entsetzlich zu sehn, vorwärts schwankt es, riesig und nackt, Und die Gelenke krachen beim Gebn. Und aus den Augenhöhlen, den leeren Glänzt's, wie wenn Kohlen erloschen wären. Höhnisch grinst mit dem Maul das Skelett; Schüttelt den Schädel hin und wieder; Grettir richtet sich auf von dem Bett —Kalter Schweiß bedeckt seine Glieder —, Aber am meisten schaudert ihn immer Vor dem Leichengeruch im Zimmer. |
Grettirs Mantel ergreift der Geist; Der zieht dagegen, was er nur kann, Stemmt auf den Boden die Füße dreist; Spart weder Hände noch Füße dann; Sie zerreiben des Mantels Falten — Jeder hat eine Hälfte behalten. |
Grettir Glam entgegen springt, Und sie ringen auf Leben und Tod, Grimmig des Unholdes Rechte trinkt Grettirs Blut, das rieselt rot. Glam drückt auf ihn seine knöchernen Pfoten, Tödlich ist der Griff eines Toten. |
Aber weit mehr als den Leib entlang Schmerzt des gequetschten Fleisches Kraft; Quält ihn der fade Verwesungsgestank; Aus dem Gesichte der eklige Saft. |
Würmer niest seine Nase immer; Und der Mund schnaubt, was noch viel schlimmer. |
Balken zerbrechen, schon knistert's im Dach, —Beide ringen so fürchterlich —, Gräßlich, gäbe die Hütte nach Und begrübe ihn unter sich! Grettir bittet den Herrn des Lebens Ihm zu helfen, bevor es vergebens. |
Plötzlich erlahmt des Unholdes Graus —Leise erglüht des Tages List —, Schleppt auf der Schulter Grettir hinaus, Doch auch draußen ruhen sie nicht; Vor tritt der Mond, —Glam fällt auf die Tatze, Murmelt heiser, erhebt seine Fratze: |
"Daran gedenke, solange du bist; Diese Stunde kommt über dich. Nie einem Menschen vergönnt es ist, Mit einem Unhold zu messen sich. Dieses Gesicht, das jetzt du siehest, Wirst du sehen, wohin du auch siehest. |
Keiner liebt dich, Unruh dich zwingt, Kein Tag vergeht, der nicht Unheil schaut; Furcht und Schrecken die Nacht dir bringt, vor dem Monde dir immer graut. Solltest du froh sein zu dürfen meinen — Gleich packt die Angst dich vor meinem Erscheinen! |
Kraft und Tapferkeit bringt dir den Tod, Friedlos fliehst du immerfort. Einsamkeit schafft dir dein Leben lang Not. Zuflucht hast du an keinen Ort. Und zuletzt auf der Höhe der Jahre Streckt dich ein Zauber auf die Bahre. |
Jetzt verlaß ich Island und dich Geb nach Sylgsdalir, dem vaterhaus; |
Wolken zogen über dem Mond, Endlich sich Grettir der Ohnmacht erwehrt; Schwach zu sein war er nicht gewohnt, Knirschend zückt er sein gutes Schwert; — Aber als er zuschlagen wollte, — Leeres Eis vor ihm her rollte. |
Er horcht, er wartet, er rührt sich nicht, Packt den Mantel gut, starrt in die Glut, Und regi sich nicht. Bald funkelt's, bald dunkelt's, Der Mond durchdringt, bald wieder versinkt In der Wolken Mitte . . . Wer klopft an die Hütte: . . . |
Jetzt alles still. . .jetzt wird es belebt; Der Balken erbebt Auf dem Dach er reitet und schlägt mit den Fersen, Es knackt, Es kracht . . . An der Tür wird es dunkel . . . Es klopft, es klopft, Es dröhnt, es stöhnt... Der Unhold kommt! Grettir wird heiß, Ihn schüttelt der Schweiß, |
Denn Glam glotzt in das Zimmer. Den Kopf hinein er steckt, Ihn bis zur Decke streckt; Bald schwillt er an, Wird kleiner dann, Glänzend glühn die Augen immer; Rückwärts er sinkt, Dann auf er springt, Er neigt sich, verschwindet.. .jetzt Ruh wie zuvor. |
Grettir rührt und regt sich nicht; Packt den Mantel gut, Starrt in die Glut; Und regt sich nicht... Jetzt lauter Lärm wie zuvor! Die Hütte bebt, die Tür zerbricht, Der Troll ist gekommen, er tappt nach dem Lager, Faßt nach dem Mantel, doch fest wird er gehalten... Was war das: Wer wagt das: Er packt von neuem, den Mantel zerreißt er. Da, birst das Beit, das Brett zerbricht, Und Grettir stürzt auf den Boden nieder. |
Da beginnen zu ringen die zwei, — Grettirs Kraft und Glams Zauberei, Kühnheit kämpft wider Raserei, Jugend in stolzem Heldenmut Streitet mit heidnischem Totenblut; Der neue volksglaube, blutig und blind, Macht über der Bosheit Bild gewinnt. Tapferkeit mit Torheit Im Ringkampf sich mißt, Trotzige Kraft und tückische Zauberkunst; Odin und Christ! Sie packen sich tödlich und lassen nicht nach. Fast stürzt die Hütte zusammen; Es heult in den Wänden, es schreit auf dem Dach, |
Es knirscht in lohenden Flammen. Und das hat Grettir selber gesagt, Solch Grauen ihn überkam, Daß niemals ihn solches Entsetzen geplagt Wie bei dem Kampfe mit Glam. Durch die Tür fiel der Unhold hinaus. Der totmatte Grettir im Todesgraus Glams brechende Augen zu sehen bekam. |
Grell bescheint sie des Mondes Macht, Kündet künftigen Kummer, In der Erde stöhnt es und lacht, Ein Ende dem ruhigen Schlummer Grettirs die Stimme des Sterbenden macht. (In einem besonderen Liede folgt der Fluch, den Glam über Grettir ausspricht.) |
Nachbemerkung
Die Übertragung beruht auf dem Tert der Original-Ausgabe der Grettis saga Asmundarsonar von R. C-Boer, in einigen Fällen entschied sich jedoch der Übersetzer für die ältere Ausgabe von G. Thordarson.
Die Einleitung will erstens über das wichtigste des isländischen Strafrechtes orientieren, soweit es fur das verständnis dieser Sage erforderlich ist, und beruht auf Konrad Maurers "Altisländischem Strafrecht und Gerichtswesen" (Leipzig, 1910) und vor allem auf Andreas Heuslers "Strafrecht der Isländersagas"(Leipzig 1911), dem an den gekennzeichneten Stellen wörtlich gefolgt ist. Sie will zweitens, und das ist die Hauptsache, darlegen, daß unsere Sage ein Kunstwerk ist, das von einer einheitlichen Idee zusammengehalten wird.
Dem Leser wird empfohlen, sich zunächst einen flüchtigen Überblick über den Inhalt zu verschaffen, mit Auslassung der Genealogien und Nebenhandlungen, dann die Einleitung zu lesen und darauf die ganze Sage langsam zu genießen. Auch bei einem musikalischen Kunstwerke wird ja verständnis und Genuß durch vorhergehendes Studium der Partitur gefördert.
Die geographischen Namen sind unverändert in der Original form beibehalten; auf der Kartenskizze stehen, soweit dies ohne Zwang möglich und Platz vorhanden war, die deutschen Übersetzungen in Klammern unter den isländischen Ortsnamen .
In den Dichtungen ist die Form des Originals ziemlich getreu nachgebildet. Um Stab-, Binnen- und Endreim beibehalten zu können und doch da-- Verständnis nicht zu sehr zu erschweren , wurden die sogenannten ,Umschreibungen' oft aufgelöst.
Die Anmerkungen beschränken sich auf das notwendigste.
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