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Inhalt
EinleitungSeite V
Isländisches Volkstum 1
1. Die Insel Island 3
2 .Das neuisländische Volk 12
3. Islands skandinavische Heimat 21
4. Islands Besiedelung 30
5. Altisländisches Alltagsleben 40
Altisländisches Heldenzeitalter 51
6. Der altisländische Staat 53
7. Die altisländische Familie 66
8. .Das altisländische Fehdewesen 80
9. Eddadichtung und Sagazeit 94
10 .Die Familiengeschichten 113
11. Die Königsgeschichten 127
12. Skaldentum und Skaldendichtung 137
Isländische Wikingerkultur 151
13. Christentum und Renaissance 153
14. Snorri Sturluson 163
15. Die Kultur der Saga 174
Register 185
Verzeichnis der Abbildungen
Sandsturm im Innern Islands- Im Hintergrund die Vulkane Sellandafjall und Bláfjall Seite 1
Lavaformen im Odádahraun (Missetatenwüste). Im Hintergrund die Ketildyngja 4
Die Westmännerinseln. Südisland 8
Die Allmannagja-Schlucht bei Thingvellir. Westisland 15
Das Tal Hjaltadalur in Nordisland 24
Am Búlandshöfdi. Westisland 32
Der Priesterhof Hals in Nordisland 40
Altisländischer Pferdezweikampf 48
Blick vom Gesetzeshügel auf Thingvallavatn. Westisland 56
Ouelle unter überwachsenem Lavafeld in Nordisland 64
Steindenkmal des bier erschlagenen Skalden Thorgeir auf Hraunhafuartaugi, Nordisland 72
Das Tal der Jökulsá südwärts von den Hljókaklettar. Nordisland .. 80
Lavaformen im Odádahraun (Missetatenwüste). Nord- island .. 90
Der Wasserfall Godafoß. Nordisland .. 104
Doppelkrater mit Schwefelquellen auf der Höhe der Krasla. Nordisland .. 112
Der Wasserfall Brüarfoß in Südisland .. 120
Vigabjargafoß der Jökulsá i Axarsirdi. Nordisland .. 128
Kratersee an der Krasla. Nordisland .. 130
Lavalandschaft am Myvatn (Mückensee) in Nordisland 144
Stock und Kirkjufell am Breidifjördur. Westisland .. 152
Ringförmiger Krater bei Skútustadir am Myvatn (Mückensee). Nordisland .. " .. 160
Kraterlandschaft am Myvatn (Mückensee). Nordisland 168
Die drei Gipfelklippen des Snaefellsjökull. Westisland 170
Der östliche Eisstrom des Snaefellsjökull. Westisland .. 180
Gedruckt bei Dietsch & Brückner in Weimar
Von diesem Buche wurden 50 Abzüge auf Büttenpapier hergestellt / in Ganzleder gebunden / und handschriftlich numeriert Dieses Exemplar trägt die Nummer 8


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Felix Niedner Islands Kultur zur Wikingerzeit


Mit 24 Ansichten und 2 Karten

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913



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Einleitung

Meine Darstellung richtet sich in Art und Kunst nach dem Zweck der Sammlung Thule.

Als bekannt setze ich dabei die Eddadichtung voraus, deren Lieder in den beiden ersten Bänden besonders eingehend erläutert wurden.

So mußten die Sagas in den Vordergrund treten, deren Familien- und Königsgeschichten Thules Hauptbestandteil bilden. Ihr historisches Verständnis zu erschließen war in erster Linie mein Streben. Die mythischen Sagas und Heldenromane, im ganzen mehr bekannt, geben dem Bilde isländischer Prosa- darstellung verhältnismäßig wenig neue Züge. Sie standen dem Zeitalter Goethes und der Romantiker näher, während wir im Jahrhundert des Realismus für den Wirklichkeitssinn jener historischen Sagas mehr Empfänglichkeit besitzen.

Die geschlossene Kunstform wirkt in den alten Familien- und Königsgeschichten für sich selbst. Mehr noch in der Darstellung als in den Stoffen liegt ihr innerer Wert. Keine ästhetische Würdigung kann die eigene Lektüre erlesen.

Der Hintergrund, von dem sich diese Erzählungen abheben, mutet den modernen Leser seltsam und befremdend an. Das allgemeine Weltbild des Wikingertums, ohne das jene Sagas unverständlich bleiben, mußte ich daher im Umriß geben,

Am schwierigsten blieb die Vermittlung der Skaldendichtung, Wegen ihrer bruchstückweisen Überlieferung und wegen ihrer schweren Verständlichkeit verzichteten wir auf einen besondern Band der Skaldendichtung. An Wert steht sie der Eddadichtung und den Sagas nicht nach. Die menschlich interessantesten Persönlichkeiten des alten Island sind Skalden.

Gleichwohl verhalten sich sonst verständnisvolle Vermittler des isländischen Altertums der Dichtung jener Männer gegenüber meist skeptisch und spröde.

Dem Herausgeber lag das Skaldentum besonders am Herzen, Darum hat er im dritten Bande ihm in der Geschichte vom Skalden Egil seine besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Das dort und hier gezeichnete Bild hofft er in den Einführungen zu



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Band 9 (Vier Skaldengeschichten) und Band 14 —16 (Snorris Königsbuch) zu vervollständigen.

In den Sagas wirken die heldenhaften Männer des alten Island mit der Notwendigkeit einer Naturmacht. Unsere Bewunderung dieser einheitlichen rersönlichkeiten wird manchmal so stark, daß wir ihre Überlegenheit anerkennen, selbst wo uns ihre Handlungsweise widerstrebt. Wir Deutschen kennen dieses Gefühl. Es hat uns gelegentlich gegenüber dem eisernen Schöpfer unseres Reiches beseelt.

Für das Verständnis des Skaldentums hat sich unser Blick durch die Erscheinung moderner Übermenschen geschärft. Historisch-psychologische Forschung sucht emsig in deren Inneres einzudringen. Männer, die wir handelnd einheitlich wie keine andern schauten, werden uns, seelisch betrachtet, zu den kompliziertesten und schwer zu deutendsten Gebilden.

Gestalten wie Egil Skallagrimsson sind in weit einfacheren Verhältnissen kaum anders zu werten.

Die Saga zeigt uns die dämonische Einheitlichkeit der Persönlichkeiten im Handeln. Hier wirken sie als Volkshelden unmittelbar auf den deutschen Leser.

Aus der Skaldendichtung steigt das Menschlich-widerspruchsvolle hervor, das auch den geschlossensten Charakteren anhaftet. Dies eigenartige Seelenleben verleiht ihnen erst den höchsten künstlerischen Reiz. Es mag besonders unsere nach Wirklichkeitswerten suchende moderne Dichtung interessieren.

Alles in allem leuchtet hier wie ein Sinnbild aus ältester Zeit der Genius großen Germanentums, dessen willen Walten wir in dem Zeitalter Bismarcks so lebendig verspürten.



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Sandsturm im Innnern Islands. Im Hintergrund die Vulkane Sellandafiall und Bläfiall


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Isländisches Volks



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1. Die Insel Island

Von den nordischen Ländern germanischer Zunge trat Island am spätesten in den Kreis unserer Vorstellung. Dänemark liegt Deutschland benachbart. Seine Kultur steht uns seit langem nahe. Kopenhagen, der Schauplatz von Holbergs und Thorwaldsens künstlerischem Schaffen, findet uns dort geistig heimisch. Auch die skandinavische Halbinsel wurde uns im letzten Menschenalter durch leichte und schöne Reiseverbindungen ausgiebiger erschlossen. Wir kennen und begreifen nun aus eigener Anschauung Schweden, Bellmans und Tegnérs Vaterland, und Norwegen, die Heimat Björnsons und Ibsens. Beide Länder stehen vor uns in ihrer starken Eigenart. Selbst Finnland, das ja einst von der Großmacht Schweden seine germanische Kultur empfing, würdigen wir täglich mehr in seiner nordischen Sonderstellung.

Nach dem ersten Kulturlande des Nordens in alter Zeit, der Insel Island, ist erst jetzt der Verkehr aus Deutschland etwas reger geworden. Und doch ist Island eine eigen ehrwürdige Stätte. Denn hier lebt, seit einem Jahrtausend vom alten Mutterlande Norwegen abgezweigt, ein nordgermanischer Stamm von höchst charakteristischem Gepräge.

Wenige haben davon in Deutschland einen klaren Begriff. Nur besondere Liebhaber besuchten bisher die Insel, die seit fünfhundert Jahren politisch, nicht ihrem Volkstum nach, zu Dänemark gehört. Allein Forscher auf naturwissenschaftlichem oder kulturhistorischem Gebiet haben bei uns die Eigenart von Islands Natur und Bevölkerung eingehender studiert und umfassender gewertet.

Daß Island im allgemeinen Deutschland so fern blieb, erklärt sich durch seine abgeschlossene Lage. Die dürftigen Schiffsverbindungen, fast nur mit Dänemark, ließen es beinahe wie ein erotisches Land erscheinen. Gehört es doch geographisch fast schon nach Amerika. Mancher in Deutschland denkt wohl bei dem Namen Island, der so eisig klingt, eher an Grönland oder Kanada als an eine zivilisierte europäische Gegend.

In unserm Reiseverkehr nach dem Norden steht Island noch



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beute an letzter Stelle. Drei Tage braucht einer der großen Hamburger oder Bremer Dampfer bis zur Hauptstadt Reykjavik . Man besucht die Insel indes meist nur auf einer erweiterten nordischen Hochsommerreise. Mit Spitzbergen, dem nördlichsten Ziel einer solchen, beginnt für uns im Eismeer die Vorstellung kulturloser Ode. Nicht viel anders, wenn auch mit weniger Recht, denken wir uns, nordwestlich von den Shetlandsinseln, im Atlantischen Ozean die unwirtlichen Färöer. Wie weit jenseits folgt dann erst Island!

Weit überseeisch dachte man sich auch Islands mythologisches Spiegelbild im Nibelungenliede: den Isenstein. Dort thronte der Sage nach die spröde Jungfrau Brünhild, den von Süden kommenden deutschen Helden kaum erreichbar. So unnahbar steht unserer Phantasie im allgemeinen noch heute Islands Land und Volk gegenüber. Das Mittelalter hindurch galt Island als die rätselhafte Thule im Eismeer. Wunder hatte von ihr schon zu Alexander des Großen Zeiten der griechische Seefahrer Pytheas von Marseille zu berichten gewußt. Noch heute, im grellen Tageslichte des Weltverkehrs, ist dieser geheimnisvolle Schleier über den äußersten Vorposten Europas im Ozean gebreitet.

Vorüber sind freilich die Zeiten, wo von den Isländern in Reiseberichten als verkümmerten Höhlenbewohnern gefabelt werden konnte. Niemand vermutet dort heute mehr eine Eskimokultur, wie sie in früheren Jahrhunderten Unverstand oder Böswilligkeit der Insel andichteten. Das hindern schon anziehende Reiseskizzen und gediegene Werke über Island, aus denen doch dieses oder jenes in unsere Tagesliteratur oder in unser Alltagsgespräch hindurchsickert. Immerhin ist, was der Gebildete von Island weiß, wenig. Man kennt im allgemeinen wohl kaum mehr als die Namen Reykjavik, Hekla und Geysir.

Vielleicht wundert sich bei uns mancher im stillen, daß es auf Island überhaupt eine Hauptstadt gibt. Wie viel weniger barbarisch als Reykjavik klänge schon die deutsche Form des Namens "Rauchbucht" auf unsern Karten. Sie malte uns die Lage der Stadt an der Südwestküste deo vulkanischen fjord



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Lavaformen im Ödadahraun (Missetatenwüste). Im Hintergrund die Ketildyngsa


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reichen Landes. Wir verfolgen mit Spannung jeden neuen Kraterausbruch von Vesuv oder Ätna, der uns aus Italien gemeldet wird. Wer bei uns würde sich mit einer Eruption des mächtigsten Eisvulkans Islands, der Hekla, dauernder in seiner Phantasie beschäftigen: Man hört so viel von dem Wunder der Vereinigten Staaten im Westen von Nordamerika , dem meilenweiten Yellowstone-Naturpark. Aus häufigen Abbildungen stehen seine heißen Springquellen unserer Anschauung näher als die Gegend Islands, wo der Große Geysir und seine zahlreichen kleineren Brüder springen.

Für populäre Auffassung stellt Island noch heute kaum mehr vor als eine kuriose Provinz von Dänemark. Wir finden es natürlich, daß Norwegen sich kürzlich selbständig machte. Denn wir lernten sein dem schwedischen entgegengesetztes Staatsgebilde allmählich kennen. Wir verstehen Finnlands Kampf um seine nationale Unabhängigkeit. Bekamen wir doch für seine dem russischen Wesen widerstrebende Kultur in letzter Zeit mehr Interesse. Die Wünsche Islands aber, sich von dem Königreich Dänemark verfassungsrechtlich zu emanzipieren, stoßen kaum irgendwo bei uns auf Verständnis. Wir wissen doch so wenig von der Insel. Wir haben nie einen Isländer gesehen. Gleichwohl führt schon das Wenige, was wir gelegentlich in Deutschland von Island hören, zu einer lebendigeren greifbareren Anschauung.

Man liest bei uns Pierre Loti. Aus den Islandfischern des französischen Romandichters leuchtet uns der sauber des isländischen Meeres in romantischer Pracht entgegen. In diesen Naturrahmen hat er wirksam die Nöte und Gefahren eingezeichnet, die seine Landsleute aus der Bretagne dort bei mühsamer Fischerei zu bestehen haben. Diese fremde Fischerflotille sagt uns so viel. Wir ahnen die Kämpfe und Mühen, die das isländische Volk jahrhundertelang mit dem fischespendenden Element an seiner Küste zu überwinden hatte. Mehr aber noch den harten Erwerbswettstreit mit den Ausländern die ihm diese einzige Ouelle der Wohlhabenheit von jeher streitig machten,

?luch bei uns erregten die kühnen Fahrten Frithjof Nansens



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großes Aufsehen. Nächst dem tüchtigen Forscher galt unsere Bewundrung der zähen Naturkraft in ihm, die vor keinem Ziel zurückschreckte, das seine Abenteuerlust sich einmal gesteckt hatte. Diese moderne Wikingergestalt lenkt den Blick zurück auf die auserlesene Schar norwegischer Vorfahren, die einst Island besiedelte. Wir erinnern uns, daß Isländer schon fünfhundert Jahre vor Kolumbus Amerika entdeckten. Grönland und Kanada erhielten damals isländische Kolonien. Gefürchtete Krieger waren jene ersten Eroberer, die auf stolzen Drachenschiffen das Meer durchkreuzten.

Richard Wagners Ring des Nibelungen hat sich die Welt erobert. Wir haben hier germanischen Sagenstoff, aber nicht in dem uns aus Hebbels Nibelungen geläufigen südgermanischen Gewande unseres deutschen Nationalepos. Man weiß, daß Wagners großen Musikstück die Edda voraussetzt. Die alten Göttermärchen und Heldensagen, an die man bei diesem ehrwürdig klingenden Namen denkt, sind auf Jsland entstanden der doch dort der Nachwelt bewahrt.

Wie wäre dies möglich gewesen, wenn jenes Volk barte- körperlicher Arbeit und weitreichender kriegerischer Kolonisation nicht auch in geistiger Kultur seinen Mann stand:

Das Bild der geheimnisvollen Thule leuchtet klarer und glänzender, je mehr man sich der älteren Zeit nähert.

Als Otto der Große in Deutschland herrschte, blühte auf Island ein heldenreicher Freistaat. Sein kriegerisches Bauernvolk stand noch ganz auf dem Boden altgermanischer Kultur. Zur seit der staufischen Raiser, gegen Ende dieser Republik, war der Höhepunkt der altisländischen Literatur. Damals wurden die Geschichten und Lieder des isländischen Heldenzeitalters für die Nachwelt aufgezeichnet.

Diese historische und literarische Vergangenheit läßt es begreiflich erscheinen, daß der heutige Isländer noch so stark auf sein Volkstum pocht. Sie machte aber auch Island für alle seiten zum heiligen Boden für alle Völker gemanischer ?Abstammung Der wanderlustige Deutsche darf beim Besuch der Insel gewiß sein, dort auch heute noch einen Hauch seiner eignen Vorväterzeit zu verspüren.



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In Reykjavik landeten vor tausend Jahren die ersten Ansiedler auf Island. Seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts wurde der in alter Zeit wenig bedeutsame Platz Hauptstadt. So bildet er auch jetzt wieder die Eingangspforte für den Besuch der Insel.

Ein Achtel der Bevölkerung stellt die Stadt mit ihren mehr als 10000 Bewohne dar. Doch könnten auf der Insel statt 80 000 bequem 800 000 Einwohner in wirtschaftlichem Wohlstand leben. Der Größe nach umfaßt Island ein Areal ungefähr wie Süddeutschland rechts des Rheines oder die preußischen Provinzen Brandenburg, Sachsen und Hannover. Für dies Gebiet ist Rerkjavik natürlicher Bildungsmittelpunkt wie im großen etwa Kopenhagen für die drei nordischen Königreiche. Von der Hauptstadt Dänemarks empfängt die isländische den modernen Kulturfirnis. Die volkstümliche Ursprünglichkeit hebt dieser nirgends auf.

Die Vorzüge der isländischen Landschaft treten dem Fremden gleich hier in großer Vollkommenheit entgegen. Von der prachtvollen Lage der Stadt gibt etwa das Bild der alten Hansestadt Bergen in Norwegen eine Vorstellung. Die Reede Reykjaviks, eine der schönsten Europas, zeigt im Schiffsverkehr den blühenden Handel mit dem Fischreichtum der Insel. Wikingerhafte Gestalten unter den Männern, die an Holland erinnernde Tracht der Frauen erfreuen das Auge. Auf das Innenland weisen die schmucken Holzhäuser mit üppigen Grasgarten und zur Reise aufgezäumte Trupps malerischer Inselpferde. Hohe eisbedeckte Berge winken aus der Ferne herüber, und die heißen Quellen der Umgegend beschäftigen betriebsame Wäscherinnen. Natur und Kunst arbeiten sich hier in die Hand. In der Stadt selbst ragt die Domkirche, und, vom Basalt der Insel gefügt, das stolze Parlamentsgebäude.

Das freundliche Städtebild Reykjaviks wiederholt sich im kleinen an den übrigen Hafenplätzen der Küste. Denn hier, wo der Fremde leichter hinkommt, nicht in dem schwer zugänglichen Innern, spielt sich ab, was uns an gewohnten europäischen Verkehr erinnert. Oft, taucht in den malerischen Küstenstädtchen ein inmitten aller Anspruchslosigkeit überraschender Kom



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fort auf. Ihn erwartet man nicht in einem Lande, das, dem Polarkreis nahe, schon arktischen Charakter tragen sollte.

Eine Umfahrt der Insel, durch regelmäßigen Verkehr der Küstendampfer leicht bewerkstelligt, gestattet in den wechselvollen Charakter der Küstenlandschaft einen guten Einblick. Oft gibt sie auch schon ein Vorgefühl von der großartigen Ode und Wildheit des Innenlandes.

Sandig und hafenarm ist die Südküste. Im Hintergrunde erheben sich die Stätten der furchtbarsten Naturgewalten, die Island sein Eigen nennt. Hier im Süden ragt der gewaltigste der vielen öden Gletscher, der eine Fläche wie das Großherzogtum Hessen bedeckt. Von den zahlreichen Bächen und Strömen, die ihm nach allen Seiten entquellen, trägt erden bezeichnenden Namen Vatnajökull, d. b. "Wasserferner" . Hier haben oft Vulkane mit ihren Ausbrüchen die Insel heimgesucht. Noch Ende vorigen Jahrhunderts wütete im Süden ein furchtbares Erdbeben . Hier ward das von plötzlichen Orkanen gepeitschte Meer von jeher der Schiffahrt gefährlich. Und doch war in alter Zeit auch das Südland der Insel der Schauplatz reichen und blühenden Volkslebens. Dort entstand Islands gelesenstes Buch, die Geschichte vom weisen Njal.

Anheimelnder als die unwirtliche Südküste wirkt der Osten. Zwar teilt er mit jener das Mißgeschick, daß eine polare Gegenströmung am Lande die wohltätige Wirkung des Golfstroms abschwächt. Dafür bringen aber die warmen Winde vom Atlantischen Ozean ein milderes Klima. Der Landschaftscharakter erinnert an die hier Island zunächst liegende norwegische Küste. Der Name des Hauptortes Seydisfiördur bedeutet etwa"Fischbucht" . Tief in einen Fjord eingebettet liegt die 1000 Bewohner zählende Stadt mit ihren weißen Holzhäusern malerisch an mächtiger Gebirgswand. Buntes Leben und Treiben herrscht hier. Dorschfang und Dorschhandel haben in der Stadt einen Mittelpunkt. Bis zu 1000 Metern steigen die Basaltberge, die meist jäh in die schmalen Fjorde des Ostlands abstürzen. Wo diese allmählich in breitere Buchten übergehen, kündigt sich schon der Charakter der Nordküste an.

In ihrem östlichen Teil überragt diese den Polarkreis, um sich



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Die Westmännerinseln, Südisland


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ihm dann aber erst an ihrem westlichen Ende im Kap Horn wieder zu nähern. Die lange Einsattlung dazwischen bleibt durchschnittlich einen Grad tiefer. Große Buchten und Fjorde steigen weit ins Land hinab. Von vulkanischen Schrecken blieb diese Gegend Islands am meisten verschont. Dafür setzt hier aber der Golfstrom ganz aus, und von Grönland her droht das furchtbare Polareis. Dies hält oft vier Monate lang und länger die ganze Küste in arktischem Bann.

Auch der Norden hat aber noch teil an Islands ungewöhnlich mildem Seeklima. In Reykjavik ist die Mitteltemperatur des kältesten Monats 3 Grad Kälte, die des wärmsten 12 Grad Wärme. In der Hauptstadt des Nordlandes bleibt die Durchschnittstemperatur nur etwa um 4 Grad hinter dem übrigen Island zurück. Hier haben zugereiste Ausländer größere Rührigkeit in die Bevölkerung gebracht. Waar pflegt in bescheidenem Umfange Baum- und Blumenzucht, Obst- und Gemüsebau, die auch dem Inland zugute kommen. Der Name des Hauptorts, der Saatgelände" bedeutet, weist auf alten Getreidebau. Im norwegischen Stil gebaut liegt Akureyri reizvoll am langen Eyjafjördur, d. h. Inselfjord. Es ist Hauptstapelplatz für den Fischhandel im Norden. In den breiten Buchten wird überall der Heringsfang von Isländern und den zahlreich zugereisten Norwegern voll eisigen Wettstreits betrieben.

Wirklich polaren Charakter bekommt die Gegend im westlichen Nordland. "Eisfjord" ist der Name der reichgezackten Halbinsel , die den Übergang zur Westküste bildet. Höher als das norwegische Nordkap leitet Kap Horn mit seinem jähen Absturz ins Meer diese neue Szenerie ein. Ungeheure Vogelschwärme beleben es. Unter waghalsiger Kletterarbeit werden die Tiere mit ihren Eiern dort erbeutet. Wale bevölkern das Meer. Zu ungeheuren Bergen ist der gefangene Klippfisch in den Hafenorten aufgetürmt. Niedriger als im Osten fallen die Basaltberge auch hier steil nach der Küste ab, aber die Schneegrenze liegt dafür viel tiefer. Dieser Teil Islands hat schon grönländisches Äusseren. Nirgends ist auch die Küste von Grönland und Amerika der isländischen so nahe. In alter seit war selbst diese eisigste Zone Islands



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wie der ganze Norden und Osten Schauplatz fesselnder Volkserzählungen.

Mit der Westküste beginnt der schönste und merkwürdigste Teil des "Nordischen Hellas". Hier entfaltet die Landschaft an Mannigfaltigkeit der Küstenbildung und im Wechsel wunderbarer Beleuchtung ihre höchsten Reize. Zu vergleichen sind etwa die schönsten Szenerien Norwegens oder Schottlands. Doch können sie sich nicht entfernt mit der großartigen Natur der isländischen Westküste messen.

Eine vielgegliederte Halbinsel trennt die beiden großen Buchten, die sonst die ganze Westküste ausfüllen, den Breitfjord und den Faxafjord. Auf jener Halbinsel ragt, weithin nach Süden, bis Reykjavik sichtbar, ein Gletschergebirge, der Tummelplatz isländischer Rübezahlmärchen.

Die Nordbucht, der Breitfjord, war in alter Zeit Zeuge des reichsten Volkslebens der Insel. Die milchweißen lachsreichen Gletscherströme zogen die ersten Ansiedler mächtig an. Hier herrschte blühender Wohlstand. Es gab Bauensitze, die an Pracht den Hallen norwegischer Könige wenig nachstanden.

Das landschaftliche Panorama wird durch das der Südbucht, des Saxafjords, übertroffen. Es ist wohl das schönste der Insel. Künstlerisch veranlagte Besucher haben den überwältigenden Eindruck geschildert, der sie ergriff, wenn sie von Süden kommend um Reykjanes, d. b. Rauchkap, herumbogen und nun diese Wunderwelt sich ihnen auftat. Meilenweit folgt Vorgebirge auf Vorgebirge, das eine in felsigen Bimsstein auslaufend, das andere in einer hohen Pyramide ewigen Schnees endigend, während in dem dazwischenliegenden Halbkreise die Gipfel hundert stolzer Berge emporsteigen.

Kaum einen Breitengrad auseinander liegen hier die Hauptstätten der ältesten und der jüngsten Kultur auf Jsland.

Un einer nördlichen Bucht, wenig landeinwärts, erhebt sich der uralte Bauernsitz "Borg". Hier, auf dem weit ins Land schauenden Felshügel, ruhte Egil, Islands namhaftester Dichter , von seinen Wikingerfahrten aus und schuf unsterbliche Lieder. Hier reifte ein Vierteljahrhundert später Islands größter Gelehrter Snorri seiner universellen Bildung entgegen.



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Noch jetzt liegt dort ein Gehört mit gleichem Namen. Noch heute finden sich Spuren der Örtlichkeiten, auf denen die Geschichte des alten Skalden sich abspielte und wo später sein gelehrter Nachfolger sie zu Pergament brachte.

Gegenwart und Vergangenheit knüpfen sich an diesem weihevollen Platz besonders eng für den Besucher zusammen. Leicht wird der Wunsch geweckt, ins Innere des Landes vorzudringen , das noch so viele andere Erinnerungsstätten bietet. Aus einem Geschlecht von Edelbauern waren jene beiden berühmtesten Männer Islands hervorgegangen. Man möchte die Nachkommen so kraftvoller Bauerngeschlechter gern in ihren jetzigen Wohnsitzen aufsuchen.

Dieser Wunsch wird verstärkt, wenn der Fremde dann zu der südlichen Halbinsel des Faxafjords kommt, wo Reykjavik in seiner herrlichen Bucht liegt. Denn die Hauptstadt ist wie für die Küstenfahrt auch für die Inlandreise der gegebene Ausgangspunkt.

Hier wird der Fremde durch die originelle altertümliche Reiseausrüstung ein Teil des Volkes selbst. Er gewinnt den Isländer lieb, der ihm unterwegs ein kundiger Führer, oft ein guter Freund wird. Bibliothek und Museum orientieren ihn im voraus vortrefflich über die Landeseigentümlichkeiten. Vielleicht trifft der Besucher in der Stadt auch einen der klugen und gelehrten Männer, die um die Natur oder Geschichte ihres Landes so vortrefflich Bescheid wissen. Dann gibt ihm ihr stets freundlich gespendeter Rat gleich einen angenehmen Vorgeschmack der Gastlichkeit, die seiner im Lande wartet.



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2 .Das neuisländische Volk

Wer das altisländische Volk aus dem neuisländischen kennen lernen will, muß dem Bauer im Innenlande näher treten. Noch heute lebt dieser in ähnlichen, wenn auch nicht so günstigen Verhältnissen wie in alter seit. Hier genießt der Fremde unmittelbar die Ursprünglichkeit isländischen Volkstums, das sich seit der Wikingerzeit wenig veränderte.

Im Inland gibt es keine modernen Beförderungsmittel wie an der Küste. Ohne Illusion darf der Reisende annehmen, daß er sich ungefähr in gleicher Weise von Ort zu Ort fortbewegt wie ein Isländer vor tausend Jahren. Der stete unentbehrliche Begleiter ist das kleine Inselpferd, das schon damals den Bewohner des Landes samt seiner Reiselast trug. Gegen die furchtbaren Sandstürme und Schneegestöber des Innern benutzt man noch heute die alten natürlichen oder der Natur des Ortes angepaßten Schutzhütten. Noch jetzt müssen die reißenden Gebirgsströme fast immer ohne Brücken durchschritten oder durchschwommen werden.

Auf den Anblick hochstämmigen Waldes oder wogender Getreidefelder muß der Besucher hier verzichten. Nur in werghafter Gestalt finden sich Bäume, und Saatlaud so gut wie gar nicht. Nächst den schneebedeckten Gletschern und den bis zu 1500 Metern aufsteigenden oft vulkanischen Berggipfeln gibt die Lava-Hochebene dem größtenteils öden Innern das Gepräge.

In den mannigfachsten Formen von hohen terrassenförmigen Klippen, Zacken und Säulen bis zu ausgedehnten unterirdischen Höhlen tritt sie auf. Melancholische Seen füllen oft die erloschenen Krater der Vulkane. Alte Badeanlagen sum Auffangen des Wassers der beißen Sprudel oder malerisch in die Lava gefügte Hürden für das Vieh machen die Vorzeit lebendig. Die schönste Staffage der großartigen, aber einförmigen Landschaft ist das silberwollige Schaf. Die Herden dieses genügsamen Tieres bilden jetzt wie früher den Wohlstand der Bauern. Das Einsammeln und die Schur der wild weidenden Schafe sind fröhliche Unterbrechungen des eintönigen ländlichen Lebens.



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Bisweilen wird diese unfruchtbare Stille durch grüne Gebirgstäler unterbrochen. Da liegen Ortschaften und Gehöfte. Aus Erde, mit Rasen an Dach und Wänden bekleidet, oder aus Holz erheben sich einfache Häuser. Dicht aneinandergebaut liegen sie wie Stuben mit gesonderten Dächern nebeneinander. Wo man diese Bauart trifft, da ist man noch in Altisland.

Wie früher umgibt solche Siedlungen ein Garten mit üppigem Graswuchs. Die grünen Almen auf dem Bergabhang hinter den Häusern beweidet im Sommer das Sennvieh. Die Heuernte ist hier dem Volke das, was in günstigeren Himmelsstrichen Korn- und Weinernte darstellt. In langen Zügen sieht man die kleinen Pferde dann gehen, mit Heu hoch beladen, das in diesen Gegenden besonders duftig ist. Nächst den weidenden Schafherden der nur spärlich bewachsenen Lavafelder ist dies, wie in alter Feit, das stimmungsvollste Bild isländischen Binnenlandes.

Am wohltuendsten berührt den Besucher bei der jetzigen Bevölkerung ihre große Gastlichkeit. Der Gebildete in den Städten wie auf dem Lande behandelt den Fremden wie ein geborener Gentleman. In den größeren ländlichen Gehöften, wo neben altertümlichen Kirchen sich auch einmal ein Steinhaus erhebt, steuern Prediger und Lehrer; Arzt oder Bezirksamtmann aus reicher Kenntnis des Landes gern zur Vertiefung der Reiseeindrücke bei.

Aber auch der einfache Mann auf dem Lande legt eine natürliche Herzlichkeit in den Empfang, die auf alte Volksgewohnheit weist. In abgelegenen Gegenden wird der Fremdling in naiver Weise oft geradezu als Hausgenosse betrachtet. Die Gastlichkeit wird schon in den ältesten Liedern Islands als selbstverständlich vorausgesetzt. Uns Deutschen ist dieser nordgermanische Zug schon von den übrigen skandinavischen Völkern her vertraut. Es mag natürlich sein, daß er sich auf der einsamen Insel noch besonders steigerte.

Die Gastlichkeit ist freibeitliebenden Völkern besonders eigen. Man denkt an ein anderes edles Volk, die Araber, das, wie die Isländer, auf eine große Vergangenheit zurückblickt. An dies erinnert auch sonst manches im Charakterbild des Isländers:



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sein vornehmes Selbstbewußtsein, sein natürlicher Verstand . Die Fragen, die auf Island an den Besucher gestellt werden, geschehen mit einer ruhigen Würde und erheben sich weit über die gewöhnliche Neugier, die bei jedem der Kultur fernen Volke natürlich ist. Hier sind sie fast immer auf wirklichen Wissensdrang gegründet. Dies in kleine und enge Lebensbedingungen eingespannte Völkchen wirtschaftet auch heute noch mit der reichen Phantasie und dem hohen Verstand seiner Vorfahren.

Nur konnten beide in den unglücklichen geschichtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, denen die Insel im Mittelalter bis in die Neuzeit ausgesetzt war, selten eine wirksame Betätigung M die Gegenwart finden. Dänische und andere Monopole lasteten auf dem Handel der Insel von je. Eine nennenswerte Industrie kam nie zur Entwicklung. Noch jetzt sind geschäftliche Betriebsamkeit und Erwerbssinn bei der Bevölkerung wenig ausgebildet. An der Küste haben Ausländer anregend eingewirkt. Das Innenland hat im alten Bauerntum verharrt. Aber es fehlt ibm die Rührigkeit, die durch die Aufregungen der Wikingerzeit in dieses hineingetragen wurde.

So ist der Sinn auch des einfachen Isländers vorwiegend nach Innen gewendet. Er ist ein Denker, Grübler oder Träumer. Die Durchschnittsbildung des Volkes ist sehr hoch. Einfache Männer nehmen oft an den Gesprächen Gebildeter, ja Gelehrter unbefangen teil, ohne daß man den Unterschied geistigen Niveaus gegenseitig stark empfände. Alle hängen mit der gleichen Liebe an der alten Vergangenheit ihrer Heimat. Jeder weiß wenigstens etwas davon. Die ersten vollständigeren Ausgaben altisländischer Erzählungen und Dichtungen wurden durch Subskription veranstaltet. Sehr hoch war die siffer aus einfachen Fischer- und Bauernkreisen, die sich verständnisvoll daran beteiligten.

Der wissenschaftliche und künstlerische Sinn der Vorfahren steckt dem Volke noch tief im Blute. Von jeher bildete das Lesen der alten Geschichten aus der Heimat seine Lieblingsbeschäftigung . Außer der isländischen Laienbibel, der Geschichte vom weisen Njal, gibt es noch etwa ein Dutzend alter Erzähungen,



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die allgemeiner bekannt sind. Jeder größere Distrikt nennt aus der Vorzeit eine geschriebene Heimatgeschichte sein Eigen. Oft wandert jetzt das gedruckte Exemplar von Haus zu Haus, bis das ganze Kirchspiel es gelesen hat.

Noch beliebter ist das Vorlesen, das die uralte Form des mündlichen Vortrags dieser Erzählungen heute vertritt. Nach Art unserer Spinnstuben sammelt sich an den langen Winterabenden ein aufmerksamer Kreis, der an den Lippen eines modernen Sagamannes hängt. Besonders Frauen und Mädchen werden durch die alten Geschichten hingerissen und bekunden durch Ausrufe des Staunens und der Freude ihre Teilnahme an der spannenden Erzählung. So ans Herz gewachsen ist dieser Brauch dem Volke, daß es früher an hohen kirchlichen Festtagen als größte Enthaltsamkeit galt, wenn man an diesen darauf verzichtete. So hoch war die Autorität dieser alten Volkserzählungen, daß jetzt Bauern die Lektüre moderner Novellen aus Island oder der Fremde ablehnen, weil nur ein einzelner sie gemacht habe.

An Beliebtheit mit dieser Volksunterhaltung kann sich nur der Vortrag der schönen Reimdichtungen messen, die seit alter Zeit auf Island im Schwange find. Neben Volksmärchen und Rittersagen des Mittelalters haben auch hier wieder die isländischen Heimatsgeschichten den reichsten Stoff beigesteuert. Auch diese Gedichte werden im häuslichen Kreis unter Musikbegleitung vorgetragen. Aber auch auf den ländlichen Tanzfesten spielen diese Lieder eine Rolle. Willkommen ist der wandernde Spielmann, der viele solcher Weisen kennt und sie schön vorzutragen weiß. Hochangesehen ist, wer sie durch eigene Zudichtung im alten Volksstil zu mehren versteht. Denn jeder Isländer , selbst der geringste, ist seiner Neigung nach ein Dichter. Viele sind es auch an Begabung.

Volksweisheit in Spruchform blüht hier seit den ältesten Zeiten. Das gewandte Improvisieren wird schon Knaben leicht, und bei erwachsenen Männern fliegt schnell im Wechselgespräch dichterische Anrede und Antwort in Reimen hin und her. Alltägliche Vorkommnisse, etwa der Auftrag, den der Herr seinem Knecht gibt, werden gern in Verse gekleidet. In witzigen gereimten



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Bonmots werden gelegentlich der Pfarrer, der Arzt oder der bäuerliche Nachbar verspottet. Auch Frauen und Mädchen sind in solchen Improvisationen gewandt, die freilich oft auf leere Silbenstechereien und nichtiges Reimgeklingel hinauslaufen.

Ganze Sangeswettkämpfe werden von besonders dichterisch geübten oder veranlagten Bauern ausgeführt. Es gilt, an festgesetzten Abenden dem Gegner mit der Kenntnis oder der Dichtung immer neuer Strophen aufzuwarten. Man überbietet sich bei diesen improvisierten Liederkämpfen durch die gewagtesten Sprach- und Reimspielereien. Oft währt es den ganzen Winter, bis einer dieser beiden bäuerischen Skalden als Sieger hervorgeht.

Im Binnenlande gibt es wohl keine Stätte, die durch großartige Natur und gewaltige geschichtliche Erinnerungen gleich ausgezeichnet wäre wie die Lavawildnis von Thingvellir. Sie liegt etwa einen Längengrad von Reykjavik landeinwärts. Nahe beim fischreichen größten Landsee der Insel breitet sich auf weiter Hochebene das alte Thingfeld aus.

Hier fand in der Zeit des alten Freistaates alljährlich im Hochsommer die große Volksversammlung statt, in der vierzehn Tage lang über das Wohl und Wehe des ganzen Volkes verhandelt wurde. Hier wurde aber auch bei der Tausendjahrfeier der Besiedelung Islands vom dänischen König die Bestimmung bestätigt, die eine neue freiheitliche Entwicklung des jetzigen Island einleitete. Darum ist dieser Platz dem modernen Isländer doppelt geweiht.

Auf dem Gesetzesfelsen der mächtigen von reißenden Gebirgswassern durchströmten Lavaschlucht stand einst der Oberste des Landes, der unten harrenden Volksmenge das Recht zu künden Hier im Gedächtnis des alten mächtigen Wikingerstaateg schärft sich der Drang nach einer politisch freien Zukunft, der in jüngster Zeit alt und jung auf Island beherrscht.

In der Ebene, wo sich einst zur Mittsommerzeit ganz Island in buntem Gewühl tummelte, spielte sich viel aus den alten Isländergeschichten ab, und diese gingen selbst dort später von Mund zu Mund. Hier darf der Neuisländer die Demütigungen



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Die Allmannagja-Schlucht bei Thingvellir. Westisland


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vergessen, die er unter norwegischer, dänischer und zeitweise englischer Herrschaft über sich ergehen lassen mußte. Hier kann er sich mit Stolz sagen, daß er sein literarisches Erbe gewahrt hat und auch heute eine Literatur besitzt, die einen hohen und eignen Geist atmet.

Die alten Geistesschätze der Heimat waren für die Isländer in den seiten ihrer politischen Ohnmacht und der Mißwirtschaft der Fremden auf der Insel ein nationaler Trost. Seit der Reformation setzte eine lebhafte gelehrte Beschäftigung auf Island mit ihnen ein. Besonders, als zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges die vornehmste Handschrift der Eddalieder wieder entdeckt wurde, die später für unser gesamtes Wissen vom germanischen Altertum von so hohem Wert wurde.

Neben der aufblühenden geistlichen Dichtung entstanden damals und später Lieder meist nach dem Muster und im Stil der alten Zeit. Die Islandgeschichten oder die "Sagas", wie sie mit einheimischem Namen hießen, feierten wie die alten Skaldenlieder in dieser Epigonendichtung nach Stoff und Form manche Auferstehung.

Mit der größeren politischen Selbständigkeit zog im 19. Jahrhundert auch ein neuer Geist in die Literatur ein. Übersetzungen aus den übrigen europäischen Literaturen mehrten sich. Literarische Strömungen, besonders aus den germanischen Ländern, wirkten auf die einheimische Dichtung ein. Von der Romantik Deutschlands bis auf Brandes' radikale Schule in den skandinavischen Ländern traten diese Einflüsse hervor. Die Novellendichtung kam in Aufschwung. Selbst das Drama im Stile Ibsens. Eigenartig aber entfaltete sich eine neuisländische Lyrik, die mit ihrem Empfindungs- und Gedankenreichtum eine Zierde des kleinen Landes bildet.

Hier tritt uns der moderne Isländer lebensvoll entgegen in seinem Träumen und Sehnen nach der Vergangenheit, in seinem Sinnen und Hoffen für die Zukunft.

Den Snäfellsjökull, d. h. Schneefeldferner, auf der großen Halbinsel im Westen besingt Steingrimur Thorsteinsson. Sein in des Himmels Blau ragender Eisgipfel ist ihm ein Wahrzeichen der Schönheit und Reinheit seines Vaterlandes. Der



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rübezahlähnliche Schutzgeist dort; der den furchtsamen Wanderer neckt, wird ihm zum Sinnbild des isländischen Volkes, das keine Schlaffheit duldet.

Den alten Feind des Landes, das furchtbare Polareis, stellt Matthias Jochumsson vorwurfsvoll zur Rede. Das tausend Eispfeile sendende Schreckgespenst des Nordens ruft ihm die Erinnerung wach an alle die feindlichen Gewalten, die Freiheit Kraft und Wissensmacht der Heimat so oft zu ersticken drohten. Aber er hofft. Der Silbergürtel des Seien blauen Meeres wird doch wieder schimmern, wie das isländische Volk sich immer wieder aus allen Gefahren zum Leben emporreckte.

Jonas Hallgrimsson steht sinnend auf dem ehrwürdigsten Schauplatz der Njalssaga. Er weiß sich eins in der Bewunderung der schönen Heimat mit Gunnar von Haldenende. Dieser sollte wegen eines Totschlages das Land verlassen. Das Drachenschiff liegt bereit. Doch als er den letzten Blick auf die herrliche Gegend tun will, vermag der Geächtete nicht zu scheiden. Er wird, ein Opfer seiner Vaterlandsliebe, von den rachedurstigen Feinden getötet. Und der Dichter preist in jenem Gunnar der Saga den Heldensinn seines Väter.

In einem andern Gedichte hält erin Thingvellir mit seinen Landsleuten Abrechnung. Er schildert die kraftvolle Rührigkeit der alten Zeit und fragt bekümmert, was seitdem in sechshundert Jahren aus der Isländer Arbeit geworden sei. Zornig ruft er, warum das Allthing nicht mehr hoch oben auf der Lava tage; weshalb des großen Snorri Zelt jetzt ein Stall sei und auf dem heiligen Gesetzesberg nur noch, Kindern und Krähen zur Lust; die blauen Beeren wüchsen. Noch wäre das Land liebenswert und schön wie einst, aber der Vorfahren Ruhm sei dahin und vergehen.

Einem andern Dichter erscheint, als er träumend am Großen Geysir liegt, der Sprudel wie ein Symbol des Vaterlandes. Mit Gedröhne schießt er empor im mächtigen Strahl, zuoberst jedoch biegt er jäh sich zurück und fällt kraftlos wieder in denselben Schlund hinab. Nicht als Strahl, der immer in dasselbe Gleis zurückfällt, sondern als Ouell eines mächtigen



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Stromes möchte dieser Poet sich in Zukunft sein Heimatland denken

Die Vaterlandsliebe des Isländers, die aus allen diesen Gedichten spricht, entspringt nicht der Unkenntnis der Fremde.

Die Isländer stellen in Kopenhagen eine ansehnliche Kolonie. Es ist ja der Ort, wo der Gebildete meist auf der Universität seine 'Ausbildung empfängt. Hier lagern auch aus der Zeit der unumschränkten Dänenherrschaft Islands seine Geistesschätze in den Handschriften auf den Bibliotheken. Wie gern der Isländer aus Kopenhagens verfeinerter Kultur in die urwüchsige Heimat zurückkehrt, malt stimmungsvoll sein Nationallied.

Ein großer Teil des Volkes ist wegen der kümmerlichen Lebensverhältnisse nach Amerika ausgewandert und hat besonders am Winnipegsee eine neue Heimat gefunden. Zäh wird auch dort der geistige Zusammenhang mit dem Mutterlande gewahrt . Isländische Sprache und Dichtung herrschen. Auch die Herzen und Gedanken jener amerikanischen Ansiedler sind, wie es in ihren Liedern heißt, "jenseits der wogenden See".

Der Adel der Seele, die Feinheit und Lebendigkeit der geistigen Anlage befähigt und berechtigt die Isländer; sich noch heute als ein jedem andern ebenbürtiges Mitglied der germanischen Völkerfamilie zu fühlen.

Vorwiegend germanische Dichter haben in die reiche Übersetzungs literatur der Isländer Aufnahme gefunden. Aus England sind von Shakespeare und Byron, aus Dänemark von Solberg und Ohlenschläger, aus Schweden von Bellman und Tegnér, aus Norwegen von Björnson und Ibsen Dichtungen übertragen. Von deutschen Dichtern sind Goethe, Schiller und Heine heimisch geworden. Kenner des Landes behaupten, daß die Isländer für deutsches Dichten und Denken großes Verständnis an den Tag legen.

Eigentümlich berührt es, in der isländischen Literatur ein prächtiges Gedicht über Bismarck anzutreffen. Der Dichter des Liedes rühmt ihn als die mächtige Kraft dieses Jahrhunderts, der sein großes Werk gans allein fürs ganze Geschlecht vollbracht habe. Er vergleicht ihn mit Asathor; wenn dieser nach Osten ins Riesenland fuhr, und mit dem König



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Heidrek aus der altisländischen Saga. Wie dieser mit dem aus dem Grabe eines alten Wikings geholten Schwerte durch wunderbare Taten dessen Geschlecht zu neuem Leben erweckte — dieses Sagenbild wendet er symbolisch auf den Schöpfer des Deutschen Reiches an.

Hier scheint neben der Bewunderung Bismarcks ähnlich die Sehnsucht nach einem großen Mann im eigenen Volk zusprechen wie in der Napoleonverehrung Goethes und Byrons.

Jon Sigurdsson, der diese Hoffnung der Isländer erfüllte, ist der Stolz und die Liebe des ganzen Volkes. Er, auf den die jetzige freiheitlichere Verfassung zurückgeht, lebt im Gedächtnis der Nation als Vaterlandsfreund für immer. Die Tausendjahrfeier aber, wo der wichtigste Schritt zu der heutigen unabhängigeren Stellung der Isländer geschah, lenkt ihren Blick immer wieder zurück auf die Anfänge ihres Volkstums.

Norweger waren es, die 874 zuerst auf der Insel zur Besiedelung landeten. Nur aus der Geschichte der skndinavischen Urheimat sind die Anfänge des isländischen Volkes zu verstehen.



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3. Islands Skadinavische Heimat

Das norwegische Volk hatte schon drei Stufen seiner Entwicklung hinter sich, als die Scharen körperlich und geistig tüchtiger Männer sich von ihm loslösten, die Island seine erste und einzige Bevölkerung gaben. Von allen dreien nahmen die Isländer bedeutsame Kulturelemente mit in die neue Heimat, um sie dort weiter auszubilden.

Nur karg sind und leicht ins Mythische verlieren sich die Berichte über die nordische Urzeit. Die ältesten Runeninschriften zeigen, daß die skandinavischen Völker damals noch eine Sprache hatten. Sie stand an Bildung und Wohlklang der der Goten nahe, die nach alten Stammsagen den Ursprung ihres Geschlechtes aus dem skandinavischen Norden herleiteten. In ihr lautete der Name für den ältesten Gott Thor noch ähnlich wie unser"Donnerer".

An der großen germanischen Völkerwanderung nahm außer einigen Dänen scharen kein Stamm des nordischen Urvolks teil. Länger als die Südgermanen verhärten die Skandinavier in jenem Urzustande, den wir aus Tacitus' Germania kennen. Doch sind Götter- und Heldenlieder damals wie bei den Goten wohl bei allen Skandinaviern gesungen worden. Schon auf den Denksprüchen der alten Grabmäler erscheint in Runenschrift die stabreimende Strophe, in der wir die ältesten Eddalieder kennen. Nur aus Norwegen, nicht aus Schweden oder Dänemark aber sind solche erhalten.

Dem alten Heldentum der Völkerwanderung standen am nächsten die Dänen. Noch für spätere Zeiten galt König Rolf Krake als der herrlichste Heerfürst des nordischen Altertums. Seine sagenumwobene Königsburg lag auf der Insel Seeland südwestlich von Röskilde. Hier auf Lejre thront der Fürst, umgeben von seinen Recken, die in blutigem Verzweiflungskampf ihren Herrn gegen furchtbare Übermacht verteidigen und seinen Tod rächen. Auch in den Gedichten der deutschen Völkerwanderung ist Mannentreue nicht schöner geschildert. Die Kämpen hadern mit Odin, der den Tod ihres Herrn bestimmt hat. Hier in Dänemark hat dieser südgermanische Gott vor Thor zuerst seinen Platz erhalten.



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Auch bei den Schweden trat früh ein starkes Königtum in den Mittelpunkt des Volkes. Es leitete seinen Ursprung vom Gotte Frey her; der hier noch vor Thor und Odin verehrt wurde. Es war natürlich, daß in der fuchtbaren Ebene von Upland diesem Gott des Erntesegens und der Wohlhabenheit besonders geopfert ward. In Upsala stand das uralte Heiligtum. Das Göttergeschlecht der Vanen, dem Frey angehörte, wurde erst später im Norden in das ältere der Asen aufgenommen, Als Handelsgottheiten waren jene zuerst in Schweden heimisch, Denn von dort aus wurde neben kriegerischen Fahrten zuerst ein Handelsverkehr über die Ostsee eröffnet: das Vorspiel der nordischen Wikingerzüge.

Länger als Dänen und Schweden wahrten die Norweger den Urzustand des nordischen Volkes. Hier fehlte der nachbarliche Einfluß kriegerisch unruhiger Völker wie in Dänemark. Hier gab es kein großes fruchtbares Flachland, das es den Königen erleichterte, das Volk einheitlich zusammen zu halten. Hohe Gebirge schieden die einzelnen Stämme voneinander. Es gab kein Königtum für das ganze Land. Nur Gaufürsten herrschten über die einzelnen Bezirke. Der kriegerische Bauer war selbständig und führte dasselbe Leben von Urväterzeit her. Der alte Donnergott blieb hier Landesgottheit und galt als Beschützer des Bauerntums. Hier sang man von der Fahrt des Gottes zu den Riesen, um den geraubten Blitzhammer wiederzuholen

Das Leben und die Lebensanschauungen dieses norwegischen Bauerntums spiegelt ein altes Spruchgedicht wieder. Nach diesem Eddalied kann man sich noch eine gute Vorstellung von dem nordischen Volkstume machen, wie es in der Vorzeit war. Überraschend ähnlich ist das dichterische Gemälde dem, das die Broschüre des alten Römers von den Südgermanen zeichnete.

Das alte Spruchgedicht schildert den Mann in Tat und Rat, in der Fremde und daheim. Nie soll der Mann ohne Waffen sein, nie stall er es an Klugheit auf dem Thing fehlen lassen. Als Gast wird ihm Takt und Vorsicht, als Wirt Freigebigkeit empfohlen. Daheim gilt Fleiß und Wohlstand als das höchste Gut des Mannes, und der Besitzlose wird bedauert.



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Streng und herb ist die Ethik, die aus den Sprüchen hervorleuchtet . In immer neuen Wendungen wird die Freundschaft empfohlen, wird Treue gegen die Sippe eingeschärft. Aber ebenso stark und unerbittlich soll der Haß gegen den Feind sein. Auch den Freund des Feindes soll man nicht schonen. Hier lebt der Grundgedanke der germanischen Blutrache.

Hochgeschätzt ist das Leben. Jeder, der lebt, selbst wenn er arm und gebrechlich ist, ist besser daran als der Tote. Auf das Diesseits ist das Leben gestellt. Zur bleichen Hcl will niemand hinunter . Der lebt weiter, der im Mund der Leute einen guten Nachruhm hinterläßt. Das Urteil über tüchtige Taten überdauert den Tod. Darin gipfelt des Dichters Weisheit.

Aus dem Schlußwort des Spruchgedichtes spricht vielleicht schon die Reflektion einer späteren Zeit. Die vorgetragene Lebensanschauung aber ist in dem Wesen dieses kraftvollen Bauerntums fest begründet.

In ihm lebt der gleiche demokratische Zug, der auch bei den Südgermanen waltete. Nur eine Aristokratie der Tüchtigkeit und des Geistes wurde anerkannt. Bei den Norwegern ist der Unterschied zwischen Bauern und Edlen geringer gewesen als in den andern skandinavischen Ländern. Nur dies Edelbauerntum konnte später den Stamm hergeben für die isländischen Auswanderer. Es war die beste Kraft germanischen Altertums, die, ermuntert durch den neuen jungfräulichen Boden, auf Island noch einmal die Lebensformen der ältesten Zeit auffrischte.

Ungefähr zur Zeit Karls des Großen traten die drei skndinavischen Länder aus ihrer völkischen Abgeschlossenheit heraus. Übervölkerung und Abenteuerlust trieben die vordem seßhafte Bevölkerung auf die Schiffe. Aus den kriegerischen Bauern unter einheimischen Gaufürsten oder Königen wird das bäurische Kriegervolk, das sich unter der stolzen Losung:"Wir sind alle gleich" zum Wikingertum zusammenfindet. Könige, Edle und Seie Männer bilden auf dem Meere einen neuen Staat. Das plündernde Wikingerschiff und das verkehrfördernde Handelsschiff dieser nordischen Seefahrer erscheint überall. Kriegerische Vorstöße werden durch friedliche Kulturarbeit in den eroberten



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Ländern abgelöst. In der Ferne schweißen sich jene Seehelden bald zerstörend, bald aufbauend ein neues Volkstum.

Zunächst wurde der Osten von den unruhigen nordischen Scharen heimgesucht. Die Schweden hatten schon in den ältesten Zeiten handeltreibend auf den Meeren geschweift. Jetzt führte ihr massenweises Vordringen zu großen Wikingerzügen. Die Küsten Rußlands wurden von ihnen beunruhigt; und die großen Ströme fuhren sie flußaufwärts, teils heerend, teils zu friedlichem Handelsverkehr. Nowgorod war damals Stapelplatz für den Handel nach dem Süden. Der Schwedenhäuptling Rurik war, von den Slawen herbeigerufen, Herrscher im Lande geworden. Um die Zeit, da die ersten Ansiedler zahlreich nach Island strömten, ward Kjew die Hauptstadt des russischen Normannenreiches.

Als die Besiedelung Islands ihrem Ende nahte, blühte längst auch eine dänische Wikingburg im heutigen Pommern, die von dort aus gleichfalls die Länder an der Ostsee kolonisierte.

Der Hauptstrom der dänischen Wikinger aber ergoß sich nach Westen. Am Beginn des neunten Jahrhunderts waren sie die gefürchtetsten Seeräuber unter den Nordländern. Zuerst suchten sie die Scheldemündungen heim. Dann plünderten sie die Küsten Frankreichs. Bekannt sind die langen und erbitterten Fehden, die die westfränkischen Karolinger mit diesen Normannen zu bestehen hatten. Aus dem deutschen Liede auf einen König Ludwig, dem es gelang, einen glänzenden Sieg über die sonst unüberwindlichen Feinde zu erfechten, klingt der furchtbare Schrecken heraus, den sie einflößten. Aus den Taten dieser Wikinger leuchtet die doppelte Belagerung von Paris besonders hervor. um die Mitte der Besiedelungszeit Islands, gegen 900, begannen die Dänen in der Normandie festen Fuß zu fassen. So entsteht wie in Rußland eine schwedische, in Frankreich eine dänische Wikingerkolonie.

Kein anderer Seekönig ist damals so berühmt geworden wie Ragnar Lodenhose. Auf diesen Dänenfürsten und seine Söhne ist in der Folgezeit der ganze Ruhm jener kraftvollen Wikingerzeit gehäuft. Sein Geschlecht brachte man später mit den alten



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Das Tal Hjaltadalur in Nordisland


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Wälsungen, Sigurd und seiner Sippe in Zusammenhang. In der isländischen Saga leben seine Taten, an der Loire in Frankreich und an der Themse in England.

Auch in England spricht sich der gewaltige Schrecken, den man vor den Normannenscharen empfand, im Liede aus. Als ungeheures Ereignis wurde der Sieg des angelsächsischen Königs Athelstan über die gefürchteten Feinde gepriesen.

England, Schottland, Irland und die kleineren britischen Inseln waren der Schauplatz, wo die Dänen auf ihren Zügen mit den Norwegern zusammentrafen. Diese waren, nach Süden vordringend, am spätesten in die neue Bewegung eingetreten .

Meist einte Dänen und Norweger gemeinsamer Kampf gegen die eingesessene angelsächsische oder keltische Bevölkerung. Häufig aber traten auch die von Frankreich aus die britische Inselwelt heimsuchenden Dänen den von Norden andrängenden Norwegerscharen entgegen. Aber selbst aus erbitterten Fehden untereinander gingen doch wieder neue Kolonien hervor. Nordengland blieb trotz der Nähe der Norweger, die Orkkneys und Shetlandsinseln, die Hebriden und Nordschottland besiedelten, doch vorwiegend Domäne der dänischen Eroberung. Noch hundert Jahre später, als Knut der Große von Dänemark sich zum Herrscher Englands aufwarf, war Northumberland der strategische Mittelpunkt der Dänen.

Der Lieblingsplatz der Norweger dagegen war und blieb Irland. Was York in Northumberland den Dänen war, wurde für die Norweger Dublin auf der Grünen Insel. Um die seit, da Island besiedelt wurde, ist hier wie dort eine Zeit der Ruhe und des Friedens angebrochen.

In Northumberland verteilt das dänische Heer sich das Land, und eine stille Ackerbautätigkeit beginnt. Ebenso richten sich im unterworfenen Irland die Norweger häuslich ein.

Auch hier hielten die Norweger an ihrem staatlichen Sondergepräge fest. Ähnlich den alten Gaufürsten daheim herrschten auf Irland eine Reihe kleiner Fürsten an der Rüste. Auch die Norweger traten nach Wikingerart mit der unterworfenen Bevölkerung in Handelsbeziehungen. Aber auch in geistiger Beziehung



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wirkten die phantasievollen Iren auf die Eroberer ein. Eine eigenartige bildnerische Ornamentik ging damals von ihnen auf die Norweger über. In den älteren Eddaliedern von Göttern und Helden findet sich bisweilen irischer Einfluß. Und die charakteristische Dichtung der Wikingerzeit; das Skaldentum , ist dort vielleicht sogar entstanden.

Nur bei den Norwegern haben Eddadichtung und Skaldenpoesie vor Islands Besiedelung schöne Blüten gezeitigt. Hier tritt ein anderer Ton auf als in den alten Sprüchen der Urheimat. Auch die Wikinger haben ihren Seestaat demokratisch geordnet. Auch hier sind kriegerische Tüchtigkeit und geistige Regsamkeit die Kennzeichen höheren Adels. Aber das Abenteuertum schafft doch zu dem seßhaften Bauerntum einen scharfen Gegensatz. Erst jetzt wird Odin der Schutzgott dieser privilegierten Heldenschar und tritt dem Bauerngotte Thor entgegen. Nicht zu Hcl, sondern nach Walhall hofft der wagemutige Wiking zu kommen. Ein schönes Leben winkt dort. "Lachend werde ich sterben", singt Ragnar Lodenhose.

Man muß sich für die sechzig Jahre, in denen Island besiedelt wurde, die Karte Europas gans anders vorstellen als heute. Der nordische Besitz umfaßte damals das gesamte Ostseegebiet und ging weit ins Innere Rußlands. Nordfrankreich und fast das ganze Großbritannien und Irland waren zu jener Zeit in Wikingerhänden. Auf der ganzen Linie dieser nordischen Staatengründungen erfolgten Kulturmischungen und Meinungsaustausch mancher Art.

So ist es natürlich, daß schließlich auch das ferne Island als Siedelungsgebiet in Betracht kam. Und auch den neuen Ansiedlern steckte die Abenteuerlust der alten Heimat im Blute. So seßhaft die isländischen Edelbauern auf ihrer Insel wurden, sie schweiften gern auf Wikingfahrt herum in die andern Länder.

Aber Island war damals, als das alte Bauerntum und das jüngere Wikingertum in Norwegen blühte, ein so gut wie unbekanntes Land.

Vor den norwegischen "Laudnahmemännern" waren nur wenige dort gewesen. Die ersten flüchtigen Besucher waren irische



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Mönche, die dort in Weltabgeschiedenheit lebten. Sie flohen erschreckt, als später die neuen Ansiedler kamen. Sie hatten ja eigentlich nicht kolonisieren, sondern nur ungestört ihren frommen Bußübungen obliegen wollen. Von ihnen hatten die ersten norwegischen Ansiedler keine Kunde gehabt.

Die wenigen Wikinger, die sich vorher nach der Insel verirrt hatten, brachten von dort abenteuerliche und widerspruchsvolle Nachrichten. Man fabelte wohl von der Fruchtbarkeit des neuen Landes und verstieg sich sogar zu der Behauptung, daß dort jeder Halm von Butter triefe. Aber die Namen, die diese ersten Besucher der Insel gaben, warm nicht verlockend. "Schneeland" nannte sie der eine, der einen furchtbaren Schneesturm dort erlebte. Ein anderer gab ihr wegen des vielen Treibeises, das er dort vorfand, den jetzigen Namen"Eisland". Schwerlich hätten so viele edle Bauern ohne einen bestimmten Anlaß die altererbte Scholle der Väter aufgegeben, um in einem völlig unbebauten Lande ein neues Leben zu beginnen. So viele Kulturländer standen den norwegischen Wikingern offen. Kaum wären sie in so großen Scharen in das kulturlose neue Gebiet gezogen, hätte sie nicht die veränderte Lage des Vaterlandes dazu gezwungen.

Der Anlaß zu der massenhaften Besiedlung Islands durch die Norweger lag in der 'Aufrichtung der Alleinherrschaft Harald Haarschöns im Jahre 872.

Dieser aus dem Süden stammende norwegische Kleinfürst war durch eine Tochter des Landes, die er wegen ihrer Schönheit als Gemahlin haben wollte, zur Einigung Norwegens aufgestachelt . Er hatte geschworen, sein Haar nicht zu kämmen, noch zu scheren, bis er dies Königswerk vollbracht habe. Und er hielt den Eid. Nach zehn Jahren war aus dem politisch so zerspaltenen Lande ein fester Staat geworden. Der König kämmte und schor sich und erhielt jetzt seinen geschichtlichen Namen "Haarschön".

Überall bis nach Helgeland im hohen Norden wurden alle Stammeshäuptlinge aus dem Lande vertrieben oder unterworfen . Den Abschluß der blutigen Kämpfe bildete die gewaltige Seeschlacht im Bocksfjord bei Stavanger. Mut diesem Sieg



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Haralds war der letzte Widerstand gebrochen. Wer ohne Gefahr im Lande bleiben wollte, mußte freiwillig zum Königshof wallfahrten, um in des Herrschers Dienste zu treten. Aber viele edle Fürsten und Bauern blieben Haralds Lieblingsresidenz, Lade beim heutigen Drontheim, fern. Ein Königtum, wie es die Schweden und Dänen seit lange hatten, war gerade den Besten der alten Adels- und Bauerngeschlechter von jeher zuwider gewesen.

Noch straffer aber war die neue Königsgewalt, die Harald jetzt aufstellte. Sein Herrscherideal war wie das König Alfred des Großen von England der große deutsche Kaiser Karl.

Aller Besitz im Lande wurde Eigentum des Königs. Die Bauern empfingen es dann wiederum von diesem gegen Abgabe als Lehen. Holzfäller, Salzsieder, Fischer und Jäger sollten ebenso ihre Gerechtsame vom König empfängern Gar manches Eigentum wurde als königliches Kronlehen eingezogen und von Haralds Beamten verwaltet. Die Kleinfürsten und Gauhäuptlinge , die sich dem Könige gefügt hatten, bestätigte dieser gegen Abgaben in ihrer Würde und in ihrem Eigentum. Die erledigten Stellen erhielten des Königs Freunde. Unterkönige und Landesfürsten wurden auch des Herrschers Söhne aus seinen zahlreichen Verbindungen mit Frauen.

Die Härte und Strenge dieses neuen Lehnsstaates wurde einigermaßen gemildert durch den Glanz, den der junge Königshof ausstrahlte. Der rücksichtslose, ja grausame Herrscher war gegen seine Anhänger von bezaubernder Liebenswürdigkeit. Wer ihm Eindruck machte und gefiel, hatte Reichtum und hohe Ehren zu erwarten. Der König zog, wie Karl der Große in Deutschland, im Lande umher, hielt auf seinen zahlreichen Besitzungen Hof und umgab sich mit einem prächtigen Gefolge. Die Träger der in der Wikingerzeit aufgeblühten Skaldendichtung wurden die vornehmsten Hofleute und erhielten die Ehrenplätze an des Königs Tafel. Prächtige Preislieder erklangen sum Ruhme des Herrschers in der Halle. Die glanzvolle Persönlichkeit Haralds trug viel dazu bei, die Masse des Volkes über die verlorene Freiheit und Selbständigkeit deo einzelnen hinwegzutäuschen.



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Die Liebe zu dem Einiger Norwegens und der Haß gegen den Unterdrücker des Landes griffen oft in die besten Familien trennend ein. Gerade weil diesen gegenüber der Herrscher mit so kräftiger Initiative vorging, war keine laue und abwartende Stellungnahme den neuen Verhältnissen gegenüber möglich. Echte altgermanische Bilder sind es, wenn wir im Anfang der alten Sagas die waffenfähigen Mitglieder der vornehmen Familien sich beraten sehen, was zu tun sei.

Diese schicksalsschweren Vorgänge des Haraldischen Zeitalters haben tief in der Erinnerung der Isländer gehaftet. Gerne werden sie als Eingang der eigentlichen Islanderzählung verwendet. Die Form dieser Geschichten, eine schlichte, klare und fesselnde Prosa, haben die Isländer nicht ,wie Eddadichtung und Skaldenpoesie aus der alten Heimat mit hinübergenommen . Die Saga ist erst auf Island entstanden. In ihr spielt auch die Persönlichkeit Harald Haarschöns eine große Rolle.

Die Versuche des Königs, die Besiedelung Islands zu hindern, oder später, die Freiheit des neuentstehenden Volkes anzutasten, mißglückten. Und doch war sein Einfluß auch später noch zu spüren. Bedeutet Haralds Gewaltakt die Geburt des isländischen Volkes, so wurden Einrichtungen des norwegischen Staates doch später vorbildlich bei dem Ausbau des isländischen Freistaates.



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4. Islands Besiedelung

Landnama -diesen klangvollen Namen führt das alte isländische Buch aus dem 13, Jahrhundert, das die Besiedelung der Insel erzählt. Landnahmezeit heißen die sechzig Jahre, in denen sich jene vollzog. Die vierhundert Häuptlinge, von denen die Besiedelung geleitet wurde, nannte man Landnahmemänner .

Den Grundstock des Besiedelungsbuches bilden die Reihen der alten Geschlechter, die lange vor ihrer schriftlichen Aufzeichnung im Gedächtnis des Volkes hafteten. Schon Ari, der Vater der isländischen Geschichtsschreibung, baute um 1130 auf jener Überlieferung. Sein Isländerbüchlein beginnt mit der Besiedelung der Insel.

Zur Zeit, da die Landnama entstand, wurden die ehrwürdigen Genealogien besonders hochgehalten. Verknüpften sie doch manches berühmte Geschlecht des untergehenden Freistaates mit den großen Persönlichkeiten der Vorzeit. Snorri, der berühmteste Mann jener Epoche, war stolz darauf, vom Skalden Egil, einem Sohn des Landnahmemannes Skallagrim, abzustammen .

Das Besiedelungsbuch ist keine trockene Chronik. Es entwirft lebensvolle Porträts von den führenden Männern. Anekdotenhafte Berichte orientieren über ihre Schicksale in der alten und neuen Heimat. Das damalige Island steigt lebendig vor uns auf. Oft berührt sich die Darstellung mit den Isländersagas, ja auch von Urbeginn an berichten. Dann erscheinen in der epischen Erzählung auch Skaldenstrophen.

Inhaltlich herrscht eine nüchterne Grundstimmung. Die Wahrheit der Erzählung ist die Hauptsache.

Wir hören von dem neuen Land mit reicherem Waldwuchs als jetzt, von seinen fischreichen Gletscherströmen, von den Verheerungen des Vulkanfeuers und erhalten den Eindruck: so haben die Landnahmemänner es wirklich gesehen. Wir ersahren aus dem Leben der Ansiedler so intime und nebensächliche Züge, daß wir uns sagen: nur die Gewissenhaftigkeit des Berichterstatters erklärt ihre Einfügung in die Erzählung.



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Die Segelfahrt von dem mittleren Norwegen nach dem isländischen Nordkap wird auf sieben, die vom Westen Islands nach Grönland auf vier Tagereisen angegeben. Solche Kursberichte, die noch heute stimmen, stehen vertrauenerweckend am Anfang.

Trotzdem fehlt es der Darstellung nicht an wunderbaren und märchenhaften Zügen, die an die Edda und die Sagas erinnern. Träume haben für die Erlebnisse und Erfolge der Ansiedler große Bedeutung und wirken auf ihre Maßnahmen bestimmend ein. Weissagungen und Orakel der heidnischen Götter oder Sommer Christen gehen oft dem Entschluß zur Siedelung voran. Zaubern findet sich in mancherlei Gestalt. Katastrophen in der Natur werden auf Besprechungen von Unholden zurückgeführt. Es treten finnische Heren auf, die den Reisenden mit einem Talisman für die neue Heimat versehen, oder kampfwütige Berserker, die sich in allerhand Tiergestalt verwandeln können.

Immer aber sind Wahrheit und Dichtung geschickt verwoben und bereiten eine behagliche Stimmung.

Zwei Gestalten treten am Eingang der Landnama scharf hervor , die in der isländischen Literatur auch sonst eine große Rolle spielen: Ingolf und Skallagrim. Jener hat den Ruhm als erster Entdecker und steht am Anfang aller isländischen Geschichtsschreibung. Skallagrim war ein Musterlandwirt der Besiedelung und wird in der Saga seines Sohnes Egil mit noch größerem Glanz umgeben.

Beide müssen Norwegen verlassen, Ingolf vor dem ränkevollen Jarl Ätti, Skallagrim vor Harald Haarschön. Beide verlieren ihren Reisegefährten, jener seinen Freund Hjörleif, dieser seinen Vater Kveldulf. Und beide finden erst nach langem Suchen die Stelle, wo sie nach dem Willen der Götter landen sollen. Bei Ingolf ist es der Platz, wo die im Anblick des Landes aufs Meer geworfenen Säulen des heimatlichen Hallenhochsitzes ans Ufer geschwemmt wurden. Bei Skallagrim weist der ebenso über Bord geworfene Sarg des unterwegs gestorbenen Vaters den Weg. So wurden die Sitze von Reykjavik und Borg gegründet.



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Sehr verschieden sind die weiteren Schicksale der beiden Landnahmemänner. Ingolfs Besitznahme ist mit Hader und Blutvergießen verbunden. Skallagrims Kolonisation geht in Ruhe und Frieden vor sich.

Ingolf muß den Tod des Freundes rächen. Seine vom Wikingzug aus Irland mitgebrachten Sklaven haben jenen getötet, weil sie die mühsame Feldarbeit auf dem neuen Gebiet nicht leisten wollen. Erst nachdem er jene auf den Westmännerinseln, wohin sie flüchteten, getötet hat, kann Ingolf sich das erste Gehöft am Faxafjord errichten.

Irische Sklaven, öfter edler Abkunft, sind häufig im Gefolge der Landnahmemänner, und Empörungen dieser Knechte finden sich auch sonst. Im allgemeinen aber war das Verhältnis von Herr und Diener schon in jenen ersten Zeiten gut. Es war schon damals nicht selten, daß treue Sklaven freigelassen und als Verwalter der Nebengüter ihres Herrn eingesetzt, ja selbst mit eigenem Land ausgestattet wurden.

Auch Skallagrim hält wie Ingolfs Freund Hjörleif die Knechte zur Saatbestellung an und neunt sogar eines seiner Gehöfte "Acker" . Bei ihm aber herrscht Fügsamkeit und Gehorsam. Die Untergebenen sind seine Landsleute, die er sich aus der Gegend nördlich vom Sognefjord mitgebracht hat. Mit scharfem Blick erspäht Skallagrim die Vorteile, die das neue Land bietet. Seine Leute müssen mit ihm die fischreichen Flüsse der ganzen Gegend absuchen. Er läßt das Vieh auf den Sennen im Freien weiden, weil es dann um so gemästeter heimkehrt. Er findet die Stellen, wo das meiste Treibholz angeschwemmt wird, um es für Haus- und Schiffbau zu verwenden. Er errichtet sich endlich selbst eine Schmiede und geht allen mit tüchtiger Hausarbeit voran. Sein Herrensitz Borg wird berühmt.

Skallagrim und Ingolf haben es noch leicht, Land abzugeben, da ihr Besitz fast den ganzen Faxafjord umfaßt. Zuerst werden die mitgekommenen Hausgenossen mit Landschenkungen bedacht, dann aber auch zugereiste Freunde und Verwandte-Noch waren nicht wie in den späteren Jahren alle guten Plätze zwischen der See und dem Hochgebirge im Innern des Landes besetzt.



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Am Búlandshöfdi. Westisland


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Wie Ingolf und Skallagrim nahmen nun allmählich mehr Ansiedler von allen günstigen Stellen an der Küste Besitz. Wer nichts Geeignetes mehr vorfand, kaufte oft lieber, um nicht durch Schenkung eine Verpflichtung gegen den früheren Besitzer auf sich zu nehmen. Mit Feuer umging man das in Aussicht genommene Land bei der Besitznahme, um es für den Gebrauch zu heiligen,

Wohlhabende Norweger waren es gewöhnlich, die nach Island überzusiedeln sich entschlossen. Sie kamen fast alle auf eigenem Schiff mit zahlreichen Hausgenossen, mit Vieh und beweglicher Habe. Unter zebn Begleitern hatte kaum einer der Landnahmemänner, den mächtigsten aber folgten wohl Scharen von gegen Hundert. Groß muß schon damals die Bevölkerung gewesen sein, wenn zu einem einzigen Gelage einmal 1200 Mann geladen werden konnten. Sie mag gegen Ende der Besiedelungszeit gut ein halbes Hunderttausend betragen haben.

Unter diesen Männern gab es viele, die auch in dem neuen Lande an Besitz einem norwegischen Kleinfürsten oder Edelbauern gleichkamen. Das Wikingertum schaffte Gelegenheit, im Auslande durch Kriegszüge oder von Fürsten empfangene Geschenke den heimatlichen Reichtum zu mehren. Wohl ward das wilde Wikingerblut auch hie und da bei der Landnahme gefährlich. Durch Zweikampf suchte ein neuer Siedler sich gelegentlich Land von dem Besitzer, den er vorfand, zu ertrotzen . Doch überwog einträchtiges Zusammenwirken und Hilfsbereitschaft. Eine reiche Siedlerin aus Helgeland lud, vor ihrem Hause sitzend, jeden Bedürftigen zu Gast, eine fischereikundige Landsmännin von ihr verriet uneigennützig die besten Fangplätze.

Aus dem Norden Norwegens war gleich diesen sympathischen Frauen noch so manche gute Kraft nach Island gekommen. Indes nicht Romsdal oder Drontheim, auch nicht die nach Schweden zu gelegenen Landschaften stellten den reichsten Zuwachs. Hauptsächlich die Landschaften um den Sogne- und Hardangersiord und dann Südnorwegen spendeten die Besiedler. Endlich die britischen Inseln. Denn dahin waren manche Norweger vor König Harald geflüchtet. Sie traten



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von dort; oft durch irische Kultur beeinflußt, die Reise nach Island an. Iren allein haben, schon durch häufige Ehen mit Norwegern, außer diesen zur Bildung der isländischen Volkheit beigetragen. Mit der irischen Blutmischung gingen aber auch geistige Züge auf die Norweger über. So das Fabuliergeschick der Iren, das in der isländischen Saga lebt.

Wo die Saga am reichsten blüht, da weiß auch das Landnahmebuch am interessantesten zu berichten. Nicht nach den norwegischen Bezirken, denen sie entstammen, sondern nach den Gegenden auf Island, die sie besiedeln, sind die Landnahmemänner geordnet. Der wohl am ersten vollbesetzte Osten und der wegen seiner unwirtlichen Küste am spätesten ganz besiedelte Süden treten in der Schilderung zurück. Der Nachdruck liegt auf dem Nord- und Westlande. Dort ist der Inselfjord, hier der Breitfjord der Mittelpunkt der Besiedelung.

Die merkwürdigsten Gestalten an diesem sind der eisige Thorspriester Thorolf Mostrarskegg und Aud die Tiefsinnige, die weise Beraterin ihres ganzen Geschlechtes. Im Norden ragt um 880 der mächtige Häuptling Helgi der Magere hervor und um 890, schon mit Harald Haarschön versöhnt, Ingimund aus Romsdal.

Die Berichte über diese vier urwüchsigen Persönlichkeiten könnten, jeder in seiner Art, Stoff für einen historischen Novellendichter abgeben.

Im Mittelpunkt von Thorolf Mostrarskeggs Interesse steht der alte Donnergott. Ihm hatte der stolze Häuptling schon in seiner Heimat am Hardangerfjord einen Tempel geweiht. Weil er hier einem Feinde Harald Haarschöns, der nach Island flüchtete, Schutz gewährt hatte, muß er selbst dorthin übersiedeln. Thor weist ihm den Weg. Auf einer kleinen Landzunge im Breitfjord, dem er diesen Namen beilegt, treibt des Gottes Bild ans Land. Denn es war auf dem Hochsitzpfeiler geschnitzt, den Thorolf alter Sitte gemäß ins Meer geworfen hatte.

Thorolf erneuert hier den Kult des Gottes. Auf der Landungsstätte des Götterbildes, zu Thorsnes, richtet er ein Gaugericht für alle Umwohnenden ein. Schwere Strafe stand auf



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der Entweihung dieses Platzes. Noch heiliger war ein Berg auf der Thorskaphalbinsel, den niemand ungewaschen anschauen durfte. Das Blut keines Menschen oder Tieres durfte dort vergossen werden. In diesen heiligen Berg, glaubte Thorolf, würden dereinst er und alle seine Verwandten nach ihrem Tode hineinfahren.

Auch ein prächtiger Tempel des Gottes ward aus den Resten des in Norwegen abgebrochenen Heiligtums gebaut. Dem Tempelvorsteher mußten alle Umwohner Abgaben zahlen und sich verpflichten, zu den angesetzten Thingversammlungen zu erscheinen.

Thorolf fühlte sich wohl im Dienste des heidnischen Gottes. Er lebte mit großem Gefolge auf seinem neuen Wohnsitz. Die Fülle der Fische und der Reichtum an Seevögel schufen ihm großen Wohlstand.

Die Entweihung des heiligen Tempelbezirks führte unter Thorolfs Nachfolgern zu erbitterten Kämpfen. Die Saga des Goden Snorri weiß davon zu erzählen. Der Landnahmebericht des Thorolf Mostrarskegg steht auch am Eingang jener schönen Saga. In ihm tritt uns das Godentum der Landnahmezeit deutlich vor Augen.

In gewisser Weise setzt sich das norwegische Häuptlingstum in ihm fort. Der Gode ist Priester und übt in seinem Bezirk das Gerichts- und Versammlungsrecht. Daß sie für Geld veräußert werden konnte, ist freilich eine jsl-indische Eigentümlichkeit dieser neuen Würde.

Wie Thorolf Mostrarskegg am Eingang der Saga vom Goden Snorri steht, so eröffnet Aud die Tiefsinnige aus der Landnama die Reihe heroenhafter Gestalten, die die Saga von den Leuten aus dem Lachstal zieren. Ihre Gestalt wirft ein prächtiges Schlaglicht auf die Macht und den Zusammenhang der Sippe schon während der Besiedelungszeit.

Noch in der späteren Zeit tritt die Frau, so sehr sie rechtlich hinter dem Mann zurücksteht, häufig als willkommene und zuverlässige Beraterin, ja Leiterin des Mannes auf. Hier aber herrscht sie unbedingt über ein ganzes Geschlecht. Als selbständige Landnahmefrau braucht Aud den Vergleich mit keinem männlichen Siedler zu scheuen.



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Aud stammt aus den isländischen Kolonien in Irland. Schon dort hatte die Tochter Ketil Plattnases über die Ihrigen ein strenges Regiment geführt und die Gatten, die sie ihren Töchtern bestimmte, unter ihren Willen gezwungen. Da jagt sie noch im Alter die Abenteuerlust nach Island. Wie ein Häuptling nimmt sie Land in Besitz und verteilt es unter ihre zwanzig Mannen. Stolz schlägt sie die Einladung bei ihrem Bruder Helgi ab, weil dieser sie nur mit der Hälfte ihres Gefolges zu sich bittet. Aber die Einladung ihres Bruders Björn, der dem hohen Sinn seiner Schwester Rechnung trägt und ihr mit allen Mannen ehrenvoll entgegengeht, nimmt sie an. So kommt sie zu ihm mit allen Mannen in den Breitfjord.

Zuletzt wohnt Aud dort in Audhall mit ihrem Enkel Olaf Feilan zusammen, den sie in allen wichtigen Fragen berät. Besonders herrlich wird sie kurz vor ihrem Tode geschildert.

Sie rüstet, frisch und aufrecht wie je, ihrem Enkel das Hochzeitsfest. In alter Würde empfängt sie die Gäste, die sich nicht genug verwundern können, wie gewaltig sie trotz des hohen Alters noch auftritt. Feierlich vermacht sie vor der Hochzeitsgesellschaft dem jungen Bräutigam all ihren Besitz und bittet die Gäste fröhlich zu sein, wenn sie sich zurückgezogen habe. Am nächsten Morgen findet sie der Enkel tot, aber noch aufrecht auf dem Bette sitzend. So wird der letzte Tag des Hochzeitsfestes zugleich zum Totenmahl für die gewaltige Ahnfrau, die wohl voraussah, daß sie die eigene Leichenfeier sich rüstete.

Thorolf Mostrarskegg führte uns die ersten Anfänge staatlichen Lebens auf der Insel vor. Aud die Tiefsinnige zeigte die erste Kultur der Familien auf ihr. In der Geschichte Helgis des Mageren haben wir ein interessantes Gemälde von dem vorübergehenden Einfluß des Christentums während der Besiedelungszeit .

Jener kraftvolle Wiking nimmt eine eigentümliche Mittelstellung ein zwischen der alten und der neuen Lehre. Durch seine Erziehung auf den Hebriden und die Verschwägerung mit christlichen Familien gehörte er äußerlich dem Christentum an. So nannte er sein neues Besitztum auf Island"Christkap" und



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erklärte es für Unsinn, an die alien Götter zu glauben. Gleichwohl gründete er ein heidnisches Godentum am Inselfjord, wo er bald ein mächtiger Häuptling wurde und an viele Männer Land verteilte.

Innerlich aber hing er doch noch dem Thor an. Schon vor der Fahrt nach Island hatte er diesen Gott um Rat gesagt und äch noch den Spott seines Sohnes zugezogen, ob er denn auch aufs Eismeer ziehen würde, wenn der Gott ihm dies als Siedelungsstätte anwiese. Bei allen wichtigen Geschäften, auf jeder Seefahrt rief er auch später den Thor, nicht den Christengott an.

Das Christentum, soweit es die Norweger nach Island mitbrachten , konnte während der Siedelungszeit sich nicht behaupten. Die Annahme des Kreuzes, die viele Heiden auf den britischen Inseln vornahmen, war für sie mehr praktischer Natur; um auch bei den Anhängern des neuen Glaubens wohlgelitten zu sein und ihre Pläne durch zu setzen.

Auf Island selbst war das Übergewicht des Heidentums zu stark; als daß die wirklich innerlich Bekehrten dort auf das Volk dauernden Einfluß hätten gewinnen können. Die irischen Mönche; die auf der Insel gewesen waren, hatten keine sichtbaren Spuren des Glaubens hinterlassen. Im Gegenteil, die Stätten an der Ostküste wo sie gehaust hatten, waren als Spuknester verrufen. So ist auch nach Helgis Tode das unverfälschte Heidentum wieder da. Helgis Söhne bauen wieder Thortempel.

Von Männern, die den alten Glauben für Torheit erklärten, ist auch sonst in der Siedelungszeit die Rede. Ein solcher Held, der nur an seine eigene Kraft glaubte, war eben Helgi der Magere. Sein Schwanken war vorwiegend politische Berechnung ming, um sein Godentum auch den Christen annehmbar zu machen.

Im Gegensatz zu der lapidaren Einfachheit; mit der Thorolf Mostrarskegg, Aud die Tiefsinnige und Helgi der Magere vor uns hintreten, steht die romantisch ausgeschmückte Landnahme des Romsdalers Ingimund.

Weder ungezähmter Wikingerdrang noch die Feindschaft



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Harald Haarschöns haben ihn zehn Jahre später als Helgi den Mageren nach dem Nordland gebracht. Die dämonische Weissagung einer Finnin, der er nicht Glauben schenken will, treibt ihn doch schließlich nach Island. Mit dem Herrscher aber, der so viele mächtige Helden im Zorne von sich scheiden sah, steht er gui. Ja dieser treibt ihn geradezu an, dem Finnenorakel, das ihm die Erfüllung seines Schicksals erst auf Island verheißt, Folge zu geben, und unterstützt ihn dann auf jede Weise.

Ein Bild des Gottes Frey, das Harald Haarschön Ingimund geschenkt hat, ist der Talisman, der ihn nach Island zwingt. Die Zauberin läßt es aus seiner Tasche verschwinden und kündet ihm an, daß er es erst auf Island in seinem neuen Wohnsitz wiederfinden würde. Nach langem zähen Widerstand entschließt er sich, die ihm durch andere Zauberer genau beschriebene Stätte auf Island aufzusuchen und findet, als er dem Frey dort einen Tempel errichten will, wirklich das Amulett.

Ingimunds Landnahme zeigt schon eine jüngere Periode der Besiedelungszeit. Seine hartnäckige Weigerung, das neue Land aufzusuchen, entspringt der Überzeugung, daß er Saum besseren Besitz als in seiner alten Heimat eintauschen dürfte. Schon ist das Gebiet ziemlich aufgeteilt, und die abenteuerliche Lust; nach Belieben sich herrlichen Besitz auf Island zulegen zu können, ist geschwunden. Wer nicht durch Landschenkung eines bisherigen Ansiedlers in moralische Abhängigkeit von diesem kommen wollte, dem blieb nur teurer Kauf übrig. Manche zogen es daher in jener späteren Zeit vor, durch Herausforderung zum Zweikampf sich Land zu ertrotzen.

Daß das Gebiet für die Besiedelung seltener und wertvoller geworden war, zeigt eine neue Bestimmung, die um 890 aufkam. Kein Siedler sollte fortan mehr Land in Besitz nehmen dürfen, als er an einem Tag mit Feuer umfahren könne. Reine Frau durfte mehr sich aneignen, als ihr möglich war in der gleichen Zeit mit einer zweijährigen Kuh zu umschreiten. Auf König Haralds Rat sollte diese Einrichtung getroffen sein. Nach vergeblichen Versuchen, die Isländer dem Einheitsstaat zu unterwerfen, mochte es dem stolzen Könige schmeicheln, so doch aus der Ferne seinen Einfluß geltend machen zu können.



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Die vorgeführten Szenen aus älterer und jüngerer Landnahmezeit wiederholen sich in ähnlicher Gestalt bei den Siedlern immer aufs neue.

Um 900, ein Menschenalter nach der ersten Siedelung, hatte sich, mit keltischem Einschlag, das neue nordische Volk herausgebildet. Ein gemeinsames staatliches Band fehlte, wie es vorher auch in Norwegen nicht gewesen war. Die einzige Volksgemeinschaft schaffte das Godentum der einzelnen Bezirke. Etwa vierzig solcher Tempelgemeinden hatten sich in den einzelnen Bezirken herausgebildet. Freiwillig und nicht an den Ort des Wohnsitzes gebunden war für jeden Seien Mann die Zubehör zu einem dieser Verbände. Stark und selbständig aber entwickelten sich nun die aristokratischen Familien. Das spätere Bild des altisländischen Alltagslebens stand schon damals in seinen Grundzügen fest.



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5. Altisländisches Alltagsleben

Die Lebensweise des neuen Volkes war norwegisch. Der keltische Einschlag der Bevölkerung war ja an Zahl gering . Auch betraf er vorwiegend die dienende Bevölkerung. Der Seie nordische Mann führte sein heimatliches Leben nach Möglichkeit auch auf Island fort.

Die Natur der Insel drängte wohl auf einfachere Gestaltung des Lebens. Fruchtbarkeit des Bodens und Lebhaftigkeit des Menschenverkehrs waren geringer als in Norwegen. Doch brachten viele Ansiedler beträchtliche Habe aus der Heimat mit, und die rührige Arbeitskraft der Bevölkerung sorgte für aufblühenden Mohlstand. Auch blieb der Zusammenhang mit dem Mutterlande während der Besiedelungszeit ständig erhalten. Immer neue Kolonisten rückten nach, und früh zeigte sich auch auf Island die Lust zu Wikingerfahrten. Durch diese Auslandreisen, die sich auf den ganzen Norden Europas erstreckten, kam auch Reichtum, ja Luxus auf die Insel.

Gern spähte der isländische Großbauer von dem Hügel, an dem sein Gehöft lag, in die Umgebung. Er überwachte von dort eifersüchtig sein Besitztum gegenüber den leicht streitsüchtigen Nachbarn. Mohlgefällig sah er dann wohl auf das höchst originelle Hauptgebäude. Fünf Häuser, aneinander gebaut: in der Mitte ein breiter, gedeckter Gang, rechts Wohnstube und Schlafzimmer, links Küche und Speisekammer, alles einen Komplex bildend, doch mit eigenen Dächern. Abseits dann Wirtschaftsgebäude, Vorratskammern, Scheunen und Viehställe. Selten fehlte eine stattliche Schmiede. Der isländische Hausherr dachte: selbst ist der Mann.

Einfach freilich war das Material, mit dem gebaut wurde. Erde und Feldsteine mit Erdfüllung waren die Regel. Wände und Dach waren mit üppigem Rasen gedeckt. Nur selten kamen Holzhäuser vor.

Stimmungsvoll aber war das Innere, vor allem die Wohnstube . Hier saßen die ganze Familie, Knechte und Mägde morgens beim Frühmahl, ehe man an die Arbeit ging. Hier traf



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Der Priesterhof Háls in Nordisland


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man abends zur Hauptmahlzeit wieder zusammen und erholte sich am flackernden Herdfeuer.

Das Dach der Wohnstube war durch Pfeilerreiben gestützt. Die äußeren standen an den Längswänden, die inneren schlossen den Herdplatz in der Mitte des Hauses ein, der aus Lehm bestand. An der Wand sogen sich, über dem Fußboden erhöht, Bänke hin. Die mittelsten Sitze auf den Längsbänken, rechts und links des Eingangs, waren die Hauptplatze. Auf dem rechts saß der Hausherr, auf dem gegenüber, der niedriger war; der nächst angesehene Hausgenosse oder ein Gast, den man ehren wollte. Den Sitz des Hausherrn umgaben die heiligen Hochsitzpfeiler, in die Götterbilder geschnitzt waren. Alle Sitze auf den Längsbänken füllten nur die Männer. Auf der Hinterwand gegenüber dem Eingang thronte die Hausfrau mit ihren Mägden.

Ein farbenfohes Bild mag die Wohnstube eines begüterten Bauern an Festtagen gewährt haben. Auf Stattlichkeit der Erscheinung und gute Kleidung legte der Isländer wie jedes tüchtige Bauernvolk Gewicht.

Beide Geschlechter trugen lange Gewänder aus Wollenzeug, Baumwolle oder Leinwand. Ein Gürtel mit dem hängenden Weser beim Mann, Wirtschaftszeug bei der Frau umschloß den Rock oder das Kleid. Die Gewänder der Männer und Frauen schillerten bunt in allen Farben. Das natürliche Weiß der Wolle blieb nur für Sklaven und Dienerinnen. Das kostbarste Stück," das man aber bloß bei Festlichkeiten trug, war ein langes seidenes Schleppgewand von scharlachroter Farbe, das von oben bis unten mit Goldknöpfen geziert war. Auch dies trugen mit geringer durch den Körperbau bedingter Verschiedenheit Männer und Frauen. Einfache, gewöhnlich aus einem Stück Leder gefertigte Schuhe, ein Hut oder eine Kapuze beim Mann, ein Kopftuch -der eine Haube bei der Frau vervollständigten die bäurische Garderobe.

Der Stolz der Männer wie der Frauen war dav lang herabwallende Haar. Das geschorene Haupt war Kennzeichen der Sklaven. Blondes und kastanienbraunes Haar wurde besonders geschätzt. Männer wie Frauen, vor allem aber die jungen



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Mädchen, die den Kopf unbedeckt trugen, schlangen gern ein golddurchwirktes Band ums Haar. Ein Perlband schmückte oft den Hals der Frau. Goldene Halsbänder aber, Ringe, Spangen und andere Schmucksachen trugen wiederum beide Geschlechter. Auch der Mann hatte an dem Fingerreif oder an dem spiralförmigen Ringgeflecht, das seinen Arm umspannte, seine helle Freude.

Für den festtäglichen Schmaus sorgten Männer und Frauen durch fleißige Arbeit. Im Hause selbst wurde von den Frauen das Brot gebacken, von den Männern gebraut. Sorgsam spannen und webten die Mädchen. Man erzählte sich Geschichten oder trug Lieder vor. Man spielte Würfel oder Brettspiel — wie einst die Götter im goldnen Zeitalter.

Ein solches Phäakendasein mußte freilich durch barte Tätigkeit erobert werden. Daran hatten Sklaven und Freigelassene wohl den Hauptanteil. Aber auch die Herrschaft, Männer wie Frauen, griffen tüchtig zu. Im allgemeinen verstand man sich gut in gemeinsamer Arbeit.

Die vielen auf Saatland deutenden Ortsnamen zeigen, welchen Ehrgeiz man darein setzte, den heimischen Getreidebau Norwegens auf dem neuen Boden nicht verkümmern zu lassen. Aber karg war, was ibm die ein fache Bestellung mit Karst oder Pflug abgewann. An manchen Stellen machte die durch heiße Quellen erwärmte Erde den Anbau günstiger. Wenn aber von Ackern besonders gerühmt wird, daß sie jedes Jahr Frucht trugen, weist das deutlich auf häufige Mißernten. Weizen kam nur zu Schiff aus dem Süden.

Ein ländliches Erntebild in unserem Sinne bot die Heuernte. Da war alles auf dem Felde. Die Knechte mähten, die Mägde schichteten die Mieten, die Pferde trugen das getrocknete Heu heim in die Vorratshäuser für den Winter. Viel Heu im Schober war ein Glück für den Besitzer. Der Hausherr, der bei mäßigen Ernten dann im Winter mit Heu aushelfen konnte, stand in großem Ansehen.

Begreiflich war diese Wertschätzung bei der Wichtigkeit des Heues für die Viehzucht. Diese machte den größten Bestandteil der isländischen Wirtschaft aus.



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Die Kuh war das Haupttier des Bauern. Sie vertrat in älterer Zeit den Geldwert der Münze. Unter zehn Kühen hatten wohl nur wenige Bauern, gar mancher besaß gegen hundert. Nur die Schafzucht kam der Kuh an Bedeutung für den häuslichen Wohlstand nahe. Im Sommer wurden die Tiere oft in die Berge getrieben, wo sie wild weideten und besonders feit wurden. Schafherden von 500 Tieren waren keine Seltenheit. Es kam aber auch die fünffache Zahl vor.

Ein lebendiges Leben entfaltete sich, wenn die Schafe im Herbst in die großen gemeinsamen Hürden eingefangen wurden. Da galt es die mit besonderen Hausmarken versehenen Tiere richtig herauszufinden. Dabei gab es leicht Streit und Mißhelligkeiten mit Männern aus demselben Bezirk. Auch die Kuh- oder Schafweide schaffte oft Zwietracht, wenn die Weidegrenzen von unzuverlässigen Nachbarn nicht innegehalten wurden.

Solche Reibereien traten auch wohl ein bei Fischfang und Jagd, der dritten Erwerbsquelle der alten Isländer.

Man fing in den Strömen mit Reusen, Netzen und Angel Lachs und Forelle. Auf dem Meere stellte man, wie jetzt noch an den Lofoten in Norwegen, in kleinen Ruder- und Segelbooten dem Hering und dem Dorsch nach. Wo gute Fisch- und Vogelplätze in der Nähe waren, da blühte oft ein überraschender wirtschaftlicher Wohlstand auf. Wie noch heute in den nordischen Gegenden bildeten die Eier der Seevögel einen Hauptzweig der Ernährung.

Besonders beliebt war die Jagd auf Seehunde, Walfische und andere Waltiere. Man schoß mit Harpunen nach ihnen oder schlug sie mit Keulen tot, wenn sie das Meer ans Land warf. Um das Eigentumsrecht an einem angeschwemmten Wal tobte oft ein erbitterter Streit.

Schon die tägliche Arbeit führte so Menschen derselben Gegend zusammen. Man knüpfte auch Bekanntschaft an und lud sich gegenseitig ein zum Gelage.

Dann kam die germanische Reiselust des Isländers zu ihrem Recht. Man machte sich auf in die Nachbarschaft oder gar in einen andern Bezirk. Im Winter fuhr man auf Schneeschuhen oder in Schlitten. Im Sommer zog man zu Pferde aus.



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Schon daheim bei den täglichen Verrichtungen blieb der Mami gern im Bereich seiner Waffen. Auf der Reise trug erste stets. Sie hingen in dem Wohnhaus des Gastfreundes über seinem Bankplatz, nachts im Schlafzimmer über seinem Bett. Vorsicht war unterwegs doppelt geboten. Ein Feind, mit dem man Hader gehabt hatte; konnte immer auftauchen.

Förmlich war der Empfang beim Gastgeber, aber reichlich die Bewirtung. War ein Geschäft zu erledigen, trug man nicht gern, bis der Gast sich selbst äußerte. Mehr als drei Tage zu verweilen galt für unfein. Gastgeschenke frische Pferde und Segenswünsche für die Fahrt gab der Wirt dem scheidenden Gast mit auf den Weg.

Die Nahrung, die dem Fremden vorgesetzt wurde, war wie daheim kräftig und gut. Sie kam vom Ertrag, den die Wirtschaft oder die Jagd des Tages abwarf. Fleisch und Fisch, gekocht und gedörrt, Brot, Grütze aus Gerste oder Hafer, vor allem die fette Milch in jeder Form bildeten den Hauptbestandteil. Engelwurz und mehrere Arten Seetang wurden daneben gegessen. Ein einfaches Hausbier war das Getränk.

Reicher war die Bewirtung bei Gelagen, die zuweilen als Picknicks veranstaltet wurden, meist aber auf besondere Einladung stattfanden. konnte es hoch hergehen. Braten, auch Luxus speisen vom Ausland, selbst Wein aus dem Süden wurde dann gespendet.

Die Gelage fanden oft bei Gelegenheit einer Familienfeier, etwa einer Hochzeit, statt. Dann war häufig eine große Zahl Männer und Frauen zusammen. Die Wohnstube war in diesem Fall besonders festlich geschmückt,

Lange Herdfeuer brannten in der Mitte. Der Fußboden war mit Stroh gedeckt, die Sitze der Männer mit Schmuck geziert, die Wände bei Wohlhabenden mit herrlichen Teppichen behängt. Nachdem die Tische fortgeräumt waren, auf denen man die Speisen auftrug, begann der Hauptteil des Festes: das Trinkgelage.

Hier kamen alle Roheiten und Kniffe der germanischen Trinklust zur Geltung. Man trank sich von den Längsbänken über das Herdfeuer zu, man vereinigte sich zu besonderen Trink



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ecken, man geriet aber im Rausch auch oft in Streit. Fehde und Totschlag konnten leicht ein Mahl beschließen,

Besonders gefährlich waren die Gelübde, die man in der gehobenen Stimmung ablegte. Sie wurden im nüchternen Zustand , da sie die waghalsigsten Taten versprachen, oft bitter bereut. Sie waren aber heilig und durften nicht zurückgenommen werden.

Vor allem wurden solche Gelöbnisse auf dem Juleber abgelegt , der zur Weihnachtszeit in die Schar der Männer geführt wurde. Auf ihn, der dem Gotte Frey geweiht war, legte man feierlich die Hände und tat dann, indem man einen heiligen Becher leerte, den Schwur.

Eine solche große Bauernstube zur Weihnachtszeit mochte auch auf Island als Abbild der göttlichen Walhall erscheinen. Manche Bauern gaben an Pracht und Ausschmückung der Hallen den norwegischen Edlen und Fürsten wenig nach. Auch hier traten Skalden auf, die an dem Getäfel der Wände bildlich dargestellte Szenen aus der Göttersage in kunstvollem Sange erläuterten und sonst von den Taten der Väter aus Norwegen berichteten.

Das Weihnachtsfest war das Hauptfest auf Island. Es siel, wie bei uns, in den Mittwinter zur Zeit der Sonnenwende. Die beiden andern großen Feste waren zu Beginn des Sommers , um den 14. April, und am Anfang des Winters, um den 14. Oktober. Vor jenem war die Früh saat, vor diesem die Ernte beendet. Der Sommer selbst blieb meist frei für die häusliche Arbeit und die Wikingerfahrten.

Die Götter, denen zu Ehren man die Festgelage veranstaltete, waren die alten der Heimat. Besondere Schutzgottheiten begleiteten den Menschen durch das Leben und wurden bei den Opferfesten angerufen.

Im Mittelpunkt der Verehrung standen Odin, Frey und Thor. Vor allem aber die beiden letzten. Ihre Hochsitzsäulen hatten die meisten Ansiedler begleitet. Ihnen wurden auf Island neue Tempel errichtet.

Die großen Opferfestlichkeiten fanden im Tempel statt. Dieser war ein kapellenartiges Gebäude, das in zwei Teile zerfiel.



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In dem kleineren Raum hauste allein der Tempelvorsteher, der Gode.

In dem größeren, der ähnlich wie eine isländische Wohnstube mit Banksitzen für die Männer versehen war, versammelte sich die Opfergemeinde. Die Götterbilder waren gewöhnlich von Holz, aber oft prächtig geschmückt. Heilig war das Pferdefleisch das auch den Hauptteil des Festschmauses bildete, während man sonst Ochsen- und Schaffleisch verzehrte. Den Vorsitz des Opfermahles führte, auf dem Hochfitz thronend, wiederum der Gode. Die Erhaltung des Tempels wurde durch die Tempelsteuer des Godenbezirkes bestritten. Oft flossen aber feiwilltge Gaben. Endlich hatte der in der Regel reiche Priester und Tempelvorsteher, eben der Gode, selbst ein natürliches Interesse an der Erhaltung seines Heiligtums.

Mit dem Besitz des Tempels bing auch die weltliche Macht des isländischen Goden zusammen. Was vor der Gründung des isländischen Staates an Herrschergewalt und richterlicher Machtsphäre da war, lag gleichfalls in den Händen des Goden.

Er berief die Thinge, die im Frühjahr und im Herbst die Männer des Bezirks zu gemeinsamer Beratung zusammenführten.

Der Thingplatz wurde vom Goden bestimmt und war nach außen feierlich abgesteckt. Hier erschien man mit vollen Waffen, die nur im Heiligtum bei den Opferfesten abgelegt wurden. Von einem Thinghügel aus wurden die Beschlüsse der Versammlung für den Bezirk verkündet und in Streitsachen Recht gesprochen. Grenzfehden, Viehraub, Brandschatzung oder Totschlag des Nachbarn und ähnliches kam zur Verhandlung. Wie auf den Opferfesten war hier jeder Streit mit Waffen verpönt . Auch der Thingfiede war heilig.

So schwere Strafen auf den Bruch des Tempel- oder Thingfiedens gesetzt waren, wurden beide doch nicht selten gebrochen. Oft genügte den Parteien die richterliche Entscheidung des Goden nicht. Dann trugen die Prozeßgegner ihre Sache durch Zweikampf aus. Oft entspannen sich auch durch die Waffenhilfe ihrer Anhänger weitere Fehden. Aber die Frühjahrs- und Herbstzusammenkünfte trugen doch auch wieder zu gesellschaftlicher Annäherung bei,



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Vor allem konnte sich hier der durch die bäurische Alltagsarbeit gehemmte Drang des Isländers zum Messen der körperlichen Kräfte in Sport und Spiel austoben. Knaben versuchten sich frühzeitig in allen Waffenübungen. Bogenschießen, Speerwerfen, Fechten waren selbstverständlich. Schwimmen und Wetthaufen stählten die jugendliche Kraft. Vor allem war der Ringkampf beliebt. Hier kam es neben der Kraft auf Geschicklichkeit und besondere Kniffe bei der Niederwerfung des Gegners an. Aber auch Männer, selbst Greise, beteiligten sich an diesen Sportübungen, die mit dem größten Ehrgeiz betrieben wurden.

Von den Spielen, die sich gern an Gelage, Opferfeste und Thingversammlungen anschlossen, waren am beliebtesten das Ballspiel und die Pferdehatz. Frauen sahen dabei gern von abgesonderten Sitzen dem Spiel der Männer ;u und lohnten ihnen durch ihren Beifall.

Das unserem Schlagball ähnliche Ballspiel gewährte schon äußerlich in dem Ringen der beiden Parteien um den Besitz des Halles das Bild einer Schlacht. Oft artete es in wirkliche Fehde aus, und das Schlagscheit, mit dem man den Ball trieb, wurde mit dem Schwert vertauscht. Ähnlich erging es auch bei der Pferdehatz, wo der Ehrgeiz der Besitzer hinzukam, ein Musterroß vorzuführen.

Die kräftigsten und schönsten Tiere wurden zu dem sonderbaren Sport verwandt, bei dem die Pferde in Paaren gegeneinander getrieben wurden, um sich hoch aufgerichtet mit Bissen gegenseitig kampfunfähig zu machen. Auch hier gerieten dann die Eigentümer der Rosse, die ihre Lieblinge unablässig anstachelten, leicht in Fehde. Der meerumschlossenen Insel fehlte ja ein äußerer Feind, an dem man in natürlicherem Kampfe sein Mütchen kühlen konnte. Nicht jeder konnte als Wiking fahren.

Bei allen diesen Zusammenkünften fehlte aber auch fröhliche Unterhaltung nicht. Man schlug Buden und Zelte auf, in denen man sich besuchte. Da wurden die Geschichtchen, die man sich am häuslichen Herd erzählte, ausgetauscht und durch neue bereichert. Die Erinnerung an die Taten der Väter in Norwegen war ja allen gemeinsam. Und oft kam von dem alten Vaterlande neue Kunde herüber.



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NIcht selten landete an der Küste ein Kauffahrer aus Norwegen oder den nordischen Kolonien in England. Dann entwickelte sich auch am Strande ein buntes Treiben.

Der Gode war auch hier der allmächtige Mann, der dem fremden Ankömmling gegen Abgaben den Handel mit seiner Ware erlaubte. Kaufbuden wurden aufgeschlagen, in denen man diese feilbot. Man tauschte die fremden Produkte gegen einheimische ein. Ausser dem Vieh und dem landwirtschaftlichem Ertrag waren Fische und Pelzwerk der arktischen Tiere die Hauptausfuhr. Sehr gesucht war auch schon damals das heutige Wappentier des Landes, der Falke, zur Jagd.

Aus der Fremde kamen vor allem Getreide und Honig, Schmucksachen und feinere Kleiderstoffe, dann das für Schiffe so wichtige Bauholz. Durch den spärlichen Baumwuchs der Insel und das aus den Buchten Amerikas ans Land geschwemmte Treibholz wurde der Bedarf nicht entfernt gedeckt. Als Zahlmittel galt außer der Kuh und dem Fries Gold und Silber, das aber damals noch gewogen, nicht geprägt ward, Eine Unze Goldes war dabei gleich einer Mark Silbers oder 360 Reichsmark unserer Währung.

Die Kaufleute blieben den Winter über gewöhnlich bei Einwohnern zu Gast, um im nächsten Sommer zurückzufahren. Sie sogen dann auch weiter ins Land, um zu verkaufen oder Schulden einzuheimsen.

Auch der Isländer selbst fuhr aus, um Handel zu treiben. Freilich leitete ibn weniger der Erwerbssinn, als die Hoffnung, aus der Enge des Vaterlandes in die weite Welt zu kommen, Kam er zurück, so hatte er als Weitgereister zu Hause größeres Ansehen. Oft bitten junge Helden den Vater um ein Handelsschiff . Aber sie rüsten es wikingerhaft aus und denken dabei M sich in der Fremde zu rauben und zu plündern.

Der Waffenschmuck des Mannes, von dem er sich nie trennt, ist auch seine höchste Zierde auf der Wikingfahrt. Auf dem Haupte sitzt der oft vergoldete Helm, in der Hand und an der Seite trägt der Krieger, gleichfalls gold- oder silberbeschlagen, Speer, Streitart und Schwert. Besonders kostbar ist der Schild, Er ist mit kostbaren Steinen und Spangen geschmückt und



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Altisländischer Pferdezweikampf. Handzeichnung


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der Mitte bemalt. Oft ist er mit künstlerischen Darstellungen aus der Götter- und Heldensage geziert.

Sehr häufig empfing der junge Isländer einen solchen Prunkschild im Auslande, wenn er bei einem Fürsten zu Gaste war, M geleistete Dienste. Ja auch ein kostbares Segel oder par ein ganzes Kriegsschiff wurde ihm als Geschenk verehrt. Dann gab es bei der Rückkehr ein Staunen oder Fragen ohne Ende.

Das gewöhnliche Schiff, das der Isländer zur Wikingfahrt benutzte, war das Langschiff. Hier fühlte er sich auf der Meerfahrt wie zu Hause. Nachdem es auf Rouen ins Meer gebracht war, ward er dort bald völlig heimisch.

Vorder- und Hinterteil der Schiffe trugen gern phantastische Figuren. Vorn war ein Eber- oder Vogelkopf oder irgendein anderes Tieremblem. Bei der häufigsten Art, dem Drachenschiff, stellte der Vardersteven den Kopf, der Kiel den Schwanz des Ungetüms dar. Vorder- und Hinterdeck waren oft erhöht. Dort standen die streitbarsten Männer. Den Bord entlang ward das Schiff in der Gefahr mit aneinandergereihten Schilden gegürtet. Das entsprach der Schildburg um den König im Kampf dem Lande. Segel, mit oft herrlichen Farben, purpurn und buntgestreift, machten das Schiff weit aus der Ferne sichtbar, ehe es mit dem Steinanker festgemacht werden konnte.

Auf dem Schiff war auch für das Gemüt und die Phantasie des Isländers zweite Heimat. Wenn er in seinem Zelt auf dem Verdeck lag, konnte er glauben, daß er daheim in seinem Haus wäre oder bei einem guten Freunde in Island zu Gast oder in einer Bude auf dem Frühling- oder Herbstthing. Seine Heimatgenossen umgaben ihn noch hier. In die heimatlichen Geschichten am häuslichen Herd und auf dem isländischen Festspielplatz wob sich in der Fremde manch neues Bild ein. Aus Inland- und Auslandeindrücken entstanden so die ersten kleinen mündlichen Vorläufer der später so stolzen Sagas.

Jene kleinen Erzählungen hielten die Bezirke wohl schon damals in ihrer Volkheit zusammen. Noch freilich fehlte ein Schutz gegen den oft in ihnen tobenden inneren Hader und ein äußeres Band dem Ausland gegenüber. Das schaffte erst die Gründung des Freistaates.



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Altisländisches Heldenzeitalter



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6. Der altisländische Staat

Im Jahre 930 wurde der isländische Freistaat gegründet.

Im Jahre 1030 starb der Gode Snorri, der an seiner endgültigen Ausgestaltung den hervorragendsten Anteil hatte. In diesen hundert Jahren ist der Charakter des Volkes noch durchaus heidnisch. Es ist das isländische Heldenzeitalter, das alle berühmten Männer der Saga hervorgebracht hat.

Die Kräfte; die der Schaffung eines Einheitsstaates entgegenstanden, traten schon bei der Besiedelung Islands hervor. Es waren die gleichen, die den edlen Geschlechtern die Unterwerfung unter Haralds Herrschaft zur Unmöglichkeit gemacht hatten: der berechtigte Egoismus der auf ihren Besitz pochenden Familien und der auf die Kraft des Schwertes stolze Wikingersinn des einzelnen Mannes. Die größte Persönlichkeit des heidnischen Freistaates, Egil Skallagrimsson, zeigt diese staatsfeindlichen Kräfte in schärfster Ausprägung.

Egils Leben, das seinen Brennpunkt im Dichterberuf hatte, war eine Welt im Staate, die von ihrer Umgebung in hartnäckigem Eigensinn keine Notiz nahm. Diese souveräne Bauernselbständigkeit aber konnte auch ein Egil nur behaupten durch sein ungewöhnliches Ansehen, das jeden hinderte, seiner Familie zu nahe zu treten. Seiner Bedeutung entsprechend wäre auch dieser Mann trotzdem in die inneren Streitigkeiten der Heimat verwickelt worden, hätte er nicht sein ungeheures Wikingbedürfnis bereits im Ausland ausgetobt.

Die Machtfülle dieser Herrschernatur, im eignen Lande voll entfesselt, hätte gerade die Notwendigkeit eines Staatswesens dargetan, wie es sich jetzt über der Familie und über den einzelnen erhob.

Die äußeren Vorgänge, die zur Bildung des isländischen Freistaates führten, sind in Dunkel gehüllt. Nur so viel ist klar. Der Anstoß kam aus dem Willen des isländischen Volkes selbst. Bei der Gestaltung des neuen Staatswesens waren auch Einflüsse des Auslandes beteiligt.

Aus allen norwegischen Landschaften waren in den sechzig Jahren der Besiedelung Kolonisten zugeströmt. Auf alle Gegenden



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Islands waren Auswanderer der verschiedenen norwegischen Stämme verteilt. Im allgemeinen hielten die Siedler an den Orten, wo sie seßhaft wurden, zusammen. Im Interesse der führenden Landnahmemänner lag es, sich eine feste Bevölkerung im eigenen Gebiete zu sichern.

Überall aber konnten auch Ansiedler aus anderen Bezirken der Insel sich niederlassen. Zu jeder Tempelgemeinde konnten auch Bewohner fremder Gaue gehören. Eine strenge territoriale Abgrenzung bestand nur äußerlich überall. Sie war nicht so, daß das Gefühl, ein zusammenhängendes Volk zu bilden, in den einzelnen Distrikten hätte erstickt werden können.

So entstand ganz natürlich das Bedürfnis nach einem Mittelpunkt, wo sich einmal ganz Island treffen konnte. Die Jugend war schon während der Besiedelungszeit so gern ins Ausland gewikingert. Der Wunsch, dem staatlich geordneten Norwegen gegenüber auch eine äussere Einheit auf der Insel darzustellen, mag da vielen gekommen sein. Wurden doch schon in der vorstaatlichen Zeit tüchtige Isländer bei den fremden Königen so hoch geehrt.

Grim Geißschuh wurde dazu ausersehen, einen Platz auf der Insel zu finden, wo das Volk in alljährlichen Zusammenkünften die äußere Geschlossenheit dem Ausland gegenüber kundtun konnte. Bei dem unwegsamen Charakter Islands war diese Aufgabe schwer. Die Wahl fiel auf Thingvöll, das heutige Thingvellir, im Südwesten.

Von den Bezirken des Westens und Südens war dieser Platz bequem zu erreichen. Von Norden und Osten bot er verhältnismäßig den leichtesten Zugang. Die gewaltige Natur stimmte zu der Wichtigkeit des neuen Thingplatzes. Die weite Hochebene und die angrenzenden Lavahöhen kamen dem Bedürfnisse einer großen Gerichtsversammlung denkbar entgegen.

Das Volk drückte dem Finder der heiligen Stätte seinen Dank aus. Eine freiwillige Kopfsteuer von je einem Pfennig wurde ihm für seine Mühewaltung zuteil. Der Entdecker Thingvölls aber gab uneigennützig der Freude über das Gelingen seiner Aufgabe dadurch Ausdruck, daß er den Ertrag dieser Abgabe auf alle Tempelgemeinden des Landes verteilte.



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Der Sitz für eine Zentralgewalt des Landes war geschaffen. Das äußere Vorbild des Allthings, wie die Versammlung dort im Gegensatz zu den Einzelthingen der Landschaften genannt wurde, war Norwegens Gerichtsverfassung.

Auch aus der Entfernung hatte König Harald Haarschön nie aufgehört, auf die isländischen Verhältnisse nach Kräften einzuwirken . Er war damals ein alter Mann. Aber sein Sohn Hakon der Gute, schon äußerlich ein Abbild des Vaters, hatte auch dessen staatliche Organisationskunst geerbt. Auf seine Veranlassung wurden durch sachkundige Männer die bestehenden Gerichtsverbände Norwegens revidiert und neugestaltet.

Der bedeutsamste Verband war das nach einer kleinen Insel in der Gegend des Sogne- und Hardangerfjords genannte Gutathing. Auf ihm pflegten je zwölf Männer aus drei bei einem bestimmten Prozeß besonders beteiligten Landschaften als Gerichtshof zu tagen. Bei zweifelhafter Urteilsfällung bildete der König die entscheidende Instanz. Dieses Gaugericht hatte das höchste Ansehen, und seine Entscheidungen wurden, in mündlicher Überlieferung treu festgehalten, später die Grundlage M die norwegischen Gesetzesbücher. Auch das Amt eines Gesetzessprechers, der durch sein juristisches Wissen die schriftliche Kodifikation damals ersetzte, war in Norwegen schon vorhanden.

An den Reformen des Gulathings unter Hakon dem Guten hatte auch ein zu Ende der Besiedelungszeit auf Island weilender Norweger, namens Ulfljot, mitgewirkt. Er gewann großen Einfluß auf das isländische Volk zu dessen Bildung ja gerade die Siedler vom Hardanger- und Sognefjord einen besonderen Anteil gestellt hatten. So beauftragte man ihn, in Norwegen ein isländisches Landesgesetz auszuarbeiten. Dies wurde, als er 930 nach Island zurückkehrte, Gesetznorm der Insel.

Erst im zwölften Jahrhundert wurde das isländische Staatsrecht, zu dem bier die Grundlage geschaffen war, schriftlich niedergelegt. Im dreizehnten empfing es in dem Gesetzbuch der Graugans seine endgültige Gestalt.

Durch die neue Verfassung erhielt das isländische Volk in dem



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Gesetzessprecher ein sichtbares Oberhaupt. Er wurde auf drei Jahre gewählt und stellte nach außen die gesetzgebende Gewalt über die Insel dar. Seine Aufgabe war es, von dem hochragenden Gesetzesfelsen von Thingvöll während seiner Amtszeit die ganze Gesetzessammlung einmal feierlich vorzutragen tragen. Er mußte den Rechtsuchenden auf jede Anfrage seinen juristischen Rat erteilen. Er war die höchste Person bei den alljährlichen Allthingversammlungen und dem Ausland gegenüber der Präsident des neuen Freistaates.

Eine vollziehende Gewalt hatte dieser erste Vertreter des neuen Staates nicht. Diese lag bei der gesetzgebenden Versammlung des Allthings, die zugleich die richterliche Funktion eines Obertribunals für das ganze Land ausübte. Bei ihrer Besetzung , die ganz nach dem Muster des norwegischen Gulathings erfolgte, hatten die Goden das Hauptwort. Sie durften mit der neuen Verfassung wohl zufrieden sein. Ihre richterliche Selbstherrlichkeit in den einzelnen Bezirken wurde zwar durch die oberste Instanz des Allthings beschränkt. Aber dieser Machtverlust wurde durch ihren Einfluß auf die dorthin entsandten Männer reichlich aufgewogen.

An den inneren Zuständen des Landes änderte sich vorläufig wenig. Nur eins war gesichert. Man hatte nach außen ein Oberhaupt. Man hatte eine höchste Rechtsinstanz und traf alljährlich im Hochsommer auf dem Allthing zusammen.

Die angeborene Streitlust des Volkes behauptete sich nicht nur in den Gerichtsversammlungen der einzelnen Bezirke: sie machte auch vor der höchsten Autorität des Allthings oft nicht Halt.

Wegen eines furchtbaren Mordbrandes war im Jahre 905 der mächtige Häuptling Tungu-Odd angeklagt. Auf dem zunächst zuständigen Landschaftsthing konnte die Sache nicht entschieden werden. Der Beklagte hinderte seinen Gegner und Kläger Thord Gellir mit Waffengewalt, bis zur Thingstätite vorzudringen. Aber auch auf dem Allthing, wohin die Sache nun verwiesen wurde, kam es zu blutiger Fehde. Erst nachdem viele Männer gefallen waren, wurde endlich die richterliche Entscheidung in diesem Rechtsstreit getroffen,



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Blick vom Gesetzeshügel auf Thingvallavatn. Westisland


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Diese Durchkreuzung des Rechtsganges durch die Willkür der hadernden Parteien war an sich nicht wunderbar. Die einzigen Wahrheitsbeweise des alten Prozesses waren Eid und Zeugen. Beide wurden oft durch Geld oder Beziehungen verschafft, so daß sie vom Gegner angefochten wurden. Nahezu Einstimmigkeit der Richter war für die Entscheidung Bedingung, und diese war in vielen Fällen nicht zu erzielen.

Aber der Hauptgrund der Rechtsunsicherheit lag doch in der gesetzlich nicht festgelegten Macht der Goden. Oft wurde die Zuständigkeit eines Bezirksthinges angefochten. Häufig war überhaupt keins vorhanden. Ein großer Schritt in der Entwicklung des Einheitsstaates war es, als Thord Gellir auf dem Allthing eine genaue Bezirksverfassung und eine Festsetzung aller stimmfähigen Goden des Landes erreichte.

Das ganze Land wurde in vier Viertel eingeteilt, die nach den Himmelsrichtungen benannt waren. Jedes Viertel bestand aus drei Thingverbänden. Jeder Thingverband umfaßte drei Godentümer mit je einem Haupttempel. Nur den Nordländern wurde noch ein vierter Thingverband bewilligt, da sie sich über ihre Thingstätten auf keine andere Weise einigen konnten.

Jeder dieser drei ehn Thingverbände war verpflichtet, im Frühling wie im Herbst besondere Thinge abzuhalten, auf denen die Gemeindeangelegenheiten erledigt und Recht gesprochen werden sollte. Hier kamen die drei Goden des Bezirks mit ihren Leuten zusammen. Auch hielten die neun oder zwölf Goden des Landesviertels noch besondere Hauptversammlungen ab.

Die 39 Goden besetzten wie früher mit den von ihnen empfohlenen Männern das oberste Gericht. Doch wurde dies jetzt in vier gesonderte Senate eingeteilt, die genau den vier Landesvierteln entsprachen. Die früher mit dem Gerichtshof identische gesetzgebende Versammlung wurde nun abgetrennt, und in ihr erhielten nicht nur die Vertreter der Goden, sondern auch diese selbst Sitz und Stimme. Dadurch wurde der aristokratische Charakter des Gesetzesausschusses erheblich verstärkt.

Neben den amtlichen 39 Godentümeru konnten sich beliebig viele andere Tempelgemeinden auftun, aber nur die Inhaber jener konnten fortan auf den Rechtsgang der vier Senate am



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Obergericht und vor allem auf die Gesetzgebung einen entscheidenden Einfluß ausüben.

Durch das Gesetz des Thord Gellir war der Gegensatz zwischen dem aus dem Auslande entnommenen Verfassungsentwurf und dem bodenwüchsigen isländischen Godentum nach Möglichkeit ausgeglichen. Dadurch, daß jedes Godentum der Ins sein festes Gaugericht hatte und jedes Viertel Islands auch auf der höheren Instans in gesondertem Senat vertreten war, wurde die Rechtssicherheit wesentlich erleichtert.

Doch auch die vier Senate des Obergerichts konnten oft zu keinem rechtskräftigen Entscheid kommen, und Fehden, ja förmliche Schlachten auf dem Allthing waren auch jetzt noch keine Seltenheit. So wurde 1002 in Thingvöll noch zu einer letzten Neuerung geschritten, die das Verfassungswerk abschloß. Es wurde ein fünfter Senat eingerichtet, der alle auf den vier Berufungssenaten nicht erledigten Rechtshändel aburteilen sollte.

In der Art, wie diese Neuerung zutage trat, zeigte sich die Macht der alten Familien. Der weise Njal, ein mächtiger Häuptling, wünschte für seinen Pflegesohn Höskuld ein neues Godentum. Als bei einer Tagung des Allthings einmal besonders viele Rechtshändel nicht zur Erledigung kamen, benutzte er klug die Gelegenheit, um den Vorschlag einer neuen obersten Instanz auf dem Allthing selbst zu machen.

Dieses fünfte Gericht, das alle durch die Viertelsenate nicht erledigten Rechtsfälle noch in derselben Allthingssitzung ent- scheiden sollte, konnte durch die Vertreter der alten Godentümer allein nicht besetzt werden. So war die Schaffung neuer Godentümer notwendig, und leicht wurde es Njal, bei den angesehenen Häuptlingen eines von ihnen seinem Günstling zu erwirken.

Für dieses fünfte Gericht waren die größten Vorsichtsmaßregeln getroffen, um die gewaltsame Rechtshemmung der Vorinstanzen möglichst zu hindern. Den Parteien stand den drei Dutzend Richtern, die dort tagen sollten, gegenüber ein ausgedehntes Verwerfungsrecht zu. Die hier geleisteten Eide sollten eine verschärfte Bedeutung erhalten, um eine größere Sicherheit für die Ehrenhaftigkeit aller dem Prozeß beteiligten Zeugen,



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Eideshelfer und Richter zu erzielen. Auch sollte hier nicht Stimmeneinheit, sondern Stimmenmehrheit den Ausschlag geben.

Die nächste Folge war, daß der Zweikampf, der bisher die letzte Zuflucht bei unentschiedenen Rechtshändeln gebildet hatte, wei Jahre später abgeschafft wurde. Freilich erhielt er sich widerrechtlich trotzdem, und auch jetzt noch hörten Waffenfehden vor Gericht nicht auf.

Fehdelust der einzelnen und kluger Egoismus der großen Familien waren schon bei der Bildung des neuen Staates hervorgetreten. Beide hören auch in den nächsten dreißig Jahren nicht auf, eine bedeutsame Rolle auf den alljährlichen Allthingsversammlungen zu spielen.

Ein abwechslungsreiches Bild entfaltete sich auf Thingvöll um die Zeit des Hochsommers. Aus dem bunten jahrmarktartigen Volksgetümmel sondern sich die drei wichtigsten Erscheinungen des Thinglebens wirkungsvoll ab.

Für sich tagt die gesetzgebende Versammlung. Sie hatte allein die Rechtsnorm festzustellen, und nur sie war befugt, Ausnahmen davon für die Prozessierenden durchzusetzen. Wiederum an anderm Ort sitzen die Richter der einzelnen Abteilungen. Kein Thingteilnehmer darf unaufgefordert ihren Gerichtsring betreten. Am Abend ziehen sie aus, um das Urteil vom Gesetzesfelsen zu verkünden.

Der Gesetzesfelsen ist der heiligste Punkt der Thingstätte. Von ihm aus dürfen auch Privatpersonen wichtige Mitteilungen an die Versammlung richten. Die Erlaubnis dazu aber hat der Gesetzessprecher zu geben, der auch stets den juristischen Rat erteilt. Dieser Platz ist allein seine Domäne. Nur aus den besten Männern des Landes wählt ihn die gesetzgebende Versammlung. Das Bild des Thingfriedens ist in dieser Persönlichkeit greifbar verkörpert.

Und doch. Wie leicht wandelt sich diese ganze friedliche Szenerie in Krieg. In ihren Buden besuchen, bewirten und beraten sich die von Waffen starrenden Häuptlinge. Auch jetzt noch kann es durch Intrigen zu Thingauflösung und zu Thingschlachten kommen.



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Eine Änderung trat auch nicht ein, als im Jahre 1000 das Christentum als Staatsreligion öffentlich anerkannt wurde. Mochte es auch die Versöhnlichkeit und die Enthaltung vom Zweikampf hier und da unterstützen: eine Umwandlung der Geister im Sinne des Christentums kam in den ersten dreißig Jahren nach seiner Einführung nicht zustande.

Der Charakter des Staates blieb durchaus heidnisch. Das lag in den eigentümlichen Verhältnissen Islands begründet. Früh hatte die religiöse Gleichgültigkeit des Volkes die in der Landnahmezeit eingewanderten christlichen Elemente wieder verschwinden lassen. Seit den achtziger Jahren des zehnten Jahrhunderts waren zwar Missionare aus Deutschland und Norwegen tätig gewesen. Mancher auf der Insel, selbst einflußreiche Häuptlinge, waren zur Bekehrung gebracht. Indes nicht der christliche Eifer der Bekehrten war die Ursache des Sieges der neuen Religion. Rein aus politischen Erwägungen, um die Einheit des Staates durch die Glaubensspaltung nicht zu gefährden, wurde allgemein der Christenglaube angenommen . Diese Annahme war gleichsam die Probe auf die Festigkeit der Republik.

Der Vorgang selbst, wiederholt in den Sagas dargestellt, gestattet sich äußerst dramatisch. Es sieht aus, als solle eine große Volksschlacht auf dem Allthing geschlagen werden. Im letzten Augenblick erfolgt dann nach eingehenden Verhandlungen der beiden Parteien eine friedliche Vereinbarung. Auch die Heiden sahen ein, daß ohne die Annahme der neuen Lehre die Existenz des Staates gefährdet war.

Die Christen, die in voller Waffenrüstung auf das Allthing rückten, wurden von zwei Häuptlingen geführt, die König Olaf Tryggvason in Norwegen auf die Bekehrung Islands verpflichtet hatte. Er zürnte wegen der Mißerfolge, die seine Missionare im Lande gehabt hatten, und hatte sich nur unter der Bedingung davon abhalten lassen, alle Isländer in Norwegen zu töten, daß die Bekehrung auf dem Allthing durchgesetzt würde.

Wilder Protest der Heiden erhob sich, als die Christen den Thingplas betreten wollten. Noch erbitterter ward die Stimmung,



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als sie gar in feierlichem Aufzug vom Gesetzesfelsen König Olaf Tryggvasons Wunsch dort verkündeten. Unvermeidlich schien jetzt der Zwist. Man sagte sich einander Recht und Frieden auf. Alle Vorbereitungen zur Schlacht waren auf beiden Seiten getroffen, als auch noch ein gewaltiger Vulkanausbruch stattfand. Die erbitterten Heiden meinten, ihn hätten die über die frevlen Reden der Christen erzürnten Götter gesandt . Da rief Snorri, der angesehenste der christlichen Häuptlinge, wen denn wohl die alten Asen bei früheren Vulkanausbrüchen gestraft hätten! Beruhigung trat ein, und mit dem heidnischen Gesetzessprecher Thorgeir traten die Führer der Christen zusammen, um zu beratschlagen.

Aus den Bedingungen, die für die Annahme des Christentums vereinbart wurden, tritt der rein staatliche Charakter der Christianisierung Islands hervor.

Was man den Heiden irgend gestatten konnte, blieb. Sie durften weiter Pferdefleisch essen, was sonst von den Missionaren als äußeres Zeichen des heidnischen Opferdienstes streng verpönt wurde. Das Aussetzen der Kinder, vom christlichen Standpunkte ein Greuel, wurde nach wie vor gestattet. Selbst heimliches Opfern zu den alten Göttern sollte straflos bleiben. Bloß das öffentliche Bekenntnis zur heidnischen Lehre wurde mit Landesverweisung bestraft. Die Thingleute mußten sich sofort zur Taufe bequemen. Die Nord- und Ostländer, die durchaus nicht in das kalte Wasser steigen wollten, taufte man in warmen Quellen. So hatte der neue Staatsvertrag äußerlich war das Christentum gebracht, innerlich aber auf ein Menschenalter noch die Macht des heidnischen Staates gefestigt.

Der politischen Selbständigkeit drohte trotz weiterer Einwirkungsversuche König Olaf des Heiligen einstweilen keine Gefahr mehr. Bei der Entfernung der Insel war an einen festen und auf die Hierarchie der römischen Kirche gestützten Episkopat nicht zu denken. Die Goden bauten Kirchen statt der Tempel, wie sie dies vereinzelt schon bisher getan hatten. Sie wurden auch wohl christliche Priester. An ihrer weltlichen Machtstellung büßten sie nichts ein.

Gern war das ganze Volk dem Entscheid des Gesetzsprechers



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Thorgeir gefolgt. Die Heiden vertrauten ihm, weil er einer der Ihrigen war, die Christen, weil die neue Lehre äußerlich durchgesetzt wurde. In der Überzeugung von der Notwendigkeit des getanen Schrittes in politischer Hinsicht waren alle Einsichtsvollen einig.

Die dem Einheitsstaat feindlichsten Kräfte waren der im Godentum gipfelnde Egoismus der alten Familien und der fehdelustige Eigensinn einzelner Wikingernaturen im Volk gewesen. Diese blieben in den ersten hundert Jahren der Republik in mancher Hinsicht ungebrochen. Aber es war doch ein Zeichen für die außergewöhnliche politische Begabung des jungen Volkes, daß auch jene widerstrebenden Elemente in kritischen Augenblicken bei der Bildung des Staatswesens nicht versagt hatten.

persönliche Motive hatten einen Thord Gellir und einen Njal zur Erreichung der beiden wichtigsten Staatsreformen geführt. Aber beidemal waren die Einrichtungen, die diese beiden klugen Männer durchsetzten, in den inneren Verhältnissen des ganzen Volkes begründet. Sie hätten mit Notwendigkeit auch ohne sie später eintreten müssen.

Nicht anders war es bei der Krönung des Einheitswerkes durch die Einführung des gemeinsamen Glaubens. Der Staatsgedanke, der durch die Einmischung des Norwegerkönigs gefährdet war, gab bei dem heidnischen Gesetzessprecher Thorgeir die Entscheidung, die Einsetzung der neuen Religion zu befürworten. Aber auch bei den christlichen Häuptlingen, vor allem beim Goden Snorri, war die gleiche Erwägung maßgebend. Auch das Godentum hatte ein Interesse daran, daß nicht durch Zersplitterung in eine heidnische und eine christliche Partei die durch das Allthing nach außen gewährleistete Staatseinheit gefährdet wurde. Es schützte den neuen Staat vor jeder inneren Verknöcherung, daß er wirklich aus dem Willen der einsichtsvollsten und tatkräftigsten Männer Islands geboren ward.

Keine Gestalt erregt in der politischen Geschichte des Freistaates ein solches Interesse wie der Gode Snorri. Er war einer der mächtigsten Häuptlinge. Kampf und Fehde füllten das Leben des vielgewandten Mannes, mochte er daheim in seinem Bezirk am Breitfjord weilen oder auf dem Allthing seinen Rat in die



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Wagschale werfen. Auch das Christentum tat seiner Kämpennatur keinen Abbruch. Diese teilte er mit vielen andern. Was ihn aus der Menge der Zeitgenossen heraushob, drückt sein Zuname " der Gode" nicht aus. "Der Kluge" hätte er am passendsten geheißen.

Die Sagas schildern ihn eingehend. Er war von mittlerem aber etwas schmächtigem Wuchs, mit regelmäßigen schönen Gesichtszügen, von lichter Hautfarbe. Im täglichen Leben war er verträglich. Man merkte ibm nicht leicht an, ob ibm etwas wohl oder übel gefiel. Wirkliche Beleidigungen trug er dennoch lange nach und war dann sehr rachgierig. Snorri war klug und konnte in manchen Dingen in die Zukunft schauen. Heilsamen Rat erteilte er seinen Freunden, aber seine Feinde glaubten, in seinen Ratschlägen eine gehässige Gesinnung zu erfahren. So wurde er bald ein großer Häuptling und Tempelvorsteher. Wegen seiner Macht wurde er viel beneidet. Es gab ja viele, die ihrer Abstammung nach sich nicht geringer dünkten, an Stärke und erprobter Tapferkeit aber sich größer fühlten.

Snorris Leben bestätigt diese Charakterskizze. In die großartigste Saga des Nordlandes wie des Südlandes leuchtet seine Bedeutung hinein.

Der junge Grettir, Nordislands größter Held, ist durch Gerichtsbeschluß zu ewiger Friedlosigkeit verurteilt. Die Freunde weisen ihn an den klugen Rat des Goden Snorri. Dieser verspricht dem Geächteten, nach Kräften seine Sache zu vertreten, wenn er ihn auch nicht in seinem Hause aufnimmt. Die politische Klugheit Snorris mochte einen Hader mit anderen mächtigen Häuptlingen befürchten.

Vorsichtig zurückhaltend, aber in dem entscheidenden Augenblicke tatkräftig zeigt sich Snorri auch in der großen Saga des Südlandes. In dem Streit zwischen Flosi und den Njalssöhnen wegen der Ermordung von Njals Pflegesohn Höskuld wird sein kundiger Rat begehrt. Auch hier macht sich die zur Vermittlung neigende Natur des besonnenen Mannes wohltuend geltend.

Trotzdem wird auch Snorri in das große Allthingdrama am Schlusse der Njalssaga verwickelt. Durch Flosi, der für Höskuld



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Rache nahm, ward der alte Njal mit Weib und Kindern in seinem Hause überfallen und durch Feuer getötet. Njals Verwandter Kari sucht die Hilfe mächtiger Häuptlinge in dem Prozeß , den er gegen Flosi wegen des Mordbrandes auf dem 'Allthing anstrengt. Dieser erscheint mit reicher Hilfe aus dem Ostlande . Als Vermittler im Prozeß sowie in der furchtbaren Schlacht, die dann zwischen beiden Parteien anhebt, spielt Snorri die hervorragendste Rolle. Die größten Ehren erfährt er, als er schließlich den Vergleich zustande bringt.

Die rührigste Tätigkeit entfaltete Snorri am Breitfjord in seiner Heimat. Außer der nach ihm genannten Saga wissen auch die Geschichten von den Leuten aus dem Tal der Lachsach und die Erzählung vom Hochlandkampf von des unermüdlichen Mannes Schlauheit zu berichten.

Snorris Schwiegervater wurde der Haudegen Vigastyr, der dreiunddreissig Feinde erschlagen hatte, ohne auch nur einmal Buße dafür haben zahlen müssen. Dessen Tochter errang er, indem er Vigastyr kluge Ratschläge gab, wie er sich zweier Berserker , die jene umwarben, am besten erledigen könne. In Zwiesprache mit dem Donnergott behauptete Snorri die listigen Vorschläge zur Abwehr der Unholde auf dem von seinen Ahnen geheiligten Berge empfangen ;u haben. Ebendort baute der diplomatische Mann später eine Kirche. Er duldete, daß sein christlich gesinnter Sohn an dem Rachezug für den getöteten Schwiegervater sich nicht beteilige. Er selbst nahm in echt heidnischer Art fürchterliche Blutrache,

Ein besonderes Vertrauensverhältnis verband Snorri mir den Leuten aus dem Lachstal. Ein treuer Berater wurde er für die Heldin jener Gegend, Osvifrs Tochter Gudrun. Auf seinen Rat nimmt Gudrun seinen Freund Thorkel zum Gemahl. Ja Snorri tauscht sogar mit Gudrun seinen geliebten Wohnsitz Helgafell, da jene mit den Mördern ihres vorigen Gatten nicht in demselben Bezirke wohnen will. Aber streitbar und unternehmungslustig bleibt er auch in der neuen Umgebung.

Die Saga vom Goden Snorri selbst ist vor allem dazu angetan, seine verschlagene, aber doch mannhafte Gestalt in ihrem Wert hervortreten zu lassen. Spielt sie doch gerade auf dem Boden,



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Ouelle unter überwachsenem Lavafeld in Nordisland


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der für die erste Reform der Staatsverfassung durch Thord Gellir von so großer Bedeutung wurde. Auf dem Thorsnesthing fand jener wütende Gerichtskampf statt, zwei Jahre bevor der Gode Snorri dort geboren wurde.

Der wilde Spuk, der die Saga von Anfang bis Ende durchwebt, gibt ein gutes Kolorit der Zeit des Übergangs vom Heidentum zum Christentum. Aber in dem Auftreten Snorris diesen Gespenstern gegenüber liegt auch der einzige Zug, der bei ihm christlich anmutet. Im übrigen ist er auch nach seiner Bekehrung der gleiche tatenlustige und ränkevolle Heide.

Schon mit dreißig Jahren steht Snorri auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seinen Hauptgegner Arnkel hat er nach lange voraufgegangenem Hader endlich vernichtet. Durch seine Verschwägerung mit dem mächtigen Vigastyr hat er sich großen Einfluß gesichert. Er ist nun unbedingt dank seiner klugen Berechnung und seiner Tapferkeit der erste Mann am Breitfjord. So entscheidet er auch den Streit seiner Verwandten, der Leute aus dem Alptafjord, der "Schwanenbucht". mit den Männern aus Eyr, die auf dem Eise des Vigrafjords die wütendsten Kämpfe ausfochten. Am Ende des isländischen Heldenzeitalters läßt ihn die Saga sterben. Im kräftigen Mannesalter hatte er auf dem Allthing sein Hauptwerk vollbracht. Sein Name war mit der Bildung des Freistaates für immer verknüpft.



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7. Die altisländische Familie

In der "Weissagung der Seherin", dem gewaltigsten Edda- gedichte, wird das Schicksal der Götter und Menschen durch eine dichterische Vision uns vor Augen geführt. Der Blick der Weissagerin weilt auch im Reich der Hel bei den Toten. Dort müssen durch eiskalte Ströme in giftigen Tälern waten, die im Leben einen Eidbruch verübten oder die Heiligkeit der Sippe brachen. Wie diese Wasserhölle wurzelt die Vorstellung von der Furchtbarkeit gerade dieser Vergehen tief im nordischen Heidentum. In seinen wikingerhaften Fehden war das gegebene Manneswort die einzige Sicherheit. Rein Band schlang sich so fest von frühster Jugend bis zum höchsten Alter um den alten Isländer wie das der Familie.

Die Strenge des Familienzwangs setzt schon bei dem Neugeborenen ein. Dem Vater stand bei der Geburt des Kindes das Recht zu, seine Annahme zu verweigern. Erst nachdem er es selbst vom Boden aufgehoben und dadurch ausdrücklich als das seine anerkannt hatte, gehörte es zur Familie. Aussetzung kam besonders bei schwächlichen und Bastardkindern vor, galt aber nicht als besonders ehrenhaft.

Gleich nach der Geburt wurde das Kind mit Wasser benetzt und erhielt gewöhnlich von dem Vater den Namen. Diesen Rufnamen erhielt es häufig nach dem Großvater. Auch das deutet auf den festen Zusammenhang der einzelnen Mitglieder des Geschlechtes. Dem äußern Symbol der Familienzugehörigkeit bei der Namengebung lag alter Glaube zugrunde, daß durch sie auch des Großvaters Wesen sich auf den Enkel vererbe.

Ungewöhnlich groß ist die Zahl der Männer- und Frauennamen mit 'Thor am Anfang. Sie zeigen die hervorragende Stellung an, die dieser Gott im Heidentum auch auf Island noch einnahm. "Thorgrimssohn" und"Thorgerdstochter", auf diese einfache Weise wurden die Familiennamen nach dem Namen des Vaters gebildet. Seltener nach dem der Mutter, besonders, wenn der Vater vorzeitig starb. Dazu traten dann bald Spitznamen, die Beinamen fürs Leben wurden.

Sehr häufig tritt an Stelle des leiblichen Vaters für das



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Kind ein Ziehvater ein. Die Gründe dafür sind mannigfacher Art. Freundschaft und Verwandtschaft können diesen Liebesdienst leisten. Doch ist oft die Sucht, sich bei dem mächtigen Vater eines Kindes beliebt zu machen, der Antrieb zur freiwilligen oder nahegelegten Aufnahme eines Zöglings. Immer aber ist das Verhältnis zwischen Ziehvater und Ziehsohn ein enges, oft enger als das von Vater und Sohn.

Sehr früh regt sich bei dem Knaben Selbständigkeit und Kampflust. Waffen sind sein Lieblingsspielzeug. Der Wort- oder Waffenstreit Erwachsener wird gern im kindlichen Spiel nachgeahmt. Bei den Zusammenkünften zu Ballspiel und ähnlichem Sport bilden die Knaben oft eine eifrige Jugendgruppe unter sich.

Mit zwölf Jahren ist häufig der Knabe schon in Rat und Tat ein kleiner Held. Er gilt dann als Erwachsener, darf auf dem Thing sich sehen lassen und nimmt an kriegerischen Fehden im Lande teil. In nicht viel höherem Alter zieht mancher schon als Wiking aus in fremde Länder. An der Rührigkeit der Jungen, selbst wo sie in Gewalttätigkeit ausartet, haben die Alten ihre stille Freude. Es gibt freilich unter jenen auch Duckmäuser an der Herdasche, die erst später, dann aber oft um so kräftiger, zum Heldentum erwachen.

Häufig entwickelt sich unter den jungen Männern bei ihren Unternehmungen daheim und im Ausland innige Freundschaft. Um meisten bei Ziehbrüdern, die von Jugend auf zusammen waren. Oft wurde die Kindheitsgenossenschaft zur Blutsfreundschaft erweitert. Unter Streifen Rasen, die in Manneshöhe vom Boden abgelöst und durch Speere gestützt waren, aber an beiden Enden mit dem Erdboden zusammenhingen, schworen sie sich Freundschaft fürs ganze Leben und ließen zum Zeugnis dieses Eides ihr Blut zusammenrinnen. Solche Schwurbrüder blieben sich bis zum Tode treu.

Auch das Verhältnis der leiblichen Brüder war fast immer gut. Oft taten sich die Brüder zu einer Kampfgenossenschaft zusammen . Der Bastard-Bruder wurde gern durch einen feierlichen Akt in die Sippe eingeführt. Blutrache wurde auch für ihn genommen.



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Das Leben der jungen Mädchen war vor der Ehe zurückgezogen. Sie gingen meist in häuslicher Arbeit auf, begleiteten aber die verwandtschaft auf Thingfahrten und nahmen an Spielfesten und auch Gelagen teil. Wie die Knaben wurden auch die Mädchen früh reif. Ohne Romantik, nach praktischen Erwägungen, oft aus politischen Gründen, wurden die Jungfrauen verheiratet. Der Vater oder andere Verwandte leiteten die Sache ein, aber auch, wenn der Mann nach eigenem Ermessen freite, tat er dies fast immer nach Verstandesrücksichten. Tüchtigkeit, Wohlhabenheit und gute Familie gaben bei der Wahl des Mädchens den Ausschlag. Annäherung vor der Ehe oder gar regelrechte Liebesverhältnisse wurden von den beiderseitigen Verwandten mit mißtrauischem Auge betrachtet . Die Besorgnis, daß durch leichtsinnige Verführung Schmach in eine Familie kommen könne, war groß.

War eine Annäherung junger Leute erst Gespräch der Gegend geworden, so schlug der Vater wohl sogar eine Eheverbindung ab, selbst wenn die Aussichten für eine solche auf beiden Seiten vorher gute waren. Daß man den Verführer einer Haustöchter in guten Familien durch Totschlag aus dem Wege räumte, war in jenen wilden Zeiten die natürliche Folge einer so strengen Auffassung von der Unbescholtenheit der Mädchen.

Seltsamer, aber auf dieselbe Angst vor Bloßstellung der Jungfrauen gegründet, erscheint uns die Mißliebigkeit der Liebesdichtung . Achtung, die im Gesetz darauf gesetzt war, hat wohl die wenigsten poetischen Minnewerber in Wirklichkeit betroffen. Aber Buße durfte man rechtlich für Ansingung eines Mädchens fordern. Trotzdem konnte es schließlich kein Gesetz hindern, daß romantische Liebesverhältnisse in unserem Sinne vorkamen und auch gelegentlich geduldet wurden. Die Skaldenlieder verraten hier manches, was die nüchterne Erzählung der Saga nicht kennt.

Fehlt auch der schmachtende, von seinem Mädchen abgewiesene Liebhaber in jener Zeit nicht völlig, so ist doch in der Regel die Tochter ohne Einfluß auf ihre Verheiratung. Sie wird fast immer vom Vater vergeben und kann nach dem Gesetz zur Ehe gezwungen werden. Freilich machen die Väter nicht selten



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eine Ausnahme von ihrer Berechtigung und stellen die Einwilligung der Tochter dem Bewerber als Bedingung, aus Liebe oder weil sie den stolzen Charakter ihrer Kinder kennern

Der Verheiratung ging die feierliche Verlobung voraus. Umgeben von Verwandten reiste der Freier zur Braut, warb selbst oder durch den Mund eines nahen Gesippen für sie und bot ihr die Hochzeitsgabe. Diesen Handel oder Kauf der Braut, wobei die künftigen Vermögensverhältnisse genau geordnet wurden, schloß man durch einen Vertrauensmann des Freiers. Der Tag der Hochzeit wurde fest bestimmt, spätestens ein Jahr nach der Verlobung.

Die Hochzeit fand bei dem Vater der Braut statt, und je angesehener die Familien waren, je mehr legte man Gewicht auf eine ansehnliche Festversammlung. Bei dem Mahl herrschte strenge Etikette in der Anordnung der Gäste. Der Bräutigam saß auf dem ersten Hochsitz, ihm gegenüber auf der niederen Bank der nächste Verwandte der Braut. Lustige Erzählungen und Lieder der Skalden würzten das Mahl. In Entfaltung von Glanz und Prunk konnte sich hier der ganze Stolz der alten Familien zeigen. Die angesehensten und vornehmsten Gäste wurden am Ende des Hochzeitsmahles vom Gastgeber beschenkt.

Trotz der geringen Bekanntschaft der Brautleute vor der Ehe war das Verhältnis der Gatten meist gut und glücklich. Die Hausbau war zwar rechtlich von ihrem Manne abhängig, aber, wenn sie wirtschaftlich tüchtig war, gewann sie bald auf das gesamte Hauswesen einen großen Einfluß. Nicht selten verwalteten tatkräftige Frauen nach dem Tode oder in Abwesenheit des Mannes allein ein großes Gehöft. Die Fälle sind selten, wo Böswilligkeit und Ränkesucht einer Frau den Mann ins Verderben stürzt. Meist waltet zwischen Mann und Frau, zwischen Mutter und erwachsenen Söhnen ein gutes Einvernehmen. Frau und Mutter sind oft in der Forderung der Blutrache für ihre Männer und Söhne nicht weniger energisch als der Hausherr . Dieser schätzt den Rat der Frau oft sehr hoch ein. Jene steht ihm mannhaft zur Seite und geht häufig treu mit ihm in den Tod.



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In das Verhältnis zwischen Hausherr und Hausbau wirft auch das in Island sehr ausgedehnte Konkubinat kaum einen Schatten. Bei der Strenge, mit der die alten Familien auf die Unbescholtenheit der Jungfrauen hielten, wählte sich der Hausherr diese Lagergenossinnen meist aus dem Dienstpersonal, Auch im Kriege erbeutete oder auf Wikingerzügen von Händlern gekaufte Mädchen, oft von hoher Abkunft, wurden Konkubinen verwandt. Meist ließ sie der Hausherr, um Eifersüchteleien mit seiner Gemahlin zu vermeiden, auf einem besonderen Gehöft wohnen. Gediehen die Bastardkinder gut, so wurden sie auch wohl in die Familie eingeführt. Geachtet aber war der Stand der Konkubinen nicht. Waren Frauen vom Freier den Eltern geraubt oder bei der Hochzeit irgendwelche Förmlichkeiten nicht erfüllt, dann war man gleich mit dem Schimpfnamen"Kebse" zur Hand. Aber im Hauswesen brachten diese Mädchen, die gewöhnlich im dienenden Verhältnis zur Hausfrau standen, meist keine Störung. Ja sie standen oft auch mit der Frau des Hauses gut.

Auch die Herrschaft und das dienende Volk umschloß ein festeres Band, als man es bei dem rechtlichen Stande der Sklaven und Sklavinnen hätte erwarten sollen. Diese warm meist Nachkommen der von den Landnahmemännern aus Norwegen mitgebrachten Unfreien. Dazu traten irische Knechte und Mägde aus den norwegischen Kolonien auf den britischen Inseln. Ein erheblich neuer Zufluß kam, als die Besiedelung zu Ende war und die Kriegszüge aufhörten, kaum mehr hinzu. Außerdem wurde gar mancher Sklave freigelassen und ward dann leicht Vertrauensperson. Freigelassene verwalteten selbständig Güter ihres ehemaligen Herrn. Aber auch die Sklaven blieben, wurden, so verachtet dem Gesetz nach ihre Stellung gegenüber den Freien war, doch meist menschlich behandelt.

Die gemeinsame Tätigkeit trug wesentlich dazu bei, Herren und Knechte, Hausfrauen und Dienerinnen einander zu nähern. In der Landwirtschaft, die doch die Hauptarbeit der isländischen Familie bildete, waren alle, Freie wie Unfreie, tätig. Schmiedekunst und anderes Handwerk waren einem tüchtigen Hauswirt geläufig. Feldbestellung und Sennbetrieb verschmähten



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selbst in den besten Familien Herr und Frau des Hauses nicht. Auch Seie Männer gaben sich oft freiwillig in den Dienst und Gold einer Familie und nahmen dann als "Hausgenossen" an der gemeinsamen Arbeit teil. Die Viebbesorgung, die als niederste Verrichtung des Hauswesens galt, besorgten meist die Knechte. Oft entstanden Flurstreitigkeiten auf der Weide. Ein tüchtiger Schafhirt war da von großer Bedeutung. Er diente auch oft dem Herrn als Späher, wenn Unfriede oder Gefahr von den benachbarten Gehöften drohte.

Wurde ein Knecht dabei erschlagen, dann zeigte sich freilich, wie gering er einem Freien gegenüber gewertet wurde. Zwar stand dem Eigentümer dafür eine Geldentschädigung zu, aber ein eigentliches Wergeld, wie für den freien Mann, wurde nicht gefordert. Hatte doch auch der Hausherr das Recht, jeden unbequemen Sklaven straflos zu töten.

Am augenfälligsten war die isländische Familie mit Hausgenossen und Sklaven bei der Heuernte versammelt. Sie währte, je nach der Gegend und der Witterung des Jahres, von Ende Juni bis in den September. Auf den reichen und üppigen Wiesen entfalteten sich dann prächtige Bilder bäuerlicher Arbeit . Freilich die Waffen mußte man auch da zur Hand haben. Ein Feind konnte immer nahen.

Die Zahl der Hausgenossen und Knechte war in einem Bauerngehöfte oft groß. Mancher Großbauer mag sich auf seinem Besitz nicht weniger mächtig vorgekommen sein wie ein Kleinfürst im Mutterlande Norwegen. Dreißig waffenfähige Männer auf einem Besitztum waren keine Seltenheit. Es gab Edelbauern, die 80, ja 100 Leute auf ihrem Gehöft nr Verfügung hatten.

Männer wie Frauen bewahrten sich oft ihre Rüstigkeit bis ins hohe Alter und wurden dann deshalb bewundert. Nicht selten aber zog sich der Herr des Hauses, wenn er älter wurde, von der Verwaltung des Besitzes zurück, und der älteste von seinen Söhnen trat an seine Stelle. Dann wurde der Alte auch wohl auf seine letzten Tage grillenhaft und eigenwillig und machte der Hausgenossenschaft viel zu schaffen.

Vielleicht tritt die Eigenart der isländischen Familienverhältnisse nirgends deutlicher zutage als in der Auffangung des Alters.



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Auf körperliche und geistige Schlagfertigkeit war das Leben dieses urwüchsigen Volkes gegründet. Jede sentimentale Lebensauffassung war jenen starken Naturen fern. Wohl klagt einmal ein altisländischer Vater über seinen getöteten Sohn, Aber dann ist sicher das Leitmotiv seines Schmerzes, daß so viel blühende Kraft dem Geschlechte und ihm selbst nutzlos verloren gegangen ist. Auch die Frauen, die bei den Kämpfen durch Wundenverbindung die Schmerzen der Männer lindern, verleugnen diese harte Lebensauffassung nicht. In der Forderung der Blutrache sind sie unerbittlich wie die Männer. Nicht früh genug konnte auch nach ihrem Geschmack Kraft und Mannhaftigkeit schon bei Kindern auftreten. Die Kraft eines Knaben war für später ein werbendes Kapital.

Bei dieser allein auf Kraft gestellten Lebenswertung der alten Isländer ist es natürlich, daß ihre Beurteilung der Alten von unserer wesentlich abwich. Ein scharfer Gegensatz tritt zutage in ihrer Ehrung beim Tode und in ihrer Behandlung in den letzten Lebensjahren. Dort konnte man sich an äußeren Ehren kaum genugtun, bier war gutmütiger Spott in der Behandlung des Alters wohl die Regel.

Daß der Tote möglichst bald unter die Erde kam, war ein strenges Erfordernis heidnischer Sitte. Selbst der Gegner, der einen Feind erschlug, sorgte dafür, daß dieser mit Erde oder darauf gelegten Steinen vorläufig verhüllt wurde. Für die Verwandten war es unbedingte Pflicht, dem Gestorbenen die Totenhilfe zu gewähren. Man drückte ihm Lippen und Nasenlöcher zu, damit die Seele aus dem Körper leichter weichen könne.

Die Toten wurden nicht verbrannt, sondern in einem Grabhügel beigesetzt. Häufig lag dieser auf einem Felsvorsprung nahe der See. Auch die Höhe, an der das Gehöft lag, wurde zur Anlage der Grabstätte gewählt. Der Lebende hatte sich wohl auch schon diesen Platz gewünscht, um noch im Tode sein Besitztum zu überblicken. Steine errichtete man um den Grabhügel als Totenmal.

Der Leiche wurden Gewänder und Waffen, fast immer auch Schmuckgegenstände in das Grab mitgegeben. Selbst das Roß



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Steindenkmal des hier erschlagenen Skalden Thorgeirr auf Hraunhafnartangi. Nordisland


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und der Leblingssklave wurden bisweilen mitbegraben. Außergewöhnliche Helden wurden auch wohl in vollem Waffenschmuck sitzend im Hügel bestattet. Bisweilen beerdigte man den Toten auf einem Schiff in der Erde, ein sinniger Hinweis auf des Lebenden Wikingertum. Allen diesen Bestattungsbräuchen lag deutlich die Vorstellung eines Weiterlebens nach dem Tode zugrunde .

Auf die Bestattung der Leiche folgte der Totenschmaus oder das Erbmahl. Hier war die ganze Sippe versammelt, um beim festlichen Gelage auf die Erinnerung des Toten zu trinken. Auch Totenlieder wurden bei diesem Gedächtnismahl vorgetragen, in denen die Taten des Verstorbenen gepriesen wurden. Solche Leichmschmäuse nahmen bei einem berühmten Mann oft einen größeren Umfang an als Hochzeiten und andere Festlichkeiten. Die zahlreich besuchtesten Gastereien, die in den Sagas erwähnt werden, sind solche Totenfeiern, wo zuweilen bis 900, ja 1200 Mann beisammen waren.

Man freute sich, als bei einem solchen Erbmahl der Tote, ein Ertrunkener, mit seinen verstorbenen Gefährten als Geist erschien und an der Feier teilnahm. Man glaubte, er fühle sich jetzt wohl.

Bei den lebenden Alten nahm man meist das Gegenteil an. Das war auch der Hauptgrund, warum man ihnen gewöhnlich mit Zurückhaltung gegenüberstand. Hinter dem gutmütigen Spott, mit dem man sie behandelte, verbarg sich oft das Mißtrauen gegen ihre Eigenwilligkeit und Unberechenbarkeit.

Der Gegensatz von sinkender körperlicher Kraft und noch inden Adern spukendem Wikingertum des Geistes schaffte in den alten Männern oft eine Unruhe, die etwas Unheimliches hatte. So peinigt der alte Thorolf Lahmfuß seinen Sohn Arnkel durch allerhand Unfieden, den er gegen ihn bei den Nachbarn stiftet, und fordert schließlich dessen verbittertsten Gegner zum Prozeß gegen jenen auf. Selbst der alte Egil, der sein Silber auf dem Allthing ausstreuen will, um allgemeinen Unfrieden zu stiften, und der es dann eigensüchtig vergräbt, wird seinen Verwandten ;u einer halb komischen, halb unheimlichen Erscheinung.



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Eine angesehene Stellung nahmen zuweilen die Frauen im hohen Alter ein, wenn sie der Weissagekunst kundig waren. Eine solche Völva oder Zauberin wurde hoch geehrt und reich mit Geschenken bedacht, wenn sie von ihrem Prophetenthron die Zukunft kündete. Doch war hierzu mehr die Furcht vor ihren Hexenkünsten der Anlaß.

Daß der Tote noch nach der Bestattung die Stätten seiner ehemaligen Wirksamkeit aufsuche, war allgemeiner Glaube. Man führte seinen Leichnam ungern aus der Haustür und durchbrach lieber eine Wand, damit er den gewohnten Weg nicht zurückfände. Es wimmelt in den isländischen Sagas von böswilligen Toten und Gespenstern, die unheilstiftend wiederkehren und oft erst mit größter Mühe nr endgültigen Ruhe gebracht werden können.

Ein ausgebreitetes Bild der altisländischen Familie bietet uns die Geschichte vom weisen Njal. Es ist schwer, in jener wilden waffenstarrenden Zeit von einem Familienpatriarchen zu sprechen. Doch kommt jene Sagagestalt der Vorstellung, die wir uns von einem solchen machen, am nächsten.

Mit seiner weise abgewogenen, stets das Beste wollenden Gesinnung schwebt der Geist dieses Mannes über allen Ereignissen seiner weitverzweigten Saga. Er ist gleichweit entfernt von der nur auf das Politische gerichteten Schlauheit und Durchtriebenheit eines Goden Snorri wie von dem maßlosen, alle Schranken des Staates und der Gesellschaft durchbrechenden Draufgängertum des jungen Grettir. Von diesen nächst ihm bedeutendsten Sagagestalten hebt Njal sich ab in seiner wohltuenden Menschlichkeit, die doch nie etwas Weichliches bekommt. Wie nüchterne Prosa wirkt Snorri, wie leuchtende Poesie Grettir. In der Mitte zwischen beiden steht Njal. Seiner Persönlichkeit fehlt jede Romantik Und doch verkörpert er das wirkliche Sagaleben in einer geradezu idealen Weise, die in jener Zeit nicht ihresgleichen hat.

Unter dem Einfluß des allmählich eindringenden Christentums tauchen damals doch bin und wieder schon Gestalten auf, die eine dem Heidentum fremde ungewöhnliche Milde zur Schau tragen. Von dieser Friedfertigkeit um jeden Preis hat Njal, der die Herzensgüte selbst darstellt, freilich noch keine Spur. Auch



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er hat, wo er in seinem Sippegefühl schwer gekränkt wird, nichts gegen Rache einzuwenden und steht in dieser Lebensauffassung auf demselben Boden wie alle seine Zeitgenossen. Sein Aufenthalt als Jüngling in der Fremde beweist, daß auch ihm Wikingersinn nicht fern lag. Der bartlose Mann, der den Spott über diesen äußerlich weibischen Zug von bösen Zungen erfährt, war in seiner Jugend wie der junge Grettir auf Heerfahrten. Daß er auf Thingverhandlungen seinen Mann stand und sein Rat hier hochgeschätzt wurde wie der des Goden Snorri, zeigt der nachhaltige Einfluß, den er auf die Ausbildung des Staates gewann.

Indes seine volle Bedeutung entfaltete Njal doch erst im Kreise seiner Freunde und seiner Familie, die alle mit unbedingter Verehrung ihm aufschauen.

Eine schönere und aufopferndere Freundschaft ist nicht möglich als die zu seinem jüngeren Gefährten Gunnar von Hlidarendi, dem er in tausend Verlegenheiten hilft. Keine harmonischere Ehe kennt die alte Saga als die zwischen ihm und Bergthora, die ihm an Güte wesensverwandt ist und doch wie er von starkem und kräftigem Rachedurst entflammt werden kann, wo es die Wahrung der Sippe gilt. Daneben steht Njals immergleiche Treue seinen Söhnen gegenüber. Die Söhne seiner Ehefrau, die sich in ritterlicher Kampfgemeinschaft zusammentaten, der Bastardsohn Höskuld und endlich der Ziehsohn gleichen Namens , stehen alle seinem Herzen gleich nahe. Nichts kränkt den alten Njal mehr als die Erschlagung jenes Pflegesohnes durch seine andern Söhne. Nichts erfreut ihn stärker, als da seine Gemahlin und alle Söhne einig sind, den Tod seines Konkubinensohnes zu rächen.

Ein ragödienstoff steckt in der Geschichte Njals, dem man in verändertem Sinne das Motto unseres Nibelungenliedes voranstellen könnte, daß Liebe immer zuletzt nur Leid hervorbringe.

Dem jungen Gunnar von "Haldenende" hat Njal während dessen Abwesenheit in Norwegen uneigennützig das Besitztum verwaltet. Nun kommt jener von seinen Wikingerzügen zurück und erzählt von seinen Taten. Ahnungsvoll sagt der ältere Freund: "Berühmt bist du geworden und berühmter wirst du



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noch werden. wird dich viel beneiden, und du wirst dich deiner Haut wehren müssen. Tust du auch nur Tüchtiges, entgiltst du leicht anderer Bosheit."Wie oft Njal den Freund durch seinen weitausschauenden Rat unterstützt hat, er kann nicht einmal den Hader zwischen ihren beiden Familien hindern, Er kann dem Tode Gunnars nicht wehren und ihn nur durch seine Söhne rächen lassen.

Njals Sohn Skarphedin meldet ihm den Tod seines Pflegesohnes Höskuld, der durch jenen und seine Brüder erfolgt ist, "Schlimme Botschaft", sagt der Alte, "so sehr versetzt sie mich in Trauer; daß ich lieber zwei meiner Söhne missen würde, könnte Höskuld am Leben sein. Das wird der Untergang meines ganzen Geschlechtes werden." Auch diese Prophezeiung, daß des Ziehsohns Tod ihn selbst töten würde, erfüllt sich vor Njals Augen.

Er hatte die Sippe von Höskulds Vater Thrain, den seine Söhne erschlagen hatten, durch des Sohnes Annahme an Kindesstatt versöhnen wollen. Nun entfachen Höskulds Verwandte den alten Streit aufs neue. Es kommt zum Überfall auf Njals Besitzung "Bergthorashügel und zum Mordbrand, in dem Njal, seine Gattin und sein ganzes Geschlecht ums Leben kommen.

Die Tragik in Njals Leben wirkt um so natürlicher, als ihm und den Gestalten, die ibn umgeben, nicht die geringste Sentimentalität anhaftet. Praktisch und nüchtern denken diese Menschen, die, wie der alte Njal selbst, als einfache Bauern ihr Feld bestellen. Der eigne Sohn wirft dem Njal das Alter als weichlichmachende Schwäche vor. Wäre Njals Güte nicht mit so ausnehmender Klugheit gepaart, sie hätte kaum von seiner Umgebung so hohe Wertung erfahren.

Hallgerd, die Gemahlin Gunnars von Haldenende, und Skarphedin, Njals eigner Sohn, sind die beiden mächtigen Persönlichkeiten , an deren Gegenwirkung Njals fürsorgliche Weisheit zuschanden wird.

Beide sind urwüchsige und in Anwendung ihrer Kampfmittel skrupellose Kraftnaturen. Unerbittlich schürt Hallgerd den Zwist zwischen den Familien Njals und Gunnars und versagt dem Gatten noch im Todeskampf die letzte Hilfe um einer Züchtigung



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willen, die sie einst ihrer Bosheit halber von jenem empfing. Und Skarphedin kann es dem Vater nie verzeihen, daß er den Sohn seines Todesfeindes ihm zum Ziehbruder gab, ja ihn mit einem Godentum beschenkte. Bei der Frau Gunnars wie bei Njals Sohn ist es die überschäumende Kraft, die um jeden Preis Betätigung sucht und ihre Lahmlegung nicht verträgt .

Hallgerd ist schon als Kind ein Ausbund von Schönheit, und in den Diebesaugen lesen die Verwandten mit Besorgnis die ungewöhnliche Verschlagenheit des jungen Mädchens. Die Freier werden gewarnt, aber ihre verführerische Schönheit berückt alle. Schön ist sie und hochgewachsen. Ihre Haare wallen so lang und schwer hernieder, daß sie sich darin vollständig einhüllen kann.

So tritt sie auch Gunnar auf Thingvöll entgegen, dem sie auf seine Werbung erwidert, es sei nicht vieler Männer Sache, mit ihr eine Ehe zu wagen. Schon zweimal war sie damals verheiratet gewesen. Dem Willen des Vaters hatte sie sich gefügt, aber die ihr zugesprochenen Männer töten lassen. Auch jetzt weist sie Gunnar wegen der Heirat an ihren Vater und tritt hoffärtig in die Ehe.

Auf einem Gastmahl gerät die Jungvermählte sofort mit Njals Gattin Bergthora in Zwist. Aus Zorn darüber, daß sie im Platz hinter einer von Bergthoras Schwiegertöchtern zurücktreten muß, schleudert sie Beleidigungen auf Njal und seine Gemahlin. Sie selbst fordert von ihrem Mann Gunnar Rache für die ihr angetane Zurücksetzung. Eine bäuerliche Brynhild. In den endlosen Plänkeleien, die nun folgen, wird Njals und Gunnars Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Männermorde, die auf beiden Seiten gesühnt werden müssen, hat jener Frauenzank zur Folge. Ja Hallgerd, die Fehde um jeden Preis haben will, läßt selbst aus Bergthoras Vorratskammern stehlen und zündet Njals Scheune an. Damals fiel im Unmut die Ohrfeige des sonst so geduldigen Gunnar, die sie diesem im Tode nicht vergißt.

Stets ist Gunnar durch den klugen Rat seines Freundes mit allen Fährlichkeiten fertig geworden. Da wird ihm seine



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Vaterlandsliebe zum Verhängnis. Er geht nicht in eine dreijährige Verbannung, die ihm das Gesetz bestimmt. So wird er von seinen Feinden überfallen. Er bittet Hallgerd um ein paar Strähnen ihres üppigen Haares, die zerrissene Bogensehne zu ersetzen. Da läßt sie ihn hohnlachend im Stich. Keinen schärferen Gegensatz gibt es, als zwischen ihr und Njals Gattin Bergthora, die sich weigert, den ihr beim Mordbrand gewährten Seien Abzug zu benutzen und erklärt, ihrem Gatten sei sie in der Jugend verbunden, von ihm werde sie sich auch nicht im Alter trennen.

Bei all ihrer dämonischen Tücke konnte Hallgerd vom Standpunkt der alten Saga kaum ein Vorwurf treffen. Gunnar fehlte bei aller Reckenhaftigkeit und Ritterlichkeit des Wesens doch eins: die Selbständigkeit. Njal war sein ständiger Berater. Das mußte eine Natur wie Hallgerd, in der alles Initiative war, ungewöhnlich abstoßen.

Zeigt Hallgerd in ihrer dämonischen Zerstörungssucht doch die Selbständigkeit, die eine isländische Frau in ihrer Familie behaupten konnte, so tritt uns in Skarphedin der Mann in seiner sippenstolzen Kraft entgegen. Ein Hagen von Tronege des Nordens. Groß von Wuchs, aber von bleichem Aussehen und gespensterhaft, stark und kampflustig, rasch entschlossen, furchtlos und schlagfertig in der Rede. So schildert ihn die Saga. Dieser Mann ist, wo es die Wahrung der Sippe gilt, der Hort und Schutz des väterlichen Hauses.

Der Held, der so gerne höhnisch lacht und oft so bös aussieht- als käme er von Meeresklippen, ist kein Liebhaber von Vergleichen und Kompromissen.

In allen den blutigen Vorgängen, die endlich zu dem Mordbrand führen, der das ganze Njalsgeschlecht vernichtet, ist er der geborene Führer. Er, der den sanften Gunnar von Haldenende mit dessen Sohn rächt, beschwört doch durch den Tod Thrains das furchtbarste Verhängnis herauf. Hatten ja dieses Mannes wegen er und sein Bruder durch Hakon Jarl in Norwegen unverdient Schmach und Unbill erleiden müssen.

Ein Mann wie Skarphedin durfte wohl dem alternden Vater vom Standpunkt der alien Saga den Vorwurf der Weich



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heit machen. Er fühlt sich verantwortlich für das Wohlsein der Sippe, das durch die Aufnahme des Ziehsohns eine Gefährdung erlitten hat. Höskuld war des erschlagenen Thraïn Sohn. Kein Wunder, daß ihm die Njalssöhne das Godentum neideten.

Neben Egil Skallagrimsson ist in der alten Saga kein schwertgewaltigerer Beschützer der Sippe zu finden als dieser Skarphedin . Ein furchtbares Bild, wie er auf die im Fluß treibende Eisscholle springt und dort dem verhaßten Thrain das Haupt bis auf die Zähne spaltet. Er denkt dieser Tat beim Vernichtungskampf der sein Geschlecht tötet. Da schleudert er einem der anstürmenden Brandmänner einen aufgehobenen Backzahn Thrains ins Auge. Von brennenden Balken erschlagen findet man ihn noch stolz aufrecht stehend. Noch vorher hatte man aus den Trümmern den Skaldensang des todesmutigen Kämpen gehört. Vor der Gestalt des klugen Vaters tritt doch selbst diese Heldengestalt in den Schatten.



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8. Das altis Fehdewesen

Neben Staat und Familie drückt der angeborene Kriegersinn der Zeit der isländischen Republik seinen Stempel auf, Wir sahen ihn schon in Staats- und Familienordnung seine mächtige Kraft entfalten. Man konnte die kriegerischen Auswüchse wohl eindämmen, aber nie ganz beseitigen. Die Fehdelust in jeder Form ist auch ein Erbteil, das die Isländer aus der alten Heimat mit hinübernahmen.

Die nordische Göttersage weiß von einem schrecklichen Ungeheuer , dem Wolf Fenrir, der ständig die Welt bedroht. Die klugen Asen fesseln ihn durch ein magisches Band. Es dehm sich, jemehr er daran rüttelt, aber läßt ihn nicht frei. Doch endlich reißt er sich los und führt den allgemeinen Untergang herbei, indem er den Göttervater verschlingt.

Man kann den Mythus als einen Ausdruck der Vulkankraft Islands deuten. Noch mehr scheint er ein Symbol jener wilden Kriegerkraft seiner Bewohner. Der heidnische Freistaat ungewöhnlich lange fähig, auch ihre zerstörenden Wirkungen zu ertragen. Aber endlich fällt er doch als Opfer der unersättlichen Fehdelust, die ihn durchwütet.

Das norwegische Staatswesen und das norwegische Familienleben hatten auf die Neuordnung der isländischen Verhältnisse mitbestimmend gewirkt. Islands entlegener Natur war diese angepaßt, und die Einheit des Volkes konnte sich bei der Abgeschlossenheit der Jnsel trefflich entwickeln. Auch das isländische Fehdewesen hatte seinen eigen ausgeprägten Charakter. Auswärtige Kriege für das Vaterland gab es nicht, und sie konnten nicht die Veranlassung bieten zum Weiterwirken des kriegerischen Geistes auf der Insel.

Nur das tägliche Leben auf der Insel selbst konnte dort die Quelle von Streitigkeiten werden, die mit der Waffe ausgetragen werden mußten. Gewiß bot es an sich auch reiche Gelegenheit zu Reibereien. Indes dem Kampfbedürfnis des Volkes genügte dies in keiner Weise. Daher schweift der Isländer, besonders in seiner Jugend, so gern ins Ausland. Nur aus der kriegerischen Abenteuerlust des Volkes ist es



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Das Tal der Jökulsá südwärts von den Hljódaklettar. Nordisland


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verstehen, das sich seine besten Vertreter immer wieder zu dem Mutterlande Norwegen zurückwendeten. Die Nachkommen der Männer, die einen Harald Haarschön nicht ertrugen, nahmen Dienste bei seinen norwegischen Nachfolgern, um ihre im Inlande gesetzlich gehemmte Fehdelust voll entfalten zu können.

Allerdings fand sich Gelegenheit um Streit für den isländischen Mann auch im Inlande. Und wenn es anging, war der Isländer zum Kampf immer bereit. Trotz Thing- und Tempelfriedens, trotz gemeinsamer Arbeit und Erholung blieb immer noch Zeit, daß die Waffen nicht rasteten.

So tobte sich schon der Knabe beim Spiele kriegerisch aus, so sog der Jüngling als Wiking in die Ferne. Dem Mann fehlt es bei Grenzfragen nicht an Hader mit dem Nachbar; und des Greises liebste Erinnerungen sind Fehden und wieder Fehden. Selbst ;u förmlichen Feldschlachten kommt es in den kleinen isländischen Verhältnissen. Aber am häufigsten mißt man sich doch im Zweikampf.

Ein Stück Berserker tum lag in jedem Isländer. Es war eben jener Überschuß der Kraft, die, weil sie in keinem Kampf fürs Vaterland gegen das Ausland Verwendung fand, sich gegen die eigenen Volksgenossen wandte.

In dem äußeren Bilde des Berserkertums ist dieses ungestüme nordische Draufgängertum vortrefflich dargestellt. Bärenhäuter wurden jene Wüteriche genannt, weil sie gegen Abend Tiergestalt annahmen. Als Werwölfe irrten sie nachts unheilstiftend umber. Unwiderstehlich ist die Kraft der Berserker, solange sie im Kampfe stehen. Sie heulen und beißen in die Schilde. Keine Waffe kann sie verwunden. Nach dem Kampf aber, wenn der Wutanfall vorbei ist, sind sie schwach und friedlich wie andere Leute.

Die isländische Saga kennt diese bösartigen Unholde zwar als eine besondere Art Wesen. .Norwegische Könige verwenden sie in ihrem Dienst. Auch treten sie als Mädchenräuber und rücksichtslose Herausforderer zum Zweikampf auf und sind so meist die geborenen Gegner der Sagahelden. Aber sie verkörpern doch nur in stärkstem Maße, was auch in diesen lebt.



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Die Geschichte vom Skalden Egil hat drei Generationen Mes berühmten Geschlechtes mit solchen Zügen ausgestattet. Beim Großvater lebt die Berserkernatur noch in dem Namen "Abendwolf". Den Vater Skallagrim führt die Saga in namenloser Wut vor, als er im Ringkampf zu unterliegen droht. Auch bei dem Sohn Egil noch bricht die Berserkerwut durch und scheint gelegentlich fast sein Heldentum zu gefährden.

Schon Knaben zeigen ausgeprägten Kriegersinn. Der junge Egil tötet beim kindlichen Ballspiel seinen Gegner, der M gehöhnt hat. Ein anderer älterer Knabe leiht ibm dazu seine Art und seine Hilfe. Gans die Art der Erwachsenen.

Ein andermal hat man die Knaben zweier Gegner, als diese zufällig zusammenstießen, angewiesen, sich vor dem Männerkampf in Sicherheit zu bringen. Nachdem die Väter ihre Sache ausgetragen, sieht man, daß jene abseits ebenfalls gestritten haben. Man findet den einen tot. Der andere stirbt bald an seinen Wunden.

Ein anderes Brüderpaar im jugendlichsten Alter stachelt sich gegenseitig auf, einen übermächtigen Berserker zu töten. Beide vollführen die Tat. Der über seine Kinder stolze Vater sucht sie vor der Blutrache in Sicherheit zu bringen.

Auch der Wikingerzug ins Ausland kann nicht früh genug unternommen werden. Gewöhnlich ist es die Kraftprobe, die der junge Mann ablegt, ehe er daheim als bewährter Kämpfer gilt. Drei Jahre währte meist ein solcher Zug. Oft wird so lange die Heirat mit dem verlobten Mädchen aufgeschoben, und der glückliche Erfolg der Auslandreise ist dann wohl von Bedeutung für das Glück der Ehe.

Es war ein hartes und strenges Regiment, das alle nordischen Wikingerscharen unter sich führten. Oft taten sie sich als Genossen zu festen Verbänden zusammen wie die Krieger auf Jomsborg an der pommerschen Küste. Alle Weichlichkeit war verpönt. Das Familienleben fand in dem Wikingerverband keine Stelle. Raub und Plünderung war die Losung, aber Frauen und Kinder schonte man. Vorübergehend durfte der Wiking wohl in den Dienst eines Fürsten treten, aber in seiner Gesinnung blieb er dem alten Bunde treu.



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Solchen Verbänden an Ost- und Nordsee schloß sich hin und wieder wohl auch der junge Isländer an. Schon in seiner Eigenschaft als isländischer Mann wurde er stets mit Neugier, oft aber auch mit starkem Mißtrauen empfangen. Häufig zog er gemeinsam mit einem Schwurbruder nach Norwegen und erwarb sich auch drüben feste Freunde. Auch Verwandtschaftsbande der Väter schlossen die Männer hüben und drüben aneinander.

War der junge Isländer aber auch vom Vater her oder durch einen treuen Freund an einen ausländischen Fürsten oder König empfohlen, die geachtete Stellung hier mußte er sich selbst schaffen. Der Ehrenplatz in der Halle ward ihm erst dann gewährt, wenn er sich im Dienste des Königs hervorragend betätigt hatte. Der junge Haudegen Glum erwirbt sich, zuerst nur sehr gemessen empfangen, jene höchste Ehrung, als er einen übermütigen Prahlhans, dem gegenüber alle Leute in der Halle seiner Stärke wegen nicht aufkommen, durch Wort und Tat drastisch abfertigt.

Man hatte denselben Glum vorher für einen "Kohlenbeißer" gehalten. Diesen eigentümlichen altgermanischen Typ, den scheinbar einfältigen Tölpel, der plötzlich um großen Helden erwacht, enthüllen oft genug die Wikingerzüge erst in seinem wahren Wert. Die Besiegung für unbesiegbar geltender Zweikämpfer für den König kehrt als Aufgabe des jungen Isländers im Auslande häufig wieder.

Aber vor allem nimmt er auch an den Kriegszügen des Königs selbst teil oder fördert dessen Macht durch besondere Wikingerfahrten. Da muß er in Seeschlachten seinen Mann stehen. Auf dem hochragenden Vordersteven, dem der größten Gefahr ausgesetzten Posten, zu streiten ist sein Ruhm und sein Glück. Oft hat er auch auf dem geenterten feindlichen Schiff reichliche Gelegenheit zu überraschenden Heldentaten im Nahkampf. Ein solcher Kampf Mann gegen Mann tobt besonders, wenn es gilt eine Burg am Lande zu überfallen. Freilich hatte man es hier mit keiner Festung nach Art der Ritterburgen zu tun. Jene einfachen Holz befestigungen hielten dem Ansturm und vor allem den Feuerbränden des Gegners oft nicht stand,



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Mancher Isländer wiederholte die erste Vorliebe seiner Jugend auch in späteren Jahren. Immer neue Wikingerzüge führten ihn ins Ausland. Sehr häufig hatte er dort Besitz erworben, den er sich mit bewaffneter Hand oder auf gerichtlichem Wege vor Eindringlingen sichern mußte. Auch war er oft Verbindlichkeiten den Fürsten gegenüber dort eingegangen, die ihn immer wieder an deren Hof trieben. Aber nicht selten war auch nur die Abenteuerlust das treibende Element. Für Helden wie Egil Skallagrimsson sind die Wikingerzüge zum Teil das, was für die Ritter des Mittelalters die Aventüre darstellte. In den kampffrohen Liedern, die viele Isländer im Auslande an den Fürstenhöfen sangen, findet diese Seite des isländischen Doppellebens fern der Heimat einen geschichtlich monumentalen Ausdruck.

Wenn die Skaldenlieder gern des Isländers Fehderuhm in der Fremde preisen, weiß die Saga genug von dem Zwist im alltäglichen Leben auf Island selbst zu berichten.

Diesem starken Männergeschlecht, das die Persönlichkeit um jeden Preis behauptet, gilt jede Art der Vernichtung des Gegners als willkommen. Gewalt und List gelten gleich viel, wenn sie nur zum siele führen. Den Feind aus dem Hinterhalt zu überfallen und auszuplündern erschien nicht unehrenhaft. Freilich gab es auch hier eine Grenze. Helden ersten Ranges balten es für unritterlich, zu rauben, wenn sie nicht gleichzeitig dabei im Kampf ihr Leben aufs Spiel setzen.

Der blinde Haß läßt die Männer in den isländischen Tagesfehden oft jedes Maß der Schonung überschreiten. Wohl findet sich bei den heldenhafteren Gestalten der Saga auch Versöhnlichkeit , ja Edelmut dem Feinde gegenüber. Aber selbst Männer ersten Ranges, die für ihre Person den Kampf Mann gegen Mann als das einzig Würdige erachten, scheuen sich doch nicht; einen Gegner von Sklaven durch Meuchelmord auf die Seite bringen zu lassen.

Die Schilderungen des Kampfes verraten deutlich, daß die Gegner ihn als ihr Lebenselement betrachten. Kein Heldenepos kann mit größerem Behagen die Wunden und die Todesarten der streitenden Parteien aufzählen. Aufreizende, höhnende



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Worte begleiten den Kampf, Erfolg und Mißerfolg werden mit überlegenem Scherz behandelt, und noch der gefallene Gegner wird mit ironischem Spott traktiert. Keine Klage des Besiegten wird laut. Der Kampfgenosse, der, ohne dies zu ahnen, durch List zum Beistand gegen einen übermächtigen Gegner gewonnen wurde, ergibt sich, wenn er erliegt, mit trockenem Humor in sein Schicksal.

Sehr häufig entwickeln sich aus dem Streit zweier Gegner Fehden ganzer Kämpfergruppen, ja es kommt zu wirklichen Feldschlachten. Die furchtbarste stellt die"Saga vom Hochlandskampf " dar. Wegen der Ermordung eines Mannes wurden von dessen Bruder und seinen Mördern ganze Streitmächte auf beiden Seiten aufgeboten, und erst der kluge Snorri setzt dem furchtbaren Blutvergießen auf der Zweitageheide ein Ziel.

Dem offenen Kampf steht der heimtückische oft nächtliche Überfall entgegen, wobei sich auch häufig mehrere zur Vernichtung eines Gegners zusammentun. Die furchtbarste Form dieser Kampfart ist die"Brenna" . Das Haus des Gegners wird umstellt, und alle im Innern finden durch einen rings um das belagerte Gebäude des Gegners entfachten Feuerbrand den Tod. Einen solchen furchtbaren Mordbrand schildert außer der Njalssaga besonders eindrucksvoll die Geschichte vom Hühnerthorir.

Daß man sich auf echt bäuerlichem Boden befindet, eigen die oft dürftigen Motive, die einen Heldenstreit hervorrufen können.

Um strittige Wiesen, Acker und Wälder entspinnen sich häufig erbitterte Fehden, die mit Blutvergießen enden. Diebstahl von Korn und Vieh wird leicht beim Nachbar vermutet und bildet die Quelle neuer Streitigkeiten. Oft wird von dem unachtsamen Knecht die Grenze des Nachbars bei der Viehweide überschritten. Schadenfroh weigert sich auch wohl in seiten der Hungersnot ein Eigennütziger, von seinen reichen Hausvorräten zu verkaufen. In allen diesen Fällen waren durch Aussprache, Vergleich oder Geldbußen schwere Konflikte zu vermeiden. Aber gern griff man gleich zu bewaffneter Selbsthilfe. Eine



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Heuernte konnte üch im Umsehen in eine kleine Schlacht verwandeln , wenn man einen Gegner traf, dem man etwas nachzutragen hatte, oder der selbst kam, um eine alte Abrechnung zu halten.

Daß die Spiele, bei denen viele ehrgeizige Männer zusammen waren, oft in Streit ausarteten, war nur natürlich. Nächst Ballspiel und Ringkämpfen führten besonders die seltsamen und unerquicklichen Pferdekämpfe zu ernsten Fehden. Der Besitzer der Pferde identifizierte sich mit der Ehre, die sein Roß einlegen sollte. So traf er mit dem Stab, der das Roß auf sein hochaufgerichtetes Gegenüber anspornen sollte, oft absichtlich dessen Besitzer und leitete eine regelrechte Fehde ein.

Noch häufiger führte ein Wortstreit auf Festen und Trinkgelagen zum Waffengang. Selbst wenn das Gelage aber friedlich verlief konnten im Trunk abgelegte Gelübde neue Fehden zur Folge haben. Solche eidlich abgegebenen Gelöbnisse brach man nie, auch wenn sie im nüchternen Zustande bitter bereut wurden. Nicht selten war der Wunsch nach dem Besitz einer Frau die Ursache für das leichtsinnige Gelöbnis.

Aber auch Frauenübermut machte sich bei den großen Festlichkeiten bemerkbar. Man verglich sich und neidete sich bei dem Platz in der Halle den Vorrang, und dem Wortwechsel der Weiber folgte später der Zwist der Männer. Nicht selten spielt die Frau, so unromantisch man auf Island auch im allgemeinen über sie dachte, bei den Motiven zum Kampf eine recht erhebliche Rolle.

Es kommt häufig vor, daß der Verlobte eines Mädchens im Auslande die für die Hochzeit angesetzte Zeit versäumt und sie dann einem andern vermählt wird. Kehrt der erste Liebhaber aus der Fremde zurück, dann ist der Konflikt da, und Zweikämpfe sind die Folge; die gewöhnlich mit dem Tode eines der beiden Gegner enden. Oft macht es die tragische Ironie voll, daß die beiden Feinde früher die besten Freunde gewesen sind.

Waren die Nebenbuhler Skalden, dann schüren auch aufreizende Spottverse, die hin- und herfliegen, die Todesfeindschaft. Überhaupt ist angeborene Seeck- und Hohnlust oft Anlaß zum Streit. Ein skelettartiges Pferdehaupt, auf einer



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Stange errichtet, in die Spottrunen geritzt waren, eine sogenannte Neidstange; errichtete man als Kriegserklärung.

Die Herausforderung zum Zweikampf aus angeborenem Übermut und Fehdedrang beschränkt sich nicht auf die mythischen Berserker. Diese Art des Fehdetums findet nur in jenen den schärfsten Ausdruck. Ganz von dieser Gesinnung waren schon manche Landnahmemänner beseelt, die sich ihren Besitz ers um nicht durch Landschenkungen Verpflichtungen einzugehen oder sich ein Gebiet kaufen müssen. Neben der Habsucht wirkte auch bei solchen Raufbolden die lüsterne Begier nach schönen jungen Mädchen oft zur Ansage einer Fehde mit.

Die Domäne dieser Männer war der Zweikampf. Bei den großen Feldschlachten und Mordbränden der Sagas konnte der einzelne leicht durch tüchtige Bundesgenossen eine persönliche Niederlage vermeiden. Hier war er ganz auf seine eigene Kraft angewiesen. Nirgend wurde die Persönlichkeit so rückhaltlos aufs Spiel gesetzt wie im "Holmgang".

Diesen Namen trug der Zweikampf, weil er fast immer auf einer der im Norden zahlreichen,"Holm" genannten, Schären ausgefochten wurde. Der Termin für den Holmgang wurde lange vorher bestimmt, der Preis, den der Sieger erhalten sollte, in Geld oder Landbesitz, ward genau vereinbart. Der Platz, innerhalb dessen der Streit vor sich ging, wurde abgesteckt . Die den Göttern heilige Haselrute, die sonst dazu verwandt wurde, mußte auf Island in Wegfall kommen. So fest eingewurzelt war diese Einrichtung des Zweikampfs, daß sie; ehe man das oberste Gericht einsetzte, die letzte Zuflucht bei allen strittigen Rechtshändeln blieb.

In den meisten Fällen war doch der Grund des Kampfes für den Mann nicht Abenteuertum, sondern eine Pflicht, die jeder unbedingt auf sich nehmen muste: die Blutrache.

Der gewaltsame Tod eines Mannes, er mochte erfolgt sein unter welchen Umständen er wollte, erforderte unerläßliche Sühne. Die gan ;e Sippe war für die Bestrafung des Mörders verantwortlich. Als Njals ganzes Geschlecht im Mordbrand vernichtet ist, ruht der einzige Überlebende, Kari, nicht eher,



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als bis die Rache vollzogen ist. Die Nächstverpflichteten sind natürlich Vater; Sohn und Bruder. Auch Schwurbrüder müssen für den Freund Blutrache nehmen. Die Strenge dieser Verpflichtung tritt oft in ergreifender Weise bei denen zutage, die aus Mangel an Kraft selbst nicht imstande sind, sie ohne Bundesgenossen zu vollführen. An Greisen, die mit unerschütterlicher Zähigkeit den Gedanken der Rache in sich herumtragen, bis er doch irgendwie zur Tat wird. An Frauen, die Männern und Söhnen keine Ruhe lassen, bis sie ihrer Pflicht genügt haben.

Abgelöst werden konnte die Blutrache nur mit Zustimmung der ganzen Sippe durch einen Vergleich. In diesem Falle mußte für den erschlagenen Mann Wergeld, das heißt"Mannesbuße" , bezahlt werden. Dieses wurde entrichtet in Silber oder Gold, das damals noch gewogen wurde, auch in Ballen Friestuch oder einer Zahl von Kühen. Die geringste Buße für einen Mann betrug in unserm Gelde etwa 5400 Mark. Kam es wegen anderer Dinge, besonders Vermögens streitigkeiten, zu einem Vergleich beider Parteien, dann mußte der Schuldige ebenfalls ähnliche Bußsummen zahlen, deren Wertbestimmung er oft freiwillig dem Geschädigten überließ.

Kam es zwischen beiden Parteien weder zur persönlichen Rache noch zu einem gütlichen Vergleich mit oder ohne Schiedsmann, dann blieb nur der Rechtsgang übrig.

Nichts spricht vielleicht so für den durch und durch kriegerischen Sinn des Volkes, als daß auch der Prozeß in seinem ganzen Verlaufe das Bild eines Kampfes trägt. Nach wie vor stehen sich die beiden Parteien wie zwei Kämpferscharen gegenüber. Schon in der Art, wie die Partei des Klägers und des Beklagten sich Bundesgenossen werben, erinnert vollständig an die Vorbereitungen zu einer großen Schlacht. Die Art, wie sich in der Saga vom Hühnerthorir die Mordbrenner Spießgesellen werben, ist äußerlich gar nicht so verschieden von der Weise, wie in der Egilssaga Thorstein sich Bundesgenossen in dem Prozeß gegen Önunds Sohn Steinar sucht. Man hat, wenn man auf dem Allthing die Njalssöhne um Bundesgenossen für ihre Rechtssache werben sieht, kaum einen



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weniger kriegerischen Eindruck als bei den Vorbereitungen, die Bard in der Saga vom Hochlandskampf trifft, um die Häuptlinge der Umgegend für diese mörderische Schlacht zu gewinnen.

Die Freunde, die der Kläger oder der Beklagte für seine Sache gewinnt, sind seine Bundesgenossen wie im wirklichen Kampf. Nicht darauf kommt es an, daß jene den Sachverhalt, um den es sich bei dem Prozeß handelt, aus eigener Anschauung kennen, sondern daß der Mann, dem sie helfen sollen, ihnen als zuverlässiger Ehrenmann bekannt ist. In naiver Weise machen die Parteien gar kein Hehl daraus, daß es vor allem gilt, sich mächtige, angesehene, reiche Männer zur Unterstützung zu sichern.

Wie bei der Einleitung des Prozesses, so hat man auch bei dessen Verlauf selbst den Eindruck, daß sich zwei regelrechte Kämpferscharen gegenüberstehen, die ihre Sache selbst ausfechten.

Der Gerichtshof leitet den Rechtsgang nicht in dem Sinne, daß er den Verlauf der Verhandlung im einzelnen bestimmt. Diese entwickelt sich vielmehr von selbst aus Rede und Gegenrede der streitenden Parteien. Ihre Sache war es, die Beweismittel richtig zu stellen, um den Gegner von seinem Unrecht zu überführen. Kläger wie Beklagter wollen nicht dem unparteiischen Richter, sondern ihrem Prozeßgegner die Aussichtslosigkeit seiner Klage oder Verteidigung dartun. Nicht die Wahrheit oder Unwahrheit des fraglichen Tatbestandes ans Licht zu bringen ist im letzten Grunde das Bestreben der streitenden Parteien, sondern diesen zum Nachteil des Gegners außer Streit zu stellen.

So sind auch die Männer, die sich die Partei des Klägers oder die des Verklagten zur Unterstützung ihrer Sache verschafft hat, durch das diesen gegebene Versprechen auf eine bestimmte Aussage festgelegt. Auf ihre Vernehmung haben die Richter keinen Einfluß. Deren Aufgabe ist es allein, wenn sich die streitenden Parteien nicht selbst einigen können, ein Urteil abzugeben. In jeder Phase des Prozesses ist indes ein Umschlagen in freiwilligen Vergleich, aber auch in kriegerische Selbsthilfe möglich.



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Ein neues Verfahren tritt dann ein, wenn die Richter bei normalem Verlaufe des Prozesses zu keiner Einstimmigkeit des Urteils gelangen. Auf der obersten Instanz des Allthings war indes schon Stimmenmehrheit entscheidend.

Im übrigen war nur die feierliche Eröffnung und Schließung des Things sowie die Wahrung des Thingfiedens während der Verhandlung Sache des sonst bei ihr so pasiven Gerichts

Auch den Strafbestimmungen und deren Folgen kommt wieder der kriegerische Charakter des Volkes zum Ausdruck.

Geldbußen im Strafprozeß wurden, wenn sie nicht durch den Vergleich der Parteien selbst festgesetzt waren, durch den Urteilsspruch der Richter in der Regel nicht verhängt. Leichtere oder schwerere Verbannung war für Totschlag und andere Vergehen die gewöhnliche Strafe, auf die geklagt wurde. Die teichtere"Friedlosigkeit", die Landesverweisung, wurde bereits bei der Verbannung Gunnars von Haldenende erwähnt, Auch sie hat wohl schon wie jenem manchem tapferen Manne damals das Leben gekostet.

Furchtbar aber war der "Waldgang" oder die lebenslängliche Verbannung, die den Betroffenen für immer ächtete. Der Ausdruck stammt aus den norwegischen Verhältnissen, da im Mutterland die Ausgestoßenen in die großen Wälder der Heimat flüchteten. In Island waren sie auf die entsetzlichen Steinwüsten des Innern angewiesen. Da der für immer Geächtete vogelfrei und deshalb ganz in diese Einöden gebannt war, so harrte seiner M gewöhnlich ein Leben voller Verzweiflung.

Die Strenge der Strafe entsprach jedoch keineswegs immer der Schwere des Vergehens. Auch bei ihrer Zumessung waren oft persönliche Verhältnisse maßgebend. Einflußreiche Persönlichkeiten wurden infolge ihres Anhangs oft gelinder bestraft, wo Geringere, denen der Schutz von Freunden fehlte, die härteste Achtform zugesprochen erhielten. Überhaupt spielten Rang und Besitztum in allen Phasen eines Prozesses eine beträchtliche Rolle. Selbst direkte Bestechlichkeit der Richter kam vor. Das alles erklärt sich nur aus der Auffassung des Rechtsganges ab



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eines Streites. Wie bei diesem ließ man in jener alten Zeit ist und Gewalt naiv walten.

Wir sahen, wie Staat und Familie in den Persönlichkeiten Snorris und Njals klassische Vertreter des altisländischen Volkes boten. Das isländische Fehdewesen ist nirgends stärker und menschlich ergreifender verkörpert als in der Gestalt des jungen Grettir. Neben dem ehrwürdigen Greisentume Njals und der kraftvollen Männlichkeit Snorris steht hier der Jüngling, dessen Leben Fehde ist vom Beginn bis zum letzten Atemzuge.

Grettir ist vier Jahre vor der Einführung des Christentums 996 geboren, und im Jahre 1031 erlag er einem Leben voll unerhörter Unruhe und Verfolgung. Zwanzig Jahre mußte er als Geächteter seinem Vaterland gegenüberstehen. Aber als er fünfunddreißigjährig starb, hatte er ein Heldenleben ohnegleichen hinter sich. So mächtig lebte und webte die Kraft des heidnischen Wikingertums noch im ersten Menschenalter nach der Einführung des Christentums.

Schon in der Saga des Goden Snorri und in der Geschichte vom weisen Njal fanden sich äußerliche christliche Einwirkungen . Sie hängen damit zusammen, daß gerade den monumentalen Sagas, die in "Thule" neben den Eddaliedern vorangestellt wurden, in der christlichen Zeit, wo ihre endgültige Ausgestaltung folgte, eine besonders liebevolle Behandlung zuteil ward. Auch die Saga von den Leuten aus dem Lachstal und vor allem die größte, die Geschichte vom Skalden Egil, eigen solche späteren Einflüsse. Mit den beiden letztgenannten teilt die Saga von Grettir auch den heroischen, ja romantischen Charakter, der dem Durchschnitt der Isländergeschichten sonst fremd ist und die Gestalt des Helden fast ins Mythologische steigert. Aber auch diese spätere Stilfärbung der Saga schmiegt sich dem durch das unstäte Verbannungsleben Grettirs bedingten Abenteuertum verständnisvoll an.

Fünfzehn Jahr ist Grettir; als ihn die erste dreijährige Verbannung trifft. Sein im Grunde tiefer und gemütvoller Charakter wird durch die schwere Strafe, mit der er einen unbedachten Totschlag zu büßen hat, verdüstert und trotzig. Sein



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frühes Selbstbewußtsein der Knabenzeit wandelt sich in Hochmut , seine Stärke und Hilfsbereitschaft, die ihn auch in den schlimmsten Zeiten nicht verlassen, schlagen oft in staatsgefährliche Gewaltsamkeit um. Die bittere Not der Achtung führt ihn wiederholt nach Norwegen. Kampf gegen Berserker, , kriegerische Untaten bei veranstalteten Kampfspielen, Fehden mit Bären, Riesen, Unholden und Gespenstern lassen seinen Ruhm überall kund werden.

Ein großer Mordbrand in Norwegen, in den Grettir wider seinen Willen verwickelt wird, steigert seine bisher schon unerquickliche staatliche Lage zu verzweifelter Hoffnungslosigkeit . Wegen seiner angeblichen Hauptschuld an jener Brenna wird er auf dem Allthing sum Waldgang verurteilt. Von jetzt an wählt er, in wildem Trotz gegen den allmächtigen Spruch des Gerichtes und voller Liebe doch gegen das Vaterland, das ihn ausstieß, gerade Island zum Schauplatz seiner verzweifelten Taten, die ihn in immer neue Konflikte bringen.

Dabei ist im letzten Grunde die Sympathie jedes, der seine Saga liest, immer bei dem unglücklichen Mann, der in Lagen gerät, die seiner großen Seele so weh tun müssen. Mit andern Geächteten, oft wirklichen niedrigen Verbrechern, muß er in der Einöde hausen. Bei den Halbriesen im Gebirge findet der von den Menschen so unmenschlich Behandelte vorübergehend liebevolle Aufnahme.

In all seinem Unglück hält Grettir fest an der Sippe und behält auch als Verbannter Zeit, ihre Interessen zu vertreten. Er rächt den Tod seines Bruders. Er kehrt immer wieder in Pausen seiner furchtbaren Einsamkeit zur Mutter zurück, die das eigenwillige Kind schon gegen die Unduldsamkeit des Vaters schützte. Erschütternd ist der letzte Abschied, den er von jener nimmt, ehe ihn endlich auf einer Felsenwildnis, in die er sich vor der Übermacht der Verfolger zurückzog, der Tod ereilt. Keinen größeren Mann, so urteilt noch im dreizehnten Jahrhundert der Gesetzessprecher Sturla am Schluß der Saga, habe es gegeben als Grettir den Starken. Keiner habe so gefochten und sei, solange er wohlauf war, so unverwundbar



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gewesen wie er. Und keiner auf Island habe je eine so furchtbare Verbannung ertragen.

Dieses Urteil zeigt die Achtung und Anerkennung des Helden Grettir selbst dort, wo das Interesse des Staates sprechen müßte. Auch unter befreundeten Geschlechtern hat Grettir während seiner Verbannungszeit seinen Anhang. Björn, der Held der Saga aus Hitardal, und Snorri der Gode sehen den Hilfe aus der schrecklichen Einsamkeit Suchenden vorübergehend bei sich auftauchen. Ja, der große Politiker sucht wie andere Freunde seine Verbannung auf dem Allthing durch seine Fürsprache rückgängig zu machen.

Aber die Macht des Staates zeigt sich darin, daß auch jener mächtige Häuptling es nicht wagt oder es doch nicht für richtig hält; ihn bei sich aufzunehmen. Und an dem Widerstand der alten Familien, die Grettir feindlich sind, scheitert doch die Wiederaufnahme in die isländische Gesellschaft selbst bei diesem gewaltigsten Vertreter isländischen Fehdetums.



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9. Eddadichtung und Sagazeit

Ein so tatkräftiges und praktisches Volk wie die alten

Isländer hatte im allgemeinen mehr zu tun, als seine Anschauungen über Götter und Menschen, über Anfang und Ende der Welt in systematischen Bekenntnissen niederzulegen. Und doch besitzen wir ein solches Denkmal. Es ist die Völuspa, das Hauptgedicht jener stattlichen Sammlung von Götter- und Heldenliedern aus alter seit, die man gemeinhin Edda nennt. Einer weissagenden Frau ist diese Dichtung nordischer Weltanschauung in den Mund gelegt.

Ihre Grundanschauung ist der Kampf der weltpreundlichen Götter mit den weltfeindlichen Riesen. Er setzt gleich nach Erschaffung der Welt ein und endet erst bei deren Zerstörung. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Weltenschicksals wird in einer prophetischen, mythendurchtränkten Sprache vorgetragen. Eine Reihe glänzender Gemälde aus der Götterwelt zieht unter dem Gesichtspunkt des Werdens und Vergehens an unsern Blicken vorüber.

Die Grundstimmung des Gedichtes ist heidnisch. In dem ewigen rücksichtslosen Kampf der göttlichen und riesischen Mächte spiegelt sich das tatenfrohe Kämpentum, das, wie wir sahen, alle isländischen Verhältnisse durchdrang. Auch der Götterstaat, der nach dem Untergang der Welt zu einem neuen Leben emporsteigt, ist der verjüngte alte. Eine ewige Walhallfreude, wie sie bisher dem tüchtigen Kämpfer nach dem Tode zuteil wird, soll jetzt schon im Leben Götter und Menschen umfassen.

Das Gedicht trägt isländische Lokalfarbe. Es entspricht ganz der Natur der Insel, wenn die Welt durch Wasser und Feuer zerstört wird und wenn sie als Eiland wieder neuverjüngt aus dem Meere emporsteigt. Auch in den Göttern erkennt man jene rücksichtslosen Reckengestalten wieder, wie sie Skarphedin und Egil am glänzendsten verkörperten. Es sind Gewaltmenschen wie ihre Gegner, die Riesen. Nicht eine höhere Sittlichkeit oder Moral stellt die Götter über jene, sondern die weitausschauende Klugheit, wie sie äch im Göttervater Odin verkörpert. Selbst



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wo von Schuld und Sühne die Rede ist, hat man es mit heidnischen Begriffen zu tun. Sippenmörder und Eidbrüchige wünschte der Mann der Sagazeit ganz natürlich in die Wasserhölle.

Und doch hat das erste Menschenalter des Christentums schon die Darstellung beeinflußt. Gegen Ende des heidnischen Freistaates gab man dem Ganzen einen Schluß, der nur auf das Erscheinen des Christengottes gedeutet werden kann. Wer hier Gott als obersten Richter der neuen Welt auftreten ließ, dachte sich den Tod des guten Gottes Balder gewiß schon unter dem Bilde Christi. Er faßte die Zerstörung der Welt auch schon als eine nicht nur tatsächliche, sondern moralisch notwendige Folge der Greuel, die in der Welt eingerissen waren.

Der Prophet, der sich hinter der Weissagerin versteckt, ist in Wirklichkeit der Dichter selbst. Wie alle großen Künstler schuf er über seine Zeit hinaus. Selbst noch für die wilden wikingerhaften Verhältnisse vor dem Untergang des Freistaates behielt die Dichtung ihre Wahrheit.

Dieses großartige dichterische Gemälde eines genialen Mannes ist mitten in der Blütezeit der heidnischen Republik entstanden . Das Volk im ganzen stand der alten Götterwelt, die es darstellt, damals wohl schon erheblich kühler oder nüchterner gegenüber.

Von einer ausgeprägten Stellungnahme sum Göttertum kann man bei der seltsamen religiösen Gleichgültigkeit des Volkes, die schon in der Landnahmezeit hervortrat, kaum sprechen. Noch weniger aber von einer ausgebildeten Ethik, die für uns mit dem Begriff Weltanschauung in irgendeiner Form immer verbunden ist.

Als alles beherrschende Norm des Empfindungs- und Tatenlebens des heidnischen Freistaates trat bei Männern wie Frauen die rücksichtslose Durchsetzung der eigenen Persönlichkeit hervor . "Selbst ist der Mann", dieser stets in die Tat umgesetzte Grundsatz schuf fast alle Konflikte im Staatswesen, im Familienverband , in der Kriegergilde. Er war wohl auch bestimmend für das Verhältnis des Isländers zur Gottheit. Schon in der ersten Zeit des Freistaates sind die Männer nicht selten, die offen erklärten, nur an ihre eigene Kraft zu glauben. Und



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in den letzten dreißig Jahren, wo das Christentum aus rein praktischen Gründen eingeführt war, war die Schar solcher Glaubenslosen gewiß viel größer.

All dies wäre kaum möglich gewesen bei einem innigen Verhältnis des ganzen Volkes zur Götterwelt. Von der Fülle interessanter Züge, mit denen die Fabulierkunst der Eddalieder die Götter ausstattet, ist in den Darstellungen der Sagas wenig zu spüren. Auch der Olymp, den die Dichtung der Edda kennt, schrumpft erheblich zusammen, sobald man den nüchternen isländischen Sagaboden betritt.

Wo wir hier Mythisches treffen, da hat es fast immer die Furcht oder der an die unwirtliche Natur Islands sich heftende Aberglaube hervorgebracht. Es wimmelt in den isländischen Sagas von unnatürlichen Himmelserscheinungen, wie Blutregen und gespenstischen Halbmonden, von bösartigen Geistern, von umgehenden Toten, von tückischen Kobolden und Heren, von unheimlichen Tiergestalten und Berserkern. Der Dämonenglaube ist im Volke stark entwickelt. Auch Weissagerinnen und Zauberinnen ziehen im Lande umher und verkünden vom hohen Seherthron aus den Abergläubischen die Zukunft. Und unendlich oft ist von Träumen die Rede, die ja in dieser ältesten Zeit auch als Offenbarungen der Götter gelten. In der Reichhaltigkeit der Träume zeigen die Sagas mit der Dichtung der Edda am meisten Berührung.

Das Verhältnis des vornehmen Isländers zu seiner Gottheit war denkbar nüchtern und praktisch. Daß die altin Hochsitzsäulen der Tempel und Wohnhäuser aus Norwegen mitgebracht und auf Island zu neuen Heiligtümern derselben Gottheit verwandt wurden, wird oft erzählt. Der Besitz eines Tempels aber war ja für den Isländer zugleich die Ouelle der Macht und des Reichtums. So stand die Zahl der Tempel wohl umgekehrt im Verhältnis zur Innigkeit des Glaubens .

Der praktische Isländer verehrte die Gottheiten am meisten, von denen er am sichersten Macht und Wohlstand erwarten durfte. Vor allem wird der alte norwegische Stammesgott Thor angerufen: der Wettergott, der für die Seefahrt seinen



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Lavaformen im Odádahraun (Missetatenwüste). Nordisland


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Schutz leihen sollte. Dann aber der Gott des Reichtums und der Fruchtbarkeit, Frey. Einen Eifrer in dessen Kult haben wir in einer der interessantesten Gestalten des Ostlandes, dem Goden Hrafnkel. Er hat dem Frey ein Roß geweiht, das nach seiner Bestimmung niemand reiten durfte, es brächte ibm denn den Tod. Die Tötung eines Mannes, der diesem Gebot widerstrebt, bringt dann dem rücksichtslosen Goden selbst Verderben. Aber auch in Fällen wie bier wirkt die Götterverehrung mehr wie ein eigenwilliger Trumpf, um die Godenmacht zu dokumentieren , denn als eine Komme Handlung.

Charakteristisch ist es, daß der Wikingergott Odin aus der Verehrung des Volkes fast völlig ausschied. Die große Rolle, die er in der Eddadichtung spielt, wurde ihm wohl nur von besonders dichterisch interessierten Helden zuerkannt. Sie feierten ihn als Gott der Runen, des Symbols aller höheren Weisheit, als den Gott der Dichtung und vor allem als den Gott des Krieges. Aber seine Gestalt ist fast ganz vermenschlicht. Junkerhaft prahlend betört er die Mädchen und tritt dem starken aber plumpen Bauerngott Thor gegenüber. Solche Wikingerlaunen überkamen, besonders im Ausland, zuweilen auch den isländischen Bauer. Dieselbe Vermenschlichung zeigen die beiden andern großen Götter Frey und Thor in der Edda. Jener wird als schmachtender Liebhaber, dieser als Kraftbramarbas gegenüber den Riesen dargestellt.

Neben jenen in Balladenform vorgetragenen Götterfabeln stehen dichterische Wettkämpfe mythologischen Inhalts oder lange Zankgespräche, aus dem isländischen Alltagsleben in die Götterwelt übertragen.

Diese Göttermärchen und mythischen Gedichte sind fast alle in der Zeit entstanden, in der die Ereignisse der Saga sich abspielten.

Sprichwörtliche Ausdrücke und gnomische Weisheit, die in der Edda so gern mit dem tiefsinnigen Denken des Göttervaters Odin in Verbindung gebracht werden, durchziehen auch die Sagas in großer Fülle. Sie zeigen, daß Eddadichtung und Saga aus demselben Boden wuchsen. Aber jene Dichtungen von einer zum Teil schon raffinierten Technik standen



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zu hoch, als daß sie Eigentum des ganzen Volkes in der Sagazeit gewesen wären.

Manches, das Urwüchsigste, wie Thors Fahrt zu den Riesen nach seinem Hammer, entstand schon in der norwegischen Heimat. Dies und jenes mag im Auslande dazu gekommen sein. Auf den englischen Inseln wohnten ja überall Nordländer. Da vor allem sind aus einer höheren Kultur jene Züge in die Darstellung der Götterwelt gekommen, die sich schon weit vom naiven Volksglauben entfernen und uns fast modern anmuten.

Skalden sangen in der mit mythologischen Bildern gezierten Prunkhalle des reichen Häuptlings Olaf Pfau im Westlande. Sie deuteten dichterisch jene kunstvollen Gemälde. die Balders Leichenverbrennung und den Fang der Midgardschlange durch Thor darstellten. In solcher Umgebung mögen vielleicht auch die farbenprächtigen Göiterballaden der Edda schon damals voll gewertet sein. In mündlicher Überlieferung auf Island bekamen jene Götterlieder schließlich im wesentlichen die Form, in der sie später dort aufgeseichnet wurden.

Einen unmittelbaren Einfluß auf die isländische Saga hat die Götterdichtung der Edda weder in der Zeit des heidnischen Freistaates noch später geübt. So wenig phantastisch jene Lieder auch sind, sie blieben doch immer dichterisches Ideal gegenüber der nüchternen Wirklichkeit der Saga.

Anders steht es mit dem Teil der Eddalieder, der ein jener Zeit vorausliegendes Heroentum aus mannigfachen Sagenkreisen verherrlicht. Die Dichtung der Edda, die doch auch von gewaltigen Menschen, freilich aus der Vorzeit, handelte, steht den heldenhaften Gestalten der Sagas näher. Hier ergaben sich schon in deren ältester Fassung zu den Heroen der Eddadichtung natürliche und ungewollte Parallelen. Und in ihrer letzten Gestaltung sind hier auch sichtbare Einflüsse der Eddadichtung vorhanden.

Eine Gestalt wie der Gode Snorri oder Grettir der Starke sind so eng mit dem Boden der Heimat verwachsen, daß sie in den alten Liedern kaum ein Gegenstück haben. Auch der gelegentlich durch seine Empfindungen fortgerissene Njal wurzelt



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doch fest in )finer nüchternen Umgebung und ist nur in dieser zu begreifen. Eine strenge Kluft trennt selbst ihn von der Sentimentalität, wie sie jüngere Heldenlieder der Edda in den Klagen Brynhilds und Gudruns über ihr Schicksal verraten . Aber gewiß hat schon jeder Isländer damals bei Gunnar von Haldenende und seiner dämonischen Gemahlin Hallgerd an den Gunnar und die Brynhild der Edda gedacht. Und noch mehr erinnert an jene Walküre die Heldin in der Geschichte der Leute aus dem Lachstal. Diese prächtige Saga mit ihren starken Charakteren ist eine prosaische Schwester der eddischen Dichtung.

Aber gerade diese Saga zeigt in der Gestalt von Osvifrs Tochter Gudrun auch wieder in der Darstellung den Unterschied von der Eddadichtung.

Wir hören in der Edda oft, wie Brynhild und Gudrun ihr Schicksal beklagen. Wir bewundern die feine Kunst der Dichter, die ihrem Gegenstande immer neue Seiten abzugewinnen wissen. Die Taten dieser dämonischen Frauen behalten trotz der feinen psychologischen Ausmalung ihres Charakters etwas Übermenschliches, schwer Faßbares.

Schon eine Hallgerd aus der Njalssaga erscheint uns aus ihrer bäuerischen Umgebung heraus in ihrem stolzen Unabhängigkeitsdrange menschlich verständlicher. Noch näher tritt uns die leidenschaftliche Osvifrstochter Gudrun aus dem Lachstal.

Sie ist viermal verheiratet gewesen, aber nie mit dem, den sie wirklich liebte. In allen Unternehmungen, auch in der Aufreizung zur Rache, zeigt sie sich klüger und energischer als alle Männer ihrer Umgebung. Sie ruht wie Brynhild nicht eher, als bis ihr Mann, der ihr einst den Jugendgeliebten Kjartan abspenstig machte, diesen mit seinen Verwandten er ; ching. Aber sie ist keine Teufelin, wie Kriemhild im Nibelungenliede genannt wird.

Es spricht für sie, daß ein Menschenkenner und Menschenwäger wie der Gode Snorri üch ihrer nach dem Tode jenes Gatten Bolli helfend annimmt und sie sogar zum vierten Male vermählt. Diese beiden lebensvollen, tatkräftigen Charaktere



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verstehen einander. Das Rätsel ihres Lebens spricht Gudrun am Schluß der Saga in tragischer Kürze ihrem Sohn gegenüber aus. Auf dessen Frage, wen sie am meisten geliebt habe, charakterisiert sie erst ausweichend ihre vier Gatten. Dann sagt sie, auf den Jugendgeliebten anspielend: "Dem schadete ich am meisten, deir ich am meisten liebte."

Ergreifender und schlichter konnte die hochbetagte Matrone nicht sprechen, die hier das Bekenntnis eines reichen, aber verfehlten Lebens ablegt.

Nicht nur die dichterischen Klagen einer Brynhild oder Gudrun in der Edda, auch alle andern Erzeugnisse der alten Heldendichtung sind Lieder in Balladenform. Zu einem zusammenhängenden Epos wie die südgermanischen Länder hat es das nordische Altertum nicht gebracht. Die Entwicklung der Handlung war im ganzen vorgezeichnet. Sie reichte von der Herkunft des Goldhortes, den die Edda an die Götterwelt knüpft, bis ;u seinen letzten unheilvollen Wirkungen in der Rache von Gudruns Söhnen aus ihrer dritten Ehe. Immer aber sind nur einzelne Abschnitte dieser Riesenhandlung balladenartig gestaltet. Sigurd den Drachentöter und Sigurds Tod, Brynhilds Erweckung aus dem Zauberschlaf und die Ermordung Atlis, alles besangen in mannigfacher Stilform ältere und jüngere Dichter.

Die Nibelungentragödie ist wie auf deutschem Boden auch der Hauptvorwurf der Eddalieder. Daneben steht die Trilogie von dem immer wiedergeborenen Helgi und seiner romantischen Liebschaft mit den Walküren Svava, Sigrun und Kara. Auch der kunstfertige Schmied Wieland wird uns in seiner Haft bei König Nidud und in seiner furchtbaren Rache an dessen Söhnen und Tochter vorgeführt. Und in Hildebrands Sterbelied haben wir eine freilich sehr veränderte Gestalt des tragischen Vorganges, den unser deutsches Hildebrandslied schilderte. Der Gesippe mit dem Gesippen in todbringendem Kampf, ohne das Unheil abwenden zu können. Eine prachtvollere Schilderung hat aber kaum ein Gegenstand in der alten Heldendichtung erfahren als das Gedicht, das man König Olaf dem Heiligen auf seinen Wunsch am



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Morgen seines letzten ihm den Tod bringenden Schlachttages im Jahre 1030 vortrug.

Es konnte keine bessere Kampfmahnung an des Königs Mannen, keinen besseren Trost für jenen geben als dies alte Bjarkilied. In den Wechselgesprächen zweier treuer Mannen des alten Dänenkönigs Rolf Krake wird dessen Überfall auf seiner Königsburg Lejre dramatisch vorgeführt. Der eine ganz Jugend, der andere lebenserfahrenes Alter, beide aber voll hingebendster Treue gegen ihren Herrn. Konnten sie auch dessen Leben gegen die Übermacht nicht schützen, beide sind, als er gefallen ist, nur von dem Wunsch beseelt, neben ihn im Tode gebettet zu werden. Hier haben wir zugleich ein Beispiel , wie ein altes Heldenlied weiter kampfschürend wirken konnte.

Wie die Götterlieder sind auch die Heldenlieder der Edda in stabreimende Strophen gefaßt, die in ihrer Form und ihrem Tonfall sich dem Inhalt verständnisvoll anschmiegen. Die alte epische und gnomische Strophe der Germanen liegt diesem dichterischen Gewande zugrunde.

In derselben seit, wo die meisten dieser balladenartigen Schößlinge der altgermanischen Heldenzeit auf Island entstanden und gesungen wurden, blühte das neue Heldentum des heidnischen Freistaates am kräftigsten. Auch dessen Taten und Schicksale wurden künstlerisch verherrlicht. Freilich auch sie in keinem zusammenhängenden Epos. Neben den Liederhalladen der Edda erblühte die isländische Saga. Und ihr Gewand war die Sprache der Wirklichkeit, eine edle und ungemein gegenständliche Prosa.

Die Eddadichtung und die Sagaerzählung des zehnten Jahrhunderts sind, obwohl sie in derselben Zeit und auf demselben Boden erwuchsen, in ihrem Gesamtbilde ganz verschieden. Mosaikartiger kann kaum ein Gemälde sein als das, das die Götter- und Heldenlieder im einzelnen gewähren. In einem Betracht wirken sie doch völlig einheitlich. Die ehrwürdige Vergangenheit ließ die Helden, die Zeitlosigkeit die Götter als rein ideale Gestalten erscheinen. Die Götter- und Heroenwelt kennt keine festen historischen oder geographischen Grenzen."In



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der Urzeit war es" : damit ist die Phantasie des Hörers in die richtige dichterische Stimmung versetzt.

Der Donnergott Thor mag noch so viel Züge des tatkräftig dreinschlagenden, der böse Gott oki noch so viel Wesenheit eines verschmitzten isländischen Bauern haben, sie sind doch nun einmal Götter, so vertraut sich der Dichter mit ihnen stellt. Die Darstellung des Zuges der Burgunden zu Ätti und ihrer Kämpfe dort kann in vielen Zügen die kleinen Verhältnisse isländischen oder gar grönländischen Lebens widerspiegeln: es sind für den Hörer durch alte Überlieferung geheiligte Helden, für die er in der Wirklichkeit keine genauen Gegenbilder findet.

Die fahrenden Sänger, die diese Gedichte schon an den Höfen der Kleinfürsten in Norwegen und dann auf den Gehöften der isländischen Großbauern vortrugen, schmückten ihren Liederschatz bewusst mit neuen Sagenzügen aus, wenn sie sie auch der Umgebung der Heimat anglichen. Den Kern der Eddadichtung kann man als "Dichtung und Wahrheit" bezeichnen.

Wir kennen den Namen keines Eddadichters. Aber auch kein Name eines Sagamannes ist uns überliefert. Doch wurden die Sagas ebenfalls wie die Eddalieder in ihrer ältesten Form von fahrenden Leuten auf Island vorgetragen.

Deren Aufgabe aber war eine ganz andere als die der Sänger der Eddalieder. Nicht Sagen, interessante Erdichtungen einer freien Phantasie, wollten sie vortragen. Ihr Bestreben war es, wahre Begebenheiten aus der Heimat oder aus der Fremde, die sie mit eigenen Augen gesehen hatten, zu erzählen. Die Gegenwart war die Welt, aus der sie ihre Stoffe wählten. Sie durften nichts melden, als was "wirklich"geschehen war, da ihre Angaben von den eigenen Volksgenossen auf Schritt und Tritt nachgeprüft werden konnten. Die Vergangenheit kam für sie nur so weit in Betracht, als das Gedächnis namhafter Zeitgenossen für die "Echtheit" der Ereignisse sich verbürgen konnte. Das Wunderbare und Abenteuerliche ist für unsere Anschauung von dem Begriff Götter- und Heldensage, wie sie in der Edda lehr, unzertrennlich. Für das Wesen der Saga ist es keineswegs die Hauptsache oder auch nur wesentlich.



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Der Sagaerzähler soll, will und kann wahre Begebenheiten berichten. Auch er mag dichterisch ausgestalten und gelegentlich auch ausschmücken, um zu ergötzen. Aber seine Erzählung muß wahrscheinlich bleiben. Er darf sich doch im Kern und im ganzen Gefüge seiner Darstellung nie von der Wirklichkeit entfernen. Ein Egil, ein Grettir, ein Njal und ein Gode Snorri lebten. Ihre Taten standen im hellen Bewußtsein des Volkes. So waren ihrer Idealisierung durch den Sagamann natürliche Grenzen gezogen. Die Saga ist im Gegensatz zur Eddapoesie "Wahrheit und Dichtung" .

Schon äußerlich zeigt sich der geschichtliche Sinn der Saga in ihrer ganzen Überlieferung.

Im Mittelpunkt steht jedesmal ein Heldenleben aus der kräftigsten Zeit des heidnischen Freistaates, mag dieses auf Island sich entfalten oder im Ausland bei nordischen Fürsten den Schauplatz seiner Betätigung finden. Aber die Bauern der isländischen Familiengeschichten, wie die isländischen Skalden der Königssagas wurden fast immer im Zusammenhang mit ihrem gesamten Geschlechte dargestellt. Die Einleitung greift in der Regel auf ihre Väter in der Landnahmezeit und weiter auf ihre Vorfahren in der norwegischen Heimat zurück. Die Saga schließt aft mit den Nachkommen der Helden in christlicher Zeit und knüpft diese an die ruhmvollen Männer der alten Sagazeit an.

Die Erzählungen und Novellen" in Thule entsprechen nach Umfang und Form etwa den ursprünglichen Berichten, wie sie ein Sagamann im Heldenzeitalter vortrug. Die"Geschichten" tragen in Anlage und Ausführung schon mehr den Stempel der literarischen Zeit des dreizehnten Jahrhunderts.

In den großen Geschichten am Anfang unserer Sammlung tritt dieser Einfluß am meisten hervor. Hier sind, wie in der Njalssaga, selbständige Geschichten zu einer neuen Einheit verbunden oder der historische Sinn des Endredakteurs hat, wie in der Egilssaga, die jetzige Gestalt bestimmt. Aber in ihren Grundzügen zeigen doch alle Sagas den Charakter des Heldenzeitalters 930 —1050, in dem ihre Handlung sich abspielt.

Der immer wiederkehrende ?Ausdruck "Sa war es in alter



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seit üblich" ist dafür charakteristisch. Die Männer, die den Sagas bei der Niederschrift ihre endgültige Form gaben, hatten ein festes Bewußtsein von der Altertümlichkeit und Ehrwürdigkeit ihres Inhalts.

Daß die Saga nüchterne Wirklichkeit, nicht unterhaltende Phantasiegebilde darstellen soll, beeinträchtigt ihre ästhetische Wirkung nicht. Die durch eine festgefügte Überlieferung verbürgte Gegenständlichkeit von Inhalt und Form lassen doch der individuellen Auffassung und dem Kunstgeschmack des Autors genügenden Spielraum.

Der Inhalt der Saga erinnert schon darin an das wirkliche Leben, daß er oft eine schier unübersehbare Fülle von Personen und Begebenheiten vor uns hinstellt. Aber das starke Heldentum, dessen glänzende Siege oder ruhmvolle Niederlagen ihren Vorwurf bilden, schafft einen festen Mittelpunkt. Trotz aller Abschweifungen und Zufälligkeiten der Darstellung bleibt in den meisten Fällen eine straffe künstlerische Einheit.

Die Konflikte, in die die heldenhaften Männer und Frauen der Saga geraten, sind immer die des täglichen Lebens. So fällt auch auf die isländische Alltagswelt ein heroischer Schimmer. Den allgemeinen Kulturboden, auf dem die Handlung der Saga vor sich geht, haben wir bereits gezeichnet. Staat und Familie, Kriegerleben und Volksdichtung entfalten in den Sagahelden ihre höchsten und reichsten Kräfte.

Der Glanz jener Persönlichkeiten wirkt um so echter, als der Untergrund, von dem sie sich abheben, mit voller realistischer Deutlichkeit gemalt wird. Die große Masse des Volkes verschwindet nicht wie im Heldenepos vor den Gestalten der Heroen. Sie wird bis auf den geringsten Knecht geschildert. Auch so unheldenhafte Vorgänge wie Schafdiebstahl oder Hühnerhandel berichtet die Saga mit liebevoller Ausführlichkeit Selbst wo Personen als reine Statisten auftreten oder Ereignisse nur Episoden bilden, können sie als Kulturhintergrund wertvoll sein.

Der Gegenständlichkeit des Inhalts entspricht die glückliche äußere Form der Saga. Natürlich wie das Alltagsleben wirkt ihre schmucklose Prosa. Der ruhige epische Fluß der Erzählung



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Der Wasserfall Godafoß. Nordisland


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bekommt durch die dem wirklichen Leben abgelauschten Dialoge der auftretenden Personen oft einen dramatischen Charakter. Starke lyrische Stimmungen kennt die Sagaprosa nicht. Nur in den gelegentlich eingestreuten Skaldenstrophen kommt die Gedanken- und Empfindungswelt ihrer Helden unmittelbar zum Ausdruck.

Allein in einigen der als "Skaldengeschichten" bezeichneten Sagas unserer Sammlung sind diese Dichtungen Selbstzweck. Hier bilden sie das Rückgrat der Handlung selbst. Sonst dienen sie nur als Mittel, um einem schon in der Erzählung vorbereiteten Vorgang oder einem Stimmungsbilde der Handlung Farbe und Glaubwürdigkeit zu verleihen.

Zuweilen sind die Dichtungen der Sagahelden auch nur zu jenem Zwecke erfunden. Hierin liegt das stille Einverständnis, daß die Prosaerzählung das Seelenleben der Personen nur indirekt in dem äußeren Verlauf der Handlung charakterisieren will. Auch im Leben selbst sprechen doch am besten die Taten. Eine Gefühlsäußerung oder gar ein Urteil des Sagamannes über seinen Bericht findet sich fast niemals.

Diese persönliche Zurückhaltung, die sich der Erzähler auferlegt, gewinnt ihm leicht das Vertrauen seines Publikums. Bei der chronikartigen Form seiner Berichterstattung vermutet man kaum je eine Willkür in der Darstellung.

"Ein Mann hieß Glum" —so etwa führt der Sagamann jede Gestalt ein. "Thorkel kommt nun nicht mehr in dieser Saga vor" — in der Art läßt er seine Personen abtreten. "In dieser Angelegenheit wird nun nichts weiter berichtet" — so heißt es, wenn der Stoff der Saga in einem Punkt versagt. "Einige meinen dies, andere fassen die Sache so auf" — mit solchen Wendungen stützt der Erzähler die Genauigkeit seines Berichtes. Das klingt alles so zuverlässig.

Wer so spricht, dem folgt der Hörer auch einmal auf ein Gebiet; das ihn nach seiner Kenntnis des heimatlichen Lebens fremdartiger anmutete. So konnte in der Darstellung des Sagamannes selbst das Wunderbare gelegentlich wie ein natürliches Ereignis wirken.

Zufälle spielten auch in das sonst so festgeregelte Altagsleben



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des Isländers hinein. Schon das Volk witterte in jenen leicht übernatürliche Mächte. Der Sagaerzähler blieb in diesem Sinne bei der Wahrheit, wenn erin den Grenzen des Volksglaubens Spuk- und Gespenstergeschichten als Belebung seiner Darstellung verwandte.

Ein Rätsel war im Grunde mancher bedeutende Mensch auch schon im alten Island. Die Kraftanspannung der isländischem Männer und Frauen leistete oft schon im gewöhnlichen Leben schier Unglaubliches. So durfte der Sagamann auch wohl einmal übernatürliche Taten seiner Helden schildern, ohne daß seine Erzählung unwahrscheinlich wirkte. Von den Gestalte- der"Heldenromane", in "Thule" sind Männer wie Grettir der Starke oder der Skalde Egil noch immer sehr verschieden.

Aus einer späteren seit, wo jene mythischen Sagas Mode wurden, ist mancher romantische Zug auf die alte Saga übergegangen. Ihrem Wesen nach stehen jene Heldenromane zu dieser in schärfstem Gegensatz. Nicht das isländische Wirklichkeitsleben, sondern die dichterische Welt der alten Götter- und Heldenlieder war für sie Vorbild der Darstellung. Die in der Heroendichtung vietbesungene Saga vom mythischen Dänenkönig Rolf Krake wurde phantastisch aufgeputzt. Die Dichtung von den Nibelungen trug man auf Grund der Edda in zusammenhängendem Romane vor. Mit der alten Saga haben jene mythischen Ersäblungen nur den köstlichen Prosastil gemein . Sie wollen nicht Geschichte darstellen, wie jene, sondern sind Sagen in unserm Sinne des Wortes.

Diese mythischen und romantischen Zusätze haben indes den Charakter der alien Saga ebensowenig verändert wie die christlichen Einflüsse einer späteren Zeit. Die Einführung der neuen Religion wird öfter als segensreich erwähnt, aber weniger aus innerer Sympathie, als weil sie erträgliche staatliche Zustände schaffte. Wo sich wirklich christlich gefärbte Episoden in der Saga finden, tasten sie doch das heidnische Gesamtbild nicht an. Ebensowenig haben die Gestalten der Saga durch ihre dort chronikartig gebuchte Bekehrung zum Christentum etwas von ihrem heidnischen Charakter verloren. Gudrun, die Heldin der Lachstalsaga, bleibt eine heidnische Brynhild



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figur; auch wenn sie ganz am Schluß ihres Lebens fromme Einsiedlerin wird. Vollends ist das Leben keines einzigen Sagahelden mit der christlichen Lebensauffassung oder Moral in Einklang zu bringen.

Der Sagamann ist ein Kind des Zeitalters, dessen Ereignisse er schildert. Das verrät seine Darstellung auf Schritt und Tritt. In seinen Helden und Heldinnen wohnt eine unvergleichliche Frische und Lebenskraft. Man empfindet unmittelbar , daß erselbst solche Männer und Frauen auf dem Thing und in der Schlacht, im Haus und auf dem Felde beobachter hat. Die Handlungen dieser Menschen sind ihm nichts Fremdes, in das er sich erst für die dichterische Gestaltung vertiefen muß. Ihre Konflikte stellen ja nichts anders vor, als was er jeden Augenblick in der ihm vertrauten Umgebung seines Volkes aufs neue erleben kann. Der Sagamann kennt genau die Gedanken- und Empfindungswelt seiner künstlerischen Urbilder . Die starke naive Auffassung des Lebens teilt er mit jenen wie mit seinem Publikum.

Einheitlichkeit des Wesens ist bei den Helden und Heldinnen der Sagas die Hauptsache. Die Willensstärke jenes Zeitalters ist in ihnen zur höchsten Vollendung gesteigert. Wie im täglichen Leben finden sich auch bei den Hauptpersonen der Sagas gute und schlechte Eigenschaften gemischt. Alle aber sind bei ihnen in den Dienst eines festen Heldenwillens gestellt.

Ein Held, der sich durch Kühnheit und Klugheit vor allen hervortut , ist bisweilen von brutaler Grausamkeit und unersättlicher Habsucht. Eine Heldin, die durch Schönheit und wirtschaftliche Tüchtigkeit alle gefangen nimmt, kann sich unter Umständen hinterlistig und niederträchtig benehmen. Eine Schwäche der Gesinnung aber, Ohnmacht bei der Verfolgung eines Zieles kennt das Heldentum nicht.

Der Stammbaum der alten Geschlechter wird stets mit der größten Genauigkeit verzeichnet. Knappe Charakteristiken werden den einzelnen Personen beigegeben. Sie gehen aber selten über eine flüchtige Beschreibung hinaus, wie sie etwa der Nachbar von dem Nachbar gab. Vornehme Geburt, Wohlhabenheit und angeborene Tüchtigkeit werden im allgemeinen



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bei beiden Geschlechtern vorausgesetzt. Gern werden die gleichen körperlichen und geistigen Vorzüge durch mehrere Generationen verfolgt. Manche Saga gebt ja durch vier Menschenalter. Neben Tatkraft und verständigem Sinn wird beim Mann auf ansehnliche Erscheinung Gewicht gelegt. Schönheit spielt keine Rolle. Im Gegenteil. Gewaltige Sagahelden sind zuweilen abschreckend häßlich. Selbst bei den Frauen tritt die äußere Erscheinung in der Wertung hinter weiblicher Tüchtigkeit zurück.

Unter den Helden und Heldinnen finden sich keine Unholde, wie sie das nordische Berserkertum malt. Aber auch reine Lichtgestalten, wie sie das deutsche Nibelungenlied in Siegfried darstellt; fehlen ihr. Das Grundelement der Männer wie der Frauen ist eine unhemmbare Tatkraft im Guten wie im Bösen, die nicht ruht, bis sie ihr Ziel erreicht hat. Sie sitzt oft wie eine Krankheit im Körper und bricht sich in plötzlicher jähzorniger Entladung bis zur Vernichtung des Gegners Bahn. Sie hält sich aber auch oft jahrelang abwartend zurück und weiß dann immer im rechten Augenblick die Aufgabe, die sie sich gestellt hat; durchuzufüren. ist für dies harte Zeitalter bezeichnend, daß in dieser zähen Willenskraft sich Männer und Frauen begegnen, ja daß die Frauen oft wilder und berechnender sind als die Männer.

Gütige, weiche und heitere Naturen findet man bei den Frauen noch seltener als bei den Männern. Sie überwinden nicht selten die Schwäche ihres Geschlechts, um selbst blutige Rache an ihren Feinden zu nehmen. In der Aufreizung der Männer zur Erfüllung dieser Pflicht sind Mütter und Gattinnen unermüdlich Sie war ihnen die beste Gewähr für die kriegerische Tüchtigkeit ihrer Männer und Söhne. Aber auch in den Geschäften des täglichen Lebens sind die Frauen oft die klugen Beraterinnen ihrer Männer. Diese folgen ihnen auch gegen ihre eigene Meinung. Selbst erfahrene Helden, die in Gesetzeskunde und Rechtshändeln wohl Bescheid wissen. Und doch ist diese Kenntnis neben der Waffentüchtigkeit ein Hauptstolz der Sagahelden. Der größte jedoch, wenn sie auch von der Skaldenkunst etwas verstehen. In seinen Liedern leben des Mannes Taten noch einmal.



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Anschaulich wie die Personen der Saga vor uns hintreten, spielen sich die Begebenheiten ab. Der Schauplatz der Vorgänge wird meist so eingehend geschildert, daß man noch beute auf Island viele Örtlichkeiten nach alten Angaben bestimmen kann. Bilder landwirtschaftlicher Tätigkeit oder Feste und Spiele prägen sich dem Leser unvergeßlich ein. Man meint als Zuschauer dabei gewesen zu sein. Noch lebhafter hat man dies Gefühl an den Stellen, wo die Konflikte mit Waffen oder vor Gericht vor sich gehen. Wird ein Kampf oder Rechtsstreit dargestellt, dann tritt jede Phase ihres Verlaufs, soweit dadurch die Entwicklung der Handlung gefördert wird, mit vollendeter Deutlichkeit hervor. Hier herrscht zuweilen in den epischen Wiederholungen, die bei Aufzählungen von Waffen und Rechtsformeln sich einstellen, eine gewisse Einförmigkeit. Aber gerade sie unterstützt die Empfindung von der Wahrhaftigkeit der Vorgänge.

Solche Kampf- und Gerichtsszenen bilden gewöhnlich den Höhepunkt in den Sagas. So bekommen sie leicht schon im Aufbau der ganzen Handlung einen dramatischen Charakter. Dieser wird dann verstärkt durch den lebendigen und mit scharfen Pointen gewürzten Dialog der Personen. Man braucht nur Zwischensatze wie "sagte Kjartan", "erwiderte Gudrun" fortzulassen, um den täuschenden Eindruck dramatischer Auftritte zu erhalten. In den Reden und Gegenreden der Streitenden kehrt die Neigung der Saga zu gnomischem und sprichwörtlichem Ausdruck wieder. Ursprünglichkeit und Natürlichkeit werden auch in den einfach erzählenden Partien oft dadurch verstärkt, daß der Sagamann die indirekte Rede abbricht und seine Personen sich plötzlich direkt äußern läßt.

Auch sonst wirkt die Saga trotz der ihr durch das Zeitalter vorgezeichneten chronikartigen Berichterstattung fast immer lebendig und anschaulich. Sie sucht sich der Art, wie sich die Vorgänge im natürlichen Leben abspielen, in der Darstellung ungezwungen anzuschmiegen. Vieles bleibt ja auch in der Wirklichkeit zunächst unerklärt und rätselhaft, was bei späterer Gelegenheit seine Aufklärung findet. Die Saga bemüht sich durchaus nicht, hier vorzeitig ihre Hörer aufzuklären. Anfängliche Ungewißheit



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erhöht doch die Spannung, und die Hörer wissen aus Erfahrung , daß ihnen der Erzähler die Aufklärung schließlich nicht schuldig bleibt. Die Saga geht in der zwanglosen Anordnung des Stoffes sehr weit. Personen und Gegenstände werden früh erwähnt, die erst viel später eine Rolle spielen. Ja sogar für die Handlung höchst bedeutsame Ereignisse erscheinen zunächst als ganz unverständliche Episoden.

Die Charakteristik der Helden erfolgt außer durch die Personalbeschreibung der Saga und die eigenen Dialoge jener vor allem durch Handlung selbst. Auch hierbei zeigt sich wieder die Neigung, das wirkliche Leben nachzuahmen. Durch äußere sinnfällige Vorgänge sollen die Empfindungen und Gedanken der Helden ins Licht treten. Errät der Hörer nicht sofort den Zusammenhang zwischen dem äußeren Vorgang und dem Seelenleben des Helden, dann mag er staunen, wenn er ihn später aus dem Verlauf der Saga erfährt. Ingibjörg in der Lachstalsaga sagt, das Tuch, das sie Kjartan gegeben habe, sei zu gut für Gudrun. Das soll ihre Liebe zu jenem malen. Wenn König Harald Haarschön einmal schweigt und blutrot wird, als er in seines Vasallen prächtige Halle tritt, dann errät jeder leicht seine aufsteigende Eifersucht.

Solche ungewollte Symbolik der Handlung zeigt das tägliche Leben hundertfach. Sie durchzieht auch die Reden der handelnden Personen an vielen Stellen der Saga. Diese geht so weit in ihrer Gewohnheit; das seelische Leben ihrer Personen erraten zu lassen, daß sie jene nur das sagen läßt, was man auch im gewöhnlichen Leben ausspricht. Der Wahrscheinlichkeit zuliebe setzt sie sich selbst der Gefahr aus, einmal undeutlich zu werden. Lügen von Personen werden nicht als solche kenntlich gemacht, und wenn zwei heimlich miteinander reden, kann man den Sinn wie im wirklichen Leben auch in der Saga nur erraten. Gern malt jene uns ihre Helden nach voraufgegangener Charakteristik am Anfang der Erzählung kurz vor einem bedeutenden Ereignis noch genauer aus. Darin engt sich der Wirklichkeitssinn der Saga vielleicht am glänzendsten. Wir beobachten die Gesichtszüge eines Menschen nie genauer, als wenn plötzlich stark unser Interesse für ihn geweckt wird.



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Eine so einheitlich durchgeführte Weltauffassung, wie sie in dem Eddaliede "Die Weissagung der Seherin" zutage trat, ist in der Saga nicht zu finden. Von einer Ethik oder Moral in unserm Sinne kann man schlechterdings nicht reden. Der Sieg oder das Unterliegen eines Helden oder seines Gegners wird niemals durch die Güte des einen oder die Bosheit des andern bedingt. Auch der edelste Held siegt nicht, weil er gut ist, und der nichtswürdigste Wicht fällt nicht, weil er schlecht ist. Eine solche Auffassung wäre den Gestalten der Saga vollkommen fremd. Sie finden es ganz natürlich, daß auch der Böse siegen kann, wenn er sich durchzusetzen weiß, und daß der Gute unterliegen muß, wenn er seinen Willen nicht durchdrückt. Die Stärke der Persönlichkeit gibt den Maßstab des Wertes.

Der unversöhnliche Haß gegen den Widersacher schließt bei dem Helden nicht aus, daß er jenem in Gedanken Gerechtigkeit widerfahren lassen kann. Die Feindschaft des Gegners erscheint ihm oft natürlich, und seine tüchtigen Eigenschaften läßt er auch trotz der größten Erbitterung gelten. Ja nicht selten zeigt ein Held im Bewußtsein der eigenen Kraftfülle Hochherzigkeit und Edelmut gegenüber dem Widersacher. In dem zähen Bestreben, ihren Willen durchzusetzen, sind doch Freunde wie Feinde einig.

Einen solchen Standpunkt erkennt der alte Isländer auch beim Gegner immer an. Er ist vielleicht einmal von einem andern durch einen Eid zur Hilfeleistung verpstichtet und sieht spät, daß man ihm verschwieg, es ginge gegen eine Übermacht. So sehr er sich nun geschädigt fühlt, die Cist des andern kann er nicht unberechtigt finden. Er selbst würde sie zur Durchsetzung seiner Pläne jederzeit selbst anwenden.

In jener wilden Zeit eines Kampfes aller gegen alle ist der Eid oder das gegebene Manneswort der einzig sichere Halt. Nur wer sie verletzt, erscheint als ein"Neiding" und wird von Freund und Gegner verachtet. Als am unverbrüchlichsten gilt der von Blutsbrüdern geleistete Schwur. Wo die Schwurbruderschaft mit der Liebe zu demselben Mädchen in Widerstreit gerät, da hat die Saga ihre tragischsten Konflikte.

Eine heiße unwiderstehliche Neigung zum andern zum andern Geschlecht ist



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bei den Frauen doch häufiger als bei den Männern. Die Liebe in der Ehe ist vom Mann aus fast immer auf die praktische Umsicht der Hausbau gegründet. Die Liebe zu Vater, Sohn und Bruder als den natürlichen Stützen des Geschlechtes ist selbst den härtesten Männergestalten eigen. Neben der Eidestreue ist die Blutrache vornehmste Pflicht des Mannes. Beide sind aber im lesten Grunde auf keine ethische Erwägung gegründet , sondern entspringen dem Selbsterhaltungstrieb, der in Sippe und Freund einen Ouell der eigenen Kraft sieht.

Daß trotz der größten Willenskraft der Entscheid über Sieg und Untergang nicht immer von ihnen selbst abhängt, das wissen auch die tapfersten Helden. Nicht nur den Fall des Gegners können sie mit eisigem Spott behandeln, auch den eigenen Untergang ertragen sie mit grimmigem Humor. Sie scherzen noch im Tode und haben für ein lächerliches Mißgeschick , das etwa in diesem Augenblick dem Gegner zustößt; immer noch ein Lachen übrig.

Die tragische Ironie, die im Mißlingen ihrer großartig angelegten Taten liegt, empfinden die Sagahelden oft selbst. So sprach der weise Njal seine trüben Ahnungen aus. Sehr häufig kündigt sich in Träumen der Hauptpersonen das kommende Verhängnis an. Oder die Schutzgöttin eines Helden und seines Geschlechtes verläßt jenen. Hat ein Sagaheld trotz aller Willenskraft sich nicht behaupten können, dann gilt er als "Unglücksmann". Selbst diese Kraftnaturen, denen Lebenskraft und Lebensluft alles ist, fühlen sich dem Zufall gegenüber ohnmächtig. "Niemand kann gegen sein Schicksal ankämpfen " —so denkt auch der Stärkste.



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Doppelkrater mit Schwefelquellen auf der Höhe der Krasla. Nordisland


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10. Die Familiengeschichten

Den Charakter des isländischen Heldenzeitalters spiegeln am besten die "Familiengeschichten" wieder. Sie bilden den Hauptteil von "Thule" .

Die Heldengestalten der fünf großen Sagas kennen wir bereits . Die äußerste Grenze, bis zu der die Taten eines Njal und Egil, eines Goden Snorri und Grettir, sowie der Heldin Gudrun aus dem Lachstal gehen, ist das Jahr 1030.

Damals starben kurz hintereinander Snorri und Grettir. Dieser war nach 990, jener nach 960 geboren. Noch eine Generation weiter rückt dann Njal. Seine Geburt fällt 950. Nur der Skalde Egil reicht noch in die Zeit vor der Gründung des Freistaates. Er ist um 900 geboren. Aber seine größten Taten fallen auch in die Epoche nach 930. Vorher teilt er noch den Ruhm mit seinem Vater Skallagrim auf Island und seinem Oheim in Norwegen.

Dies chronologische Verhältnis kehrt ähnlich in allen Familiensagen wieder. Was aus dem Zeitalter der Landnahme und aus dem Norwegen Harald Haarschöns in den Sagas berichtet wird, betrifft die Ahnen ihrer Helden, nicht diese selbst. Dagegen ist das letzte Menschenalter seit der Einführung des Christentums im Jahre 1000 oft noch der Tummelplatz ihrer gewaltigsten Taten. Durch nichts unterscheidet sich das Heldentum jener ersten christlichen Zeit von den beiden ersten Menschenaltern der Republik, wo das Heidentum noch anerkannte Staatsreligion war.

Zehn Jahre vor Einführung der neuen Lehre auf dem Allthing wurde Gunnar von Haldenende ermordet. Zehn Jahre nach der Annahme des Christentums findet der große Mordbrand statt, dem Njal und sein ganzes Geschlecht erliegt. An großartiger Wildheit sind diese Szenen ganz gleich. Um 950 ruht Egil von seinen Jugendkämpfen in Norwegen auf Island aus. Um 1030 besiegelt der junge Grettir mit dem Tode sein unausgesetztes Kriegerdasein. Das Bild des jungen altisländischen Helden hat sich in der Saga während eines Jahrhunderts kaum verändert.



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Die Sagazeit ist in Deutschland die Periode der sächsischen Kaiser. Hier wie überall im Süden von Europa herrscht bereits das Christentum, und die heidnische Dichtung hält sich, soweit sie noch da ist, mühsam neben der geistlichen Poesie. Messiaden vertreten das einheimische Volksepos. Als dieses dann zur Zeit der Staufer eine Wiederauferstehung erlebt , ist das altgermanische Bild stark beeinträchtigt. In den isländischen Familiengeschichten des zehnten Jahrhunderts dagegen lebt es in unvergleichlicher Treue.

Der Schauplatz dieser Erzählungen ist Island selbst von den blühenden Siedelungen der Landnahmemänner bis zu den wüsten Hochebenen des Innern. Außer den Gestalten der Vorfabel bewegen sich freilich) auch die Helden selbst auf ihren Jugendfahrten oft im Ausland. Aber der Schwerpunkt ihrer Taten und Leiden liegt in der Heimat. Selten nahmen die Wikingfahrten im Ausland einen solchen Umfang an wie beim Skalden Egil. Er durchschweift den ganzen Norden Europas. Seine Geschichte wie die der anderen Skalden nähert sich schon dem Stil jener isländischen Sagas, die die Taten der norwegischen Könige erzählen.

Jede Gegend auf Island hatte ihre besondere Saga. Aber die Sagamänner kamen weit im Lande herum. Bei den alljährlichen Zusammenkünften auf dem Allthing besonders fand mannigfacher mündlicher Austausch statt. Dabei ging wohl manche Begebenheit von der einen Geschichte in die andere über. Personen aus den verschiedenen Sagas wurden miteinander in Zusammenhang gebracht. Stil und Erzählungsart der Familiengeschichten bekamen dadurch schon im Heldenzeitalter eine große Einheitlichkeit,

Durch die sorgfältig allerorts überlieferten Geschlechtsverzeichnisse war die Sicherheit der Überlieferung verbürgt. Ganz Island wurde durch jene wie eine große Familie zusammengeschlossen . Sehr häufig treten Mitglieder derselben Familie als Helden in verschiedenen Sagas auf. Ein Verwandter Egils, der Skalde Björn, wird Held einer neuen Geschichte. Eine Gestalt wie der Gode Snorri gibt in einer Reihe von Sagas eine bemerkenswerte Gastrolle.



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Die schriftliche Aufzeichnung hat dann vollends alle Sagas später zum Gemeingut des ganzen Volkes gemacht. Aber die Redaktion bei der Niederschrift folgte auch nur wieder der alten Fabulierkunst, die schon in der Sagazeit selbst zur Vereinheitlichung des ganzen Sagagebietes tätig war.

Am kunstvollsten sind die fünf großen Familiengeschichten aufgebaut. Sie boten schon im alten Island der gelehrten Generation des dreiehnten Jahrhunderts ein ausgeprägtes Gemälde der Wikingerzeit. So bildeten sie auch für die Schilderung von Staat und Familie, von Kriegertum und geistigem Leben den natürlichen Hintergrund.

Das Kulturbild der großen Sagas erweitern die kleineren Geschichten in den Grundzügen nicht wesentlich. Aber im einzelnen wird es selbst in den kürzesten Erzählungen durch manche glückliche Kleinmalerei bedeutend ergänzt und vertieft. Gerade weil die kleineren Sagas nicht das monumentale Gepräge der großen Geschichten haben, wirken sie auf einen unbefangenen Leser noch mehr wie jene mit der treuen Naivität der alten seit.

Die großen Sagas berührten sich, trotz ihrer grundlegenden Verschiedenheit, in dem heroischen Charakter ihrer Haupt personen mit der Edda. Auch die reiche Verwertung von Skaldenstrophen zur Ausmalung der seelischen Vorgänge im Charakter der Helden erinnert an die mythische Dichtung.

Im Süden entstand die Saga von Njal, die von Grettir im Norden. An den schönen Buchten des Breitfjords im Westlande spielen die Geschichten vom Goden Snorri und von den Leuten aus dem Lachstal. Die denkwürdigste Stätte des Westens ist Borg. Hier; nahe einer Bucht des herrlichen Faxafjords, an dem jetzt die Hauptstadt Reykjavik liegi, war der isländische Schauplatz der Saga vom Skalden Egil. Von dem starken Geist der aus Norwegen mitgebrachten ältesten Eddadichtung sind auch seine Lieder am mächtigsten erfüllt. Sie war schon in der Sagazeit im Westland und in den an- grenzenden Teilen des Nord- und Südlandes besonders heimisch.

Aber in der Zeit der schriftlichen Aufzeichnung war auch gerade



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in diesen Gegenden das Interesse für die Erhaltung der Sagas besonders lebhaft. Hier lagen vor allem die gelehrten Schulen, hier neben dem Norden die besten Klöster. Nirgend war der Boden so günstig für eine monumentale Gestaltung des Sagastoffes, wie sie gerade die fünf großen Geschichten zeigen.

Von den kleineren Familiengeschichten stehen ihnen die"Skaldengeschichten und die "Geschichten von Achtern und Blutrache" am nächsten. Der Geist Egils durchweht die ersten, der Geist Grettirs die letzten. Empfangen die Skaldengeschichten erst durch die dichterische Tätigkeit ihrer Helden die volle Weibe, so ist in den Geschichten von Achtern und Blutrache das isländische Kriegertum ganz im heroischen Stil der großen Sagas gemalt. Auch sie spielen alle im Westen oder in dessen Nachbarschaft.

Je mehr der Norden Schauplatz der Saga wird, verliert äch der heldenhafte Charakter. Schon in den Sagas des westlichen Nordlandes tritt neben großzügigem Heldentum eine siegreiche Bauernpfiffigkeit der Personen als Lieblingsvorwurf der Darstellung hervor. In den Geschichten aus dem östlichen Nordland nimmt das bäuerliche Wesen der Gestalten zu. Auch hier erscheint noch unbändiges Kriegertum, wie es die alte Zeit verlangte. Aber die bei allem Bauerntum ritterlichen Kämpferfiguren des Westlandes ersetzen dort mehr kondottierenhafte Haudegen. Auch wo jene Männer des Skaldensangs noch mächtig sind, spielt er doch im Zusammenhang ihrer Taten eine untergeordnete Rolle.

Am kleinbäuerlichsten ist dann der Saga-Hintergrund der Geschichten von den Ostlandfamilien. Kleine nichtige Fehden tragen hier oft etwas Spießbürgerliches in die Handlung hinein Aber dem wirklichen Leben kommen sie gerade am nächsten . Sie machen am meisten den Eindruck der mündlichen Erzählung.

Auch dem Charakter der Landschaft entspricht diese allmähliche Wandlung des Sagastils von heldenhafter Größe zu kleinbäuerlicher Einfachheit.

Wir schilderten Neu-Island vom einfacheren Süden und Osten



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die Nordküste entlang bis zu den reicheren Kulturstätten des westens. Man muß den umgekehrten Weg um Alt-Island einschlagen, will man den Schauplatz der genannten fünf Gruppen kleinerer Familiengeschichten in "Thule" sich vergegenwärtigen .

Am schönen Borgfjord der Westküste spielt die bekannteste der Skaldensagas, die Geschichte von Gunnlaug Schlangenzunge. Sie schildert ein prächtiges, aber leider tragisch endendes Liebesidyll zwischen ihm und der Enkelin Egils, der schönen Helga. Und am winterlichen Eisfjord, im äußersten Nordwesten, ist die Saga heimisch, die in dem alten lahmen Helden Havard die rauhe Pflicht der Blutrache am erschütterndsten darstellt.

An der Nordküste, wenig landeinwärts, im anmutigen Vatnsdal oder "Seetal", hauste Jngemunds schicksalbegünstigtes Geschlecht, das wir schon aus der Darstellung des Besiedlungsbuches kennen. Nach Osten zu schneidet dann tief in die Nordküste der Inselfjord, an dem jetzt Islands zweite Hauptstadt Akureyri liegt.

Alle Helden jener Gegend überragt der berserkerhafte Haudegen Glum. Er weiß zwanzig Jahre hindurch mit List und Gewalt seine ganze Umgebung in Atem zu halten.

Weniger kämpenhaft; aber seelisch reizvoller als alle diese Geschichten wirkt die schönste der Geschichten von den Ostlandfamilien , die Saga vom Freyspriester Hrafnkel. Dieser kleinbäurische Selfmademan mutet uns schon beinahe modern an.

Durch den klaren Gang der Handlung und die Einfachheit der Darstellung wirkt die Geschichte von Hrafnkel ursprünglich wie die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge. Über diese Erzählung aus der Heimat Egil Skallagrimssons ist schon ein leiser Hauch mittelalterlicher Romantik gebreitet. Es ist die anmutigste Liebesnovelle des isländischen Heldenzeitalters.

Die Strenge des isländischen Familienlebens ließ für erotische Abenteuer wenig Raum. Liebesverhältnisse habenin der Darstellung der Saga fast immer etwas Peinliches. Sie führen zum Streit mit den Verwandten des Mädchens, die dessen Ehre mißtrauen. Es entspricht ganz dem Wirklichkeitssinn der Familiengeschichten, wenn Liebeshändel als Hauptmotiv der Dich vor



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allem in den Skaldensagas auftauchen. Der bewegliche und leichtentzündliche Dichtergeist hat sich natürlich am schwersten mit der starren Solidität jener geschlechtsstolzen Bauernaristokratie abgebenden.

In dem Leben des großen Tatenmenschen Egil war wenig Platz M sanftere Stimmungen. Auf ihn wirkte die Liebe eher wie eine lästige Krankheit. Um so mächtiger lodert die Leidenschaft auf in den beiden Skaldensagas des Nordlandes. Sie füllt die Jugend des"Königsskalden" Hallfred auf Island aus. Sein Liebesverhältnis zur schönen Rolfinna und die Plänkeleien mit ihren unzufriedenen Verwandten bilden ein farbenprächtiges Vorspiel für die großen Taten und Erfolge beim norwegischen Herrscher. Mit dämonischer Kraft aber ist Kormak "der Liebesdichter" an die schöne Steingerd gefesselt, obwohl sie andern Männern als Gattin gehört. Ruhelos eilt er zwischen den Kriegstaten und Gesängen am Hofe ausländischer Fürsten stets wieder in ihre Nähe. Noch kurz vor seinem ruhmvollen Tode im Zweikampf hat er die Geliebte besungen.

Von starker Liebe zur schönen Oddny ist Egil Skallagrims Verwandter Björn aus Hitardal beseelt. Aber er hat auch einen innigen Freundschaftsbund geschlossen, wiesein großer Gesippe einst mit Arinbjörn. Sein Gefährte Thord heiratet Björns Geliebte, indem er verbreiten läßt, jener sei auf dem Wikingzug gefallen. Als Björn aus Norwegen zurückkehrt, folgt scheinbare Versöhnung. Björn wird sogar im Haus des Freundes aufgenommem Aber die Nebenbuhlerschaft bricht zunächst in gehässigen Liedern zwischen ihnen aus, bis zuletzt Björn der Oddny halber durch Thord im Kampfe fällt.

Diesen Konflikt zwischen Liebe und Freundschaft hat auch die Saga von Gunnlaug Schlangenzunge so ergreifend ausgestaltet .

Das düstere Schicksal, das Egils Enkelin bestimmt ist, kündet sich in einer Fülle von Träumen an. Am Hofe des Schwedenkönigs hat Gunnlaug seinen Gegner und Nebenbuhler Hrafn kennen gelernt. Der Sängerkrieg der beiden Skalden dort ist ein Vorspiel ihrer beginnenden Feindschaft.

Auf dem Allthing trifft Gunnlaug Helga mit Hrafn vermählt



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Im Zweikampf wollen äch die Gegner dort messen, aber er muß abgebrochen werden, weil ihn das neue Staatsgesetz verbietet. So fechten sie fern in Norwegen ihre Sache aus und fallen beide.

Die Saga ist eine kleine Schicksalstragödie. Die Schönheit Helgas hat all das Unheil herbeigeführt. Es wäre verhütet worden, hätte ihr Vater Thorstein sie, wie ihm die Träume rieten, als Kind schon ausgesetzt. In zweiter freudloser Ehe läßt sie die Saga am Schluß immer an Gunnlaug gedenken. Er ist es wert — ein Mann vom Schlag der alten Helden. Aber auch auf Hrafn, ihren ersten Gemahl, fällt kaum ein Makel. Man kann ihm nicht grollen, wenn er treuherzig selbst erklärt, nur die Liebe zu Helga hätte ihn die Treue gegen seinen Freund Gunnlaug brechen lassen.

Die kleinen Skaldensagas mit ihren bedeutsamen Frauengestalten ergänzen wirkungsvoll die Verherrlichung starker Männlichkeit in der Geschichte von Egil. Auch die Saga von Grettir dem Starken hat in den Geschichten von Achtern und Blutrache lebensvolle Gegenstücke gefunden.

Von der wilden Tatenlust Grettirs ist auch Hard, Grimkels Sohn, aus dem Südwesten der Insel, beseelt. Er erinnert in seiner Jugend an die Kämpennaturen der Heldenromane. Mit Odins Hilfe gewann er ein verhängnisvolles Schwert, das seinem Besitzer den Tod bringt. Geächtet aber macht er wie Grettir von einem entlegenen Holm aus seine Raubzüge in die Umgegend, als Führer von zwölf Genossen, den "Holmleuten", bis er im Kampf untergeht.

Nicht so kriegerisch geartet wie Grettir und Hard zeigt sich im Nordwesten Suis Sohn Gisli. Er ist durch das Schicksal, nicht durch seine eigene Abenteuerlust, zum unsteten Flüchtling geworden. Gislis ganzes Wesen ist eigentlich auf Frieden gestellt. Er ist ein geschickter Landwirt und vortrefflicher Handwerker. Treu und ehrlich hält er zu seinen Freunden. Aber gerade dies, die Liebe zum Bruder seiner Frau, stürzt ihn ins Verderben. Um an diesem Blutrache zu nehmen, muß er seinen anderen Schwager töten, den Gemahl seiner Schwester, die ihn dann verrät. Ihr zweiter Mann erzwingt Gislis Ächtung,



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daß er fortan ruhelos umherirren muß. In schwermütigen Träumen und Dichtungen, die schon hie und da christliche Anwandlungen zeigen, bricht sich des mutigen und doch so weichen Mannes Sorge Bahn. Treu aber folgt ihm seine tapfere Gattin Aud in die Einsamkeit, ein Gegenstück zu Bergthora, der Gemahlin Njals. Aud fürchtet den Zorn seiner Feinde nicht und steht ihm noch im Augenblick seines Heldentodes bei.

Auch die gewaltigen Mordbrände und Fehden der Geschichten von Njal und vom Goden Snorri finden sich in den kleinen Geschichten des Westens wieder.

Die Erschlagung eines Mannes hatte den gewaltigen Hochlandskampf im Nordwesten zur Folge, der auf Tvidögra, der "Zweitageheide", ausgefochten wurde. Diese Feldschlacht war nur durch Snorris kluge Vermittlung beigelegt worden. Im Südwesten gab sogar der Geiz eines reichgewordenen Hühnerhändlers die Ursache zu erbitterter Fehde. Während einer Mißernte hatte ihn der edle Häuptling Blundketil gezwungen ihm Heu von seinem Vorrat zu verkaufen. Da hetzt jener einen anderen Häuptling auf ihn, und in einem furchtbaren Mordbrand wird Blundketil mit allen seinen Mannen vernichtet. Der Streit zwischen den feindlichen Parteien endet erst, da Totschlag und Friedlosigkeit auf dem Allthing die Schuldigen trafen.

Skaldensaga und Saga von Blutrache reichen sich am nachbarlichsten die Hand am rauhen Eisfjord auf der nordwestlichsten Halbinsel Islands, die schon fast grönländischen Carakter trägt.

Dort dichtet der junge Skalde Thormod feurige Liebeslieder auf ein schwärbrauiges Mädchen. Später aber ruft ihn die Botschaft vom Tode seines Freundes Thorgeir nach Grönland. Er ruht nicht, als bis er diesen durch die Vernichtung seines Mörders und andere Bluttaten gerächt hat. Thormod fällt selbst später als Held im Dienste König Olafs des Heiligen. Vorher hat er noch dem toten Freunde ein herrliches Grablied gedichtet. Und doch hatten sie sich zuletzt veruneinigt. Aber Thormod und Thorgeir hatten einst Blutsbrüderschaft geschlossen. Ihre Pflicht ist es, die die Saga wundersam verherrlicht.



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Der Wasserfall Brüarfoß in Südisland


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Die Verpflichtung der Verwandtschaft zur Blutrache ist in der Geschichte des alten Havard vom Eisfjord am ergreifendsten dargestellt. Wie in der Njalssaga erfahren wir vom Haupthelden nichts über seine Jugendtaten. Mer der Vulkan in seinem Innern, der ihn nach der Erschlagung seines Sohnes Olaf nicht zur Ruhe kommen läßt, zeigt die gewalttätige Natur, die ihm früher innegewohnt haben muß. Jahrelang liegt der Alte lahm im Bette und muß sich mit dem Gedanken an Rache begnügen. Und ihm beigesellt ist die energische Frau, die ihm die Schmach des Geschlechtes ständig vorwurfsvoll vorhält. Ihm stand nicht wie dem alten Njal ein Skarphedin nr Seite, der die Rachepflicht übernehmen konnte. Als ihm dann endlich die Vernichtung des verhaßten Gegners gelingt, muß er noch in seinem Alter die Heimatgegend verlassen.

Alle diese Sagas schildern die Geschichte einer Hauptperson. Mehrere Generationen durchläuft die Saga von den Leuten aus dem Seetal, die schönste der westlichen Nordlandsgeschichten

Eine Geschichte, die durch mehrere Menschenalter ging, war schon die Lachstalsaga. Zwar ihrer Heldin Gudruns Geschlecht wird erst spät in die Handlung eingeführt. Aber die Lichtgestalt des jungen Kjartan, ihres Geliebten, ist schon durch wei glänzende Vertreter des Geschlechtes vorbereitet. Höskuld , ein Nachkomme Kolls aus der Schar jener berühmten Heldin Aud aus dem Besiedlungsbuch, hat mit einer gefangenen irischen Königstochter Melkorka Kjartans Vater Olaf Pfau gezeugt. Dieser stolze und prachtliebende Häuptling war es, in dessen bildergeschmückter Halle die Skalden sangen. Durch ihn ist freilich auch das Unglücksschwert "Fußbeißer" in das Geschlecht gekommen, mit dem Ballt, Gudruns Gemahl, später auf deren Geheiß den jungen Kjartan fällt.

Glück und Unglück beherrschen so auch Jngemunds, des Seetalhäuptlings Geschlecht, Generationen hindurch. Wir kennen ihn schon aus der Landnama. Unter glücklicheren Auspizien als die andern Siedler, in Freundschaft mit dem gefürchteten König Harald Haarschön, war er nach Island gezogen. Die Weissagung, die ihm noch in Norwegen durch die Seherin



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ward, erfüllt sich auf Island. Vater, Sohn und Enkel herrschen glücklich und weitgeachtet in der ganzen Gegend.

Zwar mit blutigen Fehden ist auch das Leben dieses Geschlechtes ausgefüllt. Vor allem gerät der haderlustige weite Sohn Ingimunds, Jökul, mit dem starken Finnbogi aus der Nachbarschaft in ununterbrochenen Kampf. Die nach ihm benannte Saga hat jenen starken Helden mit übernatürlichen Kräften ausgestattet und ließ ihn im Auslande die berserkerhaftesten Taten verüben. Sie hat Finnbogis und Jökuls Zwist in noch abenteuerlicheren Farben gemalt als die Saga der Leute aus dem Seetal.

Hochherzigkeit und Klugheit ist immer auf die ältesten Söhne von Ingimunds Geschlecht übergegangen. An ihnen hat sich vor allem die Weissagung der glückbringenden Schutzgöttin erfüllt.

Aber wie die Lichtgestalten der Egilssaga, Thorolf, Oheim und Neffe, ereilt auch die der Seetalgeschichte ein tragischer Tod. Den alten Ingimund, der im menschenfreundlichen Bestreben , einen Hader mit Nachbarn zu schlichten, heimtückisch niedergestreckt wird, und seinen gleichnamigen Enkel, der so schön war, daß alle Mädchen des Seetals, wie es im Liede hieß, nur mit ihm geben mochten.

Der romantische Glanz, der die Geschichten von Ingimund und noch mehr von Finnbogi umstrahlt, fehlt den andern Sagas dieser Gegend.

Mit köstlichem Humor ist in der Saga Ofeigs der Sieg durchtriebener Bauernschlauheit über mächtige Gegner dargestellt. Dieser alte geriebene Fuchs greift wiederholt und immer mit Erfolg in die Prozesse ein, die sein reichgewordener und vielbeneideter Sohn mit eifersüchtigen Nachbarn hai. In Wirklichkeit sind diese Bundesbrüder", wie die acht Häuptlinge nicht ohne pikanten Scherz in der Saga beißen, gar nicht so einig, wie sie tech in ihrem Haß gegen Ofeigs Sohn geben. Durch Bestechung und schlaue Ausnutzung der Schwächen dieser Ehrenmänner macht der Alte alle ihre Umtriebe zuschanden. Aber nur mit Worten wird gestritten. In der ganzen Saga fließt kein Blut. Diese Männer leben nicht mehr im Heldenzeitalter.



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Die Saga vom durchtriebenen Ofeig istdie einzige Familiengeschichte , die erst um 1050 entstanden ist. Sie zeigt die Wandlung an, die sich in den beiden ersten ruhigeren Jahrzehnten des Christentums in dem Charakter des Volkes allmählich vollzogen hatte.

Ein Kranz von Sagas umgibt im Nordosten den Inselfjord. Hier herrscht noch Fehde und Blutvergießen. In Reykjadal und Svarfadardal, am Ljosavatn, dem "Lautersee", überall spielen erbitterte Kämpfe zwischen den einzelnen Geschlechtern . Man denkt dabei an den Zwist der Leute von Eyr mit den Männern vom Schwanenfjord aus der Saga des Goden Snorri zurück. Vor allem erinnern an diesen die Fehden der Esphölinger mit dem Geschlecht des Haudegen Glum".Mut und Verschlagenheit sichern ihm wie am Breitfjord dem Goden Snorri lange den Erfolg gegen alle Gegner. Aber eine weitblickende Natur wie jener ist er nicht.

In Glum ist ein berserkerartiges Draufgängertum mit ausgesuchter Hinterlist gepaart. Jenes läßt ihn über alle Gegner triumphieren, diese zwingt ihn schließlich im Alter noch aus seiner Heimat zu gehen.

Aus blöder und träger Jugend ist Glum plötzlich in seine Kraftnatur emporgewachsen. Die Saga verleiht ihm eine Ungeheuerlichkeit; die an Egils dämonisches Auftreten in der Königshalle erinnert. Als Glum von einem Gegner verhöhnt wird, da bricht erin ein solches Lachen aus, daß sein Gesicht ganz fahl wird und Tränen aus seinen Augen gleich großen Hagelkörnern fallen. Der mächtigste Häuptling der Gegend war dem Besitzstand der Mutter während Glurns Wikingfahrt ins Ausland ;u nahe getreten. Mit der Erschlagung von dessen Sohn eröffnet der junge Glum seine Heldentaten.

Eigenartig berührt bei einem Helden wie Glum die unritterliche Art, wie erden Totschlag eines Gegners von sich auf einen andern Helden abzuwälzen sucht. Lange gelingt es ihm, die ganze Nachbarschaft über den wirklichen Täter in Ungewißheit zu halten. Ja er scheut sich nicht, in drei Godenbezirken auf die in Opferblut getauchten silbernen Tempelringe einen höchst zweideutigen Reinigungseid zu schwören, den man zu seinen Gunsten auslegt.



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Verliert Glum durch dies selbstsüchtige Vorgehen bei uns an Teilnahme, so gewinnt er sie einigermaßen wieder durch seine Dichtung. Wie Gisli den Geächteten, verrät ihn sein eigener Skaldensang. Was er sonst mit äußerster Hinterlist verbirgt, kann er dort nicht zurückhalten. Diese tragische Ironie stimmt uns milde. Wir haben ein Mitgefühl mit Glum wie mit dem alten Egil, wenn er wie jener im Liede voll Lebensüberdruß über das ibn erdrückende Alter klagt.

Der Skaldensang fehlt fast vollständig in den Sagas der Ostlandfamilien. Sie bilden in ihrem prächtigen kleinbäuerlichen Milieu eine Welt für sich, wenn sie auch bier und da in die großen Sagas des Westlands übergreifen. So wird Gunnar, der Töter Thidrandis, in der Lachstalsaga von Gudrun und dem Goden Snorri vor den Folgen seines Totschlages sicher nach Norwegen gerettet. Die Geschichten der Leute von der "Waffenförde", von Thorstein dem Weißen und Thorstein Stangenhieb, sie alle tragen untereinander mehr den Charakter ein und derselben Saga als die Geschichten in den andern Gegenden Islands.

Der Held der schö der Priester Freys, Hrafknkel, eine eigensinnige, halsstarrige Bauernnatur. Er herrscht als allmächtiger Gode in seiner Gegend. Dein Tempel seines Gottes hat er das Roß Freymähne geweiht. Er hat geschworen, jeden zu töten, der auf diesem heiligen Roß einen Ritt wage. Die Erfüllung dieses Gelübdes bringt ihm Verfolgung auf dem Allthing. Er muß sein Godentum in Jökuldal räumen und findet in der Fremde eine neue Heimat. Dort kommt er bald durch seine wirtschaftliche Tüchtigkeit zu neuem Wohl tand und reichem Ansehen. Inzwischen haben seine Gegner aen Tempel zerstört und das verhängnisvolle Roß vom Felsen ins Meer gestürzt. Da erklärt Hrafnkel allen Glauben an eine Gottheit für Unsinn. Er schwört dem Frey ab. Es gelingt ihm aber in seinen alten Tempelbezirk zurückzukehren und an seinen Gegnern gebührende Rache zu nehmen. Jetzt herrscht der gottlose Mann als Gode mächtiger denn zuvor,

Ein rationalistischer Zug geht durch diese Saga, der ihr eine so moderne Färbung verleiht. Hrafnkels Sieg bedeutet den



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Sieg der kraftvollen Menschennatur, die sich in allen Widerwärtigkeiten des Schicksals durchsetzt.

Kleinere und engere Lebensverhältnisse schildern die Sagas, die auf dem 980 von Island aus entdeckten Grönland spielen. Einem dort entstandenen Eddalied erschienen der mächtige Hunnenkönig Atli und seine Helden schon heroenhaft, wenn es sie in den Verhältnissen einer isländischen Großbauemifamilie schilderte. Eine noch bescheidenere Umwelt setzen die vielen Abenteuer voraus, die der Held Thorgils aus der Saga von den Leuten aus Floi auf Grönland erlebte, nachdem er, vergeblich von seinem alten Schutzgott Thor in Träumen gewarnt , in die fremde Glescherwelt segelte.

Aber ein frischer Zug, eine Robinsonstimmung herrscht in den eigentlichen Grönländergeschichten. Mit naiver Fabulierlust werden die neuen Wunderländer vorgeführt. Grönland mit seinem Walreichtum und kostbaren Pelzwerk, mit seinen Eisbären, die zum Geschenk für norwegische Könige verwandt werden.

Das von Erich dem Roten entdeckte Land wird "Grünes Land" genannt, um die Ansiedler anzulocken. Dann taucht gar ein "Weinland" auf. Erichs Sohn Leif kommt an die nordamerikanische Küste. Sein Begleiter, der Deutsche Tyrkir, giebt dort den ibm aus Deutschland wohlbekannten Weinstock. Schiffe werden mit köstlichen Trauben beladen und andere mit den Ranken der Rebstöcke. Der Sagaerzähler stellt sie sich naiv als Bäume und diese Schiffsmacht als eine Ladung Bauholz vor. Auch die Indianer Kanadas tauchen auf ihren schnellen Boten auf. Es kommt zum Kampf und friedlichen Warenaustausch . Die erste Entdeckung Amerikas ist vor sich gegangen.

Das Kulturbild der Entdeckung Erichs des Roten und Leifs ergänzt dann die Geschichte von Einars Sohn Sökkvir. Hier sind wir schon in einer späteren Zeit. Ein Bischofssitz soll auf Grönland errichtet werden.

Eine höchst ergötzliche Novelle spielt auf Grönland zur seit König Haralds des Harten von Norwegen.

Fuchs der Listige ist ein virtuosenhafter Schiffsbauer und noch genialer im Hausbau. Um seine Burg auf Grönland



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hat er eine künstliche Wasserleitung gelegt, die das Feuer löscht, das die zum Mordbrand anrückenden Feinde seiner Vernichtung sicher, angefacht haben.

Ebenso vielgewandt ist Fuchs in der Rede. Nachdem er zwei Mannen des Norwegerkönigs, die ihm und der Ehre seines Weibes zu nahe traten, getötet hat, teilt der Verwegene dies jenem verkleidet in rätselhafter Rede mit. Vergebens sucht der kluge König, der allein den Sinn des in Wortspielen versteckten Bekenntnisses erraten hat, seiner habhaft zu werden. Er ist längst auf und davon beim Dänenkönig.

Auch auf den Faröern haben die isländischen Familiengeschichten ein interessantes Gegenstück. Selbst in diesen kleinen Verhältnissen treten zwei Helden hervor, die ein ungewöhnliches Interesse beanspruchen.

Sigmund ist fern der Heimat bei einem vornehmen, aber geächteten Norweger in völliger Einsamkeit zum Helden herangereift. Er hat im Dienst der Könige ander großen Schlacht gegen die Seekrieger auf Jomsborg teilgenommen. König Olaf Tryggvason hat ihn für das Christentum gewonnen, Sigmunds Verwandter Thrand aber ist eimer Heide. Der kluge ränkevolle Mann weiß alle Versuche Sigmunds und nach dessen Tode auch andrer, die neue Lehre auf den Inseln einzuführen, zuschanden zu machen. Selbst König Olafs des Heiligen sonst so glückliche Bekehrungskunst versagt gegenüber Thrand. Erst nach dem Tode des zähen und listigen Mannes siegt endlich der neue Glaube.



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11. Die Königsgeschichten

Das norwegische Königtum, das an der Wiege des isländischen Volkes und des isländischen Freistaates stand, hat das ganze Heldenzeitalter hindurch auf die Verhältnisse der Insel seinen Einfluß geübt.

Auch in der stolzesten Zeit ihrer Unabhängigkeit haben die Isländer nie vergessen, daß in Norwegen ihre Kultur wurzelte Dem Herrschertum des Mutterlandes hatte Harald Haarschön die charakteristische Form gegeben. Sein Kriegsruhm, sein glänzendes Gefolgschaftswesen, seine Protektion des Skaldentums hasteten dauernd in der Phantasie des neuen Volkes. Während der ganzen Besiedelungszeit blieb dieser König als Feind oder Freund eine Macht, mit der man rechnete.

Kurze Zeit nach der Gründung des isländischen Einheitsstaates war der Begründer des norwegischen gestorben. Nach seinem Tode beginnt eine Zeit des Zwists unter seinen zahlreichen Nachkommen. Schon die Söhne des Königs befehden sich, und auswärtige Herrscher bekommen dadurch auf die Gestaltung des Reichs vorübergehend Einfluß. An allen diesen Kämpfen haben Helden der isländischen Sagazeit teilgenom

Allmählich wächst aus den hundertjährigen Unruhen in Norwegen eine festere Gestalt des Einheitsstaates hervor. Das bisher noch in Abhängigkeit vom Herrscher lebende Kleinkönigtum, die Ouelle der ewigen Thronstreitigkeiten, schwindet immer mehr. Unter Olaf Tryggvason und Olaf dem Heiligen erfolgt durch harte Kämpfe und friedliche Mission die Einführung des Christentums nr Norwegen. Das Heiligtum in Nidaros wird der Mittelpunkt.

Dort; im heiligen Drontheim, ersteht, von Olaf Tryggvason gegründet; von Olaf dem Heiligen weiter ausgebaut, die neue Hauptstadt des Reiches. Die Königoresidenz ist gleichzeitig ein lebhafter Handelsplatz, wo zahlreiche Isländer verkehren. In den Jahren, wo Snorri und Grettir, die letzten großen Helden des isländischen Freiheitsstaates, starben, fiel auch Olaf der Heilige in der Schlacht bei Stiklestad.



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In die isländischen Familiengeschichten spielen die Ereignisse des norwegischen Mutterlandes fortwährend hinein. Ihre Handlung ist aufs engste mit jenen verflochten. Daher die häufige Berufung auf norwegische Verhältnisse nr Zeitbestimmung . "Als Hakon der Gute zur Regierung kam"" ,als Jarl Hakon starb" : solche Wendungen finden sich oft zur Orientierung an bestimmten Abschnitten der Erzählung.

Mit den Söhnen Harald Haarschöns liegt der Skalde Egil in ständiger Fehde, wenn er sich auch bei Erich Anerkennung und bei Hakon sogar Unterstützung in seinem Vermögensstreit erzwingt. Der Feind und Nachfolger der Erichssöhne auf dem Throne, Jarl Hakon, hat in Norwegen den Söhnen Njals böse mitgespielt und diese zu töten versucht. Später aber ragt in die Njalssaga wie in die Geschichte vom Goden Snorri die mächtige Gestalt Olaf Tryggvasons hinein. Er steht hinter den spannenden Vorgängen bei der Einführung des Christentums auf dem Allthing. Am Hofe desselben Herrschers weilen Kjartan und sein Freund Bolli aus der Lachstalsaga. Sie kehren als Anhänger der neuen Lehre nach Island heim. Und endlich bei Olaf dem Heiligen sucht Grettir vergeblich durch ein Gottesurteil Befreiung von dem Verdacht des Mordbrands zu erlangen, der später durch die Verurteilung auf dem Allthing das Unglück seines Lebens wird.

Es gibt kaum einen größeren Gegensatz als die kriegerische Stimmung, die Egils Aufenthalt in Norwegen bei den Söhnen Haralds durchweht, und das Friedensidyll, das die Helden der Lachstalsaga mit Olaf Tryggvason verbindet.

Diele beiden Kulturbilder veranschaulichen gut den Umschwung , der sich allmählich in dem Verhältnis zwischen norwegischem Fürsten und isländischem Großbauer vollzogen hat, Die Jugend Egils durchzittert noch ganz die Erbitterung gegen das Königsgeschlecht, das seine Ahnen zur Auswanderung nach Island zwang. Kjartans Jugend richtet sich auf an dem Glanz des norwegischen Herrscherhofes. Reich beschenkt und von des Königs Schwester hochgeehrt kehrt er wieder in djs Heimat zurück.

Bei aller Gegensätzlichkeit zeigen doch die Geschichten von Egils



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Vigabjargafoß der Jökulsá i Axarfirdi. Nordisland


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und Kjartans Aufenthalt am Königshofe das gleiche Hochgegefül vaterländischen Stolzes.

Die Königsfamilie und ihr Anhang kann sich in der Geschichte Egils nicht genug tun in Haß und Verfolgung gegen diesen ihren gefährlichsten Gegner. Das Bewußtsein erfüllt alle, daß, solange dieser Gewaltmensch lebt oder wenigstens in Norwegen weilt; dem Königshause ständige Gefahr droht. In der Lachstalsaga ist der König und sein ganzes Gefolge dem jungen Kjartan zugetan. Alle stimmen darin überein, daß kein besserer Mann je von Islands Gestaden herübergekommen sei. Beidemal lebt bei den Ausländern das Bewußtsein, daß der isländische Großbauernsohn ihrem König an Tüchtigkeit gewachsen ist. Beidemal haben Auftreten und Taten des Isländers diese überzeugung hervorgerufen.

Egil hat dem kriegsgewaltigen König Erich gegenüber, dessen Tapferkeit erselbst im Liede anerkennen muß, in siegreichen Fjordschlachten bewiesen, daß er dem Herrschergeschlecht ebenbürtig ist. Aber noch größer ist seine Geistesgegenwart, als er, nachdem er den König und seine Gemahlin Gunnhild mit Spottversen überhäuft hat, in dessen Gefangenschaft gerät. Hier singt er sein unerschrockenes Befreiungdlied.

Kjartan mißt sich unerkannt mit dem König im Schwimmkampf. Er zieht ihn in die Tiefe, schont aber dann sein Leben. Als er den Namen des Königs erfährt, macht dies auf ihn keinen Eindruck. Und ebenso unerschrocken gibt er, zur Rede gestellt, in der Königshalle zu, daß er dem Herrscher seiner Bekehrungsumtriebe halber am liebsten habe das Haus über dem Kopfe anzünden wollen.

Aber die Egilssaga wie die Lachstalsaga werden doch auch der Ritterlichkeit der Könige gerecht.

Nicht nur Hakon der Gute läßt Egil trotz aller seiner Übeltaten gegen sein Geschlecht Gerechtigkeit widerfahren. Auch der sonst so grausame Erich Blutart schenkt dem Gegner edelmütig das Leben. Und das Lob, das ihm der Skalde dafür im Sange spendete, war verdient und kam aus dem Herzen.

Den gleichen Edelmut zeigt Olaf Tryggvason Kjartan gegenüber . Schon als jener nach dem Schwimmwettkampf keine Notiz



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von seinem gekrönten Haupt nimmt, lohnt Olaf ihm doch seine Tüchtigkeit durch das Geschenk eines prächtigen Mantels. Indem er aber Kjartan auf sein freimütiges Bekenntnis des beabsichtigten Mordbrandes hin edelmütig verzeiht, gewinnt er ihn nach deßen eigenem Geständnis innerlich gan; und bereitet seine Bekehrung vor.

Das schroffe Vorgehen Egils gegen das Königtum wird in der Vorgeschichte seiner Saga schon aus der Zeit König Harald Haarfchöns motiviert.

Die Geschichte von Egils Oheim Thorolf ist zugleich eine Saga von jenem König. Es wird dort berichtet, wie Thorolf beim König zu den höchsten Ehren aufsteigt und in seinem Dienste die größten Taten vollbringt. Dann aber folgen Verdächtigungen . Die Eifersucht erwacht bei dem König. Endlich wird er von diesem getötet. Aber noch im Tode zeigt doch die Anerkennung des Herrschers, wie er seinen Vasallen geliebt hat.

Das Gemälde, das die Geschichte von Thorolf in der Egilssaga hinstellt, ist nicht mehr im Stil der Familiengeschichten gehalten . Hier haben wir bereits eine der vielen Sagas von norwegischen Königen, deren Handlung auf dem Boden des Mutterlandes den isländischen Ereignissen parallel geht. In ihnen herrscht nicht das dortige Großbauerntum, sondern allein der Wille des Königs, der im Kampf wie in der Festhalle nach seinem Gutdünken straft und belohnt.

Gan; ähnlich wie Harald Haarschön sind die Könige Olaf Tryggvason und Olaf der Heilige in ihren Sagas geschildert. Auch hier haben wir dieselbe Einheit des Wesens. Der feigebigste Edelmut gegenüber dem fügsamen Vasallen, die rücksichtsloseste Härte in der Verfolgung des Gegners entspringen auch bei ihnen dem Staatsgedanken, der in jenen kritischen Zeiten keinen Widerstand duldet.

Auch in den Sagas dieser beiden Könige gerät ein norwegischer Edler, Erling Skjalgsson, durch seinen stolzen und unabhängigen Charakter in unlösbaren Konflikt mit der Herrschergewalt , die ihn anfangs mit Geschenken und Ehren überhäufte. Das Mißtrauen König Olafs des Heiligen diesem mit fürstlichem



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Gefolge auftretenden Manne gegenüber wird nie ganz beigelegt, so oft auch wohlmeinende Vermittler Frieden zu stiften suchen. Erling Skjalgsson schließt sich endlich, nachdem er das Land verlassen hat, Olafs größtem Gegner, dem Könige Knut von Dänemark und England, an. Von ihm unterstützt, wagt er dann die Entscheidungsschlacht, die ihm den Tod bringt. Aber der Sang von Olafs des Heiligen Lieblingsskalden Sighvat ehrt den tapferen Gegner im Tode.

Von jenem Dichter gab es wie von Hallpred dem Königsskalden eine besondere Saga. Es reizte die Isländer wohl frühzeitig , diese beiden nächst Egil größten Dichtergestalten mit den kräftigsten Herrschergestalten nach Harald Haarschön in einer Saga zu vereinigen. Die Lebensdarstellungen Olaf Tryggvasons und Olafs des Heiligen sind die ältesten und schönsten Königsgeschichten. Sie bilden den Mittelpunkt von "Snorris Königsbuch" in "Thule" . Die Preislieder der Skalden Hallfred und Sighvat sind ihr höchster Schmuck.

Aber diese Skalden find auch Haupthelden der "Kleinen Novellen aus der Umgebung der norwegischen Könige", die an Stil und Umfang mehr den "Er;, blunden" unter den Isländergeschichten entsprechen.

In den"Königsgeschichten" tritt der isländische Mann, meist ein Skalde, in seiner Eigenschaft als Kämpfer und Dichter großen Stils ebenbürtig neben den Herrscher, dem er dient. Die"Königsnovellen" zeigen das einzigartige Vertrauensverhältnis, das so oft Norwegerkönig und Isländerhelden verbindet . Der kluge, schlagfertige, humorvolle Skalde darf sich, besonders bei Herrschern, die geistig ähnlich geartet sind, mehr erlauben als alle Männer in der Halle.

Olaf Tryggvason spricht den Skalden Hallfred in Drontheim auf der Straße an und ermahnt ihn, das Christentum anzunehmen . "Nur, wenn der König mein Pate ist", lautet die Antwort. Der König willigt ein und hängt seitdem an dem Dichter, der im Lied noch gern mit den alten Göttern liebäugelt, voll starker Treue.

Ein vornehmes Weib am Königshof schenkt Olaf dem Heiligen in der Nacht einen Sohn. Da das Kind schwächlich ist, verlangt



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ein anwesender Priester seine sofortige Taufe. Man bittet den Skalden Sighvat, das Ereignis dem Könige zu melden, doch dieser weigert sich, den schlafenden König zu wecken. Da der Priester fürchtet, das Kind möchte unchristlich sterben, riskiert es der Skalde, ihm selbst einen Namen zu geben und tauft es "Magnus".

Am nächsten Morgen stellt der König den Skalden ornig zur Rede. Der Dichter meint, er habe lieber zwei Menschen Gott übergeben wollen als einen dem Teufel. Olafs Sohn würde zum Herrn eingehen, und er selbst, der Skalde, hoffe es auch, selbst, wenn ihn der König töten lasse.

Der König herrscht ihn weiter an wegen des seinem Geschlecht so fremden Namens Magnus. Als aber Sighvat auf "Karl den Großen"hinweist, den berühmtesten Herrscher, von dem die Geschichte zu melden habe, da lacht Olaf der Heilige erleichtert auf. Er bezeichnet seinen Lieblingsskalden als Glücksmenschen und lobt seinen gescheiten Einfall.

Das Christentum der Könige Olaf Tryggvason und Olafs des Heiligen tritt in diesen Anekdoten schon als selbstverständliche Bedingung hervor. Es drückt auch ihren Sagas im Königsbuch das charakteristische Gepräge auf.

Wir sehen dort Olaf Tryggvason mit dem alten Heidengotte Odin im Gespräch. Sie unterhalten sich angeregt bis in die tiefe Nacht hinein über alte Zeiten, aber der Versuch des Heidengottes, Olaf Tryggvason wieder in den alten Glauben hineinzuziehen, prallt machtlos an dessen christlicher Gesinnung ab. Auf einem Weihnachtsfest zu Drontheim gibt der König eine Probe von seinem schlauen und zielbewußten Vorgehen bei der Bekehrung. Er lädt zwölf Häuptlinge und Großbauern an seinen Hof und erklärt, sie ihren alten Göttern opfern zu wollen. damit sie für immer mit diesen vereint sein könnten. Die Gäste wissen den Gefallen, den ihnen der König tun will, zu würdigen. Olaf Tryggvason hat es bei ihrer Bekehrung leicht, sie zu überzeugen, daß ihre Anhänglichkeit gegen die alten Götter denn doch hinter der Innigkeit des Christenglaubens zurückstehe.

Mehr noch als auf seinen Vorgänger ist auf Olaf den Hei



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ligen bei der Niederschrift seiner Saga der Geist der mittelalterlichen Kirche übergegangen. Den Herrscher, der nach einer siegreichen Schlacht für die Seelen seiner toten Feinde Messen lesen läßt, umgibt eine Fülle von Wunderglauben. Der heilige Schrein, in dem seine Leiche ruhte, wurde in Drontheim als Reliquie aufbewahrt. Zu ihm pilgerte man das Mittelalter hindurch, als der Dom ein Mittelpunkt der nordischen Christenheit wurde. Auch in den Sagas wirkt Olaf noch nach dem Tode fort. Er erscheint noch später norwegischen Herrschern und nordischen Männern ratend und helfend in Träumen.

Der christliche Heiligenschein, der Olaf Tryggvason und Olaf den Heiligen umgibt, läßt doch nie vergessen, daß beide, auch in der Verfolgung ihrer kirchlichen Ziele, echte Wikingergestalten sind.

Wohl zeigen sie unter den Einfluß von Priestern und aus eigener schlauer Berechnung gelegentlich Versöhnlichkeit und ungewöhnliche Milde auch gegen Widerspenstige. Aber im ganzen steht ihre Rücksichtslosigkeit bei der Ausbreitung der neuen Lehre der in ihren politischen Machtkämpfen nicht nach. Sie begnügen sich nicht, die Tempel zu verbrennen und die alten Götterbilder zu zerstören, um Raum für christliche Kirchen zu schaffen. Wo sie auf hartnäckigen Widerstand gegen die neue Lehre stoßen, da gehen sie mit ausgesuchter Grausamkeit vor. Verbannung, meist aber Verstümmelung der Glieder oder Tod ist die Strafe der Schuldigen.

Das gleiche rücksichtslose Vorgehen wenden beide dem Ausland gegenüber an. Der Aufenthalt vornehmer isländischer Jünglinge in Norwegen nimmt besonders im letzten Menschenalter der Sagazeit unter Olaf dem Heiligen bedeutend zu. Wenn es nicht gelingt, die Isländer für die christlichen Zwecke. die man mit ihnen verfolgt, gefügig zu machen, behält man sie im Lande zurück. Schon zu Harald Haarschöns Zeit spielte das Ausfahrtsverbot aller Schiffe aus den norwegischen Häfen in kritischen Zeiten eine große Rolle. Mit der Gefährlichkeit der inneren Zustände konnte jeder König, auch wenn er es nicht mit den Ausländern verderben wollte, eine solche Hafensperre stets rechtfertigen. Man hatte auf diese Weise Geiseln, die



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jederzeit getötet werden konnten, und gewann so auf die Bekehrung Islands, Grönlands und der norwegischen Kolonien leicht einen entscheidenden Einfluß.

Mehr noch als die Ausbreitung des Christentums nahmen die politischen Kämpfe die ganze Heldenkraft der beiden Könige in Anspruch.

Erling Skjalgsson, der Widersacher Olafs des Heiligen, war keine vereinzelte Erscheinung des Widerstandes im Inland. Die Selbständigkeitsgelüste der einzelnen norwegischen Landschaften machten das Erscheinen der Herrscher bald im hohen Norden bei den Helgeländern, bald im mittleren Gebirgsland, bald im Süden am Kristianiafjord notwendig. Dazu traten die Kämpfe mit auswärtigen Herrschern, die Olaf den Heiligen sogar zwingen, das eigene Land zu verlassen und seine Königsresidenz in Drontheim mit einem Aufenthalt bei seinem Schwager, dem Normannenfürsten Jarisleif, ;u Nowgorod in Rußland zu vertauschen.

Die Porträts, die die Saga von den beiden Königen entwirft , lassen keinen Zweifel, daß sie nicht nur ihrer Geburt und ihrem Rang nach wert waren, die Ersten in ihren Ländern zu heißen. Ein ganz besonderer Glanz des Wikingertums umgibt die Jugend und die letzten Lebensschicksale der beiden Könige.

Beide haben ein unstetes Wikingerleben geführt, ehe sie sich in schweren Kämpfen die Anerkennung in Norwegen errangen. Olaf Tryggvason ist in harter Jugend am Hofe des Normannenfürsten Waldemar in Nowgorod aufgewachsen, hat als Wiking in Rußland, Dänemark, Flandern und Friesland geheert, das ganze britische Normannengebiet durchschweift und auf den Scillyinseln in Südengland die Taufe empfangen. Auch Olaf den Heiligen haben seine Jugendkämpfe dort überall hingeführt Er hat mächtig auf der Themsebrücke in London gekämpft und in Frankreich Fehden ausgefochten, bis ihm zu Rouen in der Normandie ein Traum kündet, daß er um König in Norwegen bestimmt sei,

Bei Svoldr an der pommerschen Küste fand die große Seeschlacht statt, in der Olaf Tryggvason im Jahre 1000 der Übermacht der Feinde erlag. Es war die Gegend, wo die wilden



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dänischen Wikinger von Jomsborg ihren Seeräuberstaat gebildet hatten.

Allen voran focht der König, um den die Schildburg klirrte, gegen die anstürmenden Dänen und Schweden, deren Herrscher sich gegen Olaf verbündet hatten. Ihr norwegischer Bundesgenosse , des Königs treuloser Jarl Erich von Lade, und Thorkel , der das stolze Schiff Olafs führte, taten Wunder der Tapferkeit. Von Wunden bedeckt sprang der Herrscher in die Tiefe. Manche erzählten, der König sei gerettet. Doch der Dichter glaubt es nicht! "Wehe, der Norwegerkönig ist tot. Ehe werden Himmel und Erde zusammenstürzen, als solch ein Mann wie Olaf wiedergeboren wird." So klang das Totenlied Hallfreds des Skalden aus.

In des Skalden Sighvat Totenlied auf König Olaf den Heiligen wird auch dieses Herrschers letzte Schlacht, die ihm das Leben kostete, als seine höchste Ruhmestat gepriesen. Bei Stiklestad im Drontheimfjord wollte König Olaf von den mit Knut von Dänemark verbündeten norwegischen Großen sich das Reich wieder ertrotzen, aus dem er nach Rußland hatte flüchten müssen.

"Neben dem Bannerträger schritt der König. Zu wenig Mannen brachte er, der das goldgezierte Schwert schwang, aus dem Osten mit. Aber die Erde erdröhnte unter den Schritten der erzgepanzerten Helden, die der Übermacht der Drontheimer Bauern entgegenrückten. Das war ein Waffensturm in Stiklestad! Die Bauern wagten nicht in Olafs stolze Löwenaugen zu schauen. Die Drontheimer ertrugen nicht die Schärfe seines Schlangenblicks. Das Volk griff seinen teueren König an. Wehe, er fiel! So stark war die Macht der Freisassen und des Bauernvolkes nie, daß sie einen solchen König töten konnten."

An den Schlachten von Svoldr und Stiklestad hafrete das Gedächtnis der Isländer. Ihre Skalden hatten sie besungen. Aber auch König Knut von Dänemark und England, Olafs des Heiligen großer Gegner, war ein Freund der Skalden. Und in dem heißen Kampf von Lid-Vaag an der norwegischen Küste, wo die Seekrieger von Jomsbarg den Norwegerkönig



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Hakon Jarl vernichten wollten, hatten vornehme Isländer mitgefochten.

So entstanden auch Sagas, die den von dem Dänen Palnatoki gegründeten Wikingerstaat in Pommern verherrlichten. Und neben den Geschichten der norwegischen Könige erzählte man auch von den Dänenherrschern, vor allem von Knut, der letzten großen Heldengestalt des Wikingerzeitalters.

Die historisch sichere Regierungszeit der Herrscher gibt den Königssagas noch mehr den Charakter geschichtlicher Wahrheit als den Familiengeschichten. Die Zeit, in der jene spielen, schloß mit dem Jahre 1030. Anderthalb Jahrhunderte länger währt die Zeit für die alten Königsgeschichten und für die diesen nahe verwandten Sagas von den ritterlichen Jarlm auf den Orkneys. Alle diese Geschichten umspannen noch die etwa fünf Menschenalter währende verhältnismäßig friedlichste Zeit Islands nach dem Heldenzeitalter. Besonders die "Kleineren Novellen aus der Umgebung der älteren norwegischen Könige" treiben noch weit über die eigentliche Sagazeit hinaus treffliche Blüten, wo die Geschichte vom durchtriebenen Ofeig in den Familiengeschichten als einziger verspäteter Schößling erscheint.

Vor allem am Hofe Haralds des Harten durften der Witz und die Sangeskunst vornehmer Isländer sich geltend machen. Dieser Herrscher war noch ein lebensvoller Nachzügler der Wikingerzeit. Er hatte sich im Dienste der griechischen Kaiser zu Konstantinopel hervorgetan. Mit einer tausend Mann starken Elitetruppe von jungen Nordländern hatte er sich auf Kriegszügen im Orient getummelt. Aber er war auch geistsprühend und redegewandt. Er hetzt seine Skalden gern im Lied und Wortgefecht aneinander. Er sieht einmal einen Schmied und einen Gerber sich auf der Straße in Drontheim zanken. Da läßt er sich jene durch scherzhafte Skaldenverse in der Rolle von Sigurd und Fafnir und dann in der Thors und eines feindlichen Riesen vorführen. Und der König freut sich, als ein Skalde ihm seine eigene Saga aus Griechenland vorträgt, die jener von einem isländischen Teilnehmer an Haralds Kriegszügen auf dem Allthing hat erzählen hören.



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Kratersee an der Krafla. Nordisland


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12. Skaldentum und Skaldendichtung

Staat, Familie und Kriegertum hatten dem isländischen Heldenzeitalter seinen einheitlichen Charakter aufgeprägt. In der Eddadichtung war dieser mehr als"Dichtung und Wahrheit", in der Prosaerzählung der Saga mehr als"Wahrheit und Dichtung" hervorgetreten. In den isländischen Familiengeschichten erscheint der isländische Großbauer vor uns auf der Scholle seiner Heimat. In den Königssagas lernten wir ibn als Wikinger im Ausland kennen. Immer mehr ragten dabei im Verlauf der Darstellung, daheim wie in der Fremde, aus dem übrigen Volke die Skalden heraus. In den Persönlichkeiten dieser Männer hat der heldenhafte und künstlerische Geist des alten Island seinen vielseitigsten Ausdruck gefunden.

Der kriegerische Sänger am Fürstenhof stand bei allen Völkern des germanischen Altertums in hohen Ehren. Ihn feierten die deutschen, englischen und skandinavischen Heldenlieder gleichmäßig. Ganz natürlich erscheint es, wenn ein Kämpfer und Dichter wie Egil in der Königshalle auftritt und seine hohe Kunst bestaunt wird. Das war schon so in der germanischen Urzeit. Aber wenn diese starke Seele alle Stimmungen ihres reichen Innern im Liede wiederklingen läßt, dann ist schon an die Stelle des Volkssängers der isländische Skalde getreten .

In der Saga sprechen aber auch Grettir und Glum, ja Njal und Snorri in Versen. Jeder Sagaheld kann in gehobenen Augenblicken zum Dichter werden. Selbst Nebenpersonen und Sklaven können sich der gebundenen Rede bedienen. Darin offenbart sich jene angeborene Liebe zur Dichtung und jene Lust, sich in ihr selbst zu betätigen, wie sie noch jetzt das neuisländische Volk erfüllt.

Die Hochachtung der Dichtung auf Island zeigt sich schon in der sorgsamen Weiterpflege der alten Eddadichtung. Dort wird Odin als Meister und Beschützer der Skaldenkunst hingestellt.

Nach dem Mythus hat sich der Gott mit eigener Lebensgefahr den Skaldenmet erobert, den vordem der Riese Suttung besaß . Er war mit List in dessen Felsverließ gedrungen, hatte



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seine Tochter Gunnlöd in Liebe betört und das kostbare Naß in Adlergestalt nach Walhall geführt.

Die Skalden spielen auf diesen geheimnisvollen Ursprung ihrer Kunst oft in ihren Gesängen an. Sie fühlen sich stolz im Schutz des höchsten Gottes.

Der seines Lieblingssohnes beraubte Egil hadert mit Odin, dem Kriegsgott, daß er jenen im Meer ertrinken und nicht im Schlachtentod nach Walhall kommen ließ. Aber dem Dichtergott Odin ist er dankbar, daß er ihm vor allen andern die Kunst verlieh. seinem Schmerz im Skaldensang Ausdruck ;u geben.

Auch die großen Kriegerhelden der Wikingerzeit, die in Odin ihren Schutzgott sahen, stellte eine spätere Zeit sich als Skalden vor. So den berühmten Normannmenkönig Ragnar Lodenhose und den Wikingerkämpen Starkad am alten dänischen Königshof zu Lejre.

Neben Odin taucht dann später ein Dichtergott Bragi auf. In ihm haben sich die ersten Skalden selbst ein Denkmal gesetzt . Der einige bedeutende Skalde vor Harald Haarschöns Zeit trug diesen Namen. Ihn hat man später dem norwegischen Olymp eingereiht.

In Südnorwegen, von wo die meisten norwegischen und isländischen Skalden ihr Geschlecht herleiteten, hat Bragi an Fürstenhöfen gesungen. Er hat die Bilder auf einem ihm geschenkten kostbaren Schilde verherrliche, die Thors Fang der Midgardschlange und andere Szenen aus der Helden- und Götterwelt darstellten. Er sang ein Fürstenpreislied: "Die Haupteslösung". So nannte man es, weil er dadurch sein Leben aus der Gefangenschaft eines feindlichen Herrschers rettete. Solche Dank- und Preislieder sind die ersten Skaldengesänge gewesen.

Bragis des Alten Geschlecht war für die Skaldenkunst besonders veranlagt. Aus ihm stammte Gunnlaug Schlangenzunge auf Island. So hingen später Egil Skallagrimsson und sein Verwandter Björn durch die Skaldenkunst eng zusammen. Und noch im dreizehnten Jahrhundert stand Snorris Dichterbegabung die andrer Männer aus dem Sturlungengeschlecht, vor allem seiner Neffen Olaf und Sturla zur Seite.



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Der Stolz der alten Familien wurde in dem Bewußtsein der Skaldenkunst aufs höchste gesteigert. Aus den edelsten Geschlechtern stammten die Skalden. Kriegerische Tüchtigkeit war Voraussetzung. Wie daneben bei den Isländern jede andere Kunst hoch gewertet wurde, so auch die Dichtung. Ein erfinderischer Häuser- und Schiffsbauer, ein kunstvoller Schmied und Holzschnitzer stand in hohem Ansehen. Im höchsten der Skalde.

Die äußere Form der Skaldenkunst lernte man. Ein bestimmtes Wissen war Vorbedingung, das sich von Geschlecht zu Geschlecht im mündlichen Gedankenaustausch übertrug. Notwendig war aber auch eine hohe Gewandtheit im sprachlichen Ausdruck und eine große Geschicklichkeit in der Anwendung glücklicher, dichterischer Bilder. Dazu trat endlich die genaueste Vertrautheit mit den kunstvollen Weisen und Versen.

Das Wissen der Skalden umfaßte zunächst die Vergangenheit . In den alten Götter- und Heldensagen sind jene Dichter ebensogut ;u Hause wie die der Eddalieder. Vor allem aber mußte der Skalde in der Gegenwart Bescheid wissen. Seine Lieder waren stets Gelegenheitsgedichte. Er mußte genau über die Verhältnisse und den Charakter der Männer orientiert sein, vor denen er sang, um im Lied Erfolg ;u haben.

Dieser Erfolg konnte dem Skalden nicht gleichgültig sein. Er sang um Lohn. Keine Kunst wurde auch materiell so hoch gelohnt wie die der Skalden. Als der Norweger Eyvind Skaldaspillir ein Preislied auf alle Isländer gedichtet hatte, wurde ihm nach einem Beschluß des Allthings ein Ehrensold zugesprochen , zu dem das ganze Volk beitrug. Die Gefolgschaftsskalden König Harald Haarschöns und die isländischen Skalden im Dienste der Norwegerkönige erhielten Geld und Ländereien, vor allem aber kostbare Segel oder Schiffe, Streitäxte, Schwerter und Schilde, die sie dann im Liede priesen. Der Dienst bei einem mächtigen und freigebigen König war der natürliche Ehrgeiz der Skalden. Höher als der materielle Lohn stand den tüchtigsten unter ihnen aber doch die Ehre und der Ruhm, der auf sie selbst zurückfiel.

An den sommerlichen Feldzügen und Seeschlachten der Könige nahmen die Skalden persönlich, oft auf hohen Vertrauens



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posten teil. Sie selbst durften dann wiederum im Winter, besonders zur Weihnachtszeit, die Ruhmestaten, an denen sie selbst mitgewirkt hatten, in der Königshalle besingen. Harald Haarschöns Skalden hatten dort den Ehrenplatz. Er wußte ihre Kunst wohl zu werten, da er selbst Liebeslieder auf ein schönes Finnenmädchen gedichtet hatte.

So liegt der Reiz des Persönlichen, Selbsterlebten über Thorbjörn Hornklofis Rabenlied, das Haralds Seesieg im Bocksfjord verherrlicht. Hierin übertrifft es eins der schönsten Eddalieder, das eine Wikingerschlacht auf sturmbewegter See darstellt. Meersturm, Schlachtensturm und Sturm in den Reden Helgis und seiner Gegner wirken dort vielleicht zu einem anschaulicheren Gesamtgemälde zusammen. Dramatische Bewegung erfüllt in höherem Grade das Skaldenlied.

Das Bild der Schlacht durfte der Skalde als bekannt voraussetzen. Augenblicksbilder, die mit aufgerissenen Drachenhäuptern nahenden Schiffe, die in ihren Wolfspelzen heulenden Berserker, die mit aufgerecktem Steiß vor Furcht unter die Ruderbänke kriechenden Feinde, sie riefen das Gesamtgemälde der Schlacht in die Erinnerung zurück und durften der Anerkennung und des Jubels der Versammlung in der Königshalle sicher sein.

Im Mittelpunkt steht natürlich der König, und eine Darstellung des fröhlichen Treibens in seiner Halle vervollständigt das Bild des Schlachtenfürsten. Aber Kampf- und Hofleben des Fürsten sind in einen anziehenden mythologischen Rahmen eingekleidet. Eine Walküre Sagt einen auf der Klippe sitzenden jungen Raben: "Woher dein blutiger Schnabel " . Er war bei der Königsschlacht dabei, und nun folgt in weiterer und lebendiger Frage und Antwort die ganze Handlung.

Der Gegensatz zwischen Edda- und Skaldendichtung tritt besonders lebhaft hervor, wo ihr äußerer mythologischer Hintergrund der gleiche ist. Odins glänzende Asenburg mit den auf Erden in der Schlacht gefallenen Helden ist ein Hauptschmuck der Götterlieder. Ein wunderbarer Glanz fällt auch in der Heldendichtung auf den toten Helgi, wenn er mit Einherjarscharen von den aus die treue Geliebte an seinem Grabhügel besucht.



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Mächtiger wirkt doch diese ideale Götter- und Heldenwelt im Skaldenlied, das sie unmittelbar an die Gegenwart knüpft. Aus Schlacht bei Stordö holt den gefallenen König Hakon den Guten die von Odin gesandte Walküre. Er selbst empfängt den Fürsten mit den Göttern Bragi und Hermod. Wenn der letzte große norwegische Skalde Eyvind Skaldaspillir sein Lied beschließt: "Seit Hakon ging zu den heidnischen Göttern, kam manche Plage ins Volk", dann drückt er eine Zeitstimmung aus.

Jene Lieder über König Harald Haarschön und Haken den Guten waren in den alten volksmäßigen Weisen der Edda gedichtet. Fast alle anderen Skaldengedichte haben viel künstlichere Strophenformen. Zu dem Stabreim, den die Eddadichtung mit der deutschen und englischen Volkspoesie gemeinsam hat, tritt in der Skaldendichtung zuweilen schon der Endreim. Besonders hat ihn Egil Skallagrimsson in dem Preislied auf König Erich, durch das er sich aus dessen Gewalt befeit, mit grandioser Wucht verwendet. Vor allem aber wendet die Skaldenkunst Voll- und Halbreim innerhalb der einzelnen Verszeilen an. Die Strophe bekommt dadurch, besonders in der an klangvollen Vokalen reichen altnordischen Sprache, einen großen Wohlklang. Der herben Kraft des Stabreims wird durch die blühende Farbe, die diese Binnenreime auszeichnet, ein anmutiges Gegengewicht geschaffen.

Fast alle Skaldenlieder sind in einer achtzeiligen Prunkstrophe gedichtet. Je wei Zeilenpaare sind durch Stabreim gebunden, außerdem aber durch Binnenreime, die in den ungeraden Zeilen unrein, in den geraden rein sein müssen.

Weil diese Strophe zunächst in den Preisliedern auf Fürsten angewandt wurde, trägt sie den stolzen Namen"Königsweise". Man gab dann aber diese Form auch den sehr beliebten Skaldenimprovisationen in Einzelstrophen.

Aste Feind, der Ostwind,
Ewig pfeift vorm Steven.
Aufwühlt Ägirs Wellen,
Eisige, Sturmes Meisel.


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Stets um Meerschwans Steuer
  Frostige Stürme tosen.
Brandend flog ums Bugspriet
  Brüllende See in Fülle.

Diese Probe gibt, soweit es eine Verdeutschung vermag, die Königsweise wieder. Der Stabreim ist dabei durch Striche, der Binnenreim durch Punkte unter dem Texte veranschaulicht.

Die Weise dichtete Egil auf dem Meer, als er vom Wikingerzug in die Heimat zurückkehrte. Sie würde, wörtlich übersetzt, so lauten: "Gewaltig und unablässig haut das wütendschnaubende zweigvernichtende Riesenungeheuer das kalte Meer mit dem Meißel der Stürme vor dem Steven auf dem Wege des Schiffes, und der frostige Wolf der Weide dringt ohne Schonung ein auf den Schwan Gestels mit Windstößen über Steven und Bugspriet."

Die Weise ist voller poetischer Umschreibungen. Eine Übertragung , die der Kunstform der Strophe und der Verständlichkeit im Deutschen gleich gerecht werden will, kann die Umschreibungen nur mit Einschränkung wiedergeben.

"Sturmes Meißel" für den Orkan, "Meerschwan" für das Schiff, vielleicht auch "Aste Feind" für den Sturm könnten als kühne Bilder auch in unserer Dichtersprache den Platz behaupten . Der Ausdruck "Weg des Schiffes" für das durchfahrene Meer würde fremdartig und rätselhaft klingen. Die wörtliche Übertragung"Schwan Gestels" statt "Meerschwan" bliebe unverständlich, da nur die alten Normannen wußten, daß Gefiel ein berühmter Seekönig war.

Vollends versagt die Wiedergabe, wenn das Original den Sturm "Wolf der Weide" nennt. Nur ein ausgeführtes Bild "der Sturm, der wider die Schiffe auf dem Meere wütet, wie der wolfartige Orkan in den Zweigen der Weide" könnte im Deutschen hier einen verständlichen Ersatz bieten.

Diese prägnanten Umschreibungen und kurz angedeuteten Bilder muten einen modernen Leser leicht befemdlich an. Sie sind aber das Wesen der Skaldendichtung. In ihrer glänzen- und virtuosenhaften Handhabung ist das Künstlertum deo



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Skalden beschlossen. Wie an die kunstvolle Strophe ist er auch an jenen kunstreichen Stil gebunden. Beide sind durch alte Überlieferung für ihn geheiligt.

Eine Fülle von Bildern, aus der Natur und der Menschenwelt , aus den Mythen der Vorzeit und aus dem Wikingerleben der Gegenwart steht jedem Skalden zur Verfügung. Diese aus sprunghaft und blitzartig hingeworfenen geistvollen Andeutungen seine Hörer erraten zu lassen, ist seine Aufgabe. Tritt aus diesem sprachlichen Wunderwerk der dichterische Vorwurf den Hörern zugleich verständlich und interessant entgegen, dann ist das Skaldenlied gelungen.

Der Schmuck dichterischer Umschreibung war auch dem deutschen und englischen Heldenepos eigen. Viel reicher ziert er die nordischen Balladen der Edda. Im Skaldenlied wird fast jeder Ausdruck des gewöhnlichen Lebens durch eine hochpoetische Wendung ersetzt. Dennoch bleibt bei bedeutenden Dichtern der Ausdruck stets so, daß ihn jeder Mann in der Halle verstehen und an ihm sein Ergötzen haben konnte. Wirksam unterstützt wurde das Verständnis durch den Vortrag des Skalden. Die großen Skaldenlieder waren keine Improvisationen. Sie wurden vom Dichter gewöhnlich zur Nachtzeit geschaffen und während der Produktion fest dem Gedächtnis eingeprägt.

Egil Skallagrimsson jubelt auf seinem dritten Wikingerzuge, daß er zum Lohn für seinen Sang " den Felsen der Helme" von König Erich erhalten habe. Die Männer in der Königshalle verstanden alle diese Hindeutung auf sein eignes Haupt, das er durch seine Gewalttaten gegenüber dem Herrscher verwirkt hatte. Wie einst Bragi hatte ein kunstvolles Preislied ihm das Leben gerettet.

Dei Held war, wie der König und sein versammeltes Kriegsvolk wußte, von Island herübergekommen und trug, wie alle Skalden, einen Vorrat von dichterischen Stoffen in seinem Innern. Durch die geistvolle Wendung: "Ich belud den Hintersteven meines Seelenbootes mit der Beute des Liedes" reizte er von vornherein das Interesse seiner Zuhörer.

Es wird verstärkt dadurch, daß der Dichter aus "Odins Skaldenmet" ein Preislied des Königs zum Dank für die an



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dem Feinde geübte Gastfreundschaft verspricht. Noch einmal heischt Egil besondere Aufmerksamkeit von König und Volk. Er kündigt des Herrschers Kriegstaten als Hauptthema seines Liedes an.

Der Dichter spricht von den Speergeweben der munteren Krieger des Königs und von dem Brandungsgefilde, das unter ihren Fahnen rauscht. Den Kriegern ist eine Seeschlacht, in der sie sich in der Schildburg um ihren König scharten, mit wenig Strichen in Erinnerung gerufen. Aller Augen ruhen auf dem Herrscher. Der Liedrefrain "Erich den Held ehrte die Welt" ertönt zum ersten Male.

Die Schilderung der Schlacht geht weiter. Bei der Erwähnung der"Schildespalter", der"Mundensäger der Waräger"greifen die Recken verständnisinnig an ihr Schwert und denken an die genannten Wikingbrüder im Osten. Die gefällten "Odinseichen" erinnern sie an ihre gefallenen Freunde und Feinde, die nun in Walhall weilen. Mieder darf der Skalde den ruhmvollen Refrain auf Erich erklingen lassen, dem sie alle zum Siege verhalfen.

Wilder wird der Kampf. Üppiger werden des Dichters Bilder. "Vernichter der Schotten" nennt Egil den König. Das Bild ist für Erich in jedem Zusammenhang möglich. Hier aber wissen die Recken zugleich genau, daß nur ihr größter Sieg für den Herrscher gemeint sein kann.

Jeder von ihnen hat die krächzenden"Kampfkraniche"auf die Leichen fliegen sehen. Sie sahen den Schnabel der schwarzen "Wundenmöven" sich in der "Welle des Schwertes" röten. Rabe, Adler und Solf folgten ja stets den Kriegerscharen. Die Helden kennen alle die Todesgöttin Hcl, sie wissen, daß bei Balders Begräbnis die Riesin Hyrrokin auf einem Wolfe ritt. Die alte Mythenwelt tritt vor ihre Augen. Sie wissen, was es bedeutet, wenn im Kampfe der "Riesin Roß" gefüttert wird oder wenn Hcl auf des "Adlers Beute" tritt.

Auch das überkühne Bild "Erich an Bord ast Wölfe dort , das von jetzt ab den Refrain schmückt, hat für die Zuhörer nichts Ungewöhnliches. Rabe und Wolf sind im dichterischen Sprachgebrauch eben unzertrennliche Gäste an der Leichengabe



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Lavalandschaft am Mývatn (Mückensee) in Nordisland


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des Fürsten. So konnte der wolf seinen Spießgesellen auch bei einer Seeschlacht vertreten.

Das Sausen der Speere, das Klirren der Bogen, der Bis der Schwerter hat den höchsten Grad erreicht. In ganz Island und Norwegen ist König Erich berühmt. Ein "Blutverschwender " wird König Erich genannt; bevor zum letzten Male der Refrain durch ibn den Wölfen freigebige Ätzung zuteil werden läßt.

Das Wort"Verschwender" ruft unter den Mannen eine angenehme Bewegung hervor. Der freigebige Herrscher ist im Liede vorbereitet, dessen Lob nun im letzten Teile des Gedichtes mit dem des Schlachtenhelden Erich wetteifert. Der Schwertgott, dessen Schlag die Schildburg der Drachenschiffe ertönen machte, weicht im Preise des Skalden allmählich dem "Ringbrecher . Schon das germanische Heldenepos kennt ja den König, der die Goldringe zerhieb und sie zum Lohn an seine Mannen verteilte. Oft haben die Helden Erichs den König auf der Jagd mit dem Falken auf der Faust gesehen. Jeder hat von den beiden Riesenmägden gehört, die König Frodi auf einer Zaubermühle unerschöpfliches Gold malten, oder von dem Nibelungenhort, der in der Tiefe des Rheines ruht.

"Frodis Mehl" aus des Königs "Habichtsstrand" war ein willkommenes Bild für die lauschenden Mannen. Man sieht sie vor Freude die Schilde aneinanderschlagen, wenn zuletzt unter dem Gesamtbilde "Des Flußfeuers Verschwender fest schützt er Länder" die Persönlichkeit des Herrschers in seiner ganzen Größe, die auch dem Feinde Egil Achtung abnötigt, charakterisiert wird.

Der Preis des Königs ist zu Ende. Aber der Skalde fügt noch ein Schlußwort an den König und die wannen hinzu. Er ist sicher, daß er etwas Gutes in der Halle gesungen hat. Erichs Kriegstüchtigkeit und Freigebigkeit war Wahrheit. Er weiß, daß jede öde Schmeicheln mit Verachtung von dem selbstbewußten Königshofe zurückgewiesen worden wäre. Darum bestätigt er sich selbst, daß ein schönes Lied aus seiner Brust emporgestiegen sei.

Selbst diese Wendung weiß er durch kunstvolle Umschreibung



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geistreich zu gestalten. Er hat "Odins Sangmet" aus dem Grunde der Seele" und " dem Sitz des Gelächters" emporgeholt . Beides geläufige Skaldenumschreibungen für Brust.

Und doch liegt wohl im letzten Ausdruck eine versteckte Pikanterie. Man meint aus ihm das seines Erfolgs sichere Hohnlachen herauszuhören. Der in die Gewalt des Königs geratene Skalde fühlt es, daß seine Kunst ihm die Freiheit bringen werde. Der wassengewaltige Mann in der Halle empfindet, daß über alle Königsmacht hier eine geistige Kraft triumphiert, die den äußeren Sieger zum Besiegten macht.

Die Anerkennung, die das Lied Egils fand, zeigt; daß es allgemein verstanden und gewertet wurde. Freilich ist es in der Form einfacher als die meisten anderen Skaldenlieder. Aber auch Gedichte von viel dunkleren mythologischen Anspielungen und mit viel künstlicheren Umschreibungen konnten bei der allgemeinen Vertrautheit mit dem dunklen skaldischen Stil auf Erfolg rechnen.

Von der Fülle und Vielseitigkeit der skaldischen Bilder gibt Egils Haupteslösung eine Vorstellung. Das Gedicht zeigt aber auch, wie bei aller Formelhaftigkeit die meisten dieser künstlichen Ausdrücke mit dem Wirkungs- und Vorstellungskreise des isländischen Heldenzeitalters aufs engste verwachsen waren.

Das Gedicht stellt endlich den äußeren Rahmen eines isländischen Preisliedes anschaulich dar. Den kunstvollen symmetrischen Aufbau, in dem wirkungsvolle Refrains die Ausführung des dichterischen Vorwurfs belebend unterbrechen. Der berichtende epische Stil, der von des gefeierten Königs Taten spricht, ohne ihn anzureden. Das selbstbewußte Eingangs- und Schlußwort, in dem der Skalde sein Lied ankündend für sich Gehör heischt oder es abschließend seine eigene Kunst preist.

Die Macht der Konvention, die den Skalden als Kämpen und Gefolgsmann wie als Künstler und Mitglied der Dichterzunft band, scheint die Entfaltung einer freien menschlichen Persönlichkeit in ihm fast zur Unmöglichkeit zu machen. Die Lieder, die Bragi und Egil furchtlos und siegesgewiß zu



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ihrer Befreiung sangen, zeigen das Gegenteil. Die "Haupteslösung " bekam einen Ehrenplatz in der Skaldendichtung.

Aber auch in Fürstenliedern, wo die Aussicht auf klingenden Lohn oder ehrende Auszeichnungen die Sangeskunst der Skalden bestimmten, ist gegenseitige Achtung, oft Liebe von König und Dichter die Regel. Das innere Verhältnis löste der Tod ächt: gerade unter den Erinnerungsgedichten an die toten Könige sind die schönsten Skaldenlieder. Am feinsten kam die Persönlichkeit des Skalden doch in den kleineren Improvisationen um Ausdruck.

Fürstenlieder haben der Liebesdichter Kormak, der Königsskalde Hallfred und der letzte große Dichter des isländischen Heldenzeitalters, Sighvat, gesungen. In ihren Improvisationen gaben sich diese nächst Egil Skallagrimsson phantasievollsten Skalden doch am anziehendsten.

Kormaks ganzes Leben wird durch die unglückliche, aber bis in den Tod treue Liebe zur schönen Steingerd bestimmt. Des Dichters rastloses Kämpendasein nimmt diesem Verhältnis doch alle schmachtende Weichlichkeit. Im Zweikampf hat er äch mit seinen begünstigten Nebenbuhlern gemessen, und dem Streit mit dem Schwerte gesellt sich der Kampf im Liede. Wilde Hohnworte hat Kormak auf seine Rivalen mitten in seine Liebeslieder geschleudert, die glutvollsten, die je auf Island gedichtet sind.

Auch die gekünsteltste Form der Königsweise kann nicht verhindern, daß die starke Empfindung des Dichters sich Bahn bricht zu unserm Herzen, wenn wir ihn klagen hören:

"Die Frau verließ den Saal. Nur um so heftiger steht mein Sinn nach der Herrin des Feuers der Flut (des Goldes). Was schmückt jetzt noch die Halle : Das ganze Haus durchschweifte ich mit den Wimperstrahlen (den Augen) nach der Göttin der Speerruhe (des Friedens). Ich wollte sie noch einmal erblicken. Ehe schwimmen Steine schnell wie Saatkörner auf dem Wasser , eher versinkt die Erde, ehe stürzen die herrlichen mächtigen Berge ins Meer, als wieder ein Weib geboren wird so schön wie Steingerd. Aber ich bin der jungen Spange des Reichtume (der Frau) noch immer gleichgültig."



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Hallfreds treuer und ehrlicher Charakter trat uns schon in seinem Preislied auf König Olaf Tryggvason entgegen. Am schönsten offenbart er sich in den Improvisationen, wo er sich mit seiner Bekehrung zum Christentum auseinandersetzt. Unter der Übergangszeit des alten und neuen Glaubens leidet er, der als Skalde einst dem alten Dichtergotte opferte, am meisten. Freimütig gibt er im Liede noch nach seiner Bekehrung der Vorliebe für Odin und Freyja Ausdruck. Es war nicht blinde Unterwürfigkeit, wenn er den Tadel des Königs darüber ertrug. Er liebte und verehrte den König. Der kluge und sonst so weltgewandte Skalde mochte sich sagen, daß jener in Sachen des Christentums recht hatte. Innerlich währte der Zwiespalt bei Hallfred wohl fort, und erst die herrlichen Verse in seiner Todesstunde sind von reinem Christenglauben erfüllt.

Der ersten Generation des isländischen Heldenzeitalters gehörte Kormak, der zweiten, Hallfred an. In seinem letzten Menschenalter dichtete Olafs des Heiligen Skalde Sighvat. Beim Tode seines Königs in der Schlacht von Stiklestad weilte er in Rom. Sighvat war, wie er selbst im Liede ehrlich zugibt, kein Kämpe ersten Ranges. An Takt und Klugheit übertraf er alle seine neiderfüllten Mitwlden am Königs

Der stolzen Form der Königsweise hat Sighvat den anmutigsten Inhalt einverleibt. Er hat seine Fahrten im Auftrag des Königs nach Schweden, England und Frankreich in lustigen und scherzhaften Reiseschilderungen besungen. Ein Lied von unerhörtem Freimut aber dichtete er an Olafs Sohn und Nachfolger Magnus, dem er einst selbst den Namen gab. Das Gedicht ist ein politisches Dokument. Es enthält eine scharfe Mahnung an den jungen zu Willkür neigenden Herrscher, gerecht und im Sinne seines großen Vaters das Volk zu beherrschen, um mit ihm in Einklang zu bleiben,

Wie das Staatswesen im Goden Snorri, die Familie in Njal, das Fehdewesen in Grettir dem Starken, so haben die Dichtkunst und das Skaldentum in Egil Skallagrimsson auf Island ihren glänzendsten Vertreter gefunden. Bei keinem anderen Dichter bat das Skaldentum so den ganzen Geist durchdrungen,



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so die Skaldenkunst das ganze Leben ausgefüllt. Egil dichtete nur, was erlebte, und lebte nur, wenn er sang.

Gleich dem Geist des unbekannten Dichters, der die "Weissagung der Seherin" schuf, beherrscht Egil Skallagrims Skaldenkunst das ganze isländische Heldenzeitalter. Wie die Zustände, die das große Eddagedicht schildert, noch für die Zeit der isländischen Renaissance im dreizehnten Jahrhundert ihre Gültigkeit behalten, so steht unter dem Bann von Egils Leben und Dichtung noch der größte Mann jenes Zeitraums, Snorri Sturluson.

Niemand auf Island hat im Heldenzeitalter dem heidnischen Staat mehr Ruhm eingetragen wie Egil. Nächst dem alten Recken Starkad und dem Normannenkönig Ragnar Lodenhose hat es im germanischen Norden keinen berühmteren Wikingerhelden gegeben als ihn. Den Widerstand der alten Geschlechter gegen Harald Haarschön, der zur Besiedelung der Insel und zur Gründung des heidnischen Freistaates führte, hat niemand so unerbittlich in Norwegen selbst fortgesetzt wie er. So erbitterte Kämpfe gegen das norwegische Königstum hat kein Isländer in der Zeit des Freistaates ausgefochten. Aber um den Staat, dessen Ruhm er in die Fremde trug, hat sich Egil kaum gekümmert. Wir hören nie, daß er auf dem Allthing oder sonst im Staate durch Wort und Tat eine entscheidende Rolle gespielt hätte.

Die isländische Familie kannte kaum ein vornehmeres und selbständigeres Geschlecht als das Egil Skallagrimssons. Und doch hören wir in seiner Saga nur einmal, daß Egil von der Macht seiner Familie auf Island selbst Gebrauch machte. Auf dem Thingstreit zwischen seinem Sohn Thorstein mit einem Nachbar erscheint er und wirft sein mächtiges Wort zur Verurteilung des Gegners in die Wagschale. Dem Sohn selbst, einer schönen und ritterlichen Erscheinung, stand er jedoch fremd und mißtrauisch gegenüber. Überhaupt bestand kaum ein tieferes Verhältnis Egils zu einem Familienmitgliede, das sein innerstes Wesen berührt hätte. Der Preis seines im Kampf gefallenen Bruders Thorolf und seiner Tochter Thorgerd, als sie ihn über den Vertust seines ertrunkenen Sohnes Bödvar tröstet, gilt der



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Kraft, die beide beseelte. Sie setzte er aber in seinem Geschlecht als selbstverständlich voraus. Selbst in dem tiefempfundenen Gedächtnislied auf jenen Lieblingssohn Bödvar ist der Verlust von so viel Kraft und Mannhaftigkeit der Hauptakzent seiner Klage.

Der Mann, der in Staat und Familie seine eigenen Wege ging, tat dies auch im Kriege. Egils vier Wikingerzüge sind der schönste Schmuck seiner Dichtung. Ihre Motive sind gan; verschieden. Der Drang, die ersten Lorbeeren zu pflücken, der Wille, in der Verteidigung seines Besitzes dem verhaßten König Erich einen Streich zu spielen, die übermütige Lust, sich selbst in eine Lebensgefahr ohnegleichen zu begeben, und endlich die Laune, als Helfer und Schirmer der Bedrängten aufzutreten. Auf dem Ehrensitz in König Adalsteins Halle, beim Errichten der Neidstange gegen König Erich, in Mrk, da er sein Haupt löste, und im Eidawald, wo er allein gegen erdrückende Übermacht stritt, sind die vier Höhepunkte dieses seltsamen Lebens. Mut der eigenwilligen Abenteurerlust des Dichters hat sich der Kämpe Egil alle diese Situationen selbst geschaffen.

Egil Skallagrimsson ist der einzige Sagaheld, dessen Bild ganz allein aus seiner Dichtung emporsteigt. Die Saga mochte diesen merkwürdigen Mann mit noch so viel Anekdoten ernster und heiterer Natur umgeben, um sein Bild der Mitwelt und Nachwelt zu ergänzen und verständlicher machen: sein tiefstes Wesen liegt beschlossen in seinen Liedern. Die Saga hat das richtig gefühlt, wenn sie schon den dreijährigen Knaben dichten läßt und noch dem achtzigjährigen Greis in seiner Hilflosigkeit ein Skaldenlied in den Mund legt.

Das Skaldentum war die größte Kulturmacht des isländischen Heldenzeitalters. Aber kein Skalde hat die Dichtung als elementare Gewalt stärker und tiefer empfunden als Egil, der Stolz seines Volkes und doch im letzten Grunde ein einsamer und unverstandener Mann.



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Isländische Wikingerkultur



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Stöd und Rirkjufell am Bredifordur. Westisland


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13. Christentum und Renaissance

Im Heldenzeitalter waren alle Keime von Islands Wikingerkultur enthalten. Damals waren die großen Taten, die die Saga erzählte. vollbracht. Damals waren die schönsten und denkwürdigsten Skaldenlieder entstanden.

Aber weder Saga noch Skaldenlied wurden in jener tatenreichen Zeit aufgezeichnet. Es mag sein, daß hie und da ein besonders schöner Skaldensang in Runen auf Hol; geritzt wurde, wie dies Egils Tochter mit dem Lied "Der Söhne Verlust tun wollte. Die Mehrzahl der Lieder und Geschichten pflanzte sich mündlich fort von einer Generation auf die andere.

Erst im dreizehnten Jahrhundert erhielten die Sagas das äußere Gewand, in dem wir sie jetzt lesen. Damals wurden Eddadichtung und Skaldenlieder auch in der Schrift zum Gemeingut des ganzen Volkes. Der isländische Staat ging in jener Zeit schon seiner Auflösung entgegen. Er wurde durch innere Uneinigkeit wieder eine Provinz des alten Mutterlandes Norwegen.

In etwa zweihundert Jahren, von 1030-1264, war die jetzt christliche Republik allmählich zu einer Stätte auserlesener Bildung geworden. Das Christentum stand der Überlieferung der heimischen Lieder und Sagas, solange diese mündlich erfolgte, nicht feindlich gegenüber. Als dann später die schriftliche Aufzeichnung im großen Maßstabe begann, waren gerade die Geistlichen mit die besten Hüter der nationalen Schätze.

Dieses, wenn man an die Vorgänge in Deutschland und England denkt, merkwürdige Verhältnis des Christentums zur heidnischen Kultur erklärt sich aus dem Wesen und der Abgeschlossenheit des isländischen Volkes. Wir haben die religiöse Gleichgültigkeit und Skepsis der alten Götterwelt gegenüber schon bei den Männern der Landnahmezeit und des Heldenzeitalters beobachtet. Man übertrug sie im allgemeinen auch auf den neuen Glauben. Die Einführung des Christentums auf der Insel war ein Akt nüchterner Staatsraison gewesen. Von einem religiösen Fanatismus, wie ihn die Könige Olaf Tryggvason und Olaf der Heilige den norwegischen Verhältnißen



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aufprägten, war auf Island keine Rede. Die isländischen Geistlichen fühlten sich immer zuerst als Kinder ihres Volkes.

Die Entfernung der Insel von Europa kam dieser Sonderstellung der isländischen Kleriker sehr zu Hilfe. Die fremden Bischöfe; die auf die Insel gesandt wurden, fanden wie früher die Missionare wenig Anklang im Volk. Ein isländischer Episkopat aber entwickelte sich erst langsam auf der Insel. blieb unabhängiger als irgendwo von der Zentralgewalt in Rom.

Endlich bildeten sich zwei einheimische Bischofssitze heraus, Skalholt im Westen und Holar im Norden wurden unter den ersten beiden Bischöfen gegründet. Aber erst in der Folgezeit wurden sie durch reiche Erhebung des Zehnten und Gründung von Schulen die geistlichen Mittelpunkte der Insel. Die Erzbischöfe von Bremen, dann von Lund, endlich von Drontheim führten aus der Ferne die schwierige Oberaufsicht.

Auf die Abnahme des kriegerischen Geistes hat das Christentum wohl allmählich gewirkt, doch von einem christlich frommen Leben war wenig die Rede. So staunte man Männer, die die Fastenzeit streng innehielten, naiv an. Bei der geringen Zahl und der Unbildung der Geistlichen ging das kirchliche Amt oft auf die früheren Besitzer der Godentümer über. Reiche Häuptlinge bauten sich jetzt statt der Tempel geräumige Kirchen . Denn es war ein Aberglaube, daß so viele Seelen in den Himmel kämen, wie Menschen Platz in einer Kirche hätten. Jene Großen oder Stellvertreter, die diese für ihre Kirche bestellten, bekamen oft auch bei ganz unchristlicher Denkart die kirchlichen Weihen.

Der Zölibat der römischen Kirche fand auf der Insel keinen Eingang. Die Priester waren verheiratet und blieben so ihrem Volke näher. Selbst die Bischöfe lebten in Ehe oder Konkubinat und waren bei der Entfernung der erzbischöflichen Aussicht in Bremen und dann in Lund unabhängig wie früher die Großbauern oder Kleinfürsten. Erst als Drontheim Sitz des Erzbistums für Norwegen und Island wurde, hörte das allmählich auf.

Bei der geringen Kluft, die in altgewohnter Lebensweise



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zwischen Geistlichen und Laien bestand, wurde auch die Erinnerung an die Taten und Sagas der Väter dort wie hier mit gleicher Liebe gepflegt. Jemehr Streitigkeiten und blutig verlaufende Rechtsprozesse auf der Insel aufhörten, bekam der Charakter des Alltagslebens etwas Friedlicheres. Die Versammlungen auf dem Allthing, auf denen jetzt auch die Geistlichkeit Sitz und Stimme bekam, hörten nicht auf, den lebendigen Geistesaustausch des Volkes zu fördern.

Wir haben in der Geschichte vom durchtriebenen Ofeig gesehen, wie ein geschickter Sagaerzähler auch durch die Vorführung unblutig verlaufender pikanter Geschichten sein Publikum zu unterhalten wußte. Wem noch wikingerhafter das Blut in den Adern pochte, der mochte sich an die Geschichte von König Harald dem Harten halten. Wir wissen ja, daß auf dem Allthing ein Kriegsteilnehmer an den Zügen des Königs im Orient seinen Zuhörern dessen Saga erzählte. Die friedlicheren Anekdoten des Tages, die alten wunderbaren Abenteuer der Väter wurden in gleicher Weise gepflegt. Das Leben war nicht mehr so aufregend und tatenreich. So wandte man sich doch oft wieder der Vergangenheit zu.

Die kleinen novellenartigen Erzählungen der Sagas erhielten hier erst vielfach ihre volle Abrundung.

Man lachte über die raffinierte Art, wie der Sohn des Häuptlings Siduhall dein guten Thorhall Biermütze aus der Verlegenheit geholfen hatte. Der arme Kerl, der auf dem Allthing in seiner Bude Bier verkaufte, sollte durch Unvorsichtigkeit einen Waldbrand verursacht haben. Sechs geschädigte Goden sielen über ihn her. Alle mußten durch des Häuptlings schlaue Verteidigung unverrichteter Sache absieben. Das alles war ja kürzlich hier auf dem Allthing passiert.

Aber ein anderer, der noch in der Jugend der Heldengeneration angehört hatte, wußte von ernsteren Auftritten hier auf dem Allthing aus alter Zeit. Hier hatte der junge Grettir verzweifelt gestanden, dem auch ein Brandverbrechen zur Last gelegt wurde. Er wurde erbarmungslos verurteilt. Er eilte in Raserei und Verzweiflung von Ort zu Ort. Er war doch so treu und mußte so elend enden.



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So mischten sich auf dem Allthing neue und alte Geschichten. In dem Aberglauben und Spuk der Familiengeschichten waren die Geistlichen bewandert wie alle. Wie leicht war es, hier christliche Wundermärchen und Legenden einzuflechten. Nannte man nun auch die weissagende Völva entrüstet heidnische Hexe: ein Liebling der Volkserzählung blieb sie doch.

Hier mögen dann endlich die ersten Ansätze zum Heldenroman aus mündlichen Erzählungen entstanden sein. Noch immer kamen Ausländer zum Besuch auf die Insel. Sie wußten von der Liebe Frithjofs aus dem Sognefjord zur schönen Ingeborg zu erzählen, von dem stolzen Wiking, der durch seine Heldentaten sich doch schließlich die Geliebte gewann. Die Geschichte kannte man doch etwas. Das war ja eine Liebesgeschichte wie die von Gunnlaug Schlangenzunge und Helga. Man verglich. Die mußte man im Gedächtnis behalten.

So bekamen allmählich auch diese romantischen Heldennovellen aus dem Ausland den alten liebgewordenen Stil der Saga,

Nun kam vielleicht ein Skalde. Er kannte die neueste witzige Improvisation seines Freundes Thjodolf, die er am Hofe Haralds des Harten gehört hatte. Es war jenes Gedicht, das einen Gerber in Fafnirs, einen Schmied in Sigurds Maske darstellte.

"Der Sigurd des Schmiedehammers reizte die schreckliche Gerberschlange, und der Drache der Heide wand sich heraus aus der Lohgrube. Die Menschen fürchteten den Wurm der Stiefel, bis der langnasige König der Zangen die Natter des Rindleders überwand." Man lachte. Mancher dachte an die alten Heldengedichte von Sigurd dem Fafnirtöter und Brynhild zurück. Es mochten dabei auch hier schon gelegentlich Stücke in Prosa erzählt werden, die unwillkürlich die gewohnte treue und schlichte Form der Saga annahmen. Die heldenromanartige Paraphrase der Völsungensaga war in einem Stück vorbereitet, dem bald mehr in gleichem Stile folgte.

Diese glückliche Friedenszeit währte auf Island etwa fünf Menschenalter. Die Bischöfe und Geistlichen, die häufig auf Reisen im Auslande ihre gelehrte Bildung empfingen, verloren darüber nicht das Interesse an der Geschichte der Heimat. Das glänzendste Beispiel dafür ist der Priester Ari aus vornehmem



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Häuptlingsgeschlecht, der jene erste vaterländische Geschichte in isländischer Sprache schrieb, deren alte Geschlechterannalen M das Besiedelungsbuch von so großer Bedeutung wurden. Als Aris grundlegendes historisches Werk entstand, mehrten sich bereits die gelehrten Bildungsstätten im Lande.

Vor allem wurden die beiden Bistümer Skalholt im Westen und Holar im Norden der Insel Mittelpunkt der Bildung. Als dort der Bischof Thorlak, hier der Bischof Jon Ögmundarson heilig gesprochen wurde, strömten die Zehnten aus dem Lande und Weihgeschenke aus dem ganzen christlichen Norden nach diesen Plätzen. Besonders Skalholt wurde ein Sitz der Wohlhabenheit . Eine Schulbildung in großem Umfange konnte dort gepflegt werden und weit in das Land hin wirken.

Neben diesen Domschulen aber entstanden, besonders im Südwesten, andere mehr privater Natur. Sämund der Kluge, den die Überlieferung lange als Dichter der Eddalieder bezeichnete , unterrichtete in Odde. Eine andere berühmte Schule, wo Ari, der Vater der isländischen Geschichte, seine Ausbildung empfing, war in Haukadal, nahe dem großen Geysir.

Hierzu traten dann endlich von 1130 ab Klosterschulen. Unter diesen nahmen die Benedictinerklöster zu Thingeyrar und Munkathvera im Nordlande die hervorragendste Stellung ein. Aber auch im Westen und Süden, gerade dort, von wo die schönsten Sagas überliefert sind, entstanden Klöster, wo deren Aufzeichnung vorbereitet wurde. In allen diesen Schulen wurden neben der lateinischen Gelehrsamkeit, neben heimischer Geschichte und Rechtskunde auch Sagaerzählung und Skaldenkunst gepflegt.

Von 1200 ab beginnt eine emsige Tätigkeit in der künstlerischen Redaktion der alten Sagas, der Familiengeschichten und Königsgeschichten.

Der Stil der Saga war ein so einheitlicher und fest gefügter, daß er für jede Form der Prosaerzählung fortan das äußere Gewand blieb. Im Inhalt der Sagas aber ging allmählich eine Veränderung vor. Jene schöne Mischung von Wahrheit und Dichtung, die die alten Familiengeschichten des 10. Jahrhunderts auszeichnete, ging verloren.

Der romantische Charakter, der uns schon in der endgültigen



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Redaktion mancher älteren Familiengeschichte, wie der von Grettir , entgegentrat, wird jetzt zur Regel. Ein ungeheurer Apparat von wunderbaren Ereignissen und übernatürlichen Personen wird in den Heldenromanen aufgeboten. Wikingerfahrten im Osten spielen eine Hauptrolle. Ihre Helden und Heldinnen sind in eine Fülle von Glanz und Schönheit getaucht. Von dem düsteren Geschick, das so viele der alten Familiengeschichten durchzieht, ist nichts in ihnen zu finden. Die Fabel endet meist glücklich.

Die meisten dieser Sagas spielen in Norwegen, Schwede und Rußland. Aber auch in Finnland, dessen als Zauberer verschrieene Einwohner so recht in die phantastische Welt des Heldenromans passen. Auch wo diese Sagas historische oder halbhistorische Männer zu Helden haben, sind diese doch in der Darstellung zu typischen Heroen geworden, die mehr den Gestalten der Edda als denen der isländischen Saga gleichen. Einige der schönsten Eddalieder in Thule, so das Gedicht, in dem Hervor das Zauberschwert Tyrfing von ihrem Vater Aegantyr aus dessen Grabhügel erhält, stammen aus solchen Sagas.

In die Form des Heldenromans wurden dann zuletzt sogar fremde Stoffe gekleidet. Die Ritterdichtung kam nach dem Norden. Aus Frankreich zogen die Gestalten der Artusromane, Parzival und Gawan, in die Saga ein. Aus Deutschland aber erzählte ein Nordländer auf Grund mündlicher Berichte niederdeutscher Männer die Saga von Dietrich von Bern. Diese Geschichte ist also eine deutsche Heldensage im nordischen Gewand.

Hier war alles, was deutsche Männer erzählt hatten, auch die Geschichte von Wieland dem Schmied und den Nibelungen, um den großen Gotenkönig gruppiert.

An Sigurd den Fafnirtöter als seinen angeblichen Verwandten knüpfte man die Heldengestalt des berühmten Wikingerkönigs Ragnar Lodenhose, der in Frankreich und England große Taten vollführt hatte. Die Helden der Nibelungendichtung in der Edda, die Völsungen, wurden nun auch als zusammenhängende Saga der Lebensgeschichte jenes Königs vorangestellt .

In den Heldenromanen gingen "Wahrheit und Dichtung"



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der alten Saga fast in reine Dichtung über. So nannte man sie wohl auch Lügensagas.

Die Königssagas trugen schon in alter seit einen mehr geschichtlichen Charakter als die Familiengeschichten. Jetzt schwindet allmählich die Dichtung fast ganz. Äußerlich behalten sie wie die Heldenromane den Stil und die Erzählart der alten Saga bei. Sind aber diese dem Inhalte nach wirkliche Sagen geworden, so haben wir in den Königssagas jetzt einfache Geschichte. Aus Ibsens Kronprätendenten ist der Streit der Birkebeiner und Bagler bekannt, vor allem die Seele des ewigen Aufruhrs Bischof Niklas. Von alledem erzählt schon die Geschichte des Königs Sverrir, des Großvaters von König Hakon in Ibsens Stück. Diese Geschichte ist von einem isländischen Abt nach genauer Anweisung König Sverrirs und unter gewissenhafter Benutzung der königlichen Archive verfaßt. Sie ist Geschichte wie später die seines Enkels Hakons des Alten.

Auch die Bischofsgeschichten tragen geschichtlichen Charakter. Neben den norwegischen Königen, die immer mehr ansingen, auf die isländischen Verhältnisse Einfluß zu gewinnen, erregte das Leben dieser oft mächtigen und energischen Kirchenfürsten vornehmlich das Interesse des Zeitalters. Auch die Kirchengeschichte gruppierte man echt sagamäßig um berühmte Persönlichkeiten.

Eine Herrschernatur war der zweite Bischof von Skalholt, Gissur. Er hatte die auf ihn gefallene Wahl nur unter der Bedingung angenommen, daß sämtliche Häuptlinge des Landes sich förmlich ihm gegenüber verpflichteten, allen kirchlichen Geboten, die er erlassen werde, unbedingt zu gehorchen. Von ihm schrieb der gelehrte Historiker Adam von Bremen am Hofe des dortigen Erzbischofs Adalbert: "Die Isländer haben einen Bischof als König. Auf seinen Wink gehorcht das ganze Volk. Was er bestimmt, halten sie für Gesetz." Harald der Harte aber, der gescheite und witzige Norwegerkönig, rühmte Gissur nach, daß er zu dreierlei gleichmäßig das Zeug habe, zu einem guten Bischof, zu einem tüchtigen Wikingerführer und zu einem regiersamen Könige.



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Kraftvolle Erscheinungen aus späterer Zeit waren die Bischöfe Thorlak und sein Neffe Pal.

Der erste fühlte sich schon mehr als seine fünf Vorgänger in Skalholt als Vertreter der römischen Hierarchie. Jene hatten sich in ihrer äußeren Erscheinung und Lebensführung wenig von den weltlichen Häuptlingen ihres Volkes unterschieden. Thorlak drang auf strenge Durchführung des unvolkstümlichen kanonischen Rechtes. Er lebte in Ehelosigkeit und ging so seinen Geistlichen mit gutem Beispiel voran. Darum wurde er um 1200 auf dem Allthing von Rom aus heilig gesprochen.

Volkstümlicher war Thorlaks Nachfolger, Bischof Pal. Unter ihm entfaltete sich auf Skalholt ein reiches und prächtiges Leben. So stattlich war damals der Bischofssitz, daß Pal neben seinen zahlreichen Gefolgsleuten noch 100 Gästen bei sich Unterkunft gewähren konnte. Kräftig trat der Bischof für die Interessen seiner Leute den weltlichen Häuptlingen gegenüber ein. Nach einer Feststellung, die der Bischof in seiner Diözese machen ließ, hatte er über 200 Kirchen unter sich, und an 300 Geistliche mußten dafür ordiniert werden.

Hinter den Bischöfen von Skalholt traten die von Holar zurück. Der streitsüchtige Gudmund Arason dort zeigt schon den Dekadenzcharakter der fehdereichen letzten Zeit des isländischen Freistaates. Damals war die Macht in Händen von kaum einem Dutzend alter Familien, die in ewigem Hader liegend den Untergang der Republik herbeiführten.

In der Doppelgestalt der Geistlichen als Glieder der römischen Hierarchie und als Förderer der alten einheimischen Kultur liegt der Reiz aller dieser Bischofsgeschichten. Streitbare Männer, kluge Juristen und treffliche Kunsthandwerker stellte auch die Geistlichkeit. Es gab unter ihr treffliche Sagaerzähler, aber auch Skalden. Neben geistlichen Gedichten betrieben auch die Priester die weltliche Dichtkunst und sangen an Fürstenhöfen.

Die glückliche Friedenszeit, deren Sagaerzählung auf dem Allthing wir schilderten, nimmt in dem Menschenalter von 1150 ab allmählich ein Ende. An den Wirren im Lande, die es dem norwegischen Königtum ermöglichten, seine Macht



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Ringförmiger Krater bei Skútustadir am Myvatn (Mückensee). Nordisland


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Island gegenüber immer mehr geltend zu machen, hatte auch die römische Kirche ihr Teil. Das Erzbistum Drontheim bekam nun großen Einfluß auf die Insel.

Mehr wirkte nach dieser Richtung doch das Wiederaufleben des Wikingergeistes in den edlen Geschlechtern auf der Insel. Die Aufzeichnung der alten Geschichten und Lieder lenkte den Blick mehr als vorher in die Vergangenheit. Der Stolz auf diesen Besitz schuf auch im Alltagsleben ein ungeheures Bedürfnis, sich wie die Ahnen, wie ein Egil, wie ein Gode Snorri auszutoben und auszuleben.

Eine Renaissance des Heldenzeitalters beginnt im Staatsleben wie in der Literatur. Wie später in der Zeit der großen italienischen Renaissance gehen dabei zügellose Wildheit und Unsittlichkeit wie tiefes Bildungsbedürfnis und bewundernswerte Genialität eng nebeneinander her.

Wörtlich erfüllt sich in dieser Zeit, was in der Blütezeit des Wikingertums der weitausschauende Dichter der"Weissagung der Seherin"prophezeit hatte: "Es befehden sich Brüder und fällen einander. Die Bande des Bluts brechen Schwestersöhne. Arg ist's in der Welt. Viele Unzucht gibt es. Beilzeit, Schwertzeit , es bersten die Schilde! Nicht einer der Menschen wird den andern schonen". Diese allgemeine Auflösung kostet Island seine Selbständigkeit und Freiheit. Nicht der Untergang der Welt, wie jener Dichter weissagte, aber der Untergang des Staates ist die Folge.

Aber dieselbe Zeit hat es überhaupt nur ermöglicht, daß die alten Geistesschätze so emsig und treu auf der Insel bewahrt wurden. Das große Eddagedicht, das den sittlichen Verfall dieser Zeit voraussagt, ist durch den national-wikingerhaften Seist, der sie beherrscht, uns allein in der schönen großen Liederhandschrift erhalten, die jetzt der Stolz der Kopenhagener Königlichen Bibliothek ist. Und so wie die Edda alle Sagas und Skaldenlieder.

Die ganze Insel war damals in der Gewalt weniger aristokratischer Geschlechter, die alle Godentümer in Händen hatten. Im Osten traten die Männer von Svinafell und Hof, im Norden die von Mödruvellir und vom Skagafjord hervor. Die



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Leute von Odde und Haukadal spielten im Süden die Hauptrolle . Im Westen vor allem die Sturlunge. Endlos waren die Fehden, in denen sich diese Geschlechter bekämpften.

Im Heldenzeitalter hatten sich Thord Gellir und Tunguodd mit zweihundert wider vierhundert Mann gegenüber gestanden . Mit vierhundert Mann sog der Gode Snorri gegen fünfhundert Feinde, an denen er den Tod seines Schwiegervaters Vigastyr rächen wollte. Nach dem Jahre 1100 kamen die Häuptlinge schon mit 700, ja 1200 Mann Gefolge auf das Allthing. Um 1200 wurden auf Island dann bereits große Landschlachten, ja sogar eine Seeschlacht geliefert.

Aus diesen Aristokraten geschlechtern ragt als mächtigstes das der Sturlunge heraus. Das Erbe der Nachkommen Snorri Godes und Egils ging auf sie über. In den Streitigkeiten der Insel, aber auch in den Kämpfen und diplomatischen Verhandlungen mit dem norwegischen Königshaus vor dem Ende des Freistaates spielen die Mitglieder dieses mächtigen Geschlechtes die hervorragendste Rolle. Vor allem die Brüder Thord, Sighvat und der größte Isländer jener Zeit, Snorri.

Aber das Sturlungengeschlecht hatte auch in der geistigen Renaissance der Feit die unbestrittene Führung. Man beschränkte sich nicht auf Inventarisierung der alten Geistesschätze. Man wollte wie die alte Zeit dichten und erzählen.

Eddalieder und Skaldengedichte entstehen, im Stil der Heldenzeit , dieser geistesverwandt, wenn auch nicht ebenbürdig. Vorallem dichten Snorri und nach ihm seine Neffen als Königsskalden am norwegischen Königshofe.

So lebten auch die"Familiengeschichten" und die"Königsgeschichten" in der Darstellung der Gegenwart wieder auf. Sie konnten jetzt aus den Aufzeichnungen der zeitgenössischen alten Geschlechter, aus den Archiven der Könige direkt schöpfen. Sturla, der letzte Große des Geschlechtes, schrieb die Geschichte König Hakons des Alten und legte in der Isländersaga den Grund zu den Geschichten von den Sturlungen. Eine Hauptrolle in jener spielt sein genialer Oheim Snorri, in dessen Persönlichkeit die isländische Renaissance ihre höchste Blüte erreichte,



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14. Snorri Sturluson

Genau dreihundert Jahre, nachdem Egil Skallagrimsson in Borg geboren war, zog Snorri Sturluson als Besitzer auf das alte ehrwürdige Bauerngehöft.

Snorri war damals ein dreiundzwanzigjähriger Mann. Er hatte eine treffliche Bildung hinter sich. In Odde war er bei Jon Loptsson, dem mächtigsten Häuptling seiner Zeit erzogen worden. Sein Pflegevater war ein pracht- und kunstliebender Mann, aber zugleich hervorragend klug und für alle Wissenschaft empfänglich , die dort nach alter guter Tradition seit Sämund dem Weisen gepflegt wurde. In einer Umgebung reicher vaterländischer Gelehrsamkeit wuchs hier der junge Snorri bis zum 19. Jahre

Durch die Heirat mit der reichen Priestertochter Herdis war Snorri dann in Borg an eine noch ehrwürdigere Stätte gekommen Hier haue Egil Skallagrimsson, mit dessen Geschlecht er durch seine Mutter Gudny verwandt war, gesungen. Nun war er selbst dort am Borgfjord schon in jungen Jahren ein mächtiger Mann.

Es reizte den Ehrgeizigen, der auch Skaldenkunst in sich verspürte , sich in die Geschichte seines großen Ahnherrn zu vertiefen. Vom Besiedlungsbuch, von den Königsgeschichten hatte er hier und in Odde tiefe Eindrücke empfangen. So zeichnete er alles, was die reiche mündliche Überlieferung von dem großen Dichter bot, auf. Er lernte und kannte, wie viele andere, dessen Skaldenlieder auswendig. Als er dann die fertige Egilssaga hinschrieb, hatte er dem Geschlecht Skallagrims in der Landnahmezeit wie in seinen Kämpfen mit den norwegischen Königen doch wohl unwillkürlich eine sagenhaft überragende Stellung gegeben .

Bald darauf siedelt Snorri nach dem neuerworbenen prächtigen Landsitz Reykjabolt am Borgfjord über. Er kann dort in seinem stolzen stark befestigten und mit reichen Badeeinrichtungen versehenen Heim eine fürstliche Pracht entfalten. Sein Blick war durch die Königssagas längst nach Norwegen gelenkt. Seinen Ahnen Thorolf hatte erin der Geschichte vom Skalden Egil



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schon Harald Haarschön gegenüber nach dem Muster des Vasallen Olafs des Heiligen Erling Skjalgsson eine mächtige Rolle spielen lassen. Er selbst wollte nun auch den norwegischen Königen gegenüber etwas vorstellen.

Dieser Ehrgeiz war um so berechtigter, als Snorri nicht nur durch seinen geschickt vermehrten Reichtum auf der Insel etwas galt. Er hatte in blutigen Fehden, wie sie bei der damaligen Rivalität der vornehmen Geschlechter unausbleiblich waren, ges Rgt, daß er seinen Mann stellen konnte. Und doch trat seine Friedfertigkeit zutage und eine geringe Neigung, sich in anderer Händel zu mischen, die ja einst auch auf Island Egil auszeichnete. Er war vier Jahre lang Gesetzessprecher der Insel gewesen und galt längst für einen guten Skalden.

Dreißigjährig kommt Snorri nach Norwegen, wo der junge König Hakon und neben ihm der tapfere Jarl Skule regierten. An beide Herrscher; die damals noch nicht entzweit waren, schloß sich Snorri als Gefolgsmann an, doch besonders feierte Jarl Skule im Liede. König und Jarl überhäuften ihn mit Ehrengeschenken und Titeln, die seinem Erwerbssinn zusagten und seinem Ehrgeiz schmeichelten.

Reibereien zwischen dem Königsgeschlecht und den großen Häuptlingen auf Island waren damals an der Tagesordnung. Auch jetzt noch war die Stimmung in Norwegen so erbittert, daß König Hakon und Jarl Skule einen Kriegszug gegen Island planten. Hier konnte sich Snorri als Politiker zeigen. Dringend riet er den Fürsten von einem bewaffneten Angriff ab, indem er versprach, bei seiner Rückkehr dafür zu wirken, daß die Insel ohne Blutvergießen in die Gewalt des Königs komme. Er stellte seinen Sohn als Geisel und wiegte die Herrscher in den Glauben, daß er sein Vaterland verraten wolle. Zunächst hatte er ihm als vermeintlicher Lehnsmann des Königs einen patriotischen Dienst getan. Aber Snorri wurde seiner Rückkehr nach Island mit Spott- und Hohnversen empfangen. Man mißtraute dem ehrgeizigen Mann und neidete ihm die reichen Königsgeschenke,

Doch gelingt es Snorri in kurzer Zeit, allen Argwohn und alle Eifersucht zu zerstreuen. Er wird nun auf zehn Jahre



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als Gesetzessprecher der erste Mann und vermehrt durch ein Seies Liebesverhältnis mit einer angesehenen und reichen Witwe seinen Reichtum und seinen Einfluß auf der Insel.

Das schönste Gedicht, das Snorriwährend seines Aufenthaltes in Norwegen auf die beiden Fürsten gedichtet hatte, war ein über hundert Weisen umfassendes Preislied.

Das Lied besingt erst den Ruhm des Königs, dann den des Jarles und endlich beider. Es weiß nicht genug die Tapferkeit und Freigiebigkeit der Herrscher zu preisen. Es sollte ihm gleichzeitig ihr politisches Vertrauen sichern. Es ist in der Form ein nicht wieder übertroffenes Meisterwerk. Alle kunstvollen Weisen der Skalden bis auf die einfachere Strophenform der Edda waren in ihm nach einander veranschaulicht. Es beginnt mit einem Lobe König Hakons in der prachtvollen Königsweise und klingt eddamäßig einfach und natürlich in den Wunsch für ein langes Leben der beiden befreundeten Herrscher aus.

Das ursprünglich rein als Lobgedicht verfaßte Lied sollte später noch eine besonders wichtige Aufgabe erfüllen. Es wurde als Abschluß und größter äußerer Schmuck an das erste der beiden gelehrten Meisterwerke Snorris gefügt, an seine Edda.

Mit dem Namen Edda bezeichnen wir auch die Götter- und Heldengedichte in"Thule". Sie wurden schon in älterer Zeit so genannt. Da sie später wieder entdeckt wurden als Snorris Werk, nannte man dann die der seit nach früheren Gedichte "ältere Edda" im Gegensatz zur"jüngeren Edda" Snorris.

In Wirklichkeit verdient nur dies Werk den Namen Edda, der"Poetik" bedeutet. Ein Skaldenlehrbuch sollte es trotz seiner wunderlichen mythologischen Umrahmung sein.

Der erste Teil, die"Täuschung Gylfis"läßt einen schwedischen König nach Asgard kommen. Dort erfährt er auf seine Fragen von drei Göttern, in denen sich schon die christliche Trinität wiederspiegelt; alles Wissenswerte aus der nordischen Mythen- und Sagawelt. Als er das letzte; den Untergang und die Erneuerung der Welt, gehört hat, verschwindet die Halle mit den Göttern plötzlich, und er ist allein.



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Ein solches Frage- und Antwortspiel war ganz nach dem Sinn der Isländer. Auch im gewöhnlichen Leben kramte man gern sein Wissen in der Art aus. Die alte Eddadichtung ließ so Odin über die ganze Mythologie mit einem Riesen äch unterhalten. Solche alten Gedichte, aber auch das mythendurchwobene Gedicht von der Weissagung der Seherin, hat Snorri für sein umfassendes Sagengemälde benutzt.

Für die Auswahl der Mythen und den Umfang, den ihre Darstellung bekam, waren Gründe der Zweckmäßigkeit maßgebend . in Skaldenliedern behandelte Vorwürfe, wie die Fahrten Thors, waren am meisten erwünscht. Bei ihnen nimmt die Darstellung leicht die Gestalt einer kleinen Saga an. Oft sind die Lieder, die einer solchen Erzählung zugrunde liegen, uns nicht mehr bekannt. Dann bekommt das Skaldenlehrbuch für uns auch den Wert einer selbständigen Dichtung.

Hierher gehören etwa die Abenteuer Thors bei Utgardalaki, die in ihrer Mischung von Ernst und Scherz so unterhaltsam sind. Auf anziehenden und dem Gegenstand angemessenen Stil legt Snorri in seinem Skaldenlehrbuch überhaupt das größte Gewicht. Balders Tod oder der Untergang der Welt wirken auch in seiner Prosa gleich Tragödien wie in den Liedern, die sie einst besangen.

Ähnlich wie in Gylfis Täuschung gibt in dem zweiten Teil der Edda der Dichtergott Bragi dem fragenden Wassergott Ägir über alles Wissenswerte aus dem Skaldentum Auskunft.

Die Herkunft des Dichtermetes spielt auch hier wie in Edda- und Skaldenliedern eine Hauptrolle. Dann aber erörtert Snorri alle Einzelheiten der dichterischen Sprache und der poetischen Form und erläutert sie an Meisterstücken aus der Skaldenkunst. Die Fülle künstlicher Umschreibungen und Bilder, von denen wir aus Egils und Kormaks Liedern eine Andeutung zu geben suchten, zieht in buntem Reichtum am Leser vorüber. Die Ausdrücke für Gold, Schwert, Schiff und viele andere des täglichen Lebens enthüllen eine Reibe glänzender Mythenbilder. Die ganze sinnliche und übersinnliche Welt des nordischen Altertums ist in diesen Ausdrücken beschlossen und für den Skalden wertvoll.



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Das Gedicht auf König Hakon und Jarl Skule hatte Snorri ursprünglich nur aus politischen Motiven gedichtet. Jetzt fügt er es als dritten Teil seiner Edda an und erläutert an dieser glänzenden Strophenfolge alle Feinheiten des skaldischen Metrums.

Es spricht für die Lebendigkeit und Vielseitigkeit seines Geistes , daß er so verschiedene Interessen gleichzeitig in sich vereinigen konnte. Snorris häusliche Verhältnisse nahmen ihn nach vieler Richtung in Anspruch. Sein ausgeprägter Erwerbssinn, seine Liebeshändel mit Frauen, die Zwistigkeiten in der eigenen Sippe schufen ihm manche Mühen und Schwierigkeiten. Die Sorge um das Schicksal des Vaterlandes und die zweideutige Stellung gegenüber dem König und seinen Landsleuten, die ihm jene aufzwang, konnten wohl den ganzen Seist eines Menschen in Beschlag nehmen. Bei aller dieser äußeren Unruhe bleibt Snorris virtuosenhafte Vertiefung in den Geist des alten Skaldentums bewundernswert.

Für sein zweites Lebenswerk, das Königsbuch, kam Snorri die Gunst ruhigerer Zeiten zustatten. Die sehn Jahre nach der Rückkehr von seiner ersten Reise nach Norwegen war die fiedlichste Zeit seines Lebens. In dieser genoß er als dauernder Gesetzessprecher der Insel am meisten das Vertrauen seines Volkes. Die Edda, das Werk, das am tiefsten in dessen Seele; den Geist des alten Skaldentums, hinabstieg, hatte er vollendet . Keiner war, wie er, befähigt und berufen, die Zustände der Vergangenheit und der Gegenwart zu vergleichen. Die Sehnsucht, die innere Einheit seiner Künstlerseele mit den Anforderungen seines durch innere Zerwürfnisse zerrissenen Zeitalters in Einklang zu bringen, hat an der Wiege von Snorris großem Geschichtswerk gestanden. Durch dies Bestreben ist eine unvergleichliche Wahrheit und Innerlichkeit über das Königsbuch gebreitet.

Die Macht, die in dem norwegischen Königtum lag, hatte Snorri mit eigenen Augen in Norwegen beobachten können. König Hakon, dessen tatkräftige und glückbegünstigte Gestalt in vieler Hinsicht an Harald Haarschön erinnerte, war er nahe getreten. Er dörte weiter auf Island von dessen Siegen, auch



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von seinem gespannten Verhältnis Jarl Skule gegenüber. Das freundschaftliche Verhältnis der beiden, das er besungen hatte, bestand nicht mehr wie früher. Wo Snorri sich in die geschichtlichen Sagas vertiefte, fand er ähnliche Verhältnisse. Auch von mächtigen Jarlen fanden sich Erzählungen. Aber fast nie waren ihre Bestrebungen zum endgültigen Siege ausgeschlagen . Die Reibe der Könige von Harald Haarschön an bestätigte das Bild, das ibm die Gegenwart lieferte. Immer waren es die starken Persönlichkeiten der Herrscher, die Geschichte gemacht hatten. Sie mußten den norwegischen Mittelpunkt seiner Darstellung bilden.

Mit dem gleichen scharfen Blick hatte Snorri die Verhältnisse seines Volkes in der Gegenwart beobachtet. Auch hier fand er die Zustände seiner Zeit beim Durchforschen der alten Königssagas in der Vergangenheit bestätigt. Schon in der letzten Zeit des Freistaates trat die politische Bevormundung Islands durch die Könige Olaf Tryggvason und Olaf den Heiligen besonders hervor.

Aber damals war von einer so unheilvollen Zersplitterung der Isländer untereinander doch nie die Rede. Snorri konnte in seiner eigenen Familie die wilden Roheiten und Grausamkeiten bei Kämpfen und Überfällen beobachten, die die des Heldenzeitalters weit hinter sich ließen. Mehr wie früher wurde der Norwegerkönig von den eigennützigen Häuptlingen selbst in ihren Wirren als Schiedsrichter angerufen. Auch hier konnte Snorris Sympathie nur bei dem Königtum sein. Er sah, daß sich Island selbst zugrunde richtete.

Snorri selbst kam in diesen Wirren des Heimatlandes für seine Person kaum zu seinem Recht. Er geriet wiederholt in Situationen, wo seine friedfertigen Absichten mißverstanden, ja mit Verfolgung gelohnt wurden. Ihm schwebte aus der Egilssaga sein großer Ahnherr vor, der sich nur im äußersten Notfall in die Händel seiner Heimat gemischt hatte. Aber Snorri war keine überragende Kriegergestalt wie jener, den niemand anzutasten wagte. Auf der Insel hatte er als Gesetzessprecher seinen Mann gestanden. Er mochte sich gern in die Rolle eines alleinigen Schlichters der unerträglichen Zustände



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Kraterlandschaft am Myvatn Mückensee). Nordisland


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der Heimat träumen. So war es begreiflich, daß ihm auch für seine Person ein heilsames Wirken für sein Vaterland am ersprießlichsten unter dem Schutz des norwegischen Königtums dünkte,

Der starken Verehrung des Königtums in Vergangenheit und Gegenwart stand aber doch wieder sein nationaler Stolz als Isländer gegenüber. Auch dieser war am Hofe des Königs Hakon mächtig genährt worden. Snorri selbst war Fürstenskalde gewesen wie in alter seit. Seinem klugen Rat gegen die Vergewaltigung des Vaterlandes hatten sich jene Herrscher gefügt. Er war königlich belohnt,

In der Vergangenheit stiegen Männer wie Hallfred und Sighvat vor ihm auf. Auch sie waren ja in der Gefolgschaft der Könige gewesen. Sie hatten durch ihre Selbständigkeit als Skalden den Königen imponiert. Ja Sighvat hatte im Liede sogar wagen dürfen, den jungen Königssohn, dem er selbst den Namen gab, als er schlecht gegen das Volk auftrat, in seine Schranken zu weisen.

So war für Snorri in seinem Königsbuche die Verherrlichung des Skaldentums der zweite Hauptgedanke. Er beherrschte ihn um so mehr, als kein Isländer vor ihm mit so kritischem Blick den Wert der Skaldendichtung auch für die historische Forschung erkannt hatte. Diese Lieder, durch die sorgfältigste Tradition von Mund zu Mund fortgepflanzt, waren gerade durch ihre künstliche Form vor Entstellung geschützt. Die zeitgenössischen Skalden der Könige Harald Haarschön, Olaf Tryggvason und Olafs des Heiligen geben auch deren Taten aus unmittelbar lebendiger Anschauung wieder. Ihre Lieder waren für Snorri zuverlässige Dokumente. Der Verfasser des Skaldenlehrbuchs wußte wie keiner in ihnen Bescheid. Die Beschäftigung mit den Skaldenliedern machte so Snorris Königsbuch zu einer wahrhaft nationalen Tat.

Die doppelte Sympathie für das Königtum und Skaldentum in Vergangenheit und Gegenwart haben dem Königsbuch seine Eigenart gegeben. Mit ihr hängen auch die kritischen Grundsätze zusammen, die Snorri bei Abfassung des Werkes beherrschten.



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Snorri hat diese selbst in einem meisterhaften Vorwort entwickelt. Nur auf den zuverlässigsten Quellen hat er sein Geschichtswerk aufgebaut. Neben den so hochgewerteten Skaldenliedern waren es die besten schriftlichen Vorlagen, wie die isländische Geschichte Aris, und die mündliche Mitteilung zuverlässiger Männer, die Snorri genau kannte. Sein eigenstes Werk aber bleibt die künstlerische Komposition des Ganzen. Frühere Zusammenstellungen von Königsgeschichten waren in der Hauptsache Sammlungen geblieben. Durch Snorris überlegenen Geist war ein in der ganzen Darstellung einheitliches Königsbuch geschaffen worden.

Die Form der Saga, die Snorri in seinem großen Ahnherrn Egil so vollendet entgegengetreten war, hat er im Königsbuch auch seiner kritischen Geschichtsdarstellung aufgeprägt. Mit vollem Bewußtsein hat er einmal, wo er nach seinem Material nicht historisch sichten konnte, die mythische Geschichte des vom Gotte Frey abstammenden Königsgeschlechtes Harald Haarschöns an den Ansang gestellt. Das war wohl eine Aufmerksamkeit für die Norwegerkönige. Sie waren noch immer auf den Gründer des Einheitskönigtums stolz.

Der Schmuck der Skaldenlieder durchzieht Snorris ganzes Werk. Dessen schönste Zierde sind doch die inhaltsvollen Reden, die der Geschichtsschreiber seinen scharf charakterisierten Personen in den Mund legt. Gerade hier mag sich mancher Eindruck von Snorris eigner Zeit widerspiegeln. Durch dieses wirksame rhetorische Mittel hatte ja einst auch ein Thucydides seine Geschichte belebt.

Es war wohl Snorris Lieblingsgedanke, die Sympathien, die er für das norwegische Königtum und das isländische Skaldentum als Künstler empfand, durch eine entsprechende Neuordnung auf der Insel auch für seine Person in Wirklichkeit umzusetzen. Als Landesverrat hätte man ihm dies kaum auslegen können. Er sah den Untergang des Freistaates voraus, der ja auch zwanzig Jahre nach Vollendung seines Königsbuches wirklich eintrat. Wenn ein so kluges und künstlerisches Geschlecht wie er und seine beiden Neffen Olaf und Sturla unter dem Königsschutz die Herrschaft über die Insel angetreten



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Die drei Gipfelklippen des Snaefellsjökull von Südost gesehen. Westisland


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hätten, wäre es dieser nur zum Vorteil gewesen. Freilich hätte Snorri wohl für den Glanz und die Pracht seines Hauses weiter mit dem Geiz seines großen Vorfahren Egil vom Borgfjord gesorgt.

Die ruhige seit für den Forscher Snorri war nach der Vollendung des Königsbuches vorbei. Der friedfertige Mann wurde in Fehden und Verfolgungen verwickelt, die schließlich mit seiner Ermordung endeten.

König Hakon begann, nachdem er ein Jahrzehnt lang durch innere Kämpfe daran verhindert war, seine Unterwerfungsgelüste gegenüber Island aufs neue.

Da er Snorri selbst wegen dessen abwartender Haltung mißtraute , wandte er sich an andere Mitglieder des tatkräftigen Sturlungengeschlechtes, um seine Eroberungspläne durchzusetzen . Vor allem hetzte der König den Sohn von Snorris Bruder Sighvat, Sturla, auf, in seinem Sinne zu wirken. Doch war auch Gissur, ein vornehmer Mann aus dem Geschlecht der Männer vom Haukadal, für den König tätig, der mit jenem verfeindet war.

Stur las rücksichtsloses Auftreten hatte sich auf der Insel scharfe Gegner geschaffen. So auch Snorris Bastardsohn Uräkja, der dem Vater schon viel durch seine Gewalttätigkeiten zu schaffen gemacht hatte. Sighvat und Sturla überfielen Snorri, da sie meinten, daß dieser mit seinem Sohn gemeinsame Sache gemacht habe. So mußte Snorri von seinem geliebten Reykjaholt fliehen, ein Jahr ruhelos umherirren und sich auf seinen andern Besitzungen aufhalten.

Auch die Leute vom Haukadal aber hatten Sighvat und Sturla gereist. So wurden beide von jenen in der blutigen Schlacht bei Orlygsstadir besiegt und getötet. Dadurch wurde ihr Gesippe Snorri ein Todfeind Gissurs, des anderen Günstlings König Hakons, der jenen Totschlag verursacht hatte. Das Verhältnis Snorris zu König Hakon wurde dadurch nicht besser. Auf einer zweiten Reise nach Norwegen, die Snorri dann unternommen hatte, war er nur bei Jarl Skule gewesen und hatte dadurch den Zorn des Königs noch mehr auf sich geladen. Gegen des Herrschers Verbot, aber mit ausdrücklicher



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Zustimmung von dessen Widersacher Skule war er nach Norwegen zurückgekehrt. Nun befahl Hakon seinem Günstling Gissur den staatsgefährlichen Mann lebend oder tot in seine Gewalt zu bringern Snorri ward in Reykjaholt überfallen und getötet.

Snorris Tod war für den schnellen Untergang des Freistaates entscheidend. Nach und nach gelang es Gissur, der vom König zum Statthalter Islands ernannt wurde, alle mächtigen Geschlechter der einzelnen Landesviertel zur Anerkennung der norwegischen Oberherrschaft zu bringen. Nach der vollständigen Einverleibung Islands in Norwegen unter Hakons des Alten Nachfolger 1264 hörte auch die isländische Statthalterschaft bald auf.

König Hakons Bemühen war es hauptsächlich zu verdanken gewesen, daß die Romane des Auslandes nach Norwegen kamen und dort in die isländische Sagaform gebracht wurden. Er war schon mehr wie seine Vorgänger ein König im Sinne des mittelalterlichen Rittertums. Er stand mit den Fürsten Europas, besonders mit dem aufgeklärten Hohenstaufen Friedrich ll. auf Sizilien, in enger Verbindung. Er hat als erster schon den Lübecker Kaufleuten in Bergen Handelsprivilegien verliehen. Diesem König hat dann auch der Preis der letzten großen Gefolgschaftsskalden gegolten. Die beiden Söhne von Snorris ältestem Sohn Thord hatten die Bildung und die Liebe zur Dichtung vom Oheim geerbt. Eine eigentümliche Ironie des Schicksals ist es, daß sie gerade im Liede die Verehrer des Königs wurden, der ihren größten Verwandten hatte töten lassen.

Von den mächtigen Aristokratenfamilien der letzten Zeit des Freistaates ist nur der Name der Sturlunge durch Snorri und diese beiden Neffen unsterblich geblieben.

Sie gehören unzertrennlich zu ihm, durch Neigung wie Veranlagung. Olaf, der ältere, war mehr durch Snorris Skaldenwerk, die Edda, beeinflußt. Unter seiner Leitung wurde diese Lebensarbeit Snorris später noch überarbeitet und weitergeführt . Manches, was der große Gelehrte nur angedeutet hatte, wurde mit kundiger Hand ergänzt. Die weitere wissenschaftliche



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Forschung des nordischen Altertums war dadurch schon in alter Zeit eröffnet. Sturla, der jüngere, war mehr durch Snorris Königsbuch angeregt worden. So schrieb er die "Isländergeschichte" , deren Glanzpunkt Snorri Sturlusons Leben bildet. Sie ist denn auch der Mittelpunkt der Erzählungen aus den "Sturlungengeschichten" in Thule.


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15. Die Kultur der Saga

Der isländische Staat hat das Schicksal aller Normannenreiche geteilt. Er hat länger als irgendein anderes von ihnen die ursprüngliche Kultur der alten Germanenwelt festgehalten Er hat noch in einer Zeit, wo überall sonst der Geist des christlichen Rittertums herrschte, eine kräftige Renaissance gehabt . Aber endlich ist auch dieser eigenartigste Normannenstaat den neu Kulturströmungen des Mittelalters erlegen. Die großartige Wikingerkultur der alten Feit ist aber in der isländischen Saga gerettet worden. Ja diese ist sogar in den skandinavischen Ländern, im Mittelalter in Dänemark, in der Neuzeit in Schweden und Norwegen, zu besonderem Leben wieder erwacht. Sie ist durch Tegnér und Ibsen erneut in die Weltliteratur übergegangen.

Von der außerisländischen Wikingerkultur der alien Zeit mit ihren großen Staatenschöpfungen in Europa war nur Deutschland unberührt geblieben. Rußland und Italien, Frankreich und England haben zeitweise unter dem staatenbildenden Kultureinfluß der Normannen gestanden.

Das früheste Ende nahm diese germanische Sonderkultur in Rußland. Nach der Einführung des Christentums, wie auf Island ums Jahr 1000, unter dem Normannenfürsten Wladimir dem Großen verschmolz das schwedische Warägertum dort allmählich mit dem Slawentum. Kjew und Nowgorod waren die alten Kulturplätze, die die Normannenfürsten dort angelegt hatten. Da standen die stolzen Wikingerburgen der normannischen Herrscher, von denen aus sie ihre Wikingerzüge weithin in die Länder ausdehnten. Dort liefen die alten Handelsstraßen, auf denen die Wikinger ihre Pelzwaren gegen die Schätze des Südens eintauschten. Noch tragen sieben mächtige Stromschnellen des Dnjepr aus jener Zeit normannische Namen.

Am längsten währte die Normannenherrschaft in Italien. Erst um 1200, also zu Snorris Zeit, ging das Reich, das von der Normandie aus gegründet war, in den Besitz der Hohenstaufen über. Damals war es lange ein blühendes Staatswesen,



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das Sizlien und einen großen Teil des süditalienischen Festlandes umfaßte. Echt wikingerhaft war es doch aus ganz kleinen Anfängen heraus gegründet. Robert Guiskard und seine Brüder, die bald nach dem isländischen Heldenzeitalter jenen Normannenstaat im Süden schufen, waren als abenteuernde Söhne eines armen Ritters aus der Normandie gezwungen, durch jene Tat sich eine Existenz zu schaffen. Im normannischen Baustil, der die herrlichen Kathedralen von Palermo und Messina schmückte, ragte hier auf romanischem Boden ihrem und ihrer Nachfolger Namen das ehrendste Denkmal.

Am meisten haben nächst Island Frankreich und England die staatenbildende Macht der Normannen empfunden.

Aus der ersten großen Wikingerperiode, in der dänische Männer die Führer waren, steigt um die Zeit, da Islands Besiedelung im vollen Werden ist, das Herzogtum der Normandie in Frankreich empor. Da die Wogen einer zweiten Normannenbewegung , die nach längerer Friedenszeit doppelt heftig einsetzte , abnahmen, steht das Wikingerreich Knuts des Großen, des Zeitgenossen Olafs des Heiligen, auf England in größter Blüte.

Im Todesjahr Haralds des Harten von Norwegen, während Islands glücklicher Friedensepoche, verbindet Wilhelm der Eroberer nach der Schlacht bei Hastings die Normannenkraft Englands und Frankreichs mit dem Angelsachsentum Großbritanniens. Der Grund zu dem größten Kolonialvolke der Erde ist gelegt.

Was an geistiger Wikingerkultur im Mittelalter auf England und Frankreich überging, ist nicht die Kultur der isländischen Saga. Aber das Heldentum, das die normannische Blutmischung in der langen Zeit der Wikingerherrschaft in diese Länder hineinträgt, ist dem Kämpentum der Saga verwandt .

Die normannischen Dichter spielen in der französischen Literatur eine besondere Rolle. Der Begründer der klassischen Literaturperiode Frankreichs, Corneille, war ein Normanne. Der ungewöhnlich heldenhafte Charakter seiner älteren Werke,



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besonders des Cid, ist oft betont. Shakespeares Jugendstück Richard III., so sehr es mit der englischen Königsgeschichte verwachsen ist, ist ein Wikingerdrama durch und durch. Sein Hauptheld könnte in seiner reuelosen Rücksichtslosigkeit Held einer isländischen Saga fein. Bei Corneille wie bei Shakespeare hat der Wikingergeist noch in so später Zeit Pate gestanden.

Eigenartig berühren uns die kargen Reste normannischer Sprache in Rußland, das heldenhafte Normannentum in der französischen Literatur, die Wikingerart mancher shakespearschen Heldengestalt und der prachtvolle Normannenstil sizilianischer Dome. Aber sie sind nur ein letzter flüchtiger Widerschein des einst so stolzen Wikingertums in jenen Ländern.

Der isländischen Saga, in der die Kraftnatur des staaten- gründenden Normannenvolkes am stärksten ausgeprägt war, wurde schon in Dänemark in alter Zeit ein bleibendes Denkmal gesetzt. Von hier war die Wikingerbewegung zuerst ausgegangen , deren letzte elementare Ausbrüche die isländische Renaissance darstellte. Eine solche Wiedergeburt des Wikingertums hatte schon früher unter dem König Waldemar dem Großen auch Dänemark erlebt.

Die Kämpfe dieses Königs und seines streitbaren Bischofs Absalon gegen die Wenden, die auch damals Heinrich dem Löwen in Deutschland so viel zu schaffen machten, hatten die alte Wikingerlust wieder aufleben lassen. Dort an der pommerschen Küste hatte ja auch das alte Wikingernest Jomsborg gestanden, Ein neuer Wikingerbund im Stile des alten wurde gegründet, Die alte Wikingerdevise "Wir sind alle gleich" und dieselbe strenge Manneszucht lebt in diesen Nachfahren der alten Wikinger , deren Heldentum der König und der Bischof begünstigen. Absalon aber ist auch ein gelehrter Kirchenfürst. Durch die Erinnerung an die alten dänischen Heldensagen und das Kriegertum, das die isländischen Sagas bieten, will er das mannhafte Kämpentum seines Volkes unterstützen. Er plant ein Geschichtswerk zum Ruhme Dänemarks.

Ein junger Geistlicher, Saxo, mit dem Beinamen Grammatikus, d. h. der Gelehrte, brachte diesen Plan zur Ausführung,



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Er war ein Nachkomme jener Seehelden, die unter Waldemar dem Großen den alten Ruhm der Wikingerzeit erneuert hatten. In der Darstellung dieser und seiner eigenen Zeit ist sein Werk, Die Geschichte der Dänen, rein historisch. Aber die ersten neun Bücher steigen tief in die heimische Sagazeit hinab. An vaterländischer Begeisterung und umfassender Kenntnis des alten Heldenzeitalters seines Volkes war Saxo ein Gegenstück zu Snorri. Aber obwohl er noch ein älterer Zeitgenosse des großen Isländers war, hat er von dem großartigen Geistesleben auf Island während dessen Renaissance kaum eine eingehende Kenntnis gehabt.

Nicht die alten isländischen Familiengeschichten oder Königsgeschichten haben auf Saxos Darstellung gewirkt. Isländische und norwegische Heldenromane und Märchengeschichten sind es, die vielfach in den sagengeschichtlichen Teil seines Geschichtswerkes verflochten wurden. Sie wurden ihm von isländischen Sagaerzählern am Hofe des Erzbischofs Absalon zugetragen, und ihr Fabulierstil wurde ihm geläufig.

Berühmten dänischen Sagahelden hatte auch die Isländersaga ihr Interesse zugewandt. Vor allem wurde von dem alten König Rolf Krake auf der Königsburg von Lejre und dem strengen Vertreter unverfälschten Wikingertums, dem unermüdlichen Kämpen Starkad, auf Island wie in Dänemark erzählt. Und ebenso gingen Mythen der Götter, von Odin wie von Balder, in beiden Ländern von Mund u Mund.

Saxo hat sein Geschichtswerk in lateinischer Sprache verfaßt. Weder an Volkstümlichkeit noch an kritischer Größe kann es äch mit Snorris Königsbuch messen.

Aber das schlichte dänische Heldentum tritt uns selbst aus den wunderlichsten Gedichten Saxos in vergilischen und horazischen Versen doch plastisch entgegen. Das alte Bjarkilied, das an Olafs des Heiligen Todestag vor der Schlacht bei Stiklestad gesungen wurde, bleibt an Kraft und Schönheit hinter keinem Eddalied in "Thule" zurück.

Auf dem Hintergrunde solches düstern, schicksalsschweren Heroentums wirkt dann die Fabulierfreude des isländischen Heldenromans in demselben Werke oft besonders anmutvoll



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und unterhaltend. Auch die Form der alten isländischen Saga versagt in der geschraubten lateinischen Prosa Saxos nicht ihre Wirkung.

Wie die Erhaltung der alten Sagakultur im Mittelalter bei Snorri und Saxo Isländern zu danken ist; so haben sie allein auch ihre Weiterwirkung in der Neuzeit ermöglicht. Zur Zeit des dreißigjährigen Krieges wurden die alten Handschriften der Eddalieder und von Snorris Skaldenlehrbuch wieder aufgehnden. Allmählich kamen alle die alten Sagaschätze wieder ans Licht. Sie wurden dann von den dänischen Königen zum größten Teil den großen Kopenhagener Bibliotheken einverleibt. Vom Ende des 18. Jahrhunderts beginnt allmählich ihr Bekanntwerden in allen germanischen Ländern.

Für die Sichtung und kritische Durchforschung ihrer Nationalschätze , die erst ein Wiederaufleben durch Übertragung und Nachdichtung in der Jetztzeit ermöglichte, haben große neuisländische Gelehrte mit das meiste getan.

In Deutschland übertrug Herder in den Stimmen der Völker, für seine Zeit meisterhaft, das Eddagedicht "Die Weissagung der Seherin". In seinen Ideen zur Geschichte der Philosophie der Menschheit fand er die treffendsten Worte zur Wertung der isländischen Lieder und Sagas.

Die Arbeiten von Jakob und Wilhelm Grimm, von Uhland und Simrock setzten in Forschung und Nachdichtung zu ihrer Verbreitung ein. In die romantische Dichtung hielten Eddapoesie und isländische Saga ihren Einzug durch Fouqué und Oehlenschläger. Noch heute ist bei den Neuisländern die Liebe und der Idealismus, mit dem jene Männer sich ihrer heimischen Sagastoffe annahmen, unvergessen. Aber das klassische Werk jener romantischen Richtung entstand weder in Deutschland noch in Dänemark, sondern in Schweden. Esaias Tegnérs Frithjofssaga fand die begeistertste Aufnahme in ganz Europa, auch beim alten Goethe. Sie wurde Gemeingut der Weltliteratur und wirkt auf uns wie eine deutsche Dichtung.

Das Geheimnis der Wirkung von Tegnérs Frithjofssaga lag in dem großen Dichter selbst. Tegnér, der Nachkomme kerniger Bauerngeschlechter aus der anm Sagagegend Wärmland,



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trug ein Wikingertum der Seele in sich, das seinen Vorgängern in der romantischen Dichtung fremd war.

Seine Vorlage, die isländische Frithjofssaga, gehörte nicht zu den alten Geschichten des Heldenzeitalters. Sie war einer der späten Heldenromane und ihr sagenhafter Vorwurf reine Dichtung . Aber ihr eines Hauptmotiv, Fritdjofs Liebe zu Ingeborg, war doch auch schon in alten Sagas wie der vor Gunnlaug Schlangenzunge vorhanden. Das andere Hauptmotiv, der Streit Frithjofs mit den Königssöhnen, bekam schon durch den Schauplatz und die Zeit, wohin es verlegt wurde, etwas von der Ehrwürdigkeit der ältesten isländischen Sagas. Noch vor Harald Haarschöns Alleinherrschaft in der Gegend des Sognefjords sollte der Hader Frithjofs mit seinen Pflegebrüdern vor sich gegangen sein.

Die seelische Vertiefung jener späten Märchendichtung mit dem Kulturanstrich der alten Saga ist allein Tegnérs Werk. Aus dem phantastischen idealguten Frithjof und seinen unwahrscheinlichen Bösewichtern bat der romantische Dichter menschlich ergreifende Charaktere geschaffen. Aus der für die Entwicklung der Saga in Tegnérs Quelle wenig bedeutsamen Ingeborg ist die tiefempfundene Partnerin Frithjofs geworden, die dies nordische Liebespaar für immer unsterblich gemacht hat.

Die echt menschliche Ausgestaltung jener typischen Figuren des Heldenromans ließen nun auch die Bilder alter Sagakultur durch die Tegnér sein romantisches Liebesgedicht von Frithjof und Ingeborg schmückte, mit der Natürlichkeit der alten Saga wirken.

Der düstere Schicksalsgedanke jener fehlte freilich auch Tegnérs Dichtung. Wie in isländischen Heldenromanen schließt alles gut. Ingeborg reicht am Schluß Frithjof über Balders Altar die Hand zu glücklicher Vereinigung. Dafür gibt aber der männliche Zug, den das Ächtertum und die Wikingerfahrten Frithjofs, die irdischen und himmlischen Walhallszenen der Dichtung aufprägen, ein kampfernstes Gegengewicht.

Der Empfindung des Zeitalters, das in Tegnérs Fruhjofssaga den wahrsten modernen Ausdruck der Wikingerzeit sah,



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gab der alte Goethe wohl den besten Ausdruck: "Die alte kräftige gigantisch-barbarische Dichtart kommt uns, ohne daß wir recht wissen, wie es zugeht, auf eine neue sinnig zarte Weise, und doch unentstellt, höchst angenehm entgegen."

Ein großer Schritt aus der Romantik in die Wirklichkeit war es, als in Norwegen der junge Bjömson und der junge Ibsen den Prosastil der Saga selbst künstlerisch wirksam nachzubilden begannen.

Björnsons Bauernnovellen spielen nicht in der alten Zeit. Aber ihre Helden sind kräftige natürliche Gestalten mit einem eigenartigen inneren Leben wie die Bauern der isländischen Sagens. Hier war diese gegenständliche schmucklose Prosa das wirksamste Kunstmittel, die dichterische Täuschung des wirklichen Lebens zu vollenden.

In einem Drama aus der alten Sagazeit selbst wandte dann Ibsen den scharfzugespitztcn Dialog der Sagas mit großem Glück an. Es war die an Motiven aus der alten Saga überreiche "Nordische Heerfahrt", in der der Dichter seine künstlerischen Aktstudien für die "Kronprätendenten" machte.

Wie Tegnér gegen die Mitte, so ist Ibsen am Ende des 19. Jahrhunderts fur die Verbreitung des Interesses an isländischer Saga von Bedeutung geworden. Der klare, scharfpointierte Dialog seiner Prosa, der an die isländische Saga erinnert, ist ja in allen späteren Stücken Ibsens. Als von den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts an die bürgerlichen Stücke übersetzt wurden und jedes neue Stück in Deutschland ein Ereignis zu werden begann, traten auch die Kronprätendenten in deutscher Übertragung hervor, Sie bildeten den Abschluß der Jugendstücke, ehe Ibsen sich gan; den Gesellschaftsstücken zuwandte. Und sie tragen in dem Gegensatz von Hakon und Jarl Skule am schroffsten den Gedanken, der alle Jugenddichtungen Ibsens durchsieht, den Widerspruch zwischen Können und Begehren, zwischen Willen und Möglichkeit. Hakon der Glückliche löst ihn, Jarl Skule der Unglückliche geht an ibm zugrunde.

Dieser Grundgedanke Ibsens bekommt aber in dem Stück auch eine tiefe historische Wahrheit, Hakon der 'Alte ist der



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Der östliche Eisstrom des Snaefellsjökull. Westisland


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Mann, der eine neue Zeit schafft und darum der geborene Herrscher des norwegischen Staates. Jarl Skule wurzelt ganz in den Traditionen der alten Zeit. Er wagt es nicht mit der durch diese geheiligten Überlieferung zu brechen und legt so stets die Erfolge seiner eigenen Tatkraft lahm. Er kann nicht König werden, weil er in einer Zeit, wo das Neue bereits zum Durchbruch gekommen ist, das Hakon mühelos pflückt, noch immer die "alte Saga" wiederholt.

Die "alte Saga"ist in Snorris Königsbuch bei Olaf Tryggvason und Olaf dem Heiligen. Aus ihr hat wie Tegnér auch Ibsen den Stoff fin sein Drama nicht geschöpft. Es spielt während der Sturlungenkämpfe auf Island und der ewigen Zwiste der Birkebeiner und Bagler in Norwegen.

Der Gegensatz des Erfolgs und des Mißerfolgs, des Glücks und des Unglücks in Hakon und Jarl Skule war durch die Darstellungen der Sturlungengeschichten und die Saga Hakons des Alten gegeben.

Die tapfere Größe die Jarl Skule in Ibsens Stück auszeichnet und die in so seltsamem Widerspruch zu seinem traurigen Ende steht, fand der Dichter bereits in den isländischen Quellen scharf ausgeprägt. Hakons neidlose Anerkennung Skules bei Ibsen ist tiefe innere Wahrheit und weit von dem leichten Edelmut eines glücklichen Märchenprinzen entfernt.

In Snorris Lobgesang auf Hakon und Skule ist die größere Liebe doch bei dem Jarl. Und selbst in den Zeiten des Zwists beider verfaßt der ältere Neffe Snorris ein Preislied auf König und Jarl, das neben Hakon, dem Günstling des Glücks, auch Skule, dem Mann der kühnen Tat, volle Gerechtigkeit widerfahren läßt.

Ibsens Kronprätendenten haben ihre literarische Bedeutung nicht durch das Interesse, das sie für die alte isländische Saga erweckten, allein bekommen. Die verwickelten Gedankengänge König Hakons und Jarl Skules, die durch die Grundidee des Stückes bestimmt wurden, waren der alten Saga und den alten Skaldenliedern fern. Aber im ganzen bat sich doch das Ringen eines modernen Geistes, der das Stück durchweht, so einheitlich mit dem alten Stoff verbunden, daß der Charakter



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der Saga gewahrt bleibt. Mit Ibsens Kronprätendenten ist die isländische Saga, am modernsten gestaltet, in die Weltliteratur eingetreten.

Keine Gestalt gibt einen so lebendigen Widerschein aus der alien Saga wie der Skalde Jatgeir, der treue Freund und Sänger Jarl Skules während seines kurzen Königsglücks.

Die Gestalt des isländischen Skalden hatte es vor allem nötig, unserem modernen Empfinden näher gebracht zu werden. Die Vorstellung des Skaldentums ist bis auf unsere Tage im allgemeinen kaum weniger nebelhaft gewesen als das phantastische Bardentum der Klopstockzeit.

Der Skalde Jatgeir tritt in Ibsens Stück äußerlich nur episodenhaft auf. Er ist nicht so tief in die Schicksale der Haupthelden Hakon und Skule verflochten, wie der geniale ränkesüchtige Bischof Niklas oder die Königin Margarete, eine der entzückendsten Frauengestalten, die Ibsen je geschaffen hat. Jatgeirs Auftreten gerade an dem bedeutsamen Wendepunkt des Dramas genügt aber; um die Größe und Bedeutung des alten Skaldentums in diesem modernen Gegenbilde eines Hallfred, eines Sighvat und eines Egil Skallagrimsson unvergleichlich zu offenbaren.

In der Königshalle beim Siegesmahl Jarl Skules singt der Skalde Jatgeir sein Preislied und wird in die Gefolgschaft aufgenommen . Aber der Ruhm des Königs und der Hohn über die besiegten Feinde fliegt auch in bartgeprägten Scherzworten in die Versammlung, die immer zünden. Jatgeirs Drängen nach neuen Waffentaten, nach neuem Stoff für seine Lieder ist unersättlich und reißt alle Mannen mit sich fort. Für seinen König stirbt er gern. Das ist Hallfred der Königsskalde.

Aber in scharmintiertem Gespräch mit Jarl Skule tritt die kluge und berechnende Art in Jatgeirs Wesen hervor. Der für seinen König stirbt, kann doch nicht in dem Sinn für ibn leben, daß er ihm seine Wesenheit opfert. Der Stolz der Skalden macht sich geltend, der die gleiche Einheitlichkeit des Wesens, die ihn selbst beseelt, auch vom Könige verlangt. Jatgeir ist der feimütige Berater; den Skule sich zum Freunde wünscht. So war auch Sighvat einst den Königen gegenübergetreten.



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Glänzender noch als der Skalde und Kämpe in der Halle, als der Vertraute des Königs unter vier Augen leuchtet der einsame Dichter Jatgeir hervor. "Am Tage mag das Skaldenlied aufgezeichnet werden, in der Stille der Nacht wird es gedichtet . Die Skaldenkunst lehrt man nicht. Durch den Schmerz wird der Skalde zum Dichter." Dies Bekenntnis hebt Jatgeir doch über den Kämpen, Sänger und Freund der Könige hinaus . Hier lebt Egil wieder auf in seinen größten Liedern.

An ihn dachte Ibsen schon in der nordischen Heerfahrt, wo er das Lied des höchsten Skaldenschmerzes, Egils "Der Söhne Verlust" nachdichtete. Man mag es nun mit der Nachbildung des Originals in Thule vergleichen. Vielleicht findet die Übertragung der bilderreichen Skaldenlieder in der Geschichte vom Skalden Egil gerade bei den Vertretern unserer modernen L'art pour l'art'-Dichtung Verständnis. Trotz des großen Zeitabstandes lebt in Egils Liedern etwas ihren künstlerischen Idealen Wesensverwandtes.

Der Leser Thules wird selbst beurteilen können, wie weit der Zusammenhang Ibsenscher Kunst mit den alten Liedern und Sagas auf Wahrheit beruht. Er kann den Stil der alten Geschichten mit dem Ibsens vergleichen. Er kann sich ein Urteil bilden, inwiefern auch in den Gestalten der bürgerlichen Dramen Ibsens etwas Wikingerhaftes steckt. Vielleicht werden Charaktere wie die sehnende Frau Ellida am Norwegerfjord oder die abenteuerlustige Hilde Wangel manchem in neuem Lichte erscheinen. Am meisten wird vielleicht der alte wikingerhafte Wolf John Gabriel Borkmann an Verständnis gewinnen. Auch für die Grundidee von Ibsens Dramen ist die Saga von Bedeutung. Neben den Schicksalsgedanken der Alten und der modernen Vererbungstheorie hat auf jene auch die Idee von dem eigentümlichen Walten des Geschickes in den isländischen Familiengeschichten gewirkt. Inwieweit, kann der Leser Thules selbst entscheiden.

In den Liedern und Geschichten Thules fehlt es nicht an Vorwürfen, die zu moderner Nachdichtung reizen können. Der Heldenroman ist in Tegnér, die spätere geschichtliche Saga in Ibsen verjüngt auferstanden. Noch mehr verdient die ehrwürdige



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isländische Familiengeschichte mit ihren prächtigen Skaldenliedern eine Wiedergeburt in moderner Dichtung. Keine ladet dazu in ihrer großartigen Verbindung von Poesie und Prosa mehr ein als die Geschichte vom Skalden Egil.

Gerade heute vor tausend Jahren kündigte der zwölfjährige Egil in einer übermütigen Improvisation den Beginn seiner Wikingerlaufbahn an. Vielleicht wird das Wort seiner schönen Altersdichtung auch in der Poesie unserer Tage für ihn noch einmal zur Wahrheit: "Der Ruhmeshügel, den ich errichtet, wird dauernd stehen im Reich der Dichtung."



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Übersicht über die Wikinerzüge und Entdeckungsfahrten der Nordgermanen. Dänen Norweger Schweden


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Island zur Sagazeit.

Die riten Strich, bezeichnen annähernd den Hauptschauplatz der betreffenden Geschichte. Die lat. Zahlen bezeichnen den Band von Thule, in dem diese Geschichte erzählt ist, die deutschen, Zahlen bezeichnen die einzelnen Erzählungen des betreffenden Bandes ___- —-------_______



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Inhalt und Reihenfolge der einzelnen Bände von Thule:

Egil.

4. Njal.

5. Grettir.

6. Die Leute aus dem Lachstal.

7. Gode Snorri.

8. 1) Hühnerthorir. 2) Hörd. 3) Gisli. 4) Havard. 5) Hochlandskampf.

9. 1 Gunnlaug Schlangenzunge. 2) Björn und Thord. 3) Kormak. 4) Hallfred.

10. 1) Die Leute aus dem Seetal. 2) Finnbogi. 3) Thord und sein Ziehsohn. 4) Der durchtriebene Ofeig. 5) Thorhall Biermütze.

11. 1) Die Leute von Lautersee. 2) Die Leute vom Svarftal. 3) Ljot von Vellir. 41 Glum. 5) Die Leute aus dem Rauchtal.

12. 1) Thorstein der Weiße. 2) Die Männer an der Waffenförde. 3) Thorstein Stangenhieb. 4 Gunnar, Thidrandis Töter. 5) Hrafnkel, der Freyspriester. 6) Die Söhne der Dreplaug. 7) Thorstein, Siduhalls Sohn.

13. 1) Erich der Rote. 2) Erzählung von den Grönländern. 3) Die Leute aus Floi. 4) Die Schwurbrüder.