St. Dino Larese Galler-Sagen-003. |
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St. Galler Sagen
Sagen aus der Stadt St. Gallen
und ihrer Umgebung
Neu erzählt
von
DINO LARESE
Friedrich Reinhardt Verlag, Basel
St. Dino Larese Galler-Sagen-004. |
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Umschlaggestaltung: Fred Müller
Printed in Switzerland
Druck und Einband: Friedrich Reinhardt AG, Basel
1967 by Friedrich Reinhardt Verlag, BaseI
St. Dino Larese Galler-Sagen-007. |
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DER ST. GALLER SPIELMANN
Vom berühmten Arzt Paracelsus berichtete
man allerlei Wunderbares, was er an Heilungen
vollbrachte; aber die merkwürdigste Geschichte
ist doch in St. Gallen geschehen, die
ihn weitherum in den Ruf eines großen Zauberers
brachte.
Es war ein fröhlicher Spielmann, Steucheler
geheißen, der diese Geschichte allen erzählte.
Ob man sie ihm glauben wolle oder nicht,
sagte er; er habe wirklich selber alles am eigenen
Leibe erlebt, sagte er; denn er habe den
Theophrastus vielmals gesehen, wenn er nach
St. Gallen zu seinem Freunde Schobinger kam;
er habe ihn gut gekannt, sagte er, und immer
etwas mit ihm geplaudert, wenn er ihm in einer
Gasse begegnete.
Das erzählenswerte Ereignis aber geschah
an jenem Tag, da die Gesandten der hochwohilöblichen
Orte an ihrer Tagsatzung in
Baden sich zu einem Bankett im Herrengarten
versammelt hatten; denn zufälligerweise
schlenderte zu dieser Stunde der Steucheler,
wie immer gutgelaunt, durch die Gassen der
Stadt und kam zum Multertor, wo er Paracelsus
St. Dino Larese Galler-Sagen-008. |
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im Kreise vornehmer St. Galler Herren
im Gespräch beisammen traf. Wahrscheinlich
sprach man, wie es unter Männern Brauch ist,
von den politischen Fragen der Zeit und natürlich
von der Tagsatzung, und unser Steucheler,
neugierig und ungeniert wie immer,
mischte sich keck ins Gespräch und sagte:
«Heute sollte man in Baden sein, wo die Herren
Gesandten bei gutem Essen und Trinken
sind, da wollte ich ihnen wohl etwas aufspielen
und mir ein rechtes Trinkgeld verdienen. »
«Das sollte doch möglich sein», lächelte
Paracelsus.
Der Steucheler riß die Augen auf: «Möglich?
Baden ist zwanzig Stunden weit weg. »
Paracelsus zwinkerte mit den gescheiten Augen
und lächelte: «Steucheler, geh jetzt heim,
zieh das Sonntagsgewand an und komm mit
der Flöte schnellstens zurück, ein Pferd wird
dann hier sein, das dich so schnell nach Baden
bringen wird, daß du den Herren noch zeitig
genug aufspielen kannst. »
Sollte er den Worten des Paracelsus Glauben
schenken? War es nur ein Spaß? Gut,
dann wollte er kein Spielverderber sein, und
mit übermütigen Sprüngen eilte er heim.
Nach kurzer Zeit erschien er wieder, sonntäglich
aufgeputzt, mit unternehmungslustigem
Gesicht, er hatte sich noch drei Federn
St. Dino Larese Galler-Sagen-009. |
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auf den Hut gesteckt: «So, Herr Doktor, da
bin ich, aber wo ist Ihr berühmtes Pferd? »
«Dort vor dem Tor steht es gesattelt und
gezäumt, sitz auf», sprach Paracelsus, «aber
halt dich fest, und, vor allem, sprich kein einziges
Wort und stoß auch nie einen Schrei aus,
sonst könntest du dir den Hals brechen. Und
nun gute Reise, Steucheler. »
Natürlich begab sich der Steucheler voller
Spannung vor das Tor, und dort erblickte er
wirklich im Schatten das angekündigte Pferd;
es war ein prächtiger Schimmel.
Der Steucheler, nicht faul, voller Unternehmungslust,
band das Pferd los, setzte sich in
den Sattel, und fast hätte er das Wort des großen
Arztes vergessen und vor Schrecken einen
Schrei ausgestoßen; denn das Pferd trabte
nicht, wie er angenommen hatte, auf der Straße
fort, sondern erhob sich wie ein Vogel in die
Lüfte und sauste wie ein Wolkenschiff über die
Stadt weg, so daß er in der Eile ihre Türme
kaum noch erkennen konnte. Der Steucheler
hielt sich krampfhaft am Hals des Pferdes fest,
aber dann wagte er doch langsam und vorsichtig
in die Tiefe zu schauen. Er sah Wälder,
Auen, Flüsse und Seen und manchmal eine
städtische Siedlung, und mit der Zeit schien
ihm der Flug gar gut zu gefallen. Am liebsten
hätte er sogar einen Jauchzer hinausgestoßen,
St. Dino Larese Galler-Sagen-010. |
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aber im letzten Augenblick dachte er an die
Mahnung des Paracelsus, schwieg und jauchzte
mit den Augen und dem Herzen. Er war fast
enttäuscht, als sich das Pferd plötzlich in die
Tiefe gleiten ließ und ihm die Häuser einer
kleinen Stadt entgegenkamen - der Flug hatte
kaum zwanzig Minuten gedauert -, da landete
das Pferd an der Schloßhalde zu Baden.
Der Steucheler stieg vom Pferd, wischte sich
den kleinen Angstschweiß von der Stirne und
blickte jetzt doch etwas bedenklich auf das
seltsame Pferd, das etwas mit den Vorderfüßen
scharrte und dann wie vom Erdboden
verschwunden war. Kopfschüttelnd, als hätte
er in des Teufels Küche gesehen, begab er sich
in den Herrengarten, wo die Gäste versammelt
waren, trat auf die Bühne unter die Musikanten
und spielte nun so vergnügt und selig, als
stände er in St. Gallen auf dem Multerplatz,
daß sich alle an seinem Spiel ergötzten. Plötzlich
erblickte ihn der St. Galler Standesherr,
rieb sich verwundert die Augen, trat zur Bühne
und rief hinauf: «Steucheler, Steucheler, bist
du's oder bist du's nicht? Welcher Teufel hat
dich hergetragen? »
«O ja, Junker, ich bin es wohl», sagte der
Steucheler, «und ich bin auch auf dem leibhaftigen
Teufel geritten, so wahr mir Gott
helfe. »
St. Dino Larese Galler-Sagen-011. |
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Er setzte sich mit dem Gesandten an den
Tisch und erzählte ihm sein seltsames Abenteuer.
«
So einen Schimmel reite ich meiner Lebtage
nicht mehr», sagte er, «wenn es auch
schön war, die Welt von oben zu besehen. »
Nicht nur vom Gesandten bekam er klingende
Münze, wenn auch manche an seiner
Geschichte zweifelten; denn keiner hatte es ja
gesehen, wie er hergeflogen war; aber wenn
der Theophrastus dahinterstand, mußte doch
etwas an der Sache sein; denn der Mann
konnte doch, bei Gott, einiges mehr als andere
Leute, was in vielen Belangen ja auch stimmte;
aber die Geschichte vom Steucheler ging doch
in den Sagenschatz von St. Gallen als kleine
fröhliche Weise ein, die bis in den heutigen Tag
freundlich herüberklingt.
St. Dino Larese Galler-Sagen-012. |
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DER HEILIGE GALLUS
Die Legenden um den heiligen Gallus geben
der Landschaft von St. Gallen einen hellen
Klang. Wir haben gehört, wie er in den Thurgau
gekommen war und dort am See, wie die
Sage berichtet, den schweren Kampf mit dem
Bären bestand. Eine schwere Krankheit verhinderte
es, daß er mit seinen Brüdern weiterwandern
konnte; er blieb in unserm Land, und
als er von der Krankheit genesen war, sagte er
eines Morgens zum Diakon Hiltibold, der das
Land genau kannte: «Ich möchte in dieser
Gegend ein Bethaus und eine Wohnung für
mich bauen, wo ich in der Einsamkeit Gott
dienen kann. Kannst du mir einen Ort zeigen,
der sich dazu eignet? » Der Diakon schüttelte
einige Male den Kopf, als wäre ihm eine schwierige
Aufgabe aufgetragen worden, und er
sagte dann in der Sprache der alten Legende:
«Mein Vater, rauh und voll starker Gewässer
ist diese Wildnis. Hohe Berge und enge Täler
hat sie in Menge und mancherlei Getier, sehr
viele Bären, Wölfe und Wildschweine. Ich
fürchte, sie möchten über dich herfallen, wenn
ich dich dorthin geleite. » Gallus aber antwortete:
St. Dino Larese Galler-Sagen-013. |
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«Ist Gott für uns, wer mag wider uns
sein? » Als der Diakon merkte, daß Gallus entschlossen
war in die Wildnis zu gehen, sagte
er: «Wir wollen morgen in die Wälder gehen,
vielleicht finden wir die taugliche Stelle. » Der
Heilige betete und nahm keine Nahrung zu
sich. In der Morgenfrühe, als die Nebel noch
den See einhüllten, machten sich die beiden
Gefährten auf den Weg und wanderten stundenlang
durch die dichten, dunklen Wälder,
die noch von keines Menschen Fuß betreten
worden waren. Im Laufe des Vormittags
fragte der Diakon, ob sie nichts aus den mitgebrachten
Vorräten essen wollten; aber der
Heilige sagte, bevor er nicht den Platz für seine
Wohnung gefunden habe, wolle er nichts zu
sich nehmen. Sie schritten weiter, bald hörten
sie das Rauschen eines Wassers; als sie näher
kamen, es dunkelte schon langsam, erblickten
sie das Flüßchen Steinach, das über die Felsen
in eine Mulde hinunterstürzte; es war das
Mühletobel; im Wasser aber erspähten sie
viele Fische. Da beschlossen sie, die Nacht an
dieser Stelle zu verbringen. Mit einem Netz
fing der Diakon einige Fische, er suchte Holz
und richtete ein Feuer, um die Fische zu braten.
Währenddem ging der Heilige in die Stille,
abseits, um zu beten. Dabei strauchelte er über
die Wurzeln eines Dornbusches und fiel zu
St. Dino Larese Galler-Sagen-014. |
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Boden. Der Diakon sprang herbei und wollte
ihm behilflich sein, aber der Heilige sprach in
der Sprache des Psalmisten: «Hier soll für immer
meine Ruhestatt sein, hier will ich bleiben,
das ist der auserwählte Ort. » Er kniete nieder
und betete lange. Dann brach er einige Haselruten,
focht aus ihnen ein Kreuz, das er in die
Erde steckte. An dieses schlichte Kreuz hängte
er eine Kapsel, in der er einige Reliquien aufbewahrt
hatte. Auch der Diakon kniete jetzt
nieder, und die beiden Männer beteten inbrünstig.
Der heilige Gallus aber flehte, so
heißt es in der Legende: «Herr Jesu Christ,
der du durch das Siegeszeichen des Kreuzes
dem Menschengeschlecht Heil und Hilfe gebracht
hast, gib, daß diese Gegend zu deinem
Lob und Preis bewohnbar sei. » Dann setzten
sich die Männer ans Feuer und verzehrten ihr
Fischgericht.
In dieser Nacht geschah aber das große
Wunder, an das das Wappen der Stadt St. Gallen
jeden erinnert. Die Männer legten sich zur
Ruhe nieder. Der Heilige aber fand keinen
Schlaf, er kniete vor seinem Kreuz und betete.
Der Diakon setzte sich ans Feuer, stocherte in
den Gluten oder legte wieder etwas Holz hinein.
Da erschrak er plötzlich furchtbar. Es
knackte im Unterholz, als wälzte sich ein Ungetüm
heran. Und aus dem Dunkel brach ein
St. Dino Larese Galler-Sagen-015. |
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Bär hervor, der sich ans Feuer begab, herumschnüffelte
und dann die Reste der Mahlzeit
verschlang. Der Diakon konnte sich vor Angst
kaum mehr bewegen, aber dann sah er mit
Staunen, wie Gallus aufstand, unerschrocken
vor den Bären trat und zu ihm sagte: «Im Namen
Christi, nimm Holz und wirf es ins Feuer.
» Und es war kaum zu glauben, der Bär
drehte sich um, verschwand im Wald und erschien
nach kurzer Zeit wieder, auf den Hinterbeinen
gehend, und trug einen schweren
Holzklotz herbei, den er behutsam ins Feuer
legte. Der Heilige hielt ihm ein Stück Brot hin,
das der Bär, wie es in der Legende steht, behaglich
brummend verzehrte. Dann zeigte der
Heilige mit der Hand das Mühletobel hinauf
und befahl: «Und nun weiche aus diesem Tal.
In der Wildnis der Berge magst du leben, in
diesem Tal darfst du keinem Menschen und
keinem Tier mehr etwas antun. » Der Bär, als
verstände er die Sprache des Heiligen, stutzte
einige Augenblicke, dann kehrte er sich um
und trabte das Mühletobel hinauf und kam
nicht wieder. Der Diakon, von diesem Wunder
angerührt, stand auf und kniete vor den
Heiligen und rief mit erregter Stimme: «Jetzt
weiß ich, daß der Herr mit dir ist; denn die
wilden Bären gehorchen dir!» Der Heilige
nahm ihn an der Hand und sagte schlicht:
St. Dino Larese Galler-Sagen-016. |
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«Ich will nicht, daß du vor mir kniest, sage
auch keinem Menschen etwas von dem, was
du gesehen hast. »
Am andern Morgen wurde der Diakon von
einem neuen Wunder ergriffen. Er ging an den
Wasserstrudel, um mit seinem Netze wieder
einige Fische zu fangen. Da tauchten plötzlich
aus dem Gestrüpp zwei verwegene Frauengestalten
hervor; es waren niemand anders als
die Geister des Mühletobels; sie warfen Steine
gegen den Diakon, schmähten ihn und riefen:
«Warum hast du diesen Menschen hierhergeführt? »
Dabei höhnten sie, schrien Unflätiges,
daß der Diakon zutiefst erschrak und zitternd
zum Heiligen sprang und ihm alles mit zagen
Worten berichtete. Der Heilige sprach ein
langes Gebet, dann schritt er entschlossen zum
Wasserstrudel, vom ängstlichen Diakon gefolgt.
Dort rief er laut, das Rauschen des Wassers
mit seiner mächtigen Stimme übertönend:
«Gespenster, im Namen des dreieinigen Gottes
befehle ich euch, diesen Ort für alle Zeiten
zu verlassen. » Da hob ein Klagen und Heulen
an, wie es der Diakon noch nie so schrecklich
vernommen hatte, aber es verklang langsam
im Dunkel des Waldes. Einige Zeit später, als
der Diakon allein im Walde umherstreifte, rief
eine Stimme vom Berg herab: «Ist Gallus noch
da? » Der Diakon konnte niemanden erkennen,
St. Dino Larese Galler-Sagen-017. |
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da rief er mutig und laut in die Wildnis hinein:
«Ja, er ist da und bleibt da. » Er hörte jetzt ein
Knurren und Winseln, aber dann verstummte
der Lärm, nur die Wasser rauschten in die
Stille hinein.
Eine andere Legende berichtet von den gesegneten
Wassern, die aus den Brunnen fließen,
in deren Nähe der Heilige gerastet hatte.
Er kam auf seiner Wanderung durch den Arboner
Forst zu einer Quelle in der Nähe von
Mörschwil, wo er sich am Wasser erlabte.
Auch an der Straße von St. Margrethen nach
Rheineck rauscht ein Brunnen, aus dem der
Heilige getrunken hatte. Namentlich die Fuhrleute
tränkten ihre Pferde an diesen Brunnen,
weil das Wasser den Tieren besonders bekömmlich
war. Zum Gedächtnis an den Heiligen
nannte man sie Gallenbrunnen. Da und
dort steht noch ein Kreuz oder ein Bildstock
im Land, das an den großen Heiligen erinnert.
Als die Brüder vom Hinschied des Heiligen in
Arbon vernommen hatten, eilten sie zum See
hinunter, um seinen Leichnam ins Steinachtal
heimzuholen. Dabei begegnete ihnen ein Leichenzug.
An dieser Stelle wurde ein Kreuz errichtet,
es ist das Kreuz zu Hofen. Menschen
siedelten sich hier an und nannten sich «von
Hofen ». Das Geschlecht ist ausgestorben, aber
die Gedenkstätte beim Weiler Kappel zeugt
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über alle Zeiten hinaus vom großen Heiligen,
der wie ein ewiges Licht durch das Dunkel der
Sagen leuchtet.
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DIE KLAUSNERIN WIBORADA
Die Geschichte vom Spielmann Steucheler ist
wie das Lied der Lebensfreude und des Unternehmertums
in der Stadt St. Gallen; in den Legenden
von der heiligen Märtyrin Wiborada
widerspiegelt sich gleichsam das geistige und
humane Wesen der Stadt. Die Schutzheilige
St. Gallens, die Wohltäterin ihrer Heimat,
nennt sie Johannes Duft. Sie stammte, so wird
vermutet, aus dem thurgauischen Geschlechte
von Altenklingen. Bischof Salomon brachte
sie nach St. Gallen. Auf der Höhe von St. Georgen
neben der Kirche des heiligen Georg wurde
für die Heilige ein kleines Haus erbaut, aber
sie suchte es selten auf, Tag und Nacht weilte
sie betend und wachend in der Kirche. Ihr
Körper zerfiel, aber ihr Geist leuchtete durch
das Dunkel der Zeit. Um Gott und seiner
Liebe näher zu sein, um dem Irdischen noch
mehr entsagen zu können, ließ sie sich vier
Jahre später in eine Klause einschließen, die
an der nordöstlichen Ecke der von Salomon
erbauten St. Magnus-Kirche sich befand. Die
Klause hatte keine Türe, nur durch ein Fensterchen
konnte die Klausnerin mit der Außenwelt
St. Dino Larese Galler-Sagen-020. |
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verkehren. Sie kleidete sich in ein aus
Tierhaaren geflochtenes, rauhes Gewand, statt
einem Gürtel trug sie eine eiserne Bußkette auf
dem Leibe. Sie diente nun Gott durch Entsagung,
Verzicht und letzte Hingabe. Ihr erleuchteter
Geist spendete Trost und Rat für
das ganze Land, und ihr Name «Wiborada »,
«Wiber-Rat », bekam eine besondere Bedeutung.
Mit ihrem Opfertod gab sie ein herrliches
Beispiel christlicher Frömmigkeit, sie rettete
damit nicht nur die Menschen, sondern
auch das Kloster und seine einzigartigen Bücherschätze
vor den hereinbrechenden Ungarn.
Der St. Galler Mönch Hartmann berichtet, daß
sie den Einbruch der Ungarn und ihren Märtyrertod
vorausgeahnt habe. Sie sah in ihrem
Traumgesicht die wilden Horden, die ungefähr
ein Jahr später wirklich bis nach St. Gallen
vorstießen und auf ihrem Wege alles verwüsteten,
brandschatzten, wo nur ein Haus stand,
viele Menschen erschlugen und Angst und
Schrecken verbreiteten. Als am Bodensee die
Feuer schon von weitem ihr Nahen ankündigten,
baute Abt Engilbert in der Nähe des Klosters
eine kleine Festung, in die sich die Mönche
zurückzogen. Man wollte auch die Klausnerin
in diese Zufluchtstätte führen, aber sie
weigerte sich; als der Abt sie unter Tränen
bat, sich zu retten vor den herannahenden
St. Dino Larese Galler-Sagen-021. |
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Heiden, sagte sie: «Warum, ehrwürdiger Vater,
bereitest du mir solche Traurigkeit? Warum
willst du die letzte kleine Spanne meiner
Drangsal vor der Erfüllung hindern? Wenn
der Herr mein Helfer ist, so kann mein fester
Entschluß nicht wanken, ich werde diese kleine
Klause, die mir Gottes Güte gegeben hat, lebendigen
Leibes nicht verlassen. » Sie gab ihm
noch manchen guten Rat, alsdann blieb sie
allein in ihrer Klause. Es dauerte nicht lange,
da sprengten die Ungarn heran. Ein rasender
Kerl legte Feuer, sie wollten die Klause verbrennen,
aber Gottes Wille erstickte den Brand.
Als die Ungarn keinen Zugang zur Klause finden
konnten, stiegen sie aufs Dach, rissen es
auf und drangen in die heilige Stätte. Wiborada
kniete vor ihrem kleinen Altar; die heidnischen
Kerle zerrten ihr die Kleider vom Leibe, hie
ben mit ihren Beilen auf sie ein und ließen die
halbtote Jungfrau liegen. Hartmann erzählt:
Das Blut floß in Strömen und überflutete ihr
Bußgewand. Sogar die Mauer ihrer Zelle
wurde mit Blutspritzern übergossen und blieb
so während langer Zeit allen Besuchern ein
Zeugnis für das Martyrium der heiligen Jungfrau.
Auf keine Art, selbst nicht durch unvermischten
Kalk, den man häufig darüber tünchte,
konnte das Blut getilgt oder verdeckt werden.
St. Dino Larese Galler-Sagen-022. |
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Als die Ungarn abgezogen waren und die
Mönche zurückkehrten, fanden sie die tote
Märtyrin. Sie verrichteten ihre Totengebete
und legten die Klausnerin in das Grab zu Sankt
Mangen. Viele Wunder geschahen an dieser
Stätte, und Hartmann erzählt, daß eines Nachts
eine treue Dienerin an ihr Grab gehen wollte,
um zu beten. Da sah sie im Innern ein strahlend
helles Licht, das alles taghell erleuchtete.
Die Dienerin wagte nicht weiterzugehen,
kniete nieder und betete inbrünstig und lobte
den Herrn.
Papst Clemens II. aber, so berichtet Johannes
Duft, reihte sie in das Verzeichnis der
Heiligen ein, sie war die erste Heilige in den
deutschen Landen.
St. Dino Larese Galler-Sagen-023. |
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SALVE REGINA
Die Burg Wilberg bei Wil ist schon längst verschwunden,
nicht einmal ein Stein zeigt den
Ort, wo sie gestanden war, und auch die Erinnerung
an die Bewohner der Burg wäre aus
dem Gedächtnis ausgelöscht, wenn nicht C. G.
J. Sailer diese stille schöne Legende in seiner
Chronik aufgezeichnet hätte.
Als Ritter Hans von Wilberg, ein furchtloser
Kämpfer, sich bereitmachte, um in der Schlacht
von Näfels mitzustreiten, bat ihn seine einzige
Tochter Gutta, von bangen Ahnungen erfüllt,
mit bewegten Worten, diesmal auf den Kampf
zu verzichten und zu Hause zu bleiben. Aber
der Ritter hätte sich einen Feigling gescholten,
wenn er dem Weinen einer Frau nachgegeben
hätte. Er nahm Abschied und zog guten Mutes
ins Glarnerland, seine Tochter in Unruhe,
Sorge und Angst um den geliebten Vater
zurücklassend. Jeden Abend nun, wenn die
Glocke in der Kirche von Wil geläutet wurde,
betete Gutta zur Himmelskönigin und erflehte
Schutz und glückliche Heimkehr für ihren
Vater.
Eines Abends geschah das Denkwürdige,
St. Dino Larese Galler-Sagen-024. |
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daß die Glocke von selber zu läuten begann.
Der Küster blickte verwundert und auch angstvoll
zum Glockenturm hinauf; oben im Schloß
aber sprang plötzlich das Tor auf, der Ritter
sprengte wie eine Erscheinung hinein, totenbleich
und mit einer klaffenden Wunde; er
sagte kein Wort, hielt nur die Hand segnend
über das Haupt der Tochter und verschwand
dann wieder wie ein böser Traum. Da wußte
Gutta, daß ihre Ahnung sie nicht betrogen hatte
und ihr unglücklicher Vater in der Schlacht
gefallen war.
Sie ging in ihrem Leide hin und vermachte
ihr ganzes Besitztum der Kirche Wil. Als einzige
Bedingung verlangte sie, daß jeden Abend
um sechs Uhr die Glocke geläutet und ein
Salve Regina zum Gedächtnis an ihren Vater
gesungen werde. Das wurde auch durch viele
Jahre treulich gehalten. Der Küster läutete jeweils
die Glocken so lange, bis die schwergeprüfte
Tochter die Kirche betrat. Dann
schwieg das Geläute, und das Salve Regina
wurde mit Inbrunst gesungen. Eines Abends
aber läutete der Küster vergebens lange über
die gewohnte Zeit hinaus, das Schloßfräulein
erschien nicht in der Kirche. Es war zur gleichen
Stunde gestorben, und die Salveglocke
war, wie es in der Legende heißt, zu seinem
Sterbeglöcklein geworden. Die Legende aber
St. Dino Larese Galler-Sagen-025. |
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von der frommen Gutta klingt wie ein seliger
Glockenton zeitlos aus den vergilbten Blättern
des Wiler Chronisten.
St. Dino Larese Galler-Sagen-026. |
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DIE ERSTE MESSE
Vor vielen Jahren konnte man noch in der Peterskirche
zu Wil den Grabstein über der Gruft
des Ritters Ulrich Muntprat sehen; bei der Erweiterung
der Kirche wurde der Gedenkstein
aber weggeräumt, und so ist nur noch in der
Sage das seltsame Geschehnis lebendig, das
ums Jahr 1466 die Menschen zutiefst erregte
und beschäftigte. Ritter Ulrich war nämlich
mit Kunigunde, der Schenkin von Landegg,
verlobt gewesen, ließ sie aber mit ihrem unehelichen
Sohn treulos sitzen. In ihrer Herzensnot
und Verlassenheit stiftete sie in Wil
eine Kaplanei, die ihr Sohn, der sich dem geistlichen
Stande weihte, als erster Priester versah.
Es kam nun der hohe Tag heran, da er in der
Peterskirche seine erste Messe lesen sollte. Viel
Volk war gekommen, Erwartung und gläubige
Hingabe auf den Gesichtern; zuvorderst in der
Kirche saß seine Mutter, die mit Freude und
Stolz den feierlichen Handlungen ihres Sohnes
folgte, aber in diesen Augenblicken wohl auch
an die vielen Leidensstunden dachte, da sie als
verlassene Braut Unehre und Schande erlitten
hatte. Der Sohn aber wandte sich mit inniger
St. Dino Larese Galler-Sagen-027. |
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arpa
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Bitte an Gott, er möge ihm doch in dieser
Stunde diesen einzigen Wunsch erfüllen und
seiner Mutter jene Frauenehre wiedergeben,
die sie schuldlos verloren hatte.
Da erschütterte ein Beben die Kirche, und
die Menschen sahen mit Entsetzen und ungläubigem
Staunen, wie der Grabstein über
der Gruft des Ritters Ulrich Muntprat wie von
unsichtbarer Hand weggeschoben wurde; aus
der Gruft aber stieg der Ritter, trat vor seine
einstige Braut und reichte ihr die Hand. Es
war, als ginge ein Zittern durch alle Herzen,
als die beiden Menschen vor den jungen Priester
hinknieten, der den Ehebund seiner Eltern
mit strahlenden Augen segnete. Leise
läuteten die Glocken, als hätte ein Engel daran
gerührt. Ritter Muntprat führte seine Frau an
ihren Platz zurück, neigte das Haupt, und es
war, als schritte er nun leichter, wie von einer
schweren Last befreit, zurück zu seiner Gruft.
Als die Messe zu Ende ging, saß die Braut
tot in ihrem Stuhl, das späte Glück war zuviel
für ihr Herz gewesen, aber über dem leidgezeichneten
Gesicht lag ein überirdischer Glanz.
Man trug die tote Frau in die offengebliebene
Gruft ihres Mannes Ulrich Muntprat,
dann legte sich der Stein wie von selbst wieder,
so erzählt die Sage, über die Gruft, die
Leute aber gingen bewegt nach Hause und
St. Dino Larese Galler-Sagen-028. |
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sprachen vom Wunder in der Peterskirche und
von der Güte Gottes und priesen seine Allmacht
und seine Herrlichkeit.
St. Dino Larese Galler-Sagen-029. |
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DIE KIENBERGER KETTE
Als Hauptmann Kienberger nach jahrelanger
Abwesenheit in seine Vaterstadt Wil zurückkehrte,
erwartete ihn eine begeisterte Bürgerschaft;
denn der gute Ruf, den er sich im Kriege
gegen die Türken erworben hatte, und die Gerüchte
über die Auszeichnungen der Stadt Venedig,
in deren Dienst er gestanden hatte, waren
seiner Heimkehr vorausgeeilt und hatten den
Rat veranlaßt, ihm einen ehrenden Empfang zu
bereiten. Namentlich von der goldenen Kette,
die ihm die Stadt Venedig geschenkt hatte,
wurden Wunderdinge erzählt. Es gab ein
strahlendes Festmahl, alle führenden Wiler Bürger,
die Verwandten und Bekannten, waren
zusammengekommen, und aus mancher Reihe
klang der Stolz der Vaterstadt. Hauptmann
Kienberger erzählte den staunenden Gästen
von seinen Erlebnissen und Abenteuern im
Orient und ließ die goldene Kette herumreichen;
jeder betastete sie ehrfürchtig, wog sie in
der Hand und bestaunte ihren Glanz, ihre Verzierungen
und die Reinheit des Goldes.
War es der Wein, der die Zungen löste, man
wußte es nicht - denn plötzlich rief der ältere
St. Dino Larese Galler-Sagen-030. |
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Bruder von Hauptmann Kienberger, diese
Kette werde er einmal erben, das sei eine gewisse
Sache, da gebe es nichts daran zu deuteln,
und weiß der Himmel, was er noch alles sagte,
um seinen Erbanspruch zu bekräftigen. Aber
da sprang der jüngere Bruder des Kienbergers
auf und wehrte sich: «Nein, nein, nach altem
Recht bekommte ich Schild und Speer», also
alle militärischen Ehrenzeichen, und darum gehöre
ihm auch die goldene Kette. Und die Brüder
standen sich vor den empörten Gästen
zornbebend, mit gierigen Augen und rotglühenden
Wangen gegenüber.
Hauptmann Kienberger schüttelte einige
Male wie enttäuscht den Kopf, als könnte er
solche menschliche Schwäche und Bösartigkeit
nicht verstehen, dann nahm er die goldene Kette
in die Hand und sagte leise, aber deutlich
und bestimmt, daß alle es genau hörten: «Keiner
von meinen Brüdern wird diese Kette erhalten.
Auch ich verzichte in diesem Augenblick
auf ihren Besitz; ich weihe sie Gott, in
dessen Dienst ich sie mit meinem Schwerte erworben
habe. Das ist mein letztes Wort. »
Er setzte sich; alle schwiegen, die beiden
streitenden Brüder senkten die Köpfe, beschämt,
reuevoll; aber da war nichts mehr zu
ändern. Am andern Tag brachte Hauptmann
Kienberger die Kette selber zur Kirche. Sie
St. Dino Larese Galler-Sagen-031. |
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schmückte später die goldene Monstranz, und
wenn sie im Kerzenlicht aufleuchtete, erinnerten
sich die Wiler ihres berühmten Hauptmannes
und waren in diesen Augenblicken, so nehmen
wir es doch an, in besonderem Maße stolz
auf ihren großen Bürger.
St. Dino Larese Galler-Sagen-032. |
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DIE WEISSAGUNG VOM BREITFELD
Manche Sage erzählt kaum ein Geschehnis,
aber sie ist von dunklen Weissagungen erfüllt.
Und das Wörtchen «wenn» wird dann oft von
den Wissenden mit bedeutungsvoller Miene
gesagt. So fand in ganz früherer Zeit einmal
auf dem Breitfelde eine große Schlacht statt.
Keiner weiß mehr, wer da gekämpft hatte, so
geht es oft mit den Kriegen. Aber wie nun das
Gerücht meldete, wurden von unbekannter
Hand nach der Schlacht einige eiserne Stangen
und ein grünes Bäumchen in der Erde vergraben.
Das Bäumchen trieb immer wieder seine
Schößlinge heraus, aber sie wurden jeweils abgehauen.
Und nun spricht die Weissagung,
wenn es einem solchen Schößling gelinge, ungehindert
zu wachsen, und wenn er so groß
geworden sei, daß ein Offizier aufrecht unter
ihm stehen könne, und wenn zu gleicher Zeit
die eisernen Stangen durch die Pflugschar ans
Tageslicht gebracht würden, dann erfülle sich
das irdische Schicksal der Menschen, zumindest
der hiesigen Menschen. Denn dann werde
wieder eine furchtbare Schlacht geschlagen
werden, und dabei werde so viel Blut fließen,
St. Dino Larese Galler-Sagen-033. |
Flip
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arpa
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daß der Müller in der Kräzern-Mühle seinen
Weizen mit Blut statt mit Wasser mahlen werde.
Und während der Schlacht werde sich ein
in früherer Zeit entstandener Riß in der Mauer
der Bildkapelle von selber schließen. Zugleich
falle das über der Sitter hängende Häuschen
beim Drachenloch in St. Josephen in die Fluten
hinunter. Diese Geschehnisse seien ein blutiges
Zeichen für den Untergang der Welt, der Antichrist
werde kommen, und aus den Blumen
fließe Blut. Dieses alles geschieht aber nur
dann, so kündet die Weissagung, wenn der
Offizier in dem Augenblick unter dem Bäumchen
steht, wenn die Pflugschar die Eisenstangen
ausgräbt. Und dabei könnte es doch sein,
daß der Riß in der Bildkapelle vorher geflickt
würde, und daß das Häuschen über der Sitter
schon längst verschwunden ist. So geht es oft
mit den Weissagungen aus der alten Zeit, man
muß zu lange auf die Erfüllung warten, zum
guten Glück.
St. Dino Larese Galler-Sagen-034. |
Flip
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arpa
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VERSCHWUNDENE SIEDLUNGEN
Auch in unserer Gegend wird von verschwundenen
Dörfern und Städten berichtet, die man
nicht einmal in der Geschichte mehr kennt und
deren trauriges Schicksal nur in den Sagen weiterlebt.
So wurde das alte Dorf Abtwil in einer
wilden Sturmnacht durch eine riesige Erdmasse,
die sich oben am Hange löste, in die
Tiefe heruntergerissen und unter dem Schutt
und Geröll vergraben. Man findet jetzt noch
Wurzeln und Baumstämme in der Erde, die aus
der damaligen Zeit stammen müssen, man fand
auch an jener Stelle, wo die Gemeindestraße
bei der Handlung von Fritz Kohler vorbeiführt,
Mauerreste, aber niemand war da, der
etwas Genaueres wußte; alte Abtwiler sagen
nur, daß man bei genauerem Hinhorchen oft
ein Glöcklein aus der Erde himmeln höre, aber
niemand will es natürlich wahrhaben, daß die
Häuser damals wegen einer Untat zur Strafe
versanken. Das darf man aber bei jener versunkenen
Stadt im Hudelmoos bei Muolen ungestraft
tun, denn niemand ist mehr da, der das
Gegenteil behaupten könnte. Wo jetzt das weite
stille Moor mit seinen Birken, dem flüsternden
St. Dino Larese Galler-Sagen-035. |
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arpa
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Riedgras und dem sommerlichen Froschgequake
in der Einsamkeit liegt, stand einst
eine schöne Stadt; die Menschen aber in dieser
Stadt lebten ein sündiges Dasein, scherten sich
nicht um das Gute, und viel Schlimmes wurde
ihnen nachgesagt. In einer fürchterlichen
Sturmnacht versank die Stadt mit Häusern,
Türmen und Menschen unauffindbar im Boden.
Das war die gerechte Strafe für begangene
Untaten, berichtet die Sage. Als Buben strichen
wir durchs Moor, suchten die Rohrkolben und
legten auch das Ohr auf die braune Torferde
und lauschten gespannt, weil uns die alten Leute
in Hagenwil erzählt hatten, man höre zuweilen
die Glocken der versunkenen Stadt aus
der Tiefe heraufdringen. Und am Abend kehrten
wir ins Dorf zurück und berichteten den
andern, ob sie's glauben wollten oder nicht, wir
hätten die Glocken ganz deutlich gehört.
St. Dino Larese Galler-Sagen-036. |
Flip
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arpa
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DER STURZ DER RAMSWAG
Auf schroffen, steilen Felsen, fast senkrecht
über der Sitter, steht die Ruine Ramswag. Ich
kann mich noch gut an meine Bubentage erinnern,
da wir im alten Gemäuer der Ruine herumkletterten,
hoch in den Turm hinaufstiegen
und zum glitzernden Fluß herunterblickten,
über die nächsten Tannen und Wälder weg,
über blaue Waldberge, versteckte Kirchlein bis
zum Schneegebirge hin. Ich weiß noch von jenen
Tagen, da wir vergeblich nach dem sagenhaften
unterirdischen Gange suchten, später
dann auf einem freien Platze des verschütteten
Burghofes ums Feuer saßen, die ersten Kartoffeln
brieten und mit den Bauernbuben plauderten,
die von den Wiesen kamen, wo sie ihre
Kühe ruhig eine Weile ohne Aufsicht lassen
konnten. Wir rauchten heimlicherweise die
«Nielen », dieses bissige Kraut, das sich an den
Bäumen emporrankte, und kamen uns dann
wie richtige Männer vor. Einmal aber kam ein
Bauernbub und brachte eine seltsame Sage vor,
die er uns mit geheimnisvollen Gebärden erzählte,
wobei er fest beteuerte, daß sie wahr sei.
Man könne darüber in alten Büchern lesen.
St. Dino Larese Galler-Sagen-037. |
Flip
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arpa
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Vor vielen Jahren war die Ramswag eine
stolze, prächtige Burg, die das ganze Tal beherrschte.
Die Herren der Ramswag aber waren
gefürchtet, denn sie quälten die Bauern des
Landes, trieben sie zu Fronarbeiten an, saugten
Gut und Geld aus ihnen heraus und sperrten
die Widerspenstigen in die tiefen, dunklen
Burgverliese. Besonders einer dieser Ritter
kannte kein Maß und keine Grenzen. Seine
Frau war schon in jungen Jahren gestorben,
und er besaß nur eine Tochter. Mit seinen
Knechten und Jägern zog er zur Jagdzeit tagtäglich
in die nahen Wälder zur Jagd. Es machte
ihm dabei nichts aus, den Bauern quer über
die Felder zu reiten und ihnen die Saat zu zerstampfen.
Grimmig blickte er drein mit seinen
Augen. Wenn ein Kind dem Ritter begegnete,
verzog es sich scheu und zitternd ins nächste
Gebüsch. Seine Tochter lebte auf ähnliche Art,
und für seine Knechte war es ein besonderes
Vergnügen, die Bauern zu foppen und zu
quälen.
Mit goldenen Kugeln und goldenen Kegeln
spielten sie jeweils im Schloßhof und höhnten
über die Armut der Bauern. In ihren ärmlichen
Hütten kamen die Talleute oft in nächtlicher
Stunde zusammen und klagten einander ihre
Not. Sie grollten, ballten im Versteckten ihre
Fäuste und drohten den Schloßleuten Vergeltung.
St. Dino Larese Galler-Sagen-038. |
Flip
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arpa
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Nun geschah es, daß sich die Tochter
des Ramswagritters mit einem Ritter vom Bodensee
vermählen sollte. Es war gerade Erntezeit.
Aber da wurde keine Rücksicht auf die
Bauern und ihre drängende Arbeit genommen.
Sie mußten Hacke und Sichel liegenlassen und
zur Burg hinaufsteigen, wo sie alle Räume zur
Hochzeit richten sollten. Sie mußten mit den
Jägern in die Wälder ziehen und das erlegte
Wild zur Burg tragen. In dieser Zeit stürmte
ein Unwetter übers Land und zerstörte die
Frucht auf den Feldern, die die Bauern sonst
längst in Sicherheit gebracht hätten. Ohnmächtig
mußten sie zusehen, wie die strenge Arbeit
langer Frühlings- und Sommermonate in kurzer
Zeit zunichte wurde. Da murrten sie vor
sich hin, ihre flammenden Augen verrieten Ungutes,
die versteckte Wut brach aus ihren Herzen
wie ein Feuer hervor und trieb sie zur Tat.
Das Unheil zog sich über der Burg zusammen.
Es war am Hochzeitstag. Die Ritter und Knechte
verließen die Burg unter den fröhlichen Klängen
ihrer Jagdhörner, begleitet von bellenden
Hunden. Sie veranstalteten zur Feier des Tages
eine Jagd. Sie jagten den Burgweg hinunter in
die Wälder hinein. In der Nähe der Burg aber,
versteckt hinter Gebüschen und Felsen, lauerten
die aufgebrachten Bauern. Sie hielten Axte
und Grabwerkzeuge in ihren Händen. Sie
St. Dino Larese Galler-Sagen-039. |
Flip
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arpa
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lauschten, bis die Rufe der Jäger verhallten und
die Hörner ferner und ferner erklangen. Dann
schlichen sie hervor aus ihren Verstecken und
sammelten sich am Fuße der Burg. Dort schlugen
sie hastig die herausragenden Gebüsche
weg, wühlten im Gestein, gruben und brachen
Felsstücke hinaus, die in die Sitter hinunterpolterten.
Sie arbeiteten in Erregung, schweigend,
nur manchmal lachte einer grimmig auf:
«Heute nacht, das gibt ein lustiges Fest! » Der
Abend dämmerte herein, und die Schatten stiegen
aus dem Sittertal, als die Bauern die Arbeit
beendet hatten.
Die Bauern hatten ein großes Stück Felsen
weggehauen und die Burg teilweise unterhöhlt.
Sie versteckten sich in den Büschen und warteten
auf ihre Stunde.
Ziemlich spät kehrten die Ritter und ihr Gesinde
mit reicher Beute heim. Sie johlten und
waren guter Dinge und freuten sich auf das
abendliche Fest.
Bald flackerten die Lichter in der Burg auf,
Bratendürfte zogen herüber.
Im großen Rittersaal, unter dem gerade der
Felsen fehlte, den die Bauern herausgeschlagen
hatten und der nun fast frei hinaushing, wurde
getafelt. Es ging hoch her und zu, mancher
Jauchzer stieg empor, es wurde gelacht und
den guten Dingen auf dem weiten Tisch fleißig
St. Dino Larese Galler-Sagen-040. |
Flip
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arpa
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zugesprochen. Dann begann der Tanz. Fahrende
Spielleute spielten auf. Keiner aber hörte
das heimliche Knacken unter seinen Füßen;
keiner fühlte, wie sich der Saal langsam senkte.
Die Bauern konnten es vor Aufregung fast
nicht mehr aushalten. Jeden Augenblick mußte
es geschehen und ihnen die Freiheit bringen.
Schrie ein Uhu im Wald? Wie die Sitter aus
der Tiefe herausrauschte! Da -auf einmal barst
der Boden des Saales - brach krachend auseinander,
und mit verzweifeltem Geschrei
stürzten die Burgleute in die Tiefe hinunter.
Ein Dröhnen und Krachen; Steine und Mauern
polterten nach. Die Sitter schäumte auf.
Dann wurde es still, unheimlich still. Nur die
Sitter rauschte friedlich wie immer, und ein
Wind erhob sich in den dunklen, schwarzen
Bäumen.
Die Bauern stürzten aus ihren Verstecken
hervor, erbrachen sich den Eingang in die
Burg, überwältigten die vom Schrecken wie
gelähmten Knechte und Mägde und zertrümmerten
die Burg. Bald lohte eine Flamme hell
über den Wald. Drunten im Tal traten die Mütter
vor die Hütten und dankten für die Errettung
aus der Knechtschaft. Das war der Sturz
der Ramswag.
In schweren, schaurigen Sturmnächten geistern
die toten Burgherren um die Ruinen herum.
St. Dino Larese Galler-Sagen-041. |
Flip
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arpa
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Sie holen das goldene Kegelspiel hervor,
und dann hört man bis weit unten im Tal das
Kollern der Kugeln, das Fallen der Kegel und
das trostlose Ächzen und Weinen der Burggeister.
So erzählte der Bauernbub damals vor vielen
Jahren, als wir im Schloßhof ums Feuer saßen.
Wir lauschten mit angehaltenem Atem, und als
wir heimwanderten, schien es uns, die Ruine
schaue uns nach wie ein uralter, grauer, strenger
Mann.
St. Dino Larese Galler-Sagen-042. |
Flip
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arpa
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DAS GOLDENE KEGELSPIEL
Sinnbild des Reichtums bildete in den Sagen
oft das goldene Kegeispiel. Mancher hörte davon
und versuchte den verborgenen Schatz zu
holen; aber von keinem hat man vernommen,
daß er ihn gefunden hätte. Denn eine solche
Schatzsuche war immer ein gefährliches Abenteuer.
Man weiß, daß in einer Höhle in der
Nähe der Martinsbrücke ein goldenes Kegelspiel
verborgen ist. In früheren Zeiten stiegen
manche in die Höhle, aber keiner kam mehr
heraus. Als eine Frau nachts über die Brücke
schritt, schlich ihr eine schwarze Katze nach;
manche sagten auch, ein schwarzer Mann habe
sie bis zum Bildstock bei Eggersriet verfolgt.
Was für eine Bewandtnis es mit diesem Kegelspiel
hat, weiß man nicht, dafür ist man über
das goldene Kegelspiel von der Burg Ätschberg
genauer im Bild.
Bei munterm Becherklang wurde hier mit
den goldenen Kegeln gespielt, die Bauern hörten
bis in ihre Häuser hinein das helle Klingen
und schüttelten leise die Köpfe. Der letzte
Burgherr hatte seine besondere Freude an diesem
Spiel, und wenn Gäste kamen, nahm er es
St. Dino Larese Galler-Sagen-043. |
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arpa
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hervor und ergötzte sich daran. Seine einzige,
schöne Tochter schenkte den Wein ein, und
die Feste auf der Burg Ätschberg leuchteten
lange in der Erinnerung der Gäste, die dabeigewesen
waren. Öfter erschien auch ein junger
Mann in der Burg, dem neben der schönen
Tochter vor allem der Reichtum der Burg in
die Augen stach. Er machte verliebte Augen,
und als er um die Tochter warb, glaubte man
seinen Beteuerungen, und es gab eine freundliche
Hochzeit. Aber bald mußte der alte Vater
erkennen, wie unglücklich seine Tochter verheiratet
war; in seinem Unmut und in seinem
Schmerz versorgte er das goldene Kegelspiel
in einer schwarzen Truhe, und von der Burg
herunter hörte man von nun an kein frohes Lachen
und kein helles Klingen mehr. Als der
Ritter sein Ende nahen fühlte, nahm er das
Spiel und verbarg es in einem unterirdischen,
fast unzugänglichen und nur ihm bekannten
Gewölbe. Dort verfluchte er das Spiel, das kein
Glück, sondern nur ein trauriges Los für seine
Tochter gebracht hatte; er verfluchte es, damit
es kein Mensch mehr finden konnte.
Viele Jahre später versuchten verwegene
Schatzgräber in di... zerfallene Burg einzudringen,
um das sagenhafte Spiel zu finden. Sie
stießen dabei auf einen eisernen Deckel, den
sie mit großer Mühe heben konnten. Sie blickten
St. Dino Larese Galler-Sagen-044. |
Flip
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arpa
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in eine finstere Höhle. Da holten sie eine
Leiter mit fünfundzwanzig Sprossen und ließen
sie in die Tiefe hinunter. Aber sie kamen auf
keinen Grund; da überwältigte sie die Angst,
sie legten den Deckel wieder über die Höhle,
und da sie keinem Menschen etwas davon sagten,
wußte bald niemand mehr von dem Geheimnis
auf der Burg Ätschberg.
St. Dino Larese Galler-Sagen-045. |
Flip
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arpa
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DER UNGLAUBLICHE SCHUSS
Aus der alten Zeit hat Gustav Schwab eine
seltsame Sage aufgezeichnet, die von einem gefährlichen
Ritter auf der Burg Steinach berichtet,
der durch ein unglaubliches Ereignis sein
Leben lassen mußte. Er war einer jener gefürchteten
Ritter, die mit den Menschen umsprangen,
wie sie wollten. Der Ritter von Steinach
war ein Ausbund an Schlechtigkeit und
Grausamkeit, ein Bösewicht, wie er im Buche
steht, der seine Leute erbarmungslos peinigte.
Seine Maßlosigkeit erreichte den Höhepunkt,
als er mit den Herren auf Schloß Wartensee in
eine bittere Fehde geriet. Da schonte er niemanden
mehr, er zerstörte die Höfe und Dörfer
seines Widersachers, erschlug die Menschen,
wo er sie traf; und kein Ende dieses grausamen
Schicksals zeichnete sich ab, denn dem Ritter
von Steinach war nicht beizukommen. Er verschanzte
sich auf seiner unzugänglichen Burg,
zog die Fallbrücke hoch, verriegelte das schwere
Tor und ließ abgerichtete Bluthunde den
Mauern entlang streifen, die jeden Zudringling
zerfleischten. Jeder gelegten Falle wich er geschickt
aus, und es war ein großes Fürchten
St. Dino Larese Galler-Sagen-046. |
Flip
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arpa
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und Wehklagen in dieser Zeit im Land am See.
Der Ritter von Wartensee zerbrach sich den
Kopf mit Gedanken, wie er seinen Feind erledigen
konnte. Da spielte ihm der Zufall jenes
Mittel zu, das zu diesem einmaligen Ereignis
in der Sagenwelt führen sollte. Er gewann das
Vertrauen einer Magd, die auf der Burg Steinach
diente. Wer weiß, was sie unter ihrem
grausamen Herrn erleiden mußte, und sie hoffte
wohl auf eine Erlösung aus diesen Banden des
Schreckens.
Der Herr von Steinach hatte die Gewohnheit,
in jenem Raum seiner Burg zu essen, der
von Wartensee aus gut gesehen werden konnte.
Das Mädchen sollte nun das Fenster offen
halten und mit einem weißen Tuch winken,
wenn der Ritter am Tische saß.
Dies geschah nun an einem hellen Mittag.
Das weiße Tuch flatterte im Wind, und das
Unglaubliche trat ein. Es muß ein sagenhafter
Meisterschütze gewesen sein, der das Ziel aus
so großer Entfernung so genau traf, denn der
Pfeil schwirrte durchs offene Fenster, und zwar
mit einer solchen Gewalt, daß er den Bösewicht
durchbohrte und an der gegenüberliegenden
Wand steckenblieb.
Das war das Ende des letzten Ritters von
Steinach. Sein Blut aber, so erzählt die Sage,
konnte man, solange die Burg stand, mit aller
St. Dino Larese Galler-Sagen-047. |
Flip
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arpa
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Mühe nicht mehr vom Tisch und vom Fußboden
wegwaschen - wie ein dunkles Mahnmal
zeugte es von Grausamkeit und Willkür.
St. Dino Larese Galler-Sagen-048. |
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arpa
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DER BÖSE GEIST AUF
ST. ANNASCHLOSS
Wie eine alte Sage zu erzählen weiß, hatte auch
das St. Annaschloß am Rorschacherberg seinen
bösen Geist, der Unruhe und Angst verbreitete
und nächtlicherweile, wenn er lautlos durch
die Gänge glitt, manchen fast zu Tode erschreckte.
Sogar in der Nachbarschaft des
Schlosses war ein gefährliches Leben; denn da
hausten die Kröten, die tagsüber wohl still und
verborgen im Laube hockten, nachts aber als
Unholdinnen herumstrichen, ja man sagte von
ihnen, sie besäßen die Macht, wilde Wetter
über die Gegend hereinbrechen zu lassen.
Der böse Schloßgeist aber war niemand anders
als der ehemalige grausame Vogt, der
nach einem schaurig geführten Leben keine
Ruhe im Grabe fand. Man erzählte dunkle Taten
von ihm, die so schrecklich waren, daß
man sie gar nicht aufzeichnen mochte, und so
lebten sie nur als Greuelmärchen im Gemunkel
der Leute weiter. So wird berichtet, daß er
einmal zwei Menschen im tiefen, feuchten Verliese
gefangensetzte und sie ohne Nahrung einem
grausamen Hungertode preisgab. Während
der eine starb, konnte der andere Gefangene
St. Dino Larese Galler-Sagen-049. |
Flip
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arpa
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sein Leben länger fristen, weil eine
mitleidige Dienerin heimlich des Nachts in sein
Verlies schlich und ihm zu essen gab. Der mißtrauische
Vogt aber lauerte ihr auf, erwischte
sie und sperrte sie wutentbrannt in das gleiche
Gefängnis, wo die beiden elendiglich verhungerten.
Als nun der Vogt das Zeitliche segnete,
fand er die Ruhe nicht und irrte zur Strafe als
böser Geist durch das Schloß. Und es wäre
wohl immer so geblieben, wenn man nicht die
kleine, der heiligen Anna geweihte Kapelle gebaut
hätte, die auch dem Schlosse den Namen
gab. Der gute Geist der Heiligen war die stärkere
Macht, die Ruhe kehrte im Schlosse ein,
sie verbannte auch die Kröten und schützte die
Fluren vor Unwetter und Not. Die jungen
Mädchen aber, die vor einer Heirat standen
oder sich sehnlichst einen Mann wünschten,
wallfahrteten gerne zur Heiligen ins Schloß
und erbaten ihre Fürbitte; denn die Heilige
hatte die Gnade, glückliche Ehen zu stiften.
Es wird gesagt, daß die Mädchen dabei ein
besonderes Sprüchlein in ihr Gebet einschlossen,
und die Heilige habe dabei für die, die das
sehen konnten, schelmisch gelächelt; es hieß:
| Heiligi St. Anna,
Gib aline Meith Manne,
Mir aber zerschte,
J plangere am merschte. |
St. Dino Larese Galler-Sagen-050. |
Flip
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arpa
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DAS GESPENST VON ABTWIL
Es gab noch ein Gespenst in Abtwil, sagte mir
Walter Beeler, aber das haben die Menschen
selber herbeigerufen. In jener Zeit kamen einige
Geheimnistuer im Hause zum «Spital»
bei nächtlicher Stunde zusammen, wo sie die
Geister herbeiriefen. Sie setzten sich beim
flackernden Schein einer Kerze um einen dreibeinigen,
nagellosen Tisch, legten die Hände
flach darauf, murmelten ihre Zaubersprüche,
und wenn sie zu spüren glaubten, ein Geist
befinde sich in ihrer Mitte, fragten sie leise,
ob er gekommen sei. Dann hob sich der Tisch,
man hörte ein Klopfen. Auf diese Weise gab
der Geist seine Anwesenheit bekannt. Nun
fragte man ihn, ob er zu den guten Geistern
gehöre, und wenn eine bejahende Antwort
kam, stellten sie dem Geist in einemfort Fragen,
die er mit Klopfen beantwortete. Die närrischen
Leute trieben dieses Spiel so heftig,
daß der Geist kaum mehr nachkam mit seinen
Antworten, die er sogar auf Papier niederschrieb.
Er ließ die Zettel auf den Tisch herunterflattern,
wo sie die Leute neugierig lasen.
Ja er gab sogar seinen Namen und seinen ehemaligen
St. Dino Larese Galler-Sagen-051. |
Flip
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arpa
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Wohnort bekannt, aber diese Nachrichten
sind verschollen.
Nun geschah das Unheimliche, daß der Geist
auch zu ungerufener Zeit erschien, als grauer
Schatten am Ofen herumgaukelte und die
Leute so erschreckte, daß sie jetzt nichts mehr
mit ihm zu tun haben wollten. Aber wer die
Geister ruft - sagt ein altes Wort, und wenn
nicht der Pfarrer gewesen wäre, der das Gespenst
mit heiligen Worten weggebannt hätte,
wäre es heute noch in Abtwil, und was das bedeuten
würde, kann man sich heute fast nicht
mehr ausdenken.
St. Dino Larese Galler-Sagen-052. |
Flip
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arpa
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ABTWILER WALDGEISTER
In den Wäldern von Abtwil raunen vielleicht
immer noch die Stimmen der alten Waldgeister;
denn nirgends steht geschrieben, daß
sie erlöst worden wären. Es könnte also sein,
daß einem Wanderer im Farnenwalde das alte
verhunzelte Weiblein begegnete, das als «Farne-Fräuli»
in die Sagen eingegangen ist. Es
hinkte damals gebückt an einem Stecken, trug
eine kleine Büschel Holz unterm Arm, und
unter dem schwarzen Kopftuch drängten einige
graue Haare hervor. Wenn es einen Menschen
antraf, grüßte es nicht und erwiderte
auch nicht den freundlichen Gruß, es senkte
den Kopf, blickte aber von unten her mit seinen
verschlagenen Augen in das Gesicht des
Wanderers, und wenn er mit seinen Augen
dem hexischen Blick begegnete, war es um ihn
geschehen; denn er fand dann oft stundenlang
keinen Ausweg mehr aus dem Wald, irrte hilflos
umher, und wenn er in eine Lichtung trat,
merkte er mit Schrecken, daß er von seinem
Wege abgekommen war.
Ein anderer seltsamer Geist war das «Schnat-
Manndli », das sich im Walde zwischen Tonisberg,
St. Dino Larese Galler-Sagen-053. |
Flip
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arpa
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Schwobsrüti und Schnat herumtrieb;
wie es aussah, konnte keiner sagen; denn niemand
hatte es je gesehen. Nur ein junger Bursche
am östlichen Berg vor dem Tobel erzählte
später einmal, wie weh und verloren
seine Stimme geklungen hatte. Der junge
Mann ging fast jeden Abend zu seiner Liebsten,
die auf einem Hofe bei Engelburg lebte.
Dabei führte ihn sein Weg durch den besagten
Wald. Einmal war er über die gewöhnliche Zeit
hinaus bei seiner Liebsten geblieben; es war
stockdunkle Nacht, als er durch den Wald
heimkehrte. Zum Glück kannte er seinen Weg;
denn es war so finster im Wald, daß man nichts
erkennen konnte. Manchmal rauschten die
Bäume ganz fremd, und den jungen Burschen
kam ein Fürchten an, und er beeilte sich sehr.
Plötzlich fuhr er erschrocken zusammen; denn
ganz in seiner Nähe hörte er jemand recht
deutlich niesen. In alter Gewohnheit sagte der
junge Mann den landesüblichen Spruch: «Helf
dr Gott. » Aber niemand dankte aus dem Dunkel
heraus. Der Bursche, dem es doch etwas
unheimlich wurde, beschleunigte seinen Schritt;
da ertönte zum zweitenmal ein ziemlich starkes
Niesen. Der Bursche sagte wieder: «Helf dr
Gott», aber auch diesmal kam kein Dankeswort
zurück. Komisch, dachte der Bursche,
und als er zum drittenmal das Niesen hörte,
St. Dino Larese Galler-Sagen-054. |
Flip
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arpa
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vergaß er seine Höflichkeit und rief: «Helf dr
e Roß. » Kaum hatte er diesen Spruch getan,
blieb er vor Schrecken stehen; denn nun begann
eine Stimme aus dem Waldesdunkel zu
jammern und zu weinen: «O hättest du doch
noch einmal das Wort gesagt, das du schon
zweimal ausgesprochen hast, dann wäre ich erlöst
gewesen. Nun muß ich weiter ruhelos
durch den Wald irren, bis aus dem Samen dieses
Tannzapfens », dabei fiel dem jungen Mann
wirklich ein Tannzapfen vor die Füße, «eine
Tanne gewachsen ist; und erst das Kind, das
in der Wiege liegt, das aus dem Holz dieser
Tanne gemacht wird, kann mich erlösen, o
weh!» Und mit traurigen Seufzern verklang
die Stimme des Schnat-Manndli. Da niemand
mehr seine Stimme hörte, könnte es doch,
wenn es auch im Widerspruch zum Anfang
dieser Geschichte steht, erlöst worden sein;
und vielleicht ist es der sagenkundige Schreinermeister
Walter Beeler selber, der die Wiege
aus dem Holz der Tanne gemacht hat; er ist
nämlich der Einzige, der um das Geheimnis
des Schnat-Manndli weiß.
St. Dino Larese Galler-Sagen-055. |
Flip
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arpa
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DIE SAGE VOM DRACHENLOCH
Es gab einmal auch in unserer Gegend einen
grausigen, feuerspeienden Lindwurm, wie er
uns sonst nur in den alten Sagen und Märchen
aus andern Landschaften begegnet. Er hatte
seine riesige Höhle unter einem überhängenden
Felsen bei der Sitter, wo er ständig auf der
Lauer lag, und niemand war mehr seines Lebens
sicher, und Angst und Schrecken verbreiteten
sich im Land. Eine unheimliche Bedrohung
war er aber für die Bewohner der
wasserumrauschten Burg Spissegg. Die Burg
besaß einen einzigen Ausgang, das war das
Tor gegenüber dem Drachenloch. Niemand
getraute sich unter Tag aus der Burg, denn der
Drache stürzte sich wie ein Unwetter auf den
armseligen Menschen. So konnte man nur
nachts hinaus, und auf Schleichwegen mußte
man die Nahrung in die Burg bringen. Der
Ritter von Spissegg, als mutiger und entschlossener
Mann bekannt, hatte lange, lange
mit sich gerungen, eines Tages gab er seinen
Entschluß bekannt, den Drachen zu töten. Alle
erschraken, wenn sie dem Ritter auch die nötige
Kraft zutrauten; aber durch keine Einwendungen
St. Dino Larese Galler-Sagen-056. |
Flip
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arpa
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ließ er sich von seinem Vorsatz
abbringen. Eines bestimmten Tages zog er
seine Rüstung an, nahm Schild und Schwert
und ritt mit seinem Pferd zum Tor hinaus, begleitet
von den Wünschen und Gebeten der
Zurückbleibenden. Niemand weiß etwas von
diesem Kampf, der furchtbar gewesen sein
muß; aber der Ritter kehrte als bestaunter und
bejubelter Drachentöter heim, Burg und Land
waren befreit. Das Loch aber, wo der Drache
gehaust hatte, und die Mulde, wo er erschlagen
worden war, tragen bis zum heutigen Tag zur
Erinnerung an diese denkwürdige Geschichte
den Namen «Drachenloch». Bis in die zweite
Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hing am
Fels beim Drachenloch eine Sandsteintafel, auf
welcher der Kampf des Ritters mit dem Drachen
dargestellt war. Niemand weiß mehr, wer
die verschwundene Tafel angebracht hatte,
auch kein Bild ist von ihr erhalten; alte Leute
allein haben sie im Gedächtnis behalten.
St. Dino Larese Galler-Sagen-057. |
Flip
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arpa
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DIE SAGE VON DER HOLZ-NANN
In früherer Zeit gab es oft alte, verschrumpfelte
Weiblein, die, etwas närrisch im Kopf,
abseits und fast verstoßen, ein armseliges, einsiedlerisches
Leben in einer Hütte führten, im
Walde verstohlen umherstrichen und etwas
Holz und Feldfrüchte suchten; sie wurden von
allen gefürchtet als böse Hexen, und alles Unglück
und Ungemach im Stall und Haus wurde
ihrem bösen Blick und ihren teuflischen Gedanken
zugeschrieben. Man mied sie, wo man
konnte, und warnte namentlich die Kinder vor
ihnen, denn wenn eins verhext wurde, hatte es
oft ein Leben lang an seinem Unglück zu tragen.
Ein solches gefürchtetes Weiblein war die
Holz-Nann in Riesershaus bei Muolen, das den
Wald bei Winkensteig unsicher machte mit seinem
hexischen Wesen und von dem man sagte,
daß es den Menschen schon manchen Unfug
zugefügt habe. So sei es vorgekommen, daß
die Kinder den Heimweg nicht mehr fanden
und bis in die Nacht hinein im Walde umherirrten,
oder daß ein Mann wie gelähmt plötzlich
bei einem Baum stillestehen mußte und
St. Dino Larese Galler-Sagen-058. |
Flip
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arpa
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stundenlang wie gebannt am Platze blieb, oder
die Muolener jammerten über das Unglück im
Stall, das von dem bösen Blick der Holz-Nann
verursacht wurde, so erzählten die Leute, und
alle machten einen weiten Bogen um das Weiblein,
wenn es, gebückt unter der schweren Last
des gesammelten Holzes auf seinem Rücken,
daherhumpelte.
Da geschah es, daß im Wirtshaus zu Riesershaus
eines Abends Musik verführerisch zum
Tanze aufspielte. Die Holz-Nann in ihrer einsamen
Hütte hörte die Musik, sie lauschte mit
zitterndem Kopfe, weiß der Himmel, was da in
ihrer armen Seele vorging, sie erhob sich
plötzlich und nahm einen Faden und hängte
sich auf, es war ein Faden, so erzählte es G.
Kägi, die Hexen können sich sogar, wie die
Sagen berichten, an einem hauchdünnen Spinnenfaden
aufhängen. Als man sie fand, war sie
schon lange kalt und tot, man gab ihr aber kein
christliches Begräbnis im Friedhof zu Muolen,
sondern brachte sie in den Wald von Winkensteig,
wo man sie unter moosiger Erde begrub,
als wäre sie ein einsames, unglückliches Waldtier.
Einige Zeit später begab es sich, daß ein
Zimmermann, wohl in etwas angeheiterter
Stimmung, durch den Wald nach Muolen
heimkehren wollte. Im losen Übermut rief er
St. Dino Larese Galler-Sagen-059. |
Flip
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arpa
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durch die nachtdunklen rauschenden Bäume:
«Holz-Nann, komm, hole mich. » —«Dummer
Aberglaube », lachte er, als nichts geschah und
er ungeschoren nach Hause kam. Aber da bemerkte
er, daß die schwarze Richtschnurrolle,
die er in der Hosentasche trug, aufgerollt war
und lose aus dem Sack heraushing. Er schüttelte
etwas verwundert den Kopf und ging ihr
dann zur Tür hinaus nach, um sie wieder aufzurollen.
Eine merkwürdige Sache, die Schnur
lag auf dem Weg, den er gekommen war, und
führte wie eine Spur in den Wald hinein. An
jener Stelle aber, wo er der Holz-Nann gerufen
hatte, fand er den Anfang der Schnur, hier
mußte sie ihm aus der Tasche gefallen sein.
War vielleicht an diesem Ort ein Schatz vergraben?
Man weiß nie, es gibt immer wieder
Dinge, die unsereiner nicht kennt, und Fingerzeige,
die man in acht nehmen muß, sagte sich
der Zimmermann und war jetzt sehr aufgeregt.
Er brach sich einen dicken Stecken und begann
gierig zu graben. Wer beschreibt aber sein Entsetzen,
als er nach kurzer Zeit die tote Holz-
Nann in der Erde fand. Er wurde bleich und
fiel, wie vom Schlag getroffen, tot zusammen.
Die Holz-Nann hatte ihn doch noch geholt.
St. Dino Larese Galler-Sagen-060. |
Flip
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arpa
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VON HEXEN UND HEXEN-
GESCHICHTEN
Auch in der Gegend von St. Gallen gab es
einst Hexen und wurden Hexengeschichten erzählt.
Man verfuhr oft gar grausam mit ihnen,
in St. Gallen wurde eine Hexe verbrannt und
ihre Asche in fließendes Wasser geschüttet. Im
Haslenholze saß oft ein solches armseliges
Weib am Wegrand und wartete auf die Vorübergehenden,
um sie zu necken und auszulachen.
Wenn Frauen vorüberkamen, sprang
sie wie ein Hündlein um sie herum und begleitete
sie bis zum «Bösgatter», einem Riegel
im Haslenholz, wo sie dann kreischend und
lärmend verschwand. In der Nähe, im Heldtobel
bei Waldkirch, konnte man oft eine junge
Wäscherin erblicken, die mit einer wahren Besessenheit
ihre Wäsche im Bache wusch. Viele
haben sie in ihrem weißen Gewande gesehen.
Schlimmer war aber die Geschichte mit dem
Hexenmeister in St. Margrethen. Es war zur
Zeit der Heuernte. Da erschien in einem
Bauernhaus ein junger Bettler und bat um ein
Mittagessen. Der Bauer aber schickte ihn fort;
denn jetzt mitten im Heuet habe niemand Zeit,
ein Essen zu kochen. Der junge Bettler grinste
St. Dino Larese Galler-Sagen-061. |
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arpa
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vor sich hin und sagte dann höhnend: «Wie
ihr wollt! Aber ihr bringt heute kein Heu herein!
» Der Bauer blickte ihm verdutzt nach,
zuckte die Schultern und begab sich wieder
aufs Feld, um das Heu einzubringen. Aber
seltsam, es war, als fege ein Wind über die Wiesen,
und was man auf die Gabel nahm, wurde
von unsichtbaren Händen weggewischt, keinen
Halm brachte er auf seinen Wagen, während
rings auf den Feldern die Nachbarn volle Heufuder
heimführen. Erst am andern Tage konnte
der Bauer sein Heu einbringen. Es wird erzählt,
daß der junge Bettler wohlbekannt war
und noch an andern Orten schlimme Missetaten
verübte; als das Maß voll war, wurde er
vor das Gericht gebracht, und da kam es an
den Tag, daß er unwürdig kommuniziert hatte
und deshalb ein Hexenmeister war. A. Sprenger,
der diese Sage erzählte, hat uns einen ganzen
Plan überliefert, wie man den Hexen beikommen
kann, und so sei dieses Kuriosum aus
vergangener Zeit doch ein kleines Nachdenken
wert. Will man verhindern, daß die Hexen ins
Haus kommen, so stelle man einen Besen aufrecht
vor die Türe. Wenn aber die Hexe bereits
im Hause ist? Dann stellt man den Besen
trotzdem hin, die Hexe muß dann sofort rückwärts
zur Türe hinaus. Nützt dieses Mittel
nicht, so nimmt man Schwarzmeisterwurzeln,
St. Dino Larese Galler-Sagen-062. |
Flip
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arpa
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schneidet sie, stopft damit die Pfeife und
raucht. Diesen Geschmack halten die Hexen
nicht aus, sie werden sehr wild dabei, aber man
kann sie damit doch vertreiben. Wenn man
von den Hexen redet, so ist dies eine sehr gefährliche
Angelegenheit; denn die Hexen hören
jedes Wort. Den schwatzhaften Frauen,
die aber gerne von den andern Hexen reden,
sei empfohlen, dieses Sprüchlein zu sagen,
dann hört keine Hexe ihre Worte. Das Sprüchlein
lautet: «Der Tag ist heilig, die Mutter
Gottes ist heiliger, der Herrgott ist noch heiliger
und die Hexe ist die verdammteste. »
Oft sind die Hexen am Tag unbescholtene,
tüchtige Hausfrauen, niemand weiß um ihr verwerfliches
nächtliches Tun. Wenn sie nun
nachts zum Hexentanz gehen, bleibt ihr Leib
zurück. Da kann sich der geplagte Ehemann
auf leichte Art von seiner Frau befreien. Er
lege die scheinbar schlafende Frau auf das Gesicht,
dann kann der Geist nicht mehr in den
Leib hinein, und der Mann ist frei.
Wie will man aber die Hexe erkennen? Oh,
es gibt einige untrügliche Zeichen, am deutlichsten
aber offenbaren die Augen das Wesen
einer Hexe. Wenn man ihr scharf in die Augen
blickt und in ihrem Glitzern ein Geißböcklein
erkennt, dann weiß man, daß man in die Augen
einer echten Hexe geschaut hat.
St. Dino Larese Galler-Sagen-063. |
Flip
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arpa
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Es wäre nicht so schlimm mit den Hexen,
wenn sie nur nicht immer Schaden anrichteten.
Die Hexe muß eine bestimmte Hexenarbeit
verrichten, zumindest muß sie im Tag einen
durchschnittlichen Schaden von sieben Rappen
verursachen. Ist der angerichtete Schaden im
Werte größer, dann hat die Hexe längere Zeit
Ruhe. Mit Vorliebe verüben sie ihre Untaten
in den Ställen der Bauern. Aus der Gemeinde
Eggersriet berichtet A. Sprenger von einem
solchen Fall. Eines Abends kam ein Bauer in
seinen Stall und bemerkte mit Entsetzen, daß
die Viehketten ganz ineinander verstrickt waren.
Das war eine Hexenarbeit, diese schlingen
die Ketten so unauslöslich ineinander, daß die
Kühe erwürgt werden. Den Pferden machen
sie aus den Schwänzen die sogenannten Schrätteliszöpfe.
Der Bauer holte ein Beil, rief die
drei höchsten Namen an und schlug nun auf
die Ketten los. Aber sie hielten fest zusammen.
In diesem Augenblick erschien die Hexe vor
dem Haus. Sie bat um einen halben Liter Erdöl.
Als ihr die Bäuerin antwortete, klirrten im
Stall die Ketten auseinander. So geht es mit
den Hexen, es ist darum gut, wenn man etwas
von ihrem Wesen weiß.
St. Dino Larese Galler-Sagen-064. |
Flip
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arpa
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DAS NÄCHTLICHE FEST
Es war einmal in der Johannisnacht, da die
Farnkräuter im geheimen blühen, als ein Leinwandherr
von Zuzwil frohgemut von St. Gallen
heimritt, wo er auf dem Markte gute Geschäfte
getätigt hatte. Als er in die Nähe des
Weilers Laupen kam, fiel ihm beim Wäldchen
eine merkwürdige Helligkeit auf. Das schien
ihm verwunderlich zu sein; denn es leuchtete
kein Mond, und die Sterne schimmerten dünn
und fern im nachtblauen Himmel. Er ritt vorsichtig
näher, man konnte nie wissen; da sah
er mit Verwunderung eine große Ansammlung
von vergnügten Frauen und Männern, die an
reichbesetzten Tischen saßen und mit Genuß
von guten Dingen aßen und einander fröhlich
zutranken. Er schüttelte zuerst den Kopf, erinnerte
er sich doch nicht, daß in Zuzwil ein
nächtliches Sommerfest angesagt war. Die
Neugierde trieb ihn aber näher heran. Da sah
er auch verflixt hübsche kecke Mädchen sitzen,
die er sich höchstens in den Träumen vorzustellen
gewagt hätte. Sie hatten ihn erspäht und
winkten ihm einladend zu; er ließ sich nicht
zweimal bitten, hatte er doch einen rechten
St. Dino Larese Galler-Sagen-065. |
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Hunger, und auch ein Glas Wein war nicht zu
verachten. Und wirklich, da war allerhand, was
ihn lockte, duftender Braten, zartes Gemüse,
farbige Süßigkeiten.
Es fiel ihm aber sofort auf, daß jedes Stücklein
Brot fehlte. Dies schien ihm doch etwas
seltsam; denn ohne Brot schmeckte die Suppe
oder der Käse gar nicht. Er erinnerte sich, daß
er noch ein Brötchen in der Tasche trug, das
zog er hervor.
Er stieg vom Pferde und trat an den ersten
Tisch, wo er mit lauten Rufen begrüßt wurde.
Er wollte den Gästen eine Freude machen und
legte das Brötchen auf den Tisch.
Das war wie ein Donnerschlag. Ein entsetzliches
Kreischen und Schreien stieg aus
vielen Kehlen, das Licht löschte aus, und die
tafelnden Frauen und Männer verschwanden
wie ein Spuk in der Dunkelheit. Der Leinwandherr
rieb sich die Augen, als wäre er aus
einem komischen Traum erwacht, aber da standen
keine Tische mehr, kein Laut war zu hören,
nur zu seinen Füßen erblickte er sein Brötchen,
das er kopfschüttelnd, verwirrt aufhob.
Und als er sich umschaute, erblickte er die
Schatten von dunklen Bäumen, zu seinen Füßen
gurgelte Wasser, und es roch nach Sumpf
und Moor. Da fuhr es ihm plötzlich durch den
Sinn, daß er auf dem berüchtigten Platz stehen
St. Dino Larese Galler-Sagen-066. |
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arpa
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mußte, wo, wie der Volksmund erzählte, die
Hexen jeweils ihre Zusammenkünfte hielten.
Da machte er tieferschrocken das Kreuzeszeichen,
sprach ein stilles Gebet, setzte sich auf
sein Pferd und ritt mit einer Schnelligkeit
heim, als wäre der Teufel hinter ihm her. Die
Sterne schimmerten fern und zeitlos in der
lauen Nacht.
St. Dino Larese Galler-Sagen-067. |
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arpa
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DAS ZWERGENWUNDER
Was die Thurgauer vor vielen hundert Jahren
mit den Zwergen erlebten, war nicht eine einmalige
Geschichte; das gleiche Glück widerfuhr
den St. Gallern in der Gemeinde Waldkirch.
Zwischen Schuoppis und Vögelisberg
stand einst ein Schloß, das durch unterirdische
Gänge mit der Burg Ramswag verbunden war.
In diesen Gängen hausten die Zwerge und hüteten
ihre Gold- und Silberschätze. Die Bauern
von Schuoppis hatten in dieser Nachbarschaft
eine selige Zeit; denn die Zwerge brachten ihnen
auf silbernen Tellern den feinsten Kuchen
für die Neunuhr- und Vieruhrpause, auch das
Besteck glänzte in reinem Silber. Sie sagten nie
ein Wörtlein, waren etwa so groß wie fünfjährige
Kinder, und wenn sie die leeren Teller wieder
holten, freuten sie sich auch wie die Kinder.
Einmal geschah aber ein böses Unrecht: die
Bauern, verblendet vom Silberglanz, nahmen
die Teller, Löffel und Gabeln nach Hause, um
sie für schweres Geld an die Händler zu verkaufen.
Diesen bösen Diebstahl nahmen sich
die Zwerge sehr zu Herzen; sie ließen sich nie
mehr sehen, und die Bauern konnten lange
St. Dino Larese Galler-Sagen-068. |
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arpa
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vergebens ihre Zungen schnalzen in der Erinnerung
an die guten Kuchen.
Einzig im Buchholz tauchten die Zwerge
manchmal auf, wenn sie ihre Schätze in die
Sonne legten, daß das Glitzern und Glänzen
weitherum zu sehen war. Wer näher hinsah
und meinte, er entdecke Gold und Silber, sah
dann mit Enttäuschung, daß nur buntfarbige,
blendende Glas- und Porzellanscherben dalagen.
Aber wie täuschte man sich dabei! Wer
um das Geheimnis wußte, wurde ein reicher
Mann.
Einmal kamen zwei Männer vorbei, als sie
es so hell in der Sonne glitzern sahen, daß sie
nähertraten und mit Staunen eine Menge Geldes
erblickten. Da rief ihnen eine unsichtbare
Stimme zu: «Ihr dürft soviel Geld mitnehmen,
wie ihr tragen könnt, aber sprecht dabei kein
Wort und helft einander nicht!» Das ließen
sich die Männer nicht zweimal sagen. Sie füllten
in aller Eile zwei Säcke und mühten sich
dann, die schweren Lasten auf den Rücken zu
nehmen. Während der eine mit seinem Sack
wegschritt, brachte der andere Mann seinen
Sack nicht auf den Rücken; er winkte dem
Weggehenden: «Komm, hilf mir!» Als sie
nach Hause kamen und die Geldstücke zählen
wollten, fanden sie lauter wertlose Scherben.
Wie schimpften sie aufeinander los, und jeder
St. Dino Larese Galler-Sagen-069. |
Flip
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arpa
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gab dem andern die Schuld, weil sie das Wort
nicht gehalten hatten.
Es kam noch öfters vor, sogar bis in die
neueste Zeit, daß Menschen die glitzernden
Scherben entdeckten. Weil sie aber das Geheimnis
nicht kannten, gingen sie achtlos an
den vermeintlichen Glasstücken vorbei. Wenn
sie dann zufällig im Dorf von ihrer Entdeckung
erzählten, sagten die Leute mit Entrüstung:
«Ihr Dummköpfe, ihr habt das Glück eures
Lebens verscherzt. Das sind nur äußerlich Glasscherben,
tragt sie heim, dann habt ihr Geld in
Hülle und Fülle! » In großer Aufregung kehrten
die Menschen an die Fundstelle zurück,
aber sie fanden nichts mehr als höchstens einen
schmutzigen grünen Bierflaschenscherben. So
geht es mit den Wundern. Nur wer an sie
glaubt, wird des rechten Glückes teilhaftig.
St. Dino Larese Galler-Sagen-070. |
Flip
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arpa
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DIE GEFÄHRLICHEN HUNDE
In der alten Zeit kam es oft vor, daß gespenstische
Hunde ihr Unwesen trieben und den
nächtlichen Heimkehrern manche Pein verursachten.
Franz Egger weiß von seiner Kindheit
her, daß in der Nähe des Weilers Egg im
Dorfe Eggersriet ein solcher gefürchteter Hund
hauste und die Gegend unsicher machte. Ein
Fußweg führte durchs Kleeb, wo einst ein
schöner Buchenwald stand. Am Tag konnte
man diesen Weg ungehindert begehen, aber in
der Nacht getraute sich kein Kind hinaus, denn
der Kleebhund lauerte im Dunkel. Er war von
unnatürlicher, riesengroßer Gestalt. Wenn nun
ein Mensch des Weges kam, stürzte sich der
Hund hervor, sprang auf den Rücken des entsetzten
Menschen, hackte seine Klauen so tief
hinein, daß man für lange Zeit die Wunden sehen
konnte, die dann auch die Ungläubigen
überzeugten. Mit seiner letzten Kraft eilte der
arme Mensch, den Hund auf seinem Rücken,
den Weg hinunter bis zum ersten Haus, wo das
Untier in der Nacht verschwand. Als man später
den Wald niederlegte, sah man den Hund
nie wieder.
St. Dino Larese Galler-Sagen-071. |
Flip
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arpa
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Ein unheimlicher Hund geisterte auch beim
alten Bildstock, in der Nähe der Sebastianskapelle
in der Gemeinde Thal herum. Der alte
Fuhrmann am Bach erzählte immer wieder von
der Begegnung mit dem Untier, das plötzlich
hinter dem Bildstock hervorspringt, die Pferde
scheu macht und sie nicht weiterziehen läßt. Da
mag der Fuhrmann noch so lange mit seiner
Peitsche knallen, bis zum ersten Frührot bleibt
der Hund zähnefletschend stehen.
Ein schlimmerer Kerl aber war der Töberhund,
der die nächtlichen Heimkehrer von der
Weinburg bis zur Töberbrücke stöhnend und
knurrend begleitete, und mit seinen feurigen
Augen eine panische Angst verbreitete. Ein
Bauer aus Thal erzählte mit Schaudern sein entsetzliches
Erlebnis. Bei Verwandten am Buchberg
hatte er über die gewöhnliche Zeit hinaus
gefestet und dem Buchberger etwas mehr als
üblicherweise zugesprochen. Als er sich in der
Dunkelheit auf den Heimweg machte, so erzählte
er, bemerkte er plötzlich den Hund, der
ihn anstarrte, als ob er auf ihn gewartet hätte.
Er drängte sich dicht an den Bauern heran, der
furchtbar keuchte und sich kaum getraute vorwärtszuschreiten.
Er drückte sich an die Mauer
der Weinburg vor Angst - sagte er dann und
zeigte seine Hände, und die Zuhörer sahen die
wundgekratzten Hände und glaubten ihm alles.
St. Dino Larese Galler-Sagen-072. |
Flip
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arpa
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Als er zum Bache kam, wollte er dem Hund
entrinnen; er ließ sich ins Bachbett hinunter
und kroch auf allen vieren vorwärts wie ein
Tier. Aber diese Flucht nützte nicht viel, der
Hund lief am Ufer des Baches knurrend entlang,
und erst als der arme Mann bei der Töberbrücke
anlangte, verschwand der Gespensterhund.
Vom Hund weiß heute kaum einer mehr
etwas, aber den guten Buchberger Wein kennen
viele.
St. Dino Larese Galler-Sagen-073. |
Flip
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arpa
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VON DEN FEURIGEN GEISTERN
Es gehörte zu den schlimmsten Missetaten,
wenn einer heimlich Marksteine versetzte, um
seinen Besitz zu vergrößern. Ewige Strafen
warteten auf diesen Missetäter, und er mußte
als brennender Geist am Ort seiner Untat umherirren.
Da lebte in Grub ein gar angesehener Mann,
dem man vertrauensvoll verschiedene Ämter
übergab. So verwaltete er als Vogt das Vermögen
einer alten Witwe. Wenn er nun am Tag
im Dorf den Biedermann spielte, war er in der
Nacht der abgefeimteste Bösewicht. Er fällte
heimlicherweise Holz in den Wäldern der Witwe,
das er auf eigene Rechnung verkaufte, und
versetzte zugleich die Marksteine, damit er
auch hier einen unehrenhaften Gewinn einstecken
konnte. Wie wenn man den Besitz ins
Grab mitnehmen könnte !Als er gestorben war,
kam alles ans Tageslicht. So einer war er, wer
hätte das gedacht! Und es dauerte nicht lange,
so munkelte man im Dorf, daß er in den Wäldern
der Witwe umherirre, und die Fronfastenkinder,
die ja, wie man weiß, mehr hören und
sehen als gewöhnliche Kinder, hörten ihn Holz
St. Dino Larese Galler-Sagen-074. |
Flip
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arpa
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sägen, und wenn einer nachts durch den Wald
ging, konnte er nicht weiter, bis ihn das Geläut
der Glocken erlöste.
Furchtbar aber ist es, wenn man einem solchen
Gast unverhofft begegnet! Das mußte ein
junger Bursche erfahren, der einmal nachts
durch den verzauberten Wald ging. Aus den
Bäumen trat ihm ein Mann in einem langen
weißen Gewand, mit einem bunten Gürtel, entgegen.
Der seltsame Mann trug eine Säge in
der Hand. Er starrte dem jungen Burschen ins
Gesicht, und dann breitete er die Arme aus. Da
schrie der Junge vor Entsetzen auf. Seit dieser
Zeit, so wird erzählt, war es mit dem Frohsinn
des jungen Mannes vorbei. Oft erschien ein
Vogel und setzte sich ihm auf die Schulter.
Wenn er den Vogel packen wollte, flatterte er
weg, die Vögel aber in den Bäumen begannen
wie närrisch zu pfeifen und zu schreien. Es
dauerte nicht lange, da starb der arme Bursche.
Eine ähnliche Begebenheit erzählt man sich
in Zuzwil. Dort irrte auch ein brennender Geist
umher. Manchmal kam er bis zum äußersten
Haus des Dorfes, aber er wagte sich nie weiter
als bis zur Dachtraufe, denn, wie man weiß,
diese Geister vertragen das Wasser nicht. Die
Zuzwiler, guten Herzens, wollten dem Geiste
helfen und ihn erlösen. Eine gar fromme Frau
ging deshalb zum Pfarrer und holte sich seinen
St. Dino Larese Galler-Sagen-075. |
Flip
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arpa
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Rat. Er nickte einige Male und dann sagte er:
«Laß für den Geist drei Messen lesen, dann
wird er zu dir kommen und dir für die Erlösung
danken. Aber ich warne dich, gib ihm ja
nicht die Hand dabei. »
Nach einigen Tagen klopfte es an der Wohnung
der frommen Frau; ein fremder Mann
stand draußen. Als sie erschien, streckte er ihr
dankend die Hände entgegen und murmelte:
«Komm bald nach! » Die Frau, sich sofort an
die Worte des Pfarrers erinnernd, streckte ihm
nicht die Hand, sondern die Kunkel des Spinnrades
entgegen, denn sie war gerade mit Spinnen
beschäftigt gewesen. Der Geist ergriff die
Kunkel und verschwand so schnell, daß man
meinte, er habe sich in der Luft aufgelöst. Die
fromme Frau aber betrachtete die Kunkel und
sah mit kaltem Entsetzen, daß das Werg ganz
versengt war. Auch sie mußte diese Begegnung
mit einem frühen Tode bezahlen.
Es hat etwas an sich mit der Dachtraufe;
auch in Abtwil geisterte ein feuriger Mann herum,
sie nannten ihn den «Nößler ». In der Altjahrnacht
achteten die Bauern am Berg sehr
darauf, daß der «Nößler» nicht bis zur Dachtraufe
ihres Hofes kam, denn er brachte Unglück
und Unfrieden. Um ihn wegzujagen,
machten sie mit Glocken und andern Geräten
einen riesigen Lärm, sie verkleideten sich auch
St. Dino Larese Galler-Sagen-076. |
Flip
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arpa
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als Kläuse, um den Geist zu erschrecken. Solche
Lärmmacher, «Römpel», gehen heute noch
am Silvestermorgen durch die Straßen von
Straubenzell, um den bösen Geist fernzuhalten.
Nach einer alten Sage lebte auf der Burg
Rappenstein ein unmenschlicher, grausamer
Ritter, der manche Missetat verübte. Zur Strafe
wurde er nach seinem Tode in einen Felsen
der Goldachschlucht verbannt. Immer am Silvester
jagt er auf feurigem Pferd durch die Gegend,
Unheil bringend und Unheil verkündend.
Die «Römpel» aber mit ihren Glocken
behüten Haus und Hof, und wenn die verschlafenen
Leute neugierig zu den morgengrauen
Fenster hinausblicken, tönt ihnen ein
froher, zukunftsfreudiger Neujahrswunsch entgegen.
St. Dino Larese Galler-Sagen-077. |
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arpa
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VON DEN SELBSTMÖRDERN
Liegt nicht eine leise Melancholie über dieser
Landschaft, in deren Sagenwelt die verlorenen
Selbstmörder gespenstisch auftauchen? Tierarzt
Keller erzählte von einem armen Mann,
dem «Hafnerli », der sich in einer Scheune im
Schachen erhängte. Und Selbstmörder, das ist
eine bekannte Weissagung, finden ihre Ruhe
nicht, bis sie nach der Erfüllung schwerer Bedingungen
erlöst werden. Mancher beteuerte
mit sehr wissenden Augen, er habe den Hafnerli-Geist
in jener Scheune gesehen; aber
zum Glück war es ein gutmütiger Geist, der
den Bauern im Stalle half, das Futter richtete,
das Vieh besorgte, bis er im Dunkel der Sagen
entschwand.
Schlimmer war es aber mit dem Geist im
Bannholzwalde in Oberbüren. Ein Schneiderlein,
das spät abends von der Stör durch den
Wald heimkehrte, wurde von diesem Geist
stundenlang durch Dornen und Gestrüpp herumgetrieben,
bis er erst nach Mitternacht mit
zerrissenen Kleidern nach Hause kam. Das war
niemand anders gewesen als der «Hans-Ma»,
der sich hier das Leben genommen hatte.
St. Dino Larese Galler-Sagen-078. |
Flip
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arpa
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Tierarzt Keller erzählte noch von einem andern
Fall, der sich in seiner Kindheit abgespielt
hatte. An der alten Brücke im Erlenholz hatte
sich auch ein unglückseliger Mensch das Leben
genommen. Er erschien nun in dunkler Nacht
als schwarzer Pudel, eilte über die Straße oder
setzte sich mitten auf die Brücke. Da getraute
sich keiner hinüberzugehen, denn unweigerlich
wäre die Brücke in die Sitter hinuntergestürzt.
Einmal, so erzählte nun Tierarzt Keller,
wollte er mit seinem Vater in später Nacht über
die Brücke gehen. Es war eine helle Nacht, da
man die Dinge etwas genauer erkennen konnte,
und das war ein Glück, sonst wäre er niemals
über die Brücke gekommen. Denn in diesem
Augenblick kam ihnen ein Mann in einer
hastigen Aufregung entgegen, er verwarf die
Arme und flüsterte heiser: «Der Pudel sitzt auf
der Brücke, kehrt sofort um. » Der Vater mit
seinen guten Augen hatte in der hellen Nacht
den Hund bereits gesehen und auch sofort erkannt.
«Komm, Bläß», rief er, und es war
wirklich der treue Appenzellerhund eines ihnen
bekannten Viehhändlers, der ihnen schweifwedelnd
entgegenkam und so die Brücke freigab.
Wenn diese Geschichten nur immer einen so
freundlichen Ausgang nehmen würden!
St. Dino Larese Galler-Sagen-079. |
Flip
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arpa
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In Abtwil aber, und Walter Beeler erzählte
mir diese Geschichte selber in seiner traulichen,
niedern, blumengeschmückten Holzstube, geschah
eine schaurige Untat, die jahrelang ein
Haus in ein dunkles Geheimnis einschloß. Vater
und Sohn lebten im ständigen Hader, gönnten
sich nicht nur kein gutes Wort, sondern
schadeten einander, wo sie nur konnten. In einer
unseligen Stunde gerieten sie im Streit aneinander,
und der kräftigere Sohn warf seinen
Vater die Treppe hinunter. Der alte Vater blieb
schwerverletzt liegen und starb nach kurzer
Zeit. Das böse Gewissen trieb nun den Sohn
ruhelos umher, und als er in seinem Unfrieden
keinen Ausweg mehr fand, erhängte er sich am
Fenster in seines Vaters Kammer. Selbstmörder
werden nicht im Friedhof begraben, und
um ihrem toten Mann dieses ehrlose Schicksal
zu ersparen, legte ihn die Frau ins Bett und
sagte dann mit heuchlerischer Stimme zum
Totengräber: «Hat er nicht einen schönen Tod
gefunden? Wie schön und selig liegt er da. »
Der Totengräber aber brummte deutlich: «Zu
schön liegt er da. »
Der Selbstmörder aber fand keine Ruhe im
Grab. Er kehrte als Geist in sein Vaterhaus zurück
und erschreckte die Nachkommen mit Gepolter
und Geseufze und ließ sie oft lange keinen
Schlaf finden. Wenn ein Besuch ins Haus
St. Dino Larese Galler-Sagen-080. |
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arpa
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kam, trieb er es besonders fürchterlich. Wehe
aber, wenn der Besucher über die Mitternacht
hinaus im Hause blieb! Wenn der letzte Stundenschlag
verklang, begann ein schauriges
Ächzen, daß den Leuten kalte Schauer den
Rücken hinunterfuhren, dann hörte man ein
wildes Poltern, treppauf, treppab - «er muß
den toten Vater hinauftragen », flüsterten die
tieferschrockenen Leute; und das Heulen und
Lärmen hörte erst auf, wenn der schlotternde
Besuch das Gespensterhaus verlassen hatte.
Aber wenn er glaubte, dem Unheil entronnen
zu sein und eilends seinem Heim zustrebte,
konnte es geschehen, daß er eine zweite fürchterliche
Begegnung erlebte; ein schwarzer
Hund und eine schwarze Katze mit steilerhobenen
Schwänzen strichen an ihm vorbei, die
Köpfe dicht beisammen, als müßten sie einander
eine schlimme Geschichte erzählen. Das
waren aber niemand anders als der Selbstmörder
und seine Frau, die auch ihre Strafe erleiden
mußte, weil sie für ihren Mann ein Grab im
Friedhof erheuchelt hatte.
Seltsamerweise kehrte der Frieden in einer
wilden Sturmnacht in das Haus zurück, als ein
Blitz in das Dach fuhr, alles taghell erleuchtete,
aber zum großen Glück keinen Brand verursachte.
Von dieser Stunde an war der Fluch
vom Hause genommen.
St. Dino Larese Galler-Sagen-081. |
Flip
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arpa
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Andere Menschen wohnen heute in dem alten
kleinen Haus mit dem freundlichen Sommergärtlein,
und keiner wüßte mehr um sein
dunkles Geheimnis, wenn Schreinermeister
Walter Beeler es mir nicht anvertraut hätte.
St. Dino Larese Galler-Sagen-082. |
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arpa
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DIE POLTERGEISTER
Es gibt auch heute noch Menschen, und ich
kenne einige dieser Art, die ganz bestimmt behaupten,
in ihren alten Häusern sei es nicht
ganz geheuer; man werde oft von heftigem
Gepolter, schmerzlichem Geseufze oder noch
Schlimmerem aufgeweckt, und mit allen Mitteln
der Technik gelinge es nicht, die Poltergeister
zu entdecken oder sie gar zu verbannen.
Wie heftig mußten da die Menschen früherer
Zeiten erschrecken, wenn die Poltergeister
oder auch «Schrättlige », wie sie diese Geister
nannten, ihr unerklärliches Wesen in den Dielen
und Kammern trieben. In der Gegend von
Goldach, so erzählte ein Mann, der es selber
erlebt hatte, kam des Nachts ein solcher
Schrättlig in das Haus und quälte die Leute,
daß sie keinen Schlaf finden konnten. Einmal
faßten sie sich ein Herz und verrammelten Tür
und Tor, damit der böse Geist keinen Ausweg
mehr finden konnte. Als sie am andern Tag
Nachschau hielten, fanden sie auf dem Boden
der Stube einen Strohhalm, der so merkwürdig
aussah, daß sie sich nicht getrauten ihn aufzuheben.
Sie holten Hämmer und Äxte und
St. Dino Larese Galler-Sagen-083. |
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arpa
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schlugen erbarmungslos auf den Haim ein, bis
man ihn fast nicht mehr erkennen konnte. Da
stellte sich heraus, daß eine Frau im obern
Stock in dem Augenblick schwer krank wurde.
Da nickten die Leute vielsagend die Köpfe und
munkelten allerhand.
In Trübbach stand auch ein solch verrufenes
Haus, das man das «schwarze Haus» nannte.
Niemand wollte darin wohnen, denn nachts
war jeweils ein solcher Lärm in den Kammern,
als ob jemand Baumstrünke herumschmetterte.
Später, als man das Haus abbrach und eine
Wirtschaft an seiner Stelle erbaute, kehrte die
Ruhe ein, und es waren jetzt andere Poltergeister,
die oft die dörfliche Ruhe störten.
A. Sprenger berichtet von einigen ähnlichen
Fällen in der Gemeinde Eggersriet. Als nämlich
der alte Kirchenbauer im Sterben lag, hoben
seine Verwandten, die Krämersleute, verwundert
die Köpfe; denn ganz deutlich vernahmen
sie im obern Stock den bekannten
schwerfälligen Schritt und das Geklapper der
Holzschuhe, als ginge der Kirchenbauer leibhaftig
in der Stube herum.
In einem andern Hause geisterte es namentlich
in der Advents- und Fronfastenzeit. Da
war nicht nur ein wildes Gepolter, sondern der
Bauer erblickte den Geist im Stall, wenn er die
Tiere fütterte, er glotzte ihn stumm und zugleich
St. Dino Larese Galler-Sagen-084. |
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vielsagend an aus merkwürdig toten
Augen. In seiner Not ging der Bauer zum
Pfarrer, der den Geist auf seine Art bannte.
Er ließ aus Stein einen Totenkopf hauen, den
er im Haus auf die Kommode stellte. Von diesem
Augenblick an verstummten alle Geräusche,
und der Geist ließ sich nie mehr
blicken.
Auch der Dachdecker des Dorfes hatte ein
ähnliches Erlebnis. Er wohnte im Hause des
Schuhmachers im obern Stock. Einmal kam
der Dachdecker zu später Stunde nach Hause.
Um die schlafenden Leute nicht zu stören, zog
er die Schuhe aus und stieg in Strümpfen die
knarrende Treppe hinauf. Aber seine Vorsicht
nützte nicht viel; denn plötzlich ging in seiner
Kammer ein wilder Lärm los, der alle Leute
weckte. Der Schuhmacher schnüffelte: «Er
wird wieder zu viel getrunken haben », nahm
die Kerze und ging hinauf, um den Dachdecker
zur Ruhe zu mahnen. Als er die Türe
öffnete, stand der Dachdecker käsebleich und
zitternd vor ihm und stammelte nur: «Gott sei
Dank, Schuhmacher, daß du kommst. Da war
ein Schrättlig, da auf meiner Brust saß er, und
wenn du nicht gekommen wärst, hätte er mich
getötet. »
Daß nicht alle Geister so bösartig waren, belehrt
uns das Beispiel von Zuckenriet. Im dortigen
St. Dino Larese Galler-Sagen-085. |
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Schloß rumorte auch noch der Geist eines
längst verstorbenen Ritters von Zuckenriet in
den Räumen herum. Ein Kapuziner brachte es
fertig, ihn auf ein einziges Zimmer festzubannen.
Freilich machte er hier seinen eigenen
Lärm, bis man dazu kam, ihn zu beruhigen,
indem jede Nacht eine Kerze in dem Zimmer
brannte. Da verstummte er nicht nur, sondern
er zeigte sich von seiner besten Seite. Jeden
Morgen, wenn die Knechte sich zum Tagwerk
erhoben, fanden sie die Pferde bereits gefüttert,
die Wagen herausgezogen und bespannt,
so daß sie ohne Mühe zur Feldarbeit abfahren
konnten. Und die Geschichte muß wohl wahr
sein; denn C. G. J. Sauer hat sie in seiner
Chronik aufgezeichnet.
St. Dino Larese Galler-Sagen-086. |
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DER MÖTTELI VON RAPPENSTEIN
Nicht nur im Thurgau sprach man vom sagenhaften
Reichtum der Mötteli; auch im St. Gallischen
war das Wort «Reich wie der Mötteli»
ein Zauberklang; aber es mischte sich auch
der schlimme Ruf hinein «Schlecht wie der
Mötteli », denn rücksichtslos suchten sie ihr
Gut zu mehren. Es ist nicht von ungefähr, daß
sie als böse Geister durch die heimischen Sagen
wandeln. Sie hatten das Schloß Rappenstein
gekauft, das später Möttelischloß genannt
wurde. Um seine Mauern geht die Sage, daß
unfaßbar große goldene Schätze aus dem Besitz
der Mötteli an unbekannten Orten vergraben
liegen, und es wäre ein leichtes sie zu
finden und dabei ein reicher Mann zu werden,
aber noch keiner habe die Bedingungen erfüllt.
Einem jungen Mann aus der Gegend wäre es
beinahe gelungen. Aber mit einigem Zittern
erzählte er, daß er sich nie mehr in jene Gegend
wage, und er sage es keinem einzigen,
wo die berüchtigte Stelle liege; denn er wolle
ihn nicht in die tödliche Gefahr bringen, der
er knapp entronnen sei. War es wirklich so
schlimm? An jener Stelle, wo der Möttelischatz
St. Dino Larese Galler-Sagen-087. |
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vergraben liegt, klopfte er um die mitternächtige
Stunde an die dicke Mauer; es war
ihm nicht ganz geheuer dabei. Da bellte gar
schrecklich ein böser Hund, und man hörte
das Rasseln von schweren Eisenketten. Unerschrocken
klopfte der Bursche wieder an die
harte Mauer. Wie von Geisterhand öffnete sie
sich, und zum Entzücken des Schatzgräbers
traten zwei junge, überaus schöne Mädchen
in weißen Gewändern heraus. Sie trugen zudem
zierliche rote Schuhe. Aber das Schreckliche
war, daß sie an den Ketten angebunden
waren, verzweifelt weinten und dem Burschen
händeringend ihr Leid klagten und um seine
Hilfe für ihre Erlösung flehten. Dabei war die
Bedingung unendlich leicht zu erfüllen, man
mußte die beiden Mädchen küssen, dann war
der Schatz errungen, und man war so reich
wie einst der Mötteli. Ach ja, sagte der junge
Mann und seufzte schwer, das Küssen wäre
leicht gewesen, und wie gern hätte ich es getan;
aber da stand neben den beiden Mädchen
der riesige schwarze Hund mit den glühenden
Augen und fletschte wild die Zähne. Wenn es
nur um das Küssen gegangen wäre, so hätten
die Mädchen schon längst ihre Ketten wegwerfen
können! Aber er getraute sich nicht;
denn man wußte nicht, ob im Hund nicht der
leibhaftige Teufel saß und einem mehr als nur
St. Dino Larese Galler-Sagen-088. |
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ein Stück Hosenboden weggerissen hätte; der
junge Mann kehrte um und eilte wie vor der
Sünde davon. Lange noch hörte er das Wehklagen
der Mädchen, das Bellen des Hundes
und das Rasseln der Ketten; und das Mitleid
mit den armen Mädchen bewegte sein Herz,
aber wenn es um eine Auseinandersetzung mit
den Geistern oder gar mit dem Teufel geht,
so schaut doch jeder auf seine eigene Seligkeit.
Der Schatz der Mötteli aber liegt immer noch
an unbekannter Stelle in jener Gegend vergraben,
und die armen Jungfrauen warten seit
Hunderten von Jahren sehnlichst auf ihre Erlösung.
St. Dino Larese Galler-Sagen-089. |
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DER TEUFEL IM KÜBEL
Was der Teufel eigentlich alles mit sich geschehen
läßt! Es ist gut, daß viele Menschen
nicht wissen, wie dumm der Leibhaftige ist,
sonst würden sie sich gar nicht mehr zusammennehmen.
Da kam er einmal zu jener Zeit
ins Dörfchen Grub, wo er sich einige schwarze
Seelen ergattern wollte. Die Leute merkten
aber bald, was für ein Gast ihre Stuben unsicher
machte, und sie wollten ihn natürlich
gerne wieder vom Halse haben. Man kann
aber einen Teufel nicht einfach wegschicken wie
einen gewöhnlichen ungebetenen Gast, dazu
braucht es einiges mehr, was ein gewöhnlicher
Sterblicher natürlich oft nicht weiß. Da meldeten
sie die Sage dem protestantischen Pfarrer.
Der kam voll Eifer her, und als er dem Teufel
in einer Stube entgegentrat, rief er mit hocherhobenem
Finger: «Ich komme und beschwöre
dich!» Der Teufel aber meckerte wie
ein alter Geißbock, grinste übers ganze Gesicht,
zeigte unverschämt seinen Hintern und
höhnte: «Ich komme und verzehre dich! » Da
fuhr der Schrecken dem Pfarrer in die Hosen,
begreiflicherweise, und er verzog sich in seine
St. Dino Larese Galler-Sagen-090. |
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Studierstube. Nun baten die Leute den katholischen
Pfarrer, sie vom Teufel zu befreien.
Der war nun ein älterer Herr, der einiges mehr
wußte, aber alle Beschwörungen, die er anwandte,
fruchteten nichts; der Teufel lachte
den Pfarrer aus und schlich weiter auf heimlichen
Pfaden durch das Dorf und lauerte auf
die Sünde. Als er um eine Hausecke bei der
Wirtschaft kam, erschrak der Teufel doch ein
wenig, als er wieder dem Pfarrer begegnete,
der diesmal einen kleinen Kübel in der Hand
trug. Da schwante dem Teufel etwas Böses, er
wollte nun mit einem Satz aus dem gefährlich
gewordenen Grub wegspringen, aber dazu
war es zu spät. Der Pfarrer öffnete den kleinen
Kübel, sprach einen nur ihm bekannten lateinischen
Spruch, und dann sagte er die Worte,
die die Gruber auch verstanden: «Ins Töbeli
im Chöbeli. » Und der Teufel war gezwungen,
ob er wollte oder nicht, er mußte in den Kübel
hinein. Der Pfarrer schloß den Deckel und
trug den Kübel in das nahegelegene einsame
Sacktobel. Die Gruber atmeten befreit auf;
der Teufel aber blieb lange Zeit gefangen in
dem Kübel im Tobel, und es war eine sehr
friedliche und duldsame Zeit in der Gegend.
Ein Mann, der von allem nichts wußte, fand
einmal den Kübel, dachte, den könnte er gut
gebrauchen, und trug ihn weg. Aber bei jedem
St. Dino Larese Galler-Sagen-091. |
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Schritt wurde der Kübel schwerer und schwerer,
so daß ihn der Bauer am Orte lassen mußte.
Wer den Teufel aber hinausließ, weiß niemand;
man weiß nur, daß es ihm gelang, seinem engen
Gefängnis zu entkommen. Es wird vermutet,
daß eine gierige Katze so lange am
Deckel herumnagte, bis er sich löste, weil sie
einen Leckerbissen im Kübel erwartete; einige
Gruber haben die Katze in später Nacht gesehen,
sie leuchtete seltsam wie ein Irrlicht,
verschwand aber bald aus der Gegend. Der
Teufel aber hatte genug; er zeigte sich nie
mehr in Grub.
St. Dino Larese Galler-Sagen-092. |
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DER HASENHOLZGEIGER
Keiner hatte ihn je gesehen, aber alle hatten
ihn schon gehört. In den heiligen Zeiten, an
Weihnachten und an den Fronfastentagen,
lauschten die Leute von Zuzwil und Linggenwil
seinem himmlischen Spiel, weil es dann am
schönsten aus dem Hasenholz herausklang,
wo der unsichtbare Spielmann, wie die Sage
erzählt, seine Geige so volltönend spielte, als
wäre er der «fürnehmste» Geiger der Welt.
Wer aber seinem zauberischen Spiel verfiel und
sich in das Wäldchen verlocken ließ, dem
wurde jene bittere Enttäuschung zuteil, die wir
als Knaben erlebten, wenn wir dem lockenden
Kuckucksruf in den Frühlingswald folgten und
dabei hofften, den scheuen unsichtbaren Sänger
zu entdecken. Man lief in die Irre und fand
oft den Heimweg kaum mehr aus dem unbekannten
Wald.
Einmal versuchte nun ein nächtlicher Heimkehrer
aus Linggenwil den Geiger mit leisen
Schritten zu überlisten. Es war zur Weihnachtszeit,
der Schnee lag ziemlich tief. Aber
der arme Mann irrte in der Dunkelheit nur im
Wald und im benachbarten Ried herum, und
St. Dino Larese Galler-Sagen-093. |
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erst als in der Morgenfrühe das Angelusläuten
von Linggenwil herüberdrang, fand er den
Ausweg aus dem Zauberkreis und kam todmüde
nach Hause. Als er sich ein wenig ausgeruht
hatte, plagte ihn doch die Neugierde,
und er wollte den nächtlichen Spuk bei Tage
enträtseln. Vorsichtigerweise nahm er aber
einen Gefährten mit ins Hasenhoiz. Da sah er
mit Staunen im Schnee seine Fußspuren, die
einen großen Kreis beschrieben, den er in der
Nacht unzählige Male gegangen sein mußte;
es war ein Kreis wie einer jener von Pilzen im
Sommerwald bestandenen, sagenhaften Hexenringen,
der ihn gefangengehalten hatte. Im
Dorfe Linggenwil sprach man noch lange von
diesem sichtbaren Beweis von der Existenz des
Hasenholzgeigers, denn ein Zeuge bestätigte
die Aussagen des armen Nachtschwärmers.
Oft, wenn er später in einer heiligen Nacht
dem Geigenspiel aus dem Hasenholz lauschte,
mußte er sein unruhiges Herz fest im Zaume
halten; denn der zauberische Ruf war so
lockend wie das Lied der Liebe.