|
Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen
|
"Heut, du geiziger Müller, Blüht dir der Weizen zum letztenmal!" |
Nun nahm es den Sack voll Mehlstaub in einem jähen Wirbel von der Schulter und schüttelte ihn aus. Da fegte und heulte tagelang ein Schneesturm durch die Lüfte. — Dorf und Mühle wurden eingeschneit.
Heute ist dort öde Eis- und Felsenwüste, kein Gräslein wächst, kein Tierlein findet seine Nahrung. Unter dem Eise aber steht noch immer die Mühle, man hört sie in den Schrunden klappern. Allnächtlich füllt der betrügerische Müller Korn- und Mehlsäcke und wägt die richtigen Mengen ab.
Das Höll-Hoopi
Das Höll-Hoopi ist den Menschen wohl gesinnt. Es gibt zuzeiten denen, die darauf achten, Schirm und Hut vor Feuer und Wasser, Steinschlag, Unwetter und Lauigfahr. Vor Höllenspuk und allen grossen
Uebeln, die den Leuten drohen, tut es von einer Baun oder vom Fluhrand herunter hoopen, so dass, wer will und mag, sich vorsehen kann.Besonders auf der Sefinenalp, da hat das Höll-Hoopi unsern Vätern und Vorvätern so manchen guten Fingerzeig gegeben!
Eines Sommers trieben die Sennen, obwohl sie sich sonst vertrugen wie zwei Finger an einer Hand, gegenseitig öfters Neckerei, Spass und Kurzweil. Sobald die Nacht auf den Hütten lag, pochten sie einander an die Türen. Wenn der Genarrte heraus kam, sah er völlig nichts und hörte nur 'das gewohnte Rauschen der Sefilütschine.
In einer stockfinstern Herbstnacht, kurz vor der Alpabfahrt, klopfte es dreimal hart an eine Hüttentüre in Sefinen. Der Hirt vermeinte, er solle wieder ans Narrenseil und fluchte: "Das sollen doch der Teufel und das Höll-Hoopi nehmen, meine Ruh will ich jetzt einmal haben! Ich komm dir nicht hinaus, du Cheib!"
Da sah er zwischen den Ritzen der Rundbalken hindurch ein seltsam fahles Erbleichen über die Alp huschen. Er warf den Kopf nicht mehr in den Nacken, trat eilig vor die Hütte und nahm wohl deutlich wahr, dass das kein Wetterleuchten sei. Jetzt sah er ein taubweisses Männlein mit einem grellblauen Licht behende über eine hohe Balm beineln. Es trieb Vieh und rief, dass es schaurig in allen Wänden widerhallte: "Hoo hoop! — Hoo hoop! — Hoo hoop!"
Die Haare standen dem Sefisennen zu Berge, und ein eiskalter Schweiss lief ihm schauerweise über
den Rücken. Da gab es nichts zu grübeln und deuten, das war das Höll-Hoopi; er und der Küher und der Hüterbub hatten es gesehen und gehört mit Eid und Gewissen. Der erfahrene Senn, der wusste, was er zu tun hatte. Er liess das Vieh zusammentreiben, machte die Stall- und Hüttengeräte bereit und befahl den Alpabzug, auf der Stell! Das war wäger eine Pflicht mitten in der rabenschwarzen Nacht. Die andern Aelper schlugen seine Mahnungen in den Wind und meinten, er sei, denk wohl, in der verkehrten Welt.Aber noch in der gleichen Nacht begann es auf der hohen Alp zu schneien, wie es selbst die Aeltesten nie erlebt hatten; stunden- und stundenlang fielen lautlos, ohne dass ein Lüftlein wehte, Flocken wie Fausthandschuhe. Die Senntümer, die oben geblieben waren, wurden eingeschneit bis an die Dachrafen, und es war bald kein Tabaksäckel voll Heu mehr zu verhirten. Alles hatte arg Lauisorg, und die Talleute mussten, was mit der Schaufel schoren konnte, den Alpweg lösen.
Erst nach Tagen konnte man abzügeln, und etliche schöne Haupt, Kühe und Rinder, waren elend eingegangen.
Guggi und der Landvogt
Vor Zeiten, als der Landvogt noch im Tale herrschte, hauste hier der Guggi, ein abgefeimter Haudridau. Wem er auf Weg und Steg begegnete, den guckte er unverschämt und lange an, deshalb
nannte ihn gross und klein den Guggi. Mit dem Landvogt draussen in Interlaken hatte er das Heu nicht auf der gleichen Bühne. Er war diebisch wie die Elster; was ihm gefiel, das nahm er mit. Sozusagen Jahr um Jahr musste er vor der hohen Obrigkeit erscheinen, und die sperrte ihn wegen seiner Schelmereien eine Zeitlang ein. Kehrte er wieder ins Tal zurück, dann meinte er, es habe ihm draussen im Schloss gar nicht schlecht gefallen, Speis und Trank, Ruh und Wärme habe er umsonst gehabt.Er war ein durchtriebener Galgenstrick, entwischte mehrmals aus der Kefi und berichtete seinen Talgenossen, wenn man vor dem Landvogt lüge, bis man selber glaube es sei wahr, dann komme man sicher zu seinem Recht. Und eine Lüge, die hatte der Guggi gewiss eher im Kopf als ein Pfarrer die Predigt. Als sie ihn einmal nach einem Ausbruch wieder eingefangen hatten, da guckte er dem Landvogt frech ins Gesicht und sagte spitz: "Ich weiss nun wirklich nicht mehr, wie ich es machen soll, denn schlupf ich ein, so ist es nicht gut, schlupf ich aus, so ist es auch nicht gut, jetzt ratet mir einmal!"
Eines Tages wanderte der arme Tunichtgut den Holperweg talaus. Auf der Gündlischwandbrücke begegnete er dem Landvogt, der auf einem Esel ritt. Guggi schaute bald den Landvogt, bald den Esel verwundert an. Schliesslich sagte der Landvogt: "Guggi, hast noch nie einen Esel gesehen?"
Der Schelm darauf: "Wohl schier, aber zwei aufeinander sind mir mein Lebtag nie vor Augen gekommen."
Dann schüttelte er die Fäcken 1•
Wie er das nächste Mal wieder eingefangen wurde, liess ihm die erboste, hohe Obrigkeit auf lange Zeit andere Hosen anziehen. Aber der Guggi schlüpfte wieder aus und erschlug auf der Flucht einen von des Landvogts Häschern.
Er flüchtete sich hinein ins Tal, und die Leute sagten, er hause heimlich in der Chorbalmhöhle ob dem Gassenweidli. Der Landvogt vernahm von dem Gerede und sandte seine Knechte an einem Sommermorgen früh hinein zur Höhle. Der Guggi in der Chorbalm drinnen hörte des Landvogts Schergen durch die Guferhalden 2 herauf zum Fuss der Fluh trappen. Er zog sich in den hintersten Winkel zurück, und von hier ragelte er noch hoch hinauf in die finstern, feuchten Windungen, die das rinnende Gletscherwasser einst in den Stein gehöhlt, vor vielen und vielen Jahren.
Wie des Landvogts Lanzknechte unter der weiten Balm im trockenen Steinstaub vor der Höhle standen — siehe - da hatte eine Spinne den ganzen runden Eingang verwoben mit feinen, taufeuchten Fäden in die Kreuz und in die Quer.
Guggi, dem sie nach dem armseligen Leben trachteten, der hörte ihr Werweisen. Bald kamen die Knechte überein, hinter dem zarten, unberührten Gewebe könne doch nie und nimmer jemand verborgen sein; sie suchten nicht weiter, und dem unwerten
Nach diesem Sommertage verschwand der Obdachlose aus der Gegend, keine Menschenseele hat ihn je wieder gesehen.
Das Toggelli
Des alten Majellis Mattysel 1, ein vierschrötiger, voliblütiger Mann, verhirtete im Winter weit draussen am Talend das Schneitweidheu. An die abgelegene Scheune auf dem Fluhrand war ein Hirterstübli angebaut. Wenn die matten Lichter drüben in Isenfluh eines nach dem andern ihr Zwinkern einstellten, dann suchte auch der Majeller sein Gelieger auf. Aber dann kam es so häufig vor, dass ihn hier oben in der wilden Einsamkeit das Toggelli plagte. Kaum war er auf das Lager gesunken, hörte er es durch den ersten Schlummer an der Fensterwand heraufkratzen und krabbeln. Jetzt kam es zum Flügelli herein, über den Bettladen herauf, hockte ihm mitten auf die Brust, drückte und würgte ihn, dass er schier erstickte.
Das Toggelli plagt ja viele schlafende Menschen. Der Mattysel wollte es einmal mit den Händen fassen; da war es grad, als ob er eine Handvoll Schmer erwischt hätte. Es trug ihm aber nichts ab, es zerlief
Eines Winters quälte das Toggelli des Majellis Mattysel so schlimm, dass es nicht mehr zum Aushalten war. Nach des Tages hartem Werk am Holz streckte er nur mit Bangen seine müden Glieder auf dem Laubsack. Wenn es ihm nächtlicherweile auf der Brust sass, und er schreien oder fluchen wollte, konnte er wohl den Mund aufreissen, aber es kam nicht der leiseste Ton heraus. Da zog er seinen alten Nachbarn zu Rat, und der stieg mit ihm unter der Hunnenfluh
durch den Buchwald hinaus nach der Schneitweid. Drinnen im Hirterstübli lag es für den guten Nachbarn klar auf der Hand, warum das Toggelli oft auf dem Majeller sass. Er sagte zu ihm: "Jää — du armer Tropf - du musst dein Guutschi 1 alsbald anders drehen. In einer Scheune vorn auf einer Fluh kehrt man nie und nimmer die Fussete zu Berg und das Kopfend zu Tal. Lieg mit den Füssen nach unten, beileib dem Wasserlauf entsprechend!"Er tat, wie ihm geheissen und legte fürsorglich noch jeden Abend ein schnittiges Beil auf die Bettdecke. Dann kam das Toggelli nicht mehr zum einsamen Schläfer in das Schneitweidstübli.
Der Kettenhund
von Lauterbrunnen
In alten Zeiten kam beim Schnierahorn in der Wegmitte zwischen Lauterbrunnen und Wengen oft zu Neumondnachtzeit bei Sturmwetter ein riesigmächtiger Hund zum Vorschein. Der hatte feurige Augen, tellergross und schleppte eine glühende, eiserne Kette nach. Mit dieser kam er herunter bis auf die Eybrücke gerasselt, bellte und jaulte schauerlich über alle Massen, dass das Echo zwischen Staubbach- und Schiltwaldfluh hin und her geworfen wurde.
Niemand wusste, was es mit dem Untier für eine Bewandtnis hatte, niemand wagte es, sich ihm in den Weg zu stellen, aber alle zitterten, wenn sie die grässliche Kette die Wengenkehre herunterschleifen hörten.
Ein Wenger auf der Fuchslotz 1
In einem harten Winter waren in den Wäldern rings um Wengen viele Fuchsbaue. Das Raubzeug hatte schlimm überhandgenommen. Weder Huhn noch Katze waren ausserhalb der Dachzube des Lebens sicher. Obschon es ein Jahr für Maus und Vogel gewesen, im Herbst Haselnuss, Acherrand 2 und roter Holunder in Fülle an Baum und Stauden hingen, kam mit dem Schnee und der starrenden Kälte wieder die Zeit der schweren Not über alles Wild. Die Mäuse frassen die Haare von den Schuhsalbbürsten, und die Füchse trieb der Hunger am hellichten Tag auf Raub. Ein Bauer am Lehn war seines Hühnervolkes wegen genötigt, dem Fuchsen obzuliegen. Vor der grimmen Kälte kroch er in einer Scheune ins Heu und war wartend, zwischen den Balken hinaus zum Schuss zu kommen. Die liebe, lange Nacht lag er im Heu, aber keiner von den roten Schelmen liess sich blicken. Der Heustock war angeschrotet, und unten im Stall hörte man dann und wann eine Kuh tryssen 3. Auf einmal 1
Auf der andern Talseite drüben begann der Morgen an den Felsen des Schwarzbirgs schon zu grauen. Nun kam plötzlich von der obern Scheune ein schwarzer Mann herunter bis auf die Platte vor der Stalltüre. Hier blieb er stehen und wartete. Aber man hörte von ihm weder Schritt noch Tritt, kein Lüftlein ging, es war so still, man hätte Flachssamen säen können. Da der Seltsame dem Besitzer der Scheune in Gestalt und Bewegung ähnlich sah, glaubte der Lotzer, der komme, um sein Vieh zu hirten. Um ihn nicht unnötig zu erschrecken, rief er zwischen den Flecken 1 hinaus: ..Erschrick nicht, Christen. ich bin hier oben auf deinem Heustock auf der Fuchslotz."
Da verschwand der vermeintliche Flirter vor der Stalltüre aufs Mal. Den oben im Heu, den blies ein Wind an wie der, der in Föhnnächten vom Gletscher kommt. Nun kam dem Fuchser erst in den Sinn. dass diese Scheune am Lehn ja schon lange verrufen. Durch einen Spalt hinaus sah er, dass der Unheimliche wieder vor der Stalltüre war, papierene Schuhe an hatte, plötzlich auf einem weissen Pferde sass und von der
Am Morgen wurde er, wohl vom föhnigen Windstoss, krank am Wasser und bekam ein Reissen im Rücken. Uebel und Wehtat vergingen erst, als er während drei Nächten ein Messer in die Wand neben seinem Bette stiess.
Das Brunnengespenst
Einmal hatten die Aelper auf Winteregg einen blutarmen Hüterbuben. Den lehrten sie mit Fleiss das Fürchten und erzählten ihm beim Abendsitz gruselige Geschichten von den Gespenstern, die in der Talschaft umgehen, der Nachtschniggella, dem Gryni, der Ruossggäntella, dem Pootzi, dem Hoopi, dem Pölimann und dem Haaggenmanndli. Er hörte kreidebleich zu, wagte es nicht mehr, über die Achsel zu blicken, geschweige denn vom Tische aufzustehen - Ani - es konnte denk etwa in jeder von den dunklen Hüttenecken ein solches hocken!
Einen von den Sennen, den ritt von Kindsbeinen an der Teufel. Kein Kind und kein Tier liess er in Ruhe, und von der Tagheitri bis in den Sternschein fluchte er einen Tonner in den andern. Dem machte es Lust, den armen Hüterbuben, über den niemand die
Hand hielt, bei stichheisser Sonne, in Nebel und tropfnassem Gras nutzlos herumzujagen und schurkisch zu behandeln.Eine ganz besondere Freude aber bereitete es ihm, den Knaben zur Nacht, die ja niemandes Freund ist, zu schrecken. Er schickte ihn, nachdem das Taglicht verblichen, über den Bletschflühen der Herrgott schon die Sterne an den blauschwarzen Himmel herausgehängt hatte, zum Brunnen hinter der Hütte Wasser holen. Sobald der Bub zur vordem Tür hinaus, sprang er rasch durch den Galtviehstall nach hinten und setzte sich, krumm wie eine alte Huschelhexe, auf den Brunnenstockkopf. Kam der Hüterbub um die Hüttenecke, begann er flugs zu schnarchen und zu knurren.
Nur die Angst vor Prügel hielt den Knaben davon ab, über Hals und Kopf davonzurennen. Er zitterte wie Espenlaub und durfte schier den Atem nicht ziehen, wenn er den Napf unter die Zube stellte. Wie er mit dem Wasser in die Hütte trat, fragte man ihn, ob das Pootzi auf dem Stockkopf wieder geknurrt habe. Der Bub stand weder Red noch Antwort; in Mark und Bein erschüttert hastete er die Leiter hinauf auf die Gasterra 1 und liess sich ins Bergheu fallen.
Einst, als ihn die Sennen hinein nach Mürren schickten, da traf er seinen Götti und klagte diesem, wie ihm das Leben draussen auf Winteregg zur Hölle werde. Halb im Scherz, halb im Ernst, gab der ihm Tadel und Rat: "Du bist etwa noch ein Rocklibuob,
Der erschreckte Bub nahm alles für Ernst - ja wäger - und als an einem der nächsten Abende das Brunnengespenst wieder so misstönig in die Bergnacht hineinschnarchte, da sprang er entschlossen auf den Trog und stiess ihm das Messer in den Leib.
Ein Stöhnen, ein schwerer Fall. und als die Sennen mit der Sturmlaterne zum Brunnen kamen, da sahen sie, wie das rote Rinnsal unaufhaltsam rieselte. Der Alpmeister bettete den Kopf des Verletzten in seinen Schoss, legte die rechte Hand über die Wunde und raunte den alten Spruch der Blutbannung:
Holdsälig ist die Stunde, Glücksälig ist die Wunde. Holdsälig ist der Tag, Da unser Heiland geboren war. Aer seil sorgen, dass die Wund nid gicht Und nichts gebricht, ja, nichts gebricht! |
Fort und fort aber rann das Leben aus dem wunden Leib des bösen Sennen. Da er ein arger Bursch gewesen, war alles umsonst. Mit dem letzten Seufzer hatte er Busse getan.
Bald unterbrach die nächtliche Stille auf Wintereggalp nur noch das sanfte Plätschern des Brunnens.
Kinder, hütet euch
vor dem Haaggenmanndli!
Im ganzen Lauterbrunnental treibt das Haaggenmanndli sein Unwesen. Obschon von Gestalt klein und unscheinbar, ist es stark wie ein Baum, hinterlistig und verschlagen. Diesem Kobold, dem ist im wildesten Wildwasser so wohl wie dem Fisch und in der Luft so wohl wie dem Vogel. Jahraus, jahrein ist das Manndli erpicht auf Menschenfleisch - jawolla ! Mit ganz besonderer Vorliebe geht es aus auf Kleinkinderfleisch, denn das ist weich und zart und, wenn gebraten, gar knusperig! Von der ersten Taghelle, die von den Gipfeln in den Talgrund sinkt bis zur Abendfinstri, die von den Taltiefen zu den Höhen emporsteigt, ist es ohne Ruh und Rast auf der Lauer. Es ist überall und nirgends. Aber am häufigsten trifft man diesen gefrässigen Passauf an den beiden Ufern der Lütschine vom letzten Haus in Sichellauinen bis hinaus zum Lütschisand am See.
Nicht nur am Wasser, auch an den Rändern der Mürren-, Schiltwald- und Hunnenfluh, ist es emsig auf dem Lugaus.
Das Haaggenmanndli hat einen langen, langen, zähen Eschenstock und vorn dran einen scharf gebogenen Haken wie ein Gyrenschnabel. Kommt ein Kindli zur rauschenden Lütschine und wirft Blümlein, Holz, Tannzapfen oder dergleichen hinein, um zu schauen, wie sie trudeln in den Strudeln, dann langt
es mit dem grässlichen Haken hinter einem wasserumbrausten Stein herauf oder unter einer Mutte der Böschung hervor. Der Haken, der greift blitzschnell um ein Bein - ein Ruck - ein Platsch - und das hungrige Haaggenmanndli hat seine Speise! In der Lütschine frisst es die armen Kinderlein roh und gibt die zarten Knöchlein den grossen Fischen.Aber vom Fluhrand, wo die vielen Beeren und Blumen allzu bunt leuchten und allzu gut duften, da häkelt es die Unvorsichtigen herunter, brät sie ohne Federlesen in den finsteren Balmen hoch in den Flühen, die ja jedermann vom Talgrund aus wohl sehen, aber nie und nimmer erreichen mag. Die kreischenden Dohlen und die schwarzen Raben zanken um die Reste.
Das Fineljääggi
Das Fineljääggi zu Oimmelwald war sein Lebtag ein verworrenes Tonnermanndli, das alle Halme aus allen Hägen herausrupfte und jeden Batzen schindelte. Auf dem Finel oben, eine Stunde oberhalb des Dorfes, mähte es immer über die March und behielt den Abnutz für sich. Es war ein missgünstiger Geizgnäpper, seine Geissen frassen zur Hälfte gestohlenes Gras. Das Jääggi 1 befahl ihnen des Morgens wie den Hühnern: "Flüg us, un gang suech!"Wenn die beiden
"D'r Choch im Huus Un d' Geiss im Wald Verdarben nid bald! |
Ja gewiss, heut hab' ich wieder gehuuset!"
Im Frühjahr, wenn Bach und Brunnen zu rinnen begannen, und die Bergweiden aper wurden, dann war das Jääggi beizeiten oben im Finel, um die seine von dem zu räumen, was der Winter Unerwünschtes zurückgelassen hatte.
Obsi g'ruumd ischt Zyt versuumd, Nidsi g'ruumd ischt ewig g'ruumd! |
Das Manndli liess sich das gesagt sein, warf eifrig an der Halde Schutt, Holzspreissel und Steine über die March seinem untern Anstösser zu. Alle guten Ermahnungen waren in den Wind gesprochen, aber als das Fineljääggi zu sterben kam - ooha! — da ging das nicht so leicht. Es war lange, lange Bettlieger, litt arge Schmerzen, und die Reue kam zu spät.
Nach seinem Tode sah man es unruhig mähen und auf seinem Grundstück so viel stehen lassen, wie es andern bei Lebzeiten Jahr um Jahr weggestohlen hatte. Dann wieder sah man das Jääggi stumm über die March treten und Steine von den Nachbargrundstücken räumen. Niemand wagte es mehr, vor heiterhellem Tag in dieser Gegend zu mähen, aus Angst, es könnte ihm ergehen wie dem geizigen Fineljääggi.
Man sagt, dass es nach vielen Jahren von dem mühseligen Werk befreit worden sei, aber die March oben im Finel, über die es ein Menschenalter lang mit seiner spitzen Sense gierig hinübergegriffen, heisst noch jetzt die Jääggismarch.
Die Zwerglein in der Bitzen
Wenn die Heuer in der Bitzen zu Gimmelwald mit dem werdenden Tag ans Werk gingen, war immer schon ein gutes Stück gemäht. Die alte Bauernregel:
Wolken bärgab, Puur, mäj Gras ab! Wolken bärguf, Puur. lad Heu uf! die brauchten sie kaum zu beachten. In der Bitzen konnten sie mähen, soviel sie wollten, zog das Gewölk talauf oder -ab, es kam immer alles trocken und würzig duftend wie Kräutertee unter Dach. Die Leute wunderten sich über all das sehr. Ein junger, gwundriger Bursche legte sich einmal kurz vor Tagesanbruch unter eine weitästige, alte Schermtanne, um die frühen Mähder zu belauschen. Er hörte aber nur ein kräftiges Rauschen in den flechtenbehangenen Kriesästen über ihm. Am Tag, der folgte, begab er sich schon zum Einnachten unter den Baum und verhielt sich mäuschenstill. Im Zwielicht des halben Mondes sah er. wie Zwerglein über die Bogenäste herunterrutschten und |
Hierauf ging der einfalte Latsch in den Alimiwald und sammelte Harz, um den Erdmännlein einen bösen Streich zu spielen. Er strich es unvermerkt in dicken Lagen auf die untersten Aeste. Am andern Morgen blieben die armen Wichtelmännchen jämmerlich an dem besonders klebrigen Bergharz haften. Es bereitete dem jungen Schnapper 1 helle Freude, zu sehen, wie sie von den Aesten kaum loskamen, zappelten und porzten.
Von da an wanderten die Zwerge für immer fort, weit über Täler und Höhen. Mit der frühmorgendlichen Handreichi und den gutgewitterten Heustöcken in der Bitzen zu Gimmelwald war es aus.
Die uneinigen Brüder auf Schiltaip
Die Schiltaip oder der Schilt an der Morgenseite des Schilthorns, eine grosse Mulde, wohl geborgen und eingebettet zwischen Wasenegg und Schiltgrat, gehörte einst zwei Töchtern aus dem Niederland. Der Schilt ist wohl klein, aber liegt im Biswindschatten, ist wasserreich, hilb und steht im Ertrag der mälchsten Bergschaft der Gegend nicht nach.
Wer hier alpete, dessen Gewerb war wohl versorgt, denn zum Schilt gehörten damals als Schneeweide die lägen Halden unten am Mürrenweg zwischen Staubbach und Sagigraben, von denen heute viel überwaldet ist. Fiel im Vorsommer oder Herbst in den Höhen unzeitiger Schnee, so zügelte man eben in die tief gelegene Schneeweide und war nie genötigt, gänzlich zu Tal zu fahren.
Die hablichen Töchter aus dem Unterland lernten sonimerüber zwei Brüder aus Gimmelwald kennen. die merkten, dass es da Honigwaben auf die Seite zu legen gab und die Schwestern an sich zu helben wussten.
Schon im ersten Sommer nach der Heirat wurden die beiden Brüder uneins. Der ältere, ein umsichtiger und erfahrener Mann, war der Meinung, dass man die so zahme Alp mit Kühen besetzen sollte. Der jüngere, der hatte ein Haupt ein Haupt - so hart und eckig wie ein Zügstuhlgrind 1 Dieser wusste es durchzudrücken, dass der Schilt nur mit Galtvieh bestossen wurde. Als im Herbst die Jungtiere sauber und wohlgenährt aussahen, dass sie völlig geschienen hatten, da lief dem Einsichtigen die Galle über, wenn er daran dachte, was für einen Abnutz man mit Kühen erzielt hätte.
Auch im zweiten Sommer setzte der engstirnige Querkopf aus lauter Trotz seinen Willen durch; der andere war wieder viel zu hinlässig und wusste ihm nicht die Stange zu halten. Und im dritten Sommer, 1
Dem älteren, dem stieg der Ekel weidensauer in die Kehle; er konnte es nicht mehr ertragen und erhängte sich oben in den "Guglen" an einem spitzen Felszahn.
Als der andere, der verworrene Tubeigrind 2, am Schilt weiter alpete, da lag auf diesem kein Segen mehr. Von nun an hatte es Sommer für Sommer die schönsten Rinder geviertelt 3, und der jüngere ging dann, wie der ältere Bruder, auch kinderlos und elend ab der Welt. Die beiden guten Witfrauen schenkten später den schönen Schilt der armen Berggemeinde, und noch heutigen Tages ist er Bäuertrecht von Gimmelwald.
Der Unglückssenn
Rechts vom Wasserlauf, auf Wengernalp, und links, auf Bletschen, alpeten zwei Männer in den besten Jahren. Beide bliesen das grosse Alphorn meisterlich, wie man es in den Bergen weit und breit nicht zu 2
Während eines Sommers wurde der Wengernälper von bitterem Ungemach verfolgt. Auf den "Sätzen" war mehr als ein Dutzend der schönsten Kühe im Eisbruch am Jungfrauberg dahergefallen. Den hangenden, starren Strom, der das Unglück gebracht, hat man seither den Kühlauigletscher benamst, und kein Vieh wurde von da an mehr hinüber getrieben.
Im Herbst, als die Bauern die Molken der beiden Alpen auf den Holzschlitten sorglich zu Tale zogen, stellte es sich heraus, dass Nutz und Ware der Wengernalp, alles leiberment, keinen Vergleich aushielten
mit denen von Bletschen. Milden Käse schichteten diese auf, der war gelber als das Ei.Jetzt hatte der Wengernälper bei seinen Bauern keinen Stein im Brett mehr. Er war, Gott sei es geklagt, gäh wie Feuer und Pulver. In Jähzorn und Eifersucht erschlug er den Bletschner und floh in die herbstlichen Berge.
Solange sie ihn auch suchten, sie konnten seiner nirgends habhaft werden. Der Unglückssenn nächtigte in den verlassenen Hütten, lief tagüber ruhlos Beeren und Kräutern nach.
Eines Morgens, es war bereits eine herbige Kälte, hie und da tanzte schon eine wilde Flocke zum grauen Himmel heraus, tönten vom Wykibort wieder mächtig die alten Klänge des Alphorns hinüber in die Mürrenfluh. Das war so seltsam zu beginnenden Schneeszeiten. dass alles erstaunt aufhorchte im Grund und auf den Höhen.
Der Hirt hatte wohl gewusst, dass die Töne ihm die Freiheit kosten würden, aber Sehnsucht und das trotzige Justament hatten ihn übermannt. Die Häscher der hohen Obrigkeit fanden den ehemals steckengeraden Bläser in der Wykiborthütte - einen verwilderten, gebrochenen Mann. Das grosse Horn lehnte an der Wand.
Als der Landvogt den Unglückssenn talaus führen liess, hörte man hinter ihm nicht eine einzige üble Rede; sein Anblick tat allen im Herzen weh, denn soweit man wusste in den Bergen, war bisher noch nie ein Senn an den Galgen gekommen.
Zwei Kühe in einer Seili
In einer Hütte auf Sefinenalp kam den Aelpern eines Sommers etwas so Seltsames zuhanden, dass sie den Verleider bekamen und drohten, der ganzen Sennerei den Buckel zu kehren. So peinlich sie im Stall auch Ordnung hatten und jedes Haupt an seinen rechten Platz an die Barni banden, kurz nach Mitternacht unmussete 1 das ganze Gewerb, und am Morgen waren stets zwei Kühe in einer Seilschlaufe. Die beiden Tiere stampften und zerrten, waren schier am Ersticken, und ihr Milchertrag war gering. Der Knoten in der Seili war so stark und zäh eingerissen, da half kein Fluchen und Wüsttun, das ganze Seil musste zerschnitten werden, und so ging es, bis die Alp leer wurde.
Das lag auf der Hand, dass zu Beginn des nächsten Aipsommers ein Kapuziner kommen musste, um Abhilfe zu schaffen.
Da kam dann einer aus Unterwalden, ein kurzer, dicker Knutti, der, wenn es streng bergauf ging, den Atem gar tief unten holen musste. A—aaber ooha, dieser Pater, der verstand seine Sache! Sobald er das Gehalt betrat, betete er:
D'r Liebgott weil ys decke, d'r Liebgott weil ys wecke! Gott gäb ys Schirm und Huod, sächs Nachtengel guod, zwee zu Hoipt und zwee zun Fiesse und nähen ys. D'r Liebgott weil ys bewahre vor aller
Am Morgen darauf, als wieder zwei Haupt in die gleiche Seili gezwängt waren, nahm der Kapuziner einen tannenen Sparren, schlug damit in den drei höchsten Namen dreimal auf den Knoten und siehe — er liess sich mit Leichtigkeit lösen. Hernach bohrte er ein Loch in jede der Hüttenecken, steckte einen Zettel hinein und verzäpfte es wieder. Seither litten weder Sennen noch Vieh mehr unter der lästigen Alpplage.
Die Lichter in der Hanneggscheune
Oberhalb Wengen liegt die Hannegg, eine grosse Vorsassweide mit einer wohigehaltenen Scheune. Wenn der Bauer das Heu aufgeazt hatte und mit dem Vieh in ein anderes Gehalt zog, öffnete er, wie üblich, den Fellbalkenladen ob der Stalltüre und die zwei seitlichen Luftlöcher, damit der scharfe Durchzug die Feuchtigkeit auf der Brügi 1, an Wänden und Diele trockne.
In finsteren Gewitternächten sah man nun durch die drei Löcher öfters übernatürlich grelles Licht zünden. Als es seinen hellen Schein wieder einmal nach allen Seiten warf, gingen zwei Vetter aus dem Dorfe,
In einer andern, tönenden Gewitternacht, da funkelte das geheimnisvolle Licht wieder. Jetzt gingen die zwei Vetter noch einmal hinauf und wähnten, dass ihnen zu der Stund, wo ein Tag den andern ablöst, die Maus wohl leicht eingehen könnte. So leise wie ein Hauch machten sie die Stalltüre auf. An einer Wand hing ein helles Licht. Es füllte den niedern Stall mit Glanz. Ein schwarzes Männlein, wesenlos wie ein Schatten im flackernden Scheine, stand mitten auf der Kalberbrügi. Es hatte drei von den schweren Brügiladen gehoben. Darunter war ein mächtiggrosses Loch, und das war bis an den Rand gefüllt mit schönen, gelben, duftenden Bergkäsen. Der Schwarze bot ihnen Tabak, entzündete ihn mit Schwamm und Feuerschlagenmesser und sagte mit einer Stimme, die klang wie aus einer anderen Welt: "Wenn man lebte, wie man sollte, wäre das Sterben eine Freude. Ich habe mich am Alpnutzen vergriffen vor längst entschwundenen Tagen, und mein Lebtag sprang mir jedes vertraulich gehörte Wort bald über die Zunge. Jetzt büsse ich hier, und es können mich nur zwei erlösen, die das gleiche Geheimnis wohl bewahren während sieben langen Jahren. Könnt ihr so lange verschweigen, was unter den Brügiladen verborgen, soll die ganze Hannegg euer sein!"
Die beiden wussten, dass solch eine Gabe nicht an allen Hagstecken hängt. Sie gingen still und verschwiegen nach Hause und hielten reinen Mund während all der Zeit.
Im achten Jahr, da ging abermals der schwarze Tod durch das Tal, und noch ehe die Sonne ihren Lauf wieder wendete, hatte die Hanneggweide schon fünfmal Hand geändert, fiel schliesslich den verschwiegenen Vettern von Wengen zu, und die Lichtlein zündeten nie mehr aus dem leeren Stall nach Wengen herunter.
Schaflitaufi auf Sefinenalp
Auf Sefinenalp sömmerten einst Hirten das Vieh, die waren gottsträfliche Lotterbuben. Sie pflegten das Unvernünftige schlecht, fügten ihm mit Willen Leid und Wehtat zu und lachten satanisch, wenn ein Haupt erfiel. Wege und Alp waren übel besorgt. An jedem Geigersonntag werkten sie rasch nur das Allernötigste und sprangen, wie der Heuschreck ins Wasser, Hals über Kopf ins Tal, wo sie die Geigen gehen hörten. Nur wenige stiegen am gleichen Tag zur Besorgung des Viehs wieder zu Berg. Die andern waren jeder ein Puuzaus, tranken weit über den Durst. und wurden die Hirten ob ihrem lästerlichen Tun zur Rede gestellt, dann sagten sie: "Wir nehmen grad noch eins, der Leib hat es verdient, der Leib muss es haben." Dann gaben
sie dem Letzten in der Tanzstube den Bündel auf, bevor sie wieder in den verrufenen Boganggenstafel hinaufstiegen.Man sagte bald von diesem:
In Boganggen tüejen si nid wan neben un ranggen un fluochen un zanggen! |
An einem schönen Sonntagmorgen waren die gottlosen Schlendriane oben auf dem hohen Läger wieder einmal alle ab der Kette, und aus lauter Teufelsucht beschlossen sie, ein Schafli über den Tauf zu tragen. Der Schweiger war der Pfarrer, einer der Hirten Götti, und den Werkmann verkleideten sie als Gotta. Die langen Strähnen des gelben Vollschaubes 1 wurden zu schönen Flechten geflochten und der Schafligotten an den Rücken gehängt. Aber trotzdem die Sennen selbst mit der heiligen Taufhandlung Spott und Allotria trieben, wagten sie es doch nicht, die drei höchsten Namen anzurufen.
Die geibbezopfte Gotta packte das zappelnde, blökende Schafli bei der Wolle, hielt es dem Schweigerpfarrer hin, der es in den Brunnentrog tauchte und laut über den im Morgensonnenglanz liegenden Stafel rief:
Ich taufe dich im Namen der Geissen, Un Geissbänz sollt du heissen! Amen. |
Nach ihrem Ableben aber kamen diese wüsten Gäste nicht an ihre Ruhe, plagten auf allen Lägern, wo sie bei Lebzeiten so übel gehauset, das Vieh. Sommer für Sommer gingen wäger ein halbes Dutzend der besten Tiere über die Fluh oder wurden sonstwie abgängig.
Nachdem sich Aelper und Bauern bis aufs Blut gelitten, wurden sie einig, einen Kapuziner zu rufen, der die bösen Geister banne und die Alp von all dem Ungemach befreie.
Eben war wieder ein schönes Meischrind von einem Stein erschlagen worden, als der Klosterbruder kam. Er nahm aus seinem Zwilchsack drei Stricke. ging hinauf zum toten Rind, band die unsichtbaren, bösen Geister alle an, winkte einem Jungsenn, der ein gläubiger, gottesfürchtiger Bursch war. Er befahl ihm, weder zu reden, zu lachen, noch zu singen und mit seiner derben Küherpeitsche die Geister zu treiben. Der Kapuziner schleifte die Stricke hinter sich auf dem Alpboden nach. Der Aelper musste nach jeder Vaterunserlänge mit seiner Peitsche hinter den Strickenden auf den Boden schlagen. So kamen Jungsenn und Kapuziner über das Bründli und damit auch über die Grenzmarch der Sefinenaip.
Hier liess der Bruder die drei Stricke fallen und verbrannte sie auf dem selben Fleck. Die Asche streute er in den Wind und verbannte die Argen auf die andere Talseite hinauf in die ewigen Eiswüsten des wilden Rottals, wo sie kein Unheil mehr stiften können.
Ein mageres, hageres
Chudermänndi zieht die March
In Wengen war seinerzeit ein grosses, schönes Stück Land. Im Vorfrühling, wenn auf allen Wiesenhängen weit und breit noch das bedrückende Fahlgelb lag, spross hier schon freudig das erste Grün, und dieses schoss bald in das saftigste Kraut, des Bauers Augenweide. Mitten hindurch floss in lustigem Lauf ein silberhelles Bächlein. Es führte das allerbeste Trinkwasser der Gegend, und selbst in der grössten Winterhärte sah man an seinem Rande nie Eis. mi heissesten Sommer, wenn man fürchtete, die unbarmherzige Sonne scheine Dürre und Hunger ins Land, spendete es in stets gleicher Fülle seine kühle Gabe. Das Riebibächli trieb eine Sägemühle und rieb den Menschen Roggen und Gerste. Zwei Bauern stiessen mit ihrem fetten Grund und Boden daran und lebten in Streit und Hader. Jeder war des Sinnes, das Bächlein gehöre ihm, und da sie beide gähes Pulver hatten, entbanden sie oft den Teufel und taten einander Uebles an. Nach Jahren aber wurden sie doch rätig, ein altes, hageres Chudermänndi, das dann und wann in Wengen erschien, als Richter anzusprechen. Niemand kannte es näher, aber auch niemand konnte ihm üble Rede nachwerfen, und es hiess, es wisse und verstehe mehr als andere.
Eines schönen Tages erschien es; die beiden Bauern brachten ihm ihr Anliegen vor und baten es um des Herrgotts Willen, es solle ihnen doch marchen.
Das Männdi darauf: "Ja, ihr streitsüchtigen Manna, das ist jetzt noch keine Notsach, an jedem gewöhnlichen Tag kann ich das nicht tun, ich komme dann in Ustagen wieder, zu einer ganz bestimmten Zeit."Als der Rottaler 1 wieder einmal in wilden Stössen talaus fuhr, das Unterste zu oberst kehrte, Schnee und Eis in seinem heissen Atem an Fluh und Hang zergingen, da waren beide des Richters wartend. Er kam aber erst mit Kuckuck und Schwalbe und hatte nichts bei sich als ein haselnes Zwieselstecklein. Mit dem fuhr er dreimal durch das Wasser des Riebibächleins und rief mit einer hohen Stimme, die tönte wie der Ruf des Herrenvogels: "Ich für mein Teil, ich behalt mir Leib und Seel vor, aber euch, ihr Sackerhagel, ihr Kratzbürsten, euch will ich jetzt marchen, dass für alle Zeiten gemarchet ist! Ihr habt lange genug einander zuleid gelebt! Morgen, noch bevor der Tag anschlägt, wird die March gezogen sein."
Und dann auf und fort, wie ein erzürnter Bettler, kein Mensch im Tal hat das Männdi je wieder gesehen.
Das Wetter begann zur Stund stössig zu werden; grosse, pechschwarze Wasserträger stauten sich an den Hochgipfeln, und um Mitti Nacht brach ein so schweres Unwetter los, wie es in der Talschaft zu keines Menschen Lebtag je vorgekommen war. Der Regen fiel in Geisselschnüren, es stürmte und blies, und das ganze Tal fing an zu beben, zu tönen und zu rauschen in Wind und Wasser. Ein Donnerschlag krachte in den andern, der Widerhall rollte in den
Als am andern Morgen die Wind- und Wasserkräfte ausgetobt hatten, und die beiden Bauern am Riebibächli Wasser holen wollten - pootz Teufelwetter! da war auf alle Zeiten gemarchet. Aus dem Bächlein war ein Bach geworden, und der floss in einem vieldutzend Fuss tiefen und breiten Bett. Er heisst jetzt der Chnewgraben und trennt den Weiler Schiltwald vom übrigen Wengen.
Der Rosenbach
Fern, irgendwo auf der andern Seite der hohen Lauterbrunner Grenzberge, liegt im Wallis ein abgelegenes Bergseelein. Niemand ergründete je, wo es seinen Abfluss hatte.
Im Lauterbrunnental, innerhalb der tosenden Trümmelbachfälle, etliche Dutzend Fuss über der Talsohle, quillt schneeweiss aus der senkrechten Fluh, vom Beginn der Rosenblust bis Weinmonat ein ansehnlicher Bach; dann versiegt er wie auf Zauberwort.
Ein Bursche im Wallis brachte einst seiner Auserwählten, die in der Nähe des Seeleins der Pflege des Viehs oblag, aus dem Rhonetal herauf einen Strauss Rosen. Als beide am Ufer des düstern Bergwassers
sassen, kamen sie überein, ein paar Rosen ins Wasser zu werfen, um zu schauen, wo sie wohl verschwinden würden. Bald entschwanden die Blumen in der dunklen Tiefe, kamen aber im Wallis nirgends zum Vorschein.Wie erstaunten die Lauterbrunner, als der geheimnisvolle Bach aus dem Bergesinnern Rosen schwemmte ! Genau neun Tage lang sollen die Blumen durch die Leiber der Berge gewandert sein, und es ist wohl verständlich, dass die Talleute den seltsamen, bisher namenlosen Wasserlauf Rosenbach nannten.
Der schwarze Schimmelreiter
Auf der Alp Winteregg war einst ein alter Gimmeiwalder Werkmann. Obschon die Mistgrube jeden Abend leer war, sagten viele Berganteilhaber, wie sie das so gerne tun, auch von diesem Werkmann, er sei ein fauler Paschi und mehr als nötig auf dem Ohr.
Wenn er bis zum Einnachten Mist austrug, verschwor er sich, so wahr ein Gott im Himmel, es reite in der Dämmerung ein schwarzer Reiter, der den Kopf unter dem Arm trage, auf einem Schimmel über die obere Halde und durch den Värrich 1 neben dem Gehalt. Dann und wann rannte er auf dem schneeweissen Tier wie ein Blitz um die Hütte herum und versank dann regelmässig lautlos im kleinen Sumpf nebenan.
Alle andern sahen von dem Spuk nichts, schalten den Gimmelwalder einen Dümmling und lachten ihn aus.
Der Werkmann geriet so in Harnisch, dass er einmal ein Gewehr nahm und auf den kopflosen Schimmeireiter schoss, ihn aber nicht traf.
Der Giinmelwalder warnte aber die Aelper jedesmal, wenn er den Schwarzen sah, in nächster Zeit das Vieh besonders gut zu hüten und früh zu stauen, dass es mi heraufziehenden Schlechtwetter nicht rücke.
Bald nach der Erscheinung füllte es tatsächlich immer hinten im Anrichtloch der Sefine schwarze Wolken ein. Der folgende Tag liess alle Wetter toben, schickte Regenruten, Wassersturz, Hagelschmeiss und einen bitterkalten Sturmwind, der mit seinem groben Kamm so unwirsch über Dächer und durch Bäume fuhr, dass schlecht beschwerte Schindeln und Gürmschblätter hoch durch die Lüfte flogen wie Vogelschwärme.
Rottalhans und Stufensteintoni
Das Rottal, der weite, wilde Gletscherkessel hinter dem Jungfrauberg, war vorzeiten eine schöne, saftige Alp. Hier lag ein junger Mann, Rottalhans, dem Viehgewerb ob. Eine Stunde weiter unten, auf Stufenstein, das damals nicht ein so mageres, kratziges Alpetli war wie heute, war Toni Senn. Sie waren jung, mächtiggross und stark wie die Bären. Als Rottalhans einmal zu Stufensteintoni hinunterstieg zum Abendsitz, da ging der ins Milchgaden und bot ihm eine zwanzigmässige 1 Gebse 2 voll Milch als Labetrunk. Mit einer Hand bot er ihm die mächtige Gebse, die war so voll, dass die Biene hätte draus trinken können, und auf den Boden floss nicht was Tau am Haim.
Ob dieser stummen Kraftprobe staunte Rottalhans, nahm aber die Gebse auch mit einer Hand, holte den Atem tief unten, setzte an und liess die zwanzig Mass rinnen.
Von dieser Stunde an drückten Neid und Eifersucht die beiden noch schlimmer als bisher, denn unten im Ammertengrund, da war eine Jungfer, man sagte von allem Wunder, was das für eine sei, zwei Augen wie der Himmel über dem Firn, zwei Wangen wie Bergrosenblust, und Hans wie Toni wähnten sich Hahn im Kratten.
Einmal, als Toni sich anschickte, in den Grund hinunter zu gehen, sah ihm Rottalhans oben scheelen Auges zu. Er schaute über den Fluhsatz vor der Hütte hinunter und brummelte bärbeissig: "Was will er so zu Unzeiten schon wieder drunten? Ich weiss, wo ihn der Schuh drückt, den tonners Gassenschlingel!" Da kam Tonis Hüterbub herauf ins Rottal: "Hoi-hoo - Hans, wie geht es hier oben? Toni war schon die Woche, die verwichen, eine Teufelslänge unten im Ammertengrund, und eben ging er wieder. Da habe ich gedacht, ich komm zur Kurzweil herauf zu dir z' Dorf."
Da liess Rottalhans alle Lasterwörter fallen, die ihm auf die Zunge sprangen, bekam einen Kopf, so rot wie eine glühende Kuhtreichel und sprang, ohne mit dem verdutzten Buben das Geringste zu worten, in solch grässlichen Sprüngen bergab, dass er Tritt für Tritt in den harten Felsen einsprang, und das Alpetli von da an der Stufenstein hiess.
Sobald er Toni eingeholt hatte, packte er ihn an, und es begann ein Kampf auf Tod und Leben. Nach langem Ringen erst musste Toni von Griffen lassen und sank, wie ins Herz getroffen, zusammen.
Von Gewissensbissen gefoltert, kehrte Hans nach dem Rottal zurück, und seinem Leben war auch bald ein Ziel gesetzt. Ob er freiwillig in den Tod ging, oder ob er vor Ueberanstrengung starb, konnte nie ermittelt werden.
Mit gewaltiger Schnelligkeit wuchs nun der Gletscher an der Jungfrau, und bald bedeckte der mächtige Eisstrom die ehemals prächtige Alp Rottal. Wie
das Stöhnen eines geängstigten Geistes liess es sich jahrhundertelang und bis zur heutigen Stund aus den tausend und abertausend kleinen und grossen Gletscherschründen hören. Wenn heute der Rottalföhn tosend und keuchend in den Grund niederstürzt, so sagen die Leute: "Hörst du, wie Stufensteintoni und Rottalhans sich schlagen oben in den Flühen?"
Das Gryni
Auf der Hunnenfluh, die wie des Herrgotts Bollwerk die rechte Talseite nach aussen abschliesst, hört man im Frühling und im Herbst, wenn es ander Wetter machen will, und die ersten heissen Föhnstösse die Tannenwipfel auf dem Fluhrand wie Weidenruten biegen, in Ausserwengen ein Klagen und Schluchzen. Das ist das Gryni.
In einem Jahrhundert, das längst verronnen, wohnte an der Spendägerten in Wengen ein Mann mit seiner Frau. Ihr einfaches Leben floss in Eintracht und Arbeit dahin. Als, nach Jahren erst, sie auf Jugend hoffen durften, war die Vorfreude gross. Eines Tages stand ein Kind auch wirklich an, aber mit ihm brach Ungemach über die Leute herein. Das Kleine hatte mitten im Gesicht ein rostrotes Muttermal, grösser als die Fläche einer Hand.
Das Unglück werkte die junge Frau lange Zeit ins Bett, es brach ihr den Schlaf, und sie hintersinnete sich schier. Sie schämte sich des Kindes, trug es nicht
über den Tauf und tat keinen Schritt mehr unter die Leute. Ganz langsam - helf ihr Gott im Himmel oben — reifte in ihr der Gedanke an ungute Tat.Eines Sonntagmorgens, als drunten im Grund die beiden Glocken gar feierlich die Talleute zur Predigt riefen, war ihr Mann schon längst auf dem Kilchweg. Sie jetzt auf und davon, mit dem armen Kind in der Schürze, unterhalb des Dorfes über Rohrflüh und Brunni hinaus nach der Hunnenfluh. Hier leerte sie es in die schauerliche Tiefe, und unten nahmen es die weitästigen Buchenkronen des grossen Schmelziwaldes auf.
Als der Mann vom Tal heraufkam und nach dem Kind fragte, da focht sie mit Lügen, es sei ihr abhanden gekommen. So lange man auch suchte, auf Fluhsätzen, in Gräben und Wäldern, das Kindlein blieb verschollen. Es kam niemand in den Sinn, im Talgrund und am Talend draussen zu suchen.
Angst und Kümmernis aber brachen der Frau Herz, und eines Abends, der liebe Gott sei ihrer Seele gnädig, hing sie im Aegertenhaus am Strick.
Damit es dort nicht ungeheurig werde, und die Arme an ihre Ruhe komme, nahm man, altem Brauch gemäss, die Leiche nicht über die Türschwelle, sondern oben zum Schindeldach hinaus. Dann vergrub man sie, unweit vom Haus, im Spendägertenloch.
Alle kluge Vorsehung aber war umsonst, das Gryni kam aus dem Loch herauf und strich zu gewissen Zeiten an den Ort der bösen Tat. Auf dem Rossibort streifte es stets eine Hausecke. Es war
in der Nähe zu hören wie ein in Angst dahineilender, atemloser Mensch. Wenn es aber weiter talaus kam, hauelte es laut auf.Noch heute hört man dann und wann am Rand der Hunnenfluh, wenn im Sturm die Wipfel ächzen, das Spendägertengryni dem toten Kinde nach in den Abgrund hinunterweinen.
Die weisse Frau am Mattenbach
Vom hintern Grund ragen die Felsen des Schwarzmönchs lotrecht hoch in den Himmel empor. Morgenseits werden die Steilstürze durch etliche Fluhsätze unterbrochen. Ueber diese schwebt bei Schneeschmelze und Landregen silbern der Mattenbach nieder. Ist dies bei Föhnlage im Winter der Fall, dann sagen die Leute im Stechelberg: "Der Mattenbach rinnt zu Unzeiten, die weisse Frau wäscht ihr Geld."
Alle hundert Jahre wird sie einmal hier gesehen, und sie wartet auf Erlösung durch ein Heilignachtoder Froufastenkind 1• Aber sie wartet schon seit undenklichen Zeiten, denn das Dörflein ist gar klein, und so wenig Kindlein werden in einer von diesen Nächten geboren.
Es war einmal ein Winterabend, in den Hofstätten schliefen Baum und Strauch in herbiger Kälte. Alles war Stein und Bein gefroren; an den Felswänden oben
In der frühesten Morgenfrühe, es war grad zwischen Tag und Nacht, die sinkende Mondscheibe stand übergross hinter der Gydisfluh, da waren die Bergbauern, mit den Milchbrenten am Rücken, schon auf dem Wege zu ihren dunkel in den Schnee geduckten Scheuerlein. Nachdem man die ganze Nacht das Eis von den Flühen hatte poltern hören, verwunderten sie sich nicht, dass der Mattenbach in gehörigem Schwall über die Sätze sprang. Einer von den Hirtern war ein Froufastenkind. Als er dem Vieh Futter gestossen, Wasser angeboten und die übrigen Stallarbeiten besorgt, da schloss er sorglich die Türe und sprach wie gewöhnlich vor dem Weggehen sein: "Walt Gott!" Er war kaum ein paar Stubenlängen vom Stalle weg, grad auf der Brücke, da sah er am untersten Mattenbachfall die weisse Frau in schneereinem. wallendem Gewande. Sie wusch in den rauschenden Wasserschleiern blinkendes Silber, eine Laubhütte voll. Er sah es so deutlich wie die Hand vor dem Gesicht. Jetzt winkte sie ihn heran, und als er wie ein Hölzerner stehen blieb, da rief sie: "Guter Mann, habt doch
Dem Bauern, der ein armer Schlucker war, und der es in der Hand hatte, der hablichste Mann zu werden, dem sass die schwarze Furcht im Nacken. Der Narr musste ein Zeichen tun, sprang ab vom getretenen Weg mit der vollen Milchbrente am Rücken über Stotz- und Schreithäge heimzu.
Und die weisse Frau muss nochmals hundert Jahre warten, bis der Mattenbach wieder einmal im Winter rinnt, der Rechte kommt und sie erlösen kann.
Der Schlangenkapuziner
Seit altersher gab es in der Sefinen aussergewöhnlich viele Schlangen, und zuzeiten wurden sie für die Alp zur Plage. Auf dem Kühboden hinter dem Bründli sah man einmal eine, die so gross war wie ein Ladholz.
Einst kam ein Kapuziner über die Furgge und sah die eklen Kriechtiere sich im Grase wälzen oder auf Felsplatten sonnen. Er anerbot den Sennen, um den Preis eines fetten Alpkäsleins die Schlangen zu verbannen. Die Hirten aber waren zu dumm und zu geizig und lehnten es ab.
Der Klosterbruder gab ihnen zurück: "Ihr Racker und Geizkratten, hätt' ich das, was ihr zu wenig habt, dann hätt' ich wahrlich genug. Mag auch sein, dass ihr meiner Kunst nicht traut. Fürwahr, ich will euch ein Exempel geben. Fortan sollen Vipern und Ottern
und alle giftigen Tier den Grund zwischen Tschingel und Sefinenlütschine, ob Wald, ob Weid, ob Fels, meiden wie der Teufel das heilige Kreuz, eher Hungers sterben.Seither hat niemand mehr eine Schlange gesichtet zwischen den Wassern der beiden Lütschinen, aber nördlich vom Wasserlauf, auf Sefinen, gab es immer mehr von dem Gezücht.
Das war so auffallend, dass etliche nicht umhin konnten, mit gespaltenen Haselstecken von den giftigen Würmern zu fangen und sie über die schäumende Lütschine hinüberzuschleudern. Und jeder, der es tat, verfluchte sich Leib und Seele, die Schlangen seien, als ob der Boden unter ihnen glühend, in unruhiger Hast wieder gen Sefinen der Brücke zugerollt.
All die Nutzniesser der mälchen Alp gäben gerne etwelche von den gelben, fetten Bergkäslein, wenn er noch einmal käme, der Schlangenkapuziner.
Der Marchgänger
Im Dorfteil Morgengabe zu Stechelberg kaufte einmal ein Bauer ein Bergheimetli. Es war recht besorgt; ein neuer, starker Stotzhag aus entrindeten Tannästen umzäunte das Ganze. Schon am ersten Abend bemerkte der neue Besitzer, dass auf der Innenseite, den Hagstecken entlang, ein seltsamer, unbekannter Bursche schleppend dahinschritt, so gemächlich wie das Vieh im Weidgang. Als sich das an den nächsten Abenden wiederholte, entschloss sich
der Bauer hinzugehen und mal zu schauen, was der stumme Marchgänger da mache. Er schritt mit ihm dem Hag entlang und sprach ihn mehrmals an. Der aber schlarpte durch das Gras und erachtete ihn keiner Antwort wert. Da wurde aus dem gutmütigen Bauern ein rässer Feuerteufel: "Du dummer Lätsch, dir will ich schon die Zunge lösen! Meinst, ich lasse dich, so manchen Abend der Herrgott schickt, in meinem Gras umherstrüelen?"Er packte ihn mit seinen zerwerkten, groblochten Bauernhänden und stürzte ihn mit einem Ruck kopfüber auf die Aussenseite des Stotzhages.
Jäh sprang der Marchgänger auf die Füsse und rief ihm zu:
"Hättischt du nid g'fundes Brot Un eichig Chohl, Su brächt i di in Not. Dass d'r nie meh wurdi wohl!" und verschwand für immer, als ob der Boden ihn geschluckt. |
Der Bär in der Steinstessi
An der Wengernaip ist der Steinstessigraben. In seinem obern Teil, wo er gegen die Männlichenkette ausläuft, übten sich die Sennen sommerüber seit langern im Steinstossen; deshalb heisst es dort noch heute in der Steinstessi. Auch der Pfarrherr war tätig dabei; es hiess von ihm:
Herr David Müsli, im Tale erster Prädikant, Der hat den Stein gestossen mit seiner eignen Hand.In vergangenen Zeiten hauste hier in den grossen, schwarzen Wäldern der Umgehung der leidige Bär und schlug den Bauern ihr Kleinvieh.
Die Bergleute gingen dem bösen Raubwild beherzt zu Leibe und verdrängten es selbst aus den hintersten Winkeln der Hochtäler. Der letzte Bär aber, der machte den Berglern arg zu schaffen. Es wurde öfters gesehen, wie er über den Steinstessigraben wechselte. Da soll sich ein Wengenbauer, dem er Vieh geschlagen, ermannt haben, allein dem Untier auf den Leib zu rücken. Man sah ihn nie mehr, und es hiess, der Bär habe ihn in einen Graben geschleudert und irgendwo verschleppt. An der Unglückstätte sollen noch heute zuzeiten ganz unvermittelt Steine in die Tiefe rollen.
Nachher sah man jahrelang das braune Zotteltier in der Gegend nicht mehr. Da - man zählte das 1772. oder 73. Jahr - als der Michel Graf am Acher an einem Herbstabend in das Brandmahdweidli seinen Taggewinn melken ging, da war der Kuhbänz zerrissen und bereits aufgefressen vor dem Scheuerlein. Er sah sich um, der Wengenbauer - und - beim Teufelwetter - da war die Spur von Bärentatzen! Dann ging er, nachdem der Gewerb gehirtet und die Stalltüre mit Sparren verrammelt, hinunter nach Wengen, die Sache ruchbar zu machen.
Schon vor der nächsten Tagheitri gingen ihrer 37 von Wengen und von Lauterbrunnen zu Jaag auf den braunen Bauernfeind. Sie teilten sich in zwei
Rotten, die eine sollte Mettlenaip absuchen, die andere den Gürmschbühl. Die, bei der auch Michel Graf war, stöberte den grossen Zottelbär auf. Als er im alten Wechsel bei der Steinstessi über einen Hag hopsen wollte, traf ihn das Blei von Graf so gut, dass er im Handumdrehen ausgezappelt hatte.Ihrer zwei gingen hinaus nach Wengen, es bekannt zu tun. Das gab am gleichen Tag im Dorf eine fröhliche Ribottete 1 Sie legten den toten Braunen auf efeuumkränzte, tannene Latten, setzten den guten Schützen auch darauf, hoben beide auf einige lastgewohnte Schultern, und zwei heitere Musikanten spielten auf zum Siegeszug durch die Gassen.
Bis ganz tief in den herbstnächtlichen Mondschein hatte die nachfolgende Füehri 2 gedauert. Einer von den puschperen 3 Bärenjägern soll so oft auf den Boden des Glases geguckt haben, dass er auf dem Heimweg seinen Schatten für einen ihn verfolgenden Bären hielt. Er rannte dermassen streng bergauf, dass er bald bis ans Halszäpfli voll Atem war. Als er einsah, er könne den leisen, schwarzen Sohlengänger nicht ab den Fersen tun, da rief er laut: "Su friss mi!" und liess sich erschöpft aufs Wegbord fallen. Das haben sie dem noch nach Jahren öfters über die Nase gerieben.
Item, am Tag darauf brachten die Wenger den letzten Bären der Talschaft Lauterbrunnen dent Landvogt hinaus ins Schloss nach Interlaken und bekamen einen schönen, baren Batzen Schussgeld.
Kurz darauf sang männiglich im Tal das Bärenlied, von dem aber nur drei Strophen in unser Jahrhundert herübergeklungen:
Der verhexte Stier
Auf einer schönen Alp am Talend draussen hatte man eines Sommers einen riesigen Stier. Er war, wie üblich, beim Stalleingang der erste in der langen Reihe des Rindviehs. Wie die meisten Alpstiere, bekam er im Alter auch seine Faxen in den harten Grind, und es wäre ihm sicher eingefallen, einen Unbefugten, der sich ihm im Stall genähert hätte, mit seinem gewaltigen Körper an der Wand zu erdrücken.
Eines Abends, es war ganz hinten drin im Herbstmonat, waren der Käser und der Küher, die ein Alpzeug allein unterhänds hatten, in der Hütte. Alle
Arbeit war getan. Das hohle Sausen des Bergwindes schwoll bald zu fauchenden Sturmstössen an. Das Vieh, vom Muni bis zum jüngsten Kalb, war wohl versorgt und stand in Reih und Glied angebunden an der Barni. Mit einem Mal, es finsterte schon unter Tisch und Bänken, klopfte es dreimal wuchtig an die Hüttenwand. Der Käser schaute zum Tagliecht 1 hinaus. keine Seele weit und breit. Dann war es wieder, als klopfe einer an der Hüttenecke Schneeschollen von den Schuhen, und nun schien es, als ob jemand die Tür zöge. Aber im Stall war alles ruhig, nur das Tryssen wiederkauender Kühe hörte man ab und zu. Und jetzt jetzt jauchzte einer in den Flühen ob der Hütte. Das war keine Täuschung, denn sie hörten es beide in einer schreckhaft stillen Atempause des Hohbergsturmes so klar wie die eigene Stimme. Es war zwar kein richtiges Jauchzen, man konnte nicht sagen, war das eine Weiber- oder Männerstimme. Ein Rechter hatte keine solchen Töne, es war schon eher ein Geräägg.Am andern Morgen war ein ordentlicher Fetzen Schnee, und im Stall fehlte der grosse Muni. Die Seilschlaufe hing vom Barniloch auf die Brügi, war aber fest zugeknotet. Die Aelper suchten ihn rings um die Hütte und hörten ihn schliesslich im leeren Zustall lüejen 2 ; die Tür dazu war nagelfest geschlossen, genau wie der Käser sie auf seinem abendlichen Wachtgang angetroffen. Der grosse Muni stand allein in einer Ecke des Zustalles mitten in einem Bündel
An den folgenden Tagen aber nahm die leide Schneefüehri ihren Fortgang; in allen Hütten war kein Haim Heu mehr, und den Berg musste man, unter grossen Mühen, vorzeitig lösen. Die Anteilhaber kamen um zehn Tage Alpgewinn und die Aelper aller Zeuge um den fröhlichen Zittelabend 3.
Der gewalttätige Spätener
Auf der mitternächtlichen Seite der Männlichenkette liegt die stotzige, streitbare Spätenenaip. Spärlich giesst die Frühlingssonne ihren belebenden Schein über die fahlen Hänge; gewöhnlich schmelzen die letzten Reste Lauischnee im Brachmonat. Sie heisst nicht umsonst die Spätenen; erst in vorsommerlicher Wärme schiesst die Atzung an den Schattenhalden in Kraut und Haim. Somit kann die Alp spät bestossen werden, und die Zahl ihrer Viehsömmerungstage ist uni ein Erkleckliches geringer als die der meisten 3
An der Spätenen Käser zu sein, das war denk etwa kein Schleck, und gewöhnlich konnte nur einer gedinget werden, der bei andern Bäuerten nicht wohl an war.
Ein grosser, groblochter, gewalttätiger Mann, der Spätener-Peetsch benamset, betreute einst die Alp. Bosheit war ihm in Fleisch und Blut, und mit Mensch und Tier vertrug er sich gewöhnlich wie das Feuer mit dem Wasser.
Als er in einem Frühjahr von der Lochbrücke im Talgrund über Ausserwengen zu Alp fuhr, liess er hier die ganze Herde rücksichtslos nach ihrem Willen über Weidland und durch die frischbesorgten 0emüseplätze bysen 1 Mitten im schönbestellten Kartoffelacker von einem abgehärmten Frouelli stiessen sich zwei Kühe mit den Hörnern, ohne dass der Spätener im geringsten Miene machte, es ihnen zu verwehren. Die schon frischgrün ans Taglicht gekeimten Erdäpfel wurden wüst zertreten oder flogen in hohem Bogen aus der frühlingswarmen Scholle. Das Weiblein riss das Fensterflügelli auf und warf ihm an den Kopf: "So etwas tät ein rechter Mann nicht dulden, und wenn man ihm mit einer Schaufel Lohn in die Stube schoren würde! Es ist schade, dass die Sonne auf dich scheint, du ehrloser Lump!"
Der Grobjänische hatte Gelegenheit, zwei Männer drum zu vermahnen, er nehme sie als Zeugen, und vor dem Landvogt im Schloss draussen zu Interlaken war der Hafer bald gedroschen. Die Haushaltung in Ausserwengen kam um ihre Kuh, musste den Erlös dem Spätener bringen, obschon der genug hatte und vom Haufen nehmen konnte.
Im Käserboden pflegte der Peetsch auf der Bergfahrt mit seiner Herde zu nächtigen. Das Treichirecht hatte er auf einer Weide nebenan, die einer Witfrau gehörte. Diese hatte, um eine Anzahl Tüüchel 2 und Wasserkänel zu ersparen, den Brunnentrog ein weniges verlegt. Das ging dem Rechthaber wider den Strich, und er zwang die arme Witfrau, den Trog an den frühern Ort zu versetzen, denn sein Gewerb lasse nicht gern von der Gewohnheit, justament hier Wasser zu saufen.
Alle Ermahnungen der Bauern, mit dem Vieh ein Liebreicher zu sein, liess er zum einen Ohr ein, zum andern aus. Hatte eine Kuh während des Melkens Wehtat im Euter und warf den Schwanz an die Flanken, so schlug er sie mit dem Melkstuhlbein, dass noch nach Tagen daumendicke Striemen zu sehen waren. Gar oft prüfte er die Wärme der Schotte für die Schweine nicht, wie es üblich ist, zuerst mit der Hand. sondern schüttete sie mit Absicht viel zu heiss in den Futtertrog. Wenn die Tiere in ihrer Fressgier mit der Wulstschnauze gierig hineinfuhren, quietschten
Wo sich Gelegenheit bot, vergriff sich der Ungast an den Tieren. Die herzerquickende Munterkeit und Zutraulichkeit des Alpviehs vermisste man an Späteneii. Scheu und vergrämt mied es den Menschen, Furcht und Unruh waren täglich zu Gast. Der Segen der Arbeit im kleinen Senntum blieb aus, und der Sommernutzen ging zurück.
Und doch war in der russigen Seele des Späteners ein aperer Fleck. Ein Märzengitzi, so weiss wie frisch gefallener Schnee, hatte es ihm eines Sommers angetan. Das stets emsige Schwanzwedeln, das glöckleinhelle Meckern und die eckiglaunigen Heuschreck-Sprünge boten eine willkommene Abwechslung in den gleichmässig tröpfelnden Arbeitstagen des Aelperlebens.
In diesem ungastlichen Sommer spannte der Senn den Käse Morgen für Morgen erst spät unter Gewicht, denn seit langem ging die Dachzube in einem fort; vor dem Gehalt 3 sank man bis zum Knie in den Morast, und die Arbeit ging dem Aelper nicht aus den Händen. Der Nebel wallte und wob atembeklemmende, tropfnasse Schleier um die Hütte. Die Kühe hatten jeden Hubel getrejet 4 und schleiften Bauch und Euter über das in Hüttennähe von der Grasnarbe entblösste Erdreich. Bei diesem langanhaltenden Sudelwetter entstand das sonderbare Nebeneinander von unsäglichem Schmutz und altherkömmlicher, peinlicher Sauberkeit. Es verursachte vermehrte saure Mühe,
Peetsch war gereizter denn je. Als er eines Morgens den Käse bereits im Järb 5 hatte und eben am Ziegern war, hopste das patschnasse Zicklein über die hohe Schwelle dem Käser ständig vor die Füsse. Ein grässliches Lasterwort fuhr ihm über die Lippen, und mit einem seiner Holzboden schleuderte er es wieder hinaus. Er hatte den schönen Ballen aus dem Kessi heraus, dieses aber am Turner 6 nicht wieder über das Feuer gedreht und wollte eben den Zieger in das Model pressen; da sprang das einfalte Jungtier noch einmal herein, ihm zwischen die Beine. Der Senn geriet in Unvortel, und mit einem nassen Platsch fiel der schöne, weisse Ballen in Glut und Asche der Kessigrube.
Jetzt loderten die Flammen des gähen Zornes über dem Spätener zusammen. Der von allen guten Geistern verlassene, rässe Feuerbubel packte das fröhlich wieder über die Schwelle hopsende Märzengitzi und warf es - o Jammer! — mit einem Fluch in die siedende Schotte.
Den Bauern machte er dann weis, der Gyr habe es verzügelt. Das war des gewalttätigen Späteners letzter Alpsommer. Obwohl er ein rüstiger Mann war und noch viele Jahre lebte, wies er es von der Hand, noch fürderhin zu alpen und wurde immer düsterer und in sich gekehrter.
Nachdem er dann unter schweren Leiden heimging, da war es an der Spätenen Sommer für Sommer ungeheurig. Die Aelper sahen den Fluchbeladenen jede Nacht von der Hütte kommen, das nasse, tote Gitzi in den Armen. Man sagte bald, wenn es den Schnee zu Unzeiten über alle Hörner herunterjagte: "Es schonet bald wieder, der Gewalttätige hat gehojet auf dem Nestfuetergrind!" Oder es hiess: "Mähet nicht zu viel, der Späten er hopet auf dem Rosswang unten!" Und auf diese Wetterzeichen konnte man zählen - ja gewiss.
Einmal, es war noch vor dem Mittsommer-Messtag 7 , stieg der Käser hinunter nach Wengen und warf den verdutzten Bauern den Bündel dar, weil der böse Peetsch mehrmals während der Schlafenszeit gerumoret hatte, dass es nicht mehr zum Aushalten war. Wohl oder übel mussten noch am gleichen Tage zwei Herzhafte hinaus nach der Spätenen, das Vieh zu besorgen. Wie sie zur Hütte kamen, der Halbmond warf seinen fahlen Schein über die Halden, sahen sie den Wesenlosen den Stecknagel aus dem Türpfosten reissen und in die Hütte treten. Als sie näher gingen, hörten sie, wie er Feuer machte und den knarrenden Turner drehte.
Da die beiden keine Furchthanse waren, traten sie nach geraumer Zeit guten Mutes über die Schwelle. Der Unselige war schon am Ziegern und hantierte im Halbdunkel, als ob es heiterheller Tag, und er mutterseelenallein wäre.
Nun begingen die beiden die Unvorsichtigkeit und stellten ihn zur Rede. Im Hui war der Spätener wie der Höllteufel um die Kessigrube herum und packte jeden mit eiserner Faust am Rockkragen. Da half den sehnigen Bergbauern kein Kraften und kein Sperrzen, zu Boden mussten sie. Es war ihnen, als ob der Gletscherluft sie anblase. Der Unheimliche schleifte sie zur hohen auf loser Trockenmauer liegenden Hüttenschwelle über die vor Sommern so fröhlich das weisse Zicklein gehüpft und wollte beide mit Gewalt darunter hindurchzerren. Sie fühlten bereits ihre
Jetz legen mier ys nieder in Jesu rosenfarben Bluot, Das ist fir ahi, ahi beesen Geister guot! Amen!
Mit dem Amen zerfiel der Ruhlose zu nichts, und er ging - der Himmel sei gelobt - an Spätenen nie mehr um.
Der Schneehase
auf dem Kriegsmahd
I.An der linken Seite der grossen, blauen Zunge des Rottaigletschers oben beginnt das Kriegsmahd, eine lange, gleichmässig abschüssige Grashalde, die hin. unter reicht bis an das Ufer der Tschingellütschine. Beim ersten leichten Schneefall sieht man von Mürren aus noch heute deutlich, wie ein Zickzackweg in den Hang gekritzt ist. Ein paar hundert Fuss unterhalb des Dürlocherhorns geht er in den Guferhalden verloren.
Wenn man nur wüsste, wo das unter Geröll vergrabene Ende des Schhittweges ist, denn hier befindet sich eine mächtige, eiserne Truhe voll geschlagenes Gold vergraben, rundes und dreieckiges. Ein glattfelhiger, blütenreiner Schneehase verwahrt den Schlüssel dazu. Rieselt zur Vollmondzeit das Licht über die Grashänge, und kommen zur rechten Stunde
gläubige Jungburschen des Tales den schlimm verwachsenen Weg herauf, so wartet ihrer dort, wo er sich in den Steinen verliert, der Schneehase. Den Schlüssel zur Truhe wird er im Maule tragen und wird ihnen voranhoppeln bis zu dem Ort am Ende des alten Weges, wo der Schatz seit Jahrhunderten vergraben liegt. Steigen sie das ganze Kriegsmahd hinauf, ohne eine Silbe miteinander zu worten, dann wird der weisse Hase ihnen den kostbaren Schlüssel überreichen, und Truhe und Gold sind in ihrer Hand.Vor vielen Jahren fühlten sich drei zur Hebung des Schatzes berufen. Wortlos stiegen sie über Stock und Stein den seit langen Zeiten nie mehr besorgten Weg mühsam hinauf. Wo die Grasnarbe aufhörte, und das Geröll anfing, sass richtig unter einer der letzten Bergrosenstauden der Schneehase und trug im Maul den blitzblanken, silbernen Schlüssel. Jetzt - hopste er mitten vor sie - sprang langsam gradaus über die Steinhalde und bog unvermittelt in einem spitzen Kehr nach links. Der Hinterste sah es wohl klar. Die andern aber schienen nichts zu merken und trotteten geraden Weges weiter. Nun sprang der letzte nach vorn, hielt die andern an und deutete auf den Hasen, der zu linker Hand, schon beträchtlich höher, über das Gufer wackelte. Die beiden standen da, wie aus Teig gebacken, taten keinen Wank, sahen nichts und machten Miene, in der eingeschlagenen, falschen Richtung weiter zu trappen.
In Aerger und Aufregung vergass der Dritte das eherne Gebot der Schweigsamkeit und rief: "Ihr einfalten Trottel! — seht ihr denn nicht da oben auf
der Egg im Hohlicht den Schneehasen springen? Den silbernen Schlüssel, den trägt er ja im Maul!"Bald standen alle keuchenden Atems oben auf der zügigen Egg. Da sahen sie den Weissen gegen die Gletscherzunge zu verschwinden. Stunde um Stunde suchten sie das ganze Kriegsmahd ab, lockten und pfiffen; der schöne Schneehase mit dem Schlüssel liess sich aber nie und nimmer mehr sehen.
II.Viele Jahre nachher lebte ein Mann, der wieder den Versuch wagen wollte, das Geld zu holen. Er machte sich mutterseelenallein auf den Weg, damit er ja nicht in Versuchung komme, mit irgend jemandem ein Wort zu verlieren. Oben im Kriegsmahd erschien ihm richtig der Schneehase mit dem Schlüssel und führte ihn ohne Zaudern zur Stelle, wo die Schätze vergraben waren. Nach kurzer Arbeit hob er drei Truhen. alle randvoll, die eine mit Gold, die andre mit Silber und die dritte mit kleinem Geld. Sein Herz pochte laut vor Freude, und er setzte sich neben den Schatz, den er als sein Eigentum ansah. Da trat plötzlich aus einer Felsenspalte ein langer, hagerer Geist mit schwarzem Bart, der Hüter des Geldes. Er sprach: "Das Geld soll dein sein, aber du musst mir hier auf diesem nackten, glatten Fels mit deinem Blut und Namen den Empfang bekennen." Als der Hagere ein spitzes Messer aus dem Gürtel zog, um ihm das Blut zum Schreiben abzuzapfen, da fasste den Mann ein Grauen, und er zog des Hasen Schuhe an.
Der Schwarzbärtige lachte dröhnend und rief ihm nach:
Die dri erschten, die hein miessen prichten, Vor sim Bluod, d'r viert, där tuod mu firchten. Jetz Stächelbärger, jetz heid ier ach still! Mu chan ach d'Sach machen, su liecht mu wil, Lid ier eis die von Mirren lan aha chon. Die reichen das Gält hie wuoha den schon! |
Später hiess es dann, dass kein Irdischer den Schatz heben könne bis im Tal einmal bittere Not herrsche. Dann solle es ein unschuldiger, armer Knabe finden, welcher da hoch oben die Ziegen hüte.
Wann das aber geschehen wird, das weiss niemand.
Grindelwalder hängen das Dorf
auf Wengernalp an den Himmel
Wo ist das schöne Bergdorf auf Wengernalp, in dessen von der Sonne brändeibraun gebrannten Häusern es so glücklich zu leben war? Es stand einmal auf dem Rubenstand beim Schlafbühl, umgeben von ernsten Bergwäldern, und bis dicht an seine Gemarkung stiessen die krautreichen Alpweiden. Die Bewohner lebten einfach und sparsam und wussten, dass der Weg zum Gulden über die roten Kreuzer geht. Sie kamen im Herbst immer dazu, Viehware und Alperzeugnisse an Gegenwert zu bringen, und so hatten
Die Bewohner aber gedachten auch des Schöpfers aller Dinge. Auf der Höhe, die man heute den Schlafbühl nennt, bauten sie dem heiligen Wendelin eine Kapelle aus hellem, hartem Hohbergholz, wo sie allsonntäglich eine kurze Andacht hielten, und wohin viele den Bittgang machten. Ein schöner, steinbelegter, breiter Weg führte zum Kirchlein hinauf, und von hier ging ein Kilchweg bis hinaus nach Gsteig zum grossen Gotteshaus der Kilchöri.
Aber einige Bauern von Itramen auf der Grindelwaldseite der Kleinen Scheidegg, von denen man sagte, dass sie einander kaum die Laus im Kraute gönnen, geschweige denn Fleisch, die schauten scheelen Auges
auf den Wohlstand der Wengernälper. Wo sich jenen eine Handhabe bot, da spielten sie den Nachbarn einen bösen Streich.An einer Frühjahrseinung, als am Abend alle Bauern von Wengernalp in einer Dorfstube zur Besprechung der Alpbestossung besammelt waren, da planten sie nach der Beratung, wie üblich, einen fröhlichen Schmaus abzuhalten und liessen draussen in der Küche zwei Hammen sieden. Die von Itramen hatten davon Wind bekommen und sich einen Plan zurechtgeschnitten. Am Abend der Einung überschritten die Argen schon zum Einnachten die Passhöhe und schlichen, wie Fuchs und Wolf, ins Dörflein. Einer trug einen mächtigen, mit Hobelspänen prall gefüllten Sack auf der Achsel. Ein paar Dutzend Fuss vor dem Hause, worin die Alpeinung tagte, zündeten sie die Späne an, und als der grosse Feuerbubel zum Himmel loderte, da gellten sie in die Finsternis: "Fürio! — Fürio!"
In jähem Schreck broxelten die Bauern zur Stube heraus vor das Haus. Kurz nachher sprangen die Orindelwalder Gassenschlingel hinten zur Küche hinein, warfen die zwei duftenden Hammen in den leeren Spar.sack und dann - pssst! — durch Nacht und Nebel zurück über die Wasserwende der schwarzen und weissen Lütschine.
Aber aus dem dummen Spass wurde herber Ernst. Mit einem Male sprang auf den hohen Gräten der Föhn auf - huiiii - wild und wuchtig. Stoss um Stoss fiel vom Eigerjoch nieder ins Dörflein, in wirrem Wirbel tanzten die glimmenden Hobelspäne über die
Dächer, und wo sie niederfielen auf die klingeldürren Schindeln, die seit Jahr und Tag so viel Sonne erhalten, da war in Windeseile das ganze Dach ein Feuermeer. Die Bewohner, von Angst erfüllt, flüchteten sich nach der St. Wendelin-Kapelle, aber bald frassen auch hier die Flammen rasend an Fleckenwänden und Balkenwerk. Es knisterte, züngelte, prasselte, zischte - der Föhn stöhnte dazwischen und wirbelte glimmende Schindeln und Sparren wie dürre Heuhalme durch die Luft - schüüzelli' — schüüzelli! — Der russige Rauch stiess an die von der Feuerröti grell erleuchteten Schneeberge. Frauen und Kinder weinten das lautere Wasser, es gab Tod und Tränen sonder Zahl. Was nützte es, dass zu Beginn der Gläubigste von allen die Feuerbannung über die Giebel rief:Jungfrau Maria, die blieb weiss und rein, Drum stelle, Feuer, dein Wüten ein! Feuer, wollest legen deine Glut Bei Herr Jesus Christus seinem Blut! Ich beschwöre dich, feuriger Gast, Greife nicht weiter, als was du hast! |
Da half die beste Bannung nichts; das ganze Dorf war verloren, Scheuer und Stadel, Viehgewerb, Schiff und Geschirr. Nach allen Seiten stoben die Ueberlebenden auseinander. Sie siedelten sich später in tieferen Lagen wieder an, doch fanden sie sich nie mehr zu einer eigenen Dorfgemeinschaft zusammen.
Noch heute sieht man als letzten Ueberrest des Dörfleins auf der Wengernalp den Weg, der zur einstigen Kapelle hinauf auf den Schlafbühl führte, aber die rauhen Lüfte trugen die gute Erde fort, und heute ist die Gegend kaum noch Schafweide.
Die drei schönsten
Lauterbrunnerinnen
In Lauterbrunnen lebten einst drei wunderhübsche Schwestern. Sie waren die schönsten Mädchen im ganzen Tal. Die jungen Burschen reckten die Hälse, wenn die Drei durch die Dorfgasse gingen.
Da schwoll diesen der Kamm, und sie meinten, es gebe in dem vollen Dutzend der grossen und kleinen Talschaften des Berner Oberlandes nicht ihresgleichen. Bald verschämten sie sich all der einfachen Talgenossen. Ueber die Kleinbäuerinnenarbeit rümpften sie die Nase und werkten im Haushalt keinen Streich. Wenn die Drei am Sonntag talein stolzierten, öffneten sich hinter ihnen leise die Fenster. und manch verdutztes Frauenantlitz staunte ihnen nach. Und wie es so der Lauf der Welt ist, tuschelte man bald hinter den Aparten her:
Das Wybevolch, das prangt in Samt und Syda, Un G'sichter heis, schneewyss wie Chryda! |
Das war zu einer Zeit, als alles, was im Tale lange Haare trug, am Sonntag nie anders einherging
als in der Haibleinkutte, dem Halbleinwessli, der Spitzlikappe und dem hanfenen Wärchhemd, vom Samenkorn bis zum fertigen Aermel selbst gezogen, selbst gewoben und selbst gemacht.Die drei schönsten Lauterbrunnerinnen wurden uneins mit der ganzen Talschaft, und was sie früher bloss dachten und nicht sagten, das sprang ihnen jetzt auf die lose Zunge. Kein einziger von den heiratsfähigen Burschen hatte je im Sinn, um eine von den zimpferen Jungfern zu freien, weil Herrenfrauen im Bergtal wenig taugen. Nur die kaum den Kinderschuhen entwachsenen Lauser scharwenzten ihnen im geheimen, und deshalb tönte es bald da, bald dort von einer Abendsitzbank her:
Meitschi, wett hyraten woscht, Su nun en scheena Junga. Un wenn er no nid trochna ischt, Su stell nen no an d'Sunna. |
Wenn dann die Närrinnen den Abendsitzern alle Lasterwörter sagten, dann lachten die, weil sie sahen, dass ihre Rede eingeschlagen.
Es kam dann so weit, dass die Schönen im Grund unten auf dem Tanzboden überhaupt keinen Schries 1 mehr hatten. Mit nichten aber liessen sie von der Hoffart. An einem lauen, heiterklaren Maiensonntag, als es in allen Tanzstuben wieder geigte, gingen sie über das Zwirgi nach Wengen. Aber hier hinauf war die Kunde von ihrem talfremden Tun auch gestiegen, und
Säx Epfel am Schniêrli, dry suur un dry siêss, Un die Meitscheni vo Wengen, hein ahi chrumm Fiêss!
An diesem Abend kamen die drei Zimpferen überein, in Sichellauinen sich weissagen zu lassen von einem katzgrauen Frouelli, das reden konnte wie ein Bettelmensch, und von dem man sagte, es sehe fern in die Zukunft und kenne die Geheimnisse der schwarzen Künste.
Am nächsten Sonntag rauschten die Schwestern der Lütschine entlang talein. Bei der alten Kräuterhexe liessen sie ihren spitzen Zungen wieder freien Lauf, taten ausgelassen wie nie zuvor und verlangten schnippisch, dass sie ihnen wahrsage und das geheime Rezept offenbare, um unfehlbare Liebe einzuflössen.
Die Alte gab ihnen zuerst einen Verweis wegen ihrem Nichtstun, ihrer Hoffart und ihrer Klatschsucht. Schliesslich machte sie den Zauberkreis und murmelte die Formeln von den dreizehn Stengeln des Krautes Campanula und dem feingestossenen, grauen Amber, die vonnöten sind, um treue Liebe zu gewinnen.
Die Töchter kicherten und trieben hinter dem Rücken der Alten eitel Spott und Schabernack. Wie
die dessen inne wurde, kehrte sie sich jäh um und zetterte:"Die Dummheit und der Stolz Wachsen am gleichen Holz! |
Ihr verdammten Dinger, euch will ich jetzt lehren, das Alter ehren, dass ihr zu Zicklein werdet, auf der Stell!" Im Schwick standen, statt der drei Jungfern, drei meckernde Gitzeni da.
Damit sein frevles Hexenwerk nicht ans Taglicht komme, versprach das Weiblein einem vorbeigehenden Nichtstuer einen schönen Batzen, wenn er die einfalten Jungtiere auf die Seite schaffe und alsogleich ins rote Tal hinauf auf die Sommergletscherweide treibe. Gegen so hohen Entgelt besann er sich nicht lange und trieb die Drei hoch hinauf und tief hinein ins hinterste Rottal. Dort fielen die verwunschenen Zicklein, als sie unbedacht kapriolten, in einen der grossen Gletscherschründe, und auf seinem finstergrünen, tiefen Grunde, da harren sie auf den jüngsten aller Tage.
Wie die Zwerge
aus dem Engital vertrieben wurden
Weit von allen Leuten fort, hoch über Mürren, liegt, in den Felsenfalten der Berge so gut versteckt, das Engital.
Es ist eine kleine, ringsum abgeriegelte, schöne Hochwelt für sich.
Wen sollte es Wunder nehmen, dass in vergangenen Zeiten die Zwerge hier heimisch waren! Oben am Schwarzgrat hausten sie in einer Höhle. Alle Bergleute taten ihnen zulieb, was sie konnten, denn man hatte es ja sattsam erfahren, warum Dörflein und Weidscheunen vor Erdrutsch und Lawinennot je und je verschont geblieben waren. Brach irgendwo an der Bergflanke das Unheil los, so beinelten die Engitalzwerge blitzschnell, wie auf Zauberwort, an die Abbruchstelle. hockten dort auf die obersten sich bewegenden Schnee- oder Erdmassen und wiesen dem brodelnden Durcheinander den Weg neben Scheune und Wohnstatt vorbei.
Ein Mürrner, ein garstiger Racker, lief Sommer für Sommer vor Tau und Tag hoch ob dem Holzwuchs dem letzten Büschel Wildheu nach. Der Bauer wusste vom Hörensagen, dass die Zwerge menschliche Arbeit im geheimen oft besorgen. Er hatte aber die Erdmännchen auf der Latte, denn ihm halfen die kleinen Kröten weder Stich noch Hack. Der einfältige Glinggi 1 wusste nicht, dass sie einem Batzenklemmer nie und nimmer an die Hand gehen.
Sobald die Sonne hoch oben im Engital anschlug, kamen die winzigen Leutchen aus der Höhle, um sich der tauglitzernden Morgenstund zu freuen. Mühelos und wieselflink sprangen sie über die Stotzhalden.
An einem Sommermorgen, der klarer war als der Kristallstein -- die Berge standen nur zu sichtig - da sah der Wildheuer, dass die Murbenden 2, diese
Am folgenden Morgen war die schlimme Wetterleidi da. Des triefendnassen Gasterrentages ungeachtet stieg der Heuer bereits in der Frühe durch Nebel und Regen hinauf ins Tal, wälzte grosse Steine vor die Erdmännleinhöhle und hielt die armen Stünggelli so lange gefangen, bis nach Tagen die Sonne wieder die Wolken durchbrach.
Wie sie heraus konnten aus dem finstern, feuchten Loch, luden sie weinend und wehklagend ihr Hab und Gut auf den Rücken und gingen für immer fort, weit über alle Berge. 3
Der weisse Leichenzug
Der Jääggel Bääben Peetsch im hintern Grund war grad kurz vor Mitti der Heilignacht geboren worden.
Solche Leute sehen mehr als alle andern. Auf ihrem Wege durch das Leben gehen des öftern Geister, die gewöhnliche Leute niemals wahrnehmen, in greifbarer Nähe an ihnen vorbei, die guten wie die bösen.
Der Peetsch war Säumer und Rossknecht und hatte als solcher häufig zu nächtlicher Stund noch den Weg unter den Füssen. Er war ein baumlanger Mann, es hatte ihm schon manchmal angeregnet, mancher Wind ihn angeblasen, und viele, die schon seit Jahren neben dem Kilchli ruhen, waren ihm nachts über den Weg gelaufen. Aber gefürchtet hatte er sich noch nie, mehr als einen Tod ist ja keiner schuldig.
Einmal hätte es ihm doch leicht schlimm ergehen können. Es war zur Winterszeit. und er musste mit seinem Meister noch spät abends hinaus nach Interlaken fahren. Während des Rückweges wollte dieser die Zügel führen. Auf dem guten Schneeschleif am Steinschlagstutz, und dem warmen Stall zu ging das Rössli wie ein Gemschi. Die Schellen klangen hell durch den tief verschneiten Winterwald, über den der Mond zwischen Himmelsschäfchen dann und wann einen Guss fahlen Glanzes warf. Die Lütschine neben der Strasse, die hier sommerüber in gischtendem Lauf das enge Tal mit Tosen füllt, lag starr unter Schnee und Eis; nur ein paar lautlose, karge Wässerlein rannen langsam und müde dahin wie die öden Jännertage.
Oben von der Isenfluh polterten plötzlich mächtige Eiszapfen schreckhaft in die schlafende Welt. Darob erwachten einzelne Bergtannen und liessen die schwere Schneelast in silbernem Sprühregen von den dicken Bogenästen fallen. Lange noch wippten diese wie winkende Arme auf und nieder. Jetzt war der Bääben Peetsch dessen sicher und gewiss - ihnen stand etwas bevor.Auf der Sausbachbrücke im Sandweidli, da fühlte der Bääbeller, dass sie ausstellen mussten und sagte zu seinem Meister:,, "Fahret rechts!" Der aber sah nichts und fuhr seelenruhig mitten auf dem Weg weiter. Der Peetsch wusste, dass das, was er sah und fühlte, nicht jedem gegeben ist und mahnte noch einmal eindringlich: "Du lieber Himmel, stellet aus! — Stellet aus!" —
Da hörten sie ein Sausen, als ob die Berge sich auftun wollten; der Heiterluft fiel eisig durch den Sausbachgraben herunter, und sie froren, dass sie schlotterten.
Auf einmal schleuderte es Pferd und Schlitten mit Wucht an die Mauer, die rechts den Weg säumt. Sie glaubten, alles, Mensch und Tier und Gefährt gehe zu Hudel und zu Fetzen. Mit Ross und Mann und Schlitten an die Mauer gedrückt, sah der Säumerknecht mit Entsetzen ein langes Leichengeleit an ihnen vorbeigehen, weiss wie frischgefallener Schnee die Träger, weiss der Sarg und in blütenreine Tücher eingehüllt der lange, stumme Zug der Leichengänger. Mehr als eine Vaterunserlänge war der grosse Rossknecht zwischen Hangen und Bangen. Der Meister erschauerte
Wie staunte er, als auf seine Frage der Knecht ihm die schauerliche Erscheinung schilderte! Die Gänsehaut rieselte ihm über Rücken und Glieder. Die rechte Schlittenkufe und die Lande waren gebrochen, aber Meister und Knecht und das gute Rössli wurden dem Himmel sei Dank - weder krank noch bresthaft.
Das böse Weib von Bossen
Ob dem Dorfe Wengen, wo heute das Steintrümmerfeld von Bossen ist, da war einst eine blumige Alp. Sie wurde besorgt von einem helläugigen, rotbackigen, jungen Sennen. Herbst für Herbst waren die Bauern über ihn des Lobes voll; kaum sah man je einen geblähten Käse von Bossen. Der ledige Aelper war ein stiller, gerader und zurückgezogener Bursche; selten ging er ins Wirtshaus. Kam es einmal an einem Festtage vor, so trank er wohl zur Kurzweil einen Schoppen Wein, aber niemals zwei. Wenn am Kiltsamstag die andern Burschen dem Schnaps nachliefen, stellte er sich auf die Seite, entging so den oft wüsten Schlägereien, musste nicht vor den Chorrichter nach Gsteig, und vor seiner Schwelle stand nie ein Anschicksmann 1 1
Bei allen Mädchen von Wengen war er wohl gelitten, aber eine, die tat ihm ganz besonders schön; sie war ein schwarzhaariger Wuschel. Die kleinen Stücklein Holz und die jungen Weiber halten sich ja niemals lange still, die dunkle Rätscha 2 aber, die überschritt am gleichen Tag mehr als ein halbes Dutzend fremde Schwellen.
Dem Hirt auf Bossen, dem sagten die Jungfern nichts: er wollte nicht an ihre Gnade kommen. Aber der Wuschel wusste ihn überall zu vernehmen und strich ihm nach auf Weg und Steg. Obwohl sie mit ihrem nimmermüden Mundwerk öfters über ihn herfiel, gab er ihr kein ungerades Wort.
Sobald sie dann merkte, dass er ihr nicht Ohren schenken wollte, da war sie kein gutmeinendes Weibervolk mehr; sie verlästerte und stampfte ihn in Grund und Boden hinunter, liess keinen guten Faden an ihm.
Der Bursche litt sich aufs Blut, liess die erfinderische Verleumdung über sich ergehen und vergass all das Leid, als er wieder oben im blumigen Bossen am Alpen war.
An einem verworfenen Tag stieg die Schwarzhaarige hinauf nach Hohfluh oberhalb der Alp. Hier brachte sie einen losen Felsblock ins Rollen, von dem sie glaubte, er stürze schnurgerade auf die Hütte. Aber o weh! — sie wusste nicht, dass selten ein Block allein hangab rollt, sondern im ersten Aufschlag ein Dutzend, im fünften oder sechsten Hunderte weckt zum verheerenden, polternden Weg in die Tiefe. Als
Tief unter gewaltigen Quadern liegen nun Mensch und Tier und Hütte. Das Weib, das hört man laut schreien unter den Blöcken, jedesmal, wenn aus irgend einem Grunde sich ein Stein löst oben an Hohfluh.
Auf der Mur und auf dem Wang
Zwei Brüder sollen vor längst vergangenen Zeiten vom Wallis her mit ihren Frauen über das hohe Grenzgebirge, an den weissen Schneehäuptern vorbei, ins Lauterbrunnental herübergestiegen sein. Als sie nach langer und mühsamer Wanderung von der Wildi in die Zähmi hinunter kamen. staunten sie ob dem schönen, menschenleeren Tal, dem saftigen Kraut der Weiden und dem bunten Flor der Alpenblumen. An den steilen Hängen kletterte schwarz und wuchtig der Hochwald empor. Riesige Schermtannen, deren gebogene, flechtenbehangene Aeste bis auf den Boden reichten, rauschten im Wind und neigten ihre alten Wipfel. Auf einer Seite war die Fluh wie eine himmelhohe Mur und auf der andern war ein grüner "Wang".'
Unten aber, da brausten die wilden Wasser im engen Tal in wirrem Lauf gen Mitternacht. Ueber die beidseitigen Flühe nieder stäubten wie Brunnen die Bäche in den Grund und suchten hier regellos ihren Weg.
Einmütig beschlossen die beiden Walser: "Wir gehen nicht hinunter in die Tiefen, wir wollen uns oben auf beiden freien Höhen niederlassen." Sie trennten sich. Der eine stieg rechts hinauf und siedelte sich auf dem Wang an, der grossen, saftgrünen Geländestufe am Fusse des Jungfrauberges. Der andere stieg auf der linken Seite der weissen Lütschine noch höher empor auf die luftige Krone der Mur und baute hier Haus und Herd.
Dort oben waren sie sicher vor Lauigfahr und Wassernot; Holz und Weide gab's die Fülle. Sie lebten auf den einsamen, sonnigen Höhen glücklich und zufrieden. Aus den kleinen Bergsiedelungen auf der Mur und auf dem Wang wurden später die stattlichen Dörfer Mürren und Wengen.
Die Goldader
in der Chorbaimhöhle
Als der Eisstrom vor tausend und abertausend Jahren den Taltrog von Lauterbrunnen hobelte, da wurde auch die Chorbalm aus dem harten Kalk gewaschen und gescheuert. Hinten in der finstern Höhle führen enge Windungen steil nach oben in den
geheimnisvollen Leib des Berges, es weiss niemand wie weit. Aber viele wissen, dass tief im Innern eine Ader aus glänzendem Golde sein soll.Ein Mann aus dem vordem Grund wollte die reiche Ader ausgraben, bohrte und sprengte, tageund wochenlang, aber fand nicht soviel, was Schwarzes unter dem Nagel. Jeder Eckensteher wollte ihn darum narren. Man hielt ihm vor, was er da finde, das könne man füglich die Lütschine hinaus in den See schicken. Pootz - Million - da biss er ihnen in den Stecken, denn er hoffte seit Jahren ohn' Unterlass im Geheimen auf ein grosses Glück.
Von ennet dem Brünig liess er einen Goldschmekker kommen und befragte ihn, wie weit im Berge drinnen die Ader liege.
Der Schmecker kam mit einer Gabeirute von einem wilden Haselstrauch, einem glatten Jahresschössling bei Vollmond geschnitten und die Spitzen mit Eisen beschlagen, denn zur Auffindung von Gold ist das unerlässlich. Er nahm die beiden Zinken der Gabel in Kammgriff lose in die Hände. Die Spitze der Goldwünschelrute wagrecht bergwärts gerichtet, schritt er bedächtig und langsam mit dem Lauterbrunner in die Chorbalm ein. Am hintern Ende sahen sie im Schein des Oeltägels, 1 dass die Spitze der Rute nicht nach unten wippte, wohl aber nach dem Innern des Berges. Der Rutengänger machte ein Gesicht, als ob er Essig schlucke, und als der Schatzgräber ihn fragte, wie weit drinnen das lautere Gold wohl noch liege, da schüttelte
Der Goldgräber liess vor Schreck den flackernden Tägel fallen, und wie sie wieder draussen vor der Balm standen, da giftelte er ihn an: "Du Hexentopfgucker - du mit allen Wassern gewaschener Besserwisser, das glaub ich dir beim Kreuzerhagel nicht! Wenn du durch alle Wände gucken kannst, so sage mir, was macht meine Alte daheim -just zur Stund?"
A. . aber - den Goldschmecker, den bekam er nicht ins Garn. Der besann sich nicht eines Augenblickes Länge: "Euer Eheweib, das zieht jetzt grad ein frisches Hemd an."
Darauf ging der Mann nach Hause zu seinem Weib, um dem Fremden darzutun, dass Lügen kurze Beine haben. Wie staunte er aber, als es ihm bestätigte, dass es zur besagten Zeit wirklich sein Hemd gewechselt habe!
Nach diesem bösen Bericht ging der enttäuschte Goldsucher flugs wieder hinein in die Höhle, holte all sein Werkzeug, gab sein nutzloses Tun auf und zahlte die Kosten.
Heute steckt die funkelnde Ader noch immer drinnen, weit hinter der hintersten Wand der Chorbaim, mitten im Herzen der Berge.
Wie Eiger, Mönch
und Jungfrau entstanden sind
Auf Wengernalp lebte einst eine Familie von Riesen. Sie bestand aus dem Vater, zwei Söhnen und einer Tochter. Als der Vater noch jung und die Kinder noch klein, da waren sie verträgliche Leute und lebten mit ihren Mitmenschen auf gutem Fuss. Je älter der Vater wurde, desto wunderlicher und ungesitteter benahm er sich, wollte mit niemand mehr Gutfreund sein und hatte stets Lust, auf alle Leute herunter. zuhacken. Die Kinder waren in des Vaters Geschlecht, wurden igelstachlig und nahmen bald auch böse Launen an. Wer über die Wengernalp kam, wurde von den Riesen geplagt - oh, Herr Jesses - Bösewichte waren das bald und schreckten selbst vor ärgster Missetat kaum zurück!
Einst kam ein armes, altes Manndli in schäbigen Grisshosen 1 über die Scheidegg und bat bei den reichen Riesen auf Wengernalp um einen Trunk Milch. Sie fuhren es aber hart an, sie hätten hier oben keine Milch zu viel, ein solcher Schiufi solle Wasser saufen, wenn der Durst ihn quäle. Als sie sahen, dass das Manndli kein Chlupfhans war und hörten, dass er ihnen zurief, er wollte lieber unter einem Schopf 2 neben einem Wespennest sein, als neben ihnen zu leben, da wollten sie ihm an den Kragen. Aber das alte Manndli, das ein Berggeist gewesen und stärker war als alle Riesen der Welt, verschwand wie weggeblasen.
Es tat zuvor noch einen fürchterlichen Schwur, und mit einermalen, da begannen die bösen Riesen zu wachsen - hoch, hoch - und wurden zu Fels und Eis, der Vater zum Eiger, die Söhne zum weissen und schwarzen Mönch und die Tochter zur Jungfrau.
Die Scheintote
Früher befand sich der Gottesacker der Talschaft neben dem Herrenbächlein und rings um die Kirche.
Draussen im Sandweidli war in einem Spendhaus die alte Rungga gestorben. Die Vorschrift, die Toten drei Tage im Hause aufzubahren, bevor man sie in den Schoss der Erde senke, bestand damals noch nicht. In ein Leintuch geschlagen, trug man sie in den sechs Brettern auf den Talfriedhof. Aus irgend einem Grunde schaufelte der Sigrist am Begräbnistag das Grab des Weibleins aus dem Sandweidli nur halbwegs zu. Als er am Abend in der Kirche noch eine Besorgung zu verrichten hatte und am Grab der alten Runggen vorbeiging, hörte er aus der Erde heraus dumpfes Rufen und lautes Pochen. Er eilte zum Pfarrer und meldete ihm die schauerliche Wahrnehmung. Der schenkte ihm weder Gehör noch Glauben. Das Erlebnis drückte den Sigristen aber so schwer, dass er am gleichen Abend noch zum Kirchgemeindeoberhaupt ging und Oeffnung von Grab und Sarg durchsetzte. Als man das vornahm, da lag die Alte wohl tot darin, aber auf dem Bauche und das Leintuch in einem Knäuel neben ihr.
Nach dieser grauenvollen Begebenheit bekam der Tod im Tal wieder seinen Schrecken wie zur Zeit der Pestilenz, und wo er an eine Türe pochte, da bat der Sterbende die Angehörigen, bevor sie ihn der Erde übergäben, sich ja zu vergewissern, ob seine Seele den Leib auch wirklich verlassen. Viele liessen sich beim Antritt der Reise in die Ewigkeit die Schlagadern öffnen, aus Angst, es könnte ihnen ergehen wie der armen, alten Runggen aus dem Sandweidli.
Die geschlossene Legi
Vor vielen und vielen Jahren, da waren in Ozen, dem Mittelläger der Alp Sefinen, nur kleine Hütten mit einem einzigen Raum zur Zubereitung des Käses und unter dem Dach die Gasterra für die Sennen. Das Vieh nächtigte im Värrich neben der Hütte. Seit Menschengedenken war es hier oben gang und gäb, dass man die oberste Legilatte 1 nicht schloss, warum, das kann man noch zur jetzigen Stund nicht sagen, es war Brauch und damit basta!
Da geschah es nun einmal, dass ein junger Schlingel, der noch kaum wusste, wie das Wasser macht, wenn es kocht, an einem Abend mit Fleiss die oberste Legilatte schloss und sie mit Steinen verkeilte. Alle Mahnungen des alten Käsers schlug der junge Aelpcr lachend in den Wind: "Und wenn der Teufel rittlings drauf sässe, den obersten Legisparren stoss ich ins Loch von jetzt an, grad zum Trotz!"
Als sie nach des Tages hartem Werk oben auf der Gasterren die müden Leiber im Bergheu streckten, da fiel der Schlaf über sie. Aber, als die erste Stunde des neuen Tages begann, da klopfte es heftig an die Dachrafen, und eine Stimme rief wie zu einer tiefen Höhle heraus: "Tiet d'Legi uf - ooh - tiet d'Legi uf!" Der Käser drauf: "So, du Spritzlig, dass du mir auf der Stell gehst und dich nicht zum Lügner machen
lässest, der Böse wird jetzt wohl etwa rittlings auf der Latte sitzen." Der Junge aber schenkte dem Alten nicht Ohr und tat, als ob ihn das nichts anginge. Da aber klopfte es zum zweiten Mal, dass die Hütte zitterte. Es lüpfte den Gasterrenboden unter ihnen, Schindeln flogen wie Streueblätter, die blinkenden Sterne schauten auf das Gelieger nieder, und es war doch so windstill, dass keine Flaumfeder eine Elle weit geflogen wär. Für den Jungen war jetzt das letzte Botte erlassen, er auf und hinunter. Grad wie er den Sparren aus den Stangen riss, da fuhr - Tschui - eine feurige 3 links an ihm vorbei, und ein weisser Esel sprang über die andern Sparren und fort. Auf dieser Seite war es ihm, als hätte er einen Misstritt getan; er ging wochenlang stocklahm, und am Morgen hatte er einen geschwollenen Kopf, der war so gross und prall wie ein reifer Kürbis.Seit dieser Nacht blieb die oberste Legilatte im Värrich des Ozenlägers immer offen.
Der Holzschuhmacher
im Steinenwald
Tief im Steinenwald zu Wengen, wo der schmale Fahrweg zum schuhbreiten Fussweglein einschrumpft, ist zwischen den kerzengeraden Stämmen der Rottannen der grosse, hohe Chilchstein. In ihm ist eine
In einem früheren Jahrhundert hauste dort der Holzbedeller. Er war ein armer Aechter', der sich am Gesetz so vergangen, dass es bei der Obrigkeit arg Erde aufwarf, und der Landvogt ihn verurteilt hatte, lange Jahre zu leisten. Er durfte sich während dieser Zeit nicht mehr innerhalb der Landmark sehen lassen. Der arme Schlopfi, der äussert Land und Dorf sich kaum hätte durchs Leben schlagen können, vernahm, dass die meisten seiner Dorfgenossen nicht in die gleiche Kerbe schlugen wie der Schlossvogt und die Obrigkeit. Deshalb kehrte er sich nicht an den Urteilsspruch und richtete sich in der Chilchsteinhöhle im Steinenwald ein. Seines Zeichens Holzschuhmacher, verfertigte und flickte er den Wengern die Holzboden. Ein grosser Stein mitten in der Höhle diente ihm als Werktisch. und in einer Ecke hatte er sein elendes Lager aufgeschlagen.
Im Anfang lief er scheu und beklommen während der Abendfinstri von Haus zu Haus der Arbeit nach. Als er aber merkte, dass einige ihm übel wollten, verliess er den Steinenwald tagüber nicht mehr. Den tröstlichen Segen der warmen Sommersonne tauschte er an finstere Höhle, Wald und karges Leben in der Heimat.
Da legten ihm gutmeinende Leute des Flickens bedürftige Schuhe, auch Speis und Trank in die Nähe des Chilchsteins und nahmen am nächsten Tage die fertigen Holzboden in Empfang.
Wenn aber der Bergwinter grimm und guxend durch den Hochwald brauste, fand der obdachlose Aechter Unterschlupf in einem armseligen, alten Groppihuuselli 2 oben am Ahorni.
Niemand verriet ihn in all den Jahren, als der Landmarkbann auf ihm lastete. Noch lange Zeit nach dem Absterben des Holzbedellers soll man in der Höhle im Chilchstein Nägel und Werkzeug des armen Büssers gefunden haben.
Der Schafhirt und die Kröte
In der Feuerbalm, in einem Fluhsatz des Schwarzmönchs, ist, wie an manchen andern Orten, auch Gold verborgen. Früher kam von Zeit zu Zeit ein Fremder mit scharlachenem, goldbordiertem Rock, gelber Weste mit glitzernden Knöpfen und wasserseidegrünen 1 Hosen herein nach Stechelberg. Weil das nur bergschuhbreite, sich öfters verlierende Weglein in all den vielen Dutzend Fluhbändern verirrlich und gefahrvoll ist, nahm er immer den Schafhirten mit, der ihn hinauf in die Balm führen musste. Wenn sie oben waren. nahm der merkwürdige, fremde Herr ein Zauberbüchlein aus der Fäckentasche, kratzte in die staubtrockene 2
Einst wollte der Schäfer - ein Schlufi - ärmer als die Kirchenmaus, auch einmal eine Handvoll
nehmen, wie man ja wohl begreifen mag. Aber da sprang ihm eine grässlich dicke Kröte auf den Handrücken, quakte jämmerlich und spritzte Gift um sich. So kräftig er auch seine Rechte schüttelte, sie klemmte ihn heftig und gab die Hand nicht eher frei, bis er das gelbe Gold wieder fallen liess. Hierauf verschwand der Zuber im Nu. Nie mehr sah man den seltsamen Fremden im Tal.Später soll einmal ein Maulwurf vor der Feuerbalm ein Goldstück aus Tiefen emporgestossen haben, nachgeforscht hat aber niemand, denn der Schafhirt trug seit jenem unglückseligen Griff ein ekligbraunes Krötenmal auf der ganzen Fläche seines rechten Handrückens.
Ein seltsamer Schrei
Am Giebelsteinhorn oberhalb Wengen, wo vor einer langen Reihe von Jahren ein gewaltiger Bergsturz zu Tale fuhr, da hütete einst ein Geisshirt seine Herde. Es war totenstill oben in der Einsamkeit. Auch der Bergwind war eingeschlafen, kein Laubblatt wippte, und kein Grashalm schwankte. Das dünne Bimmeln der vielen Geissenglöcklein war in vollem Einklang mit der satten Ruhe über Hang und Grat und starrer Felswirrnis.
Das zahlreiche Geissenvolk weidete ruhiger denn je. Der Hirt hatte heute wenig dem unsteten Trüecht
Da zerriss grausam jäh ein geiler Aufschrei die Bergesstille. Jeder Block und jede Felsenkante in weitem Umkreis gaben den grässlichen Schrei zwiefalt zurück. Als ob der Teufel auf ihrem dürren Rücken reite. spritzten die Ziegen in jähem Schreck meckernd in allen Himmelsrichtungen auseinander, rannten über Stock und Stein in weite Fernen, und der arme Geisser musste einen lieben, langen Tag in alle Falten der ganzen Männlichenkette klettern, bojen und hopen, bis er sie wieder alle beisammen hatte.
Nicht um alles in der Welt hätte der Oeisshirt von Wengen sagen können, wer den seltsamen Schrei ausgestossen. Oben in der freien, wilden Weite war keine Menschenseele zu erblicken, und er sah ja, viel weiter als der Büchsenschuss reicht, haarscharf.
Ob wohl eine arme Seel unter den Bergsturzblöcken ihrem jahrhundertlang verhaltenen Weh in einem einzigen Aufschrei Luft gemacht?
Die fliegende Herde
In Boganggen, dem höchsten und rauhesten Stafel der Sefinenalp, hatte man früher keine Stallungen, weder für das Rindvieh, noch für die Fohlen, die ehemals auch hier gesömmert wurden. Zur Melkzeit und bei heftigen Wetterumschlägen wurden die Herden
in Värriche getrieben, was sich besonders die Pferde nicht gerne gefallen liessen; denn sonst wäre kaum das Sprüchlein von Mund zu Mund gegangen:In Sefinen hinder em Horen. Wan die Resseli seilen gahn, Da heig si der Hirt verschworen, Aer meg si da nymeh b'han! |
Es verwundert sich kein Mensch, dass hier oben, wo Kälte und Unwetter daheim sind, selbst zu Mittsommer die Schneeflocken zu den grauen Wolken heraustanzen können wie zur tiefsten Winterszeit.
Einmal, es war mitten in den Hundstagen, peitschte ein jäher Hagelschmeiss die Alp, und in der Nacht fiel der Schnee wie eine Staublawine. Am Morgen lag er anderthalb Ellstab hoch; das Kaitwetter hielt den ganzen Tag über an, das Viehgewerb stampfte und brüllte vor Hunger und Kälte, dass es oben in den Wänden widerhallte. Alle Aelper, vom Sennen bis zum Hüterbuben, was Stecken und Stab brauchen konnte, musste wehren, dass das Vieh nicht hagbrüchig wurde und über die verschneiten Felsen ins Verderben glitt. Nach einer schrecklichen Nacht wollte die Wetterstrenge noch immer nicht weichen, und alles glaubte das ganze Senntum verloren.
Am frühen Morgen aber - o Wunder - da sass ein Zwerglein auf der obersten Legilatte! Sein Haar schimmerte weiss wie Birkenrinde, in der Rechten hielt es eine neue Kuhseili, in der Linken Salz. Es fing an zu locken und zu bojen: "Choom - ssä — ssä — ssä — choom - Plösch choom!" Der Leitkuh
band es den Strick um den Hals - und - iaa - dann was? — Huni - das ging auf und davon wie der Föhn mit der buchenen Streue - in die Luft und die ganze Herde hinten nach! In einem wilden, brausenden Flug rauschte es hinaus in eine fette Emdgraswiese neben dem Mürrenbach, hart vor dem Dorfe.Am folgenden Tag, als es endlich mit der Sonne nicht mehr sparte, und der unzeitige Schnee im Handumdrehen zerrann, gingen die erschreckten Sefinenälper auf die Suche. Sie fanden die ganze Herde vollzählig und wohlbehalten, wiederkauend draussen neben dem Mürrenbach. Der Zwerg, der Gute, war verschwunden.
Auf der Wiese hielten die Sefiner lange Rat, auf welchem Wege wohl die verängstigten Tiere am besten und ohne Missgeschick wieder in das ungastliche Boganggenläger zu zügeln seien, ob über Schilt und die Wasenegg oder unten durch über Fürten. Das saftgrüne Wiesland am hintern Dorfend von Mürren heisst seither "der Rad".
Der alte Sauser
Lange Jahre ging der alte Sauser auf den Alpen des Seitentales um. Wo er hinkam, trieb er sein Unwesen und richtete Schaden an. Hand in Hand mit ihm stieg der Viehtod auf die Höhen. Jeden Sommer, wenn die mächtige Herde der grössten Alp im Tal von Flöschwald, Alpiglen und den Sausmatten hinauf
in den Oberberg zügelte, bekamen die schönsten Stücke den Viertel 1 und wurden abgängig.Nach gründlichem Rat aller sieben Alpzeuge kam man überein, durch einen Kapuziner Abhilfe schaffen zu lassen und dem alten Sauser ein für allemal sein Hexenhandwerk zu legen.
In der dritten Nachmittagstunde des dritten Tages Heumonat begann jener in der Steinhütte in Alpiglen sein Werk. Er sägte sich hundertundein fingerlange arvige Rundholztütscheni zurecht und bohrte ein Loch darein. In jedes steckte er ein Papier, versehen mit seltsamen Zeichen, vor allem mit dem des grossen Zauberschlüssels Höllenzwang, der alle Geister zwingt, jeder Forderung Folge zu leisten. Diese Arventütscheni legte er in alle Schwellen und Obertürler sämtlicher Hütten im ganzen Saustal ein, auch in Mäuerlein auf einigen Anhöhen, und viele vergrub er.
Als er in der Steinhütte noch an der Arbeit war, soll ein Zwölfjähriger auf der Schwelle gestanden sein und ihm zugeschaut haben. Da sagte er zu dem: "Bub, tritt mir von der Schwelle, es will einer herein, den du nicht sehen kannst!"
Item, noch am gleichen Tag hat er mit dem alten Sauser au der Grenzmarch, auf der Kienegg hinten, geschwungen, aber er brachte ihn noch nicht aus der Alp hinaus. Er verbannte ihn dann in die Spryssenbaim unten an der Marchegg.
Hernach empfahl er der Alpschaft noch, in den Vorsassen das Treichiwasser besser und in neue
Wie er seinen Auftrag vollendet, sagte er wahr, dass nur noch ein einziges Haupt abgängig werde, eine Zytkuh 2 aus dem Besatz einer Witwe in Bönigen. Eine, fügte er bei, die müssen sie ihm geben als Lohn.
Wie der Kapuziner sagte, so traf es ein. Seither hat es keine Tiere in all den vielen Jahren auf der grossen Alp mehr geviertelt. Noch heutigen Tages, wenn in Saus ein Gehalt abgebrochen werden muss, nehmen die Zimmerleute mit Sorgfalt die Aryentütscheni aus Schwelle und Obertürler und versetzen sie in die neuen.
Die Spryssenbaim aber, wo der alte Sauser noch hausen soll, die sah seither stets aus wie frisch gewischt. Weder Geiss noch Schafli will sich hier, auch nicht bei ärgstem Sudeiwetter, an den Scherm stellen.
Der Bauer,
der nie genug werken konnte
In Gimmelwald lebte ein Bauer. der war ein recht unvernünftiger Werkteufel. Er arbeitete nicht nur von einem Sternenschein in den andern, sondern auch die halben Nächte hindurch. Wenn er nicht werken konnte bis zu mitternächtlicher Stund, so brach es ihm schier den Schlaf.
Einst, als es schon längst Schlafenszeit war, trug er Holz durch einen stockfinsteren Tannenwald. Auf einmal, er war kaum eine Stubenlänge von der Beige fort, da merkte er, dass ihm ein Mann auf den Fersen war; er fühlte, der ist lang, dürr, und es gibt kein Entrinnen. So unvermittelt, mit einem jähen Ruck, riss der Lange ihm die schwere Bürde vom Rücken, dass er auf die Nase fiel. Das Blut gerann ihm in den Adern, er brachte kein Wort hervor, es war, als ob der Schlag ihn auf die Rede getroffen.
Der Gimmelwalder hörte noch, wie hinter ihm seine Tannasttregi mit hartem Krach auf die Beige zurückgeworfen wurde. Dann aber hatte er des Hasen Schuhe an, in einem Hui rannte er haarscharf an den brandschwarzen Hochstämmen vorbei, durch das Unterholz hindurch, dass Knöpfe und Nähte am braunen Halbleinrock sprangen - über Stock und Stein heimzu. Der Dürre, Lange schien immer noch nach ihm zu greifen; den jähen Ruck im Rücken spürte er noch nach Wochen.
Der Bauer trug nie mehr zu Nachtzeiten Holz aus dem Wald, aber mähen tat er jetzt, zur Zeit der hellen Nächte, weit über das allerletzte Taglicht hinaus. In einer Nacht mähte er in seiner Bergweide eifrig an einem Dornbusch vorbei. Wie er vor dem Wetzen mit einer Handvoll Gras sein Werkzeug putzte, da tönte es dumpf aus dem Busch hervor:
"Där Tag ist din, Die Nacht ist min, Lass mich unterm Dornbusch in Ruohe sin!" |
Er liess die Sense klirrend fallen - und in wunderlichen Sätzen wie eine hüpfende Runkelrübe, hopste er hangab - wieder heimzu. Er beachtete es kaum, dass bei jedem Sprung sich das Wasser aus dem Wetzsteinfass an seinem Gürtel in einem lustigen Plantsch in seine älbbraunen Hosen ergoss.
Der Gimmeiwalder sagte keiner Menschenseele eine Silbe von dem, was er erlebt. Seine Dorfgenossen aber verwunderten sich sehr, dass er auf einmal nicht mehr zu Unzeiten am Werken war.
Der Ruhlose im Mondschein
Es war in der Talschaft eine Alp mit zwei Stafeln. In allen Berghütten ringsum munkelte man, dass da früher etwas zu Unrecht gegangen sei mit der March.
Der obere Stafel lag hoch über dem Holzwuchs, und wenn die Aelper im Sommer mit dem Vieh hinauf fuhren, mussten die Knechte das Holz vom untern in den obern räfen. In der Weghälfte hatten sie einen bequemen Lüüwiplatz 1,
Einmal kam ein ausnehmend heisser Sommer ins Land. Da wurden die Knechte einig, sie wollten in der Nacht Holz tragen gehen beim Mondschein. In einer Hochsommernacht schien die ganze Alp in glashellem Silberglanz. Auf Fels und Grat, Wald und Weid lagen tintenschwarz die Schatten. Totenstille weit und breit, 1
"Hie geid d'March, un da geid d'March, un dert geid d'March!" tönte es aus dem Schatten des Hohbergwaldrandes herauf. Dann gab es eine Pause, während welcher der Rufer wohl weiter schritt; jetzt hallte es wieder, und die Flühe gaben es weiter: "Hie geid d'March, un da geid d'March, un dert geid d'March!"
Den hörten sie nun immer rufen im Mondschein. Bald sass in den Knechten schwarz und kalt die Furcht; sie wagten es kaum mehr, in stillen, hellen Nächten vor die Hütte zu treten.
Der Senn, dem die Alp gehörte, hatte fortan Mühe, selbst um hohen Sommerlohn, Knechte zu dingen. Sie weilten ihm schon nach den ersten Vollmondnächten alle auf und davon. Da blieb ihm eben nichts übrig als die zu nehmen, die er noch auftreiben konnte. Einmal musste er auch einen dingen, den er sonst jedenfalls nicht genommen, weil er ein vorlautes Grossmaul und ein allen Leuten verleideter Praschalleri 2 war.
Da gingen die Knechte wieder einmal in einer lauen Sommernacht Holz tragen. Mit einem schweren Schnauf stellten sie auf der Lüüwi die Bürden ab, die sie auf dem stotzigen Kratzweg mit List und Geduld so gerückt und gedrückt, wie es der Rücken lieb hat. Sie machten ein Pfeifchen Tabak ein, wie es der Brauch 2
Ohne Besinnen, und ohne dass ihn die andern hindern konnten, rief ihm der grobhölzerne Knecht durch die hohle Hand in den tiefern Stafel hinunter: "Su steck Zillteni, 3 du Tonnder!"
Jetzt fürchteten sich die andern Knechte schauderhaft und kriegten mit dem Grobian; sie nahmen ihre Räfbürden 4 flugs wieder auf und stiegen damit bergauf, gewiss schier rascher als sie mochten und warfen das Holz vor der obern Hütte zuhauf. Dann hinein unter Dach; sie meinten, er sei ihnen noch immer auf den Fersen, der da unten.
Nachdem sie dem Schweiger 5 ihr Erlebnis berichtet, tröstete der sie, das habe man hier oben schon so lange gehört, so lange er zu Berg gefahren sei. Wenn nicht etwa sich einer erfrecht habe, dem Ruhelosen das böse Maul anzuhängen, so mache das nichts. Dann wurde es Morgen, und alles blieb still.
Darauf ging der Senn nach dem Käsen in den untern Stafel, um die Hütte zum baldigen Bezug instand zu stellen. Zu seinem grenzenlosen Erstaunen sah er, dass in der Nähe der Marchen Dutzende von Zilltenen standen. Und als er näher zusah, war an jedem das Brandmal einer glühenden Hand. Da fiel ihm ein, es könnte auf der Alp eine Aenderung zum Schlimmen geben, weil der groblochte Knecht ihm ungeziemend gemault, dem unselig Ruhlosen. Dann stieg
Hier versetzten sie den Schreithag 6 fein säuberlich dorthin, wo die vielen Ziliteni mit dem Brandmal standen.
Der Senn, der je und je ein gerader Mann gewesen, sagte den Knechten, er begehre kein Land, das nicht zu Recht erworben. Und von da an hörte man den schauerlichen Ruf auf der Alp nicht mehr.
Es blieb in den sommerlichen Mondscheinnächten alles still.
Das Rosswengli
Zur Aip Suis gehören auch die weiten Sausböden, obwohl sie schon jenseits der Wasserscheide auf einem hohen Fluhsatz über den grünen Gründen der Sausalp gelegen sind. Sie können eben nur von Suis aus bestossen werden. Hier oben heisst eine grosse Felsplatte, nach Saus hin abschüssig, das Rosswengli. Nur die ältesten Sennen der Gegend wissen um die Herkunft des Namens.
Vor einem Menschenalter, als noch der geruhsame Pferdeverkehr über die Passtrassen des Berner Oberlandes in der Blüte stand, da waren einige Fuhrhalter reiche Leute, und sie wetteiferten miteinander, die schönsten Pferde in Form und Farbe zu
Sommerüber trieb man die schönen Jungtiere mit dem Rindvieh zu Alp. Aber in Gewitternächten, oder wenn gar Hagel fiel, da hatten die Sennen mit ihnen ihre liebe Not. Sie machten es nicht wie die Kühe, die zur Nachtzeit nie rücken, dem anbrausenden Unwetter die Hinterseite kehren und ruhig auf ihrem Standorte bleiben.
Ob ein Ross ausschlage und einem Hochgewitter standhalte, das weiss man ja erst, wenn die Haut in der Gerbi ist. Gehalte gab es damals keine. Konnten die Tiere in der Nacht. wenn der Himmel grollte, nicht rasch in Värriche getrieben werden, dann rannten sie davon wie zum Rohr hinaus.
Vergebens hatte einst ein Einsichtiger an der Alpeinung von Suis gemahnt, im Pferdeläger auf den Sausböden einen starken Pferch zu errichten.
In einer schwülen Hochsommernacht darauf suchte ein Unwetter Suis heim. Da oben, auf der höchsten Alp in weitem Umkreis, schlug in der pechschwarzen Finsternis ein Donnerschlag in den andern, die Flühe tönten ehem. Es rauschte, rasselte, knatterte, und die Hagelschiossen trommelten auf Stein und Wasen, wie wenn ein Felsenbruch zu Tale ginge.
Was nützte es, dass die Sennen hineinhasteten nach den Sausböden! Sie hörten die Herde im Toben der Elemente ihnen entgegen schnauben und stampfen mit dem Teufel um die Wette. Da halfen weder Gröbe
noch Güte; die Rosse rannten über die Fluh hinunter nach Saus, Fuchs und Scheck und Schimmel und Rapp, die edlen Tiere der freien Weite! Dumpf hörte man im Tosen die Aufschläge; es waren ihrer gar viele. Noch im Jahr darauf stiess der Adler aus den Höhen nieder, und schlich der Fuchs aus dem Hochwald her nach der Unglücksstätte, und lange Jahrzehnte hindurch bleichten Haufen von Knochen am Fusse vom Rosswengli.
Das Gold in der weissen Fluh
Ganz Wengen wusste früher um den Schatz in der weissen Fluh oben auf Biglenalp. Da ist ein riesiger Haufen Gold verborgen. In einem der höchsten Wipfel der vieltausend Tannengrotzen auf Wengernalp hängt ein rarschöner Schlüssel. Wer das Glück hat, ihn zu finden, dem öffnet er ein verstecktes Tor in der weissen Fluh. Sobald es in den Angeln knarrt, stürmen zwei blütenweisse Pferde in schnaubendem Galopp heraus. Sie sind beide schwer mit Gold beladen. Wem es einmal gelingt, sie zu erstellen, dem gehören Schimmel und Schatz.
Der Geisshirt von Wengen
Ueber den Pfarrer, den Schulmeister und den Geisshirten ist im Bergdorf jeder Richter. Am allerschlimmsten dran ist aber doch der Hirt. An ihm
wischt selbst der letzte faule Paschi den Mund ab: ihm macht auch von früh bis spät das Geissentrüecht, das stets auf dem Passauf ist, dem Stehlen nachzugehen, das Leben sauer.Man sagt, dass in den Bergen ein Sonnentag ein halbes Dutzend leide aufwiege. Der Geisshirt von Wengen aber konnte diese wie jene nie an Scherm oder Schatten abhöckeln. Wenn er in Wind und Wetter in den stotzigen Rasenbändern unter dem Lauberhorn, Tschuggen und Männlichen bohrende Wehtat in die Fussknöchel gelaufen hatte, liess er sich am Abend unten im Dorfe nicht mehr gerne Hagstecken auf dem Kopfe spitzen.
Vor Zeiten machten einem Geisshirten einmal eine Ziege und ein altes Reibeisen die Hölle heiss. Die Alte besass eine Geiss, die war ein Kratten, leider 1 als die Sünd auf der lätzen 2 Seite. Am Abend, kurz vor dem Abtrieb der Herde ins Dorf, liebte sie es, sich abseits in eine Balm zu stellen und dort zu nächtigen. Wenn die schlaue Schlampergeiss zur Melkzeit nicht unten war, entband die Alte in Wengen den Teufel, schob alle Schuld dem Hirten in die Schuhe und wollte ihn in die Stangen stellen. Sie verlästerte ihn im ganzen Dorfe und warf ihm vor, er behalte die Ohorenochte 3 oben, um sich am folgenden Tag mit der vielen Milch einen Aelperkaffee zu brauen.
Und der arme Geisser, dem trotz des harten Lebens oft der Schalk im Nacken sass, der streute in Wengen aus: "Was weiss die alte Tächa 4 von einem
An einem nebelnassen Sudeltage wollte sich die Gehörnte beim Abtrieb wieder auf die Seite stellen: da wurde der Geisshirt wütend, nahm den ersten, besten Stein und schleuderte ihn nach ihr. Er traf den alten Schlamper so wuchtig an den Kopf, dass er tot zusammenbrach. Der Geisser erschrak bis in die Seel hinein, und am nächsten Tage warf er den Kadaver
in einen wüsten, tiefen Krachen unter dem Tschuggen. Die Ziege blieb verschollen, und die arme Alte vermochte keine andere an sich zu handeln. Der Hirt wagte es nicht, dem Weiblein den Schaden zu ersetzen, weil er sonst zum letztenmal die Herde zu Berg getrieben hätte. Kein Mensch ahnte, dass er schuld am Geisstod war.Mit schwerem Herzen fuhr er fortan hinauf an die Hänge, denn er wusste es selber haargenau, dem Unvernünftigen Leid antun, das darf ein ehrenwerter Mann ja niemals, auch wenn er das göttlichste Recht auf seiner Seite hätte.
Wenig Jahre nachher kam er in einen bösen Wind, und bald trugen ihn die Wenger die Kehre hinunter auf den Gottesacker beim Staubbachfall.
Im Jahr, das folgte, machte des Geissers Bruder, der Dachdeck mit einem Lehrbuben auf die Allmendhütte ein neues Schindeldach. Sie waren bereits fertig, die Nacht war bald auf ihnen, und sie legten nur noch die letzten Schwarsteine 5 Da sah der Bub vom Barwengi herunter einen Mann mit einer Bürde niedersteigen. Je näher dieser mit seiner lampenden Tregi kam, desto klarer sah der Gehilfe, dass es der verstorbene Geisshirt von Wengen war. Jetzt stand der seltsame Träger auf Steinwurfweite von der Hütte. Nun sagte der Lehrbub zum Meister: "Hee - schaut einmal, wenn euer Bruder nicht gestorben wäre, ich glaubte steif und fest, der komme hier mit einer toten Ziege auf der! Achseln!"
Iaa - wohl schier den sah der Dachdeck auch. Und sein Gesicht war so weiss wie ein gebleichtes Leilachen, als er ihn stotternd fragte: "Um - des Herr - gotts Willen - was machst du mit der toten Geiss?"
Wie aus einem leeren Fass heraus kam die Antwort: "Die gehört der armen Alten im Wengiboden. Zu Lebzeiten hab ich das Tier mit einem Stein erschlagen und, statt es zu ersetzen, mit Lügen gegen eine Witfrau gefochten. Ich trage das Trüecht seither Abend für Abend, so manchen Tag ein Geisshirt fährt, ins Dorf hinunter, bis einer für den Schaden aufkommt!"
Das liess sich der Dachdeck gesagt sein. Es griff ja nicht ins Guttuch, und schon am nächsten Tag hatte die arme Witfrau eine schöne Ziege umsonst.
Seither sah den toten Geisser niemand mehr vom Barwengi niedersteigen. Er hat längst seine Ruh im Grab gefunden.
Die hagbrüchige,
schwarzplöschete Kuh
D'r Steinbärg und das Ammertental, die sygen des Predikanten, Aer schläd uf d's Britt, äs syg eso, äs gäb mu z'wenig Anken! |
Zur Zeit, als dieser hinterste Winkel des Tales, wo man wirklich seine liebe Mühe hat, einen Sommernutzen herauszuwirtschaften, dem Predikanten gehörte, bereitete einmal eine schwarzplöschete, eigensinnige Kuh den beiden Aelpern eitel Verdruss und Aergernis. Den Raubauz hatte ein Schuldenbäuerlein zur Sömmerung gegeben. Gegen alle andern Kühe war sie unverträglich, und zum Melken kam es öfters vor, dass sie ausschlug wie ein störrischer Esel; auf der Weide sonderte sie sich von der Herde ab, stiefelte wie die Geissen, dass sie oft aus Fluhbändern heruntergeholt werden musste, chetten 1 und bojen waren umsonst. Wo sich irgendwie Gelegenheit bot, kehrte sie das Lätze nach aussen. Sie war hagbrüchig und eine Gefahr für die Herde. Das hätte den Sennen niemand ausgeredet, dass der leibhaftige Satan in der Schwarzplöscheten stecke.
Als sie eines Sommers zum erstenmal zu Tagweid fuhren, da nahm die Kuh auf einer Fluh den Schreithag auf und warf Stecken und Schiji 2 in hohem Bogen hinaus. Die beiden Sennen waren wütend über das verfluchte Ruossgaden, das ihnen die schwere Arbeit auf der Alp noch schwerer machte. Und als sie nach langem Umweg in sauren Bürden Stecken und Schiji wieder herauftrugen, wurden sie einig, die schwarze Brente, wenn sie noch einmal hagbrüchig werde, auf die Seite zu schaffen. He - der machte man es denk etwa wie den Bären in den schmalen Fluhwechseln!
Die beiden stellten den Wildhag auf dem Fluhrand wieder auf und legten ausserhalb und innerhalb saftige Tannenrinde mit der Innenseite nach oben. Als sie wieder hinaus zu Tagweid fuhren, ging die Schwarze mit gesenkten Hörnern noch einmal auf den Hag los, aber -oohä auf der glatten Rinde glitschten ihre Klauen - und dann hat es sie hinausgeputzt über die Fluh.
Weder Haut noch Fleisch waren verwertbar, und das Bäuerlein im Tale unten kam mit seinen Schulden noch ärger in die Klamm.
Aber - schon im Winter drauf wurde der, der die böse Tat ersonnen, krank und bresthaft, und der Tod streckte ihn noch vor der nächsten Alpauffahrt. Des andern Haar war taubweiss geworden, und als zu Mittsommer zum erstenmal die Herde in Ammerten zu Weid getrieben wurde, da sah er am heiterhellen Tag den verstorbenen Sennen. Der trug, keuchend unter der schweren Last, eine Hälfte der dahergefallenen Kuh herauf. Dem grossen Sennen, dem war noch nie ein so eiskalter Schauer durch den Leib gefahren, und der hatte sich noch nie so gefürchtet, als jetzt, da der Mann mit der unheimlichen Tregi ihm zurief: "Um des Herrgotts Willen, entlast deine Seel bei Lebzeiten, tu was recht und ersetz dem armen Bauern den Schaden, die andere Hälfte der Schwarzplöscheten, die wartet drunten auf dich!"
Die schwarze Katze auf Busenalp 1
Die hoch gelegene Alp Busen am Hang des Tschingelgrates stand nie in besonders gutem Rufe, es hiess von ihr:
Bösen syg en schlächti Alp, Aes sygi haibs den Schafen. D'r Senn, das syg en fuula Latz, Aer tüeji haibs Zyt schlafen! |
Einmal gehörte sie einem bösen Weib aus Stechelberg, das schon zum drittenmal Witfrau geworden. Das war etwa in aller Leute Mäuler, dass sie den ersten Mann vom Himmel, den zweiten von der Erde und den dritten vom Teufel erhalten und sie alle drei unter den Boden geärgert habe.
Es war schon öfters vorgekommen, dass im Herbst, am Morgen der Alpabfahrt, der Senn eine Leiche lag. Das wurde bald überall bekannt; lange Jahre wollte niemand mehr da oben alpen. Es kam bald so weit, dass die Weiden nutzlose Wildnis geworden wären. Da erschien einst ein munterer, junger Bursche aus einer andern Talschaft beim bösen Weib und trug ihm seine Dienste an. Alle wohlgemeinten Mahnungen der Leute gingen bei ihm auf wie Rauch und Schall. Sein Entschluss war gefasst, und bald hatte er auf Busen zu Alp gedinget. Frohen Mutes trieben er und der Hüterbube die Herde zu Berg. Die Atzung war diesen Sommer reich, kein
Zu rasch vergingen die Wochen des Schönwettersommers. und im Handumdrehen war der Vorabend der Talfahrt da. Ob all den vielen Vorbereitungen hatten Senn und Hüterbube späten Feierabend und keine Zeit, schlimmen Gedanken nachzuhängen. Da der Aelper wusste, wie es etlichen seiner Vorgänger ergangen, nahm er einen derben, zähen Tannastknebel mit sich hinauf auf das Gelieger; denn er fürchtete sich weder vor Tod noch Hölle und war bereit, wenn es Notsach war, selbst dem Teufel in den Bart zu greifen.
Richtig - in der bösen Mittnachtstund weckte ihn ein grässliches Zischen und Fauchen. Zwischen Schindeln und Rundbalken zwängte sich eine kohlschwarze Katze, um ein Mehrfaches grösser als eine gewöhnliche. Sie knurrte und schaute den jungen Sennen mit glühenden Augen an. Der behielt alle seine Sinne beisammen, ergriff den Knebel: "Bist eine ächte, so ist es schier besser, du stellst dich auf die Seite, bist eine andere, so wart, ich will dir grad gleichwohl einen Tätsch geben!" Als das schwarze Untier ihm mit den Vordertatzen nach dem Hals greifen wollte, da traf er es solchermassen mit dem Tannast, dass man die Knochen knacken hörte. Es jaulte und miaute laut auf, und dann verschwand es.
Als ob nichts geschehen, fuhren Aelper und Hüterbub in der taufrischen Frühe mit dem Vieh zu Tal. Wie staunte aber der junge Mann, als seine
Meisterin drunten im Grund, wie die Leute sagten, seit letzter Nacht mit gebrochenen Gliedern auf dem Laubsack lag!Die Stridelhexe hatte jeweilen die Sennen in der Nacht vor der Talfahrt umgebracht, um keinen Sommerlohn entrichten zu müssen. Sie blieb Bettliegerin bis an ihr böses Ende.
Der dreibeinige, weisse Hase
Weiss Gott vor wie viel Jahren standen die Speicher der Sefinenaip bei der Wasserbrücke vorn im ebenen Boden. Jeden Tag trug der Senn die frischen, noch in Järb 1 und Umschlag eingespannten Käse auf dem Räf hinaus in die Speicher. Ein armer, hungriger, übelgesunder Waisenbub von Gimmelwald, der bei einem knorzigen Bauern vertischgeldet war, wartete Tag um Tag vor den Speichern und bat um Käsriemen 2 . Gewiss hätte eher der Tag gefehlt als der Bub, und lange tat er keine Fehlbitte. Schliesslich aber wurde der beharrliche Käsriemenbettler dem Sennen überlästig, und er beschloss, wie man es etwa macht, den Buben durch einen gähen Schreck vom Speicher fern zu halten.
Eines Tages, als er schon wieder auf der Speicherschon 3 sass und auf ihn wartete, stellte er das Räf ab, mit einem harten Knacks, machte ein finstres Gesicht,
Der einfältige Bub erschrak nicht im geringsten und fragte harmlos: "Wie geht denn das?" Der Senne drauf: "Iaa, du Owunderfuchs, das kann ich dir grad zeigen!" Er öffnete den Speicher, rollte einen Scheittotz aus der Ecke und stellte den Buben darauf. Dann nahm er das Bindseil vom Räf, band es an den Unterzug, warf dem Buben eine Schlinge um den Hals und zog sie so an, dass er mit den Schuhnasen nur noch schwachen Stand hatte.
Da - was war das? — In diesem Augenblick hoppelte - wie seltsam - zu Mittsommer - ein schneekreideweisser, dreibeiniger Hase langsam und unbeholfen an der offenen Tür vorbei. Der Senne vergass den Knaben, rannte wie das Bisenwetter hinaus, dem lahmen Schneehasen nach, fort und fort über Stock und Stein, durch Strauch und Stauden den ganzen geschlagenen Tag.
Als er zu nachtschlafender Stunde wieder zurück zum Speicher kam, da war die Türe noch sperrangelweit offen. Er machte Licht. Herr Jesses - der Totz war umgefallen, und ein verzerrtes Kindergesicht mit gebrochenen Augen starrte ihn an. — Ein Schrei gellte durch ganz Sefinen.
Der Aelper verscharrte das Lychli des erhängten Kindes im Kies des Lütschinenbettes, dann in die Nacht hinein, wieder dem dreibeinigen, weissen Hasen nach, so weit, so weit, dass er nie wieder kam.
Bald wollte keiner von den Aelpern mehr eine einzige Tregi 4 hinaus zu den Sefinenspeichern bei der Brücke im Boden tragen; denn so gewiss Wasser von den Bergen rinnt, sahen sie Mal für Mal ein Seil vom Balken hangen und auf dem umgestürzten Scheittotz den Sennen sitzen, das Gesicht in die Hände vergraben. Die Speicher zerfielen und wurden viel weiter hinten im Tal wieder gebaut, da, wo sie heute noch stehen.
Und der Sefinensenn hatte dem Buben nichts Uebles antun wollen, war bei Lebzeiten kein arger Mann gewesen - helf ihm Gott an die Ruh!
Der glühende Marchstein
In einem sammetbraun gebrannten Häuslein auf der Wangfuhre in Wengen wohnte einst ein altes Ehepaar. Die Frau besorgte die Haushaltung und wob fleissig Leinen für Bettzeug und Wäsche. Der Mann betreute Grund und Boden wie den kleinen Viehstand mit Liebe und Umsicht. Sie lebten in Glück und Zufriedenheit, und mit den Nachbarn auf dem Bühl hatten sie nie ein Widerwort. Zur Zeit der langen Nächte, wenn der winterliche Schneegux um die Ecken pfiff, kamen die vom Bühl oft herunter zum Abendsitz. Die Frauen spannen, und die Männer lagen dem Tubaken ob, das auch bei ihnen aus jungem Hochmut zu alter Gewohnheit geworden.
Eines Abends öffnete der von der Wangfuhre das Stubenfenster, um seine Pfeife auszuklopfen. Auf einmal sah er oben am Hag einen Mann mit einem glühenden Marchstein auf einer Achsel. Er erkannte ihn deutlich; es war der Bauer, von dem er seinerzeit Häuslein und Fuhre erstanden, und der schon vor Jahr und Tag drunten im Grund beim Kirchlein sechs Fuss tief lag. Der alte Wangfuhrner vergass, sein Pfeiflein auszuklopfen und wurde so weiss wie ein Tischlaken, als er hörte, wie der ihm zurief, er solle heraus und mit ihm kommen. Der alte Mann aber fürchtete sich schier, zu einem Toten hinauszugehen. Dann fragte er erst den seltsamen Steinträger, was das alles zu bedeuten habe. Nun bekam er vom Geist den Bescheid, dass er bei Lebzeiten falsch gemarchet habe. Jetzt bat dieser den Bauern, er solle um des lieben Herrgotts und seiner eigenen Seligkeit willen mit ihm kommen und ihm helfen, den Marchstein setzen. Weil der Wangfuhrner sich noch immer fürchtete, rief der Unselige ihm zu, er solle nur guten Mutes kommen, es werde ihm auch nicht ein Haar gekrümmt. Er müsse ein Lichtlein nehmen, sich kleiden, wie es sich für einen Mann geziemt, der eine ernste Handlung vorzunehmen gedenke. Beileibe aber dürfe er ihm nicht das letzte Wort lassen, wenn sie von einander.
Der alte Bauer liess die verdutzten Nachbarn und seine Frau, die von allem nichts gemerkt hatten, in der Stube sitzen und ging wortlos hinaus. Oben am Hag fragte ihn der Steinträger: "Wo soll ich ihn setzen?" — "Setz ihn da, wo er hingehört, an den
richtigen Ort!" Darauf liess er die brennende Last fallen, eine halbe Elle diesseits des Hages, und sie setzten ihn miteinander. Dann suchten sie noch einen andern Stein, schlugen ihn in zwei ungefähr gleich grosse Teile, so, dass man sehen konnte, dass sie ein Stück gewesen und setzten diese als untrügliche Gültigkeitszeugen beidseitig neben den Marchstein.Wie das ernste Werk getan, sagte der Verstorbene, jetzt sei er erlöst, und ein Dutzend Vergeltsgott und Dankheigist sprangen über seine Lippen. Damit fuhr er mit einem Male durch die Luft aus gen Himmel und dankte in einem fort. Der Wangfuhrenbauer entgegnete ihm: "Dafür brauchst du nicht zu danken." Noch von weit, weit aus der Luft oben klangen die Worte an sein Ohr, aber immer ferner und schwächer. Er liess ihm nicht das letzte Wort und rief ihm in den nachtschwarzen Himmel hinauf nach: "Dafür brauchst du nicht zu danken, dafür brauchst du nicht zu danken!" Als er wieder in die Stube trat, verabschiedeten sich die Nachbarn. Der Wangfuhrner aber setzte sich fröstelnd in die Ofenecke und wagte es nicht, sich zu Bett zu legen, denn es schien ihm, er höre den Erlösten noch in einem fort danken hoch oben aus den Lüften, und er bleibe ihm das letzte Wort schuldig. Bis gegen Morgen hin brummelte er schläfrig aus der Ofenecke: "Dafür brauchst du nicht zu danken, dafür brauchst du nicht zu danken!"
Er hatte aber die Mahnung, sich zu kleiden, wie es sich für einen Mann gezieme, der eine ernste Handlung vorzunehmen gedenke, nicht beachtet, war
gedankenlos, gegen guten Brauch verstossend in der Zittelkappe 1 hinausgegangen. Seither ertrug er nur noch diese Kopfbedeckung.Der Bauer an der Wangfuhre und der auf dem Bühl, die taten einander wegen der verschobenen March nichts zuwider und zuleid. Sie versetzten den Hag an den richtigen Ort und lebten weiter in Frieden und Eintracht.
II. Teil
Sagen, die in älteren Werken Erwähnung fanden, hier entweder ergänzt, berichtigt oder in anderer Fassung erscheinen
Fürcht dich nicht,
so geschieht dir nichts!
Auf einem Stafel der Alp Winteregg verschwanden einst einzelne Kühe und Aelper; man wusste nicht, wohin sie geraten waren. Dann kam es so weit, dass weder Vieh noch Sennen ins Tal zurückkehrten. Nachdem die Bauern manchmal nutzlos angesetzt, getrauten sie sich nicht mehr, auf diesen verrufenen Stafel zu Berg zu fahren, das kann man sich ja denken.
Es hiess, da oben unter dem Schwarzbirg treibe ein kohlerdenschwarzer Mann, ein wüster Gast, sein Unwesen. Dieser habe eine braune Kuh, die so gewaltig viel Milch gebe, dass kein Senn im Lande imstande sei, sie in einer Stunde auszumelken, und wer den Versuch erfolglos wage, der werde zu Tode gequält.
Dann kam einmal, nachdem dieser Teil der Alp schon ein Häuflein von Jahren brach gelegen, ein grosser, junger, starker Bursche und wollte die Probe bestehen. Zuerst schlugen die Bauern ihm rundament alles ab. Der aber gab nicht auf und sagte, sie sollten ihn nur ziehen lassen, er fürchte sich ganz und gar
nicht, dem alten Choldri 1 da oben wolle er schon die Löti auftun; sie sollen ihm soviel Kühe, wie die Alp geseiet 2 zur Verfügung stellen, mit Schiff und Geschirr und Geläut und allem, was zu einer guten Sennerei gehöre. Schliesslich wurden die Berganteilhaber zur Einung zusammengerufen und rätig, noch einmal hinauf zu stossen.Der junge Bursche wollte voraus gehen und verlangte, dass ihm das Gvicht 3 nachgejagt werde. Er nahm Brot auf den Leib: tut einer das, hat kein Geist Gewalt über ihn, denn Brot ist heilige Speise. Als sie zum Türli kamen, stand da ein grosser, schwarzer Mann daneben. Aber der Jungsenn erschrak im mindsten und geringsten nicht. Er redete ihn barsch an, ohne Chlupf noch eines und anderes und namste den schwarzen Möhr grad Chohler. Als die hinter der Herde das Spiel sahen, klopften sie die Finken. Der Aelper ging zur Hütte, stellte sein Bürdelli ab, den Sträfzgelstecken 4 an die Wand und richtete sich drinnen ein. Der Schwarze war immer da und trappete ihm nach auf Schritt und Tritt. Wie er all seine Geschäfte gereiset hatte, war die Melkzeit da, und er wollte seine Kühe stauen. Aber dann brachte er keine in den Stall, weil der Schwarze darin war. Da ging der Senn hinein und wies ohne Federlesen den Geist hinaus: "Soo - vor der Tür ist draussen, weisst du denn nicht, dass sie wegen dir nicht hinein dürfen?" Nun half ihm der Schwarze das Vieh eintreiben, aber
Sobald es gegen Mitti Nacht rückte, da ging der Finstere auf und sagte: "Senn, steh auf, du musst mir helfen gehn!" Der Senn darauf: "Nein, hier auf dem Laubsack ist mir wohl genug!" Dann ergriff der Schwarze das Bett an einem Stollen, schüttelte es, dass der darin zwirbelte wie der Härdöpfel in einem leeren Körbli. Jetzt sagte der wüste Gast zum andernmal: "Geh nun auf!" Sprach der Junge: "Mir gefällt es hier im warmen Guutschi 7 gut genug!" Da schleifte der Arge die Bettstatt samt Laubsack mit Händen, die glühten wie ein Lötkolben, mitten in das Stübli und wirbelte sie ringsum - es ging wie heute auf dem Rösslispiel, nur schier ein bisschen schneller. Dann sprach der Schwarz: "Chüejer 8 — fürchtest du dich nicht?" Der darnach: "Mir geht es, je länger desto schöner!"
Der Geist zum drittenmal: "Soo - jetzt brauch ich dich nicht mehr, steh beileib nicht auf, tu deiner Faulheit Rat, sonst dreh ich dir den Grind um!"
Nun stand der Jungsenn justament grad auf und machte Licht. Da war der Dunkle neben dem Käskessi, befahl ihm barsch, Pickel und Schaufel zu nehmen und ihm zu folgen. 7
Sprach der Aelper: "Ich nehme weder Pickel noch Schaufel - nimm sie selber, zünden will ich dir!" Dann gingen sie selbander hinein ins Milchgaden, und hier befahl der böse Geist von Winteregg, er solle graben, mitten zwischen den vier Wänden. Der starke Senn, der wich um kein Haar ab von seinem festgefassten Vorsatz und sagte lässig: "Tu selber, zünden will ich dir!" Dann grub der Geist mit wuchtigen Pickelschlägen, und aufs Mal kam er auf eine grosse Steinplatte und verlangte wieder des Jungsennen Handreichi. Ruhig bis ins Mark sagte der: "Ich hab nicht geholfen sie hinunter tun und helfe nicht, sie herauf zu lüpfen, mach selber, zünden will ich dir!"
Dann hob sie der Schwarze - aaber - die flog räss herauf! Darunter kam ein Käskessi, so gross wie es der stärkste Aelper kaum zu tragen vermocht hätte, ebenbördig voll Gold zum Vorschein. Dann sprach er den Sennen an. ihm die schwere Last herauflüpfen zu helfen, aber trotz des blinkenden Schatzes bekam er den gleichen Bescheid wie vorher: "Tu selber, zünden will ich dir!"
Dann hob er selber die Last dass Funken stoben! Nachher schüttete er neben dem Loch im Milchgaden die goldenen Vögel aus, machte daraus drei Haufen und sprach den Aelper wieder an:
"Der erste gehört den Leuten, die vor Jahren das Vieh verloren hier oben, den andern, den kannst du nehmen, und den dritten, den behalte ich!"
Da stand ihm der Herzhafte Red: "Der erste, der gehört den Leuten, wie du verfügt, den zweiten,
den habe ich verdient, und den dritten, den nehm ich auch grad noch und verteil ihn unter die Armen, denn du, du hast keinen mehr nötig!"Damit hatte der standhafte Hirt den schwarzen Mann auf Winteregg erlöst. Alle drei Stafel der sonnigen Alp waren fürderhin frei und frank.
Das weisse Kronschlängli
Am Bachlehn ob Gimmelwald kam einst ein armer Bauer seit langem um den Taggewinn von einer Kuh. Setzte er sich zur morgendlichen oder abendlichen Meikzeit auf seinem Einbein unter sie, so gab sie keinen Tropfen Milch. So sehr er das Tier auch hätschelte und tätschelte und die Zitzen beim Vormelken mit Schmer bestrich, er brachte weder Tran noch Zyssa 1 aus ihr. Andern erging es auch so, und doch war das Tier kerngesund und glatt wie ein Schär.
Darauf haben einige Gimmelwaldbauern Tag und Nacht gelusset 2 wer da melken gehe. Aber da ging keiner weder zu noch fort. Hernach hatte sich der Bauer einmal schon zu Beginn der Schlafenszeit auf die Barnilatten gesetzt. So um Mitti Nacht herum hörte er im Stall ein feines Zischen: er steckte Licht an, und dann war es richtig da, das weisse Schlängli mit dem guldigen Krönli uff. Von dem glimmte ein mattblauer Glanz wie ein Leuchtguog 3. Unter der Kuh bäumelte es auf, wippte unruhig hin und her
Auf der Nachbarn Rat zügelte er mit der Kuh für ein paar Tage in ein abgelegenes, nicht mehr nutzbares, verwettertes Gehalt. Rasch hatte sich die der Milch aufsetzige Kronschlange an den neuen Stall gewöhnt und sog wieder Nacht für Nacht das Euter leer. Unversehens trieb an einem Abend das Bäuerlein die Kuh wieder in ihren frühern Stall.
In der Nacht darauf lusseten die Gimmelwalder der weissen Kronschlange auf. Sobald sie das Zischen im Stall drinnen vermerkten, schlossen sie rasch Fellbalkenladli und Zuglöcher und zündeten das wackelige Scheuerlein an allen vier Ecken an. An den wurmstichigen, altersmürben Rundbalken prasselte der Flackerschein im Nu empor. Grausig färbte bald die Feuerröti die Busenflühe. In stiebendem Funkenregen knackten die Dachrafen ein, und als die First in einer sprühenden Garbe krachend fiel, da war es dann gekommen, das weisse Schlängli mit dem guidigen Krönli uff. Alle die Bauern haben es gesehen zur höchsten Stichflamme in den brandroten Nachthimmel ausfahren und in Asche zerstieben.
Aber als der Bauer am andern Morgen in den Stall zur Kuh kam, die die weisse Kronschlange so lange genähret, da hatte die gläserne Augen, lag steif und kalt.
Ein Zwerg zahlt mit Kohlen
In der Oydisfluh oberhalb Stechelberg hausten früher Zwerge. Da sie dienstfertig waren, standen sie mit den Bergbewohnern auf gutem Fuss.
Einer Zwergenmutter, die in Kindesnöten war, gewährte deshalb die weise Frau von Gimmelwald, sie wohnte am Mühlebort, gerne Hilfe. Willig nahm sie den steinigen und stotzigen Stolperweg unter die Füsse.
Nachdem das Kindlein zur Welt gekommen und munter in der Wiege lag, nahm der Zwerg ein Häuflein Holzkohlen und schüttete sie der Frau von Gimmelwald für ihre Mühewaltung in die Schürze. Enttäuscht über das Hungerlöhnli machte die sich auf den Heimweg. Sie glaubte, dass die schwarzen Klumpen kaum für das Plätteisen taugten und gab auf dem Weg nicht sonderlich acht auf den schäbigen Entgelt. Als der Zwerg das merkte, lief er ihr nach und rief ihr warnend zu:
Je mehr du verzatterst, Je minder du hattest! Je mehr du verstreust, Je mehr du bereust! |
Sie beachtete aber die Warnung des Spenders nicht. Mit nur drei Stücklein kam sie oben in Gimmelwald an und warf sie achtlos in den Herd. Da wurden aber bald aus den Glutstücklein lauter glänzende Goldstücke. Im Nu begriff die Gimmeiwalderin den Zuruf des Bergmännchens, hastete talzu und ergab sich nicht bis zum untersten Spitzkehr. Aber sie fand von den so geringschätzig und unachtsam verzatterten Kohlen kein allereinziges Stücklein mehr.
Die Lötscherglocke
In frühern Zeiten waren Fehden zwischen den Einwohnern zweier Talschaften gang und gäb. Manchmal zogen die einen in Wehr und Waffen zum Nachbarn und nahmen mit, was an sie lief, Vieh oder andere Fahrnis, und gar oft floss viel Blut.
Es kam den Lauterbrunnern nicht darauf an, über die hohen Grenzberge hinüber die Walliser heimzusuchen.
Als sie ihre Kirche fertig hatten, da fehlten die Glocken, die sie nicht selber machen konnten, und die am meisten von den raren Batzen gekostet haben würden.
Zu dieser Zeit war die Wetterlücke, der weite Sattel zwischen Breit- und Tschingelhorn, noch nicht vergletschert wie heutzutage.
Die Talleute standen damals schon lange mit den Lötschern in Fehde, und da zogen vieldutzend Kernenfester von der Bernerseite hinüber und schlugen die
Ein herber Winter stieg mit ihnen nieder in den Grund. In den Ustagen und selbst im Sommer drauf
wurde die Wetterlücke nicht mehr schneefrei und ist es seither nie mehr geworden. Die zweite Glocke blieb oben, ist nun tief im Gletschereis vergraben.Die grössere hängt noch heute im Turm der Talkirche von Lauterbrunnen und heisst die Lötscherglocke. Viel später wollten die Walliser sie im Rückkauf mit Geld aufwägen, aber die Lauterbrunner waren nicht gewillt, auf die von ihren Vorvätern so seltsam erworbene Glocke zu verzichten.
Lauterbrunnen und Grindelwald
Einst sandten die Bewohner des Bödeli, der Ebene von Interlaken, Kundschafter aus, um die wilden Täler gen Mittag, hinten bei den weissen Bergen, zu erforschen. Vielleicht gab es da neue Weidegründe für die Herden.
Wo Wasserlauf und Quertäler sich schieden, da trennten sich die Männer. Vorher hatten sie aber vereinbart, auf der Rückkehr hier auf einander zu warten und gegenseitig zu berichten, was man vorgefunden.
Wie sie sich wieder trafen, erzählten die Einen: "Mier hein nüd wan luuter Brunnen g'funden." Die Andern sagten: "Un mier nüd wan Grind' ol Wald."
Später erhielten die beiden Täler die Namen Lauterbrunnen und Grindelwald.
Wie die Pest ins Tal kam
Die Lauterbrunner blieben lange vom gähen Tod verschont, der seit Monaten drüben in ganz Grindelwald Leid in Haus und Heim brachte. Die Leute an der weissen Lütschine führten damals kein gottgefälliges Leben, machten sich in ihrem Uebermut über das Sterben lustig und dachten nicht daran, dass das gleiche Unheil auch sie treffen könnte. Die Bergbauern hatten sich ein gröbliches Fluchen angewöhnt und meinten:
Fluochen un hätten Muos en andren dirhijätten. |
Da stiess eines Tages, es war im 1442igsten Jahr, rauchiges Gewölk über die Scheidegg, kroch über die Biglen- und Mettlenalp und blieb im Schiltwald in den Tanngrotzen hängen.
Hier begann bald darauf der grosse Sterbet. Das erste Opfer war ein Gritli Gertsch, eine Hochzeiterin. Aber die grobjänischen Flucher liessen sich nicht erweichen, bis sie alle Feuer am Stecken hatten. Dem Totengräber im Talgrund pflegten sie zu melden: "Bei uns oben hat der schwarze Tod wieder einen gestreckt; es ist doch gut, dass du ,und der Schreiner nicht brotlos werden."
Schliesslich aber gab es der Leichen so viele, dass ständig jemand die Wengenkehre hinunter nach dem Friedhof hätte unterwegs sein müssen, um die Gräber zu bestellen. Nur noch bis zum Schnierahorn unter dem Zwirgi ging fortan der Bote und rief von dort
aus die Zahl der Toten hinunter, die am folgenden Tag in den Härd einzulegen seien.Da verstummten in Wengen oben Flucher und Lästermäuler.
Von hier griff die Seuche nach Lauterbrunnen in den Talgrund. Sie wütete so furchtbar, dass im vordem Dorfteil, "in der Zuben", zwölf Wiegenkinder zur Pflege in das gleiche Haus getragen werden mussten. Die Eltern der armen Kindlein waren alle weggestorben.
Als der Tod durch das Tal schritt, bauten die Zimmerleute in Oimmelwald ein Haus. Bevor sie die First auftragen konnten, hatte er sie erreicht, und es starben alle, die daran bauten. Das Haus blieb ein Jahr lang in Wind und Wetter ohne First und Dach.
Einmal betraten die Leichenschauer einen Weiler im Tal. Alle Häuslein waren leer bis auf eines. In der Stube auf dem Ofen sass die letzte Ueberlebende, ein altes Mütterlein. "Wenn es dabei bleibt und nicht mehr weiter greift, will ich schon zufrieden sein," rief es ihnen zu.
Die Toten hatten auf dem Friedhof nicht mehr Platz und wurden schliesslich dem Kilchstutzweg entlang zur Ruhe gebettet.
Zuletzt stieg die Pestilenz selbst hinauf nach Mürren. Da wurde neben vielen andern auch ein junger Bursche von ihr befallen. Wie eine schwarze Beule sich an einem seiner Finger zeigte, nahm er das Beil, schlug ihn kurzerhand auf dem Scheittotz ab und steckte ihn in einen Windspalt der Fleckenwand. Dann war ihm wieder wohl wie dem Vogel im Hanf,
und er meinte, dass eben weder Zeit noch Stunde für ihn da gewesen seien. Hernach ging er während sieben Jahren fremdes Brot essen.Sobald er wieder nach Mürren kam, da zog er - wer hätte es nicht auch getan? — den eingetrockneten Finger aus dem Spalt. Aber jetzt waren Zeit und Stunde da; der schwarze Tod übersprang selbst den grossen Zeitenraum. Rasch bedeckten die wüsten Beulen seinen Leib, und bald trugen sie auch ihn hinunter auf den Gottesacker.
Achthundert Seelen hat der grosse Sterbet in der Talschaft dahingerafft.
Die Weissagung des ewigen Juden
Der ewige Jude kommt auf seiner unsteten Wanderung über die weite Erde auch durch das Lauterbrunnental. Er berührt aber den weltabgeschiedenen Winkel nur in Zeitabständen von mehreren Jahre hunderten. Sein unruhvoller Weg führt ihn dem Wasserlauf entlang von Lauterbrunnen über Trachsellauinen auf den Tschingelpass, dann in das Gasterental. Am Steinberg oben stellte man ihm auf seiner letzten Reise das Essen auf den Hüttentotz. Er nahm es dankend an, sass aber nicht ab und verzehrte den Imbiss während stetem Auf- und Abgehen, denn er darf sich ja nur in der letzten Stunde des Tages ausruhen.
Er sagte zu den staunenden Aelpern, dass der höchste Teil des Lauterbrunnentales, von Oberhorn bis Tschingelpass, als er das erstemal kam, ein Rebberg gewesen sei. Das zweitemal, da war es ein Schafberg und jetzt, da er das drittemal hinüberwandere, ein Gletscherberg.
Bevor er Abschied nahm, weissagte er, dass bei seinem nächsten Besuche die ganze enge Talmulde, von Sichellauinen bis hinaus nach Gündlischwand, durch Erdschlipf, Steinschlag und Bachschutt zum obern Rand angefüllt sein werde.
Das Kindlein und die Schlange
Das Kindlein eines Bauern, der in einem abgelegenen Hause wohnte, sah bleich und übelgesund aus, trotzdem es Milch und Brotspeis die Fülle genoss. Unerklärlicherweise wollte es seine grosse Tasse Milchbrocha 1 bei jedem Wetter auf der Laube draussen verspeisen. Jedes andere Kind wäre bei der reichlichen Nahrung kräftig und rotbräch geworden.
Eines Tages hörten es die Eltern auf der Laube sagen: "Nimm nid numen Mämmi, nimm Breti o!"
Als sie nachschauten, wem das gelte, sahen sie zu ihrem Schrecken das Kind auf dem Laubenbänkli
Von da an konnte das Kindlein nimmer gesunden; es ass nicht mehr, und die armen Eltern mussten es verlieren.
Die Haltelli.=Zwerge
In alten, grauen Zeiten lebten beim Haltelli zu Mürren Zwerglein. Diese Leutlein, so klein sie auch waren, fürchteten weder Blitz noch Laui und Steinschlag. Ueber alles liebten sie die Arbeit und waren auf dem Felde nie müssig. Wenn ein Gewitter drohte, halfen die Männlein, bis der letzte Haim unter Dach war, oder wenn das Futter noch nicht genügend Sonne gehabt, rieten sie: "Schochliheu 1 ist das beste Heu!" und halfen wacker mit, saubere Schochen aufzuschichten. Schlug das Schönwetter um, legten sie die Hände nicht in den Schoss. Sie schleppten duftende Heilkräuter herbei und bereiteten daraus Arznei. Zum Dank stellten ihnen die Bergleute in einem Napf Rahm oder Milch auf ein Hüttendach hinaus. Doch auch damals schon war die Saat der Lausbuben und Bösewichte aufgegangen.
Eines Tages warf ihnen einer Kuhmist in den Milchnapf. Als sie auf das Hüttendach kletterten, um ihr gewohntes, wohlverdientes Mahl einzunehmen, da würgte sie der Ekel in der Kehle, und sie riefen:
"Ihr habt uns versetzt in Zorn, Jetzt geh'n wir fort, schon morn!" |
Und als der nächste Tag dämmerte, da zogen die Haltelli-Zwerge herunter und durchs Gässli in Mürren hinab. Unten erstellten sie sich noch einmal, schauten zurück und riefen mit bösem Blick:
"Einmal hierher und nimmermehr!" 1 |
Das rote Rockli im Spyspfad
Seit altersher horsteten die Adler in den Wildflühen der "Sätze" im Trümmletental. Ueber beide Scheideggen und bis nach Kien und Lötschen glitten die gefrässigen Vögel auf ihren Raubflügen. Alles Feder- und Haarwild und Lämmer und Zicklein auf der Sommerweide schraken zusammen und suchten Deckung, wenn sie das langgezogene Hiäh! — Hiääh! — in ferner Höhe hörten. Die Lauterbrunner Bergbauern waren von jeher nie gut auf die frechen Räuber zu sprechen, denn ein schauerliches Ereignis klang in ihnen nach und warf seine Schatten von Geschlecht zu Geschlecht, wohl durch Jahrhunderte in unsere Tage.
Ein Mürrenbauer, aus welcher Sippe weiss heute niemand mehr, war an einem heissen Sommertag mit seinem Weib an der Aegerti draussen am Heuen. Während der Arbeit legten sie ihr zweijähriges Kind, das ein rystiges 1, rotes Rockli trug, hinter das Scheuerlein in den Schatten. Auf einmal stiess ein Gyr nieder, griff das kleine Geschöpf blitzschnell und segelte mit ihm über die Mürrenfluh hinaus. Die beiden Bergleute sahen den gefiederten Räuber erst, als er, mit ihrem Kindli in den Krallen, bereits über den Taltiefen schwebte. Auf einem Pfad mitten in der vielhundert Ellen hohen Stellifluh, unter der auffallend rotgefärbten Wand, legte er das unschuldige Wesen nieder. Für jedes Menschen Fuss unzugänglich war das Fluhband; die armen Bauersleute an der Aegerten und mit ihnen 1
Noch lange Jahre nachher sah man, wenn der Schnee nicht lag und die abendliche Sonne in die Flühe schien, auf dem grasigen "Satz" als letzten Ueberrest das rote Rockli leuchten. Seit diesem unglückseligen Geschehnis heisst die Stufe mitten in der lotrechten Wand des Schwarzmönchs das Spyspfad.
Sichellauinen
Der allerhinterste ständig bewohnte Weiler im Tal ist Sichellauinen. Ein paar niedrige Holzhäuslein sind aus Angst vor Steinschlag und Lauinot eng zusammengekauert, beinah am End der Welt, am zweimal bergschuhbreiten Fussweg nach dem verrufenen Rottal. Vor Zeiten sollen sich hier oben Gerstenäcker und Weizenfelder ausgebreitet haben, deren gelbes Halmemeer man im Sommer in weitausholendem Schwunge mit der Sense mähen konnte, ohne befürchten zu müssen, sie in Steinen schartig zu schlagen.
Einmal aber stürzte die Lauine, nach einem schneereichen Winter, so unerhört wuchtig vom Rottal nieder, dass auf der andern Talseite, hoch ob der Tschingellütschine, alle Tannenbäume wie Zündhölzer geknickt waren. Nach der Schneeschmelze sah man, dass alles fruchtbare Ackerland vielfusstief unter Schutt und grossen Blöcken begraben lag. Die Häuser blieben
verschont, aber noch lange Zeit nachher war das ganze Gelände eine Striegelweid 1 auf der man keinen rechten Sensenstreich tun und kein Getreide mehr säen konnte. Das spärliche Gras zwischen den vielen Steinen musste mit der Sichel gemäht werden.In Erinnerung an diese Zeit heisst der Weiler noch heute Sichellauinen.
Ein Zwerglein pachtet eine Kuh
Man munkelte von einem armen Bäuerlein im Lauterbrunnental, es wintere stets ein Haupt mehr als sein Heuvorrat vertrage. Im Herbst, nach der Alpabfahrt, als es sein Vieh in einer abgelegenen Bergweide hirtete, kam einst ein Zwerglein zu ihm, um eine Kuh zum Winternutzen zu pachten. Nach einigem Werweisen war der Bauer einverstanden, gab ihm aber keine zum Kalbern nähige, sondern das geringste, hagmagere Kühlem, das mitten im Winter an die Galt kam. Das Zwerglein wusste, dass das Bäuerlein ein armer Schlopfi war und liess sich nichts anmerken; es zog das Kühlem, das willig folgte, an der Seili fort. Im Frühjahr, am vereinbarten Tag, führte der kleine Pächter es zur Stunde wieder her. Die Kuh war feist und gab einen gewaltigen Schöpf Milch. Ein Kalb, ein Ausbund in Fleisch und Haar und Knochen, tänzelte munter nebenher.
Der Bauer sah, dass er dem Glück in den Schoss gesessen und wollte dem guten Pächter wieder ein Haupt anvertrauen. Der wies das Anerbieten entschieden ab, gab ihm aber noch einen Pachtzins, den er zwischen den Klauen des Tieres finde. Sobald der Zwerg im Wald verschwunden, sah der Bauer nach und fand etliche Gerstenkörner.
Er war nicht auf den Kopf gefallen, tat sie sorgsam auf die Seite, ahnend, dass sie ihm nach der Aussaat hundertfache Ernte bringen würden.
Als dann aber die Zeit gekommen war, sie zu säen, da waren es lauter helle, blinkende Stücke geschlagenes Gold, und der Pachtzins war grösser als der Wert von Kuh und Kalb.
So oft und so scharf er aber auch Ausguck hielt, das Zwerglein erschien nie wieder.
Die Pest in Saus
In Saus, dem lieblichsten Seitental von Lauterbrunnen, kauern nur etliche Gruppen von Alphütten.
Noch heute aber heisst ein Bächlein im Flöschwald draussen, in der Matte, das Mühlibächli, denn früher war da oben im saftigen Talgrund ein Dorf; es sollen an die zwei Dutzend Häuser gewesen sein und eine Kapelle. Um die Häuser waren grüne Wiesen und lachende Gärten. Schneefall gab es dazumal in Saus keinen, nicht einmal zur Zeit der Jahreswende.
Weder auf Bach noch Seelein lag jemals Eis, der Winter war so mild wie heutzutage der Frühling. Waren die baldigen Weidlein drunten in lsenfluh geazt, so zog man hinauf nach Saus, denn hier wuchs so viel Futter, dass die Kühe täglich dreimal gemolken werden mussten. Das war für die lsenflüher immer eine lustige Bergfahrt. Die Sauser kamen ihnen ein Wegstück entgegen, und wenn sie alle oben in den saftgrünen Sausmatten waren, dann feierten sie eine Aelperchilbi, bei der Frohmut und Glück Gastgeber waren.Eine lange Reihe von guten Jahren zog mit raschen Flügelschlägen dahin, und es schien, dass Friede und Wohlstand für alle Zeiten im einsamen Hochtale zu Hause seien.
Eines Morgens aber starrte alles in Frost und Kälte. Ein Mägdlein trieb die Ziegen gegen das Flöschwaldseeli zur Tränke. Die Jungfer erschauerte, denn sie fror, aber da sie noch nie gefroren, wusste sie nicht, was ihr fehlte. Es war bissig kalt, ihre Schuhe waren bald so hart wie Horn, und am Seeli konnten die Geissen kein Wasser schlürfen; sie reckten die Hälse, meckerten und beschnupperten verwundert die glatte Fläche von Eis. Das Meitschi lief heim und erzählte, im Flöschwald oben sei der Teufel am Werk und Glas auf dem Wasser. Der Schreck lief durch das Dorf, alles kam und bestaunte das seltsame Ereignis. Sobald liess man einen kommen, der mehr konnte als nur Brot essen, und dieser sagte den Sausern, der Satan habe sie und ihr Glück im Hochtal entdeckt und sei Sinns, Ungemach über sie zu bringen.
Kaum war darauf eine Woche verwichen, fiel grossflockiger Schnee, häufte sich bis an die Dachrafen, und oben in Saus erlebte man die erste Winterhärte. Lange Monate hindurch konnte man nach lsenfluh hinunter weder Weg noch Steg brauchen.
Sobald die warmen Tage kamen, stiegen die Isenflüher hinauf nach Saus. Tal wie Hang waren gangbar, aber keine Menschenseele begegnete ihnen, und kein Räuchlein stieg vom Dorf gen Himmel.
In den Wegkehren auf dem letzten, stotzigen Ram vor dem Talboden, da liessen sie den lsenfluhjodel in den Flühen widerhallen. Niemand gab Bescheid als der Sausbach unten in der Schlucht. Bald näherten sie sich dem ersten Wohnhaus. Der Garten sah wüst aus, der Stotzhag darum lag vom Schneedruck am Boden. Die Männer klopften an die Türe — keine Antwort. Sie öffneten und traten ein - niemand daheim. Schauerliche Leere im nächsten Dutzend Häuser, vom Keller zum Russgaden. Die Frauen zitterten an allen Gliedern, das Mannsvolk erblasste. Auf einmal schraken alle zusammen; ein schwarzer Zottelhund kam in grossen Sätzen herangesprungen, jaulte und kehrte wieder um. Die lsenflüher folgten ihm, und er führte sie zum Hause, wo im verwichenen Sommer die Brüder Chuoni und Toni gewohnt hatten. Auf dem Bänklein an der braunen Hauswand sass ein Mann. Sein Haar war weisser als Kirschblust; er sah aus, als ob man ihn eben aus der Erde herausgenommen. Das Augenwasser ging ihm über, als die Leute um ihn standen; aber die merkten bald, er hatte Sinn und Gedanken
nicht mehr beisammen. Sie kannten ihn alle, es war Chuoni, der im Sommer zuvor noch ein Jüngling mit blondem Haar und pfeifengerade gewesen. Vor ihm stand ein lustiger, springiger Rocklibub. Neben dem Hause naschten drei Ziegen das erste Grün.Das war, was man noch Lebendiges fand, alles andere, Menschen wie Vieh, war weggestorben. Die Isenflüher drangen um Red in Chuoni; der Einsame blieb stumm wie der Fisch im Bach.
Aber bei der Kapelle oben sahen sie der lieben und ihnen so gut bekannten Sauser Grabstätten alle. Chuoni, der Knabe, der schwarze Hund und die drei Ziegen wurden mit nach Isenfluh hinunter genommen. Der alt erscheinende Ueberlebende war an Leib und Seele gebrochen. Man wusste, er werde den Kuckuck nimmer mehr schreien hören. Bevor er aber starb, konnte er noch erzählen, dass eine Pestilenz in Saus eingedrungen, und er den letzten Toten begraben habe. Auf dem Heimweg vom Gottesacker sei noch ein weinendes Rocklibuobli an ihn gelaufen, er könne aber mit bestem Wissen und Gewissen nicht mehr sagen, aus welcher Rustig 1 es stamme. Nachher sei er mit dem Kindli in sein Häuslein gegangen und wartend gewesen, dass der Sterbet auch über sie komme. Der ging aber an ihnen vorbei. Wegen dem Buobi fristete er sein einsames Dasein, und als der Schnee zu Tale rann, stieg er nicht hinunter, aus Angst, die furchtbare Seuche weiter zu verbreiten.
Da auch unten in lsenfluh niemand den Rocklibuob namsen konnte, sagte man dem Heimatlosen: "Sauser". Als er gross gev'orden, wurde er Landsass 2 in Sigriswil, wo seine Nachfahren heute noch leben.
Das Dörflein Saus wurde nie mehr besiedelt. Die Häuser zerfielen, und man weiss kaum, wo sie einst gestanden. S
Das Kriegsloch
im Giessengletscher
Oben am Jungfrauberg, in der weiten, weissen Mulde zwischen Gross- und Kleinsilberhorn, entspringt der mächtige Eisstrom des Giessengletschers. Wie ein breites Band aus blauem Samt fliesst er mitten über den Berg nieder gen Trümmieten. In der untern Hälfte ist ein grosses, schwarzes Loch, umbrandet von Eistürmen, wie es sonst nirgends in einem Gletscher zu finden ist. Man sieht hier durch den dicken Mantel aus Schnee und Eis auf den nackten Felsenleib des Berges. Es ist kein besonders grosser Feiszahn, der aus dem Eisstrom emporragt, und niemand weiss, warum der seltsame, schwarze Fleck nicht ständig vom Gletscher überflutet wird.
Ein wilder Gänger aus dem Weiler "unter den Stauden" zu Lauterbrunnen kletterte einmal allein über die Eiswirrnis hinauf zum grossen Loch. Er behauptete, hier ströme aus dem Bergesinnern warmes Wasser. Keiner kann sagen, ob dem so sei, aber das weiss man seit Jahrhunderten, dass ein grosser Krieg ausbricht, wenn es verschwindet.
So war es auch während der zwei letzten grossen Völkerhändel, dem Siebziger- und dem Weltkrieg. Am Anfang von beiden ging das Loch oben in der Giesse zu und erst am Ende wieder auf.
Deshalb nennen es die Leute das Kriegsloch und sind je und je erschrocken, wenn der hangende Gletscher darüber wuchs.
Ein Zwerg als Knecht
Im hintern Grund hatte ein Bauer einen guten Knecht. Der behandelte alles Rindvieh und selbst das arge Geissenvolk niemals grobjänisch, denn er war einer aus dem Zwergenvolk. Der Bauer hatte, wie es früher üblich war, Wiesland und Gehälter im Tal und auf den Höhen. Je nach Schneelage und Jahreszeit zügelte man zu Berg oder zu Tal.
"Wen die Taga lengen, tuod der Winter strengen," sagen die Leute in Mürren oben, dem höchsten Dorf im weiten Bernerland. Wie oft schon ist es hier |
Einmal, zu Lichtmess 1, hatte der Knecht oben noch lange nicht das halbe Heu verhirtet. Aber zu Oculi 2, da drängte der Bauer darauf, bald zu Tal zu zügeln; denn er hatte Sorge, es könnte ihm bei Tauwetter im kranken Schnee ein Haupt erfallen oder in die Laui kommen. In diesem Winter war ihm der zehnte Bub angestanden; darum bekam er nun wohl das Salz umsonst, aber mit einem Löffel mehr am Tisch war es gewiss nicht gemacht; es musste einer mit dreizehnköpfigem Haushalt zu seinem Sachelli schauen.
Der gute Knecht hatte gesagt, mit dem ganzen Zügel solle der Meister nichts zu tun haben, weder Stupf noch Kritz, er allein werde am rechten Tag, zur rechten Zeit und Stunde, ohne dass ein einziges Haupt Schaden nehme, das ganze Gewerb zu Tale führen. Aber wenn er nieder fahre, solle niemand Angst zeigen, vor allen Dingen keines von den Tieren bei seinem Namen rufen. Der Bergbauer legte nun vertrauensvoll alles in die schaffenden Hände des Guten, das war ja einer von der rechten Ader, er hatte mit ihm noch nie etwas Ungerades gehabt. Er selber ging in den Grund und lag dem Fällen des Holzes ob.
Nun war aber am Sonntag, der kam, schon Laetare, 3 und das Männlein wollte und wollte nicht kommen. Am Montag drauf aber schauten die Holzer im Lengwald unten lang an die Mürrenfluh hinauf.
Dem Meister gerann das Blut in den Adern. Er liess das Beil fallen, vergass die Mahnung des kleinen Hirten und rief in jähem Schrecken: "Um Gottes Willen - meine gute Luschta!"5
Der Name war kaum gefallen, da stürzte die mälche Treichelkuh, wie vom Strahl getroffen, vielhundert Fuss tief hinunter in das Guter. Alles andere tat keinen Misstritt, kam gesund und recht unten an, keinem war ein Haar gekrümmt noch ein Nerv entschirret worden. Wäre der Bauer dem Rat des Erdmännleins gefolgt, es hätte auch der roten Leitkuh nichts getan.
Verschollene Dörfer
im hintern Grund
Unheimlich steil und schroff trennt die Grenzkette im hintern Lauterbrunnental Bern und Wallis. Zwei Gletscherpässe, Petersgrat und Wetterlücke, bieten die einzigen Uebergangsmöglichkeiten und auch nur sommerüber. Früher war das anders. Wo heute Firn und Eis und Schnee auf den Bergen lasten, wuchsen Gras und Blumen über die Gratrücken. Ein reger Passverkehr ging hinüber und kam herüber. Ein Teil der Bewohner des Tales soll vom Wallis, vornehmlich von Lötschen herübergewandert sein. Neben den heutigen Dörfern Mürren, Gimmelwald und Stechelberg blühten im hintern Tal Siedelungen in der obern und untern Ammerten, und auch der Weiler Sichellauinen war ein Dorf. Ganz besonders stattlich soll Gimmelwald gewesen sein; ein Flurname heisst noch jetzt: "Auf dem Kapelli" und ein anderer sogar "An der Kirchstatt".
Die aus dem Geschlecht der Ammeter in lsenfluh sollen Nachfahren der Einwohner des einst zahmen Ainmertentales sein. An Sonntagen sei des öftern ein Mann auf einem Saumtier durch einen schönen, grünen Tannenwald über die Wetterlücke hinüber ins Lötschental zur Predigt geritten.
Beim heutigen Schmadribrunnen, hoch in der Bergwildnis, stand einst ein Heilbad, das auch vom Wallis her besucht wurde. In der Gletscherweid, wo einer heute im Unrichtigen sebren 1 muss, wurden
Im Rösliboden war eine grosse Köhlerei. Die Holzhacker und Köhler schlugen ihre Aexte in Baumstümpfe, banden ihre Hosengürtel daran, sagten Zaubersprüche und molken aus den Gürteln den Walsern drüben die Kühe.
Kinder, schlittelt nicht
beim Mondenschein!
In Mürren, dem Dorf über dem Abgrund, greift des Bauers Sense bis auf die vorderste Fluhkante, und da blüht auch die letzte Zeile der Kartoffelstauden wie ein Mejenbeet. 1
Keinem Bergbauern ist es je eingefallen, hier einen Hag zu errichten; der ist ja nur für das Ovicht, der Mensch. der kann selber schauen, wo er tritt und dass er nicht fällt.
In alten Zeiten, als kaum anderthalb Dutzend sonnenbrandbraune Holzhäuser standen, führte der Allmiholzschleif über das Raindli im Dorf in der Richtung gegen die Balmen ob dem Abgrund.
Zu Schneeszeiten warnte jede Mutter ihre Kinder vor dem Schlitteln im Holzschleif beim Mondenschein, 1
An einem mondhellen Winterabend zogen Mürrenkinder heimlicherweise einen grossen Handschlitten aus einem Holzscherm. Unten auf den Balmen ritten sie darauf nach Herzenslust. Auf knirschenden Rufen glitt ein grosser Haufen junge Seligkeit weichwellige Hügel hinab. Das kicherte und lachte und quietschte vor lauter Lust! Der älteste Bube umfasste mit kräftigen Fingern die Hörner des Handschlittens und wies ihm mit leicht gespreizten Beinen den stiebenden Weg.
Auf einmal, als die Kinder sich oben wieder auf den Schlitten setzen wollten, erschien in der weissen Welt hinter einer Bodenwelle hervor ein grasgrünes Männdi. Es herrschte sie an: "So, jetzt will ich euch den Handscher 2 auch einmal weisen!" Sie wagten keine Gegenrede. Nun ergriff dieses die Schlittenhörner und wies der fröhlichen Fuhr den Weg. Hun — wie war das ein schauerlichwohliges Sausen im harschen Schnee! Aufs Mal glitt das Männdi mit der ganzen Schlittneten hinunter auf die Fluh.
Ein Meitschi, das hinten sass, erkannte im allerletzten Augenblick, zuvorderst auf dem Rand die Gefahr und rief: "Oh, Herr Jesses, Herr Jesses!" und liess sich vom Schlitten fallen. Mit den andern fuhr der Unhold über die so grausam hohe Wand zweieinhalbtausend Fuss hinunter in Tod und Ewigkeit.
III. Teil
Sagen, die im Volkserinnern bereits vollständig erloschen und nach den erwähnten Quellen wiedergegeben sind
Die Rottalherren
Da und dort im Unterland ertönt, gewöhnlich zur Hochsommer- und Erntezeit, die Luft in seltsamem Tosen und Knallen. Oft vernimmt man es auch gegen den Spätherbst hin.
Zu Bleienbach im obern Aargau hört man ein Jagen und Sausen wie von einem grossen Reiterzuge, und nicht der wilde Jäger sei Ursache davon, sondern die Herren von Rotental.
Bis gen Murten und Solothurn zu meinen etliche aus dem Volk: "Die Rottalherren exerzieren, es gibt ander Wetter."
Das Rottal war ehedem eine wunderschöne Blümelisaip hoch in einem Kessel an der Südwestseite des Jungfrauberges, von wo ein Pass ins Wallis führte. Glücklicher wäre das Los der Bewohner dieses Teiles des Landes gewesen, hätte nicht zu jener Zeit die Willkür grausamer Herren auf ihnen gelastet. Allein niemand war seines Eigentums sicher, und selbst die Frauen und Jungfrauen des Tales entgingen nicht den Verfolgungen dieser Wütriche. Ihr gottloses Treiben konnte jedoch nicht ungestraft bleiben. Der Zorn des Himmels erwachte. Als einstmals einer von ihnen, der böseste von allen, ein junges Hirtenmädchen verfolgte,
Zu ewiger Busse verdammt ziehen die, die den Zorn des Himmels über die Täler brachten, noch
heute, ihr Schicksal in dumpfen, eigentümlichen Tönen beklagend, durchs Land. Man hört bald die Trommel schlagen, bald die unseligen Geister auf entsetzliche Weise heulen.Dem Gunten-Joosi haben die Gespenster aus den Tälern von Lauterbrunnen und Grindelwald in Gestalt eines kohlschwarzen, drolligen Böckleins in das vergletscherte Tal hinauf nachlaufen müssen. Wenn dann mit dem Zauber unbekannte Leute das hübsche, lustige Tierlein von ungefähr haben streicheln wollen, da hat der Gunten-Joosi immer mit dem Finger gedroht und gesagt:
"Nit, nit! strych mer d's Böcki nit, Wenn d' nit sälber ins Rottal witt!" |
Aus dem Emmental führte der Mühle-Seiler ganze Trüpplein Geister hinauf. Sie schwebten in Menschengestalt hinter ihm her, jedoch ohne den Boden zu berühren. Wenn dann der Mühle-Seiler mit so einer Schar Geister nachts daherkam, trug er immer den Hut unter den Armen. Begegnete ihm alsdann etwa ein Mensch, so sagte er geheimnisvoll zu ihm: "Syt su guot, und gaht uf d'Syte, es chömet da Herre!" Dann hörte man ein Geräusch, als wenn eine Schar Pferde dahertrappelte.
Am Eingange des wilden Rottales wurden vor Zeiten die bösen Geister der Abgeschiedenen in verschlossenen Gefässen in die Fels- und Eisschründe verbannt. Alle argen Menschen müssen nach ihrem Tode hier in dieser Alpenhölle ihren Aufenthalt nehmen.
Des Teufels Karrweg
Ueber dem linken Ufer des Thunersees, zwischen Därligen und der Bödeliebene, erblickt man eine wunderlich querhinanlaufende Felsenschicht mit zwei tiefen Einschnitten, gleich Radgeleisen, die den Namen des "Teufels Karrweg" tragen. Der Teufel, mit Pfaffen und Nonnen zu Inderlachen im freundlichsten Vernehmen, hatte die einen und die andern oft in der Kutsche hier hinauf über den Grat auf den Gipfel der hohen Sulegg geführt und droben blocksbergische Tänze und ausgelassene Feste gehalten.
Das Rücken der Kühe
Es geschieht zuzeiten, wenn die Sennen auf den Alpen sind, dass in der Nacht eine Stimme gehört wird, als ob ein Senn rufe. Dieser Stimme gehen dann die Kühe alsbald unter Anführung der Leitkuh nach. Wenn nun der Hirt die Tiere mit seiner wahren Stimme nicht wieder zurückruft, so kommen sie fort, dass man sie nicht finden kann. Drei Tage hernach aber finden sie sich in ihren ordentlichen Alpen mit angefüllten Eutern wieder ein.
Diese Seltsamkeit, welche auch von der Sefinenalp erzählt wird, nennt man gewöhnlich das Rücken der Kühe.
Es soll aber nicht immer so friedlich ablaufen. Oft, sagt man, stürzen die Kühe, wie von blinder Wut
dahingerissen, allesamt über Felsen in den Abgrund hinab. Doch ist auch eine Ueberlieferung, wie ein mutiger Hirtenknabe sich an den Schweif der hintersten von seinen rückenden Kühen gehängt und mit der Herde fortgezogen, mit der Herde zurückgekehrt sei. Aber niemals habe er sagen wollen, was er gesehen; immer habe er gesagt: "Mögen's nur andere versuchen, ich habe genug."Im übrigen versichern die Hirten, es helfe gegen das Rücken, wenn der Senn im Augenblick die vorderste Kuh erkenne und mit Namen an sich locke.
Das Wütisheer
Vom Rotental her hört man oft über die Scheidegg hinweg das Brausen des wütenden Heeres oder das Wütisheer. Am ärgsten treibt es seinen Spuk um die heilige Weihnachtszeit. Mächtige Riesen, Ureinwohner des Landes, Westfriesen genannt, führen den nächtlichen Zug an, dann kommen Zwerge von scheusslicher Gestalt, reitend auf allem möglichen Ungetier und die Geister aller jener Fluchbeladenen, deren Aufenthalt das Rotental und der Rottalgletscher sind. Wenn aber der heulende Sturm das Nahen dieser wilden Jagd verkündet, müssen oben auf der Scheidegg, da wo der Weg nach Gassen und dem Faulhorn führt, diesem Geisterspuk die Tore des Melkhauses geöffnet sein. Wehe dem Hause, wenn dies nicht geschieht!
Die güldene Kuhschelle
Die grössten sechs vom vollen Dutzend Alpen der Talschaft kennzeichnen die Bergbauern:
Suis die höchst', Saus die grösst', Bletschen die wermst', Winteregg die geltst', Sefena die mälchst', Wengrenalp die kältst'! |
Auf der höchsten, der Sulsaip, fand einst ein Hirt einen kunstreich geformten Schlüssel, der ihm die Türe zu einer früher nie gesehenen Höhle des Berges öffnete. Im Innern blendete ihn der Glanz der kostbarsten Steine, und eine Jungfrau, die seit mehr als hundert Jahren hier ihrer Erlösung geharret, bot ihm drei Gaben zur Auswahl an: Einen Topf voll Geld, eine güldene Kuhschelle oder sich selbst nebst allem Uebrigen. Da kam ihm sein Bethli in den Sinn, und er wählte die zweite Gabe. Ergrimmt darüber kündigte ihm die Jungfrau Fluch und Schande an. Unter dem Krachen der Gewölbe ward er von unsichtbarer Macht hinausgeworfen, und draussen auf dem Rasen fand er die güldene Schelle neben sich liegen.
Ruhelos wanderte er in die weite Welt. Da kam er einst zu einer einsamen Hütte, vor welcher ein altes Männchen Holz spaltete. Als ihm von dessen Vater die Nachtherberge gewährt wurde, trat er in
Alte Jungfern werden
in den Rottalgletscher verbannt
Wenige Mädchen sterben im Berner Oberlande als alte Jungfrauen. Gelegenheit ist allen geboten, eine zärtliche und sorgsame Hausfrau und liebevolle Mutter zu werden. Die, deren Herz im Leben kalt gegen das Gefühl der Liebe blieb, sind verdammt, ihre Schuld in dein Schnee und Eis des Rottalgletschers für ewig zu büssen.
Die Geister auf der Jungfrau
Wenn die Alpen unter der Last des Winterschnees begraben liegen, Menschen und Vieh zu Tal gezogen sind, und in den zugeschneiten Hütten die Männer beim flackernden Kienspan Holzwaren schnitzeln, und die Weiber an der Spindel zupfen, beginnt die Herrschaft der Berggeister. Dann steigen sie aus ihren Sommerpalästen, den Höhen des Finsteraarhorns, der Jungfrau und ihrer Nachbarn, tiefer herab in die niederen Gegenden, sammeln sich in den Schlünden und Tobeln der Felsen, scherzen mit der Wut der Elemente, heulen grausame Zaubergesänge, zu welchen der Sturm die Begleitung pfeift. Oft stellen sie sich auf die vereisten Firsten, necken sich und werfen einander Schneelasten, ungeheure Lawinen zu. Da sie alles hassen, was Leben zeigt, üben sie auch gern und häufig die Jagd. Mit
lautem Hallo jagen sie dann pfeifend, klappernd und rasselnd hinter den schönen Gemsen her. Ihr grösster Hass trifft aber die Menschen. Wehe daher dem Wanderer, der zu solcher Zeit sich in ihren Bereich wagt oder dem Jäger, der ihr Revier durchstreift, dem Strahler, der ihre Wohnungen, das Bergesinnere, ihres schönsten Schmuckes, der Strahlen oder Kristalle zu berauben trachtet! Ihnen allen droht der sichere Tod.
Die verhängnisvolle Scholle
Oben in den saftgrünen Sausmatten, wo jetzt ein guter Steg über das Wasser leitet, war einst, wie man erzählt, vortreffliche Weide, und der Bachruns war noch nicht so tief, noch nicht so breit von Wellen ausgefressen. Da hirtete auf dem linken Ufer ein schönes Mädchen von lsenfluh, auf dem rechten gegenüber ein wackerer Jüngling von Mürren, und beide gewannen sich herzlich lieb. Am Bache stehend sprachen sie gar oft zusammen, und über die vorragenden Steine in seinem Lauf hüpfte leicht der rüstige Knabe hinweg zu der guten Schäferin. Da kam's an einem Tage, dass der Bach, gewaltig angelaufen, breiter war als sonst und alle Felsenstücke fortriss oder drohend übertoste. Die Liebenden am Ufer riefen kosend sich mancherlei zu; denn überzuschreiten verbot die augenscheinlichste Gefahr. In allem Scherzen aber fingen die zwei Fröhlichen mit Rasenstücken sich zu werfen an, und kräftig riss der Hirt eine Handvoll
aus dem Boden, meinte, dass alles locker sei, schleuderte es nach drüben, traf das unachtsame Kind an die Schläfe, sah es stürzen und erriet verzweifelnd, dass ein Stein verborgen an den Wurzeln der geworfenen Scholle hing. Er stürzte sich mutig in den Bach und arbeitete sich kühn nach jenseits und kletterte zu der Geliebten hinauf.Vergebens wollte er sie beleben; vergebens rief er hundertmal ihren Namen in das Echo der Klüfte. Sie lag bleich und bewusstlos vor seinen Augen; er besprengte sie mit Wasser; sie blickte verzeihend auf, und ihr Atem schwand. Da befiel den schuldlosen Hirten unaussprechliche Trauer. Nicht mehr heim wollte er kehren ins väterliche Dorf. Das schöne Mägdlein ward bestattet, wo es hingefallen, und der Hirt erbaute sich ein Hüttchen an dem Grab, blieb lebenslang zur Stelle, harrte früh und spät in heissem Beten aus und starb nach wenigen Jahren eben da, wo seine Freude gestorben war.
Die blonden Mädchen im Rottal
Die blonden Mädchen im Rottal gelten als Wetterzeichen. Es haben sie zwei Hexenmeister, der Mühle-Seiler aus dem Emmental und der Gunten-Joosi aus dem Saanenland auf ewig in die Gletscheröden zwischen Jungfrau und Ebnefluh hineingeführt. Wenn nun im Gebirg sich Gewitter entladen, und der Sturzbach
des Geltenschusses, der wie ein Silberband über die Flühe des Saanenlandes niedergeht, von Tonerde gerötet heranbraust, sagt man im Lauenental: "Die blonden Mädchen im Rottal rühren sich wieder, sie flechten ihre langen, falben Zöpfe."Es ist noch nicht so lange her, da rief man im Saanenlande den lärmenden und ungehorsamen Kmderii zu: "Du wirst ins Rottal wollen zu den falbhaarigen Mädchen," oder man sagte: "Der Gunten-Joosi muss dich ins Rottal führen!"
IV. Teil
Die Mundarten der sechs Dörfer der Talschaft: Isenfluh, Lauterbrunnen (im vordem Grund), Stechelberg (im hintern Grund), Gimmelwald, Mürren, Wengen
D'r Schnyder von Isenfluoh
Z' Zweilütschenen tüen die Teler von Grindeiwaid un Luterbrunnen si teilten. Plötzli hinder em Dörfli. linggs von der wyssen Lütschenen, g'sehd mu en höiji Fluoh us en Tannstoldnen usa guggen. Obna druff ischt en scharpfi Chleippa 1 Wasen. Daruf heis vor Jahr un Tag d's Dörfli lsenfluoh buwen. Aes ischt nid grad gross, aber heimlich. 2 Wen mu von Wengen anha gugged, g'sehds grad us wien en Mutta. 3 Drum isch "uf der Mutten".
Schynts heigs früejer da usi o Zwärgleni g'häben. En lsenfluohschnyder hed en toila Tschuppen Zwirggen 4 un e paar Meitscheni g'häben. Aer ischt en guota Aetti g'syn, aber är hed glych di gröschti Müej 5 g'häben, syn Hushaitig dürhi z'schlan. Von eim Stärnen zum andren hed är g'schaffed uf Tod un Läben. Aes hed mu nie an Arbeit g'fähld. Eis hed er schuuderhaft Dringends z'wärchen g'häben, aber mid dem beschten Willen hed er ses nid mögen g'machen. Am Morgen, wan er ischt in d's Näbeschtübli 6 chon, ischt die Alegi
Plötzli hed er chönnen g'merken, dass da e paar Männdeni inha chon syn, si sofort uf en Tisch uohi 9 g'setzt hein un a sin Schnurpfeta 10 syn. Stich fer Stich heis büesst 11 un d's Glettysen g'wärmd, g'letted un bürschted un die Alegelleni styf zämeng'leid un fertig g'macht.
Den hein se si hääluf umhi g'chutzt! 12 D'r Schnyder uf der Mutten hed darann die gröschti Plessier g'häben un hed si fascht hindersinned, wien är denen chönni z'danken chon. Aer als Schnyder hed g'merkt, dass si sälber besser Hudla 13 nötig hätten. Sobald das er hed Trifti 14 uberchon, hed er etlichs Alegelli für si g'macht tin hed ne si für ihra Unmuoss heizt 15
Druf am Aben sys umhi chou, hein die Zueversicht g'sehn, hein naha g'luegt, hein d'r gröscht Erger uberchon, wil si syn g'merkt worden.
Von da an heis g'wüss weder Stupf no Chritz meh g'macht un hein dem Schnyder uf der Mutten für geng der Puggel g'chehrd.
D' Ankenhäx 1 vo Luterbrunnen
Vor vielen Jahren hed's g'heissen, da syg in Häx in Luterbrunnen. Si hein diêja schon lang im Verdacht g'häben, un due hed's der Schuemacher ubernon, das usz'gahn. 2 As hed si Wunder g'non, wan dieja, nummen von em einzigen Chuoli, sevel Anken nämi. Eis es Tags ischt der Schuemacher dert uf der Stehr 3 g'syn. Uf d's Mal hed das Wybli der Tutel 4 virha un fad umhi an anken 5. Mid derra näbennaha 6 aber hed dervor der Schueni en Abmacheta 7 g'häben, das si däm Ankenwybli grad es Wyltschi 8 vor d's Huus usa rieffi.
Wan si ischt usa g'syn, lied's der Schuemacher g'wundred, was all's in däm Anktêtel syg. Aer hed d'r Techel drab g'non, un wan er ahi gugged, g'sehd er, dass da en rota Hudel 9 drinn ischt. We so flingg 10 hed är dän Hûdel in Hosensack tan. Pletzli ischt d's Wybli iminha chou un lied wyterg'änkled. Nyd über lang hed si die Nydla am Hudel in d's Schuemachers Hosen o ufg'lan. Gly hed är en pussna 11 Sack g'häben, un die blanki Nydla ischt usa g'runnen. Von denn an hed d's Ankenwybli die Schlicha g'merkt un hed nen verhäxed. Druf ischt där arm Schueni. wan hed in Anktutel ahi g'schneiggned, 12 erchranked un hed nymeh uf sim Drybeinz chennen sitzen.
In allem Dorf ischt es G'red g'syn. Mu lied mu sen truwed, die verfiixti Häx syg d'Schuld drann. Der Man vorra 13 ischt miseel plageta g'sin wäg derra d'wägen. Aer lied's grad us allen Lyten Mylren 14 miessen g'heeren, un von denn an lied er in Ekel uberchon ab ra.
"Wen mi epper welt lehren häxen," hed er zue ra g'seid, "su tät i's am seiftischten 15 grad bin dier lehren."
"1 will dier das sobald bybringen, wet mer willt folgen," lied si zuon mu g'seid.
D'ruf, gäg Mitti Nacht, hed's nen hinder der Schyr 16 uf en Mischthuufen wuohi b'schickt, un due lied's mu bifohlen, alls nahi z'sägen wan syja sägi.
D'rnah lied si a'gfangen: Hie stahn mier uf ysem Mischt! |
Der Man lied das lut un dytlich nahi g'seid: Hie stahn mier uf ysem Mischt! |
Vii syja ischt wyter g'fahren: Un verlougnen ysa Herr Jesum Christ! |
Das aber lied d's Manndli nid bigährd nahi z'sägen un lied briêled:
I rieren nider, was hinder un vor mer ischt! Därmit lied er die Häx e so teffied, 17 dass si ischt näb mu ahi g'wellpt un tod g'sin.
D' Schtächelbärger hein
anstatt Gold es U'ghyr g'funden
Vor uralten Zyten hein die hindrischten Talbewohner, d'Schtächelbarger, hej 1 wuohi zwissen Dirlocherhoren un Rottalgietscher Ysen graben. No friêjer heis da o Gold g'funden. As ischt nieuwa 2 alben es Männdi vom Rotfluohhoren naha 3 chon, gwiss nid greeser wan en Hittetotz. Die meischten Lyt hein das viel un dick 4 g'sehn aha dion tin dir d's Tal us träppellen. Aber an dämm hät si eina no trumpierd, das ischt en tonnders zäja Bonz g'syn. D's hindrischt mal hed er en grossi Loubhutta am Puggel g'häben. Alls hed's Wunder g'non, was där in d'r Hutten heigi. Aer lied sa geng mid nein Hudel 5 deckti g'häben, das mu ja niemer chenni drin schääken 6, Suni 7 hein si ds Tyfels verfluoched, sî heiges zwissen Rîppenen, Schînen un Wideschten g'sehn us d'r Hutten usa zinnten wie Gold. Sobald, dass im Herbst di erschten Schneeggyfer hed dir d'Horen aha g'jagt, den lied er si grad verbutzt 9. Usgänds Merzen lied er si umhi mickti 10 zuoha g'lan. Wen där Chnirps talin ol talus ischt, lied er si nid megen uberhan, wan hie un da bin er Hushaltig yz'chehren gan gschouen fir eppes z'zabnen. Gwiss d's hindrischt Mal, wen er ischt chou, ischt er d's gäggels 11 g'syn, un ihnen hed g'wiss d's Allerhindrischta guet megen lyden.
Eis an em tollen, luuterren Herbschttag ischt das Männdi ussen inha dion un guotgangs 12 inhi un bis in das Rytigufer g'ragled 13 As lied allem zueha brieled, un dernah hed's nes g'seid: "So ier lieben Lyt, jetz wil i noch Uskunft gän, was j fir Heimlichkeiten han in d'r Hutten g'häben. I han da eso hin un wider Gold uf Gsteig usi. ler heid mier, sig i oben aha ol ussen julia chon, ohni wyters z'ässen g'än. I bin g'wiss o pletzli elter wan die chlynen Schepf in d'r Litschenen. I han ag'non, i sig hyt d's lescht Mal usi g'sin, un as tiecht 14 mi grad, i chenni nymeh lang läben. I han no grad es Einzigs zuon och z'sägen, un das ued er mer chuum abschian. Wen i g'storben bin, su ued er mi wuohi näbem Dirlocherhoren ylegen. 15 D' Schtächelbärger syn ohni wyters yverstanden g'syn. Duo ischt das Beri wyter g'fahren: "Fir ewwi Miej 16 wil i noch jetz grad sägen, wan i d's Gold han g'non. Gaad 17 an Schtuofenschtein wuohi un dernah über d'Gletscherlouena ober un dir en Chriegsmahdwang uuf bis gäg d's Dirlocherhoren. Wen er wuohi chemed, gsehd er pletzli es Loch im Schopf; dert miêsst er inhi. Da stotzed en Pickel. un dän miesst er nähn. Dert g'schpired er Trapplega 18 uf eni Felsen, un denen miesst er na. Den chemed er an en grossi Blatta. Sobald, das er mid dem Pickel dran tippelled, 19 den geid si uuf. Den heid er in mächtega Huufen Gold un syd di Rychsten z'wyter Heid." Un duo isch abg'hased.
Die Schtächelbärger nyd lingg un syn morneschti am Morgen z'rächter Zyt z'Wäg. Da syn dry settig gangen war zum obsi gan nid hein g'churred 20 wen in ibelg'häbni Geis, 21 un den hättes den dem Tyfel terfen in Bart stahn. D'r Sterchscht lied es Uberräf 22 g'non, die andren beed hein in jedra es Gabelli 23 g'häben. Wa si syn wuohi an Stuofenstein chon, lyd das Goldmänndi tod's hert under em Wägli. Si heis uf d's Uberräf uufbunden. un eina ischt na Pickel un Schuufla in d'Stuofensteinhitta. Un fluggs sis tiber d'Gletscherlouena über. Wan si syn wuohi dion zum Dirlocherhoren hei ses ab'bunden, en Gruoba g'macht un ses yg'leid.
Gly, wan si sin zum Horen zuehi chon, heis d's Loch funden. As ischt nid wyt inhi gangen, as lied no Heitri g'häben. Die Trappiega heis ohni wyters g'spird, aber där Pickel ischt bi d's Tyfels Wyti niena z'finden g'syn. Wan si d'r Pickel nid hein g'sehn, heis d'Farb g'ändred, syn schier älb 24 worden un hein en tonnders Angst uberchon. Uf d's Mal heis es ungehyrs Grammpol 25 g'heerd. Wen en Blitz ischt es mächtigs, grasigriens Lumpetier vor si g'sprungen! As hed grad d'Art g'häben wien en Heidox 26, aber numen isch en cheiben Huufen greeser g'syn. Ein Stachel am andren, g'wiss wie Gablentschinggen, 27 ischt uf cm Rigg 28 g'stotzed; Grinda lied's zween g'häben, uusg'sehn heis we där von em Zytmuni. 29
Un duo heis nidsi 30 g'lan, syn pletzli geigled; 31 unna us sys Totz über Meis chon, un in jedra hel in g'schirpfta Grind g'häben.
Syg in dam Loch wuohi Gold, ol sygen da Ug'hyr, g'wiss en kein einzega Hindergrunder hed's meh verzennd, 33 das gan usz'näslen. 34
D'rTyfel buwd den Gimmelwaldren
die wohlfeilschti Brigg
Wie gären wän d'r Geishirt von Gimmelwald un d'r Wildheuwer un d'r Schäfer im Sefenetal von Ozen tiber en Ostägbach anhi uf Gstäg gangen! Das heis nid anders chennen, ohni en grossa Umwäg z'machen. Si hein nid gwisst, wie sis wein, fir da über z'chon, denn das ischt en mordio teiffi Lamm 1 g'syn. Kei Tyfel hed z'Boden g'sehn.
Wa si hein Rad g'häben, ischt es chächs 2 Manndli ufg'schtanden: "Das bringen mier bim Tonnder fertig, wen mier derhinder. wen mu wil. su isch halb g'machts! Aber d'r Tyfel weis wa Hilf nähn!"
Si hein schon hie un da dervon prichted, si beigen nen in Busenteiren g'sehn.
Das Manndli ischt firhi gangen vor d'Ozenhitti un hed d'r nen Volla 3 briêled: "Chum anha un mach ys da en Brigg über Ostäglamm, Herr Tyfel!"
Das hed där g'heerd un lied si nid g'weigred. Aer hed en Schopf von cm Grind 4 abg'schprengt, lied nen mid beeden Chräuwlen 5 g'non un hed nen gwiss grad volischmeis 6 dir d'Luft us triben. Bloss ischt er g'schlinggeta 7 ischt er z'chlyna - un tätsch duo ischt er in der Lamm ahi g'syn. liii duo ischt der Tyfel touba worden un lied nieuwa 8 gar hellisch g'fluoched un wiescht tan! U pletzli druf lied er no eis vom glychen Grind umhi eina firha g'chräuwled, un duo lied er zun däm Firhachräuwien no d'Chnoden 9 g'schunten. Uversäheds hed er nen vor puurer Teibi dir d'Luft us pelzt, un duo hcd ers uf mysee 10 grad scheen uf d'Lamm ahi preicht. Där Schopf ischt g'wiss no grad hyt yg'chlemmta wien en Plochweggen. 11 Aer ischt obna tälleräbena - das ischt no zur Stund di beschti Brigg wan mu z'wyter Heid chan finden.
Duo wän als im Chiaren g'syn, nummen hed no d'r Tyfel wellen zallta syn fir sys Wärch.
D'r Becs lied z'en Puurnen g'seid: Mys ischt z'erscht Hout, wan en Glogga treid, Un den über diê Briggen geid, Da chennt er machen wien er weid! |
Da grad von hyt uf moren 12 hein d'Gimmelwalder das nid chennen zämen usträjen, we si das wellen. Z'erscht heis im Sin g'häben in em hundsmageren Stierli es Gleggli az'heichen un ses uberz'jagen. Un duo lied si no das g'ruwen, un duo ischt nen in Sin chon, si wellen da no e paar Aben druber schlafen. Es hed si grad Wunder g'non, ob si da es Stickli Veeh dem Beesen miessen in Rachen reisen. Si hein si du b'sinnd, dert wuohi Wacht z'schtellen das nid epper Lätzes über d'Brigg über un zum Tyfel gang.
Un duo hein d'Gimmelwalder ses den Schtächelbärgren pischmed: 13
Däm Gimmeiwalder, wan im Rad ischt ufg'standen, däm isch yg'fallen, statt in em nutzbaren Tierli, iner Chatz, trotzdäm dass die d's Wyberrächt hein, es Gleggli az'heichen un sa uberz'schprenggen. U das hein si g'macht. Mu hed grad g'sehn, dass d'r Ghorenocht 14 verruckta wird, un duo lied er die Chatz erwitscht un lied sa vor puurer Teibi in d'Lamm ahi triben. Un no grad hytigstags hed mu an d'r einten Wand d'Olychsami 15 von em Chatzenmaali. 16
Drnah heis g'heerd, dass där ungehyr hed g'chlopfed un g'schmättred in Fliehnen wuohi. Von denn an
Aber en gäbegerri 18 Brigg, seid in jedra Geishirt, in jedra Wildheuwer un in jedra Gemmschifrävler, gäbs nid, wan d's Tyfels Brigg über Ostäglamm in Sefenen, un die heigs no d's Tyfels Lengi!
Zween Mirrner uf der Fuxlotzeten 1
In er grimmigchalten Nacht sin zween Mirrner in d'Aegerti usi gan den Fixen passen. D'r Mond lied eso g'schienen, da ischt g'niegend Heitri g'syn, zun em Fux z'schiessen. Si hein g'häckled Mys 2 brucht fir Beizi 2• Die alten Jegerschlicha hein si g'wisst. Fir d'Fix z'zeeken heis dirrs Bresenchrud, Holiderlaub, Liebsteckeiwirza vor Pfingsten brochen un graben, von em jedren glych viel zun Pulver g'chlopfed un das druber g'säid. Das ziehd in jedra Fux an.
In em Schyrli 4 hein si d's Zugloch g'effned un hein d's Bixenrohr da usi g'steckt, un drnah hein si si muusstill g'häben. Ohni tubaken, bis das si von Zäjen un Fingren fascht nymeh hein g'spird, hein si da miessen pässlen ob si eppes zuoha läj. 5
Z'lescht hein si g'merkt, das en alta Fux uf der Wintereggsyten von der Aegertenlamm wuoha chund. Aer ischt aber nid sofort uf d'Beizi. Aer ischt no en
Z'lescht un am End, na allem Blänklen 10, ischt der Fux chon. ischt tif d'Beizi, un uf en Schutz ischt er usi g'wellpt. Soglych ischt eina usi g'angen un hed dän scheenen, steinalten Bärgfux chennen in Stall heichen. D' Chelti ischt nen därbie schier vergangen, un si hein g'sinned, si wellen no grad es Raschtli 11 uf nen andra warten.
O'wiss nyd d'r Wyl 12 , due chund der ander Fux uf Mirrensyta dem Aegertenbach na wuoha. U där ischt sofort ufgangen 13 un hed si erstelld, scheenders hät nyd firtragen. Nid lang drnah hein si dän o chennen inhi heichen zum andren. Vor puurem Unnäglen 14 heis jetz usi miessen vor d's Schyrli gan d'Aermleni schlinggen. Due hein si si vor en Stall g'setzt un Tubak ingfilld. Si hein eso an Pfyffen zogen, dass hein Bläscht 15 hinder en Ohren uberchon.
Uf eis Mal, wan si eso syn am Tubaken g'syn, chund bim Sackermänt umhi eina schnuerstracks unna wuoha, grad gäg si. Schritt fir Schritt ischt er greeser, un es lengersi lyterrer isch um si um worden. Grad wien en Fitz 16 ischt us däm Fux es Ug'hyr worden.
Die zween Mirrner hein g'schlottred wien es aschpigs Loubsblatt un syn nymeh imstand g'syn, d'Bixi z'ergryffen. Das Utier hed si fascht mid der Schneiggen 20 agrierd un hed g'churred:
"Dat Hänsel un d'Bäba immusa, wen ers eppa nid verstahd, su will i nuch den d'Schibla 21 us en Ohren tuen!"
Denen beeden syn vor Chlupf d'Pfyffi us en Chiflen kyd. We so flingg 22 sys die Fix gan ab em Nagel heichen. D'r alla Stall hinderhi hed's ahi agfangen sprätzlen 23 un hed nen d's blank Fyr under en Schuenen firha g'jätten. Su gleitig, dass si hein chennen, hein si die zween Fix bin der Stallstir usi triben in Schnee. Si syn erschmied, 24 wan due dry Fix mid enandren gag d'Aegertenlamm zuegumped syn.
Das ischt denen zweien die leschti Fuxeta g'syn. Zmorneschti 25 hein beed en g'schwollna Mäscher 26 g'häben, gwiss zweimal greeser wan die greschti Mirrenrafa, un i verdächtigi Oliederlähmi hed si no packt.
D'r lescht Bärgdorfet
uf d'r Wengrenalp
Friejer hein d'Luterbrunner un d'Grindelwalder uf d'r Wengrenalp Jahr fer Jahr am Bärgdorfet en scheena Bänz 1 usag'schwungen. En Tschuppen Jahr ischt das Schafli gengen uf d'Luterbrunner-Syta chon, un das lied d'Orindelwalder furt un furt g'wurmed. 2
Un duo ischt en em Grindeiwalder yg'fallen, sys Purschi an er Fihlimähren z'seiggen. 3 Bis das er ischt fifzächenjährig g'syn ischt där no im Fotzelrock 4 umha g'schlingled.
E paar Jahr d'rnah, bin er Watteten Schnee, chund syn Alta, wan no geng chächa 5 ischt g'syn, us em Weidli vom Hirten. Halba Wäg aha ischt er von eim a'packt worden, un där lied nen gwiss mier nyd un dier nyd in Schnee usi g'rierd, un druf lied er si verbutzd. 6 B'm z'nachten 7 hed d'r Aetti ses d'r Hushaltig g'raleged. 8
Im Verbliemten lied das die AHi un d'r jung Flatschlig 9 vor Lachen fascht zersprengt. Z'lescht un entli hed mu d's Frouelli g'wisst z'ruunen, dass das grad syn Junga sygi g'syn. As ischt g'wiss no etlichs Jahr gangen, ob där lied in einzega Streich g'wärched, dass ischt in fuuli Bohna wärt g'syn.
Am i,ieischten ischt är dem Fälen 10 un dem Häägglen 10 obg'lägen. En g'nietega 11 Hääggler isch g'syn, sygs im Nahfinger ol im Grossen.
Wan d'Schwingeta an d'r Wengrenalp ischt losgangen, hein dän grossen Watschlig vier Grindelwalder an er Chetti bis uf en Platz g'fierd. Wan si syn chon mid mu, hed si ails verggaffed an däm Traliwatsch. 12 Finger lied er g'häben wen Arvzäpfen, Fyscht we Schindelpluwia. 13
Us em Huufen von d'r Wengensyten hed eina brieled: "Hoscha - boo! — hoppelli boo! — dän heid er g'wiss nid an d'r Rinderbaarni 14 g'häben!"
D' Grindelwalder syn von eim zum andren gan chischellen 15 wie där en Munichraft heigi; där traagi vier - fyf Zäntner ohne schnuupen un bartwischen, un hyt syg er no bsundrig ufg'schochneta.
Syg's g'syn wela dass heig wellen, si hein g'chrafted un g'safted an mu, as hed vellig, vellig nyd b'schossen. Ohni wyters hed eina fer eina miessen von Griffen lan un flach gän. As hed g'wiss ails d'schuudred. eso hed er eina na dem andren nider g'macht, un menga hed si no g'wirsed 16 am mu. Pletzli hed's en jedra g'uwilled, dän utappeten Geschmer z'nyschen. 17 D' Grindelwalder, un b'sunders syn Eltra, syn stotzig 18 worden. Disa ischt firhi uf en Schwingplatz un hed si usgän, wen eina da sygi, wan syn
Sobald ischt da es chrouchs Graaggimanndli 20 vo Wengen virhi, un duo ischt alls in es Lachen chon. As hed g'seid, as weil schon grad eina mid mu machen. D'r alt Tricknapf 21 von dämm useeden 22 Grindelwalder ischt ufg'standen un hed mu virhi brielcd: "Was willt jetz du mid dynen chrummen, reeklen Chnoden?" 23
Duo heis z'sämengriffen. Ja g'wiss wen es Wäxi ischt das Graffelmänndi uf nen los. As ischt mid mu hin un här, aber mid däm Holzepfelross ischt nyd g'syn az'gahn. Pletzli hed das das Mantschi hoh in d'Luft g'häben wen en Lyribuob 24 un hed brummled: "Wa sol en di jetz hin tuon?" Un d'r Gross hed gegerlecha un pechischa 25 zun Grindelwaldren uberg'lyssled.
Im Nuu ischt mu das niêfer 26 Manndli us en Griffen etwitscht. Aes nyd linggs - guot Schnätz 27 — ischt mu über en Puggel ab pfitzt, hed nen am Girtel g'sammled un -ppänng - duo ischt där Tätschbär uf em Puggel g'syn - u ddas! 28 Uf Wengensyta hed's es G'lärmidier gän, dass hed in allen Fliehnen teend, wan die Waschscha 29 ischt bedegeti g'syn, un si hein g'chichred, wil d's Bänzi no eis uf di disri Syta chemi.
Däruf ischt d'r Alt vom Orindeiwalder uf d's Troom 30 chou, da syg in Häxery derbie. Schon b'm Handdricken heig d'r Jung g'merkt, das er litscha 31 wärdi, un bevor er das Beri heig chennen ablegen, syg er ganz abächa 32 g'syn. Duo ischt in Zanggeta un Trischaaggeta 33 usbrochen; si hein inandren g'fuuschted un g'wixt, un as ischt in ungehyri Strigleta 34 drus worden. In jedra hed i Tschuppen Pylli 35 am Grind g'häben, un däm alten, nieferen Männdi heis g'wissd d's Nasenbein yz'rieren.
Von da an hed's i kein Bärgdorfet un Schaflischwinget meh gän uf d'r Wengrenalp, un no in Huufen Jahr hed das g'hässelled zwissen Wengen un Grindelwald.