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Inhaltsverzeichnis
Zum Eingang 7
DZwärge-Gotte . 9
Des Erdmännchens Geschenke 10
Das Geschenk des Zwerges 12
S Zwärgemutschli 14
Von der Zwärgechinige 15
Die Zwergentaufe 17
Der Schwertfeger 19
Das Abenteuer des Geigers 22
Der Zwergenwein 24
Das Zwergeneis 26
D Alpmueter 26
Der Sennenzwerg in Muri 27
Der Geißler Klosters 28
Zelli vom Hewzwergli 31
Der kleine Heuer 34
Der Lehensains 35
Die Fänggin Madrisa 38
Wildmannlis schlecht Wetter 39
Das Gemskäslein 40
Das Geheimnis des Bergmännleins 42
Wie die Sennen das Süßkäsen lernten 43
Das Bergmännlein 44
Der Zwerg auf Kastelenalp 47
S Bergrnannli am Giswylerstock 49
Die geschlachtete Kuh 50
Die verfluchte Milch 51
Die betrogenen Heuer 53
Die Rache des Zwergleins 55
Vom Gesang der Erdleutlein 57
Die Goldhöhle 58
Das Bergmannli im Erzloch 59
Das Goldmännlein 60
Das Erdmännlein und der Steinbrecher 61
Die Zwergenfrau 62
Der Zwerg und der Pflüger 63
Das Heidemannli in Ryken 64
Fänggenmannlis Rat 64
Hina gits a chalti Nacht 65
Die Vättnerberger lernen das Holzfällen 66
Die Sage von den heiligen Wassern 67
Die Spinnerin . 69
Das genarrte Wildmannli 70
Wildmannlis Zahnweh 70
Selber tan, selber han 71
Wo's mich juckt, da kratz' ich mich 72
D Fenki as Magd 73
Wildmannlis Rat 73
Der guet Kot 76
Die ärgste Strafe 76
Was ein Erdmännlein einem Mädchen sagte 77
Das Gebisdorfer Männlein 78
Die Milchdiebe 78
Das gestohlene Schwein 79
Das Gotwergi in der Köche 80
Das hilfreiche Moosweibchen 80
Das Alter des Fänggen 82
Das wilde Männlein als Wetterwarner 83
Der Schlangenreiter 84
Der Untergang von Ralligen 85
Das Hochwassermannli 88
Das Mittel der Wildleute 89
Das Schneemehl 90
Das Herdmannli und der Fischer 91
Die Fänggin und der Jäger 92
Von einer bösen Fänggin 94
Der Gemsjäger und der Zwerg 95
Der Zwerg auf Riedera 96
Der Zwerg Karren 97
Das starke Männlein 98
Das Spielmandli 99
Die Zwerge und der Geißbub 101
Der Wechselbalg 102
Die Kindlein beim Menschenfresser. 104
D Kind im Fenkahus 105
Hans Öfeli-Chächeli 106
Die faule Spinnerin 109
Die Spinnerinnen 115
Der Vogel Grvf 116
Die Feenfrau 126
Das Nixlein 131
Vo de Härdmändlene uf der Ramsflue 132
D Härdwybli ant Strihe 134
Die freigebigen Zwerge 135
Der undankbare Wittnauer 136
D Biestturta 136
Die Erdmännlein auf Zeindlimatt . 137
Der Fadenknäuel 139
Das gefangene Erdmännlein 139
Die Zwerge auf dem Baum 140
Das letzte Gotwergi 140
Die Pestleutchen 141
Die grauen Zwerge im Burgerwald 143
Der Weihnachtszug der Zwerge 145
Der Zwerg Zacheo 146
Der Kirchenbau 147
Das betende Erdmännchen 149
Nachwort 150
Worterklärungen 153
Quellennachweis 158
Inhaltsverzeichnis 161
Andere Werke von Curt Englert 163


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Vo chlyne Lüte


ZWERGENSAGEN FEEN- UND FÄNGGENGESCHICHTEN AUS DER SCHWEIZ


NEU MITGETEILT VON C.ENGLERT-FAYE


MIT BILDERN VON BERTA TAPPOLET

TROXLER-VERLAG BERN



Vo Chline Luete-004. Flip

Erste Auflage 1937 Zweite Auflage 1965
©
Zweite, unveränderte Auflage
  Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1965 bv Troxler -Verlag Bern
     Benteli AG Bern-Biimpliz
Printed in Switzerland


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Um alles menschlichen Sinnen Ungewöhnliche, was die Natur eines Landstrichs besitzt oder wessen ihn die Geschichte gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich die Ferne des Himmelsblau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen setzt. Aus dem Zusammenleben und Zusammenwohnen mit Felsen, Seen, Trümmern, Bäumen, Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die sich auf die Eigentümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet und zu gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen berechtigt ist.

Jakob und Wilhelm Grimm



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Zum Eingang

Nicht alle Engel, welche dem Luzifer anhingen und zur Strafe vom Himmel gestürzt wurden, sind zur Hölle gefahren. Gott hatte ihnen eine Frist gesetzt, innert der alle dorten angelangt sein sollten. Ihre Zahl war aber so groß, daß es dichte Haufen vom Himmel schneite. Und da fielen einige schneller und früher, andere langsamer und später am Boden auf. Die von den Engeln, die sich nur hatten aufreden lassen und nicht eigentlich böse waren, blieben im Sturze an Bergen und Bäumen hängen. Aus diesen sind nun nicht Teufel geworden, sondern eben Erdleutlein. Darum machte Gott die Zwerge gar listig und weise, daß sie Bös und Gut wohl erkannten und wozu alle Dinge gut wären. Sie wußten auch Kraft und Tugend der Gesteine. Und so müssen sie denn bis zum Jüngsten Tage auf der Erde bleiben und wohnen in Erdlöchern und hohlen Bäumen. Manche Leute sagen, daß viele Zwerge deshalb so tückisch sind, weil sie es mit Luzifer gehalten haben und den Menschen um sein Heil beneiden.

Also hauste vor Zeiten allenthalben im Lande an Halden und Hängen das Volk der Zwerge. Tagtäglich kamen sie in die Dörfer und Höfe herab und westen und wirkten, wo Menschen weilten. Sie halfen bei aller Arbeit in Haus und Hof, in Stall und Stadel, auf Anger und Acker, in Weide und Wald, in Hurst und Holz; hüteten Kinder, hirteten das Vieh, schafften und werkten in jedem Gewerbe. Was sie taten und was sie rieten, brachte allerwegen Glück und Segen. Endlich aber verscherzten die Menschen durch ihren Frevelsinn Kunst und Gunst der Zwerge. Die Ursache aber war diese: sie taten das alles am längsten, so lange, bis im Dorf die erste ABC-Schule errichtet worden ist. Da haben die bösen Schulbuben bald mit Steinen nach ihnen geworfen. Da sprachen die Erdleutlein:



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«Uf und us der Erde,
d Lüt wei spitzfindig werde!»

Die Tränen troffen ihnen aus den Äuglein, und sie wanderten aus und zogen weithin nach Norden in eine neue Heimat. Kaum aber hatten die Zwerge das Land verlassen, so fielen ihre Höhlen ein, Flühe und Felsen stürzten zu Tal, und Rüfen verschütteten Weide und Wald und Matten und Äcker mit Gand und Gufer.



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D Zwärge-Gotte

Emol isch e Meiddeli elleinig im Wald gsi und het Erdbeeri gsuecht. Uf eimol ghört es e Ruusche, und wos um si luegt, se stoht e zierlig Frauweli nummen en Hile lang vor em, mit guldige Hoore, ineme schwarze Gwändli, gstickt mit guldige Blueme.

«Gott grüeß di, Meiddeli!» seit sem: «Spring fit furt und förch mi fit! J tue der kei Leid!» S Meiddeli seit: «Gott dank der, und wenn du s Erdmänrilis Frau bisch, förch i di fit.» S Frauweli seit: «Los Meiddeli, se chumm au zue mer in d Stube.» Und s Meiddeli isch mit em Frauweli gange dur de Brumbeerihurst, tief dur d Felsen y, und S Frauweli füehrt S Meiddeli sorgli am Ärmli. Jetz goht im Berg e slibrigi Tür uf. «O Herr Jesis, wo hin i ?» rüeft S Meiddeli, «bin i im Himmel?» —«Nei doch, du närrisch Chind, i mym verborgene Stübli bisch, hy dyner Gotte! Chumm sitz ab und bis mer Gottwilche!» Und S Meiddeli stuunt ab de chospere Stei a dene glitzrige Wänd und ab em Tisch us glänzigem Marfel. Druf sind slibrigi Blatte und guldigi



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Täller gstande. «Chumm!» seit s Frauweli, «iß Hunigschnitten und Strübli! Magsch e Chächeli Milch derzue oder Wy im guldige Bächer?» —«Nei, Frau Gotte, lieber Milch im Chächeli möcht i Wos Meiddeli ggässe het und trunke, seit em sy Gotte: «Jetz will i der näumis schänke. Zeig, was wär der am liebste? Do das Trögli voll Plunder oder do das Redli zum Spinne?» S Meiddeli seit: «Frau Gotte, schänket mer s Redli!» —«Willschs, se sollschs au ha! » Und sie git em e Redli vo Birbaumholz, a der Chunkle ne Kiste mit eme zierlige Bändel us rosiger Syden umwunde, unde ne Lätschli dra und s Gschirrli zum Netze vo Silber und im Chräbs e Spüeli und schon e wengeli gspunne, und seit: «Gäll, verlier mers nit!» und jetzt het sies gchüßt und wieder usen in Wald gfüehrt. «Bhüet di Gott und halt di wohl, und grüeß mer dy Mueter!» Und s Meiddeli seit: «O liebi Frau Gotte, Vergeltsgott! »

Wo s Meiddeli heim chunnt, Bets gspunne mit Händen und Füeße, und bald het der Wäber e Tragete Garn gholt. Und alli Johr Bets vom fynste Fade Tuech um Tuech uf d Bleichi treit und Sträng zum Färber, und wenns ammel der Fade unde in d Spuele zoge het, se isch der Riste grad wider nohgwachse. Und Bets albe dussen im Fäld zschaffe gha, se Bets Redli dinnen elleinig furt gspunne.


Des Erdmännchens Geschenke

In einem Tale hinten im Jura lebte einmal ein hablicher Müller mit seiner Frau. Die lag schon viele Jahre krank und war so siech, daß kein Doktor ihr mehr helfen konnte. Sie hatten einen Knaben, der ebenso freundlich und gutherzig war als der Vater habgierig und hart. In der Gegend hausten an den Halden und Hängen der Berge noch viele Zwerglein, die oft zu Tal kamen und den Leuten allerlei Gutes



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taten. Sie halfen schaffen in Haus und Hof und griffen zu r im Stall und auf dem Feld oder hüteten das Vieh.

Einmal, als böse Teurung T r. übers Land kam und aller Orten bittere Not an Brot war, kam eines ein Zwergenmännlein vor die Tal mühle und begehrte ein wenig Mehl. Der Müller aber schnarzte es barsch an und schickte es ohne Gabe fort. Das jammerte den Buben. Heimlich schlich er zum vollen Kasten, füllte des Männleins Säcklein mit dem feinsten Semmelmehl und steckte es ihm ungesehen durch die Gartenhecke zu.

Als im Frühjahr der Knabe des Vaters Herde auf die Weide trieb, da stand auf einmal das Zwerglein vor ihm, dem er das Mehl gegeben, und lud ihn zu einem Fest der Zwerge in den Berg. Der Knabe ging mit. Durch einen hohlen Baum schloffen sie in die Höhle, und je weiter sie gingen, desto größer und schöner wurde es. Zuletzt kamen sie auf ein weites, ebenes Feld, darauf eine Menge Fruchtbäume standen. Hier war alles Gezwerg des Landes zu Schmaus und Kurzweil versammelt. Es wimmelte und wuselte aller Orten von dem Völklein. Das Zwerglein, das den Knaben hergebracht, bat ihn zu Tische. Sie aßen und tranken nach Herzensbegehr und hatten es ein Weilchen lustig. Bald aber verschwanden die andern Erdleutchen, und der Knabe und das Männlein waren allein. Da brach der Zwerg von einem der Bäume einen prächtigen Apfel, goldgelb mit roten Backen. «Der ist für deine Mutter», sprach er, «sie soll ihn alsbald essen.» Dann nahm er von einem andern Baum eine große, schöne Nuß. «Die ist für deinen Vater», sagte er, «denn es war ja doch sein



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Mehl, das du mir dazumal gabst, als ich Not litt.» Und zuletzt löste der Wicht eine Schnur von schimmernden Perlen von seinem Halse, hing sie dem Buben um und sagte: «Und hier ist ein kleines Andenken für dich, zum Dank, daß du mir in meiner Bedrängnis geholfen hast. Aber hör jetzt, was ich dir sage, und tue also: Wenn du wieder hinauf an den Tag kommst, so lege dich nieder und ruhe aus; denn du hast eine weite Reise gemacht, viel weiter, als du wohl denken magst.»

Kaum gesagt, so stand der Knabe schon oben vor dem hohlen Baum, und so müde und matt war er in allen Gliedern, daß er sich ins Gras legte und lange tief und fest schlief. Als er endlich heimkam, da waren seine Eltern in großer Angst; denn die Herde war ohne ihn nach Hause gekommen, und er war volle sieben Tage ausgeblieben. Jetzt teilte der Knabe die Geschenke des Zwerges aus. Die Mutter aß den Apfel und war vom Tage an gesund. Und als der Vater die Nuß auftat, fielen statt der Kerne zwei leuchtende Edelsteine heraus.


Das Geschenk des Zwerges

Dicht am steinigen Ufer der Emme stand eine rauchgeschwärzte Stube. Darin wohnte ein armer Korbmacher mit seinen vielen Kindern. Und so fleißig schaffte der Mann, daß er alle Jahre dem Bauern, dem die Hütte gehörte, den Zins zur rechten Zeit bezahlte. Das nahm die Leute wunder, und sie meinten, das gehe nicht mit rechten Dingen zu, er halte es mit den Erdleutlein, die hielten dort Versammlung und beschenkten ihn reich dafür. Der Körber aber lächelte nur, wenn man ihm solche Worte gab, und sagte weder ja noch nein.

Eines Abends schlug ein gewaltiges Gewitter vom Hohgant her über die Berge. Alle Bäche schwollen alsbald so hoch an, daß Brücken und Stege weggeschwemmt wurden wie Schwefelhölzlein. Auf weite



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Strecken überfluteten die reißenden Wasser das Land und deckten Matten und Äcker viele Fuß hoch mit Grien und Grus. Der Körber hatte mit Not den Seinen das nackte Leben gerettet. Schon schossen die Wellen schäumend an die schwachen Mauern der Hütte, als der Mann auf dem Dache ein winziges Männlein erblickte, das mit erhobenen Armen um Hülfe schrie. Gleich watete der Körber durch das wirbelnde Wasser seinem Hüttlein zu, schwang das Männlein auf seine Achseln und trug es auf sicheren Grund. «Du hast mir das Leben gerettet», sagte das Männlein, «und ich will dir's danken. Nimm hier diese Erbsen und koch dir und den Deinigen
all Tag ein Mus daraus. Aber gib acht, daß allemal mindestens zwei davon übrig bleiben.» Und er gab dem Körber ein zierliches Säcklein voll Erbsen in die Hand und war verschwunden.

Der Körber, voll Angst um seine Hütte, hätte bald im Vergeß das Geschenk des Zwerges weggeworfen. Aber so schoppte er's in den Sack und ging zu den Seinen, die in einem Nachbarhof Aufnahme gefunden hatten. Über Nacht verlief sich das Wasser, so daß der Körber des andern Morgens wieder in sein Häuschen einziehen konnte. Und sie räumten den Schutt weg und kochten zu Mittag, und allen mundete



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das Erbsen mus so gut, daß sie wünschten, jeden Tag eine so köstliche Speise essen zu können. Und also geschah es auch. Denn andern Tags war das Säcklein wieder voll, und so alle Tage. Und der Korbmacher, sein Weib und die Kinder gediehen vortrefflich bei dieser Kost. Und auch mit seinem Handwerk ging es besser als zuvor. Überall begehrte man seine Körbe, Kratten, Zeinen und Hutten, und bald hatte alle Not ein Ende.

Das Geheimnis von den Erbsen erbte sich samt dem Säcklein von Kind auf Kindeskinder, und noch heute würden die Nachkommen von den Erbsen des Zwergleins zehren, hätte ein unachtsames Mädchen nicht einmal, als es die Küche zu besorgen hatte, alle Erbsen auf einmal gekocht. Da war und blieb das Säcklein leer, und der gute Lebtag hatte für immer ein Ende.


S Zwärgemutschli

Es syg eis en armi Hushaltig gsyn, wa nyd grächts heig zässen ghäben. Dua hätten eimal no Zwärgleni in ysem Telti gläbt; und eis von dene, wa die Hushaltig lied hchennd, heig neu es Mutschli braachd. Äs heig ne gseid, daß s mit dem Hegel nie terffen cl Mitti gryffen, sust waxi nen denn der Mutsch nimmeh naha. U we s nie meh wa den halben nähmen, su beige s geng Spys im Tisch-Chasten.

Nah un nah syn die Lyt ze nein Sachli choon und heis ganz guet chenne gmachen. Das ist aso ggangen, bis se si hein afaa meinnen u syn hochmietig worden und hei gmeind, es megi alls erlyden. Sie hei gsinned, jetz chenne s mache, was s wellen. U richtig: eis an ein Abend lieds den Atten eimal verzennd u zeekd, es Schnäfli nicht wa d Hälfti z nään. Der Tyfel u der Gwunder hein ne gstipfd, und är hed eimal zlest un am End e waartliha Bitz meh ahghiwen.



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Aber am andre Tag, wa s hei welle tischinieren, hei s lang chenne d Myler verziehn ud Oige verträäjen: ganza ist der Mutsch nimmeh worden.


Von der Zwärgechinige

Da wä wyt hinder Mihlibach uehi es Wybli o no spat in der Nacht anhi am Gstiedel gsässen und hed gwäben. Es ist mu lingig ggangen: im Schwick lieds e Tschuppen Ele ghäben. Ds Schiff li ist hin u wider gflogen, und äs hed im Su ghäben, das Wub no glyhen Aabeds abzwäben, we schon der Harzfeißtitägel ist am erga gsyn. Wien äs no eppa ärstig ist dra gsyn, gcheerds newa an der Hustür polen. Äs hed de Taahen im Tägel angänds en Bitz obis gschrissen un ist gan achten, wär da twäga syg. Was vor d Huustür usi chunnd, steid es Zwärgli vor mu zuehi und



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hed mu mid Bitt u Bätt aghäben, äs mechti mid mu choon: d Zwärgechinige syg Chimpetterra, u sie wisse mu nyd ztuen, keinigerlei nyd!

Das Wybli hed angänds d Huuba agleid und ist mit däm Zwärgli druber uf. Sie sy ggangen u ggangen, bis daß s wyt im Bärg uehi vor nes chlys Tin sy choon. Ds Zwärgli tued uf u geid vorab ynhi; u ds Wybli ist mu na. Da ist zerstist numman es engs, niders Gengli us em Felsen usa ghiwes gsyn, u mu heig si gued miessen ynhaan, fir das mu ds Hoit nid agriehrd heig.

Das Gengli ist e lenga, lenga Gang worden. Ganz zhindrist div ii hed mu es chlys Fiireili gsehn. Sie sy ggangen u där Gang ist geng greeser u greeser worden; där ist heeija u breita gsyn, daß d Chilha ugschiniert drin hätt chenne stahn. Läst u läst Zwärgleni sygen umha gsyn; tuusig u tuusig Liechtleni beige brunnen; ails heig gglitzined u gschinen! Das ist eppas gsyn, das es eifaalts Wybli sin Lähetag nyd seliß gsehn u troimd lied. liii, bluet is Läbetag!

Angänds druf hed sie der Zwärgechinige Hilf braachd. Da druber syg im ganze Zwärgerych großi Freid gsyn, un de Tschuppa Zwärga hein mid jura dir ds Wätterhoren eni anhi seilen. Aber no eh s zer Zwärgenhehli em usi gsy syn, hed es Zwärgli us nein alten Gwandchasten dem Wybli es Huuffli Cholen in Schurz gschitted. Sie lied nid gwißd, was das z bidyten heig. A Cholen ist ra de richtig nid viii gläge gsyn. U we ra hie u da eis us ein Schurz usa gschloffen ist, so ist das ihra ei tue gsyn. Aber de syn die Zwärgleni ahi im Schwick druf los gschossen u hein die Cholen ufgläsen u ra sie umhi i Schurz ghyjd u gseid:

«Wie meh daß d zattst,
Wie minder hattst!»

Darmid wä sie us der Heidi ein usa gsyn, u ds Wybli lied si darzue ghäben, fir no vor Tag ein zuehi zchoon. Was s hei chunnd, leesds de Schurz uber der Fiirblatten us.



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Mornist, wa vs s Mihlibachwbli i d Chuchi geid, gsehds uf der Fiirblatten es Huufli Goldmirggia. Darmid hätts dua gwißd, waran daß s mit denen gestrige Chohle wä gsyn! Wies däm uo aso nachsinned u teichd, was fir nen ganzi Broxieta Cholen daß äs dir ails Wätterhoren aha versiwed heig, da hed das s es schier meggen. Äs ist tif u zwääg, fir die Chole z suechen - und hed nyd gfunden.


Die Zwergentaufe

Es waren einmal zwei Schnittermädchen in der Ernte zusammen auf dem Kornacker. Wie sie fleißig sichelten, schrie plötzlich die eine: «Ursi, lug diese mächtig große Kröte! Soll ich ihr eins mit der Sichel geben?» —«Nein, Bürgi», rief die andere, «beileibe nicht! Schau nur, wie dick sie ist.» —«Geh», rief sie der Kröte nach, die -hump plump - weiterhopste, «ich hin dann Gotte bei dir, wenn du ins Bett kommst». Und die beiden Mädchen lachten und schnitten weiter. Als sie abends heimkamen und von der Kröte erzählten, meinte die Mutter: «Ursi, da hast du wieder einmal das Maul gebraucht und weißt nicht gegen wen».

In derselben Nacht, als beide Mädchen ruhig schliefen, klopfte es auf einmal an ihr Fenster, und eine Stimme sprach: «Ursi, denk an dein Versprechen, steh auf und komm schnell mit!» Auf den ersten Ruf schon hatte Ursi geantwortet und war gleich nach der Tür gegangen, denn sie meinte, ihr Liebster warte ihr drunten. Aber wie sie auf die Schwelle trat, stand da ein Erdmännchen und sagte: «Gelt, du weißt noch, was du gestern auf dem Acker zu der Kröte gesagt hast: ich bin dann Gotte hei dir, wenn du ins Bett kommst. Diese Kröte, mußt du wissen, ist mein Weiblein gewesen, und eben hat es ein Büblein zur Welt gebracht.» So sprach das Männlein zum Mädchen, riß es beim Tschopenärmel und schleifte es mit, und sie mußte bei Gott mit,



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wie sehr sie sich sperrte, sie konnte nicht anders. Durch Tobel und Wälder führte das Männlein sie bis zu einer großen Höhle. Da stiegen sie hinunter durch einen langen Gang. Zuletzt kamen sie auf eine weite, helle Matte. Da standen eine ganze Menge zierlicher Häuslein und Hüttlein, jedes wie aus leuchtendem Glas; denn von einer Wand zur andern war alles durchsichtig, und die Lichtlein, die drinnen brannten, schienen selbst durch das Dach heraus. In ein solches Häuslein traten sie ein. Hier lag ein Erdweiblein blaß und bleich im Bett und hatte neben sich in einer goldenen Wiege ein neugeborenes Kind, munzig klein, kaum daumengroß. Das gab man dem Mädchen auf den Arm, und sie mußte es auf der Stelle aus dem Haus tragen, und hinter


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ihr drein kam ein langer Zug von lauter Erdmännlein gegangen. Sie aber hielt das Kindlein sorgsam in der hohlen Hand statt auf dem Arm. Sie gingen zu einer Kirche ganz aus leuchtendem Kristall. Hier sollte das Kind getauft werden, und das Mädchen verrichtete, wie es der heilige Brauch heischt, die Nottaufe an dem Zwergenkind. Dann trug sie den Täufling zurück zur Mutter. Die zog aus ihrem Bettsack fünf Strohhalme heraus und bot sie der Gevatterin zum Andenken.

Das Männlein führte sie wieder zurück, hinauf unter den freien Himmel und zeigte auf den Birnbaum hinunter, der auf der Mark von ihres Vaters Hofe stand. Und der Mond schien ganz hell. «Lug gut zu den Halmen», sagte das Männlein und war im Berge verschwunden. «Strohhalme hab ich daheim auch bis genug», dachte das Mädchen und warf vier von den fünf Halmen aus dem Jüppensack und lief eiligst heim. Wie sie daheim die Stiege hinaufgeht, merkt sie etwas klingen. Und wie sie in den Sack greift, zieht sie ein rotes Gold-. stäblein heraus. Kaum wars Tag geworden, lief sie zurück und suchte in Busch und Berg nach den andern Halmen, aber sie hat keinen mehr gefunden.


Der Schwertfeger

In einem Dorfe am Rhein lebte einmal ein Waffenschmied. Der war ein Meister seines Handwerks, und seine Schwertschneiden und Degenklingen waren die besten weit und breit im Lande. Und so hatte er denn auch meist schier mehr Arbeit, als er mit seinen Gesellen hinter sich bringen konnte. Nun aber begab es sich, daß Klingen, die abends unfertig zur Seite gelegt worden waren, am andern Morgen aufs feinste und reinste vollendet dalagen, wie früh er auch die Werkstatt betrat. Anfangs meinte der Meister, es sei wohl einer der Gesellen, der insgeheim am Werke sei; denn wie er selber gar freundlich und



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freigebig war, wenn recht geschafft wurde, so arbeitete ihm auch mancher Bursche ungeheißen über die Zeit. Aber bald merkte er, daß es doch anderwer sein müsse, und so lauschte und lauerte er des Nachts hinter dem Kammerfenster, das in die Werkstatt ging, dem unbekannten Schmiede auf. Um Mitternacht erhellte sich auf einen Schlag die ganze Schmiede. Der Blasbalg pfiff und fauchte, die Esse loderte und zischte. Im Fußboden hob sich ein Laden empor, wie ein Mäuslein guckte ein Spitzgrind herauf, nieste, fuhr in die Höhe, und ein drei Fuß hohes Männlein stand da. Es tänzelte ein Weil-
chen in der Werkstatt herum, dann aber machte es sich hurtig an die Arbeit, und bald hämmerte es mit solcher Gewalt am Amboß, daß die Funken in alle Winkel fuhren, und ehe der Meister recht hingeschaut, da war schon ein blankes Schwert geschmiedet. Nun kam das andere, das dritte, eine ganze Burde Klingen wurde im Nu fertig. Dann legte das Männlein alles Werkzeug ordentlich wieder zurecht und verschwand im Boden, wie es gekommen. Der Blasbalg stand still, Feuer und Funken erloschen, alles war finster wie zuvor. Alsbald ging der Meister mit einem Licht in der Hand hinüber, denn er meinte, er habe alles bloß geträumt. Aber wie staunte er, als er wirklich die Klingen glatt und glänzend auf der Werkbank liegen sah.


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Darob war nun der Meister so erfreut in seinem Herzen, daß er nachsann, wie er dem Männlein seine guten Dienste lohnen könne, denn jetzt erst roch's ihm auf, warum seine Schwerter allenthalben so begehrt waren, daß seine wenigen Sparbatzen zu einem Haufen blanker Taler geworden waren. Und er ließ den Meister Schneider kommen und hieß ihn eine niedliche Schmiedekluft aufs feinste und zierlichste machen, ganz aus schwarzem Sammet, und die Schnürung überall aus Gold. Als das Gewändlein fertig war, legte es der Schmied nach Feierabend sorgsam auf die Werkbank, und an die Wand hängte er ein Spieglein. Dann verbarg er sich wieder hinter dem Kammerfenster und harrte des Männleins. Zur gewohnten Stunde erhellte sich abermals die Werkstatt, und das Männlein trat ein, um sich frisch an die Arbeit zu machen. Da gewahrte es das Sammetkleidlein mit den Goldschnüren, nahm's in die Hand, drehte und wendete es eine Weile zwischen den Fingern und schloff endlich hinein. Dann trat es vor das Spieglein, beschaute sich hin und her und lächelte vergnügt. Plötzlich lüpfte es fröhlich die Füßlein, hüpfte und müpfte und sprang und sang:

«Ig nimme Schwertli fäge ma
Ig schöns Chleidli ha
Ig jetz tanze ga.»

Dann tänzelte es um den Amboß herum, stieß mit dem Fuß die unfertigen Klingen zur Seite, daß es klang und klirrte, und verschwand. Es ist nie mehr wieder gekommen.

Den Meister Schmied aber hat seine Freigebigkeit nicht gereut; denn nach wie vor gerieten ihm seine Schwerter also wohl, daß seine Werkstatt die beste im Lande blieb.



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Das Abenteuer des Geigers

Der Geigerlux hatte auf einer Hochzeit im Luzernbiet bis nach Mitternacht aufgespielt, und nun machte er sich alsgemach auf den Heimweg nach seinem Heimatdorf im Aargauer Freiamt. Die Nacht war pechschwarz und der dichte Buchenwald am Lindenberg noch finsterer als sonst. Mitten im Holz liegt der Geißenrain, ein Hügel, auf dem's nicht ganz geheuer ist. Ein Zauberschloß samt allen Schätzen soll darin versunken sein. Lux hatte ein paar Gläser guten Hochzeitsweines zuviel hinter die Binde geschüttet, und so war ihm toller zumut als sonst. Just an der Stelle des Waldes blieb er stehen und sagte laut zu sich selber: «Wüßte ich nur, wie hineinkommen, ich wollte mir die Taschen füllen, daß ich nicht mehr spielen müßte, sondern selber tanzen könnte!» — «Komm nur gleich mit!» antwortete ein Zwerg, der aufsmal vor ihm stand, «grad warten jetzt die Herrschaften drinnen, und du mußt aufspielen zum Fest!» redete der Zwerg weiter, ehe Lux sich noch recht besonnen hatte, wie's ihm sei. «Aber merk dir's wohl, daß du die Leute nicht überheischest, wenn sie dich dann ums Trinkgeld fragen!»



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«Fryli, fryli!» stackelte der Lukas in seinen Bart und schritt hinter dem Männlein drein. Er kannte den Wald gar wohl; aber so wilde Pfade war er nie gegangen. Durch dichtes Gestäud und Gestrüpp ging's mitten durch. Aber Busch und Blatt bogen sich wie vor einem Windstoß nach beiden Seiten vor ihnen auseinander. Zuletzt kamen sie zu einer steilen Fluh. Da war ein Tor, ganz hell erleuchtet. Es tat sich vor ihnen auf und schloß sich ebenso rasch wieder. Sie gingen durch mehrere großmächtige, blumengeschmückte, kerzenhelle Gemächer. Endlich kamen sie in einen weiten Saal, der so hell strahlte, als wäre er vom grellsten Sonnenschein beleuchtet. Herren und Frauen in altmödigen Trachten wandelten gesellig darinnen umher, schmausten und trieben allerhand Kurzweil. Auf einen Wink des Zwerges hob Lux an zu spielen. Die Gäste ordneten sich zum Tanze und führten einen anmutigen Reigen so zierlich auf, wie der Geiger seiner Lebtage noch nie nichts gesehen. Und seine Geige klang und sang immer feiner und reiner, je länger er spielte. Und eine Weise über die andere glitt ihm in die Hand, so daß er zuletzt selber ganz außer sich kam vor Entzücken über sein eigenes Spiel. Da trat auf einmal ein langer Knochenmann vor ihn und fragte, was er als Lohn verlange. Dem Geiger kam die Warnung des Zwergleins in den Sinn. Schweigend nahm er seinen Hut und hielt ihn dem Gerippe ehrerbietig hin. Der Geist füllte ihn bis an den Rand mit Kohlen. Da stand auch der Zwerg schon wieder da und führte den Geiger zu Saal und Berg hinaus, denselben Weg, den sie gekommen.

Nun stand Lux allein draußen in der finstern Nacht und stapfte vorsichtig durch den Wald, seinen alten Fußsteig wieder zu finden. Bald geriet er ins Gestäud. Brombeerranken umschlangen seine Füße, Dornen zerrissen sein Gewand; er stolperte über Wurzeln und Stöcke, stieß an Äste und Stämme und war froh, daß er seine Geige heil davon gebracht, als er endlich wieder auf gebahntem Pfade ging.



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Todmatt erreichte er schließlich seine Hütte, und nun erst spürte er, wie schwer ihn die ganze Zeit der Hut mit den Kohlen gedrückt hatte. Kohlen hab ich genug daheim, dachte er bei sich, und erbost schüttete er sie draußen ins Gras und suchte sein Lager.

Des andern Tags erwachte er erst, als die Sonne hoch am Himmel stand. Ermüdung und Ärger waren verschlafen. Nun knurrte ihm der Magen vor Hunger. Er sprang auf, um in der nächsten Schenke seinen Imbiß zu nehmen. Aber wie er seinen Hut aufsetzt, fällt aus dem Futter ein blankes Goldstück klingend auf den Boden. Gleich läuft er vors Haus, wo er gestern den Hut fluchend ausgeleert, und richtig, da liegt noch der ganze Haufen -lauter Kohlen -, und der Lux machte ein Gesicht, wie wenn er's Öl verschüttet hätt'.


Der Zwergenwein

Eines Abends holte ein Mann im Wirtshaus Wein für seine kranke Frau. Auf dem Heimwege traf er auf Nachtleutlein. Die fragten ihn, was er da habe. «Wein für meine Frau», sagte er. «Gib uns auch davon», baten die Zwerge. «Es wird nicht langen für euch alle», sagte der Mann. «Gib nur her», sagten die Zwerge, «für deine Frau bleibt noch bis genug vor.» Da reichte ihnen der Mann die Flasche. Die Zwerglein gaben sie im Kreise herum, und jedes trank daraus einen guten Schluck. Und immer mehr Zwerge kamen herbei, um mitzuhalten. Dem Manne ward Angst, daß die Flasche bis zum letzten Tropfen geleert sei, wenn er sie wieder bekomme. Aber als alle daraus getrunken hatten und ihm die Flasche zurückgaben, da war sie noch bis oben voll. «Sag niemandem, daß wir daraus getrunken haben, auch deiner Frau nicht», riefen sie noch und waren im Dunkel verschwunden, eh der Mann sich's versah. Genug, er brachte den Wein



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seiner Frau heim, und manche Woche trank sie davon und ward täglich stärker und gesünder, und die Flasche war und blieb immer voll.

Aber zuletzt am Ende gefiel die Flasche der Frau nicht mehr recht. Es deuchte sie, das gehe denn doch nicht mit rechten Dingen zu, und es ward ihr angst und bang. Da drang sie in den Mann, daß er ihr sage, welch Hexenwerk dahinter stecke. «Trink nur», sagte der Mann, «die Flasche wird schon leer werden, sieh nur, wie groß sie ist.» Aber die Frau traute dem Ding nicht länger und wollte keinen Tropfen mehr von dem Zauberwein trinken und fragte und forschte weiter. Zuletzt verleidete es dem Manne, und er entdeckte ihr das Geheimnis, und - oh weh! da war die Flasche auf einmal leer, und je öfter der Mann nachher ins Wirtshaus ging, die Flasche wieder füllen zu lassen, desto schneller war sie wieder geleert.



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Das Zwergeneis

Es ist schon bald hundert Jahre her, da ging ein Mann zur Zeit des Heuet in den Wald, Holz zu holen. Er ging dem Bach nach dem Zwergentobel zu. Da sah er am Felsen große blanke Eiszapfen in der Sonne schimmern, so hell und klar, wie sie nur mitten im Winter daheim von seinem Strohdach herabhingen. Er stand still und staunte die prächtigen Eiszapfen lange an und wunderte sich nicht wenig. Er brach ein Stück ah, und da es ihm wunderbarerweise in der Hand nicht schmolz, steckte er's in den Hosensack und nahm's der Seltenheit wegen mit heim. Aber als er in den Sack langte, um es seinen Leuten, die eben vom Felde nach Hause kamen, zu zeigen, da legte er statt des Eiszapfens einen lautem Silberzapfen auf den Tisch, und niemand wollte glauben, was er erzählte. Und ihm selber war's auch, als sei alles wie im Traum.


D Alpmueter

Einmal im Spätherbste ging ein Jäger in Laguz an einer Alphütte vorbei und hörte darin Geräusch und Getümmel, nicht anders, als wenn Senn und Beisenn im Hochsommer vollauf an der Arbeit sind. Da wurden Brenten gebrüht, Kessel gefegt, Kuhketten herumgeworfen, daß es klang und klirrte. Der Gwunder stach den Weidmann, und er ging und schaute durch ein Astloch in die Alphütte hinein. Da sah er die leibhaftige Alpmutter: Ein altes, buckliges Weiblein stand am Herde, eifrig mit Kochen beschäftigt. Rings um den Herd herum tanzte eine Schar sonderbarer Tierlein, das eine ein Salzbüchslein, das andere eine Kochkelle, dieses einen Seihwisch, jenes ein Messer in den Vorderpfoten haltend. Eines der hüpfenden Geschöpfe trug nichts in den Pfoten. Zu dem wendete sich plötzlich das Weiblein



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und schnarzte: «Hans-Chäsperli, choz mer Schmalz!» Und siehe da, das Hans-Chäsperli erbrach Schmalz in Hülle und Fülle. Dem Jäger aber sprang die schwarze Angst in den Nacken, und er lief, daß ihm's Herz im Halse schlug.


Der Sennenzwerg in Muri

Wenn die Sennen auf der großen Weide bei Muri im Freiamt am Morgen ihr Vieh füttern kamen, fanden sie alles schon getan. Der Stall war geputzt, der Milchkübel geschwenkt, Richter und Trichter wieder am Platz, kurz alles in Ordnung gebracht und schon wieder für den Abend gerüstet. Ihre Kühe gaben die beste Milch und warfen die feißesten Kälber. Da nahm sie denn doch wunder, wer der unsichtbare Knecht wäre, und so lauerten und paßten sie in Stall und Scheuer. Und unlang, so hörte einer ein Rascheln und Rauschen über den Heustock droben herunter, dann trippelte es und tappelte und



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rappelte, und alsbald sprang ein winziges Männlein, nicht größer als ein Tannzapfen, am Steighaken herab, schüttelte sich die Halme aus den Haaren und fing an, Heu zu rupfen, dann striegelte es das Vieh. Und das ging alles so nett und geschwind, daß der Wicht im Handkehrum fertig und schon wieder auf demselben Wege verschwunden war. Und so wenig Futter brauchte der kleine Knecht, daß alle sagten, bei so viel Vieh hätten sie noch nie so wenig Futter gebraucht.

Da hätten die Sennen dem Männlein auch gern einen rechten Lohn gegeben, aber sie wußten nicht recht was, bis einer meinte, des Wichtes Kleidlein sei ganz zerrissen und zerschlissen und voller Löcher, so viel als Halme im Heu. Ein neues Gewändlein sei wohl der beste Lohn. So ließen sie ihm denn ein niedliches Sennenkleidlein anfertigen und legten es ihm in den Stall. Kaum sah der Zwerg das Kleid, da zog er's an und rief:

«J hübsch, hübsch Ma,
Nüwi Hosa ha,
nüws Tschöpli a!
Nüt meh fuettere cha
I furt goh,
J nümma cho!»

Und seither ist er fortgeblieben.


Der Geißler von Klosters

Unweit Klosters hauste einst ein Fänggenmannli. Es hieß überall der Geißler. Denn schon länger als die ältesten Männer gedenken konnten, hatte er der Gemeinde um einen geringen Lohn an Ziger und Käse die Geißen gehütet. Gerne gaben ihm die Leute diesen Lohn, denn die Ziegen kamen alle Abend so voll und feiß heim und gaben



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so viel Milch, daß man am Ende des Jahres ganze Wagenladungen voll Käse verkaufen konnte.

Alle Morgen früh trieben ihm die Dörfler ihre Geißen bis zu einem Felsblock draußen vor dem Dorf, dem Geißlerstein. Dort wartete schon das Männlein, schwang seinen Stecken und trieb sie weiter auf die Weide. Man wußte aber nicht wohin. Und abends, wenn die Sonne zu Gold ging, waren sie alle wieder mit strotzendem Euter fröhlich meckernd beim Steine. Eines aber war sonderbar: Der Geißler redete wohl mit den Ziegen; die verstanden ihn und folgten ihm aufs Wort. Nur mit den Menschen sprach er nie ein einziges Wort. Stumm übernahm er morgens die Tiere in seine Hut, stumm lieferte er sie abends wieder ab, stumm kam er jeden Herbst am Zahltag zum Steinblock und nahm Käse und Ziger entgegen, die man ihm gleichfalls stumm hinlegen mußte.

Dieses ewige Stummtun verdroß endlich die Leute. Einige vorwitzige Burschen verabredeten, wie sie ihn fangen und zum Reden



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bringen möchten. Sie versteckten sich eines Abends hinter dem Geißlerstein und sprangen, als er nahe genug war, vereint auf ihn los. Doch das Männlein warf mit wenigen starken Stößen den einen dahin und den andern dorthin. Als sie sämtlich am Boden lagen und stöhnend und schimpfend ihre Glieder zusammenlasen, eilte er wie der Wind dem nahen Walde zu, ohne daß er ein Wort gesagt hätte.

Andern Tags trieben die Leute ihre Ziegen wiederum zum Steine. Der Geißler war heute nicht da. Sie warteten und warteten, der Geißler kam nicht. Da machten sie aus, daß diejenigen, welche ihm Gewalt angetan hätten, jetzt statt seiner die Geißen hüten sollten. So geschah es. Aber, o heia, die Ziegen brachten nicht halb so viel Milch mehr heim. Und nach einer Weile beschlossen die älteren Bauern, die Gemeinde müsse den Geißler versöhnen und ihm etliche Käse und Ziger als Schmerzensgeld auf den Stein legen. Das war ein guter Rat. Er holte die Ziegen wieder wie sonst, und bald kamen die Tiere wieder wohlgeweidet und milchreich heim. Nur mußten die Bauern von nun an stets die doppelte Anzahl Käse und Ziger als Lohn dem Geißler erlegen.

Aber jene Burschen wollten's nicht aufgeben und hätten mit dem Geißler gerne noch einmal angebunden. Da sie aber wußten, wie stark und flink er war, so versuchten sie es diesmal mit List. Das Männlein hatte nämlich die Gewohnheit, alle Abend aus dem kleinen Brünnlein zu trinken, das zunächst dem Steine war. Hinter dem Rücken der Dorfgenossen sammelten die Burschen heimlich manche Maß Kirschwasser und füllten an einem heißen Sommertage das ganze Brünnlein damit. Als nun der Geißler wie gewöhnlich trinken kam, schöpfte er mit der hohlen Hand. Aber befremdet durch den andern Geschmack des Wassers trank er nicht fort wie sonst, sondern versuchte es nur mit einigen Schlucken. Doch bald behagte ihm der Kirschgeist, denn jetzt bückte er sich über das Brünnlein und trank in vollen Zügen. Alsbald berauscht, taumelte er und fiel machtlos um. Da sprangen die Burschen



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aus ihrem Versteck hervor, banden ihn mit Weiden und Seilen und trugen ihn ins Dorf hinein in eine leere Kammer. Fest verschlossen sie die Tür, und zwei stellten sich als Wache davor. Sie wollten bis zum Morgen warten, wenn der Geißler seinen Nebel ausgeschlafen hätte. Aber um Mitternacht erhob sich in der Kammer ein solches Poltern und Holtern, daß das ganze Haus schwankte und wankte. Und plötzlich ging der Kreuzstock in Trümmer, und heraus stürzte der Geißler, und schon war er außerhalb des Dorfes, und man sah ihn, mehr fliegend als laufend, durch die Wiesen schnellen und im Wald verschwinden.

Als die Dörfler am andern Morgen ihre Ziegen austrieben, saß der Geißler nicht auf seinem Stein, und er ist auch nicht wieder gekommen, als sie ihm den alten und dann den verdoppelten Lohn an Ziger und Käse hinlegten. Seitdem müssen die Bauern von Klosters einen eigenen Hirten halten und ihm schier mehr an Hutgeld bezahlen, als sie aus der Milch lösen, die alle ihre Ziegen zusammen geben.


Zelli vom Hewzwergli

Das chas schon no gään, daß s wenig Hew gid, und daß d Härepfla nid graaten. Hingägen weiß mu den hitige Tags nimmeh vo tyre Zyte wie friejer, wa d Änigroosa die gärstige Chueheni no sälber bachen hed. Das lieds denn eppa dick ggään, daß ds Veh, wes friej in Uustagen nimmeh hein in der Schur ghäben, mit Strou u Chriis ghirted hein. Sust hed mu den o gseid, da beige Zwärgleni ne ds Veh versorged. Richtig lieds es o scho troffen, daß sie de Tallyten hein Hew bättled, we s eppa oben dyr ghewed hein.

Da syg wyt hinter Itramen uehi newan o eis es Mandli am hewe gsyn. Wan er si eis umsehn heig, wie ds Wätter welli, steid es Zwärgli in er Zottelchappe vor mu zuehi u fräägd neu um nes Aawärd Hew. Der



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Puur hed das Zwärgli gmustred; ud duo där Hellwischer nid greeser ist gsy wan es achtjährigs Biebi, hed er sen glached u seid zue mu: «Was (liii einer Fert furt bringst, magst han!» das wä dua tien an dem Zwärgli breichds gsyn! Das syg i d Schiir uehi, un nid tiber lang heigs den hindrigsten Bitz zem Gibel usa ghäben. Wa ys s Mandli gsehn hed, daß das Zwärgli das Hew ails in eis Pulggi ladet, ist mu schier gschmuechd worden. Und är seid eimal zue titti: «Ja, sevel han i denn nid gmeind, daß d nähmist! Wenn das aso soll gan, su mag i denn mid dem Hewli schlächtli zsämen!» Aber das Zwärgli hed gmeind, är selli jetz das aso lan graaten. Wenn är denn ails verhirteds heig, su seil er si de la merken. Flugs druf lieds Zwärgli syn Burdi gladni ghäben und ist darmid hinder Wald und Hubel vergold ggangen.

Es ist e struuba, lenga Winter in ys s Teiti choon. U scho lang vor Uustagen hed ysa Puur das Hew bis uf e Tilisoller ahi gsetzts ghäben. Är lied mu von Ersti a vellig nyd gwißd ztuen. Und wail er aber eis



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aso gschlagna im Stallsgibel gstotzt ist, chunnd nähern Schiirgwätt ds Zwärgli firha u seid: är seil ds Veh numman ihm avertruwen. Wenn är, der Puur, jetz all Tag chem ga mache wie sust: gan hirten, wie we ds Veh im Stall wä, wen är derglyhe tiej z mälhe, z miste, ztreihen u ds Hew ahazstoßen, un wen er byn allem däm nid fluehi, su seil sym Vehli nyd gschehn.

Das hed mus chennen! u ds Zwärgli ist mit der Trybete Veh zer Pengellicken uf, und der Puur hed mu nagsehn, bis das er nimmeh gsehn u gheerd lied. Aber gagen Uustagen anhi, was sunnenhalb hed agfangen äberren, ist ysem Itramer das Hirten in läre Stall eis lengs gnueg gsyn. Är lied agfangen an däm Gschäft duurhaftig wärden. U wan er eimal aber eis vor nein Baarniloch zuehi ist am mälhe gsyn, hed er agfange fluchen, ei Zeisi in die ander inhi.

D Stallstiir ist offeni gsyn. U flugs druuf lieds neu tuuchd, är gcheeri sy Chlopfa. Är ist i Stallsgibel gsprungen und lied däm Zyg glosd. Zerstist is s gsyn, as ob är die Chlopfa ganz nein undrem Eiger gcheerti. Aber es hed ne tuuchd, sie chemen geng biier und biier, un es chlys Rastli Daina ist mu gsyn, die Chlopfa chem gäge Wald uberha. U wie s anha gsyn ist, lied er d Gloggi all u zsäme gcheerd. Dem Glyt na lied das numma sys Veh chenne syn. Wan är die ganz Tryheta gsehd us ein Wald usa gag sy Schur uehi choon, hed mu afaan unheimli wärden. Är lied e jeihi Chueli ganz gued chennen us em Zug usa bchennen. Sie sy scheennu u feißtu gsyn, wien är no keinu nie gsehn u ghäben hed! Un näb ner jelhen ist es chlys hibsches Chälbschi ggangen. Uf der hindristen ist ds Zwärgli gsässen. Un wa s sy vor der Schur gsyn, lieds zem Puur gseid: Hättist nid gfluehed, su hätt i der ds Veh lenger bhäben, ud der leste Chueh wä nyd gschehn.

Darmid ist ds Zwärgli niena meh gsyn. Aber an der Chueh, wa der Puur bym Fluehen grad hed gmolchni ghäben, syn numman no drii Striche gsyn.



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Der kleine Heuer

Allemal wenn auf Tableten Heuet war, kam von der Fluh ein Bergmännlein auf die Matten herab und half den Leuten das Heu schöcheln, bündeln und in die Scheune tragen. Hing gar ein Unwetter am Himmel und alles arbeitete wie letz, um das Heu noch vor den ersten Tropfen einzubringen, alsdann erschien der Wicht mit zwei Haselzwicken, ging hinaus ins verzettelte Heu oder Emd und schlug mit seinen Ruten gewaltig um sich. Alsgemach erhub sich das Heu vom Boden und fing an, immer schneller und schneller im Wirbel zu kreisen und bewegte sich geradeswegs auf den Gaden zu und schnützte zuletzt, wie vom Sturmwind getrieben, auf allen Seiten zu den Schwemmen hinein, während hinterdrein das Männlein aus Leibeskräften mit seinem Stecken unablässig auf das fliegende Heu losschlug. So kam das Heu im Nu noch trocken unter Dach.

Die Leute auf dem Hof hießen das Männlein, immer wenn es kam, zusitzen, und es hielt wacker mit. Nur wollte es nie mit den Leuten bei Tische sitzen, stets saß es für sich allein auf der Ofenbank. Einmal aber bestrich ein mutwilliger Knecht, der sich darüber ärgerte,



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des Männleins Platz auf der Chust mit Baumharz, so daß es kleben blieb und sich die Hosen abschuß, als es aufstand.

Seither ist der kleine Heuer ausgeblieben, und die Leute müssen allein fertig werden, und oft genug ist ihnen das Heu im Regen schwarz geworden.


Der Lehenszins

Ein hablicher Bauer aus Giswyl war mit seinen dreißig loben Kühen ins Iwi zu Berg gefahren. Wie er nun mit dem Senntum im Vorsaß war, kam eines Tages ein Männlein mit langem weißen Bart und einem uralten Gesicht vom Giswylerstock herunter. Zwei Fuß hoch nur war es und hatte ein graues Gewändlein an, und auf dem Kopf trug es ein rotes Lederkäppchen, ein Lecktäschli mit Viehsalz gefüllt über die Achsel herunter, in der Hand einen Hirtenstock. Gar freundlich grüßte der Zwerg, und gar schön hat er den Bauern, ihm doch eine Kuh auf den Sommer zum Lehen zu geben. Der Bauer, der das seltsame Männlein nie gesehen hatte, mochte der Sache nur halb trauen und schüttelte bedenklich den Kopf. Als aber das Mannli nicht nachließ zu bitten und zu betteln, da fiel es ihm ein, er habe ja noch ein mageres Kühlein, ein rechtes Blag, das schon den ganzen Frühling herumgeserbelt und bis zum Herbste wohl ohnehin umstehen werde. Um dieses Haupt sei es am Ende nicht schade, meinte der Bauer, auch wenn er es nie mehr zu sehen bekomme. Also solle das Männlein das sieche Viehlein haben, nur die Schelle wolle er ihm noch vorher abziehen, denn die Glocke deuchte ihn schier mehr wert als die Kuh. Als aber das Männlein gar bittlich flehte, er solle ihm doch die Kuh mitsamt der Schelle lassen, da willigte der Bauer schließlich ein, und wegen des Zinses, meinte er, so solle er's halten, wie er's dann eben machen könne. Auf Sankt Michaels Tag aber müsse er ihm die Kuh pünktlich wieder bringen.



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So war denn der Handel gemacht, und das Männlein nahm die Kuh und zog mit ihr fort, und hell erklang das Schelli noch eine Weile, dann immer ferner und ferner, und aufsmal war das Männlein mit dem Tiere in einer Wand verschwunden, wo sonst niemand hindurchkommen konnte alleinig, und schon gar nicht mit einer Kuh. Der Bauer blickte der Kuh nach und dachte: «Das Kuehli seh ich gläublich so wenig wieder wie das Mannli» und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Aber als er bald darauf einmal zum Giswylerstock hinaufschaute, da sah er weit weit oben am Berg auf den Gemsenplätzen sein mageres Kühlem munter weiden, und jetzt gab er die Kuh erst recht verloren. Denn dort oben vermochten grad eben noch Gemsen zu weiden. Alles andere Vieh mußte über die Wände herab zu Tode fallen.

Um eine Weile fuhr der Bauer höher zu Berg auf die obern Staffeln und vergaß bald den ganzen Handel. Doch sonderbar, den ganzen langen Sommer ging es ihm glückhaft gut. Sein Vieh ward rund und glänzend wie noch nie in früheren Jahren, während andere Alpen von allerhand Seuchen heimgesucht waren, also daß die Kühe gegen den Herbst die Haare stellten, als ob sie beim Bürstenbinder gesömmert worden.

Alsgemach ward es Herbst, der Bauer war von der Hochalp wieder ins Vorsaß herab gefahren, und die Kühe käuten das saftige Herbstgras. Am Sant Michels Tag saß der Bauer vor seiner Hütte und klopfte eben seine Pfeife aus. Da hörte er aufsmal eine Kuhschelle läuten, die gab einen sonderlich schönen Klang, und da kam auch schon das Männlein mit dem weißen Barte daher, an der Hand führte es die Kuh. Die glänzte wie Seide an der Sonne und war noch viel schöner als die andern Kühe des Senntums. «Hier bringe ich dir die Kuli zurück», sprach das Männlein, «die du mir in Verding gegeben für den Sommer, und dann möchte ich grad fragen, wieviel Zins ich dir schulde.» Der Bauer machte Augen wie Pflugsräder und wollte



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gar nicht glauben, daß diese glatte, feiße Kuh mit dem strotzenden Euter sein elendes, mageres Hungerkühlein sein sollte, das er dem Männlein im Frühling in Pacht gegeben. «Zins will ich keinen Rappen», sprach er endlich, «komm übers Jahr im andern Sommer wieder und hol dir eine neue Kuh, wenn du willst, und ich zahl dir noch drauf.» Doch das Männlein antwortete, es brauche gewißlich nie mehr eine Kuh, da es jetzt für sein ganzes Leben Milch und Käse genug habe. Und es gab dem Bauer ein Bratkäsli. Das solle er nur nie ganz aufessen, dann habe er immer Käse, so lang er lebe. Da lachte der Bauer und meinte, ja, ja, das wolle er glauben. Aber das Mannli lüpfte sein Käpplein und rief: «Thio und liog!» und damit eilte es geschwind wie ein Gemslein den Hang hinauf, dem Giswylerstock zu.

Gen Abend ging der Bauer heim, um seiner Frau den Kram des seltsamen Sennen zu bringen, und als sie zum Nachtessen davon aßen, dünkte es sie gar fürnehm im Geschmack. Da versorgten sie das Käs



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lein jeweilen gar gut und gaben den Nachbarn auch dann und wann davon zu kosten; und allemal, wenn man das Käslein wieder hervornahm, war es ganz wie zuvor.

Das ging wohl zwei Jahre lang so fort. Aber eines Tages hatte unser Bauer Schneider und Schuhmacher auf der Stör, und als er ihnen das Käslein zum z Vieri vorsetzte, mundete es ihnen so gut, daß sie es rupis stupis aufaßen, ohne daß der Bauer es gerade gewahrte. Da aber ward er gewaltig zornig, aber jetzt konnte das Käslein nicht mehr wachsen, wie sehr er auch fluchte und schwor.


Die Fänggin Madrisa

Ein Jungknab von Saas fütterte eines Winters auf dem Bergsäß oberhalb des Dorfes seines Vaters Vieh. Da lange Zeit keine Kunde von dem Sohn kam, machte sich der Vater auf und ging nach der Alp,



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um nachzuschauen, ob ihm vielleicht etwas zugestoßen sei. Er traf den Sohn gerade beim Käsen. Aber wie mußte er staunen über die reiche Fülle von Milch, Butter und Käse, und das Vieh war glatt und glänzend wie selten im Herbst nach einem guten Sommer. Und überdies war der Futtervorrat kaum angebraucht. Das nahm den Alten wunder. «Das hat die Madrisa getan», sagte der Sohn, «die hat mir geholfen, die Habe füttern. Gute Wurzeln und Kräutlein tut sie ins Futter; drum ist das Vieh so prächtig und sind der Molken so viel.» Und er deutete auf das Heulager in der Ecke. Darauf lag ein schönes wildes Mädchen und schlief, und seine langen goldenen Haarflechten hingen über die Lade heraus. Ab den Worten erwachte das Mädchen, erhob sich vom Lager und sprach zu dein Vater: «Ach, warum bist du gekommen? Wäre ich unerkannt geblieben, dein Sohn und ich hätten das Vieh hier gefüttert bis zum Frühling. So aber kann ich nicht länger bleiben. Nun muß ich zurück in Wald und Fels. Leb wohl, Job!» Und schon schwebte sie mit leichten Schritten über den Schnee den Felsnossen zu, die noch heute nach ihrem Namen heißen.


Wildrnannlis schlecht Wetter

Auf dem Waldhoden oberhalb Haldenstein hatte ein Bauer seinen Maiensäß. In einer Höhle unweit davon hauste ein Wildmannli. Das half mitunter beim Füttern und Melken aus, wenn der Mann einmal nicht zur Zeit da war, weil er krank lag oder Geschäfte hatte. Einmal schneite es so stark, daß der Bauer nicht wagte, hinaufzugehen, und so blieb er vier Tage drunten im Tal und meinte, das Wildmannli werde ihm das Vieh, wie so oft schon, aufs beste besorgen. Am Abend des vierten Tages war der Himmel noch ganz bedeckt, am Morgen hell, der Föhn ging, und es taute, daß es troff. Ungesäumt



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machte der Mann sich nach dem Waldboden auf; aber wie er in den Stall trat, da war alles bös bestellt. Das Vieh brüllte vor Hunger und hatte die Barren angekerft, die Kühe waren nicht gemolken und hatten bresch, gemistet war auch nicht, nichts war besorgt. Knurrend und murrend machte sich der Bauer an die Arbeit und hatte vollauf zu tun, um allen Schaden gut zu machen.

Aber nach einigen Tagen, da kam der Fängg wieder wie sonst in den Stall und machte sich dort zu schaffen. Da schalt ihn der Bauer und sprach: «Gell, allawyl in myn Stall go hogga, das tuast! Aber für mi Vehli luaga, wia versprocha liest, das magst fit!» Da antwortete das Männlein:

«Wenn alh Wetter Wetter sind,
Das leidist Wetter ist der Wind!»


Das Gernskäslein

In der Trockenhöhle oberhalb Camana in Safien hauste vor Zeiten ein Fänggenmannli. Es hatte dort eine recht hübsche Gemsenkäserei sich eingerichtet. Zweihundert der schönsten Gemslein weideten ihm an den Bergen; die hatte es selbst gezähmt, so daß sie morgens und abends von selbst in die Höhle kamen und sich melken ließen.

Ein armes einäugiges Büblein des Tales, das den Bauern die Geißen hütete, fand einmal die Höhle, und fortan suchte es bei schlechtem Wetter darin Obdach, und obendrein gab's dort gar gute Speise. Denn das Fänggenmannli fand Gefallen an dem Kind und gab ihm von seinen Käslein zu essen, soviel es nur wollte. So süß seien die Gemskäslein, daß sie einem im Munde zergehen, sagte der Buh einmal seinem großen Bruder. Der wollte aber gleich wissen, wie diese denn bereitet würden. «Das weiß das wilde Mannli allein, und es ist sein Geheimnis», antwortete das Hirtli, «allemal, wenn das Käsen angeht,



Vo Chline Luete-041. Flip

muß ich unter einen Haufen Heidekraut mich verkriechen, und dann singt das Mannli: Einäuglein, schlaf ein! Und wach ich wieder auf, so ist das Käslein jedesmal bereits fertig.»

Aber der Bruder war bös und hinterlistig, und als er dies vernommen, zwang er den Buben, mit ihm die Kleider zu tauschen, und ging darauf, mit dem Gewändlein des Bruders angetan, selbst in die Höhle des wilden Mannlis und setzte sich aufs Heidekraut im Winkel.

In der Höhle sah es recht sauber aus: frisches Heidekraut lag auf dem Boden ausgebreitet, ringsum auf einem Steingesims standen kleine Gebsen aus Tannenholz, die mit Gemsenmilch angefüllt waren. Aber Kessel und Herd waren nirgends zu sehen.

Das wilde Mannli hielt den Buben für sein liebes Einäuglein und hieß ihn wie gewohnt unter das Heidekraut kriechen und sang: «Einäuglein, schlaf ein!» Der schlaue Schelm aber schloß das eine Auge zu und guckte mit dem andern scharf unter dem Heidekraut hervor, damit er das Mannli belaure bei seinem Tun. Als aber das Mannli das offene Auge gewahr wurde, da merkte es den Trug, und es geriet gar sehr in Zorn und warf die Gebsen mitsamt der Milch dem Buben an den Kopf. Dann verließ es mit seinen Gemsen die Höhle und ward nie mehr gesehen.



Vo Chline Luete-042. Flip


Das Geheimnis des Bergmännleins

Auf einer Alp kam eines Morgens ein Wildmannli von den Gräten zur Hütte herunter und half dem Sennen den ganzen Sommer ungeheißen bei der Arbeit. Es molk die Kühe, trug den Mist aus, reinigte das Vieh und trieb es auf die Weide. Der Senn hatte Freude an dem kleinen Knecht und tat ihm zuliebe, was er nur konnte. Allemal, wenn das Mannli von der Weide zurückkam, stellte er ihm einen großen Napf Rahmmus auf, und das aß der Wicht mit solcher Lust, daß ihm das Schmalz von den Lefzen troff. Und auch das Mannli war dem Sennen zugetan.

Als es gegen den Herbst ging, da man zu Tal fahren sollte, sprach das Mannli: «Heut laß mich einmal käsen, schau mir zu, aber sprich kein Wort, bis ich fertig bin.» Der Senn ließ das Mannli machen, saß auf einen Melkstuhl und schaute ihm zu. Das Mannli machte alles nach der Ordnung und zuletzt, als es nach der Meinung des Sennen fertig war, stellte es den Kessel mit Schotte wieder über das Feuer und schickte sich an, von neuem zu hantieren. Der Senn fing an zu lachen und sprach: «Ei der tausend, willst du am End gar aus der Schotte noch einmal käsen?» Da legte das Männlein die Kelle beiseite und sagte:

«Wenn d nüt weißt,
so seist,


Vo Chline Luete-043. Flip

J us der Schotte meh Anke gmacht,
As du usem Nidel use bracht.»
Und eilte fort und ließ sich nie wieder sehen. Hätte der Senne still
geschwiegen, dann hätte das Männlein ihm gezeigt, wie man aus der
Schotte Gold machen kann.


Wie die Sennen das Süßkäsen lernten

Vor alten Zeiten wußten die Sennen noch keinen süßen Käse zu bereiten. Das verstanden nur die wilden Mannli, die Fänggen. Einmal war ein wildes Fänggenmannli gut Freund mit dem Sennen auf dem Maiensäß von Schuders; es half ihm das Vieh hirten, melken und heuen. Und der Senn teilte mit ihm, was er selber hatte. Eines Abends sagte der Senn, morgen müsse er mit dem Anken zu den Seinigen ins Dorf hinunter gehen, und er bat das Mannli, es möge doch für ihn das Vieh gaumen und käsen. Das gefiel dem Fänggen gar wohl, denn schon lange hätte er sich dem Sennen gern dankbar erwiesen. Der Senn ging also ins Dorf, und das Mannli machte sich ans Käsen. Wie erstaunte aber der Senn, als er am Abend heimgekehrt war und den Käse kostete, den das Fänggenmannli bereitet hatte. So süß und lind schmeckte der wie frische Butter und gelber war er als das Ei.

Gar zu gerne hätte nun der Senn gewußt, wie man solchen Käse mache, aber der Fängg wollte ihm sein Geheimnis um nichts in der Welt verraten. Da dachte der Senn: Nun, gut Ding will Weile haben, und List ist allemal besser als Gewalt. Und als nach einigen Wochen der Fängg wieder einmal wie gewohnt in die Hütte trat, sagte der Mann: «Du, jetzt kan i denn au süeß käsa.» — «Häst süeßa Käs gmacht, so häst au Maga gha», rief eifrig der Fängg. Nun hatte der



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Senn das Geheimnis ergründet. Und er tötete Gibeli, die Geiß, nahm den Magen und tat ihn in die Milch als Lab, so daß sie gerann, ohne mehr sauer zu werden. Und fortan machte er den besten süßen Käse. Als aber das Fänggenmannli die List merkte, da ward es dem Sennen gram und ist nie mehr zu ihm gekommen.


Das Bergmännlein

In Untervaz lebte einmal ein gar armer Mann. Er hatte ein Weib und fünf kleine Kinder zu ernähren, aber er hatte nur ein mageres Äckerlein und ein spärliches Mätteli. Eine baufällige Hütte, durch deren Klaffen und Klunsen der Wind pfiff, war sein Haus, und in einem elenden Ställi meckerte ein einziges Geißlein.

Eines Abends, als der Geißbub eintrieb, kam die Geiß nicht mit der Herde, und der Hirtenbub wußte nicht, was aus ihr geworden. Vielleicht hatte ein Lämmergeier sie geraubt und seinen Jungen ins Felsennest getragen. Dem Manne brach schier das Herz, daß seine Kinder keine Milch mehr haben sollten, und die Kinder weinten. «Seid nur still und geht zu Bett», sagte der Vater, «ich will morgen auf die Weide gehen und nach dem Muttli suchen.»

Vor Tag und Tau machte der Bauer sich auf und stieg bergan; er suchte von Tal zu Tobel, von Grat zu Grund, und so verging der Tag, ohne daß er das gute Tier gefunden hätte. Hungrig, durstig und todmüde, legte er sich unter eine Fluh, um dort auszuruhen, ehe er sich auf den Heimweg machte.

Wie er so dalag und sich in seiner Sorge schier hintersann, da sanken ihm die schweren Augenlider zu, und er schlief ein. Und da war ihm im Traum, als sehe er ein Männlein daherkommen, in ein weites, grünes Mäntelein gehüllt, auf dem Kopf ein spitzes, rotes Käpplein.



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An der Hand aber führte es sein verlorenes Muttli. Aber das sah ganz fremdartig aus, so daß er's fast nicht erkannte, denn es war über und über mit Schneckenhäuslein und Muschelschalen behängt. Das Männlein aber nickte ihm freundlich zu, breitete ein Tüchlein aus Bergflachs vor ihm aus, legte ganz kleine, weiße Gemskäslein darauf und stellte eine leuchtende Kristallschale dazu.

Und im selben ward der Bauer aus dem Schlafe geweckt von einem seltsam klingenden, singenden Ton, der vorüberschwebte. Erschrocken fuhr er auf, rieb sich die Augen und blickte um sich, und siehe, da stand die Geiß leibhaftig vor ihm, äugte mit großen blanken Augen ihn an, meckerte vor Freude und schüttelte sich und rüttelte sich, so daß die Schneckenhäuslein und Muschelschalen durcheinander klapperten und klipperten. Und da lag auch das schneeweiße Flachstüchlein im Grase ausgebreitet, und darauf auch die Käslein und die Kristallschale, angefüllt mit frischer Gemsmilch.

Außer sich vor Freude, streichelte und herzte der arme Mann das Geißlein, dann nahm er die Schale, trank die Gemsmilch, aß nach Herzenslust von den schönen Käslein auf dem Tuch. Und eben wollte er sich mit der Geiß auf den Heimweg machen, da trat plötzlich das



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Männlein, das er im Traume gesehen, vor ihn in dem grünen Mäntelein und dem roten, spitzen Hütlein und sprach: «Guter Mann, hab Sorg zu den Schneckenhäuslein und Muscheln, welche die Geiß an sich trägt und was sonst noch in ihrem Fell steckt. Lös daheim alles ai) und laß es die Nacht über in dem weißen Tüchlein auf dem Tische liegen, und was du am Morgen findest, das wäge alles, laß es wohl schätzen nach seinem Wert, verkauf davon, was du willst, und halte gut und weislich Haus mit dem Erlös. Das Tüchlein aber und die Schale bewahre wohl und gib sie niemandem, und hältst du einst Haus im eigenen Hof und fährst hinauf in dein Maiensäß, dann vergiß nicht, alle Abend das Tüchlein auf ein Tischlein zu breiten vor der Hütte und die Schale mit frischem Nidel draufzustellen. Doch hüte dich wohl, je danach zu spähen, wer den Rahm trinkt. Tust du nach meinem Rat, wird immerfort Glück und Segen bei dir sein.» Mit diesen Worten war das Männlein geschwind wie der Wind verschwunden, so wie es gekommen.

Der Mann glaubte noch immer, er sei im Traum, als ihm schon die Kinder entgegensprangen und vor Freude jauchzten und jubelten, daß ihr liebes Muttli wieder da sei.

Sorgfältig las er dem Tiere die Schneckenhäuslein und Muschelschalen ab dem Fell und tat damit, wie ihn das Männlein geheißen. Und was meint ihr, was er am Morgen auf dem Tüchlein fand? Lauter Gold und Silber, und die Kügelein, die in den Haaren der Geiß gesteckt hatten, waren zu lauter glänzenden Perlen und funkelnden Edelsteinen geworden. Von Gold und Silber hatte der Arme schon sagen hören, aber von Perlen und Edelsteinen noch nie ein Wörtlein vernommen. Und so kannte er sich nicht aus in solchen Sachen. Drum ließ er den alten Jos kommen, der schon weit in der Welt herumgekommen war und mehr konnte als andere Leute. Der tat ihm kund, was der gewonnene Schatz in Wahrheit wert war, und ging mit ihm



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zu einem Goldschmied. Dem zeigten sie ein paar Stücklein zur Probe, und der Meister kaufte ihm den ganzen Schatz ab für eine unermeßliche Summe. Aus dem Erlös kaufte der Mann ein schönes Heimwesen und Kühe und Geißen. Aber das liebste Tierlein unter der ganzen großen Herde blieb ihm doch das gute Muttli, das ihm all das Glück zugebracht. Und oben in den Bergen kaufte er das schöne Maiensäß Artaschiew. Und nicht ein Mal vergaß er, das Gebot des hilfreichen Männleins zu erfüllen. All Abend breitete er das Tüchlein auf ein Tischlein vor dem Hause und stellte die Kristallschale auf, bis zum Rande gefüllt mit dickem, weißem Nidel. Und nie hat er danach geschaut, wer wohl die Schüssel heimlich leere.

Als die Nachbarn sahen, wie der arme Hans über Nacht der reichste Mann im Tal geworden war und fortan in allem, was er an die Hand nahm, das Glück mit sich hatte, so daß ihm alles trefflich gedieh, da sprach wohl einer zum andern: «Der steht halt in Gunst und Bund mit dem Bergmännlein.» —


Der Zwerg auf Kastelenalp

Zu Kriens lag eine arme Witwe gichtkrank im Bette. Im Hause war nichts mehr zu beißen und zu brechen. Da dachte ihr Töchterlein Magdalena: Ich gehe zum reichen Vetter Klaus auf die Kastelenalp und bitt ihn, uns in dieser Not zu helfen. Aber der Klaus sagte nur: «Meinst du, ich hätte für euch geschwitzt und gespart? Da könnte jeder kommen, schaut für euch selber! Ihr könntet's auch anders haben. Ein jeder liegt, wie er sich bettet.» Mit diesen Worten stieß er das Mädchen zur Türe hinaus, ob auch am Himmel ein Wetter stand, so schwarz und bös, als hätten es sieben Hexen gleichzeitig gebraut. Magdalena sprang haldab, so schnell ihre Füße liefen. Bei



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Donner und Blitz und strömendem Regen kam sie weiter unten am Berg zur Hütte des armen Alois, der schon lange ihr Liebster war. Der nahm sie auf und tröstete sie. Und als der Regen vorüber war, gab er ihr für die Mutter das einzige Geißkäslein mit, das er selbst noch hatte. Auf dem nassen Grase glitschte Magdalena aus und ließ das Käslein fallen. In hohen Sprüngen fuhr es unaufhaltsam in die Tiefe von Wand zu Gand. Magdalena suchte und suchte, und drüber ward es Abend und finstere Nacht. Auf einmal faßte sie im Dunkel etwas leise an der Hand. Vor Schrecken stand ihr fast das
Herz still. \Vie sie hinsah, stand vor ihr ein Zwerglein, grau und winzig klein, ein spitzes Hütlein auf dem Kopf. Auf der Schulter trug es ein Stück vom verlorenen Käse, in der Hand hielt es ein Sträußlein Kräuter. «Hab keine Angst», sprach es, «ich habe wohl gesehen, wie du heute beim Alois geweint hast. Da nimm diese Kräuter, sie werden deine Mutter heilen. Und hier ist ein Stück von deinem Käse wieder. Jetzt aber geh hübsch behutsam heim und meide die Sprünge.» Ehe Magdalena den Mund auftun konnte, um zu danken, war das Männlein verschwunden, als wär' es im Boden versunken.

Magdalena kam glücklich heim. Die Mutter wurde von den Kräutern alsbald gesund. Das Stücklein Käse aber war auf dem Wege zu



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purem Gold geworden, und so kaufte sie dem Alois davon die Bründleralp und wurde seine Frau. Sie haben noch lange Haus gehalten miteinander, und Glück und Segen war immer mit ihnen.

Die Kastelenalp aber war im Unwetter jenes Tages von einer Rüfe verschüt tet worden. Der reiche Vettergötti Klaus zog seither mit einem zerschlagenen Fuße bettelnd im Lande umher und bat von Haus zu Haus um Almosen und Wegzehrung und ein Obdach zur Nacht für ein Vergeltsgott bis an sein baldes Ende.


S Bergmannli am Giswylerstock

Am Giswyler Stock obä, in ärä Alp -i weiß hirn äiker der Narnä iii nih — da isch einisch ä son äs chlys Mandli mi Hittä cho und hed vo dä Senna ä chly Milch wella; disi händ äm s gä. Uf das hi chunts mängisch und hed allig für dMilch bim Chäsä und Vehhiätä ghulfä. Aber dä chly Chrettier, dä lieds besser rnegä als din.

Enit, das Ding isch guäd gsy, dä chly Fetzel isch Tag für Tag cho, und d Buirä hend ä lengär si meh Milch übercho, und wenn s hend miäßä härghäiwä, so isch ds chly Mandli eifach uisä gstandä, lied ä Steckä gnu und ds Häi vor em anä gjagt. Nur wenn de der Fehn cho isch, da heigs de sich niina fürägla. — Jä, wissid är de fit, daß der Wind ihnä ds Marg i dä Bäinä trechnet?

Und duä isch einisch ä jungä Senn uf cl Alp chou, und dä hed ai \vella im Bergmandli ä Streich spilä. Duä hends de i der Hittä ä Suiffitrog gha und dä isch de mid Lädä überdeckt gsy. I )et druif isch de allig das Mandli ghocket. Enit, das Ding isch gui d gsy: der jung



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Fink hed einisch, wo der Chly fort gsy isch, a äim Ort dursaget und nachhär mit Dräck wieder uberstrichä, daß mä s nid gmerkt hed. Am Abed chunt der Chly und setzt si wieder a diä Stell ufern Suiffitrog. Aber chuim isch är da gsässä, so plätschts und är ghyid i diä grai Suiffi abä. Duä hend ahi afä lachä und hend ihn Fräid dra gha. Ds Mandli aber isch fort und isch dänn niämeh cho.

Es Jahr druif aber isch dä jung Bursch am glychä Tag i der glychä Hittä ganz plötzli gstorbä. D Lit, wo derbiä gsy sind, hend gseid, äs syg äs chlys, fürigs Mandli erschinä und heig nur gseid: «Chul los, i muäß mit dier eppis redä!» und uf das hi syg är gstorbä.


Die geschlachtete Kuh

Ein Bauer ab dem Guggisberg kam einst spät im Herbst, als schon alles Vieh wieder im Tale war, mit einem Rind, das er im Simmental gekauft, den nächsten Weg über die Berge herüber. Hoch oben ereilte ihn Nacht und Nebel, und er mußte wohl oder übel in einer verlassenen Alphütte übernachten. Er stellte sein Kühlem in den Stall, streckte sich im Feuerhause aufs Lager und schlief bald wie ein Murmeltier. Mitten in der Nacht aber kamen die Wildmännlein, nahmen das Rind aus dem Stall, schlachteten es und machten sich eben daran, das Fleisch im Käskessi zu kochen und zu sieden. Von dem Lärmen erwachte der Bauer und machte große Augen ob allem, was er da sah. Doch ohne sich im mindesten von dem Manne stören zu lassen, richteten die Männlein nun das Mahl zu, trugen auf und schmausten in



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guter Lust, ja, sie baten ihn zu Gast und boten auch ihm freundlich eine Mahlzeit an. Zwar den Bauer gelüstete es gar nicht nach solchem Imbiß, aber er wagte nicht, nein zu sagen. Und so nahm er denn ein ganz kleines Stücklein von dem Fleisch. Nach dem Mahle räumten die Zwerge alles auf, packten die Überbleibsel zusammen, und fort waren sie.

Als der Bauer am Morgen erwachte und mißmutig weiter gehen wollte ohne Kuh, da deuchte es ihn seltsam, daß vor der Hütte keine Blutspuren zu sehen waren. Er trat in den Stall, um nachzusehen, ob das Tier etwa dort geschlachtet worden sei. Sein Kühlem aber stand fröhlich muhend am Barren, unversehrt; nur am einen Hinterbacken fehlte ein nußgroßes Stücklein Fleisch, gerade so viel, als er selbst in der Nacht verzehrt hatte.


Die verfluchte Milch

In der Salwyden am Sörenberg verschüttete eines Abends beim Melken der Küher einen ganzen Eimer Milch. Er stampfte vor Zorn und fluchte und schwor alle Zeichen. Da auf einmal hörte er aus einer Ecke des Stalles laut aufseufzen. Er schaute nach, ob jemand da sei, aber es war nichts zu finden. Der Knecht berichtete es dem Meister. Der schüttelte den Kopf und sagte, er solle den nächsten Abend wieder Milch ausschütten und dazu fluchen. Er selber wolle derweil in jener Ecke des Stalles lugen und losen. Wie gesagt, so getan. Und wieder



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hörten beide es deutlich seufzen. «Sag nur meiner Frau nichts», sprach der Meister zum Knecht, «denn sie sagt so schon immer, es habe Erdleutlein da herum.» Noch mehrmals ward das Seufzen vernommen. Aber man redete nicht weiter davon.

Der Sommer war vorüber, das Senntum fuhr zu Tal. Wie die letzte Kuh über die Alpmark war, nahm nach altem Brauch der Meister die Kappe ah, faltete die Hände und sprach über die Alp laut und langsam den Segen: «Walt Gott!» Da grad merkte der Knecht, daß er droben in der Hütte seine Uhr vergessen habe, und er lief zurück, sie zu holen. Wie er die Hüttentür aufstoßen will, ist sie offen und drinnen schon eine ganze Schar Erdleutlein am Käsen. Sie machten alle finstere Mienen und schauten gar nicht auf. Einzig ein uraltes Mutterli schüttelte beide Fäuste gegen ihn und rief: «Alle Milch, die ihr den Sommer über verschüttet, ist unser, aber nur die Milch, worüber kein Fluch gerufen ist. Die andere ist uns verloren. Die gute behalten wir auf, und wenn ihr fort seid, machen wir daraus unsere Käse. Die sind küstiger als eure und nehmen nie ab. Jeder Fluch von euch macht uns arm. Und jetzt mach, daß du fortkommst, wenn du noch heimkommen willst »

Der rohe Knecht, ein starker Mann, der auch den Teufel auf Stelzen nicht fürchtete, machte ein Gesicht wie die Katze, wenn's



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donnert. Aber da wuchs mit einem Schlag das Weiblein riesenhaft vor ihm empor - der Graus trieb ihm den Schopf steif wie Föhrennadeln am Wirbel auf, und es flinte ihm vor den Augen, daß er nur noch Nebel sah. Und erließ seine Uhr, wo sie war, und sprang, was er konnte, bergab. Weiß wie Kalk im Gesicht und pflotschnaß vor Schweiß holte er den Meister und die Herde ein.

Seit dem Tag war der Knecht ein stiller Mann. Er hat nicht mehr lange gelebt.


Die betrogenen Heuer

Den Leuten auf Iwi halfen die Bergmandli im Sommer heuen und im Winter das Vieh im Stall besorgen. Lohn wollten sie keinen, nur das Essen hatten sie wie die andern Leute vom Hof. Besonders lecker schmeckten ihnen Nußkerne und dürre Obstschnitze; aber über alles liebten sie frische Kirschen.

Einst traf es sich, daß die Matten gemäht waren, und das Heu sollte eingebracht werden. Aber es war so viel, daß die Kräfte nicht ausreichten. Da sandte der Meister ins Tal, damit noch einige Mädchen zu Hilfe kämen. Die kramten den Mähdern einen Korb voll saftiger Kirschen. Wie die Mädchen nun aber die Bergmandli sahen, wollten sie ihren Kratten nicht leeren, denn sie meinten, dann wären der Mäuler zu viel, und es bliebe zu wenig für ihre Schätze.

Also wurde wacker geschafft, glanzvoll schien die Sonne noch oben am Grat. Da rief auf einmal das älteste Bergmandli seinen Gespanen

«As thiot afah spätä
d Sunn ist a dä Grätä!»
Da riefen die andern im Chor zurück:


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«So miänd mier dänk gah,
se derfid d Mäitli d Chriäsi fürä lau!»
warfen Rechen und Gabel weg und sprangen wie die Gemsen bergwärts
     ihrer Höhle zu. Aber ehe noch das Heu unter Dach war, be
wölkte sich der Himmel, und bald goß der Regen in Strömen. Was draußen lag, verdarb. Von dem Tage an sind die Bergmandli nie mehr zum Heuen gekommen.


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Die Rache des Zwergleins

In einer Alphütte auf den grünen Weiden um das Lioson-Seelein hauste seit Menschengedenken ein Bergmännlein. Tag und Nacht half es den Sennen hei allen Hantierungen, und zum Lohne erhielt es jeden Morgen und Abend ein Kacheli vom fettesten Nidel.

Eines Tages mußte der Meistersenn ins Tal hinuntersteigen um verschiedener Geschäfte willen. Als er aus der Hütte ging, wandte er sich noch einmal um und rief den Kühern zu: «Und dann vergeßt mir ja nicht dem Mannli sein Teil !» Dann ging der Alte. Der Tag auf der Alp nahm seinen gewohnten Gang. Die Hirten besorgten das Vieh und die Sennen die Milch, und nach Feierabend saßen sie auf der Bank und plauderten. Vor dem Schlafengehen stach der Teufel einen der jüngsten Hirten, daß er zu einem seiner Gesellen sagte: «Was meinst du, wenn wir heute abend nichts für das Mannli auf die Seite täten, hä? Was würde wohl geschehen?» und so stellten sie ihm sein Kacheli nicht an den gewohnten Platz.

Spät in der Nacht kam der alte Meistersenn zurück. Kaum lag er auf dem Gaster, da hub ein heftiger Wind an zu wehen, und bald chutete und tutete der Sturm, als wollte die Welt untergehen. Die Hütte bebte, krachend bogen die Balken sich. Die Dachschindeln wirbelten wie dürre Blätter davon. Die alten Wettertannen knarrten und gyrten. Der Wetterluft verhudelte ihnen die Wipfel und drehte die stärksten Äste ab dem Stamm. Die Sennen lagen still und beteten. Einige weinten vor Angst. Und als der Lärm am tollsten war, da hörte der Alte aus dem Sturm eine Stimme rufen: «Pierrot, Pierrot, steh auf! Steh auf! Schleif Messer und Beil und schind und schänd!» Dann legte sich das Wetter ebenso plötzlich, wie es losgebrochen war. Alles war still, und der erste Tag schimmerte. «Wo sind die Kühe?» schrie der Meister und stürzte hinaus vor die Hütte. Keine Glocke



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tönte, kein Muhen, kein Geräusch erscholl. Die Herde war nicht mehr da. Der Alte lockte -ho loba, loba -, es regte sich nichts. Die Sennen streiften nach allen Richtungen mit ihren Knotenstöcken; aber nirgends war eine Spur von der Herde zu finden. Fluchend kam einer nach dem andern zurück. Nur der junge Hirte nicht. Er war von Halde
zu Halde gestiegen, von Fels zu Fels, war in Runsen und Tobel hinunter-und hinaufgeklommen. Er rief und lockte vergebens. Zu Tode erschöpft, mit zitternden Knien, ließ er sich ins Gras fallen. Da sieht er plötzlich neben sich im Boden die frischen Hufspuren. Er geht ihnen nach. Sie führen an den Rand eines gähnenden Abgrundes, und unten auf dem Grunde der Kluft sieht der Hirte die Herde, zerschmettert - ein blutiger Haufe. Und noch lange darnach stieß der Geier dort nieder.

Seit jenem Tage aber ist das Bergmandli auf Lioson nie mehr gesehen worden.



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Vorn Gesang der Erdleutlein

Die Bergmännlein können auch singen, so schön, wie's kein Mensch je vermöchte. Oft sitzen sie auf den steilen Nossen und singen so hell und fein aus der Höhe herab, daß die Leute unten im Tal meinen, die Engel im Himmel musizierten. Aber gar ängstlich hüten sie diese Kunst und strafen es hart, wenn einer sein Spiel damit treibt.

Ein Bauer hatte zwei Knechte, einen Melcher und einen Hirten. Der Melcher war ein stiller, sanfter Bursche, der mit seinem Viehlein umging, als wären's Menschen, und fluchte und schwur niemals. Er hatte die Heimkühe im Stall zu besorgen und das Vieh auf der Sommerweide droben auf dem Maiensäß. Täglich führte sein Weg ihn an einem alten Heustadel vorbei. Der war unbenutzt, und öfters hielten sich dorten Bergleutlein auf. Schon mehrmals hatte der Melcher sie singen hören, und lange war er gestanden und hatte zugehört. Einmal, als er auch wieder stehen blieb und ihren Weisen lauschte, da riefen sie ihn herein, damit er ihren Gesang auch aus der Nähe hören könne. Er ging hinein und durfte lange zuhören. «Sing au öppis», sprachen nach einer Weile die Männlein. «Ich cha nit singe», sagte der Melcher. «So sing mit üs», sagten die Männlein. Und der Bursche tat es, und auf einmal konnte er die schönsten Lieder singen, er wußte nicht wie. «Sing und schwyg», sagten die Männlein, als er wegging.

Am andern Morgen, als der Melcher das Vieh fütterte und die Kühe molk, da sang und jauchzte er so hell und rein, daß jedermann sich baß darob verwunderte. Sein Mitknecht, der Hirte, war auch ein lustiger Bursche und konnte singen und jodeln wie keiner im Tal und hatte davon einen Namen. Aber er war bös und roh, fluchte gottsjämmerlich, kränkte Menschen und Vieh und trieb es auch sonst gar wild und wüst. Wie nun der stille Melcher aufsmal so schön singen konnte, da meinte der Hirte gleich, das gehe nicht mit rechten Dingen



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zu. Die Leute wollten hinfort immer nur den Melcher singen hören und nie mehr den Hirten. Und wenn er wo auf dem Wege ging und sang, so ließen die Leute ihre Arbeit liegen und folgten ihm nach, und bald war sein Name in aller Mund. Und der Hirte hatte zum Schaden den Spott. Das nahm er sich zu Herzen, und er bat den Melcher, ihm doch zu sagen, wer ihn so gut singen gelehrt. Der Melcher aber verriet kein Sterbenswörtlein, und je mehr er sich weigerte, desto schöner sang er. Der Hirte aber dachte: nit nahla gwünnt, und bat und bettelte, bis der gute Melcher endlich weich wurde und ihm sein Geheimnis preisgab. Stehenden Fußes eilte der Hirte zu dem Stadel. Aber da war kein Bergmännlein zu sehen, und der Hirte konnte sich heimgeigen. Der Melcher aber wurde von dem Tag an wieder still, wie er zuvor gewesen. Er hatte Ton und Weise verloren, und ist bald danach gestorben. Er losch aus wie ein Licht, das kein Öl mehr hat.


Die Goldhöhle

Einmal jagte der junge Herr von Hohensax im Walde. Auf einmal sah er im Fels eine Höhle, die er nie zuvor bemerkt hatte. Voll Gwunder trat er ein und kam in einen langen, dunklen Gang. Er ging weiter und stand bald vor einer festen Eisentüre. Behutsam drückte er das Schloß auf, und er schaute in eine Halle, so weit und groß, daß er kein Ende sah. Und ein strahlender Glanz blendete ihm die Augen; denn alle Wände waren aus purem Gold. Hunderte von kleinen Zwerglein mit langen, weißen Bärten bis über den Gürtel, in braunen Röcken und roten Käpplein, hieben und brachen mit Hämmern und Meißeln von den Wänden ganze Brocken und Mocken Goldes. Und von den Schlägen hallte und schallte das ganze Gewölbe wie von Glockengeläute. Die Männlein trugen das Gold in Körben nach der Mitte der



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Halle. Dort stand ein mächtiger Schmelzofen. In den schütteten sie das Erz, und das flüssige Gold floß in schmalen Rinnen ab. Staunend schaute der junge Ritter den kleinen Bergleuten zu. Da mußte er plötzlich niesen, und die Zwerge schwirrten und irrten durcheinander, verstörten Ameisen gleich. Den Ritter aber packte etwas wie ein Wirbel, riß ihn fort, schleuderte ihn durch Schluft und Kluft und warf ihn zuletzt in ein Wasser. Weit, weit über sich sah er einen schwachen Lichtschimmer, aber eh er sich recht besinnen mochte, fuhr ein Wassereimer herab. Er setzte sich darauf und wurde langsam emporgezogen, und bald war er oben am Rande des uralten Sodbrunnens im Hofe seines Schlosses. Die alte Küchenmagd, die eben Wasser trug, hatte ihn heraufgehaspelt, und so sehr ist sie erschrocken, als ihr Herr dem Eimer entstieg, daß es ihr eine Weile die Rede verschlug.

Seit jener Zeit aber hat nie wieder wer die wunderbare Goldhöhle gesehen.


Das Bergrnannli im Erzloch

Am Gonzen oben in den tiefen Löchern, aus denen der kühle Wind aufsteigt, hausten die Erdmännlein. Ihre Häuser waren aus Eisen und Stahl, die Dächer von Gold und die Fenster von Silber. Im Sommer gruben und schürften sie fleißig das Erz, im Winter ruhten sie aus, saßen am Feuer und vertrieben sich die Zeit mit Geigenspiel und Pfeifengetön und allerlei Kurzweil. Sie halfen auch den Knappen, gute Adern finden und warnten sie vor Gefahr, aber nur wenn sie fein still ihre Arbeit taten, nicht schrien, johlten und fluchten.

Der Knappe Martin Hobi und sein Bruder Christian arbeiteten einmal über einem schauerlichen Schachte auf einem hölzernen Gerüst. Da kam ein Männlein, klein und ganz grau, mit einem großen, grauen Schlapphut, der ihm auf die Schultern herablampte,



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und fing an, kleine Steine nach ihnen zu werfen; anfangs ganz sachte, dann aber immer toller, so daß die Männer zuletzt von ihrem Platze weichen mußten. Kaum hatten sie das Gerüst verlassen, so brachen die Sparren krachend zusammen und stürzten holternd und polternd in den Abgrund hinunter.


Das Goldmännlein

Unweit von Sculms erhebt sich eine hohe Fluh, und mitten in den Felsen ist ein Stollen gehauen. Den bewohnte ein Bergrnännlein, und es hütete das Gold, das in dem Berge war.



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Nun lebte in Areza ein armer Mann, rechtschaffen und gottesfürchtig. Zu ihm kam einstens das Männlein und hieß ihn mitgehen, und es führte ihn tief ins Innere des Gebirges. Dort stand in einem Felsengewölhe ein großer Krug mit flüssigem Gold. Das Männlein sprach: «Da nimm aus diesem Gefäß, so oft du willst. Nur hüte dich, es jemals ganz zu leeren. Und wenn du einst zu sterben kommst, dann magst du das Geheimnis einem guten, frommen Menschen sagen, den du liebst, und der tue dann so fort, wie du getan.» Der Mann tat, wie ihn das Männlein geheißen, und bald war er weit und breit der reichste Mann geworden. Aber nie hat er die Gabe mißbraucht. Auf dem Sterbebett entdeckte er das Geheimnis seiner Tochter. Die aber trieb eines Tages die Habsucht, so daß sie den Krug bis auf den Boden leerte. Da verschwanden Gold und Krug. Der Berg schloß sich an diesem Ort, und das Bergmännlein ward von da an nicht mehr gesehen.


Das Erdmännlein und der Steinbrecher

Ein Mann hatte einen Steinbruch auf der Stolten. Er konnte es gut mit den Erdleutlein, und eines Männleins Gunst und Kunst hatte er vor allem. Eines Tages wollte es ihm beim Steinsprengen nicht recht gelingen. «Hüt wots gwüß nit grote», dachte der Mann und ließ verdrossen die Arbeit liegen und ging fort. Da wispert's und pispert's ihm im Stall aus einer Ecke zu: «Nimm numme es Tötzi Spinnhoppe und stoß sie is Loch.» Gleich klaubte der Mann Spinneweben fünf



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Finger voll im Stall zusammen, ging wieder an die Arbeit, stieß sie judas Bohrloch, und diesmal gab's einen kapitalen Schuß: wie abgeschnitten, löste sich das schönste Quaderstück vom Felsen und lag glatt und sauber vor ihm da.


Die Zwergenfrau

Die Gotwergini konnten es gut mit den Menschen. Einmal nahm ein Bauer ein Gotwergi sogar zur Frau. Aber er hatte ihr vor der Heirat versprechen müssen, daß er ihr nie widerrede. So verging manches Jahr. Eines Sommers ging das Gotwergi auf den Acker. Der Roggen war bald reif, aber noch war's zu früh zum Schneiden. Aber das Weiblein schnitt alles Getreide und trug es in den Stadel. Der Mann daheim fragte, wo es gewesen sei. «Koru geschnittu let n i.» — «Aber das ist ja no nit ripfs», sagte der Mann. (<Das versteihst dü nit. Jetz han i mit dier gniog, d Heyrat ist üs!» sprach das Gotwergi, und fort war es und wurde nie wieder gesehen. In der Nacht fiel ein starker Schnee und verdarb alles Korn, das noch auf dem Acker stand.



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Der Zwerg und der Pflüger

Ein Bauer hatte seinen Acker nahe dem Zwergenloch im Längenberg. Einmal pflügte der Mann an einem Samstagnachmittag um vier Uhr noch. Da kam ein Zwerg zu ihm auf den Acker und sprach: «Ghörsch nit lüte lüte? Worum gosch de nit hei mit dym Schiff und Gscher?» — «I han nüt ghört», antwortete der Bauer, «es lütet alben erst um sächsi

Fyrobig.» Da sagte der Zwerg: «Stand emol uf de rächt Fueß und los, öbs fit lüti.» Der Bauer tat also und hörte wirklich ein herrliches Geläute. Und fortan beschloß er sein Tagewerk jeden Samstagnachmittag schon um drei Uhr.



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Das Heidemannli in Ryken

Einmal traf ein Heidemannli einen Bauern an, der mit seinen Feldarbeiten noch weit hinterdrein war. «Gang nume, liebe Gvatter! sprach der Wicht zu ihm, «und säih hüt Rüebsome, s Zeichen isch guet, es wird scho öppis ge!» Der Bauer kannte das Mannli gar wohl, ging schnell heim und besäte einen großen Acker mit Rübsamen. Es war schon spät im Herbst. Und alle Leute lachten ihn aus; denn es war nur noch fünf Wochen Zeit für Feld- und Wieswachs. Aber der Samen kam, und dem Bauer wuchsen noch die schönsten Rüben weit und breit.


Fänggenrnannlis Rat

Zu Conters hütete ein wildes Mannli die Geißen. In das Dorf kam es nie, sondern an einem Stall oberhalb des Dorfes wartete es allemal, bis man ihm die Geißen brachte. Zum Lohn für seine Dienste gaben ihm die Leute öfters alte Schuhe und abgetragene Kleider. Der Fängg nahm die Sachen und legte sie an. Aber die Schuhe trug er an den Händen, die Hosen an den Armen.

Die Knaben von Conters hätten das Mannli gerne gefangen, denn die Fänggen konnten mehr als Brot essen und Milch trinken. Aber wie sie's auch anstellten, er war ihnen zu schnell, sie konnten ihn nicht kriegen. Da versuchten sie es mit List. Bei jenem Stall standen zwei Brunnentröge. Den einen füllten sie mit Branntwein, den andern mit rotem Wein. Als nun der Geißler des Abends zum Stalle kam, war er durstig und wollte wie gewohnt trinken. Verwundert kostete er zuerst den Wein und rief: «Röteli, Röteli, du kriegst mi nit!» Dann schlürfte er wacker von dem Branntwein; denn er meinte, es sei Wasser, weil er klar war. Da ward das Mannli taumelig, und die Burschen



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fingen es mit leichter Mühe und brachten es gebunden ins Dorf. Dort hielten sie es gefangen; denn sie hätten gar zu gern etwas von seinen Kräften und Künsten wissen mögen. Und so frägelten und förschelten sie es immer wieder aus. Endlich verhieß das Männlein ihnen einen Rat, der ihnen fürs ganze Leben wohlkommen sollte; aber zuerst müßten sie's freilassen. Da banden sie es los, und der Fängg sprach:
«Ists Wetter guot, so nimm de Tschopa mit,
Ists Wetter leid, kannst tuon, wie d Witt!»

Sprach's und entwich, schnell wie ein Gemsi, über Stock und Stein zum Wald und wurde seither nicht mehr gesehen.


Hina gits a (haiti Nacht

A mal ist a Täscher Jeger, der ou z Jag wellu het, am Abund spat in Täsch-Alpu ga schiafu. Es sygi ahi spat im Herbst gsi. Wie er z Tufle in ds Lärju Josisch Schirli het wellu ga liggu, ist da scho äs Gottwärgi gsi

und het mu gseit: «Tuo du nummu sehe yschlifu, es git de bina a chalti Nacht.» Schi sygi duo mit anandara afa teif ins Hew ambri gschliffu, aber ds Gottwärgi heigi no ails, d Scliir und Stalltirini zä-munt gitreit fer obu druf. intuit heisch duo nini nie gha. Wie duo dische guot Täscher Jeger erwachut ist und ist ga zum Lisch uslozzu, ist ds Gottwärgi ou grad lachundu dur d Alpa ufgangu und


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da um du Staful umher syg a fyne Stoß Gras afu gsi. Der guot Schnäggo het gat vam Herbst bis im Ustag gschlafu. Darum seit mu nojez: «Hina gits a chalti Nacht», we mu schi zan er gherigu Näpsetu niederleggu will.


Die Vättnerberger lernen das Holzfällen

Dia wilda Mannli sind in vicia Stugga viel gschyder gsi as ander Lüt, und d Vättnerherger hind viel vuna glehrt, under anderm au das, wia ma ds Holz feilt.

Früehjer het ma ds Holz albig nu mit der Äx gfellt. Doa sind dinn dia wilda Mannli, wyls au gär gwündrig gsi sind, chu ga zualuaga und hind mdli, wos a paar dumma Kärli zuagluagat gha hind, d Chöpf erschüttet und hind gseit: «Miar wind ni zeiga, wia ma Holz feilt.»

Am andara Tag, wias gwyset het, sa sind die wilda Mannli schu mit ara frisch gfylata Schrötersaga uf Ort und Stell gsi und hind da Berger grüaft. Nohär hind die zwei Mannli mitanand agfocht saga, und die andara hind zuagluagat. Wias as sie halba ygsagat gha hind, het müasa a Berger mit dm eina Mannli ferig saga. Wyl doa d Dan na gfalla ist, het dr Berger da Finggastrich gnu und ist gsprunga, sa roß as ar müga het.

Das wild Mannli het aber nu zwei Schritt gmacht und ist stillgstanda. Ihm Bets nüt doa; aber da andara Bets um ei Hoor erschlaga. Wia das d Berger gsieh hind, hinds gfroget: «Worum bist du nit wyter gfloha?» Ds Mannli liet gseit: «Hinders nit gsieh? I ha dur Danna uffi gluagat, uf welhi Syta as si falli, und doa hin i nu uf die ander gstanda. So Bets mer nüt doa.»

Vu jetz aweg hind d Berger gwüßt, wia ma Holz feilt, und das au ander Lüta erzellt. Also ist d Sach in d Welt ussi chu. Sie hind dua hem Heiguh aber zuananand gseit: «Nia cha mingmohl no vii Chlyna etschwas lehra.»



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Die Sage von den heiligen Wassern

Das ist so lange her, daß es nicht in den Büchern aufgeschrieben steht. Da gab es neben uns rechten Leuten im Glottertal noch Wildmännlein und Wildweiblein, die in den Wäldern wohnten. Die süßen Zirbelnüsse aus den großen Arvenwäldem waren ihre liebsten Leckerbissen. Darum redeten sie mit den fünf Dörfern und sagten: «Wir wollen euch genug Wasser auf eure trockenen Felder leiten und euch alle reich machen, wenn ihr uns Wildleuten den Wald an der Talhalde schenkt, wo die Zirbeln wachsen.» Müde von der Not, traten die Leute dem Handel bei. Aber sie wunderten sich, wie die Wildletite Wasser in die Felder und Weinberge hinauf führen oder tragen werden, und viele Leute gingen hinauf, um es selber zu sehen. Die Wildleute fingen aber zu arbeiten an, sie hieben die Bäume um und höhlten die dicken Stämme aus, so daß breite und tiefe Kännel entstanden. Den ersten legten sie an



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das Gletschertor, aus dem die Glotter ins Tal läuft, und dann viele Hunderte daran, je den Anfang des einen und das Ende des vorigen, immer fast eben hin. Von Zeit zu Zeit prüften sie, ob das Wasser hindurchfließe, und wenn es lief, so tanzten sie vor Freude und klatschten in die Hände. Da ihnen der Boden des Tales zu rasch abwärts ging, zogen sie die Kännel den Berg entlang, so daß sie viel höher als der Talhoden ztr liegen kamen und sich hoch am Berg dahinwanden. Die Talleute wunderten sich, daß die Wildleute sich so viel Mühe gaben; sie wußten nicht, was werden sollte.

Wo ein Baum stand, der die Kännel beschattet hätte, fällten sie ihn. Sie zogen die Leitung der Sonnenseite des Tales entlang und hoch über den Wald. Viele Kirchtürme hoch über den trockenen Dörfern kam das Wasser in die Weinberge, und vom langen Lauf an der Sonne war es ganz warm. «Aber es ist ja trüb, was sollen wir mit trübem Wasser anfangen?» murrten die Weinbergleute. Die Wildleute jedoch tanzten wie närrisch um die fertige Leitung und mahnten:

«Trüehi Wasser, güldige Wyn!
Grabend Gräben, lassends yn!»

Die Leute folgten dem Rate, sie gruben Furchen zu den verdorrten Weinstöcken, und siehe, die Reben grünten und trieben Schosse! Wo ein Tröpflein hinkam, sproßte das Gras; die Bäume schlugen aus. Das ganze Land wurde schön wie ein Garten und prangte in Fruchtbarkeit. Die Leute standen da, die Eltern zeigten das Wunder den abgemagerten Kindern die Greise weinten vor Freude und streckten die Hände ins Wasser, daß sie merkten, wie es rieselte. Da rief einer: «O du heiliges Wasser!» und alle antworteten: «Ja du heiliges Wasser! Seither hat man die Leitung nie anders genannt.



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Die Spinnerin

Oben in Chésières war einmal ein schönes junges Mädchen. Es hatte aber gar strenge und harte Eltern. Nicht nur mußte das gute Kind alle Tage vom Morgen früh bis abends spät das Vieh hüten, sondern auch allemal eine ganze Spule Faden gesponnen haben. Und oft genug, wenn die Kühe unruhig waren, geschah es, daß sie nicht fertig wurde. Dann setzte es harte Worte und Schläge ab.

Eines Tages, als das Mädchen eben vor dem Stall stand, kam plötzlich ein wildes Fräuli. Das arme Mädchen erschrak nicht, sondern bot dem Gaste ein Chacheli Milch. «Ich weiß schon, wo's dir fehlt», sagte das Fräuli, «gib mir nur deine Spindel mit.» Das Mädchen reichte dem Weibe seinen Wirtel. Die befestigte den Rocken an den Hörnern einer weidenden Kuh, und in einem Schwick saß sie auf dem Rücken des Tieres und spann die ganze Nacht beim Lichte des Mondes und



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drehte das Spinnrädlein, daß es wie ein Stern durch das Dunkel leuchtete. Und seit dem Tage war jeden Morgen, wenn die Sonne aufstand, der leidige Risten an der Kunkel in Stränge des feinsten Fadens verwandelt, zur Freude des Mädchens, das nun nie mehr gescholten wurde.


Das genarrte Wildmannli

In alten Zeiten bohrte man die Wasserteuchel immer nur von einer Seite. So wurden die Teuchel sehr kurz. Wenn die Bauern im Walde daran arbeiteten, kamen manchmal die wilden Mannli zuschauen und lachten und kicherten, wenn sie sahen, daß man die Teuchel nicht länger machen konnte, als die Bohrer lang waren. Sie wußten's freilich besser, aber um nichts in der Welt hätten sie's den Leuten gesagt. Da sagte einmal ein Bauer zu einem Wildmannli: «So, jetz weiß i denn au, wia nia lenger Teuchel macha kann. Eina von cura Luta Bets myni Vetter gseit, und der Bets mir gseit. Jetzt kannst mi nümma verlacha. » —

«Ja, gell », sagte das Männlein, «du kehrst s Holz und bohrst au uf der andera Syta.»


Wildrnannlis Zahnweh

Ein armer Mann von Rans suchte beim Geißbachtobel am Buchserberg Reisig. Da fiel er über eine Fluh hinunter und brach ein Bein. Den ganzen Tag und die ganze Nacht lag er da und rief von Zeit zu Zeit, so laut er konnte, um Hilfe, aber weit und breit war keine Seele. Endlich kam ein Wildmannli aus denn Wald und fragte mitleidig, was ihm fehle. I )er Mann sagte: «S Bei hani brocha, hilf mer heim.» So, so», antwortete das Mannli, «ists nur das, i han gmeint, du haiest Zahweh.» Sprach's und ging davon.



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Selber tan, selber han

An Ma ist amol z Wald ganga, ga Holz spalta. \Via er i der bestan Arbet ist, kunnt a Fenki zuan am und hocket nebet an uf da Boda und fot a mit am zschwätza und an über allerlei uszfroga. Der Holzer git zerst ordeli uf ails Red und Antwort. Aber d Fenki liet sövel gschwätzt und gfroget, daß dem Ma das Gschnäder verleidet und d Geduld afanga

brochan ist. Was will au dia ails wüssa, het er tenkt, und wia si wüssa will, wia er heißi, seit er, syn Naina sei Seib, und gheißa het er Hans. Dia närrisch Fenki glaubts ufs Wort und lüsterlet eppas anderem no. Zletscht stygt aber dem guata Hans der Rot is Gsicht vor Zora, und er schnerzt: «Kog, an leida, du könntist doch dv Mu! afanga verschoppa.» D Fenki aber git nüt um Uwert und wunderet wyter und bringt no son im Yfer d Hand i dia Spalta, dia der Hans mit der Axt und mit em Wegga i der Stock het gmachet gha. Der Hans gewahrnets und rupft weidli Axt und Weggan ussa und springt dervo. D Spalta schnellt



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Zemina und klemmt d Hand vo der Fenki y, daß ara s Bluet unter d Nägel schüßt, und sie überlut z röran afot. Uf ihr Gschrei kunnt an Fenk usam Wald zuera gloffa, sieht sie zabla und froget, wer ara das to heig. I) Fenki seit: «O seib to.» Druf lacht der Fenk und seit: «Seib to, seib ho», und goht wieder dem Wald zua und lot D Fenki zabla.


Wo's mich juckt, da kratz' ich mich

In Eischol lebte eine Frau, die hieß Selber. Tagsüber, wenn ihr Mann auf Arbeit außer dem Hause war, spann sie fleißig. Zu dieser Frau kam beinahe jeden Tag ein Zwerg und hieß sie, ihm den Rücken kraulen und kratzen. Weil er so sehr hat, tat sie ihm einige Male den Willen. Schließlich aber wurde ihr das Geschäft so lästig, daß sie es ihrem Manne klagte. I )er sagte: «Laß mich nur machen. Das Ding soll bald ein Ende haben!» und zog eines Tages die Kleider der Frau an und setzte sich hinter das Spinnrad. Aber das Spinnen wollte ihm nicht recht aus der Hand, und da erschien der Zwerg und sagte:

«Du spinsterlest und spinsterlest und windst wenig a,
Mir schynt, mir schynt, du sygst e Ma! »

Der Mann erwiderte: «Komm, ich will dir den Rücken kratzen! » nahm die Hechel mit den eisernen Borsten und kratzte ihm den Rücken auf und ab, daß der Zwerg laut aufschrie und um Hilfe rief. Da kamen die andern Zwerge und fragten: «Wer het der tan?» Da schrie er in einem fort: «Selber, Selber!» Da sagten die andern:

«Selber ta, selber ha,
Blas dir seib du Schadu ab!»

Der Zwerg ist nie mehr zu der Frau Selber gekommen.



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D Fenki as Magd

Zum Hanskasper im Maiasäß kunnt amol amen Obed a Fenki, d Jochrumpla vom Berg, und bitted und betlet, er möcht sie as Magd in Dienst neh, wyl sie daheim nümma blyba könni: sie hei Kyb und Kritz mit dem Ma. A prechtigi Maigga seis gsi, dia Jochrumpla, hoorig zwor über und über am ganza Lyb, aber gliederig und stark \via an Ris. Der Hanskasper stellt sie a as Magd, und drei Johr liet sie bei cm dianet, treu und redli, was ma ka säga. Willig und bereit und aller Buranarbet kündig sei sie gsi, z Trutz a jedara i der Gmeind.

Arna schöna Tag, wos am Tisch sitzen beim Essa, kunnts zum Fenster ga klopfa und ga rüefa: «D Jochrumpla söll heim ko, der Muggastutz sei gstorba » I) Magd sitzt mit am Tisch und loset und fot druf a ziacha und springt uf und dervo, und weder Staub noch Flaub ist vo der Fenki meh zseha gsi.


Wildrnannlis Rat

Valentin Suter in Tenna hatte hinterm Hause einen schönen Garten. Der war sein Stolz und seine Pracht. Einmal, als er fleißig ein Beet umgrub, da warf der Spaten ein seltsames Tier empor, wie er noch keines gesehen. Schnell trug er das sonderbare Geschöpf ins Haus und steckte es in seiner Frauen Haubenschachtel, damit es ja nicht hart zu liegen käme. Dann lief er eilig damit zum Pfarrer nach Versam, denn wenn einer, so müßte der Pfarrer kennen, was in Gottes Schöpfung kreucht und fleucht.

Aber auch der Herr Pfarrer, der doch sonst ein gar hochgelehrter Mann war, hatte seiner Lebetage kein so eigentümliches Tier gesehen. Da gab der Herr Pfarrer dem Mann den Rat, so schnell als möglich



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den Gemeinderat zusammenzurufen, der solle untersuchen und feststellen, was das für ein Tier sei, und entscheiden, was damit zu geschehen habe. Denn dazu sei ein hochwohllöblicher Gemeinderat bestellt, daß er jederzeit fürs Wohl und Wehe der Gemeinde das Rechte finde und tue. Schon an dem schwarzen Pelz, den breiten Tatzen, der langen spitzen Schnauze,
an den winzigen, verkniffenen Äuglein sei zu erkennen, daß es ein Ungetüm sei, viel schlimmer als ein Basilisk, und großes Unglück sei zu befürchten.

Voller Angst und tief bekümmert, daß auf seinem Boden ein solches Ungeheuer sich gefunden habe -wohl eine gerechte Strafe Gottes für seine Sünden -, lief der Bauer mit dem Tier in der Haubenschachtel heim und berief noch auf den Nachmittag den Gemeinderat zu einer außerordentlichen Sitzung.

Die Männer versammelten sich alsgemach, besahen das Tier in gebührendem Abstand von allen Seiten und berieten die verhängnisvolle Sache lange hin und her. Sie konnten aber zu keinem Entschlusse kommen, und schließlich ward der Vorschlag des Präsidenten einstimmig angenommen, dem Gemeinderat sei die Entscheidung nicht möglich, da er in dieser Sache nicht zuständig sei, das müsse vor die ganze Gemeinde kommen, und der Weibel ward angewiesen, alle stimmfähigen Bürger von Tenna, Versam und den Außenhöfen auf



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den nächsten Vormittag ins Rathaus zu Tenna einzuberufen, damit jeder seine Stimme abgehe, was in dieser Sache tunlich sei.

Vor versammelter Gemeinde ward der Fall vorgetragen und wieder wurde, so lang wie breit hin und her beraten, was für eine Landplage das fremde Tier wohl bringen möge. Aber nicht einer konnte sich erinnern, je von einem solchen Geschöpfe gehört oder gelesen, geschweige denn eines mit eigenen Augen gesehen zu haben. Zuletzt am End wurde man eins, das Untier auf jeden Fall vom Leben zutun Tode zu bringen. Der Antrag wurde einstimmig angenommen und dem hohen Gemeinderat zur Ausführung übergeben. Aber nun gab's eine neue, ernste Frage: auf welche Art sollte die Hinrichtung vollzogen werden, durch Köpfen, Erhängen, Verbrennen oder Ersäufen? Keiner wußte Rat.

Da ward in der Versammlung ein Fänggenmannli bemerkt, und als nun Aller Weisheit zu Ende war, da meinte einer, es sei zwar just eben nicht Mitbürger, aber vielleicht wisse es einen Rat denn die Fänggen hätten allerhand unter der Kappe. Also ward der Fängg gefragt. Das Mannli lachte hinter den Stockzähnen und sprach

«Wend ihr des Tierlins ledig syn,
So grabends tüf in Boden vu!»

Das war ein Spruch nach aller \Ville und leicht zu tun. Also ward das unbekannte Tier zum Tod durch Lebendig-begraben-Werden verurteilt. Und ungesäumt wurde ein ordentliches Loch im Garten des Finders gegraben, das Tier sorgsam hirieingetan und schnell wieder zugemacht.

So ist es gekommen, daß man denen von Tenna nachsagte, sei täten die Schermäuse lebendig begraben.



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Der guet Rot

As het amol a Wyb näbed dem Strößli gmäht, und do kunnt a Fenki derhär und froget: «Haut d Sägeß ?» S Wyb seit: «J kas fit loba, der Scherha will nit haua.» N das seit D Fenki wieder: «Uni a guat Stugg

Speck und a paar Eier will der en Rot ge, und wennd am folgest, so ka der guat stoh, (1 Sageß haut wia Gift.» Das närrisch Wyb goht und holt a guat Stugg Speck und a paar Eier und bringt sie der Fenki, und dia seit: «Dengla namol, wetz amol, derno wirds schnyda », und springt mit Speck und Eier dervo.

S Wyb lueget ara fürig taub no und sait zuara seib: «Das hetti au sus gwüßt! »


Die ärgste Strafe

Die Bauern von Tenna fingen mit vieler Mühe einen großmächtigen Bären, der ihren Herden viel Schaden getan hatte. Die Gemeinde beschloß, ihn für seine Missetaten aufs härteste zu bestrafen, allen



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bösen Bären zum Exempel. Da trat ein wildes Mannli unter die Versammlung und sagte: «S grusigst ist, lent na hürota »


Was ein Erdmännlein einem Mädchen sagte

Ein Bauernmädchen im Sonntagsstaat, mit Ketten und Bändern geschmückt, war eben auf dem Weg ins nächste Dorf, um zum Tanze zu gehen. Da kam ihr ein Erdmännlein für und sagte: «Vreneli, blyb du nu hübscheli deheime! Me sueclit die guete Chüeh im Stall und fit ufern Märit.» —Und das Mädchen kehrte um, und ist auch nicht mehr lang ledig geblieben.



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Das Gebisdorfer Männlein

In der Gehisdorfer Weintrotte war an einem Herbstahend eine Gesellschaft lustiger Burschen beisammen, die vom Keltern ausruhten. Sie saßen behaglich um ein flackerndes Feuer und ließen sich den Most schmecken. 'Während die Gesellen da plaudern und trinken, kommt aufsmal ein graues Männlein daher, dent eine Kochkelle im blutten Füdeli steckt. Feierlich schreitet es mitten durchs Feuer und sagt im Verschwinden: «Gueten Obig, ihr Here, es chömed no meh derigi, und i bi denn der (;hoch! »


Die Milchdiebe

Einem Mann von Zermatt brachen zwei Gotwergini, ein altes und ein junges, auf der Aip in den Milchkeller ein, um Nidel zu naschen. I )as war dem Bauer gar nicht lieb, und er schloß seinen Keller fest ai). Es half aber nichts, sie kamen doch hinein, er wußte nicht wie. Da paßte er ihnen auf, aber die Männlein kehrten sich nicht daran. Mit (Leni Arm getraute der Mann sich nicht gegen sie. Da nahm er eine Handwanne, ging in den Keller und verbarg sich darunter. Wie die Gotwergini wieder kamen, rüttelte und schüttelte er die Wanne, daß es nur so tschätterte, denn er meinte, sie würden vor Schrecken davonstichen wie die Mäuse. Und wirklich wurde das junge Gotwergi bange und wollte davonlaufen. Aber das alte hielt es am Ärmel und lachte: «Laß du d Wanderli nur rütteln, und sclilapps du brav!»



Vo Chline Luete-079. Flip


Das gestohlene Schwein

Zur Fastnachtszeit war in Oberems das Volk l\ fröhlich heim Tanz. Für das Festessen sollte am gleichen Abend ein Mastschwein geschlachtet werden. Auch das Zwergenvolk war zum Tanz gekommen, und il'

Männlein hüpften und sprangen lustig mit. Plötzlich ging die Tür auf, ein Zwerg guckte herein und rief: «

Monifang, Monifang
Wo het der Darm syn Anefang?»

Da riefen die tanzenden Zwerge zurück: «

Dein Magen nah, dem Magen nah
Tanzt na, ihr jungen Knaben da !»
und huschten hurtig zur Ture hinaus. Als die Dorf burschen das Schwein
schlachten wollten, da war es fort. I Die Zwerge hatten es gestohlen.


Vo Chline Luete-080. Flip


Das Gotwergi in der Küche

Eine Hausmutter, die eben einen Eiertätsch bereitete, legte die leeren Eierschalen auf die Treche. Da kam ein Gotwergi dazu, hüpfte hin und her, tupfte sich auf die Stirne und rief:

«Ja ritt, ja nu!
I hi de afu alts
Scho dryrnal
Heints du Pfywald abghauwu,
Und ist bi rum ufgwagsu.
Aber soviel Häfilini hani do
My Lebtag no niemal gseh.»


Das hilfreiche Moosweibchen

Auf dem Born weidete von alters her den ganzen Sommer über eine Herde Ziegen. Die sammelte der Flirt von Kappe! alle Morgen im Dorf, abends trieb er sie wieder ein. An schwülen Sommertagen geschah es oftmals, daß der Westwind ein böses Gewitter herantrieb. Ganze Sturzbäche Regens ergossen sich über Berg und Tal. Ins dichteste Gebüsch verkrochen sich viele Geißen, andere määggten und bääggten, sven tu's blitzte und donnerte, daß sich ein Stein hätte erbarmen mögen. Andere sanken im aufgeweichten Boden ein oder rissen sich die strotzenden Euter an spitzen Steinen und Dornengestrüpp blutig. Viele verliefen sich über Nacht weiter hinein in die Berge. Stundenlang mußte alsdann der Hirte die verlaufenen Tiere suchen.

So kam der Bub einmal tropfnaß, als es schon zunachtete, ins Dorf. «Hai) ein Unglück gehabt, hab vier Geißen verloren. Ist mir leid



Vo Chline Luete-081. Flip

genug: die Mariebeth, die Zundelgret, der Krüschknüpfer und der Kälblistüpfer - alle sind wetterwild. Ich bin ein geschlagener Mann! Die Donnersgeißen! Hätt' ich sie bei den Ohren, sie sollten Herr Jesus pfeifen. Ich muß sie holen, noch vor Nacht. Ich steig die Steinplatte hinan, dem Fuchsloch zu und den Katzengraben hinauf bis auf das obere Buchköpfli, dann gegen das Kessiloch und bis fast zur Heidenküche. Aber kein Schwanz ist zu sehen. Bachnaß stürchle ich in Stauden und Sträuchern herum, da herüber und dort hinüber. Keine Spur von Geißen! Auf einmal steht wie aus dem Boden das Moosweiblein vor mir, hüpft und gümperlet wie am Schnürlein um mich herum, schüttelt sein kurzes Röcklein und macht Sprünge wie ein Heugumper, aber braun und runzlig ist sein Gesicht wie ein dürrer Apfelschnitz. Da hab ich das Herz in beide Hände genommen und frag es: «Hesch


Vo Chline Luete-082. Flip

mer myni Geiße niene gseh?» Da hat's wie ein Mäuslein aus der Nase gepfiffen und sein Röcklein gleitig hin und her geschwenkt:
Eins zwee drei
Dyni Gerne sv nit hei.

Eben darum bin ich ja hier, weißt nicht, wo sie sind?)> Da pfiff's nochmals:

Lins - drei - zwee -
I )viii Geiße han i gseh.

Und wie ein Wetterleuchten war's verschwunden. Aber in den Stauden und im Holz sauste und brauste es, wie wenn der wildeste Wirbelwind einen Haufen Kieselsteine auseinanderschüttelt. Vor Staunen hätt' ich fast meine Geißen vergessen, aber mit eins standen sie da, alle vier, wie hergeblasen. Dann aber liefen wir mitsammen heim, was gisch, was hesch, über Studen und Stöck. — Ein Horn sollte jeder Hirt haben, womit er Wind machen könnte wie das Moosweiblein mit seinem Rock!»


Das Alter des Fänggen

Amol sind a paar Knecht in Wald ganga und hend dert wella a Tanna fella. \Via sie aber afohen schrota, kunnt an Fenk dur da Wald hergloffan und rüeft

«Ich bin grad nett jetz sövel Johr scho alt
As Nodla het dia Tanna do im Wald
Drum sind so guat und titan mer sie mut fella,
Sus könnt ich jo my Alter nümma zella!»


Vo Chline Luete-083. Flip


Das wilde Männlein als Wetterwarner

In Sahen hinten im Tal, bei «Den Häusern», wie man es nennt, war einmal eine Frau am Käsen und hatte gerade den Kessel mit der Milch über dem Feuer, und die Milch fing an heiß zu werden. Da flog plötzlich ein Lederkäpplein in die Küche herein. Sie trat unter die Haustür, um zu sehen, wer da sei, und siehe da, es saß ein wildes Männlein vor der Tür.

«Ei, liabi Frau» — hub das Männlein an -, «gät nier doch äppas ztrinka, ich han an grusamma Durst und han noch wyt heim, und es kunt anaderanah as grusams Wetter.»

«Ach» —erwiderte die Frau -,«du bist jetz woll a gauchs Mannli, mag, d Sunna schynt a so wara, und hüt kunts gwüß niena ga regna, aber ztrinka willter ich scho gän, i han grad ds Kessi überm Für. »



Vo Chline Luete-084. Flip

«So machet doch gschwindt, liabi Frau, luaget, i muaß gahn! »

Die Frau lachte vor sich hin und dachte, du bist mir der rechte Wetterprophet, es ist der ganze Himmel heiter! Sie schöpfte Milch aus dem Kessel und brachte sie dem Männlein. «

Ei, guati Frau» —sagt jenes -, «gat mer doch as größers Gebsi, daß d Milch gschwinter zerkuala kunnt, i ka sövel tut lang macha.»

I )ie Frau willfahrte und lachte, als sie sah, wie das Männlein in größter Eile die Milch in dem größeren Geschirr umschwenkte und hineinblies, damit sie schneller kalt werde, und wie es dann die Milch in einem Schluck hinunterschlürfte. «

Du häst» —sagte sie - «an tolla Stägga, mit dem kust schon fürwärts, aber daß es hüt leid \Vetter gäbi, wurtist jetz du, schätzi, fit grad wissa, sus truffis mir au no as wiavalo Heu i z tua.»

«Ja, so machet nu gschwint» —sagte das Männlein -, «sus kunnt ich der Räga dry! Und jetz säg i Dank, wenns dermit usgricht ist! » — und mit diesen Worten eilte es den Berg hinan und hätte in der Gschwindi sogar sein Lederkäpplein vergessen, wenn die Frau es ihm nicht nachgeworfen hätte. Die Frau käsete fort, aber kaum waren einige Minuten verstrichen, da zog eine schwarze Gewitterwolke über das Gletscherbachhorn herein, und es fing an zu blitzen und zu donnern, und der Regen klatschte in Geißelschnüren. Da kratzte sich die Frau hinter den Ohren, daß sie dem wilden Männlein nicht geglaubt und ihr Heu nicht eingetan hatte.


Der Schlangenreiter

I )ie Töchter vom Hornbacherhof waren eines Tages damit beschäftigt, ihre Wäsche auf dem Trockenplatz unten am Bach aufzuhängen. I )a kam auf einmal aus dem Uferholz ein Männlein hervor iii eitlem



Vo Chline Luete-085. Flip

grasgrünen Kleidlein, und um den Leib hatte es eine winzig kleine Roßhalfter gebunden. «So, so, wie geht's, wie steht's, ihr Meitschi ? » sprach der Wicht freundlich und lüftete den Hut, ((nehmt euer Zeug beizeiten noch ai), ehe es davonschwimmt.» Damit verschwand er wieder in den Stauden. Soweit man sah, war strahlende Sonnenheitere, und so mußten die Mädchen laut auf lachen. Aber nach einer Weile ward der Himmel nachtschwarz, und schon fielen die ersten Tropfen, und die Mädchen brachten ihren Korb grad noch ins Trockene, als in Striemen und Strömen ein Wolkenbruch sich ergoß, wie schon lange keiner mehr niedergegangen war. Im Nu schwoll der Bach an und trat über die Ufer. Die Leute eilten, um dem Wasser zu wehren. Da kam auf der ersten Flutwelle eine baumlange Schlange geschnellt, und darauf saß rittlings das grüne Männlein, das vorhin mit den Mädchen gesprochen hatte. Das Hälfterchen hatte er der Schlange angelegt, und so ritt er, wie ein Reiter auf seinem Roß, auf dem Wasser fort. Am Trockenplatz nahm das Ungetüm einen Sprung über die Matte hinweg und glitt jenseits wieder ins Wasser, und schwamm weiter talab.

Der Hornbach wütete, es ist nicht zum sagen. Auf der Alp Hinterried wurden mehrere Kühe fortgerissen und ertranken. Eine oder zwei wurden stundenweit fortgetragen und grad dem Bauer, dem sie gehörten, auf die Matte geworfen.


Der Untergang von Ralligen

Eines Abends brach über das Dörflein Ralligen am Thunersee ein böses Gewitter los. Der Sturm bog die Bäume wie Weidenruten, daß die Stämme ächzten und die Wipfel sausten. Blitz auf Blitz schlug in die Tannen oben auf den Flühen. Und krachend hallte der Donner an Wänden und Gräten. In ganzen Gütschen strömte der Regen, so daß



Vo Chline Luete-086. Flip

im Handkehrum durch alle Runsen und Chrachen volle Bäche herunterschossen. Der Bach schwoll zum mächtigen Strom auf, schäumte und toste und überschwemmte Wege und Stege. Die Menschen flüchteten iii ihre Häuser, und das Vieh sprang angstvoll brüllend unter die Schirrndächer oder in die Ställe. Und dunkel war es, man sah die Hand kaum mehr vor Augen.

Da kam das Tal herab ein wandernder Zwerg an seinem Stecken in das Dorf, naß wie eine Katze, die man durch den Bach gezogen, ein altes kleines Mannli, ganz verhudelt und verstrudelt. Es schlotterte vor Frost und Nässe am ganzen Leib. Das Wasser troff in Bächlein von



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seinem schwarzen Wetterhut und aus seinem langen grauen Bart herab. Gleich beim ersten Haus ging es z Schärmen, schüttelte das Wasser von Hut und Kleidern, klopfte seine Schuhe an der Schwelle ab und pochte dami mit seinem Stecklein bescheidentlich an die Tür. Da sah ein Weib heraus, und als das Männlein hat, sie möchte es einlassen und für die Nacht beherbergen, schnarzte sie bloß: «Für hergelaufen Bettelvolk ist kein Platz bei uns. Lauf zu und schau, wo du unterkommst ! » Ohne ein Wort zu sagen, ging das Männlein weiter zum nächsten Haus. Dort ging es ihm nicht besser und ebenso beim dritten und so immer fort. Und so war es schließlich am Rand des Dorfes angekommen. Dort wohnten zwei arme, fromme Leutlein, Mann und Frau. Zu ihrer Hütte schlich das Zwerglein müd und matt und klopfte dreimal sachte ans Fensterchen. Der alte Hirt tat ihm sogleich auf und bot gern und willig dem Gaste das Wenige dar, was sein Haus vermochte. Sie reichten ihm trockene Kleider und hießen ihn die nassen ausziehen, daß sie am Ofen trockneten, derweil er äße. Die alte Frau trug Brot auf, Milch und Käse. Ein paar Tropfen Milch schlürfte der Wicht und aß Bröselein von Brot und Käse.

«Ich bin's eben nicht gewohnt», sprach er, (<SO derbe Kost zu speisen; aber ich dank euch von Herzen, und Gott lohn's Nun habe ich geruht und will meinen Fuß weiter setzen.» — «Ei bewahre!» rief die Frau, «in der Nacht in das Wetter hinaus? Nehmt doch mit einem Bettlein vorlieb!» Aber das Zwerglein schüttelte bloß den Kopf und lächelte. «Droben auf der Fluh hab ich allerhand zu schaffen, darf nicht länger ausbleiben! Morgen sollt ihr mein schon gedenken.» Damit nahm's Abschied, und die Alten legten sich zur Ruhe. Der anbrechende Tag aber weckte sie mit Unwetter und Sturm. Feuerstrahlen fuhren aus schwarzen Wolken, es rumpelte und rollte. Und Wasserströme ergossen sich wie Sturzbäche, und plötzlich erscholl hoch oben vom Berg dumpf ein Ruf:



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«D
Rallifluo ist gspalten!
Schlegel und Weggen syn ghalten!
Ralligen will untergahn,
Flieh, flieh, wer fliehen kan

Und einen Klapf tat es, als seien alle Berge vom einen Ende der Welt bis zum andern zusammengefallen. Da riß oben am Joch der Fluh ein gewaltiger Fels los und rollte polternd zum Dorf herunter mitsamt Bäumen, Steinen und Erde. Menschen und Vieh, alles, was Atem hatte im Dorf, wurde begraben. Schon war die Woge gedrungen bis an die Hütte der beiden Alten. Zitternd und behend traten sie vor ihre Türe hinaus. Da sahen sie mitten im Strom einen großen Felsklotz nahen Oben drauf hüpfte lustig das Zwerglein, als wenn es ritte, und ruderte mit einem mächtigen Fichtenstamm. Und der Fels staute das Wasser und wehrte es von der Hütte ab, daß sie unverletzt stand. Aber das Zwerglein schwoll immer größer und höher, ward zu einem ungeheuren Riesen und zerfloß in den Himmel. Die Alten aber beteten auf gebogenen Knien und dankten Gott, daß sie errettet waren.


Das Hochwassermannli

Allemal, wenn im Habkern-Tale der wilde Lombach anschwillt, so kommt vor dem Anlauf der Wasser ein kleines Männlein in seinem Bett dahergeschritten und schlägt rechts und links mit einem langen Stock an das Ufer zum Zeichen, wo die Erde vom Flutschwall fortgerissen werden wird.



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Das Mittel der Wildleute

Als der schwarze Tod in Bünden alles Volk niedermähte, so daß ganze Talschaften ausstarben, da sahen die Leute, daß kein einziges Wildmännlein oder Wildweiblein dahingerafft wurde. Das geschehe durch geheime Künste, meinten die Bauern; die Wildleutlein hätten gewiß ein Mittel wider die Seuche. Und so beschloß ein Bauer, das Geheimnis auszuspüren. Da war an einem Ort ein großer Stein, der hatte in der Mitte eine Höhlung wie ein Napf. Auf diesem Stein saß oft ein Wildmannli und sonnte sich. Der Bauer ging hin und füllte die Höhlung mit gutem altem Veltlinerwein und verbarg sich nahebei hinter einer Tanne. Zur gewohnten Stunde kam das Männlein und machte große Augen, als die Vertiefung mit funkelndem Naß gefüllt war. Es bückte sich, mit dem Näschen schnuppernd, über den Wein, um den roten Saft am Duft zu prüfen, hob dann wieder den Kopf, schüttelte sich bedenklich, winkte mit dem Zeigefinger, tupfte sich an die Stirn und rief:



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«Nei, nei, mach, wie d witt,
Uberkunst mi fit!)>

Aber dann beugte es sich wieder nieder und schnupperte abermals. Da blieb ihm ein Tröpflein am Schnauz hängen. Das leckte es mit der Zunge ab. Aber es schmeckte nach mehr, und da sagte es zu sich selbst: «Ei, nur mit eim Finger turika darfscht scho!)>Gesagt, getan. Und es tunkte seinen Finger wohl hundertmal hinein und schleckte ihn wohl hundertmal ab. Da ward es je länger je lustiger, hüpfte von einem Bein aufs andere, schüttelte sich vor Lachen, und allsgemach fing es an, allerlei Zeug durcheinander vor sich hin zu schwatzen, und wußte selber nicht mehr, was es sagte. Da trat der Bauer hinter dem Baum hervor und fragte das Männlein: «Du, säg au, was ischt guat für d Süch ? » — «J weiß wol!» sagte das Männlein, «j weiß wo!!

Bruchet Eberwurza und Bibernell,
So sterbent die Kranka fit so schnell

Aber das säg i dir noch lang fit!» Jetzt wußte der Bauer, was er wissen wollte, und die Leute brauchten fleißig die Kräutlein nach des Wildmännleins Spruch, und bald starb niemand mehr in Bünden, denn überall, wo das Mittel angewandt wurde, schwand die grause Sucht wie ein Spinnenweb im Zugluft.


Das Schneernehl

hoch oben au der Jungfrau zwischen Gießen- und Guggi-Gletscher war vor grauen Zeiten ein schmuckes Bergdörflein inmitten grüner Matten und brauner Äcker. Ein Bergmandli, vom Volk nur der Knopfli geheißen, trieb den hablichen Bauern allmorgen die glöckelnden



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Geiflen aus, und allabend brachte er sie mit prallen Eutern heim. Aber die kargen Bauern gaben ihm am Ende des Sommers allemal nur ein paar Mütt Korn zum Lohn, so gitig waren sie und geizig. Der Schlimmste aber von allen war der Müller, der trieb es so arg, daß er jeden, der ihm Korn zu mahlen brachte, schon beim Wägen betrug. Und so fein machte er's, daß es keiner inne wurde, und obendrein noch lieferte er nicht den vollen Ertrag au Mehl ah.

So kam denn wieder einmal im Herbst auch der Knopfli mit seinem vollen Kornsack zur Mühle, dem sauer erworbenen Lohn für die Mühe des Jahres. Der Müller tat, wie gewohnt, und weil's bloß der Knopfli war, gab er ihm einen Sack mit Mehlstaub zurück. Das Mandli sagte weder ja noch lia, ging davon und stieg leicht wie ein Gemsi turnt Gipfel der Jungfrau hinauf, die damals bis oben mit melchigen Weiden bedeckt war. Dort kehrte er sich uni und rief so laut, daß man's unten allerorten hörte, wie wenn's ganz nahe wäre: «Nimmer mahlt der Müller mehr Mehl!» und mit dem schüttete er den Sack voll Mehlstaub über das Tal aus. Und nun fegte Tag und Nacht ein wirbelnder Schneesturm durch die Lüfte und deckte die üppigen Triften und fetten Gebreite fluhhoch für immer zu.


Das Herdmannli und der Fischer

Hans Bucher von Malters, ein frommer, stiller Mann, trieb in seinen Tagen gar eifrig Jagen und Fischen iii der Wildi am Pilatus. Und von jeher schon hätte er ums Leben gern auch einmal ein Herdmannli mit eigenen Augen gesehen. Eines Tages fischte er nach seiner Gewohnheit wiederum im Rümlig Forellen. Und wie er so dastand und nach dem Angel schaute, da sprang ihm gählings hei heiterhellem Tag ein Herdmannli hinterwärts rittlings auf den Nacken und drückte



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ihn mit solcher Kraft vornieder in den Bach, daß er meinte, sein letztes Stündlein sei gekommen. « Du bist auch der Gesellen eitler», rief das Mannli zornig, «die mir so oft meine Tierlein und mein Vieh geplagt und verdorben! Wahrlich, du wirst mich und meine Tierlein fürderhin an diesem Orte nicht mehr stören!)> Damit ließ es ihn los und war verschwunden. Lange lag der Mann wie gelähmt da, und so schwach und übel zugerichtet war er, daß er sich kaum noch heimschleppen konnte. Und auf der einen Seite blieb er für immer lahm, so daß er seither der Wildi sich hat enthalten und das Haus gaumen müssen.


Die Fänggin und der Jäger

Ein Jäger, der den ganzen Tag in den Bergen gejagt hatte, kam spät abends todmüde mit einer fetten Gemse auf dem Rücken zu einer leeren Sennhütte. Er beschloß, darin zu übernachten, und legte seine Beute aufs Dach und ging in die Hütte. Dort machte er ein Feuer an, wärmte sich und bereitete die Abendkost. Da hörte er plötzlich jemand vor dem Hause jammern:

«Da liegt unsere schöne Kuh,
sie ist tot, ja tot.»


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Gleich darauf trat ein feines Weib in die Hütte, so schön, wie er noch keines gesehen, und sprach: «Du hast uns eine Kuli getötet. Drum zerfetz' ich dich zu Staub und Flaub.» Der Jäger, ein furchtloser Mann, besann sich nicht lange und sagte: «Und ich schieß dich tot. » Da ward der Fänggin denn doch bang, und sie sprach: «Diesmal will ich dir noch kein Leid tun, aber wenn du noch einmal eine unserer Kühe tötest, dann wehe dir! Doch komm mit in den Stall, da kannst du sehen, wo die Kuh fehlt.» Der Schütze folgte der Fänggin und ging mit ihr. Sie führte ihn in eine Höhle unter der Erde. Da waren ringsum an den Wänden goldene Krippen angebracht. An jeder hing mit einer Silberkette eine Gemse. Nur ein Barren war leer. «Siehst du», sprach die Fänggin, «die leere Krippe dort? Hier hast du uns eine Kuh herausgeschossen. Jetzt gell nach Hause und tu unsern Kühen kein Leid mehr, wenn dir dein Leben lieb ist.» L )er Jäger ging aus der Höhle und hat nie mehr eine Gemse geschossen.



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Von einer bösen Fänggin

Im Maiensäß auf der Matasa, einer einsamen Waldwiese am Hochwang, wartete ein Älpler einen ganzen Winter lang ganz allein sein Vieh. I)a geschah es, daß von Zeit zu Zeit eine Fänggin in die Hütte kam. Das Weiblein gefiel dem Manne zwar gar nicht. Es war klein und verhutzelt, struppig wie ein Tannengrotzli, mit langem Flachshaar wie Baum flechten und stechenden Äuglein und spitzen Zähnen. Und wenn es dem Manne so mit dem Gaste auch nicht recht geheuer war, er fürchtete sich nicht; denn er hatte einen großen, starken Hund bei sich. Und die Fänggin klagte und jammerte denn auch beständig, der Hund mache ihr Angst, und er solle ihn doch gut anbinden. «Nein », sagte der Mann, das tu ich nicht, und dann hab ich auch keinen Strick zur Hand.» — «Wenn's. nur das ist, was fehlt», rief das Weiblein, griff sich in den Schopf und gab dem Manne eines ihrer Haare, beinahe so lang wie ein Pferdezügel. I )er Senne nahm das Haar und ging mit dem Hund hinter den Ofen, band ihn aber nicht an, sondern hieß ihn nur mit leiser Stimme, sich niederlegen und stille liegen bleiben. Aber wie der Mann wieder hinter dein Ofen hervortrat, da sah er, wie das wilde Weiblein blitzgeschwind an den Wänden hinauf lief, über die Gestelle hin und her sprang, mit den Zähnen bleckend, und ehe er sich's versah, war die Fänggin mit schrillem Gekreisch an ihm heraufgesprungen und packte mit ihren Krallen ihn an der Kehle. I )er Älpler, ein starker Marin, wehrte sich aus Leibeskräften und rief seinem Hunde. Der kam mit einem Satz hinter dem Ofen hervorgeschossen und riß das Weiblein seinem Herrn vorn Leibe. Da fuhr es wie's \Vetter zum Fenster hinaus, der Hund hinterdrein, die Matten ab ins Tobel hinunter. Erst am andern Tage kam der Hund zurück, ganz blutig und keuchend und jappend, so erschöpft war das Tier.



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Das Fänggenweiblein ist niemehr dahin gekommen, und seither hat auch niemand mehr Fänggen im Gelände gesehen. Als aber der Mann nach einiger Zeit wieder einmal hinter den Ofen schaute, da fand er an Stelle des Haares eine schwere Halskette, die einem Stier eben recht gewesen wäre.


Der Gemsjäger und der Zwerg

Ein Gemsjäger stieg zu Berg und kam zu dem Felsgrat und klomm immer weiter, weiter, als er je vorher gelangt war. I )a stand plötzlich ein häßlicher Zwerg vor ihm. I )ir sprach zornig: «Warum erlegst du mir lange schon meine Gemsen und lässest mir nicht meine Herde? Jetzt sollst du es mir mit deinem Blute büßen!» Der Jäger wurde weiß wie der Firn, und bald wäre er über die Wand abgestürzt. Doch er faßte sich noch und bat den Zwerg um Verzeihung: «Ich habe nicht gewußt, daß diese Gemsen dir gehören.» Der Zwerg sprach:



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«Nun wohl, aber laß dich hier nicht wieder blicken. Hier nimm diesen Käse, iß davon, soviel du magst, nur laß allemal ein Restlein vor, so wirst du daran dein Leben lang genug zu zehren haben. Hüte dich und halte dich fortan fort von meiner Herde.»

I )er Zwerg verschwand, und der Jäger stieg nachdenklich zu Tal. Und mit dem Käslein war alles so, wie's der Zwerg gesagt hatte. Er mochte davon essen, so viel er wollte, immer war es wieder ganz, er wußte nicht wie, bis einmal ein Gast, der nichts von dem Geheimnis wußte, es unversehens aufaß. Da trieb den armen Mann bald wieder die Not zu jagen, möge geschehen, was da werde. Er stieg zu Berg, und nicht lange, so erblickte er einen prächtigen Leitbock. Er legte an und zielte. Und als ihm nirgends der böse Zwerg erschien, wollte er eben losdrücken. Da war der Zwerg hinterher geschlichen und riß den Jäger am Knöchel des Fußes nieder, daß er über die Fluh hinunterstürzte und zu Tode fiel.


Der Zwerg auf Riedera

in der großen Riedera wohnte vor wohl hundert Jahren der Küfer Dietrich. Der war in einer Quatembernacht geboren und sali drum mit seinen Augen mehr als andere Leute und hatte die Gunst und Kunst der Zwerge und Geister. So lebte bei ihm im Hause ein spannenlanges Schrätteli in einem zerlumpten Hudeikleidlein und einem roten Käpplein. Dieser Zwerg war sein Liebling und Tag und Nacht bei ihm. Eines Abends saß Dietrich in der Küche am Herd, und auch das Männlein machte sich zu schaffen, indem es alles nachäffte, was sein Herr und Meister tat. Zog Dietrich ein Holzscheit aus dem Feuer, so folgte ein zweites nach. Legte er aber eines hinein, so folgte ein anderes auf der Stelle. Das ärgerte schließlich den Küfer, und er



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brummte mehrmals unmutig: «Laß das.» Aber als der Schabernack fortdauerte, da wurde der Mann schließlich wild und nahm. rot vor Zorn, ein brennendes Scheit und scheuchte den Schalk zur Küche hinaus. Aber als er andern Tags in der Scheune Häcksel geschnitten hatte und eben durch das Tenn zum Stall ging, da warf der Wicht aus der Scheunenecke eine eiserne Heugabel nach ihm. Zum Heil aber traf's ihn nicht. Die Gabel aber hat die dicken Bohlen des Tores durchbohrt.


Der Zwerg am Karren

In Täuffelen war der Sattler Franz daheim. Er fuhr oft in den Jura auf den Markt; denn er war Gemüsehändler. Wenn er über die Seekette ging, mußte er auch an einer Stelle vorüber, wo links der Straße eine gähe Fluh senkrecht in ein tiefes Tobel abfällt. Auf der andern Seite ging es ebenen Weges in einen finstern Wald. Darinnen hausten Zwerge. Dem Franz aber gramselte es allemal in der Herzgrube, und wenn er vorbeikam, klepfte er -klitsch, klatsch - mit der Geißel und pfiff, so laut er konnte, um sich die Angst zu vertreiben.

Für den steilen Stutz hatte er immer drei Pferde vorgespannt. Als sie mit der schweren Fuhre wieder einmal bergauf keuchten, daß die Stränge schier rissen, hing sich beim letzten Schub ein Zwerglein am Karren hintenan. «Wart, du Dounerskätzer, dir will ich!» murmelte der Franz ärgerlich zwischen den Zähnen, griff zur Geißel und zwickte dem Mandli eins. Er traf es aber so hart, daß es vom \Vagen fiel und tot auf der Straße liegen blieb. Da rief's aus dem Wald: e

Eher heber lauf.
Der Muggistutz isch gstorbe!»


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Der Sattler Franz aber hörte nicht weiter darauf, sondern zog erschrocken die Zügel an und fuhr eiligst weiter, gottfroh, daß er bald heil aus dem Walde heraus war.

Aber als er nun das nächste Mal wieder an derselben Stelle vorbeikam, da schnoh das Leitroß, sträubte sich stampfend im Geschirr, bolzte steil auf und setzte mit einem gewaltigen Gump über die Fluh ab in das Tobel hinunter, die beiden andern Rosse samt dem Wagen mit sich reißend.

Und noch heute, wenn einer dort vorbeigeht, hört er zuweilen den Sattler Franz pfeifen und mit der Geißel klepfen.


Das starke Männlein

Da war einmal in Rickenbach ein Bursche, ein bäumig starker Kerl. Der trieb es so toll mit allerlei Streichen und Stößen, daß selbst die stärksten Männer fürchteten, ihm allein auf der Straße zu begegnen. Er fragte keinem Menschen etwas danach, tat nur, was ihn gelüstete, trieb sich ganze Nächte lang umher und verübte Unfug und Schandwerk, wohin er kam. So ging er einmal beim ersten Tagesgrau durch einen Wald. Vor ihm her hötterlete ein Männlein, so groß wie ein Wetzsteinfutter, mit Waden wie Botzenhirrlein. Der Bursche rief ihm zu: «Gleich geh aus dem Weg, oder du spürst meinen Schuh!» Das Männlein ging nicht einen Schritt schneller. Wiederum rief der Bursche: «Fort aus dem Weg, oder ich spicke dich mit dem Schuh über Stock und Strauch.» Aber das Männlein wandte kaum den Kopf und sagte über die Achsel: «Komm nur, wenn du Lust hast, so wollen wir's miteinander probieren!» —«Ei, was du nicht sagst!» rief der Bursche und lachte, «du wärst grad der Rechte!» Aber noch war das Wort nicht gesagt, da hatte sich das Männlein blitzgeschwind



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umgekehrt, den Burschen gepackt und überschlagen, daß es ihm alle Glieder verdrehte und brach und selbst die Rippen entzwei schlug, und das Blut schoß ihm gutschweise aus Mund und Nase. Stöhnend blieb er im Kot liegen, bis zwei Knechte des Weges kamen und ihm forthalfen. Lange lag er siech danieder, nach und nach genas er aber wieder so weit, daß er an Krücken gehen konnte. Fortan zog er als Krüppel im Lande umher und bat allenthalben um Almosen für ein Vergeltsgott.


Das Spielmandli

Im Sagiboden unten am Käsenberg saßen am Abend oft die Küher beisammen, um ein Stündlein zu plaudern oder Karten zu spielen. Ihnen gesellten sich häufig Kohlenbrenner, Harzsammler und Kräutermänner. Zuweilen kam auch ein kleines fremdes Männlein. Sein Antlitz war rissig und schrundig wie Baumrinde und von fahler Farbe. Es blitzte aus aschgrauen, tiefliegenden Äuglein. Auf dein roten Haarschopf hatte es ein grünes Käpplein. Es hatte einen grauen Kittel an und lange, enge Hosen aus erdfarbenem Zeug und kurze Stiefel. Unter dem linken Arm hielt es stets eine Geige. Drum nannte man es: das Spielmannli. Meist saß es ganz ruhig und still in einem Winkel, zusammengekauert wie ein Kater, oder es wärmte sich am Feuer, halb kniend, halb hockend. Die gutmütigen Sennen gaben juni freundlich zu essen und zu trinken, damit es munter werde. Es dankte dann mit krächzender Stimme in einer mißtönenden Sprache, wovon man nur das eine oder andere Wort verstehen konnte. Und ani Ende fing es an zu geigen, allerlei alte und neue Tänze und fremdartige Weisen, daß es den Leuten ganz warm ums Herz wurde und in den Gliedern zuckte und ruckte, wie wenn man beim Kiltgang, auf der Kilbe oder bei der Hochzeit mit der Liebsten zum Tanz geht.



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Ja, so schön vertrieb das Spielmännlein den Sennen die Zeit durch sein seltsames Spiel, daß etwa der eine oder andere darüber säumig wurde und seiner Pflicht vergaß. Und darob gab es in den Alpstaffeln zuweilen Streit und blutige Köpfe. Oft geschah es auch, daß das Männlein sich wochenlang nirgends zeigte, und doch hörte man sein Spiel im Sagiboden bald diesseits, bald jenseits des Wildbachs. Dann hüteten die Sennen sich wohl, es anzurufen oder gar durch Spottworte herauszufordern.

Einmal aber kamen die Brüder Brügger, vom Volk nur die starken Marcher genannt, jolilend und gröhlend auf dem Heimweg aus dem Wirtshaus von Plaffejen über den Sagibodn. Da lüpfte ihnen der Weingeist die Kappe, und sie riefen < 110'. Ungetüm, wo versteckst du dich heut wieder? Bist du bei deinem Toggeli zur Kilt gewesen? Oder herzest du dein Fantumli auf dem Heu? Gelt, du Milchsuppenjäger, du darfst



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heute nacht nicht heraus aus deinem Nest!» —Plötzlich packte den riesenstarken Benz etwas hei den Schultern und klemmte ihm den Hals so eng zusammen, daß ihm der Schnauf nur so pfiff und die Augen aus dem Kopf quollen. Und eh er noch Ach und Hach sagen konnte, warf es ihn mit solcher Wucht auf den Boden, daß ihm Hören und Sehen verging. Stöhnend wälzte er sich im Kot. Und wenn er aufstehen wollte, so legte es ihn wieder um, so lang er war. Als sein Bruder Josi, ein Mann, groß und stark wie ein Eichbaum, ihm zu Hilfe sprang, da saß das Spielmannli schon hoch oben auf einem Tannenast und lachte gellend: «Trätscht nur heim und wetzt den Sabel!» Und dann spielte er ihnen, im Wipfel sich wiegend, allerlei auf. Die beiden Marcher wurden wild wie wütige Stiere. Sie nahmen Steine, Scheiter und Zaunstecken und bengelten aus Leibeskräften nach dein Wicht oben im Baume. Der aber lachte bloß, und ein Hagelwetter von Tannzapfen ging auf die beiden Raufbolde nieder. Und plötzlich zwirbelte und wirbelte ein ungestümer Wind die beiden Männer wie dürres Laub im Kreise, bis sie besinnungslos ins Gras fielen. Da lagen sie am andern Morgen, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, noch in starrem Schlaf, und man hatte alle Mühe, sie wieder aufzuwecken. Seit der Zeit aber seien die beiden Marcher gestört gewesen.


Die Zwerge und der Geißbub

Oben auf der Nestalp hausten Zwerge. Die fingen oftmals Kinder, schleppten sie zu Berg, uni sie zu mästen und dann zu schlachten. Einmal nahmen sie einen Geißbuhen zu sich und fütterten ihn gut, damit er ja recht feiße. Dem Buben, der sonst nur trocken Brot zu kauen hatte, gefiel es anfangs ganz gut bei dem Zwergenvolk, und er begehrte gar nicht nach Hause. Als er schon ordentlich rund und fett geworden



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war, weckte ihn eines Morgens ein altes Zwergenmutterli, wusch ihn sorgfältig und kämmte ihn schön. Als der Bub fragte, warum sie das tue, antwortete sie, heute sei Metzgete, er sei jetzt feiß genug. Dem Buben stand der Schopf zaungrad auf vor Schrecken, und er rannte — was gisch, was hesch davon. Das Weiblein ließ einen gellen Pfiff — da kamen alle Zwerge herbeigelaufen, und als sie vernahmen, daß der Buh entsprungen sei, liefen sie ihm nach. Bei den «Wüesten Matten » waren sie ihm schon dicht auf den Fersen. Die ganze Wiese war voller Heuhaufen. In seiner Angst verkroch sich der Bube in dem letzten Schochen. Die Zwerge durchstöberten den ersten Haufen, und wie sie ihn darin nicht fanden, sprachen sie: «Ist er nicht im ersten, so ist er auch nicht im letzten», und gingen davon.


Der Wechselbalg

Leute von Klosters nahmen ihr unlang geborenes Kind mit aufs Feld hinaus und legten es am Ram in den Schatten einer Tanne. Als die Mutter ihre Arbeit getan hatte, ging sie nach dem Kinde schauen. Doch wie erschrak sie, als sie in dem Korbe statt ihres Bühleins ein fremdes Kind erblickte mit spindelförmig verdrehtem Leib und einem dicken Krötenkopf. Die armen Eltern suchten überall nach ihrem rechten Kinde. Es war keine Spur von ihm zu finden. Schweren Herzens nahmen sie das fremde Geschöpf mit nach Hause und pflegten es. Überall aber fragten sie um Rat. Da sagte ein alter Mann, der mehr konnte als Brot essen, zu dem Vater, er solle alle Eierschalen, so viel nur im Hause zu finden seien, vor das Kind auf den Herd legen, wenn es schliefe, und heimlich zuschauen, wie es sich benehme, wenn es erwache, dann sollten sie hinzulaufen und es mit einer Rute schlagen und kein Erbarmen haben, wie sehr es auch schreie. Auf diese Weise



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würden sie vielleicht ihr Kind wieder erhalten. Die Mutter tat nach dem Rat des Alten, legte eine große Menge Eierschalen vor das Kind, das auf dem Herde in seinem Korbe schlief, und verbarg sich in einer Ecke der Küche. Wie nun das Geschöpf erwachte und die vielen Eierschalen erblickte, begann es alsbald zu reden und rief:
«Jetzt bin i sövel und sövel alt
und han die Boschga nünmal gsähn in Wies und Wald,
aber nie noch sövel Guckhäfeli uf einem Herd.»

Wie das Kind dies sagte, rannte die Frau herbei und schlug es mit der Rute, so hart sie konnte. Da sprang auf einmal wie von einem Windstoß die Haustür auf, eine Fänggin stürzte herein, ein schönes, wohlgewachsenes Kind auf den Armen, legte es auf den Herd, ergriff das garstige Kind und rief: «Se, nimm dys Kind, und ich nimm mys, du unbarmherzigs Muetterli!» Und lief auf und davon, und fort war sie —hast du nicht gesehen! —



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Die Kindlein beim Menschenfresser

Einmal gingen ein Büebli und ein Meiteli in den Wald zu Conters, um Erdbeeren zu günnen. Aber im Walde verloren sie den Weg und verirrten sich, und bald ward es finstere Nacht, und die zwei armen Kinder wußten nun gar nicht mehr, wo aus und wo ein. Plötzlich sahen sie ein Lichtlein in der Ferne schimmern; über Stock und Stein liefen sie darauf zu, und bald kamen sie zu einer Höhle. Das war die Wohnung eines wilden Waldfänggen. Er selber war grad nicht zu Hause, nur das Weiblein war daheim. Dem klagten sie ihre Not und weinten und jammerten, daß sie heut nicht mehr zur Mutter heim könnten. Das Fänggenmutterli erbarmte sich der armen Kinder und versteckte sie geschwind in einem Hühnerstall und deckte sie wohl mit Stroh zu, damit ihr Mann sie nicht sähe, wenn er dann heimkäme. Denn der Fängg war ein Kindlifresser.



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Nach einer Weile kam der Wilde heim zur Höhle. Aber gleich schnupperte er aus Nüstern, groß wie hei einem Roß, in der Luft herum und kehrte seinen breiten Lätsch gegen den Hennenstall: «J schmeck, i schmeck Menschafleisch», brüllte er und grinste vor Glusten nach einem solchen Leckerbissen. «Du Narr», rief die Fänggin, «du schmeckst nu Hennadreck!» Da gab sich der Fängg alsgemach zufrieden und trottete brummend wieder davon.

Jetzt öffnete die mitleidige Fänggin schnell das Törlein zum Hennenstall und ließ die Kinder heraus und begleitete sie noch durch den Wald bis auf den Weg, der sie gradengangs heim zur Mutter führte.


D Kind im Fenkahus

Do sind amol a Büebli und a Meiggeli ima Wald beim Erdbeerna an ara Fenki verko, und D Fenki stoht a, schwätzt fründli mit na und verzögglet sie, daß sie mitra gönd is Fenkahus; dert spert sie aber dia arina Tröpfli in Schwynstall und will sie mästa und mit der Zyt metzga, brotan und essa. S duret es Wyl, und D Fenki will luega, ob d Kind afanga lybig gnueg seien. In der Tür zem Schwystall ist an Astloch gsi, und do rüeft sie derdur yhi: «Büebli, gang, heb amol dv Zeigfingerli ussa, do dur das Löchli, i gib der a Krömli », und derwyl stoht sie mit dem offna Messer unter der Schoß schon grüst, i ds Fingerli z haua. S Büebli het gschwind en Schwyzah uf vom Boda gha, und dä steckts zum Löchli ussi: «Se, Fenki, do wär my Zeigerli!» D Fenki merkts nuit, daß s en Zah ist, nimmt ds Messer füra und will Speck und Fleisch abem Fingerli probiera; aber, du lieba Gott! ab dem Fingerli sind halt lützel Lempa zschnyda gsi. «S ist ja noch luter Bei», jommeret sie, «du magst s Mästa noch verlyda!» S Büebli zücht syn heinerna Zeiger zrugg, und D Fenki fot uf a neus a fuettera und hebt da Kinda noch meh



Vo Chline Luete-106. Flip

zua as früehjer. Jetzt, arno! vergißt sie, beim Fuettera d Tür z hschlüßa, und goht druf furt a Wyl dem Wald zua. S Büebli merkts, truckt s Fälieli, macht uf: «Kumm weidli, Schwösterli, mer springen heim!»

I 10111(1 und unbekannt sind sie gsi, und do gönd si dia zwe arina Kind halba 1. tod i dem Wald und zem Uglück könnt sie dua noch zem e breita tüfa Bach, wo sie nit üben könnd. Kama si tenka, wia sie jetzt dra sind: vor na sehen sie weder wyt noch nach a Brugg oder an Steg, und hinder na kunnt D Fenki zfahra. Aber tif eimol sind na Entli zuehi gschwumma und hend a jedweders sorgsam über da Bach träga. Grad sind sie üben gsi, so kunnt hinna D Fenki gloffa, aber dur de Bach z watta traut sie si halt nit. Sie wills noch listig afoh und rüeft da Kinda fründli zua: «Ja, tif der ganza haha Welt, sägen mer, ihr Herzkäferli, wia sind ihr ohni Weg und Steg über das wild Wasser ko?» S Büebli rüeft : «Jo, mv gueti Fenki, mir hend is a Brett ufs Füdli gnagelt und sind asaweg hergschwumma.» D Fenki isch so närrsch und glaubt, was ara s Büebli fürgit, und naglet si richtig au a Brett ufs Hinter und setzt si dermit ufs Wasser und meint, sie könn jetz au üben schwümma. Aber der Wildbach ryßt sie aba, wia sie au zabblet und werchet, und s schlaht sie im rucha Rinnsal halt meisterli um. S Büebli am Bort lacht derbei, daß es de Buch heba mueß, und nimmt dua sy Schwösterli am Arm, goht guets Muets wyter und kunnt mitsamt dem Schwösterli glückli hei zem Ätti.


hans Öfeli-Chächeli

Iii einem Dorfe lebten einmal zwei Bauern, die waren gute Freunde und hielten treue Nachbarschaft und halfen einander in allen Nöten. Der eine Bauer aber hatte eine Tochter, der andere einen Sohn, und die beiden waren schon als Kinder einander unzertrennliche Gespänlein,



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und je größer sie wurden, je lieber hatten sie sich und als sie groß waren, wurden sie miteinander versprochen.

Nun aber hauste in einem Erdloch oben am Berg ein Herdmannli, das stellte der schönen Tochter drunten im Tale nach und kam mehr in den Hof auf Besuch, als ihr und ihren Eltern lieb war, und brachte allemal kostbare Geschenke mit för das Weibervolk im Hause. Das Mädchen wollte von dem Zwerg nichts wissen, er war ihr gar zu häßlich und des Nachbars Joggeli gar zu lieb; aber die Geschenke des Wichtes deuchten sie über die Maßen schön. Und als er eines Tages wieder viele kostbare Sachen gebracht hatte, da stach ihr unter dem Kram ein blankes Ringlein in die Augen mit einem funkelnden Stein. Da konnte sie nicht länger widerstehen und steckte ihn an ihren Finger. Da sprach der Zwerg mit krächzender Stimme:

«Jetz bisch mys Brütli fyn,
J wird dys Mannli syn!»

Erschrocken zog das Mädchen den Ring ab, legte ihn wieder zu den andern Sachen und rief: Nein, ich will deine Geschenke nicht, und dich schon gar nicht!» Da ergrimmte das Männchen und warf im Zorn die Kostbarkeiten auf die Diele, stampfte und schüttelte sich und schrie: «So schnell sind wir nicht geschieden, du und ich heute iii drei Tagen komm ich wieder. Wenn du bis dahin meinen Namen weißt, dann bist du frei. Errätst du ihn aber nicht, dann folgst du mir als meine Frau dawider hilft dir nichts mehr in der \Velt! » Damit war der Zwerg verschwunden.

Beiden Leuten aber war grosse Not im Hause. Das Mädchen



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zerbrach sich den Kopf, und vor lauter Nachsinnen wurde es schier hinterfür. Aber es wollte ihm nichts in den Sinn kommen. Die Frist war fast gar schon verstrichen, nur noch ein Tag, und sie mußte die Frau des ungestalten Zwerges werden, denn die Zwerge haben die Füße nicht wie ander Leut, sondern nach rückwärts. An diesem Tag aber hütete ihr Liebster oben am Berg. Er saß am Ram bei seinen Geißen und sann darüber nach, was mit seinem Mädchen und dem Zwerge sich begeben, und wie er da saß und sann, da sah er aufsmal das Erdloch, das der Eingang war zur Höhle des Männchens, und eh er sich's versah, da trat der Zwerg selber hervor und hub an, gar närrisch sich zu gebärden, hüpfte und tanzte und sprang wie toll hoch in die Luft und sang dazu: «
He he, ho ho, liii hu
hinecht choch ich es Chrütli
more hol i mys Brütli
Hoi, Rädli spinn!
Hoi, Haspeli winn!
Ei, Gott sygs dankt,
mys Schätzli nit weiß,
daß i Hans Öfeli-Chächeli heiß!»

Wer zuletzt lacht, lacht am besten dachte der Bursche und merkte sich den Namen, und abends eilte er geradeswegs zu seiner Liebsten.

Andern Tags kam das Männlein zur Mittagszeit in die Küche, um die Braut heimzuführen. Er trat vor das Mädchen und fragte spöttisch: «Nun, Herzeli, weißt du meinen Namen schon?» Das Mädchen aber tat, als wisse es den Namen nicht: n Heißest du etwa Gragörli?» fragte sie und verzog das Gesicht, als ob der Rauch vorn Herd ihr die Nase heize. «Oder Struheli-Chutzli oder Gixi-Gäxi oder Chussi-Muissi oder Muggi-Stutz?» — «Lätz! lätz!» rief der Zwerg bei jedem Namen und hüpfte vor Freude von einem Bein aufs andere. — «Dann



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heißest du am End gar Hans Öfeli-Chächeli?» Das Männlein erschrak, stampfte vor Zorn, fluchte und schrie: «Das hat dir der Teufel gesagt, du wüste Hex! », fuhr zum Rauchloch aus und ist nie wieder ins Tal gekommen.


Die faule Spinnerin

Es war einmal eine Mutter. Die hatte eine einzige Tochter, und die war eben kein häßliches Mädchen, nein hübsch und fein von Leib und Antlitz. Aber arbeiten, nein, das tat sie nicht gern. Viel lieber saß sie müßig in der Stube und aß gute Sachen und schlief allmorgen in den Tag hinein, bis die Sonne hoch am Himmel stand. Und war sie endlich aus den Federn, so faulenzte sie weiter. Die Arbeit in Haus und Stall ließ sie die Mutter besorgen. Da aber die Mutter mit ihren müden Gliedern und zittrigen Fingern nickt mehr das Spinnrad treten und den Faden drehen konnte, so hieß sie die Tochter spinnen. Aber die rührte den Rocken nicht an, und am Abend war der Faden so lang als am Morgen. Eines Tages gebot ihr die Mutter wieder, wie so manchesmal, sich ans Spinnrad zu setzen. Das Mädchen tat's, trat aber nicht, und das Rad blieb still stehen. Da lief der guten Frau die Galle über. Handlich langte sie nach einem Stecken und schlug scheltend auf die träge Tochter ein, jagte sie zum Haus hinaus und lief noch ein Stück weit hinter ihr drein durch die Gasse und schrie in einem fort : «Ich will sie nicht mehr! Ich will sie nicht mehr! »

In eben diesem Augenblick kam ein vornehmer Herr am Hause vorüber gegangen und sah und hörte alles, und das weinende Mädchen tat ihm leid. «Was tut Ihr so wüst mit dem armen Ding! » rief er, «schämt Ihr Euch denn nicht, daß Ihr sie so schlagt und scheltet!» Das war der Mutter gar nicht recht, und schnell sprach sie zu dem Fremden: «Ach, mein lieber Herr, so sagt mir doch, was soll ich denn



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mit dem Mädchen machen? Nichts als spinnen will sie den lieben langen Tag, nichts als spinnen. Sieben Spindeln voll hat sie heut schon gesponnen. Und jetzt habe ich keinen Hanf mehr. Nein, einen Setzkopf hat das Kind, den kann keiner zurechtsetzen! »--Sprach der Herr: «Und darum straft Ihr sie so hart? Ich glaube schier, Ihr habt ein Rädlein zuviel im Kopf. Nein, gute Frau, wißt Ihr was, kann Eure Tochter
so gut spinnen, dann gebt sie mir zur Frau. Eine fleißigere Frau finde ich ganz gewiß nicht auf der Welt, und Flachs und Hanf und Lein soll sie von mir bekommen, so viel ihr Herz begehrt und ihre Hände halten. Das laßt meine Sorge sein!» — Die Rede läßt sich hören, dachte die Mutter und war herzensfroh, daß ein so feiner Mann an der faulen Grete Gefallen fand, und mit tausend Freuden sagte sie Ja. Und das Mädchen, ja, das war froh, daß es von der Mutter fortkomme in ein Haus, wo es nicht mehr arbeiten müsse. Also ward die Hochzeit gefeiert, und der fremde Herr führte seine junge Frau nach Hause.


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Andern Tags schon kaufte der Mann einen großen Haufen Flachs, eine ganze Kammer voll, und sprach: «Höre, Frau, morgen gehe ich für drei Tage in die Berge auf die Jagd. Du dreh derweil nach Herzenslust dein Rad, und wenn ich Samstag abend wieder komme, muß all dieser Hanf fix und fertig zu Faden versponnen sein!» Die Frau machte ein Gesicht, als tränke sie aus einer Essiggiitter, und sprach: «Ach Gott, lieber Mann, aber ich kann doch gar nicht spinnen!» Da aber ward der Mann zornig: «Was muß ich hören!» rief er, «meinst du, ich habe dich zur Frau genommen, daß du in der Stube auf dem Stuhl hockst und den lieben langen Tag die Hände in den Schoß legst? Vorwärts jetzt, gleich ans Werk!» Und damit war er zur Tür hinaus und fort.

«Oh weh mir Armen, was soll ich nur machen?» dachte die junge Frau. «Warum habe ich meiner Mutter nicht gefolgt und fleißig gesponnen!» Und die Tränen rannen ihr über das Gesicht herab wie ein Bächlein. Denn hätten auch hundert Mägde Tag und Nacht gesponnen, den Haufen Flachs hätten sie in drei Tagen nicht bewältigt. Ratlos stand sie vor ihrem Rocken zu und rang die Hände. Plötzlich hörte sie von draußen auf der Gasse eine schrille Stimme, die rief:

«Holla holla ho
Holla holla ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!
Mys Rädli spinnt,
Mys Häspeli windt.
Tüend uf das Lädli!
J spinn Eu s Fädli,
Gschwind wie der Wind,
Ihr schöne Chind!
Houa houa ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!»


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Flugs schaute die faule Frau zum Fensterhinaus. Da sah sie bei einem Karren zu ein kleines Männlein stehn, in einem zündfeuerroten Gewändlein, ein spitzes Mützlein auf dem Kopf. Gleich winkte sie den seltsamen Gesellen herauf in die Küche, und tipp tapp -schlurpte und schlarpte der Wicht die Treppe herauf. Sie zeigte ihm die Kammer voll Flachs: «Du, dieser Haufen da sollte bis Samstag abend fix und fertig zu Faden versponnen sein!» —«Ei», antwortete das Männlein, «das ist keine Sache für unsereinen. Ich kann Euch den Faden noch vor Samstag fix und fertig gesponnen bringen. Ein Fädlein so fein, so fein, wie keines sonst unter der Sonne gesponnen wird.» — «Ja, aber was verlangst du dafür?» fragte die Frau. «Nichts, gar nichts will ich dafür. Ihr müßt mir nur, wenn ich den Faden bringe, unter dreien Malen meinen Namen nennen. Erratet Ihr ihn nicht, so trag ich Euch samt dem Faden davon!» — Kommt Zeit, kommt Rat, dachte die Frau, wenn nur der Flachs Faden wird, ehe mein Mann heimkommt, und sagte ja. Da räumte das Männlein im Handkehrum die ganze Kammer aus, daß von dem Flachs auch nicht ein Fädchen übrig blieb. Und sieben Säcke lud es auf seinen Karren, und wie der Blitz war es davongefahren.

Kaum war das Männlein fort, da fiel es der Frau bleischwer aufs Herz, so daß ihr die Knie zitterten vor Angst. Wie sollte sie auch den Namen des sonderbaren Spinners erraten? Wer in aller Welt mochte ihn kennen? «Ach Gott, was wird aus mir werden», dachte sie, «wenn ich den rechten Namen nicht weiß? Und was wird mein Mann sagen, wenn er heimkommt und das Haus leer findet?» Und sie sann und satin und sann, und je länger sie so sann, desto hänger ward es ihr zu Mute.

Und wie sie so dasaß und sann, so war es unversehens Abend geworden, und draußen dämmerte es. «Nein», dachte sie, «ich will doch nach der Lampe sehen!» Aber da war der Docht trocken, und als sie



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01 nachschütten wollte, da war die Flasche leer. Sie nahm also einen Sack voll Baumnüsse auf die Achsel und brachte sie in die Öle. Die lag zuhinterst hinten im Tale an einem Wildbach, dessen Wasser das Mühlwerk trieb. Als sie hinkam, war es bereits allerwegen dunkle Nacht. Da erblickte sie aufsmal von ferne einen hellen Feuerschein. In der Kluft brannte ein flammender Holzstoß, davon der Glast stand. Darum herum hockte im Kreise eine Schar uralter, verhutzelter Weiblein mit silbernen Spindeln und spannen und spannen, daß die Rädlein nur so surrten und schnurrten - rrr-rrr-rrr -fast gar wie ein Sägewerk. Vor der Lohe aber schwanzte und tanzte ein kleines Männlein in einem zündfeuerroten Gewändlein, ein spitziges Mützlein auf dem Kopf, und sprang und sang in einem fort:
«Holla houa ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!
Wien i recht heiß,
Niemer rut weiß.
Heiß, wie der Ätti tuet:
Hans mit em spitzige Huet.
Juheia Iuhei!
Morn hol i sie hei,
Die fuli Frau
Mueß spinnen au!
Houa holla ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!»

Als die Frau das hörte, da sprang sie vor Freude hoch auf, daß ihre Schürze flog, und wie ein Zicklein hüpfte und müpfte sie den ganzen Weg bis heim.

Am andern Tag kam das rote Männlein mit seinem Karren wieder zum Hause der Frau und rief:



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«Houa houa ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!
Mys Rädli spinnt,
Mys Häspeli windt,
Tüend tif das Lädli!
J spinn Eu s Fädli,
Gschwind wie der Wind,
Ihr schöne Chind!
Houa houa ho!
Der Spinn-Spann-Spunn isch do!

Dann lud er ab und trug die Fadenbündel -tipp tapp -die Treppe hinauf in die Stube. «Also gute Frau », sprach er höhnisch und legte die Bündel auf den Tisch, «da ist der Flachs, alles fix und fertig zu Faden versponnen, ein Fädlein so fein, so fein, wie keines sonst unter der Sonne versponnen wird! Aber nun, sagt mir auch meinen Namen in dreien Malen!» Und wie er das sagte, grinste und blinzte er, und trat von einem Fuß auf den andern. Die Frau aber tat ganz erschrocken und machte ein Gesicht, als besänne sie sich. Dann sagte sie: «Heißest du etwa Churri-Murri.» — «Nein, nein», rief das Männlein, «eins vorbei!» —«Ja so heißest du vielleicht Gicki-Gäcki », sprach die Frau. «Nein, nein », rief das Männlein, «zwei vorbei! » —«Ja dann», sprach die Frau, «dann heißest du sicherlich Hans mit em spitzige Huet.» «Ohu, ohu!» schrie das Männlein, so schrill, daß es einem in den Ohren gellte, und juckte auf bis gar schier an die Decke, als hätt's die Viper gestochen, knirschte vor Grimm mit den Zähnen, bleckte und belferte wie ein böser Köter. Und plötzlich fuhr es durchs Rauchloch auf und fort in die Luft, daß es im ganzen Hause tutete und chutete, als wäre Sturm. Die Frau aber legte die Fadenbündel sorglich in den Kasten und wartete auf ihren Mann. Am Samstag lief sie auf die



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Wiese und sammelte leere Schneckenhäuslein, große und kleine, und band sie sich auf den Rücken unters Umtuch. Als nun der Mann abends nach Hause kam und seine Frau umarmte, da machte es krick krack, krick krack. «Was macht und kracht denn so an dir?» fragte er verwundert. «Ach Gott, lieber Mann, das kommt vom vielen Spinnen. Davon sind mir alle Knochen im Leibe zerbrochen. Vom vielen Spinnen, lieber Mann.» — «Nein, nein, ums Hirnmelswillen, Frau, du darfst mir nie mehr spinnen. Ich will lieber eine heile Frau und zerschlissene Laken, als ganze Laken und eine Frau mit zerbrochenen Knochen», sagte der Mann und schmiß die Spindel ins Feuer.

Und fortan hatte die faule Frau das gemächlichste Leben, und wenn sie nicht gestorben ist, so faulenzt sie am End noch heute.


Die Spinnerinnen

Die Frau auf Vulpera war die fleißigste Hausmutter weit und breit im Tal. An den langen Winterabenden wurde allemal bis tief in die Nacht gesponnen, und da kamen oft zwei wunderschöne fremde Mädchen mit langen, flachsblonden Flechten, in schneeweißen, schimmernden Kleidern zu Hof. Niemand wußte, woher sie kamen und wohin sie gingen. Sie brachten goldene Spindeln mit und haben gar fleißig gesponnen. Und manchmal nahmen sie die schönen glatten Flachswickel der Hausfrau auf ihren Rocken und spannen ihn der feinsten Seide gleich. Niemals aber redeten sie auch nur ein Wörtlein. Bloß wenn ein Faden brach, sagte die eine: «Faden ab», und die andere erwiderte: «Knüpf an.» Wenn ein paar Spulen voll gesponnen waren, wurden sie gehaspelt oder geweift. Und wer auf den Hof kam, bewunderte die schönen Garnstränge an der Wand. Denn allen Flachs, den sie gesponnen hatten, ließen sie der Bäuerin. Allemal aber, wenn die Zeit



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um war, standen die Mädchen auf, nahmen ihre zierlich gedrechselten Rädchen zur Hand, verneigten sich und gingen ebenso still, wie sie gekommen. Man hätte glauben mögen, daß sie gar nicht schritten wie andere Leute, sondern es war, als berührten sie mit ihren Sohlen gar nicht den Boden.

Als der Winter wieder einmal um war und damit die Spinnzeit zu Ende, meinte die Frau auf Vulpera, sie wolle den beiden fleißigen Spinnerinnen ihre Dankbarkeit zeigen. Und so rüstete sie eines Abends ein festliches Essen: Milch kam auf den Tisch und Butter, Speck, Eier, Honig und Käse, ja sogar feines Weißbrot aus der Stadt und roter Veltliner. Und nun sollte der ganze Hof mit den Mädchen zusitzen. Die aber machten traurige Mienen und schüttelten still den Kopf. Als die Bäuerin ihnen zusprach, reichten sie ihr ein Garnknäuel und sprachen ganz leise mit feinen Stimmen: «Für deinen guten Willen! Lohn um Lohn! »,gingen geschwind davon und sind niemals wiedergekommen. Das Garnknäuel aber wurde niemals gar oder alle, wie viel Stränge immer die Frau davon abhaspeln mochte.


Der Vogel Grvf

S isch äinisch e Chönig gsi -won er gregiert het und wien er ghäiße het, wäiß i nümme. Dä het käi Sohn gha, nummen en äinzigi Tochter; die



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isch immer chrank gsi, und käi Dokter het se chönne häile. Do isch em Chönig profizeit worde, sy Tochter wärd si an Öpfle gsund ässe. Do loht er dur sys ganze Land ustrumpete: wer syrier Tochter Öpfel bringi, daß sie si gsund dra chönn ässe, dä mües se zur Frau lia und Chönig wärde.

Das het au ne Pur verno, wo drei Söhn gha liet. Do säit er zum eltste: «Gang ufs Gaden ufe, nimm e Chratte voll vo dene schönen Öpfle mit rote Bagge und träg sen a Hof; villicht cha si d Chönigstochter gsund dra ässe, und de darfsch se hürote und wirsch Chönig.» Dä Kärli Bets eso gmacht und der Wäg under d Füeß gno. Won er e Zytli gange gsi isch, bchunnt ein es chlys ysigs Mandli, das frogt ne, was er do i dem Chratte häig. Der Ueli -denn eso het er ghäiße -isch e chly meisterlos gsi, liet dänkt, das gang dä Höck nüt a, und git etui zur Antwort: «Fröschebäi!» Das Mandli säit druf: «No, no, es sölle si und blybe», und isch wyter gange. Äntli chunnt der Ueli fürs Schloß un



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lot si amälde, er heb Öpfel, wo d Tocliter gsund mache, wenn sie dervo ässe tüei. Das het de Chönig grüseli gfreut, und er lot der Ueli vor sich cho. Und dä liet fast nit möge gwarte, bis er het dörfe sy Chratte ufs Chönigs Tisch leere. Aber o häje! won er ufdeckt, so het er für Öpfel Fröschebäi im Chratte, wo no zabblet händ. Drob isch der Chönig galgemäßig ertaubet, het d Nase zämme gchlemmt und schnarzt: «Wart, du Sapperlottsbueb du, i will der!» —und loht ne mit Schimpf und Schand zum Hus us jage.

Won er häi cho isch, so verzellt er ein Ätti, wies em gangen isch. Do schickt der Ätti der no-eltst Sohn, wo Sämi ghäiße het; aber dem isch es ganz glych gange wien em Ueli. Es isch ein halt au es chlys ysigs Mandli bcho, und das liet ne gfrogt, was er do i dem Chratte häig; der Sämi säit «Söuborst», und das ysig Mandli säit: «No, no, es sölle sv und blybe.» \Von er do vors Chönigs Schloß isch cho und säit, er heb Öpfel, a dene si d Chönigstochter gsund chönn ässe, so händ sie ne fit wellen yne loh und händ gsäit, es seig scho äine do gsi und heh se füre Nare gha. I )er Sämi het aber aghalte, er heh gwüß deren Öpfel, sie sölle ne nummen yne bu. Äntli händs ein glaubt, und füehrene vor e Chönig. Aber won er sy Chratten ufdeckt, so liet er halt Söuborst. Das het der Chönig gar schröckli erzürnt, so daß er der Sämi vo syne Chnächte us ein Hus het loh peutsche.

Won er häi cho isch, so het er gsäit, wies em gangen isch. Do chunnt der jüngst Bueb - dem händ sie Numine der dumm Hans gsäit - und frogt der Ätti, ob er au mit Öpfel dörf goh. «Jo», säit do der Ätti, «du wärsch grad der rächt Kärli derzue, wenn die Gschide nüt usrichte, was wettisch denn du usrichte!» Der Blieb het aber nit 110— gloh «E woll, Ätti, i will au goh.» — «Gang mer doch ewägg, du dumme Kärli, du muesch warte, bis gschider wirsch», säit druf der Ätti und chehrt em der Rügge. Der Hans aber zupft ne hinden am Chittel: «E woll, Ätti, i will au goh.» —«No, mynetwäge, so gang,



Vo Chline Luete-119. Flip

du wirsch wol wider umme cho», git ein der Ätti zur Antwort ime nydige Ton. Der Bueb isch vor Freud schier a d Dieli gumpet. «Jo, tue jetz no wie ne Nar, du wirsch vo ihm Tag zum andere no dümmer», säit der Ätti wieder. Das het aber im Hans nüt gmacht, und er het si i syner Freud fit loh störe. Wyls aber gly Nacht isch gsi, so liet er dänkt, er wöll warte bis am Morge, er möcht hüt doch nümmen a Hof gcho. Znacht im Bett liet er nit chönne schlofe, und wenn er au nes Wyli vertnuckt isch, so Bets ein traumt vo schöne Jumpfere, vo Schlössere, Gold und Silber und allerhand dere Sache nich.

Am Morge früeh macht er si uf der Wäg, und gly druf bchunnt ein es chlys munzigs Mandli immen ysige Chläidli und frogt ne, was er do i dem Chratte häig. Der Hans git em zur Antwort, er lieb Öpfel, a dene d Chönigstochter si gsund sött ässe. «No, no», säit das Mandli, «es sölle söttig sy und blybe.» Aber am Hof händs der Hans partu nit wöllen yne lob, denn es seige scho zwee do gsi und liebe gsäit, sie bringen Öpfel, und do heh äine Fröschebäi und der ander Söuborst gha. Der Hans het aber gar grüseli aghalte und bittet und hättet, er lieb gwüß käini Fröschebäi und käini Söuborst, vo de schönsten Öpfle häig er, wo im ganze Chönigrych wachse. \Von er du so ordeli gredt het, so dänke d Türhüeter, dä chönn nit lüge, und lönd en yne; und sie händ au rächt gha, denn wo der Hans sy Chratte vor cm Chönig abdeckt, so sind goldgäli Öpfel füre cho. Der Chönig het si gfreut und lot gly der Tochter dervo bringe und wartet jetz und blanget, bis men cm der Bricht bringi, wie sie gwürkt liebe. Und nit langi Zyt vergoht, so bringt ein öpper Bricht. Aber was mäined er, wer isch das gsi? D Königstochter sälber isch es gsi! Sobald sie vo denen Öpfle het gässe gha, isch sie gsund usem Bett gumpet.

Wie der Chönig e Freud gha het, dia me nit säge. Aber jetz het er d Tochter dem Hans nit wölle zur Frau ge und säit, er rnües ein zerst no ne Wäidlig mache, wo ufern trochne Land wäidliger göi as im



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Wasser. I )er Hans isch des zfriede gsi und goht häi und verzellt, wies em gange seig. 1)0 schickt der Ätti der Ueli is Holz zum e söttige Wäidlig go mache. Dä het flyßig gwärchet und derzue fröhlech pfiffen und gsunge. Z mittag, wo d Sunnen am höchste gstanden isch, chunnt es chlys ysigs Mandli und frogt ne, was er do mach. Der Ueli git eni zur Antwort: «Chelle.» Das ysig Mandli säit: «No, no, es sähe sy und blybe.» Lobe mäint der Ueli, er heb jetz e Wäidhig gmacht, aber won er het wöllen yhesitze, so sinds alles Chelle gsi. Der ander Tag goht der Sämi i Wald, aber s isch em ganz glych gange wien eni Ueli. Am dritte Tag goht der dumm Hans. Er schaffet und wärchet rächt flyßig, daß es im ganze Wald tönt het vo syne Schläge, derzue singt er und pfyft er lustig, wien e Vogel ufern Ast. Do chunnt wieder das chly Mandli z mittag, wos am häißeste gsi isch, und frogt ne, was er do mach. E Wäidlig, wo uf em trochne Land wäidliger göi as ufern Wasser, und wenn er dermit fertig seig, so chöm er d Chönigstochter zur Frau über. —«No, no», säit das Mandli, «es söll e so äine sy und blybe.» 7. obe, wo d Sunne z Gold gangen isch, isch der Hans au fertig gsi mit sym Wäidlig und Schiff und Gscher. Er sitzt yhe und ruederet der Residenz zue. Der Wäidlig isch aber eso gschwind gange wie der Wind. Der Chönig Bets vo wytem gseh, will aber cm Hans sy Tochter nonig ge und säit, dunden im Höfli häig er hundert Hase; mit dene mües er zerst no i Wald use z Wäid fahre und se hüete vom Morge früeh bis zobe spot, und wenn em bine furt chöm, so chöm er d Tochter nit über.

I )er Hans isch des zfriede gsi, und am andere Tag am Morge früeh trybt er sy Herd uf d Wäid i Wald use und paßt verwandt uf, daß em käme dervo laufi. Wo aber d Hase gmerkt händ, si seige jetz uf der Wäid, isch bine hüst, der ander bott, uf und furt über Studen und Stück, und im Handchehrum het me käme nich gseh. Der Hans het de ganz Tag geng nu as Chönigstöchterli müeße dänke; a d Hase het er nümme dänkt, bis s Vesperglöggli im Schloß obe lütet und d Waldvögeli



Vo Chline Luete-121. Flip

in ihn Näster gfloge sind. Jetz won er sött häi fahre und käin Nagelgroß vorne Has gseht und em s Härz efange böpperlet, chunnt das chly Mandli wieder derhär und frogt ne, was er do tüei. I le, do mües er hundert Hase hüete, daß ein käme dervo lauf, und denn dörf er d Chönigstochter hürote und wärdi Chönig. — «Guet und wohl!» säit das Mandli, «do hesch es Pfyfli, und wenn der öppen äine furtlauft, so pfyf Numine; denn chunnt er wieder umme.» Säits und pfödelet i d Studen yhe. Der Hans nimmt das Pfyfli und säit zuen ein sälber: «Mer wänd luege, was das chönn », nimmts as Mu! und spilt druf es Gsätzli. Gseht ihr jetz, wie die Hasen us allen Egge chömme go z springe und s Mandli machen um ihre Hirt umme. Sie hocken uf ihn Stumpe, händ s Tälpli hinders Ohr und losen uf d Musig. Jetz fahrt er mit ne em Schloß zue. Ahi hundert ufs Tüpfli sind schön kantsam voreweg spaziert. Der Chönig het es chrumms Mu! gmacht, won er sen abzellt und findt, es fähli käis Bäi, und säit: «Du muesch se rnörndrisch no äinisch go hüete, susch guts nit.»

Em Chönigstöchterli zlieb liet der Hans ohni Murren und Clinurre syni Hasen am andere Morge wieder z Waid tribe. Nit mängi Stund isch vergange, so chunnt e Magd vom Schloß und säit zum Hans, er söll ere gschwind e Has ge, sie heben im Schloß obe Visiten übercho. Der Hans het aber wol gmerkt, wo das use will, und säit, er gäb e käme, der Chönig chönn denn morn syner Visite mit Hasebroten ufwarte. D Magd het aber nit nogloh, und am Änd foht sie no a räsenniere, bis es em Hans afange ganz sturm im Chopf worden isch. Und er säit, guet er weil ere ne Has ge, wenn sie Numine afe stille seig. Und er git eren äine is Fürtüechli yne. Aber wo sien es Schützli wyt dermit gloffe gsi isch, so pfyft der Hans, und der lias springt ere zum Schäubli use und - was gisch was hesch staubvombode - wieder zur Herd zrugg. Wos Obe gsi isch, so pfyft der Hasehirt non emol und luegt, ob ahi do seige, und trybt se häi zum Schloß. Der Chönig liet si baß verwunderet,



Vo Chline Luete-122. Flip

wies ächt der Hans häig möge gmache, au hüt die hundert Hase z hüete, daß em käme dervo gloffen isch. Er will ein aber (1 Tochter äineweg nonig ge und säit, er mües se morn no äinisch go hüete, susch gältis tut.

Was het der Hans anders wölle mache? —S Chönigstöchterli het er wölle. — Und so trybt er halt am andere Tag non emol syni hundert Hase z Wäid. Unlang, so chunnt säli Magd wieder ztrappe und wott no äinisch e lias von ein. Do säit der Hans, ihre gäb er e käme meh, sie lieb geschter scho äine gha. Aber wenn d Chönigstochter sälber chöm, so weil ere ne lias ge. Das het d Magd im Schloß gsäit, und d Tochter isch sälber gange. Wo d Tochter cho isch, so säit der Hans, guet, wenn sie eni es Schmützii gäb oder susch öppis Guets. Was het (1 Prinzässi anders wölle mache? Ihre Has het sie müese ha. und so spitzt sie s Müli und macht em Hans halt es Müntschi. Und er git ere ne Has is Fürtüechli yne. Und mit dem Has isch s Töchterli häi gloffe, so gschwind, as es het möge, und enanderno i d Chuchi, wo der Chönig sälber scho parad gstanden isch mit eme große Mässer für de Has grad z metzge, daß er ömel jo nümmen entrünni. S Chuchimäitli het ne müese lia, bis der Chönig s Mässer non emol gwetzt gha het, daß es au jo guet haui. Plötzli pfyfts im Wald usse: der lias schüttlet sys Stümpli und fahrt mit syne Chläile der Jumpferen übere Buch abe - und uf und furt zum Schüttstäiloch us. [)er Chönig het de hurtig gwetzt gha! Aber jetz isch nüt meh z mache gsi - as e längi Nase!

Jetz Bets der Chönig afe dunkt, der Hans mües sy Tochterma wärde, do hälf e käi List und käi Luigi meh, es mües jetz sy. Aber äinisch het ers doch no wölle probiere, dä kurios Wärber abzschüssele. Und zobe, wo der Hans häi chunnt und wieder ahi Hase ufs Tüpfli bringt, säit der Chönig zuen em, er gäb ein d Tochter äinewäg nonig; zerscht mües er eni no ne Fäderen us s Vogel Gryfe Stiel bringe. Was mache?



Vo Chline Luete-123. Flip

Am andere Tag, wo d Sunnen ufstoht, nimmt der Hans de Wäg under d Füeß und marschiert rächt handli vorwärts. Zobe chunnt er zue mene Schloß, do frogt er um es Nachtlager, denn sälbesmol het me no käini Wirtshüser gha; das säit ein der Her vom Schloß mit viele Freude zue und frogt ne, wout er ane wöll. Der Hans git druf zur Antwort: «Zum Vogel Gryf.» — «So, zum Vogel Gryf, me säit arne, er wüß alles, und i ha ne Schlüssel zuen eren ysige Gäldchiste verlöre Ihr chönntet doch so guet sy und ne froge, won er seig.» — «Jo fryli », säit der Hans, (<das will i scho tue.» Am Morge früeh isch er do wyter gange und chunnt unterwägs zuem enen andere Schloß, won er wieder über Nacht blybt. \Vo d Lüt drus verno händ, daß er zum Vogel Gryf wöll, so säge sie, es seig im Hus e Tochter chrank, und sie liebe scho ahi Mittel brucht, aber käis wöll hälfe; er söll doch so guet sv und der Vogel Gryf froge, was die Tochter wieder chönn gsund mache. Der Hans säit, das wöll er gärn tue, und goht wyter. Do chunnt er zue mene Wasser, und anstatt eine Feer isch e große, große Ma do gsi, wo all Lüt het müesen übere träge. Dä Ma het der Hans gfrogt, wo si Räis ane göi. «Zum Vogel Gryf», sait der Hans. «No, wenn er zuen chömet », säit do der Ma, «so froget nen au, worum i all Lüt mües über das Wasser träge.» Do säit der Hans: «Jo, by Gott, jo, das will i scho tue.» Der Ma het ne do uf d Achsle gno und übere träit.

Äntli chunnt do der Hans zum Hus vom Vogel Grvf, aber do isch Numine cl Frau dehäime gsi und der Vogel Grvf sälber nit. Do frogt ne d Frau, was er wöll. Do liet ere der Hans alles verzellt, daß er e Fädere sött ha us s Vogel Gryfe Stiel, und denn liebe sie imene Schloß der Schlüssel zuen ere Gäldchiste verlöre, und er sött der Vogel Gryf froge, wo dä Schlüssel seig; denn seig imen andere Schloß e Tochter chrank, und er sött wüsse, was die Tochter chönn gsund mache; denn seig nit wyt vo do nes Wasser und e Ma derby, wo d Lüt mües übere träge, und er möcht au gern wüsse, worum dä Ma all Lüt mües übere träge. Do



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säit die Frau: «JO lueget, my guete Fründ, s cha käi Christ mit em Vogel Gryf rede, er frißt sen all; wenn Er aber wänd, so chönned Er under sys Bett undere ligge und z nacht, wenn er rächt fest schloft, so chönned er denn use länge und em e Fädere usem Stiel schryße; und wäge dene Sache, won er wüsse söttet, will i ne sälber froge.» Der Hans isch des alles zfriede gsi, und schluft ünders Bett undere.

Zobe chunnt der Vogel Grvf häi, und wien er i d Stube chunnt, so säit er: «Frau, i schmücke ne Christ!)> — «Jo», säit do d Frau, «s isch hüt äine do gsi, aber er isch wieder furt», und mit dem het der Vogel Gryf nüt meh gsäit. Zmitts i der Nacht, wo der Vogel Gryf gschnarchlet het wien es Sagiwärch, so hängt der Hans ufe und ryßt cm e Fäderen us em Stiel. Do isch der Vogel Gryf plötzli ufgjuckt und säit: «Frau, i schmücke ne Christ, und s isch mer, s heb mi öpper am Stiel zehrt.» Do säit d Frau: «De hesch gwüß traumet, und i ha der jo hüt scho gsäit, s isch e Christ do gsi, aber er isch wieder furt. Dä het mer allerhand Sache verzeih. Sie heben miene Schloß der Schlüssel zuen ere Gäldchiste verlöre und chönne ne nümme finde.» — «O die Nare», sait der Vogel Gryf, «dä Schlüssel lyt im Holzhus hinder der Tür undere Holzbyg.» —«Und denn het er au no gsäit, imene Schloß seig e Tochter chrank, und sie wüsse käis Mittel für se gsund z mache.» — «O die Nare)>, säit der Vogel Gryf, «under der Chällerstäge het e Chrott es Näscht gmacht von ihre bore, und wenn sie die Hoor wieder hett, so wär sie gsund.» —«Und denn het er au no gsäit, s seig amenen Ort es Wasser und e Ma derby, dä mües all Lüt übere träge.» — «O da Nar», sait der Vogel Gryf, «tät er nummen emol äine zmitts dry stelle, er müeßt denn käme meh übere träge.»

Am Morge früeh isch der Vogel Gryf ufgstande und isch furt gange. Do chunnt der Hans underem Bett füre und het e schöni Fädere gha; au het er ghört, was der Vogel Gryf gsiit het wäge dem Schlüssel und der Tochter und dem Ma. d Frau vom Vogel Gryf het cm do alles



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non emol verzeih, daß er jo nüt vergässi, und denn isch er wieder häizue gange. Zerst chunnt er zum Ma bym Wasser, dä frogt ne gly, was der Vogel Gryf gsäit lieb. Do säit der Hans, er söll ne zerst übere träge, er wöll ems denn däne säge. Do träit ne der Ma übere. \Von er däne gsi isch, so säit em der Hans, er söll nummen äinisch äine z rnitts dry stelle, er rnües denn käme meh übere träge. Du het si der Ma
grüseli gfreut und säit zum Hans, er weil ne zum Dank non emol umme und äne träge. Do säit der Hans, näi, näi, er weil eni die Müeih erspare, er seig susch mit cm zfriede, und isch wyter gange. Do chunnt er zue dem Schloß, wo die Tochter chrank gsi isch. Die nimmt er do uf d Achsle, denn sie het nit chönne laufe, und träit se d Chällerstägen ab und nimmt das Chrottenäst under em underste Tritt füre und gits der Tochter i d Händ, und die springt eni ab den Achslen abc und vor ein d Stägen uf und isch ganz gsund gsi. Jetz händ der Vater und d Mueter e grüsligi Freud gha und händ dem Hans Gschänke gmacht vo Gold und Silber, und was er Numine het wölle, das händs ein ge. Wo do der Hans is ander Schloß cho isch, isch er gly is Holzhus gange


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und het hinder der Tür under der Holzbygi der Schlüssel richtig gfunde und het ne do dem Her brocht. Dä liet sie au fit wenig gfreut und het dem Hans zum Lohn viii vo dem Gold ge, wo i der Chiste gsi isch, und sust no allerhand für Sache, so Chüeh, Schoof und Gäiße.

Wo der Hans zum Chönig cho isch mit dene Sachen alle, mit dem Gäld und dem Gold und Silber und dene Chüehne, Schoofen und Gäiße, so frogt ne der Chönig, won er au das alles übercho heb. Do säit der hans, der Vogel Gryf gäb äim so vil me wöll. Do dänkt der Chönig, er chönn das au bruuche und macht si au uf der Wäg zum Vogel Gryf. Aber won er zue dem Wasser isch cho, so isch er halt der erst gsi, wo syt ein Hans cho isch, und de Ma stellt e zmitts ab und goht furt, und syt do het der Chönig müese (1 Lüt übere träge. Der Hans aber het d Tochter ghürotet und isch Chönig worde.


Die Feenfrau

Es waren einmal zwei Zwillingsbrüder, die waren so schön wie der schönste Sonnentag und stolzer als der stolzeste Adler. Ich glaube, mutigere Knaben gab es keine im Lande.

Eines Tages ritten die beiden selbander vom Markte heim. Auf ihrem Weg mußten sie durch einen großen, finstern Forst. Es war schon spät am Abend, und der Vollmond schien hell durch die Bäume. Plötzlich hörten die Burschen aus einem Busch ein helles, fröhliches Lachen ertönen. Sie hielten ihre Pferde an, und der Ältere sprach: «Hast du's auch gehört?» «Ei freilich!» antwortete der Jüngere, «dadrinnen müssen junge Mädchen sein und sich lustig machen.» Aber kaum hatte er das Wort recht gesagt, siehe, da kamen in der Tat zwei Mädchen auf sie zu, ganz prächtig in Gold und köstliche Seide gekleidet. Und so schön waren sie zu schauen wie die Engel im Hirn-



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mel. Und mit wunderlieblichen Stimmen redeten sie die Brüder an: «Guten Abend, ihr wackeren Burschen», sprachen sie. — «Schönen Dank, ihr lieben Jungfern», erwiderten diese und lüpften die Hüte. — «Ihr seid doch Zwillingsbrüder?» sprachen weiter die fremden Jungfrauen, «und wir sind Zwillingsschwestern, aber nicht gewöhnliche Mädchen, Feen sind wir. Heiratet uns, und wir machen euch so reich, wie der König ist. Und Kinder werden wir euch schenken, so schöne und starke, wie ihr seid.» —«Ei freilich, so heiraten wir uns!» rief voller Freude der ältere der Brüder, «ich nehme die ältere Schwester.» — «Hei ja, heiraten wir uns!» rief der jüngere Bruder


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und jauchzte vor Lust, daß es im ganzen Wald hallte und schaffte, «und ich nehme die jüngere Schwester!» — «Und morgen früh soll die Hochzeit sein», sagten die Mädchen, «geht jetzt heim, und ehe es tagt, seid an der Tür des Kirchleins dort oben am Waldrand. Aber hütet euch wohl, daß ihr bis dahin keinen Bissen heißt und keinen Tropfen trinkt. Sonst kommt ein großes Unglück über uns alle.» — «Ei, seid getrost, ihr lieben Bräute, wir werden getreulich tun, was ihr wünscht», riefen eines Mundes die Brüder, sagten Gutnacht für heute und ritten geradeswegs heim zu ihren Eltern. Aber kein Sterbenswörtlein haben sie daheim erzählt von allem, was sich auf dem Wege begeben, und keinen Bissen aßen sie, und kein Tröpflein tranken sie. Still legten sie sich in ihre Betten und schliefen ein.

Aber als es Mitternacht geworden war, da erhoben sie sich ganz sachte, daß niemand im Hause erwachte, sattelten ihre Rosse im Stall und ritten staubvomboden fort, daß sie noch vor Tag zu dem Kirchlein oben am Waldrand kämen. Auf dem Wege mußten sie an einem Kornfeld vorüber reiten. Und die Ähren waren schon reif. Und unversehens bog sich der jüngere Bruder vom Roß, er rupfte eine Ähre ab dem Haim, schob ein Korn zwischen die Zähne und zerkaute es.

Als sie vor das Kirchlein kamen, da stand die Türe weit offen, und am Traualtare brannten die Kerzen und gaben hellen Schein. Die Feen aber warteten schon, angetan mit seidenweißen Brautkleidern, festlich geschmückt mit schimmernden Schleiertüchern, daran kleine Perlen blinkten wie Tautropfen in der Sonne. Auf dem Haupte trugen sie goldene Krönlein mit leuchtenden Strahlsteinen, und das Haar war mit bunten Blumen durchflochten, die gar köstlich dufteten. Aber die jüngere saß an der Pforte und weinte herzzerbrechend -plitschnaß war ihr Schleier vor lauter Tränen. «Wehe mir und dir!» rief sie jammernd, «warum hast du vergessen, daß du keinen Bissen beißen und keinen Tropfen trinken solltest! Nun hast du großes Unheil ver-



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schuldet. Denn jetzt kannst du mich nicht mehr zur Ehe nehmen. Wär' ich dein Eheweib geworden, so wäre ich geworden, wie die Menschenfrauen sind. Aber jetzt muß ich für immer und ewig eine Fee bleiben.» So sprach die arme junge Fee und rang die Hände. Dann wandte sie sich klagend ab und entschwand im Walde, und niemand hat sie jemals mehr gesehen.

Nun traute der Pfarrer halt nur den älteren Bruder und die ältere Fee. Nach der Feier wünschte der jüngere den Neuvermählten alles Glück und Gut. «Gott behüt' euch», sprach er, «lebt wohl! Ich gehe jetzt in die weite 'Welt hinaus, und so weit will ich wandern, bis ich in der Fremde einen Ort gefunden habe, wo ich mein Leid vergessen kann. Grüßt Vater und Mutter daheim und sagt ihnen, daß sie mich nie mehr sehen werden auf Erden.» Mit diesen Worten machte er sich auf den Weg, bitterlich weinend.

I )er Bruder aber führte seine schöne junge Frau heini zu den Eltern. Am Abend aber vor dem Einschlafen, als alles stille geworden war im Hause, da sprach die junge Frau zu ihrem Manne: «Höre! 'Wenn du mich lieb hast, so versprich mir eines: Sag nie, daß ich eine Fee gewesen bin, und schult mich nie, sonst geschieht ein großes Unglück.» — «Liebe Frau, was denkst du auch!» antwortete der Mann, «hab keine Angst, nie werd' ich es tun.»

Und so lebten sie (lehnt sieben Jahre lang in Lust und Liebe beieinander auf ihrem schönen Herrenhof mitten im Lande. I nid sieben gesunde, runde Kinder hatten sie. Eines Tages mußte der Mann über Land, und er überließ Haus und Leute der Obhut seiner Frau. Es war Hochsommer und heißes Sonnenwetter, und das Korn hub alsgemach zu reifen an. Aber aufs Mal schaute die Frau auf zum Himmel und rief erschrocken: «Auf, ihr Knechte und Mägde! Eilt aufs Feld und schnell, schnell schneidet alles Korn! Sonst schlägt ein Hagelwetter uns den Segen iii die Erde » — «Aber, aber, Frau Meisterin», widerredete



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der Meisterknecht, «der Himmel ist doch so heiter und hell, und das Korn steht erst halbreif im Haim.» — «Schweigt still und tut geschwind, wie ich euch sage», erwiderte die Frau. Da gingen die Leute und schnitten das Korn und banden die Garben. Und sie arbeiteten noch immer, als der Herr heim kam. «Was machen denn die Leute heut auf dem Felde, liebe Frau?» fragte der ganz verwundert, wie er die Knechte so werken sah. — «Sie tun, was ich sie hieß», sprach die Frau. —«Das Korn ist aber noch gar nicht reif, Frau \Vo hast du deine Augen?» rief da der Mann voll Zorn, «du bist wohl ganz von Sinnen, daß du so etwas befiehlst! » Kaum war das Wort gesprochen, da wandte die Frau sich ai) und war verschwunden, niemand wußte wohin. Und am gleichen Abend kam ein gewaltiges Gewitter und zerschlug alle Feldfrüchte im ganzen Land.

Alle Morgen aber, früh bei Tage, kam die Frau, die wieder eine Fee geworden war, ins Schloß und ging in das Zimmer, wo ihre sieben Kinder schliefen, und wusch und kämmte sie weinend mit einem goldenen Kamm. «O ihr lieben Kinderlein», sprach sie allemal,«sagt nur ja dem Vater nicht, daß ich jeden Morgen zu euch komme in die Kammer und euch mit dem goldenen Kamine kämme, sonst geschieht uns allen noch mehr des Leides.» Und die Kinder versprachen ihr immer alle miteinander: «Nein, nein, liebes Mütterlein, wir werden es (teil! Vater nicht sagen. » Der Vater aber verwunderte sich alle Morgen über die Maßen, wenn er seine sieben Kinder so schön gekämmt sah, und immer fragte er sie: «Wer strählt euch denn so schön, ihr lieben Kinderlein ? » — «Die Magd, lieber Vater, die Magd!» antworteten allemal die Kinder. Das deuchte den Vater zuletzt denn doch seltsam, und eines Abends tat er, als ob er in seine Kammer schlafen gehe. Aber als die Kinder eingeschlafen waren, verbarg er sich in ihrem Zimmer. Und wie immer kam früh bei Tage die Mutter in die Kammer gegangen und kämmte weinend mit dem goldenen Kamme die Kinder.



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Da konnte der Vater nicht länger an sich halten; das Herz im Leibe wollte ihm gar schier zerspringen. «O du liebe Frau », rief er, «bleib da, ich bitte dich, bleib da, geh nicht mehr weg von uns!» Aber wie inniglich er auch bat und betete, es half nichts. Geschwind wie der Blitz entschwand die Fee und kam nie mehr wieder. Weder der Vater noch die Kinder haben sie jemals wieder gesehen.


Das Nixlein

Im Toggenburg fließt bei Brunnadern im Neckertal ein Brünnlein. Das heißt der Gießen und kommt aus einem Wald geflossen. Ein sicherer Steg führt darüber. Vor Zeiten wohnte in dem Bache ein Nixlein. Das hielt jeden Wanderer an, der über den Steg ging, nahm ihm seine Kappe und machte sich damit davon. Kehrte aber der Wanderer auf demselben Wege zurück, so fand er seine Kappe rein und fein gewaschen am Stege wieder. Ein junger Knabe ging einst oftmals diesen Weg, wenn er abends zu seiner Liebsten zu Licht ging. Allemal gab er gern seine Kappe der Nixe, und stets empfing er sie schön und



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sauber wieder zurück. Stak zuweilen ein hübsches Sträußlein für das Mädchen daran, so gab ihm die Nixe die Blumen gleich wieder; nur die Kappe nahm sie ihm ab. Eines Abends kam er auch wieder über den Steg, schöne Rosen auf der Kappe. Aber das Wasserweiblein nahm ihm diesmal Rosen und Kappe. Das deuchte den Burschen seltsam, und voller Angst wanderte er weiter. Und siehe, als er ins Haus des Mädchens trat, da stand sie nicht auf der Schwelle wie sonst, sondern sie ließ ihm sagen, er möge sich fortmachen: ihr Herz gehöre einem andern. Da kehrte der Knabe zum Steg zurück, nahm seine Kappe, drückte sie sich tief ins Gesicht und wanderte weit fort in die Fremde.


Vo de Härdmändlene uf der Ramsflue

Hinder der Ärlispacher-Egg, zwüschen em Dörfli Hard und em alte Lorenze-Kapälleli, stoht imene Täli so ganz eleige e grüsli verträite Flue, sie säge ere d Ramsflue. Uf der hindere Syte isch sie hohl, und d Höhli het Numine e chlyne Ygang. Do sind denn emole, me weiß nit äxakt i wele Johrgänge, so rarigi Mändli gsi. Die sind i die Höhli us- und ygange, händ ganz e so nes eiges Läbe gfüehrt und en apartige Hushaltig, und sind ganz bsunderig derhär cho, so wärklich gstaltet; und mit eim Wort, es isch halt kei Mönsch usene cho, wer sie denn au seige und was sie trybe. Ämel gchochet händ sie nüt und Würze und Beeri gässe. Unden a der Flue vorby lauft es Bächli, und i dem Bächli händ die Mändli im Summer badet, wie Tübli, aber eis vonene het immer Wacht gha und liet pfiffe, wenn öpper derhär cho isch uf em Fueßwäg: Denn sind sie arne gsprunge, was gisch, was hesch, de Bärg uf, daß ene kei Has noh cho wär, und sind wie der Schwick in ihn Höhli gschloffe.

Dernäbe händ sie kern Mönsch nüt zleid to, im Gägeteil, Gfelligkäite, wenn sie händ chönne. Einisch het der Hardpur es Füederli



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Ryswälle glade, und wyl er elei gsi isch, het ers au fast fit möge. E sones Mandli gsehts vo der Flue oben abe und chunnt dert durah zhöpperle über d Risi, und hilft dem Pur, was es het möge. Wo sie der Bindbaum wänd ufe tue, so isch das Mandli tif em Wage gsi und liet grichtet, und der Pur liet überunde azoge a de Bindchuieble. Do liet das Mandli s Seil fit rächt umeglyret, und wo der Pur audit, schnellt der Baum los und trifft s Mandli ane Finger und hets wüest blessiert. Do foht der Pur a jommere und seit: «O heie, o heie, wenns nummen au mir passiert wär!» Do säit das Mandli : Abba, das macht nüt; sälber ta, sälber lia » Mit däne Worte springts vorn Wagen abe, het es Chrütli ahhroche, Bets verchaflet und tif das bluetig Fingerli gleit, und das het ails ewägg putzt. Do springts wieder ufe Wage und liet zum Pur gseit, er söll s Seil Numine wieder umme ge.

Mängisch, wenn rächtschaffeni Lüt dure Tag gheuet oder bunde händ, und sie sind fit fertig worde bis z obe, und s liet öppe weile cho rägne, so sind d Härdrnändli clio und händ gschaffet und gwärchet druf yne, bis alles im Schärme gsi isch. Oder wenns dur d Nacht isch cho wättere, händ sie s Heu und s Chorn, wo dusse glägen isch, de Lüte zum Tenn zuetreit, und am Morge het halt alles groß Auge gmacht,



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und sie hund tut gwüßt, wers to liet. Denn hand erst no die Mändli kei Lohn bigehrt, nummen au daß nie sie gern het.

Amen im Winter, wenn alles Stei und Bei gfrore gsi isch, sind die Mandli is oberst Hus cho z Ärlispach; sie händs halt gar guet chönne mit dene Lüte, wo dört gwohnt händ, und sind arne dur d Nacht ufern (Me gläge, und am Morge vor Tag händ sie si wieder drus gmacht. Was aber gspässig gsi isch: sie händ ihn Füeßli nie füre gb, händ es scharlachrots Mänteli träit vorn Hals bis ufe Boden abe. Jetzt Bets im Dorf so gwundenigi Mäitli und Buche gha, die sind einisch z nacht vor das Hus go gen Äsche streue, daß sie gsäche, was die Härdtnändii für Füeßli liebe. Und was händ sie gfunde? s isch fryli wunderli: Änten- und Gäißfüeß sind i der Äschen abdruckt gsi.

Aber vo säller Stund a isch keis Mandli meli cho, und sie sind au nümme tif der Ramsflue bliebe; i die Kräche händ sie si verschboffe, tief i d Gäißflue hindere, und händ keis Zeiche meh s miene ge, und chömme nümme, so lang d Lüt eso bös sind.


D Härdwybli am Strihe

Me ghört nüt nich vo de Härdwyblene. DLüt sv afe gar fini und syt sene Asche gsträut häige, syge sie nümme cho. Das sy art Lüt gsy, wedder turnt rue chlyligi und häi nie Menschefueß und e Gäißfueß gha. Sie häige de Lüte ghulfe z Acher fahre do derfür häigene d Lüt, eh sie ab ein Feld häi syge, Wäije tif e Pflueg gleit, und wenn sie wieder ane cho syge, se häige sie Gold druf gha. Im Yfang syge sibe Hüser gsy, und dörthi syge d Härdlüt arne z Liecht. Derno häig es Härdwvbli inere Frau d Risten agleit und häig gsäit, sie sölls niämem säge, und us der glyche Riste häig sie drü Johr chönne spinne. Ihn Uvatteri häig si mängisch gfrogt, wie sies au mach, sie spinn allewyl und häig immer



Vo Chline Luete-135. Flip

die glychuig Riste? Zletzt het sies der Gvatteri gsäit: es häigere sie ries Härdwybli agleit. Derno häig sie aber Numine 110 zweü Hüfli chönne drus spinne und syg demit ahgsi. Allvväg hätt sie ringer gschwige. Me säit, dHärdwyhli syge im Strihen inne und wäsche drinn, und dessetwäge laufs Äschebrünneli all Mittwuchen und Frvtig trüeb.


Die freigebigen Zwerge

Vor Zeiten pflügte einmal ein Bauer mit seinem Knechte den Acker. Da sahen sie es aus der Fluh nebenzu dampfen und rauchen. «Da backen und braten die Zwerge», sprach der Knecht, «und wir leiden argen Hunger. Hätten wir doch auch einen Bitz Wähe!» Und wie sie das Pflugsterz umkehrten, siehe, da lag in der Furche ein weißes Tüchlein aus feinem Linnen gebreitet, und darauf stand ein goldener Teller mit frisch gebackenem Kuchen und ein silbernes Messer dabei. Und sie aßen dankbar und wurden satt. Und so gut schmeckte der Kuchen, daß sie deuchte, so guten hätten sie nie zuvor gegessen. Dann taten der Bauer und der Knecht ihre Arbeit weiter. Abends als sie heimgingen, war Teller und Messer verschwunden, bloß das Tüchlein lag noch da, und der Bauer nahm es mit nach Hause. Das hatten ihm die Zwerge geschenkt.

Einmal aber behielt ein Mann, dem dasselbe widerfuhr, das goldene Geschirr und das Silberzeug, und seither haben die Zwerge keinem Menschen mehr solche Gaben gebracht.



Vo Chline Luete-136. Flip


Der undankbare Wittnauer

Da hatte einmal ein junger Bauer aus Wittnau eben seinen Kleeacker fertig gepflügt und mit der Egge schön geebnet, als ein Heideweiblein gegen das Feld gegangen kam mit einem Körblein süßer, mürb gebackener Waben. Aber den Bauer stach nicht der Duft des frischen Kuchens in der Nase, ihn kitzelte der Gwunder, warum das Weiblein sein langes Kleid auf dem Boden nachschleppe, so daß man niemals ein Füßlein sehen konnte. Schnell knüpfte er seinen Gipssack auf, den er zur Düngung mitgenommen hatte, und leerte ihn in einer dicken Schicht rings um den Pflug her aus. Das Weiblein kommt und legt den Kuchen auf das Höchli des Pfluges und tappelt schnell wieder weg — aber ach! die Fußstapfen im Gips sind wie von Geißenhufen. — I )er Wittnauer aber hörte das Weiblein nur noch mit einem schrillen Stimmlein vom Wald her geußen

«Lauf, Küngi, lauf!
I) Welt isch falsch und taub! »


D Biestturta

D Zwärgleni sy frommi Lvtleni gsyn. Deßtwägen hei s viil meh chenne wann die gwehnlihe Lyt. Tifiger sy s gsyn u gnierkiger; sie hein o viil besser gsehn u gcheerd. U Chraft hein denn die Pefeni ghäben, daß



Vo Chline Luete-137. Flip

däm niena nyd by choon ist! — Aber sie hein nid numman über ails gued gsehn u gcheerd; die hein o ds Näsi gwißd z bruuhen, daß nyd seliß erheerd worden ist! Wen im Winter anhi d Chieh hein afaa chalbren, su lieds den o ggään, daß d Lyt under Malen eppa en Biestturta agreised hein. Aber nid über lang hei s denn das zohrist im Wätterhoren uehi gwißd, das eppas fir sie twäga wä. Biestturta hein de Zwärgleni grad es Breesi gääre ghäben, die hätt nes denn newa chennen! D Tallyt hein das gwißd und hein ne ra gären es Aawärd innäbe gstellt. — Da hätte s eimmal o aber eis in em Huus fir z nachtnen en Biestturta uf e Tisch gstellti ghäben, wa s gcheeren es Zwärgli über zSummerloiba zueha und i ds Gengli inha träppellen. Där vergystig Hellsaata von ein Wybli hed gmerkd, waran das s mu fählti, und ist angänds mit der Turta ids Ofeloch ynhi. Ds Zwärgli chunnd i d Stuba und hed si no chlynder gmachd, wan das s scho sust is gsyn. U wien es si da no aso a ds Biistaal zuehi trickd, lieds um ds Gotts Willen aghäben, sie selle mu es Schnäfi Biestturta gään. Aber was hein d Lyt tan? Sie hei mu e gsottna Hääpel und es Aawärd magera Ziger aboten und hei sen glacht u gseid: was ihm o z Sii chemi! von Biestturte wisse sie newan nyd.

Darmid lieds Zwärgli gwißd, waran daß s ist! Uf der Türschwelle trääjd es si no eis um u seid: «Jer heid d Trywi o im Ofen u d Utrywi in der Stuben usa!»


Die Erdrnännlein auf Zeindlimatt

Die Erdmännlein auf dem Zeindlimatthof am Frickberg hatten ganz braune Gesichter, rauh und rissig wie Föhrenborke, und große haarige Ohren, die ihnen unter der Kappe hervorlampten, und ihre grauen Mäntel hingen ihnen über die Füße und waren so lang, daß sie auf



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dem Boden schleiften. Aber Wams und Gewand waren so schlissig, daß Sonne, Mond und Sterne hindurchschienen; und sah man ihnen einmal durch die Löcher auf den Leib, so war's, als sähe man ein schwanzloses Schratthuhn. Da meinten die Knechte, sie müßten wohl auch Hühnerfüße haben, und bestreuten darum den Küchen-
boden mit Asche, als die Männlein wieder einmal zum Abendsitz in die Stube gekommen waren. Als es zehn Uhr schlug, die Zeit, wo die Zwerge Feierabend machten und Gutnacht sagten, nahm der eine Bursche das Licht, um ihnen zu zünden, der andere tat höflich die Küchentür auf - denn dazumal konnte man nur durch die Küche in die Wohnstube kommen -, und sie meinten schon, die List sei gelungen. Aber wie das erste über die Schwelle trat, rief es laut: «Hünggi uf! Hünggi uf!» Und wie eine Kette Wildhühner schwirrten und sirrten sie miteinander - hrr - zur Küche hinaus - und seither hat man am Frickberg nie mehr ein Erdmännlein gesehen.


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Der Fadenknäuel

Einmal fingen einige Ryffenmatter zwei Erdleutlein, ein Männlein und ein Weiblein, die im Schatten einer Fluh beim Hornbühl miteinander kosten. Als man sie wegtrug, riefen ihre Gespänlein ihnen allenthalben aus Strauch und Staude nach, was auch die Menschen mit ihnen anstellten, nie sollten sie sagen, wozu das Bei körnlein im Haber gut sei und wozu der Reckholder.

Mehrere Tage vergnügte das zierliche Pärchen die Ryffenmatter mit allerlei Kunststücken. Sie tanzten und sprangen so niedlich, daß die Bauern laut in die Hände klatschten vor Verwunderung. Dann aber sagten die Leutlein, man möchte jedwedem eine Fadenchrungel geben und dann ein Fenster öffnen. Sie wollten ihnen zum Schluß noch ein ganz besonderes Stücklein zeigen. Kaum hatte jedes seine Fadenchrungel in der Hand, als sie, das Fadenende fest in den Fingern, gleitig den Zwirn abrollend, den Knäuel flugs zum offenen Fenster hinauswarfen und - hast du nicht gesehen - waren sie wie der Blitz, dem Faden entlang gleitend, hinaus gesaust, auf und fort auf Nimmerwiedersehen.


Das gefangene Erdmännlein

Vun de Erdmännli isch emol eis gfange worde, und d Lüt händs mit hei gno. Wo sies heigfüehrt händ, derno hät e anders gseit: «Rehkitzli, wenn d alles seisch, se seisch doch it, zu wa aß Häberlimehl guet isch.» Das Erdmännli isch allewyl trurig gsi und hät gar nüt gässe. Derno händs d Lüt gfroget, worum es nüt weil ässe. S Erdmännli hät derno gsait: «J ha no siebe Jungi deheim, und wenn i it zuene chumm, so müeße sie stärbe.» Derno händs d Lüt wieder laufe b.



Vo Chline Luete-140. Flip


Die Zwerge auf dem Baum

Des Sommers kam die Schar der Zwerge häufig von den Flühen herab ins Tal und gesellte sich zu den arbeitenden Bauern, besonders zu den Mähdern im Heuet. Da setzten sie sich denn wohlvergnügt auf den langen, dicken Ast eines Ahorns ins schattige Laub und schauten den Menschen zu. Einmal aber gingen boshafte Leute hin und sägten bei Nacht den Ast durch, so daß er bloß noch schwach am Stamme hielt, und als das arglose Völklein sich am Morgen daraufsetzte, brach der Ast ganz ab. Die Zwerge stürzten auf den Grund und wurden ausgelacht. Da ergrimmten sie und schrien

«O, wie ist der Himmel so hoch
Und die Untrüw so groß!
Hüt hierher und nimmermehr!»

Sie hielten Wort und haben sich im Lande niemals wieder sehen lassen.


Das letzte Gotwergi

Ein Weib, das ein Kind auf dem Arme trug, begegnete auf dem Weg einem Gotwergi, knorzig und verschrumpfelt war es wie ein alter Wurzelstock. Wie das Kind das Männlein erblickte, rief es: «Miotter, lozzet abu, das ist nit es Lytji wie wier, das het die Bei hinerna.» Das hörte das Gotwergi und sprach:



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«Je chlyner, je schlimmer,
Hie üs, hie fort und hie nimmer!»
und verschwand für immer aus dem Tale.


Die Pestleutchen

Eines Tages, viele hundert Jahre ist es her, da schlichen zwei alte, verhutzelte Leutlein, ein graues Männlein und ein graues Weiblein, durch den Felsenbach hinein ins Prättigau. Die sahen aber nicht aus wie andere Leut; ganz unheimlich waren sie anzuschauen. In der Hand hielt der Wicht einen gewaltigen Bergstock, auf der Schulter trug er eine Schaufel. Das Weiblein schleppte einen Besen unter ihrer zerknitterten Florkappe hingen schneeweiße Haarsträhnen hervor über eine Stirne, so rauh und so runzlig wie Rinde an einem Wetterbaum. Und wie sie so ins Tal hineinschauten, sagte das Männlein: «Ich schu fia schufla aba, und du fägschit fägscht zämma!»

In Pradisla kehrten sie im Wirtshause ein und baten den \Virt um Imbiß und Nachtlager. Den dünkten es zwar sonderbare Gäste, aber er gab ihnen doch Brot und Bett.

Am Morgen nahm der Wirt den guten Alten nichts ab; es sei seine Christenpflicht, meinte er, dem Alter Wohltat zu erweisen. Wie aber die seltsamen Wanderer, ehe sie gingen, für den folgenden Mittag ein Festessen für mindestens dreißig Gäste bestellten, kam das Erstaunen ihn an, und er schüttelte bedenklich den Kopf. Die beiden Alten aber gingen ihres Wegs, das Männlein nach Valseina hinauf, das Weiblein nach der Schloßbruck. Bald aber kam es wieder mit seinem Besen zurück.

Der Wirt indessen blieb nicht faul, schlachtete ein fettes Kalb; und nun ging es an ein Sieden und Braten, daß es eine Art hatte.



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Schlag zwölfe kam auch das Männlein mit der Schaufel herangehumpelt und meinte, heute habe es schon wacker geschafft. [)er Wirt fragte nun das Männlein, wann denn die Gäste kämen, denn er wunderte sich, daß noch kein Bein gekommen war. Das Männlein aber lächelte sonderbar zur Antwort und gab Weisung, aufzutragen. Die wunderlichen Alten setzten sich ganz alleine zu Tisch und verschlangen heißhungrig ein Gericht nach dem andern, und bald war das ganze Gastmahl verzehrt, und doch schienen die beiden Gäste noch immer nicht satt, so blaß und abgezehrt lugten sie drein.

Die Wirtsleute überlief es eiskalt, denn das konnte unmöglich mit rechten Dingen zugehen.

Nach der Mahlzeit fragte das Männlein den Wirt und blickte dabei sein Weib gar sonderbar an, was es denn schuldig sei. Der aber erkannte nun, daß er es hier nicht mit Menschen, sondern mit Geistern zu tun habe, und schlug jede Bezahlung ab.



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Wir werden deine Freigebigkeit lohnen!» sagten die Alten und nickten ihm bedeutsam zu, und langsam schlarpten sie davon, und der Alte sprach wieder zu seinem Weibe: «Ich schufla schufla aba, du fägscht fägscht zämma!»

Und damit waren sie verschwunden.

Kaum aber waren sie fort, kam Kunde ins Haus, in Valseina sei die Pest ausgebrochen. Viele, viele seien schon daran gestorben. Und bald darauf kam von Seewies herab die gleiche Unglücksbotschaft. Und ehe zwei Tage vergangen, so wütete die Pest allenthalben im Prättigau von Berg zu Tal und von Tal zu Berg. Überall pochte der schwarze Tod an nur an wenigen Häusern ging er vorüber; ganze Geschlechter, ja ganze Dörfer starben aus, und Stille war auf den Bergen und Trauer im Tal.

Einzig den Wirt von Pradisla und all die Seinen berührte die Seuche nicht. Und jetzt wußte er, wen er vor einigen Tagen in seinem Hause beherbergt hatte: Es waren die Pestleutchien gewesen.


Die grauen Zwerge im Burgerwald

Im Burgerwald ob Muschels hausten einst Bergmännchen, die das Volk nur die grauen Zwerge nannte. Nicht weit davon in der Gomma, am Saum eines großen Waldes, wohnte der alte Hans Ahv mit seiner Frau Apollonia in einer einsamen Hütte. An einem düstern Winterabend ertönte draußen plötzlich eine helle Stimme: «Hans Äby, sag dem Apele, d Apela sei tot.» So hieß der Frauen Mutter in Gauglera drüben zu Rechthalten. Und zugleich mit den Worten vernahm Aby ein leises Geräusch, als wenn jemand durch die Stube schwebte, und ganz nahe ein sachtes Weinen und Schluchzen. I )er Spuk schuf dem Alten Unruhe, und erst spät schlief er ein. Um Mitternacht weckte ihn



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wieder dieselbe helle Stimme, wie ein Silberflötlein tönend, aus dem tiefsten Schlaf mit den Worten: «Hans Äby, sag dem Apele, d Apela sei tot.» Äby sprang rasch aus dem Bett und ging ans Fenster. Da sah er im Lichte des Mondes draußen auf der Matte eine Menge Zwerge durch den Schnee stapfen. Einige hatten kurze, schwarze Mäntelchen an und hielten brennende Fackeln in Händen. Die Weiblein waren alle in schwarzen Gewändlein, die Gesichter bis auf die Augen und die Nase in weißen Tüchern vermummt, nach Art der deutschen Bauernfrauen. Die Männlein schleppten mühsam einen schwarzen Sarg, der ihnen viel zu schwer war; und sie wimmerten und weisten, und verschwanden mit klagenden Lauten im Walde.

Am Morgen kam der Leichenbote vom Schwäher Jost in der Gauglera und brachte den Bericht, d Apela sei letzte Nacht plötzlich am Schlagfluß gestorben und anderntags werde sie zu Rechthalten begraben.



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Der Weihnachtszug der Zwerge

Im Waadtiand hält in der Nacht vor Weihnachten Grehellhou. der König der Zwerge, einen feierlichen Umzug über Berg und lai. In grünen Wärnslein, schwarzen Mäntelchen und roten Hüten mit spitzen Federn drauf, kommen die Männlein sämtlich auf kleinen weißen Schweinen dahergeritten. Aber sie sitzen verkehrt im Sattel und halten die Schwänze statt der Zäume in den Händen. Nur der König, im langen Purpurmantel, ein goldenes Krönlein auf dem Haupt, sitzt, das Gesicht nach vorwärts gewendet, auf seinem Schwein, das auch fast noch einmal so groß ist als die der andern. So reiten sie in langem Zuge das Jouxtai hinauf, wo sie das Gold im Dent de nrn hüten. Und weithin hört man das Getrappel der Hufe auf Wegen und Stegen.

Wer dazu kommt, tut gut, sich abzuwenden und ja nicht hinzuschauen, bis der Zug vorüber ist. Einem Burschen von Vaulion dauerte es zu lange, und er hat nur ein klein wenig über die linke Achsel geschaut. Da war er das ganze Jahr auf dem linken Auge blind.



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Der Zwerg Zacheo

Bis weit herauf in unsere Zeit waren die Leute von Vissoie im Wallis Heiden geblieben. Die Glaubensboten, die in ihr Tal kamen, wurden allemal mit Schimpf und Spott verjagt. Nun wohnte in dieser Gemeinde auch ein Gotwergi mit Namen Zacheo. Der verstand die Sprache jener Bergleute und galt viel bei ihnen, denn kaum einer war im Dorfe, dem er nicht schon mit klugen Räten geholfen hatte. Als nun eines Tages wieder einmal fremde Glaubensboten kamen, da hörte er lange den 'Worten zu, die sie sagte!! dann sprach er: «Gebt mir euer großes Buch, ich will selber zu den Leuten sprechen.» Und bald las er jedem, der hören wollte, aus dem Buche vor. Immer mehr Leute lauschten der neuen Lehre, nur einige Männer blieben verstockt und ergrimmten. Eines Tages packten sie Zaclieo und schleppten ihn nach dent Mumming-Gletscher. Da banden sie ihm die Hände auf den Rücken, hängten ihm das schwere Buch um den Hals und warfen ihn in einen Eisschrund.

Als die Männer drunten auf dem Lallei-Boden über den Steg gingen und nach dem Gletscher schauten, siehe, da trat der Zwerg wohlbehalten aus dem Gletschertor hervor und kam auf sie zugeschritten. Erschrocken ob diesem Wunder warfen sich die Männer am Ufer auf die Knie, bis er bei ihnen stand, und dann trugen sie ihn zur Ehre Gottes ins Dorf zurück. Zacheo wurde der erste Priester der Talschaft.



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Der Kirchenbau

Einst kamen fromme Mönche in die schwarzen Berge, wie man den Jura vor Zeiten nannte. Auf einer wilden Hochfläche, wo weit und breit kein Hof stand, begannen sie ihr Kloster zu bauen. Nur wenige Bauern halfen ihnen Holz fällen und Steine führen.



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Eines Abends sah ein Mönch im Schatten der halb aufgemauerten Pfeiler in der Kirche. I )er Himmel war dunkelschwarz, und der Mond schien mit mattem Glanz. Auf einmal erhellte ein stralllendes Licht das Innere des Baues. I )a sah der Mönch zahllose Zwerge herbeihuschen und emsig an die Arbeit gehn Sie spalteten und behauten Steine, glätteten Balken, sägten und nagelten an Brettern und Latten, schaufelten Sand und rührten Kalk an. Aber wie eifrig die Männlein werkten und schafften, nicht ein Laut war zu hören. Kein Hammer klopfte, kein Meißel, kein Stechbeitel gyrte, kein Hobel ritschte, keine Säge kreischte, keine Schaufel knirschte. Wie von selber kanteten sich die Blöcke, spitzten und rundeten sich Steine, glätteten sich Balken und Bohlen.

So ging es Nacht für Nacht, und wenn am Morgen die Glocke die Mönche zur Mette und Meister und Gesellen zur Arbeit rief, so fielen alle auf die Knie und dankten Gott dem Herrn für die Hilfe der Nacht, und die Mönche sangen Lobpsalmen. Am Himmelfahrtstag der heiligen Jungfrau war der ganze Bau vollendet, Kirche und Kloster vom Kellergewölbe bis zur Kreuzblume. Und an dem goldenen Altar wurde (las erste Hochamt zu Ehren Gottes und seiner glorreichen Mutter gesungen.



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Das betende Erdmännchen

Einmal ging ein Mädchen vom Rhein nach Klingnau an der Aare Brot einkaufen. Der Weg geht durch den Hardwald an einer Fluh vorbei. Da ist eine Höhle, worinnen voreinst die Erdmännlein gewohnt

haben. Da sah das Kind aufsmal ein munziges Männlein in grauem Kleid mit schwarzem Mäntelein und rotem Mützlein, geschwind wie ein Mäuslein, aus einem Loch herausschlüpfen. Zu Tode erschrocken, entsprang das Mägdlein, und wie es sich von weitem noch einmal umsah, stand das Männlein mit gefalteten Händen da und rief ihm mit einem feinen Stimmlein nach: «Ora pro me! Ora pro me!»



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Nachwort

Seit dem ersten Erscheinen dieses Buches sind volle fünfundzwanzig Jahre vergangen, und eine lange Zeit hindurch war es vergriffen. Immer wieder wurde von Eltern und Lehrern danach gefragt. Mit der Neuherausgabe durch den Troxier-Verlag wird eine lang empfundene Lücke in der Reihe der Schweizer Märchensammlungen wieder aufgefüllt. I )er Verlag darf des Dankes aller derer gewiß sein, die aus diesen tiefen, reinen Quellen unseres Volkstums schöpfen.

\Ver Gurt Englert, der, 1899 geboren, schon Ende 1945 vom Tode dahingerafft worden ist, im Leben näher begegnet war, der konnte erfahren, mit welch intensiver und subtiler Art er sich neben seiner übrigen großen Arbeit als Lehrer, Forscher und Vortragender mit alledem trug, was an Märchen, Sagen und Mythen in der Welt vorhanden ist. Ein Erlebnis war es jedes Mal für die Freunde, wenn Curt Englert etwa frühmorgens im Vorbeigehen bei ihnen einkehrte und am Frühstücktisch als seelenfrische Morgengabe ein Märchen erzählte. Für ihn selbst war es Dank und Übung zugleich.

Gurt Englerts Kunst des Märchenerzählens ist die Frucht eines steten von Innigkeit und Seelenstärke getragenen Hegens und Pflegens der Märchen- und Sagenstoffe und ein unermüdliches Bemühen, den wahren sprachlichen Ausdruck für jedes einzelne Motiv zu finde n.

In einem Aufsatz « Die Gebrüder Grimm und die Deutschen Märchen», der 1940 in der von ihm redigierten und herausgegebenen Monatsschrift «Die Menschenschule» erschien, hat Gurt Englert in konkreter Weise zur Anschauung gebracht, wie die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm um den Stil im Märchenerzählen gerungen haben und wie sie von Ausgabe zu Ausgabe in ihrem Wortlaute immer bildhafter und dramatischer wurden, immer mehr die direkte Rede



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verwendend. Am Schlusse seines Aufsatzes konnte er sagen: <(Die Gebrüder Grimm waren also gar nicht von vornherein das fertige ,Sprachrohr der Volksüberlieferung'; in unentwegter, jahrelanger, mühsamer Arbeit haben Jacob und \Vilhelm sich erst selber zum Organ der Volksseele gemacht. Und in diesem Sinne sind die Märchen des deutschsprachigen Volkes par excellence nicht von selber entstanden, sondern geschaffen worden, sie sind nicht ein edles Naturgewächs, sondern kraft bewußter künstlerischer Schöpfung erhöhte und gesteigerte Natur. Dadurch vornehmlich aber ist das Werk der Brüder Grimm richtungweisend und wegleitend geworden für die meisten nachmaligen Sammler, nicht etwa bloß im deutschen Sprachgebiete, sondern auch in anderen Ländern, wohin die Kinder und Hausmärchen gelangt sind - leider nicht für alle. »

Zumal für Curt Englert war dieses Streben und Erreichnis der Gebrüder Grimm wahrhaft richtungweisend und wegleitend. Wie sehr seinem hingebungsvollen Erlauschen und Gestalten Gelingen beschieden war, mag eine eingehende Besprechung der vorliegenden Sammlung durch den Berner Germanisten und Sachkenner, Otto von Greyerz, im «Bund» 1939, erweisen, der wir folgende Stelle entnehmen:

«Dem Herausgeber der Zwergensagen ,Vo chlyne Lüte' ist es diesmal um die Sprache des Märchens zu tun. Seine Sammlung, mehr wert als eine bloße Theorie, soll ein Stilmuster sein für Märchenerzähler. Zwar kann das geschriebene oder gedruckte Wort niemals jenes Unwägbare ersetzen, das nach Englerts eigener Aussage erst in der Klangfarbe des mündlichen Erzählens zum Ausdruck kommt (seien wir froh, daß es so ist!). Auch fehlt ja das vertraute Verhältnis des Lehrers zu seinen Schülern, das seinen persönlichen Ton bestimmt. Mit diesen Einschränkungen, die von jeder Märchensannmlung gelten, darf man Englerts Erzählweise, namentlich in den



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mundartlichen Stücken, große Lebhaftigkeit und Natürlichkeit, auch Reichtum an Bildern und Redensarten nachrühmen.»

Und wir könnten für dieses Nachwort keinen schöneren und treffenderen Schluß finden als die Worte, mit denen Otto von Greyerz seine Besprechung beschließt: «

Freuen wir uns, daß auch unserer Zeit und unserem Lande eine solche dichterisch-künstlerische Leistung gelungen ist, und hoffen wir, daß sie der Herzensbildung der Kinder zugute komme.»

Michaeli 196 I

Dr. Paul Jenny



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Worterklärungen
Aawärd: Ohnewert, Kleinigkeit
äberren: schneefrei werden
afange, afe: nachgerade, endlich
albe, allig, amel, arne: allemal, jeweilen
ämel: freilich, immerhin
Anke: Butter
angänds: sogleich
Änigrossa: Urgroßmutter
areise: zubereiten
Arve: Zirbel (pinus cembra)
Att, Ätti: Vater, Väterchen
Baarniloch: Öffnung der Krippe, durch
die das Heu geschoben wird
Bein: Knochen
beinig: knöchern
Biest: die erste Milch, die eine Kuh nach
dem Kalben gibt
Biestturta: Auf laufartiges Gebäck daraus
biier: näher
Biistall: Türpfosten
Bindbaum: Balken, durch den Heulasten
auf dem Wagen oder Schlitten festgebunden
          werden
Bindchnebel: zugespitzter Pflock zum
Zudrehen des Garbenbandes
birum: wiederum, abermals
Bitz: Bissen, bißchen
Blag: Kadaver, Aas, elendes Stück Vieh
blange: verlangen, sich sehnen nach
Blätz: Stück, Fleck
blutt: bloß, nackt
böpperle: pochen, klopfen, hämmern
Bord (t): Uferrand
Boschga: Name eines Waldes (ital. bosco)
Botzenbirrli: Dörrbirne
Bratkäsli: kleiner Laib Fettkäse, den man
   am Herdfeuer braten und abtropfen läßt
bresch haben: ein prall gefülltes Euter
haben
es Breesi: ein Bröselchen, ein bißchen
breiche: treffen, erlangen, erwünscht sein
Brente: Rücken getragene Milchbutte,
«Tanse»
Broxieta: Menge
Bühni: Bretterboden, (Heu-) Diele
Burde: Bürde. Bund
Ch siehe K
dick: häufig, oft
duo, dua, duä, du: da, damals, weil
durhaftig warden etwas: es verdrießlich
finden, einer Sache überdrüssig werden
eb: ehe
Eiertätsch: Rührei, Eierkuchen
eifalt einfach, schlicht
eis: einmal
eitue, ist mer eitue: einerlei, es ist mir
gleichgültig
emanhi, emusa, emzueha: zurück, hinüber,
hinaus, heim
ergaa: ausgehen, erlöschen
Falle, Fälleli: Türklinke
Fantumli: Phantömlein, Ungetüm
fahle. Einem an etwas: etwas begehren
Fängg, Fenk: Wildmannli
Feer: Fahre
Fert: Fuhre, Last
Fetzel: Wicht, Knirps, Kerl
Fiirblatte: Herdplatte, Feuerstelle
Finggestrich näh: die Flucht ergreifen
(wie ein Fink davonstreichen)
Flaub: Flaum, kleinstes Stäubchen
weder Staub noch Flaub: keine Spur mehr
Fluo, Flue: steil abfallende Felswand
Füdli, Füdeli: Gesäß, Hintern
ful: schlecht, arg
Fürtuech: Schürze
Gaden: Nebengemach, Stall, Speicher
Gand: Geröllhalde


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garstig Chueheni: Gerstenkuchen Gaster: Pritschenlager in der Alphütte gauch töricht, komisch gautite hüten Gebse: flaches, hölzernes Milchgefälß geng: immer gestört verstört gelte: geußen, wehrufen, schreien gyre: knirschen, knarren Gold: d Sunne goht Gold : die Sonne geht unter vergold ga verschwinden, vergehen Goldmirggla: goldene Brocken Gotte, Götti; Patin, Pate. Gevatter Gottwilche: Willkommen! Gotwergi: Zwerg graaten, etw. lan graaten gut sein, hingehen lassen Grien: Schotter, Geschiebe Grotzli. Tannegrotzli: verkrüppelte Tännehen, Wipfel, Reisig Gries: Kiessand Grind: Kopf gschmuechd: ohnmächtig, bange Gstiedel Webstuhl gstotzed sy: gestützt, angelehnt stehen Gufer: Geröll gumnpe, gümperle: hüpfen, tänzeln günne: pflücken, ernten, einheimsen Gutsch: Guß, Schwall Guttere Flasche (franz. goutte)
Hääpel: Kartoffel
haue schneiden
Harufeilßtitägel: offenes, mit Harz und Fett
gefülltes Dochtlämchen
heejja: hoch
Hegel: Messer
Hellsaata: Satan
Herd, Herdmnannli: Erde, Erdmnännchen
Hew, Hewzwärgli: Heu, Heuzwerglein
Höchli: der gekrümmte Griff am
Pflugsterz
Höck: Knirps
Hoit: Haupt
hötterle: trippeln, tappeln Hube!: Hügel, Anhöhe hudeln, verhudelt: zerlumpt, lotterig Hünggi: Hühnlein Hutte: Tragkorb Hurst: Gehölz, Dickicht
Innäbe: beiseite
it: nicht
Jüppe: Rock (franz. jupe)
jucke, ufjucke: aufschnellen, auffahren
Kacheli: Napf, Schüssel
kafle verchafle): zernagen, zerkauen
Känel: Rinne
kantsam: fügsam, gehorsam
Kelle: Koch-, Schöpflöffel
Chilha: Kirche
Chimpetterra: Kindbetterin
chönne, es Einem chönne: gelegen kommen,
     angenehm sein
Kiib (kiibe): Gekeife
Chläile: Klaue
Klapf (klepfe): Krach, Knall
Klimse: Riß,. Spalte
Chlopfa: die große Kuhschelle des Leittieres
Kog, Kaib: eigentlich Kadaver, Aas
(Schimpfwort)
Krachen, Grachen: Waldschlucht
Kratten: Korb
Kräbs am Spinnrad: die mit einer hölzernen
Gabel versehene Spindel
Kretler von Krott: Kröte
bist Chrott, en Chretler: ein Tausendsassa,
Nichtsnutz
Chriis: Reiser
Kritz (kritzen): Streit, Hader
Krömli, Chrom: Kram «gekramtes»
Geschenk
Chrungele: Knäuel
Kunst, Chust Ofenbank
küstig: schmackhaft
chute (vom U -Laut des Windes): heulen,
hohl sausen


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Lade: Brett
lampe: lotterig herunterhängen
Läst: Schar
Lätsch: Schleife, Hängemaul
en Lätsch mache: ein «Gesicht» machen
lätz: falsch, verkehrt
leesa, usleesa: ausschütten, ausleeren
Lefzge: Lippe
Lempe: Fetzen, Lappen
lybig: wohlbeleibt, fett
lyde, es megi ails erlyden: man dürfe sich
alles erlauben
lingig gan: leicht von statten gehn
Lischen: Sumpfgras, als Lagerstreu
gebräuchlich
lyre, ummelyre: leiern, herumwickeln
lob: lieb, zutraulich, rundlich voll
eine lobe Kuh: eine wohlgenährte Kuh
losen: lauschen
lozze: blicken
lützel klein, gering, wenig
Maiesäß: unterhalb der Sommeralp gelegene
    Frühlings-Bergweide
Marfel: Marmor
mögen, megen: die Kraft haben, einen zu
überwältigen
es hed mi megen: es ärgerte mich
Meiddeli, Meitli, Meiggi: Mädchen
ineisterlig: meisterhaft, hervorragend
mörndrisch: morgen
müpfen: stoßen, stupfen
Müntschi: Mäulchen, Kuß
eim es Müntschi mache: jemand einen Kuß
geben
munzig: winzig
Mutsch, Mutschli: ein kleiner dicker Käse.
laib
Mütt: Scheffel
näumis: öppis, etwas
Näpsetu: Schläfchen, eigentlich
«Nickerchen»
newwa(n): jemand, etwas, etwa, irgendwo
Nidel: Rahm
Nossen: Felszacken nucke (vertnucke): einnicken
ora pro me: bitt für mich
Pefeni (plur.): Bürschchen, Wichte
Pengellicken: Lücke, Tor am Bengelzaun
pfödele: trippeln, tappeln
polen: pochen
Pulggi: Bündel
Puur: Bauer
rang: kurios, seltsam
Rast: Weile
ra, ira: davon
Reckholder: Wacholder
Richter: Sieb
richtig: allerdings
Risi, Holzrisi: Holzschleife, Schneise
Risten: Leinfasernbündel (am Spinnrad)
Riswälle: Reiserbündel
ritschen vom Ritsch Ratsch-Laut,
knirschen
rooß: scharf, heftig, rasch
röre: schreien, brüllen
Rüfe (rovina): Erdrutsch, Steinlawine,
Erdschlipf
rupis stupis: ganz und gar
Sack: Tasche
Sägesse: Sense
Schäubli: Überkleid, Jacke
Scheermaus: Scharrmaus, Maulwurf
Schermen: Schirm, Obdach, Alpstall
Schür, Schüür: Scheuer, Scheune
Schiirgwatt: Scheunenecke
Schiff und Gscher: Fahrzeug und Werkzeug
schlappe: lappen
schlarpe: schlürfend gehen
schmecke: riechen
Schnäfi: Schnitzel
schnarzen, schmerzen: schnauzen
Schnauz: Schnurrbart
schnützen: fahren, flitzen
Schochen: Heuhaufen


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Schoß: Schürze Schotte: Molke. Milchrückstand von der Käsebereitung Schratt, Schrätteli: Waldgeist Schratthuhn: Schneehuhn schroten: abhauen, zerkleinern Schrötersagi: grobe Waldsäge schryße: ausreißen im Schwick: im Nu schüssele abschieben, fortschicken Schützli: ein «Schüßlein », eine kleine Strecke Schwemme, Schwämmi: Öffnung, Schlitz in der Scheunenwand se: da nimm! Seihwisch: Faserbündel (aus Stroh, Bast, Moos usw.) als Filtereinlage im Milchtrichter Senntum: Alpbetrieb, Herde und Sennerei als Wirtschaftseinheit serben, serbeln: dahinsiechen Setzkopf: Trotzkopf späten: spät werden Spinnhoppele: Spinnweb Stadel: Stall Stafel: Alpstufe, Alpgelände Stage: Treppe Stiel: Stiel, Schweif stipfe: stupfen, schupfen, stoßen, treiben stören (gstört): verstören Striche: Zitze am Euter stürchle: straucheln, stolpern strudle (verstrudlet): verwirren, zerzausen struub: rauh Strübli: «Schräubchen», Backwerk von gewundener Form Stumpe, Stiimpli: Stumpf, Hintern, Stummelschwanz Sturm mir ist Sturm): mir ist schwindlig Stutz: steiler Abhang Suiffi: dünnste, zweimal geschiedene Ziegenmilch
Taahen: Docht
Talpe, Talpli: Pfote
taub, ertaube: zornig, tobend werden Teilti Tälchen Teuchel: Rohr, Röhre thio und liog: tu und lug tifig: hurtig, gewandt, geschickt Tilisoller: Heuboden Tiri: Türchen tischinieren: Mahlzeit halten (déjeuner) Tobel: Waldtal Toggeli, Doggeli: Krüppel, Alp, Ungetüm (incubus) toll: stark, sehr Tötzi: Stück trääje: drehen tratsche: latschen Treche: Aschenglut im Feuerherd treiben: tränken Trywi: Treue Trog, Trögli: Trog, Truhe, Schrein Tschope: Joppe, Kittel, Wams Tschuppe: Wisch, Haufe, Anzahl tuuche: dünken, deuchen twäga: zugegen
uehi: hinauf
ugschiniert: unbehindert
Ustag, Ustig: Frühling, Lenz
Utrywi: Untreue
uf u zwääg: auf und davon
Uwert, i gib der nüt um Uwert: ich mache
mir nichts daraus
vergiistig: mißgünstig
versiiwe: verschleudern
wa, wo (zeitl. und relativ): als, welcher
wa, svan: als (in Vergleichen)
waartliha: ziemlich
Wäie, Wähe: Fladen, Kuchen
Wäidlig, Weidlig: Nachen, Schiff
wärklich: arbeitsam, tüchtig, wacker,
handfest
Weggen: Keil
weidlig: hurtig, schnell
weisen: winseln, heulen


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wiavalo: wie viel auch, was für eine Menge immer Wub: Gewebestück wysen: das erste Zeichen (Wysi) geben, Gottesdienst läuten
zatte: zerstreuen
zunem Sachli cho:
  zu Wohlstand kommen
Zeigerli: Zeigfinger
Zeine: Korb Zeisi: Reihe Zelli: Erzählung Ziger: gewürzter Quarkkäse Zirbel: Arve (pinus cembra) znachtnen: zu Nacht essen verzenne u zeeke: reizen und locken zöggle, verzöggle: verlocken zsärne möge mit etwas: auskommen mit Zwärgechinige: Zwergenkönigin


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Quellennachweis

von Alpenburg, Johann Nepomuk: Deutsche Alpensagen. Wien 1861 bei W. Braunmüller. Bächtold, Hans: Schweizerinärchen, Basel 1916, Kobersche Verlagsbuchhandlung. Buchli, Arnold Schweizersagen, l-III. Aarau 1926-1931 bei Sauerländer & Cie. Bundi, Gian: Märchen aus dem Bündnerland, Basel 1936 bei Helbing und Lichtenhahn. Ceresole, Alfred: Légendes des Alpes vaudoises. Lausanne/Geneve 1921, Librairie Payot. Friedli, Emmanuel: Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstums, 11. Bern 1908, A. Francke. Gempeler, D.: Sagen und Sagengeschichten aus dem Simmental. Thun 1888-1912. Bruder Grimm: Kinder. und Hausmärchen. 1815-1922. Neuausgabe im Inselverlag, Leipzig 1924.

Deutsche Sagen. 1816. Neuausgabe von Georg Müller, München und Leipzig. Hebel. J. P. Alemannische Gedichte. Aarau 1827 bei H. R. Sauerländer. heer, J.C.: An heiligen Wassern. Stuttgart 1900 bei Cotta. Henne-Am Rhyn, Otto: Die deutsche Volkssage. Beitrag zur vergleichenden Mythologie mit eingeschalteten tausend Originalsagen. Leipzig 1874 bei J. W. Krüger. Herzog, 11.: Schweizersagen für Jung und Alt dargestellt, I—II. 2. Auflage. Aarau 1887 bei

H. R. Sauerländer. von Jecklin, Dietrich: Volkstümliches aus Graubünden. Neuauflage Chur 1916 bei Sprecher und Eggerling. Jegerlehner, J.: Sagen aus dem Unterwallis. Basel 1909, Verlag der schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde bei Helbing und Lichtenhahn. Sagen und Märchen aus dein Oberwallis. Basel 1913, ebenda. Keller, Walter: Tessinermärchen. Frauenfeld und Leipzig 1927 bei Huber & Co. Kohlrusch, C. Schweizerisches Sagenbuch. Nach mündlichen Überlieferungen, Chroniken und andern gedruckten und handschriftlichen Quellen herausgegeben. Leipzig, Rob.

Hoffmann. 1854. Küffer, Georg: Sagen aus dem Bernerland. Bern, bei Francke 1923. Künzig, J.: Schwarzwaldsagen, in der Sammlung: Stammeskunde deutscher Landschaften, herausgegeben von Paul Zaunert, Jena 1930, bei Eugen Diederichs. Kuoni, J.: Sagen des Kantons St. Gallen. St. Gallen 1903 bei Wiser und Frey. Lenggenhager, Hans Georg: Volkssagen aus dem Kt. Baselland. Basel 1874 bei Chr. Chrüsi. Luck, Georg: Rhätische Alpensagen. Neuauflage. Bischofberger & Co., Chur 1935. Lütolf, Alois: Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten: Luzern, Un, Schwyz,

Unterwalden und Zug. Luzern 1863 bei J. Schiffmann. Michel, Hans: Ein Kratten voll Lauterbrunner Sagen. Interlaken 1936 bei Schläfli. Niderberger, Franz: Sagen. Märchen und Gebräuche aus Unterwalden, I—111. Samen 1909,

Selbstverlag. Oberholzer, A.: Thurgauersagen. Frauenfeld 1912 bei Huber & Co. Reithard, J.J.: Geschichten und Sagen aus der Schweiz. Frankfurt am Main 1853, Literarische

Anstalt hütten. Rochholz, Ernst Ludwig: Schweizersagen aus dem Aargau, l-11. Aarau 1856 bei HR. Sauerländer. Naturmythen. Neue Schweizersagen. Leipzig 1862 bei E.G.Teubner.



Vo Chline Luete-159. Flip

Ruppen, P.J., und Tscheinen, M.: Wallisersagen. Sitten 1872 bei L. Schmid. Schild, Franz Joseph: Aus dem Leberberg. Gedichte und Sagen in Solothurner Mundart.

Solothurn 1860 bei F. A. Weinau. Sooder, 'si.: Sagen Rohrbach. Huttwil 1929. Stebler, F.G.: Ob den Heidenreben. Zürich 1901 bei Aschmann und Scheuer. Sutermeister, Otto: Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz, 2. Auflage. Aarau 1873 bei H. R. Sauerländer. von Tschudi, Friedrich: Das Tierleben der Alpenwelt. 5. Auflage. Leipzig 1860 bei J. J.

Weber. Vernaleken, Theodor: Alpensagen. Volksüberlieferungen aus der Schweiz, Vorarlberg.

Kärnten, Steiermark, Salzburg, Ober. und Niederösterreich. Wien 1858 bei L. W. Seidel. Vonbun, F.J.: Beiträge zur deutschen Mythologie. Gesammelt in Churrhätien. Chur 1862 bei Leonhard Hitz. Die Sagen Vorarlbergs. 2. Auflage von Hermann Sander, Innsbruck 1889. Verlag der Wagnerschen Universitätsbuchhandlung. Wallisersagen: Wallisersagen herausgegeben von dem Historischen Verein von Oberwallis.

I—II. Brig 1907 bei Tscherrig und Tröndle. Wyß, Bernhard: Schwizerdütsch. Bilder aus dem Sittenleben unseres Volkes, dargestellt in Sitten und Sagen. Solothurn 1863. Verlag der Schererschen Buchhandlung. Wyß, J. R.: Idyllen, Volkssagen, Legenden und Erzählungen aus der Schweiz. Bern 1815 bis 1822. Zingerle, Ignaz Vizenz: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tyrol. Innsbruck 1859. Verlag der Wagnerschen Buchhandlung. Die 97 in diesem Buche vereinigten Gesclsichtlein stammen also aus fast allen Landschaften der Schweiz; nicht nur den deutschsprachigen Gegenden - in welche die alemannischen Gebiete des Schwarzwaldes und des Vorarlbergs durch einzelne Stücke einbezogen worden sind -, sondern auch aus den sämtlichen welschen im guten alten, umfassenden Sinne des Wortes. Darum sind einzelne Motive oftmals in mehreren Fassungen gegeben; andere wiederum sind aus verschiedenen Überlieferungen in eine Gestaltung gefaßt worden.

Zürich, im Herbst 1936 C. Englert-Faye