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Das blaue Band |
»O weh, o, weh, ich juck und reib', sie quälen mich am eignen Leib, und wenn die Schuhe hüpfen fein... aus Floh-Haut könnten sie wohl sein« |
stammelte er, während ihm der Speichel herunterrann und er sich schabte und kratzte.
Der Küchenjunge hatte das rechte gefunden und die Prinzessin und das halbe Reich und Land gewonnen.
Nun bat der König alle am Königshofe, den Brautlauf zu richten, und das schnell und eilig. Das taten sie auch rastlos, denn mit ihm war nicht zu spaßen. Sie wußten von früher, daß, wenn der König es so wollte, alles richtig und bestens verlaufen mußte.
So feierten die Prinzessin und der Küchenjunge Hochzeit.
Snip, snap, snaus, nun ist das Märchen aus. |
Sorge und Leid
In blauer Ferne lebte einmal ein König, der hatte drei herrliche Töchter von seiner ersten Königin, aber er hatte keine Söhne. Deshalb achtete er die drei Prinzessinnen so hoch, daß er ihnen alles gab, was sie sich von ihm erbaten. Aber da geschah es doch einmal, daß der Feind ins Land kam, und der König mußte in den Krieg. Als er abreiste bat ihn die älteste Prinzessin, er möge ihr einen Ring kaufen, der die Kraft habe, daß sie nie sterbe, so lange sie ihn am Finger habe. Die mittlere Prinzessin bat um einen Kranz, der sie froh mache, sobald sie
ihn anschaue, und sei ihr auch noch so weh ums Herz. »Kaufe mir Sorge und Leid«, sagte die Jüngste. Ja, das versprach der König.Als er den Feind aus dem Land und auch aus dem Nachbarland verjagt hatte, und als er den Heimweg antreten wollte, fiel ihm ein, was er den drei Prinzessinen versprochen hatte. Den Ring und den Kranz fand er schnell, aber Sorge und Leid waren nirgends zu kaufen, weder hier noch da, weder an dem einen Ort noch an dem anderen, denn alle Leute waren so froh und erleichtert, weil der Feind verjagt war, daß in seinem ganzen Land und Reich weder Sorge noch Leid zu finden waren. Da es nicht zu kaufen war, so gab es das auch nicht, und er mußte ohne Sorge und Leid heimreisen, so schlimm es ihn auch dünkte.
Nicht weit von seinem Schlosse mußte er durch einen dichten Wald. Auf einem Baum am Wege saß ein Eichhorn, das rief: »Kauf mich, kauf mich, ich heiße Sorge und Leid«. Der König dachte, es sei besser ein Eichhorn zu haben, als zwei leere Hände, so nahm er es mit zu seiner jüngsten Tochter. Sie freute sich ebensosehr über ihr Geschenk, wie ihre beiden Schwestern über Ring und Kranz. Das Eichhorn sprang in ihrer Kammer umher, bald wiegte es sich auf dem Bettpfosten, bald saß es oben auf dem Schrank, und immer hatte es eine Menge zu erzählen. Am abend, wenn der Tag schwand, fiel das Eichhornfell von ihm, und er ward ein junger, liebender Prinz. In dem vergoldeten Wald, so erzählte er, wohne eine schlimme, häßliche Trollhexe, die habe ihn in ein Eichhorn verbannt, weil er sie nicht heiraten wollte. Nachts habe sie keine Macht über ihn, doch jeden Morgen, wenn der Tag anbreche, müsse er wieder das Eichhornfell überziehen.
Nach einiger Zeit war es so weit, daß die Königstochter und Sorge und Leid heiraten wollten. Als sie sich Treue gelobt hatten, bat er sie flehentlich, nachts niemals Licht zu entzünden, um ihn zu sehen, »sonst werden wir beide unglücklich«! sagte er. »Nein, das will ich gewiß nicht tun« sagte sie, »das ist sicher«.
Nun kam jeden Abend, wenn die Königstochter sich gelegt und das Licht gelöscht hatte, ein Mensch und legte sich neben sie. Doch am Morgen, wenn sie erwachte, lag sie allein, und das Eichhorn saß auf dem Bettpfosten, begrüßte sie, plauderte und schwatzte mit ihr von allem, was möglich war.
Aber einmal geschah es doch, da dachte sie, er schläft ganz fest, da konnte sie sich nicht länger zurückhalten, sie erhob sich, zündete ein Licht an und schlich sich wieder leise zum Bett, und im Lichtschimmer sah sie, daß er viel, viel herrlicher war, als der allerherrlichste Königssohn. Er war so über alle Maßen schön, daß es gar nicht zu beschreiben
war, sie neigte sich über ihn, um ihn noch besser zu sehen, und schließlich konnte sie nicht anders, sie mußte ihn auf den Mund küssen. Doch da fielen drei Talgtropfen vom Licht auf seine Brust und er erwachte.»O, warum hast du das getan?«, rief er ganz unglücklich, »hättest du noch drei Tage ausgehalten, so wäre ich erlöst gewesen, aber nun muß ich zurück zu der bösen Trollhexe und sie heiraten, in den vergoldeten Wald, und zwischen dir und mir ist alles aus«. — »Darf ich dir nicht dorthin folgen?« fragte die Königstochter. »Nein, das vermagst du nie im Leben, denn wenn du dich ausruhst, oder auch nur die Beine zum Sitzen beugst, so kommst du in der Nacht so weit zurück, als du am Tage vorwärts gekommen bist«, sagte er, sprang zur Tür und war verschwunden.
Die Königstochter weinte und jammerte und wartete darauf, daß er wiederkäme, aber sie hörte und sah nichts mehr von ihm. Nach ein paar Tagen wurde sie ganz traurig und unruhig, sie konnte nicht mehr daheimbleiben. Sie bat ihre Magd inbrünstig, mit ihr zu gehen, sie wolle den vergoldeten Wald suchen. Schließlich gab die Magd nach, aber sie wollte nicht eher fort gehen, bis sie eine Eile Drillich, eine Eile Zwillig und eine Eile feines Leinen hatten. Das bekamen sie auch bald, denn auf dem Schloß war kein Mangel an solchen Dingen, glaube ich.
So machten sie sich auf den Weg und wanderten lang und länger, bis ihnen die Füße wund wurden und der Mut sank. Abends kamen sie mitten in einen dichten, dunklen Wald und kletterten auf einen hohen Baum. Die Königstochter war so müde, daß die Magd sie in den Armen halten mußte, während sie ein wenig schlief. Aber in der Nacht wurde es unten, um den Baum herum, unheimlich unruhig. Wölfe heulten und bellten, sodaß sich die Königstochter nicht mehr getraute, auch nur einen Augenblick zu schlafen. Aber so wie der Tag sich am Himmel zeigte, waren die Wölfe allesamt mit einem Male wie weggeblasen.
Am anderen Tage wanderten sie weiter und immer weiter bis die Füße noch wunder wurden und der Mut noch tiefer sank. Als der Abend sich neigte, kamen sie wieder in einen dichten, dunklen Wald. Sie kletterten wieder auf einen hohen Baum und die Königstochter war wieder so müde, daß die Magd sie in ihren Armen halten mußte, während sie ein wenig schlief. Als es dunkelte, trafen sich unter dem Baum eine Menge unheimlicher Bären, die fingen an zu tanzen und sich ganz unheimlich schnell im Kreise zu drehen. Auf einmal versuchten sie, auf den Baum hinaufzuklettern. Die ganze Nacht mußten die Königstochter
und ihre Magd im höchsten Wipfel stehen, sie konnten kein Auge schließen. Aber als der Tag nahte, waren die Bären in einem einzigen Augenblick wie in die Erde versunken.Am dritten Tage wanderten sie weiter und immer weiter und noch ein Stück dazu. Als der Abend sich neigte, kamen sie wieder in einen dunklen, dichten Wald und kletterten wieder auf einen hohen, hohen Baum. Kaum waren sie oben, so wimmelte es unter dem Baum und überall im Wald von lauter Löwen, die brüllten und heulten alle so schauerlich, daß es von Fels und Wald widertönte. Nun begannen sie zu tanzen und in einer unheimlichen Schnelle herumzuwirbeln, daß die Erde erzitterte und bebte. Und zwischendurch klammerten sie sich wieder an den Baum und versuchten ihn zu schütteln und zu lockern und wollten ihn mit Stumpf und Stiel ausreißen. Im höchsten Wipfel mußten die Königstochter und ihre Magd stehen, und obgleich sie so müde und schlaftrunken waren, daß sie manchmal fast heruntergefallen wären, wagten sie nicht, an Schlaf zu denken. Aber im selben Augenblick, als der Tag am Horizont auftauchte, waren die Löwen alle auf einmal in den Erdboden verschwunden, wo sie gingen und standen. Den ganzen Tag wankten sie nun hierhin und dorthin, die Füße wurden wunder als wund und der Mut sank tiefer als tief. Sie verloren Weg und Steg, und obgleich sie im Norden und Süden, im Osten und im Westen suchten, konnten sie sich doch nicht aus dem großen, dunklen Wald herausfinden.
Schließlich wurde die Königstochter über alle Maßen traurig und so müde. Alle Augenblicke wollte sich sich niedersetzen um sich ein wenig auszuruhen und zu schlafen. Aber die Magd hielt sie und zog sie vorwärts, damit sie sich nicht auf gebeugten Beinen niederlassen sollte, denn sonst wären sie ebenso weit zurückgekommen, als sie am Tag vorwärts gekommen waren, die Trollhexe im goldenen Wald hatte es so bestimmt.
Am Abend kamen sie an einen großen, häßlichen Felsen. »Hier will ich anklopfen«, sagte die Magd und pochte und klopfte. »Ach bitte nein, klopfe hier nicht an, du siehst ja, wie häßlich hier alles ist«, sagte die Königstochter. »Wer schlägt an meine Tür«, rief das Trollweib im Felsen laut und rauh. Sie öffnete die Tür und streckte ihre ellenlange Nase durch den Spalt. — »Die jüngste Königstochter und ihre Magd wollen zu einem Prinzen im goldenen Wald, der Sorge und Leid heißt«, antwortete die Magd.
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort!« sagte das |
Trollweib, »aber was wollt ihr von Sorge und Leid? Ist das vielleicht die Königstochter, die er heiraten wollte?« fragte das Trollweib. Ja, das sei die Königstochter. — »Nie im Leben wird sie ihn bekommen«, sagte das Trollweib, »denn nun muß er im goldenen Wald die große Trollhexe selbst heiraten. Ihr könnt ebenso gut jetzt wie später heimkehren«, sagte sie. Nein, umkehren wollten sie auf keinen Fall, und die Magd fragte, ob es nicht möglich wäre, ein Nachtlager zu bekommen. »Hereinkommen könnt ihr wohl«, antwortete das Trollweib, »aber wenn mein Mann heimkommt, so dreht er euch den Kopf ab und frißt euch auf«. Da war nichts zu machen, sie konnten mitten in der Nacht nicht weiterwandern. So zog die Magd die Eile Drillich hervor und schenkte sie dem Trollweib für einen Leinenhut. »Ach nein, ach nein«, rief sie aus, »nun bin ich schon hundert Jahre verheiratet und habe noch nie einen Hut aus Drillich getragen«. Sie freute sich so sehr, daß sie die beiden wohl aufnahm und gut umsorgte. Nach einer Weile, als sie sich durch Essen und Trinken gestärkt hatten, sagte das Trollweib zu ihnen: »Ja, mein Mann ist ein grimmiger Kerl, ich will versuchen, euch in der Vorkammer zu verstecken, vielleicht findet er euch dort nicht«. Sie richtete ihnen ein Bett her, so weich und gut wie nur ein Bett sein kann, aber sie trauten sich nicht, darauf zu liegen oder zu sitzen, nicht einmal einen Augenblick lang, weil sie acht geben mußten nicht die Beine zu beugen. So standen sie die ganze Nacht und hielten abwechselnd eines das andere unter den Armen, denn nun war auch die Magd so müde und erschöpft, daß sie fast nicht mehr konnte.
Um Mitternacht begann es ganz gräßlich zu donnern und zu poltern. Das war der Troll, der heimkam. Kaum hatte er seinen Kopf zur Tür hereingestreckt, so schrie er auch schon grob und häßlich: »Pfui, pfui, ich rieche Christenfleisch.« Ganz wild und wütend fuhr er umher, daß die Funken knisterten. — »Ja«, sagte das Trollweib, »es ist ein Vogel vorbei geflogen mit dem Knochen eines Christenmenschen. Den hat er durch den Kamin herunterfallen lassen, ich habe ihn schnell wieder hinausgeworfen, aber es kann doch sein, daß es immer noch danach riecht«, sagte das Trollweib. Er gab sich auch damit zufrieden. Aber am nächsten Morgen erzählte ihm das Trollweib, die jüngste Prinzessin und ihre Magd seien gekommen, sie suchen nach einem Prinzen mit Namen Sorge und Leid, im goldenen Wald.
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort!« schrie der |
Troll. »Das ist die Königstochter, die ihn heiraten sollte, ich weiß, aber sie bekommt ihn nie im Leben, denn in drei Tagen muß er die große
Trollhexe selbst heiraten. —Doch die Mädchen kommen mir nicht von hier fort, wo sind sie?« schrie er und schnüffelte und schnupperte in allen Winkeln und Ecken. »Ach nein«, sagte das Trollweib, »ihnen darfst du nichts tun, sie haben mir eine Eile Drillich geschenkt, und nun bin ich schon hundert Jahre verheiratet und habe noch nie einen Hut aus Drillich besessen. Du solltest ihnen dein Siebenmeilenwams leihen bis zum nächsten Nachbarn«, sagte das Trollweib, und sie bat für die beiden. Der Troll war einverstanden, als er hörte, wie freundlich sie zu seiner Frau gewesen waren.Als sie gegessen hatten und reisefertig waren, schnürte er ihnen sein Siebenmeilenwams an. Nun müßt ihr sagen:
»Ober Tannenwipfel und Weidenbusch, durch Tal und Berg zum Nachbarn, husch!« |
Und wenn ihr dort seid, müßt ihr sagen: »wo du heut morgen geschnürt worden bist, sollst du heut abend aufgehängt werden«, sagte der Troll. Die Mädchen taten wie ihnen geraten wurde und fuhren über Berg und tiefes Tal, vom Blauen ins Blaue.
Am Abend, in der Dämmerung, kamen sie wieder an einen großen, gräßlichen Felsen. Da zogen sie das Siebenmeilenwams aus und sagten: »Wo du heute morgen geschnürt worden bist, sollst du heut abend aufgehängt werden«. Da flog das Wams von selbst wieder heim.
»Hier will ich anklopfen«, sagte die Magd und klopfte und schlug.
»Ach, nein, meine Liebe, klopfe hier nicht an, du siehst ja, wie häßlich hier alles ist«, sagte die Königstochter.
»Wer poltert da an meine Tür«, schrie das Trollweib im Felsen, noch gröber und häßlicher als die erste. Sie machte die Tür ein wenig auf und streckte ihre zwei Ellenlange Nase durch den Spalt.
»Hier ist die jüngste Königstochter und ihre Magd. Wir suchen einen Königssohn, der heißt Sorge und Leid und wohnt im goldenen Wald«, antwortete die Magd. Da sagte das Trollweib ebenfalls:
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort!« |
und riet ihnen, umzukehren.
»Ihr könnt ebenso gut jetzt wie später umkehren«, sagte sie. Aber das wollten die beiden ganz und gar nicht, und die Magd fragte, ob sie hier ein Nachtlager haben könnten, und wenn es auch über die dunkelste Nachtzeit wäre.
»Ja, hereinkommen könnt ihr wohl«, sagte das Trollweib, »aber wenn mein Mann heut nacht heimkommt, dreht er euch den Kopf ab und frißt euch auf«.
Da zog die Magd die Eile Zwillich hervor und gab sie dem Trollweib zu einem Leinenhut.
»Ach nein, ach nein, nun bin ich schon zweihundert Jahre verheiratet und habe noch nie einen Leinenhut aus Zwillich besessen«, rief das Trollweib und freute sich so sehr, daß sie die beiden mit freundlichen Worten aufnahm und es an nichts fehlen ließ.
Nach einer Weile, als sie sich mit Essen und Trinken gestärkt hatten, sagte das Trollweib:
»Ja, mein Mann ist ein grimmiger Kerl, der zerfetzt kreuz und quer jede Christenseele, die hierher kommt. Ich muß euch draußen in der Vorkammer versuchen zu verstecken, vielleicht findet er euch da nicht«. Und sie richtete das Bett für die beiden, aber sie wagten sich weder zu setzen noch zu legen, nicht einmal einen Augenblick lang, denn sie mußten ja acht geben, daß sie die Beine nicht beugten. Sie standen die ganze Nacht und die eine hielt die andere abwechselnd unter den Armen, während sie ein wenig schlummerte.
Um Mitternacht begann es gräßlich zu donnern und zu poltern, daß sie fühlten, wie die Erde unter ihnen zitterte. Dann kam der Troll hereingestürmt:
»Pfui, pfui, ich rieche Christenfleisch«, rief er grob und scheußlich, er fuhr umher, so außer sich, daß Funken stoben wie bei einem Feuerbrand.
»Ja, es ist ein Vogel vorbeigeflogen«, sagte das Trollweib, »der hat einen Christenknochen durch den Schornstein fallen lassen, ich habe ihn schnell wieder hinausgeworfen, aber es kann wohl sein, daß es immer noch danach riecht«. Der Troll glaubte es, aber als sie morgens aufstehen wollten, erzählte sie ihm daß die jüngste Königstochter mit ihrer Magd gekommen sei. Sie suche nach einem Königssohn mit Namen Sorge und Leid, in dem goldenen Wald. Als der Troll das hörte, sagte er auch:
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort |
Das ist die Königstochter, die ihn hat heiraten wollen, ich weiß, aber sie bekommt ihn niemals im Leben, denn in zwei Tagen muß er die große Trollhexe selbst heiraten. Wo sind die beiden, sie sollen nicht lebend von hier fortkommen«, schrie er und schnupperte und schnüffelte überall umher.
»Ach nein, du darfst ihnen nichts tun«, sagte das Trollweib und erzählte, sie hätten ihr eine Eile Zwillich für einen Leinenhut geschenkt. »Dafür sollst du ihnen dein Siebenmeilenwams zum nächsten Nachbarn
leihen«, sagte sie. Er war auch gleich dazu bereit, als er hörte, wie freundlich sie zu seinem Weibe gewesen waren. Als sie am Morgen gegessen hatten, schnürte er ihnen sein Siebenmeilenwams an. »Wenn ihr am Ziel seid, so braucht ihr nur zu sagen: »Wo du heut morgen geschnürt worden bist, da sollst du heut nacht wieder hängen! Dann fliegt das Siebenmeilenwams von selbst wieder heim«, sagte der Troll. Dann fuhren sie über Berge und tiefe Täler, vom Blauen ins Blaue. In der Dämmerung kamen sie wieder an einen großen, gräulichen Felsen.»Hier will ich anklopfen«, sagte die Magd und klopfte und schlug an die Bergwand.
»Ach nein, klopf doch bitte hier nicht an, du siehst ja, wie häßlich hier alles ist«, sagte die Königstochter. —
»Wer poltert da an meine Tür«, schrie das Trollweib drin im Felsen, noch gröber und barscher als die anderen Trollweiber. Sie machte die Tür gerade so weit auf, daß ihre drei Ellen lange Nase durch den Spalt herausschaute.
»Hier steht die jüngste Königstochter mit ihrer Magd. Wir suchen nach einem Königsohn, der Sorge und Leid heißt und im goldenen Wald wohnt«, antwortete die Magd.
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort«, rief das |
Trollweib. »Aber was wollt ihr von Sorge und Leid? — Ist das vielleicht die Königstochter, die ihn heiraten sollte?«fragte das Trollweib. Ja, das sei sie, sagte die Magd. Auch dieses Trollweib sagte wieder: »Er muß die große Trollhexe selbst heiraten im goldenen Wald. Da könnt ihr ebenso gut jetzt heimkehren wie später«. — Aber umkehren wollten die beiden ganz und gar nicht, und die Magd fragte, ob sie hier ein Nachtquartier haben könnten, wenn es auch nur während der stockfinstersten Nacht wäre.
»Ja, hereinkommen könnt ihr wohl«, sagte das Trollweib, »aber wenn mein Mann heut nacht heimkommt, dreht er euch den Kopf ab und frißt euch auf«. Da war nichts zu machen, sie konnten nicht in kohlschwarzer Nacht durch Wald und Einöde weiterziehen. Da holte die Magd die Eile Leinwand hervor und schenkte sie dem Trollweib.
»Ach nein, ach nein!« rief sie aus, »nun bin ich schon dreihundert Jahre verheiratet und habe noch nie einen Hut aus Leinwand besessen«. Sie freute sich so sehr, daß sie die beiden freundlich hereinbat und es an nichts fehlen ließ. »Mein Mann ist ein recht grimmiger Kerl, er bringt jedes Christenmenschen Seele um, die sich hierher verirrt«,
sagte sie, als die Gäste gespeist hatten, »aber ich will versuchen, euch in der Vorkammer zu verbergen, vielleicht findet er euch da nicht«. Dann richtete sie ihnen das Bett weich.Aber nun war die Königstochter über alle Maßen müde, schwach und schläfrig, sie konnte sich gar nicht mehr länger aufrecht halten und mußte sich legen und ein wenig schlafen, und wenn es auch nur eine winzige Weile war. Die Magd war ebenso müde und elend, daß sie im Stehen einschlief und von Zeit zu Zeit fast umfiel, aber sie blieb doch so weit bei Besinnung, daß sie die Prinzessin unter den Armen ergriff und stützte und nicht die Beine beugen ließ. — Um Mitternacht fing es an zu poltern und zu donnern, sodaß das ganze Haus wankte, als ob Dach und Wände zusammenfallen würden. Das war der Großtroll, der heimkam. Als er die Nase zur Tür hereinstreckte, schrie er wild und gräßlich, wie sie noch nie jemanden hatten schreien hören, all ihr Lebtag nicht. »Verflucht! Es riecht nach Christenmenschen hier!« Er war in solch heller Wut, daß es um ihn funkte und sprühte.
»Ja, es ist ein Vogel vorbeigeflogen und hat einen Christenknochen durch den Schornstein fallen lassen. Ich habe ihn eilig wieder hinausgeworfen, aber es kann schon sein, daß es immer noch danach riecht«, sagte das Trollweib. Der Troll gab sich auch damit zufrieden. Aber als sie am Morgen aufwachten, erzählte sie ihm, daß die jüngste Königstochter mit ihrer Magd gekommen sei. »Sie suchen nach einem Königsohn, der Sorge und Leid heißt und im goldenen Wald wohnt.
»O weh, das ist weit, weit oben nach Nord, kein Segel, kein Ruder erreicht je den Ort!« schrie der |
Großtroll ebenso wie die kleinen Trolle es getan hatten. »Aber sie bekommt ihn nie im Leben, denn morgen muß er die große Trollhexe selbst heiraten. —Wo sind denn die beiden? MMM! das gibt einen fetten Leckerbissen«, schrie er und sprang im Kreis auf dem Fußboden umher und schnupperte und schnüffelte mit allen seinen neun Nasen auf einmal.
»Ach nein, du darft ihnen nichts tun«, sagte das Trollweib, »sie haben mir eine Eile Leinwand für einen Hut geschenkt. Nun bin ich schon dreihundert Jahr verheiratet und habe noch nie einen Hut aus Leinen besessen. Du solltest ihnen dein Siebenmeilenwams bis zum nächsten Nachbarn leihen!« Als der Großtroll das hörte, wie freundlich die beiden gewesen waren, erklärte er sich auch einverstanden. Als sie sich am Morgen durch Speisen gestärkt hatten, schnürte er ihnen sein Siebenmeilenwams an. »Nun müßt ihr sagen:
»Ober Tannenwipfel und Weidenbusch, durch Tal und Berg zum Nachbarn, husch!« |
Und wenn ihr am Ziel seid, so braucht ihr nur zu sagen: »Dort, wo man dich heut morgen geschnürt hat, sollst du heut nacht wieder hängen«, dann fliegt es allein zurück.« —Sie taten wie er geraten hatte und fuhren weiter und immer weiter, über Berg und tiefes Tal, vom Blauen ins Blaue.
In der Dämmerung kamen sie an einen großen Wald, wo alle Bäume kohlschwarz waren, wenn man sie auch nur ein wenig anrührte, wurde man schwarz wie eine Kaminwand. Aber mitten im Wald war eine Lichtung, auf der stand eine elende, armselige Hütte. Sie hielt nur noch an drei Balken zusammen und war jämmerlich anzuschauen als die elendste Sennhütte. Vor der Tür lag ein Kehrrichthaufen mit alten Schuhen, schmutzigen Lumpen und anderem häßlichen Zeug. Hier legte die Magd das Siebenmeilenwams ab und sagte: »Dort, wo du heut morgen geschnürt wurdest, sollst du heut abend wieder hängen«, und das Wams reiste von selbst wieder zurück.
»Hier will ich anklopfen«, sagte die Magd.
»Ach nein, ach nein«, klagte die Königstochter, »bitte klopf hier nicht an, du siehst ja, wie häßlich es hier ist«!
»Wenn du jetzt nicht tust ,was ich tue, so geht es uns beiden schlecht«, sagte die Magd, stapfte durch den Kehrichthaufen und klopfte an. Ein uraltes Trollweib mit einer drei Ellen langen Nase guckte zum Türspalt heraus.
»Wenn die Mädchen hereinwollen, so wollen sie, wenn sie aber nicht wollen, so können sie es bleiben lassen«, sagte sie und wollte die Tür ihnen vor der Nase schließen.
»Ja, wir wollen herein«, antwortete die Magd und zog die Königstochter hinter sich her.
»Wenn die Mädchen zur Tür herein wollen, so wollen sie, wollen sie aber nicht, so können sie es bleiben lassen«, sagte das Trollweib wieder.
»Ja, danke, wir wollen zur Tür herein«, sagte die Magd und stieg über die Schwelle durch Schmutz und Lumpen.
»O weh, o weh!« seufzte die Königstochter und stieg hinterdrein. Überall war es häßlich und schwarz und rußig drinnen und scheußlich schmutzig. Nach einer Weile ging die Trollhexe hinaus und holte ihnen Milch zum Trinken.
Wenn das Weibervolk trinken will, so will es, will es aber nicht, so können sie es bleiben lassen«, sagte die Trollhexe und wollte es wieder wegsetzen.
»Ja, danke, wir wollen trinken«, sagte die Magd und trank.
»O weh, o weh«, klagte die Königstochter, als sie trinken sollte, denn
die Milch war in einem Sautrog und Schmutz und Haarknäuel schwammen obenauf. Dann setzte die Trollhexe ihnen Essen vor.»Wenn das Weibervolk essen will, so will es, will es aber nicht, so können sie es bleiben lassen«, sagte die Trollhexe.
»Ja, wir wollen essen«, sagte die Magd, ehe das häßliche Nasenungetüm die Speisen wieder wegschaffen konnte. Das Brot war schimmelig, am Käse hatten die Mäuse genagt, das Fleisch war verdorben, daß es von weitem stank, zwei dreckige Kalbsschwänze waren um die ranzige Butter gelegt.
»O weh, o weh!« klagte die Königstochter und wollte zu weinen anfangen und war doch trotzdem genötigt, das zu tun, was die Magd tat, und die gräulichen Gast-Gerichte zu kosten. —Nun war das Danken an der Reihe. In ein paar alten Lumpen und Pelzfetzen auf dem Bett lag ein alter Mann, den sie bisher noch nicht gesehen hatten. Als sie zu ihm gingen, ihm zu danken, stand er auf. Und als die Königstochter ihm die Hand gab, küßte er sie. Aber im selben Augenblick verwandelte er sich in einen Königssohn, der war so schön, daß es kaum zu glauben war, wie schön er war. Und die Königstochter erkannte in ihm Sorge und Leid wieder, nach dem sie sich so sehr gesehnt hatte.
»Nun hast du mich erlöst!« sagte er.
»Weh dem, der dir geholfen hat!« schrie das Trollweib und rannte zur Tür hinaus. Aber auf der Treppe blieb sie stehen und wurde zu Stein, denn der Wald war nicht mehr kohlschwarz. Alle Bäume sahen aus, als seien sie von der Wurzel bis zum Wipfel golden, und sie blinkten und glänzten heller als die Sonne zur Mittagszeit. Die elende, schmutzige Hütte hatte sich in ein Königsschloß verwandelt, ganz unermeßlich prächtig und kostbar. Man hätte meinen können, Dach und Wände seien aus purem Gold und Silber, und das waren sie auch.
»Nun kannst du deine Beine wieder beugen«, sagte der Königssohn, »und hast du bis jetzt Sorge und Leid getragen, so sollst du von nun an umso mehr Freude haben.«
Die alte Trollhexe hatte gebraut und gebacken und das ganze Hochzeitsmal für sich schon fertig gemacht. Und als der nächste Morgen kam, feierten der Königssohn und die Königstochter Hochzeit, und alle Leute im Schloß und im ganzen Land feierten mit. Das dauerte vier mal vierzehn Tage, sodaß man in sieben Königsreichen davon hörte, und auch beim Vater und den beiden Schwestern der Braut. Die hätten auch mitgefeiert, wenn sie nicht gar so weit weg gewohnt hätten. — Ich wurde auch zu dem Fest geladen, und der Bräutigam machte mich
zum Küchenmeister, ich mußte die Rede auf Bräutigam und Braut halten. Aber am letzten Tag des Festes mußte ich Bier zapfen aus einem großen Faß, das ganz zu hinterst im Keller lag. Ehe ich den vollen Krug wegschickte, trank ich zuerst selbst wie es der Brauch war. Aber das Bier war so stark, daß es mir sogleich in den Kopf stieg und ich in die Luft flog wie ein Vogel. Nun habe ich neun volle Jahre zwischen Himmel und Erde geschwebt, dann fiel ich herunter ins Dorf vor das Haus hier oben auf dem Hügel. Und heraus kam Berit Liebmädchen mit einem Brief an mich von dem Königssohn, der inzwischen König geworden war. Darin stand, daß er und die junge Königin gut und zufrieden lebten und dich grüßen lassen. Du und deine Schwestern sollen am Sonntag nach Michaeli zur Einladung aufs Schloß kommen, und da könntest du ein paar liebliche kleine Prinzen, den goldenen Wald und die alte steinerne Trollhexe sehen, die vor der Tür steht und ihre drei Ellen lange Nase in den Wind streckt.
Die Waschfrau
In den Tagen, da unser Herr über die Erde wanderte, kam er einmal zu einer Frau, die an einem Bache stand und Leinenkleider wusch und schrubbte.
»Stehst du hier und wäschst Leinenzeug?« fragte er. »Ja, ich sollte einige Lumpen von den Kindern waschen« antwortete die Frau.
»O, ist es das, was du wäschst - nennst du es Lumpen, da?«fragte er.
»Ja ,gewiß tue ich das, ich weiß keinen anderen Namen dafür, antwortete sie wieder.
»Mir scheint es doch das feinste und heilste Leinenzeug zu sein, was du da wäschst«, sagte unser Herr, und dasselbe meinte St. Peter, der ihn begleitete.
»Nein, Lumpen sind es, die reinsten Lumpen allezusammen«, rief die Frau und war ärgerlich. »Es ist eine hoffnungslose Arbeit, diese Rabenjungen einzukleiden, mußt du wissen«, sagte sie.
»Sagst du Rabenjunge?«fragte unser Herr.
»Ich ließ die Worte wohl fallen, die wahr sind, wie ich weiß. —Ja, richtige Rabenjungen, jeder einzelne von diesem Gewürm, denn im-
mer sind sie oben und unten, springen über Tisch und Bänke, und schreien und lärmen so lange der Tag währt. Sie reißen die Kleider von sich ab, haben immer leere Mägen und sind hungrig wie die Schweine in der Frühjahrsknappheit«, sagte die Frau und schrubbte und spühlte bis der Schweiß ihr wie ein Wasserfall herunterlief.»Du hast vielleicht viele Kinder? «fragte Unser Herr freundlich und fein, denn er wußte nicht, ob er sich getrauen sollte, mit einer zu plaudern, die so garstig war.
»Ja, so viele, daß die Hälfte auch noch genug wäre, und mehr als das«, entgegegnete die Frau wieder, mußt du wissen.
»Wie viele hast du da?«
»Ich habe sechs«, sagte sie, denn sie schämte sich, die Wahrheit zu sagen, daß sie zwölf hatte.
»Die, um die du mich betrogen hast, die sollen für dich verhüllt sein, und wie du es haben willst, kannst du es bekommen«, antwortete Unser Herr, bot ein »Lebwohl« und ging.
Als sie nach Haus kam und die Leinenkleider aufzuhängen begann, waren sie zu reinen Fetzen und Lumpen geworden, alle zusammen. Da gab es nicht ein Stück, das noch so heil war, daß es zum Flicken dienen konnte. Die Hemden der Kinder waren nun so zerschlissen, daß sie Sonne und Mond hindurchscheinen sah, ja sogar einen weißen Bock, der draußen auf der Brücke stand. Schöne Leinenkleider hatte sie nun! Als sie heimkam, war jedes zweite Kind fort, sie waren nicht zu finden, wo immer sie suchte, fand sie nicht eine einzige Spur von ihnen. Aber die sechs, die ihr geblieben waren, die waren so zerlumpt, daß sie voreinander erschraken und sich versteckten. Aber sonst waren sie genauso frisch und munter wie vorher.
Da wurde sie so überglücklich, daß sie weinte und schluchzte, lachte, sang und umeinandertanzte. Sie tollte mit den Kindern mehr denn je, daß die Kinder ihre Mutter kaum wieder erkannten.
Aber an jedem Jahrestage, an dem sie mit Unserem Herrn gesprochen hatte, am Bache, versteckten sie sich in die dunkelsten Ecken: Essen wollten sie nicht haben, kein Wort sprachen sie und nichts wußten sie mit sich anzufangen. Sie lagen nur teilnahmslos, gähnten und glotzten, schlimmer als Wechselbälge, oder Trolljunge. Da wurde ihr so herzensbange, daß sie für immer so bleiben könnten, daß sie ihnen gelobte, sie nie auszuschimpfen, sondern immer freundlich zu sein und lieb und nachgiebig, wenn sie etwas Böses oder Unrichtiges getan hatten. Am Tage darauf waren sie deshalb wieder ebenso lebendig, eßlustig und rotwangig wie vorher.
Seitdem war ich nicht mehr bei ihnen, aber ich habe es gehört, es sei gewiß, daß tüchtige und fleißige Leute aus ihnen allen geworden sind.
Die Söhne des Fischers
Es war einmal ein Mann, der war draußen und fischte, er arbeitete den ganzen Tag, setzte Schnüre und ruderte, aber er fing kein Schwänzchen. Als der Abend sich neigte und er heimwärts ruderte, bemerkte er, daß etwas anbiß, und als er die Schnur aufzog, hing ein dicker Heilbutt dran. Als er ihn über den Wasserspiegel emporzog, begann der Fisch zu reden und bat so schön, daß er ihn wieder loslassen sollte. Nein, sagte der Mann, das könne er nicht, er hätte sich den ganzen Tag gemüht und nichts gefangen, er müsse ihn als Kochfisch mit heimbringen. Da keine Aussicht mehr war, freizukommen, bat der Fisch, in acht Stücke gehackt zu werden: zwei Stücke solle er seiner Frau geben, zwei seiner Hündin, zwei seiner Stute und zwei Stücke solle er auf den Tisch legen, und die Leber und die Lunge solle er im Keller vergraben. Das tat der Mann, und als eine Zeit vergangen war, gebar die Frau zwei Knaben, die Hündin bekam zwei Welpen, die Stute zwei Fohlen, und auf dem Tisch lagen zwei Schwerter.
Die beiden Knaben wuchsen auf und wurden zwei ansehnliche Burschen, die sich so ähnlich waren, daß man sie kaum unterscheiden konnte. Da bat der eine um Erlaubnis, in die Welt hinauszuziehen und sein Glück versuchen zu dürfen. Er bekam die Erlaubnis auch, und der Vater sagte, er solle den Hund mitnehmen, der zuerst bellt, das Pferd, das zuerst wiehert und das Schwert, das sich zuerst rührt, wenn er hinkommt. So rüstete er sich aus und zog davon.
Als er lange geritten war und länger als lang, kam er zu einem weiten Sandstrände; da er ihn durchritt, traf er einen schwarz verhangenen Wagen, darin eine Prinzessin in Trauerkleidern saß. Der den Wagen fuhr, setzte sie am Strande ab und fuhr seinen Wagen weiter. Das erschien dem Jüngling verwunderlich und er ging zu der Jungfrau hin und fragte sie, warum sie hier sitzen müsse. Sie erzählte, da käme ein Troll, der nichts anderes äße als Jungfrauenfleisch, der hätte alle Jungfrauen im Lande verzehrt, sie sei die letzte, die noch übrig sei, denn sie sei des Königs Tochter, und der König hätte sie demjenigen versprochen, der sie vom Troll erlösen könne. Wisse sie denn keinen Rat, wie
sie von dem Troll zu erlösen sei, fragte er. Nein, sie wisse keinen, antwortete sie.»Ich will es trotzdem wagen«, sagte der Jüngling. Doch die Königstochter dankte und bat ihn, sich wieder weiter auf den Weg zu machen, es sei genug, wenn der Troll sie verschlänge, ihm solle er nicht auch das Leben nehmen. — Und schon begann es in der See zu sausen und zu brausen, und aus dem Wasser tauchte ein riesiger Troll auf.
»Sitzt du hier bei meiner Braut«, schrie der Troll.
»Das ist nicht mehr deine, als es meine Braut ist«, sagte der Jüngling.
»Da werden wir uns drum balgen«, schrie der Troll.
»Ja gut!« sagte der Jüngling, »komm, mein Roß und schlage mit deinen Hufen, komm mein Hund und beiße, komm mein Schwert und schlage zu«, sagte der Fischerssohn. Ein harter Kampf begann und es dauerte nicht lange, so mußte der Troll ins Gras beißen. Der Jüngling schnitt ihm die Zunge heraus und verwahrte sie. So verließen sie den Strand, und die Königstochter war glücklich.
Als sie sich dem Königshofe näherten, sagte sie, daß der Jüngling sitzen bleiben solle bis der König ihn abholen würde mit Pferd und Wagen, aber das wollte er gar nicht. Wenn es sein könnte, so würde er lieber bei ihr bleiben, »denn du wirst mich nur vergessen«, sagte er. »Wie könnte ich dich vergessen, dich, der du mich befreit hast aus der äußersten Not!« sagte die Königstochter, dabei nahm sie einen Ring und knüpfte ihn in sein Haar.
So mußte er zurückbleiben und sie ging voran. Aber als sie zu der großen Brücke kam, draußen vorm Königshof, begegnete ihr der Kohlenbrenner des Königs.
»Kommst du lebend zurück?«fragte er.
Ja, sie erzählte, daß ein Jüngling gekommen sei und sie vom Troll befreit habe.
»Nun mußt du zum König sagen, daß ich es war, der dich erlöst hat«, sagte der Köhler, »oder ich stoße dich von der Brücke hinunter«.
Nein, das wolle sie nicht, aber er bedrohte sie erneut bei ihrem Leben, und sie dachte, sie könne wohl später immer noch die Wahrheit sagen, wenn sie nur erst einmal nach Hause käme.
Sie hatte einen kleinen Hund, der kam ihr entgegen, und als sie den Königshof erreichte, sprang er ihr auf den Schoß und leckte sie um den Mund. Da vergaß sie den Jüngling ganz und gar. — Der König war glücklich, daß sie vom Troll erlöst war und daß er sie wieder hatte. Schlimm erschien es ihm nur, daß ausgerechnet der Kohlenbrenner sie haben sollte, aber er mußte doch die Hochzeit vorbereiten.
Indessen saß der Jüngling da und wartete und wartete. Aber als gar niemand kam, ihn zu holen, reiste er zu einem anderen Königshof, der nicht weit davon entfernt lag. Dort wohnte des Königs Sohn, der Bruder der Prinzessin, die er erlöst hatte.
Der Jüngling fragte, was das für ein Gastmahl sei, das dort in dem anderen Königshof gegeben würde. Ach, das sei die Schwester, die Hochzeit mit dem Köhler mache, der sie von dem Seetroll befreit habe, sagte der Königssohn.
»Warum bist du dann nicht mit auf der Hochzeit«? fragte der Jüngling.
»Nein, ich verstehe mich mit meinem Vater nicht gut«, sagte er, »aber das wäre schon ein Spaß, wenn man etwas von dem Essen und Trinken bekommen könne, welches die da am Hochzeitshof haben«, sagte der Königssohn.
»Das ist nicht schwierig«, sagte der Jüngling, »mein Pferd, mein Hund und mein Schwert werden hingehen und den Silberteller und den Bierkrug nehmen, der vor der Braut steht!« Ja, die gingen zwischen den Wächtern und Dienern hindurch, gerade in den Saal hinein und nahmen Teller und Kanne. — Als der Königssohn und der Jüngling das Fleisch geschmeckt und sich satt getrunken hatten, sagte der Königssohn, daß es ein Spaß sein würde, von dem Braten und dem Wein zu kosten, welchen sie an dem Hochzeitstisch hätten.
»Das kostet mich nicht viel«, sagte der Jüngling, »mein Pferd, mein Hund und mein Schwert, geht hin und nehmt Braten und Wein, welcher auf dem Tisch vorm König steht. »Ja, sie gingen zwischen den Wächtern und Dienern hindurch, nahmen Braten und Wein und schlichen damit davon. Der König wollte wissen, wie das zuging, aber bevor er fragen konnte, waren die Tiere und das Schwert verschwunden.
Nun hatten sie gut zu leben, der Königssohn und der Jüngling, aßen Braten und tranken Wein. Doch dann meinte der Königssohn, das wäre doch ein Spaß, auch von dem Hochzeitskuchen zu kosten.
»Das macht mir ebenso wenig Mühe wie das andere«, sagte der Jüngling: »Mein Pferd, mein Hund, mein Schwert, geht hin zum Königshof und nehmt von dem Hochzeitskuchen, der vor der Königin steht«. Sie zögerten nicht, doch diesmal mußten sie um sich herum schlagen und beißen, und so wurden sie lange aufgehalten, sodaß der König herausbekam, wem Tiere und Schwert gehörten. Er sandte einen Boten zu dem Jüngling und bat ihn zur Hochzeit. Aber er wollte nicht kommen, es sei denn daß der König selbst käme, sich mit seinem
Sohn wieder vertrüge und ihn zur Hochzeitsfeier mit Pferd und Wagen hole. Ja, da war nichts anderes zu machen, sie wurden beide vom König selbst zur Hochzeitsfeier geholt.Der Jüngling wurde an den Tisch, gerade neben die Braut gesetzt, an seiner anderen Seite saß der Kohlenbrenner, der den riesigen Seetroll über dem Tisch aufgehangen hatte.
»Was ist das für ein riesiger Leib«, fragte der Jüngling.
»Das ist der Seetroll, den ich getötet habe, als ich die Jungfrau erlöste«, antwortete der Kohlenbrenner.
»Seltsam ist, daß solch ein großer Troll keine Zunge hat«, sagte der Jüngling, während er ihm ins Maul schaute.
»Nein, so große Trolle haben keine Zunge«, sagte der Kohlenbrenner.
»Das ist nur Geschwätz! Alles, was lebt, hat eine Zunge«, sagte der Jüngling.
»Nein doch«, sagte der Kohlenbrenner.
»Du wirst es gleich sehen«, sagte der Jüngling, nahm die abgeschnittene Zunge aus der Tasche heraus und legte sie in das Maul des Trolls. »Sitz fest«, sagte er, und so saß sie fest.
»Glaubst du nun, daß er eine Zunge hat?«fragte der Jüngling.
Da wandte sich die Königstochter ihm zu und entdeckte den Ring, der in sein Haar geknüpft war. »Er ist es, der mich erlöst hat«, sagte sie. Darüber wunderte sich der König: »Du sagtest doch, der Köhler hätte es getan«, sagte der König. Nun erzählte sie, wie alles zugegangen war, daß der Köhler sie von der Brücke stürzen wollte, wenn sie nicht erzählen würde, daß er es gewesen sei, der sie vom Seetroll befreit hätte. Der König wurde darüber so zornig, daß er den Köhler in den Kohlenmeiler, den er zuletzt aufgeschichtet und angezündet hatte, werfen ließ, sodaß die Lohe um ihn flammte. —Nun wurde erst richtig Hochzeit gehalten und der König war so glücklich, daß er trank bis er tanzte.
Am Abend als das Brautpaar in die Brautkammer ging, sah der Jüngling ein Licht ganz in der Ferne brennen, er fragte, was das sei. »Ach, da wohnt ein altes Trollweib«, sagte die Königstochter, »die Mutter des Seetrolls, den du erschlagen hast«. Als der Jüngling das hörte, wollte er hinaus und zwar sofort. Sie bat ihn, er solle nicht hingehen, aber da war nichts zu machen, er sollte und er mußte dort hin.
Als er die Hütte des Trollweibes betrat, bat er um ein Nachtlager. »Und wo soll mein Roß bleiben und mein Hund und mein Schwert?« fragte er weiter.
»Nimm drei Haare vom Kopf und binde sie damit!« sagte das Trollweib. Ja, das tat er, aber da wurden sie alle zusammen zu Stein und er mit ihnen.
Die Königstochter wartete in sieben Längen und sieben Breiten, aber so lang sie auch wartete, so kam doch kein Bräutigam zurück. Und so war wieder große Trauer am Königshofe. —
Als sie so lange von dem Jüngling nichts gehört hatten, dünkte es dem Fischer, seinem Vater, er müsse einmal nachsehen, was mit ihm los sei. Er ging hinunter in den Keller, wo er die Leber des Fisches vergraben hatte. Da sah er sie ganz mit Blut angefüllt. — Als er wieder heraufkam, sagte er zu seinem anderen Sohn: »Nun mußt du dich auf den Weg machen, dein Bruder ist in Lebensgefahr«. Also nahm er das andere Pferd, den anderen Hund und das andere Schwert und zog von dannen. Als er ein tüchtiges Stück geritten war, kam auch er zu dem weiten Sandstrand, wo sein Bruder den Seetroll bekämpft hatte. Dort begegnete ihm ein alter Mann, den fragte er, was das für Höfe seien, die dort in der Ferne lägen und weshalb sie mit Schwarz verhangen seien.
»Ja, er könne ihm die ganze Geschichte erzählen von der Königstochter, die von einem Jüngling befreit worden sei, und von der Hochzeit und von dem Kohlenbrenner, und daß der Jüngling die Königstochter verließ vor der Brautnacht - und seitdem hätte niemand ihn wiedergesehen. Der Jüngling verstand sofort, das müsse sein Bruder sein, von dem er erzählte, und so ging er hinauf zum Königshof. Dort sah er es mit seinen eigenen Augen, daß er seinem Bruder sehr ähnelte, denn beide, der König und die Königstochter glaubten, der rechte Bräutigam sei zurückgekommen. Darüber freuten sie sich so gewaltig, daß man es gar nicht beschreiben kann. Am Abend, als er in die Brautkammer kam, fragte er, was das dort für ein Licht sei.
»Erinnerst du dich nicht mehr, was das für ein Licht ist«, sagte die Königstochter, »nach diesem Licht zogst du aus, seit wir das letzte Mal in dieser Kammer waren«. —»Ja - so«, sagte der Jüngling und er müsse noch einmal dorthin, so viel sie auch weinte und bat, er wollte und mußte fort, das stand außer Frage.
In der Hütte des Trollweibes angekommen, bat er um ein Nachtlager. »Und wo soll mein Roß bleiben und mein Hund und mein Schwert?«fragte er. Sie sagte zu ihm, genau wie damals zu seinem Bruder, daß er drei Haare vom Kopf nehmen solle und sie damit binden. »Nein, das tue ich nicht«, sagte der Jüngling, »gib mir erst meinen Bruder wieder und sein Roß und seinen Hund und sein Schwert!«
Davon wisse sie nichts, sagte sie. Aber da rief der Jüngling: »Mein Roß, mein Hund und mein Schwert, tritt, beiß und schlag!« Daraufhin mußte sie sich ergeben. Sie nahm eine Flasche von der Wand und tropfte daraus auf vier Steine, die vor der Hütte lagen. So wurden sie alle vier lebendig.Das erste, wozu sie das Leben gebrauchten, war, das Trollweib zu erschlagen. Danach nahmen sie die Flasche und schütteten sie über dem Steinhaufen aus, der vor der Hütte lag. Dadurch belebten sich alle Steine wieder und wurden zu Menschen und Tieren und freuten sich über die Erlösung.
Alle zusammen reisten sie zurück zum Königshof. Dort feierten sie Hochzeit, so lange und prächtig, daß man in sieben Königreichen davon erzählte, denn der rechte Bräutigam war gekommen.
Der Herr vom Berg und Johannes Blessom
Johannes Blessom war einmal in Kopenhagen, um einen Prozeß zu führen, denn in jenen Zeiten konnte man sich hierzulande kein Recht verschaffen. Wenn man zu seinem Recht kommen wollte, so mußte man wohl oder übel nach Kopenhagen reisen. Das hatte Blessom getan, und das tat später auch sein Sohn, der auch einen Prozeß hatte. Am Weihnachtsabend hatte Johannes mit den hohen Herren geredet und seine Geschäfte geordnet, und so ging er nun betrübt den Weg entlang, denn er hatte Heimweh.
Wie er nun so ging, kam ein Mann aus Vogo an ihm vorbei, er trug ein weißes Wams mit Knöpfen, wie Silbertaler so groß, und er trug auch einen Rucksack. Er war ein großer, stämmiger Mann, er schien ihn zu kennen, aber er ging so schnell.
»Du gehst aber schnell«, sagte Johannes.
»Ja, ich muß eilen«, antwortete der Mann, »ich muß noch heute abend nach Vogo«.
Ach könnte ich doch auch dahin!« seufzte Johannes.
»Du kannst bei mir auf den Schlittenkufen stehen«, sagte der Mann, du mußt wissen, ich habe ein Pferd, das braucht zu einer Meile nur zwölf Schritte.«
So begannen sie ihre Fahrt, und Johannes Blessom hatte genug zu tun, sich auf den Schlittenkufen zu halten, denn es ging durch Wind
und Wetter, er konnte weder Himmel noch Erde sehen.Einmal hielten sie an und ruhten sich aus. Wo das war, konnte er nicht genau sagen, erst als es wieder eilends weiter ging, glaubte er einen Totenkopf auf einer Stange zu sehen. Als sie wieder ein Stück Weges zurückgelegt hatten, begann Johannes Blessom zu frieren.
»O weh, ich habe einen meiner Fausthandschuhe vergessen, dort, wo wir ausgeruht haben; jetzt friert meine Hand!« sagte er.
»Das mußt du schon in Kauf nehmen, Blessom«, sagte der Mann, »es ist nicht mehr weit bis Vogo, als wir Rast machten, hatten wir die Hälfte des Weges zurückgelegt«.
Als sie über die Finnbrücke kamen, hielt der Mann an und setzte Johannes Blessom ab.
»Nun hast du nicht mehr lang zu gehen bis nach Hause«, sagte er, »aber, versprich mir, dich nicht umzuschauen, wenn du ein Brausen hören solltest und einen Lichtschein siehst.«
Das versprach auch Johannes Blessom und dankte für die schnelle Heimfahrt.
Der Mann fuhr weiter und Johannes ging über den Hügel nach seinem Hofe. Wie er so dahin ging, hörte er ein Brausen im Jutulsberg, und vor ihm der Weg wurde mit einem Male so hell, daß man eine Nadel vom Boden hätte aufheben können. Er dachte nicht mehr daran, was er dem Mann versprochen hatte, sondern drehte den Kopf, um zu sehen, was das sei.
Da stand die Trolltür vom Jutulsberg weit offen, und es leuchtete und schimmerte daraus hervor wie von viel tausend Lichtern. Mitten darin stand der Herr vom Berg, das war der Mann, mit dem er gefahren war.
Doch von der Zeit an saß ihm der Kopf schief, und er blieb so, solang er lebte.
Kienspanhans, der die Königstochter zum Lachen brachte
Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter. Sie war so schön, daß ihr Name weit und breit bekannt war. Aber sie war so ernst, daß sie niemals lachen konnte. Sie tat so großartig und sagte nein zu allen, die sie freien wollten. Keinen wollte sie haben, wenn er auch noch so prächtig war, seien es nun Prinzen oder andere Herren. Der König
hatte es seit langer Zeit satt und meinte, sie solle sich nur verheiraten wie andere auch, sie hätte keinen Grund länger zu warten, sie sei alt genug und reicher würde sie auch nicht mehr, das halbe Reich würde ihr zufallen, das sei ihr Muttererbe.So ließ der König auf den Kirchhügeln verkünden, daß derjenige, der seine Tochter zum Lachen brächte, sie heiraten könne und das halbe Königreich dazu bekäme. Aber wenn es jemand versuchen und doch nicht fertig bringen würde, dem sollten drei rote Riemen aus dem Rücken geschnitten werden, und in die Wunden sollte Salz gestreut werden. Das war sicher, da gab es manche wunde Rücken im Königreiche. Da kamen die Freier angereist von Süden und Norden, von Osten und Westen, und sie glaubten, das sei doch keine große Sache, die Königstochter zum Lachen zu bringen. Und seltsame Kerle kamen da auch, aber trotz all der Spaßmacher, die da kamen, und trotz der Späße, die sie machten, so blieb die Königstochter dennoch unerschütterlich ernst.
Nahe beim Königshof wohnte ein Mann, der drei Söhne hatte. Die hörten auch, was der König hatte verkünden lassen, daß derjenige, welcher die Königstochter zum Lachen brächte, sie haben solle und das halbe Königreich dazu.
Zuerst wollte der älteste sich auf den Weg machen. Er verließ den väterlichen Hof und als er zum Königsschloß kam, sagte er zum König, daß er versuchen wolle, die Königstochter zum Lachen zu bringen.
»Ja, das ist schön und gut«, sagte der König, »aber das nützt nicht viel, mein Lieber, denn hier sind so viele gewesen, die es versucht haben, meine Tochter ist so traurig, daß nichts hilft, und ich will nicht, daß noch mehrere ins Unglück kommen.«
Der Junge meinte, das würde schon gehen, das könne doch keine so gefährliche Sache sein für ihn, die Königstochter zum Lachen zu bringen, denn man hätte ihn so manches Mal ausgelacht, Vornehme und Einfache, wie er noch als Soldat diente unter Niels Floymann. — So ließ der König ihn auf den Platz vor der Haustür, und vor den Fenstern der Königstochter begann der junge Mann zu exerzieren nach alten vorgeschriebenen Regeln. Aber das bewirkte nichts, die Königstochter blieb unerschütterlich ernst. So nahmen sie den Freier und schnitten ihm drei rote Riemen aus dem Rücken und schickten ihn wieder nach Hause.
Als er so angekommen war, wollte sich der zweite Sohn auf den Weg machen. Er war Schulmeister und eine wunderliche Figur von Mann. Er war lahm und hinkte, und wer das sah, dem genügte es, noch dazu
war er winzig wie ein kleiner Junge. Wenn er sich an dem langen Bein aufrichtete, wurde er groß wie ein Troll. Und außerdem war er stark beleibt.Also gut, er zog zum Königshof und sagte, er wolle versuchen, die Königstochter zum Lachen zu bringen. Noch sei er nicht richtig im Unglück, meinte der König, »aber Gott tröste dich, gelingt es dir nicht; breite Riemen schneiden wir von jedem, der es riskiert«.
Der Schulmeister ging auf den Platz vor der Haustür. Dort stellte er sich vor den Fenstern der Königstochter auf und predigte und agierte wie sieben Pastoren zusammen, und er las und sang wie sieben Glöckner zusammen, die hier im Ort gewesen waren. Der König lachte, daß er sich an den Säulchen der Galerie festhalten mußte, und bei der Königstochter wollte gerade ein Lächeln beginnen, aber dann war sie doch wieder gleich unerschütterlich ernst. Und so ging das nicht besser mit Paul, dem Schulmeister, als es mit Per, dem Soldaten gegangen war, denn Per und Paul hießen sie, das muß man wissen. Sie nahmen ihn und schnitten drei rote Riemen aus seinem Rücken, streuten Salz hinein und schickten ihn wieder nach Hause.
Nun wollte der Jüngste sich auf den Weg machen, und das war Kienspanhans. Aber seine Brüder lachten ihn aus und hatten ihn zum besten und zeigten ihm ihre wunden Rücken. Und der Vater wollte ihm die Erlaubnis nicht geben. Er sagte, das sei nichts für ihn, denn er habe ja keinen Verstand, nichts könne er und nichts tue er, er säße nur beim Herd wie eine Katze, schüre in der Glut und schnitze Kienspäne. Aber Kienspanhans gab sich nicht damit zufrieden, er maulte und bat so lange, bis der Vater müde wurde von seinem ständigen Drängen, und zum Schluß bekam er doch die Erlaubnis, zum Königshof zu gehen und sein Glück zu versuchen.
Als er am Königshof ankam, sagte er nicht, daß er die Königstochter zum Lachen bringen wollte, sondern er bat darum, ob er nicht Dienste leisten könne. Nein, sie hätten keine Dienste für ihn. Aber Kienspanhans gab es nicht auf, sie brauchten gewiß einen, der Wasser und Holz für die Küche trägt ,»in einem so großen Hof«, sagte er. Ja, das schien dem König kein Unglück zu sein, und er war wohl auch durch seine Beharrlichkeit weich geworden. So bekam Kienspanhans die Erlaubnis, dazubleiben und Holz und Wasser für das Küchenmädchen zu tragen.
Eines Tages, als er Wasser aus dem Bach holen sollte, sah er plötzlich einen großen Fisch, welcher unter einer alten Kiefernwurzel stand, wo das Wasser die Erde ausgeholt hatte. Er schob seinen Eimer ganz
sacht unter den Fisch und nahm ihn mit. Aber als er zum Königshof wieder heimgehen wollte, traf er eine alte Frau, welche eine Goldgans führte.»Guten Tag, Großmutter«, sagte Kienspanhans, »das ist ein feiner Vogel, den du da hast, und so goldene Federn hat er! Das leuchtet ja den ganzen Weg entlang. Hätte ich eine solche Feder, brauchte ich nicht mehr Kienspäne zu schnitzen«. —Der Alten gefiel der Fisch ebenso gut, den Hans in seinem Eimer hatte, und sie sagte, wenn er ihr den Fisch geben würde, könne er die Goldgans haben, und die sei so geartet, daß derjenige, der sie anrühre, daran festklebe, wenn er nur das Sprüchlein sagen würde:
»Mit gehn wär das beste, drum häng daran recht feste!« |
Ja, diesen Tausch wollte Kienspanhans recht gerne eingehen. Der Vogel ist wohl ebenso gut wie der Fisch, sagte er zu sich selbst .»Ist er wirklich so, wie du sagst, so kann ich ihn gut brauchen zum Fische fangen«, sagte er zu der Alten und war wohl zufrieden mit der Gans.
Er war noch nicht lang gegangen, so traf er ein altes Weib. Als sie die feine Goldgans sah, wollte sie hin und sie gar so gerne tätscheln. Sie betrug sich so freundlich und bat Kienspanhans, ob sie nicht die Erlaubnis bekommen könne, seine hübsche Goldgans zu streicheln.
»Kann sein«, sagte Kienspanhans, »aber du mußt darauf achten, daß du ihr nicht die Federn umknickst«. Als sie die Goldgans berührte, sagte er:
»Mit gehn wär das beste, drum häng daran recht feste!« |
Das alte Weib schlug und riß, aber sie blieb daran hängen und mußte mit, ob sie wollte oder nicht. Und Kienspanhans ging weiter, als sei er alleine mit seiner Goldgans. Als er noch ein Stück weiter ging, traf er einen Mann, der hatte etwas auszuhandeln mit dem alten Weib für einen Fußtritt, den sie ihm einmal gegeben hatte. Als er sah, daß sie so hart kämpfte, um frei zu kommen, dachte er, jetzt hängt sie da gut fest, und es schien ihm sicher zu sein, jetzt könne er ihr einen Fußtritt geben als »Dank für das letzte Mal«. Und so trat er gegen das alte Weib mit dem einen Fuß.
»Mit gehn wär das beste, drum häng daran recht feste!« |
sagte Kienspanhans, und der Mann mußte mitkommen und auf einem Bein hinterherhüpfen, ob er wollte oder nicht, und so viel er riß und schlug und los wollte, wurde es nur schlimmer und er lief Gefahr, auf
den Hintern zu fallen. So ging das ein gutes Stück bis sie in den Königshof kamen. Da mußte der Schmied zum König; er sollte ihm etwas schmieden und hatte eine große Schmiedezange in Händen. Dieser Schmied war ein Tropf, der stets voller Leben und Narrenstreiche war, und als er das hinkende und hüpfende Gefolge sah, lachte er zuerst, als er so im Spottwinkel stand, aber dann sagte er: »Das ist ja eine feine Gänseherde, welche die Prinzessin haben soll. Wer ist nun davon der Gänserich und wer die Gans? Das muß wohl der Gänserich sein, welcher da voraus geht. Hulehule Gänschen«, lockte er und warf die Hände, als ob er Futter streue für eine Gänseherde.Aber die Herde hielt nicht an. Das alte Weib und der Mann sahen nur böse zum Schmied, weil er sie verspottete. Da sagte der Schmied:
»Das wäre doch spaßhaft, die ganze Gänseherde zu halten, so viele es sind.«
Er war ein starker Mann. Und so zwickte er mit der Schmiedezange den alten Mann ins Hinterteil. Und der Mann schrie und wand sich, aber Kienspanhans sagte:
»Mit gehn wär das beste, drum häng daran recht feste!« |
So mußte der Schmied auch mit. Er krümmte seinen Rücken, stemmte sich dagegen und wollte los, aber das ging nicht, so saß er fest, als ob er in den großen Schraubstock der Schmiede eingeschraubt sei, und ob er wollte oder nicht, so mußte er doch mit im Reigen.
Als sie richtig in den Königshof gelangten, fuhren die Hofhunde dazwischen und bellten, als ob der Zug ein Scheuerbesen wäre oder ein Zigeuner. Als nun die Königstochter hinausschaute, um zu sehen, was da passierte und diesen Fastnachtszug zu sehen bekam, setzte sie an zum Lachen. Aber Kienspanhans war damit nicht zufrieden. »Warte ein wenig, ich mache dir die Lachtür noch besser auf«, sagte er und machte eine Wendung im Königshof mit seinem ganzen Gefolge.
Als sie an der Küche vorbei kamen, stand die Tür offen und die Köchin war gerade dabei, die Grütze zu stampfen. Aber als sie Kienspanhans und seine Herde sah, kam sie sofort aus der Tür heraus mit dem Quirl in der einen Hand und den Kochlöffel mit dampfender Grütze in der anderen, und sie lachte, daß sie bebte. Und als sie vollends noch sah, daß der Schmied dabei war, schlug sie sich auf die Schenkel und lachte noch gewaltiger. Doch als sie sich richtig ausgelacht hatte, schien auch ihr die Goldgans so fein und lieb zu sein, daß sie hingehen wollte und sie streicheln.
»Kienspanhans, Kienspanhans!« schrie sie und lief hinterher mit
dem Grützelöffel in der Faust, »darf ich den lieben Vogel einmal streicheln, den du da hast?«»Kann sein«, sagte Kienspanhans.
»Laß sie doch lieber mich streicheln«, sagte der Schmied.
Als die Köchin das hörte, wurde sie böse. »Was hast du gesagt?« schrie sie und schlug nach dem Schmied mit dem Grützelöffel.
»Mit gehn wär das beste, drum häng daran recht feste!« |
sagte Kienspanhans. Da saß sie fest, sie also auch. Und obgleich sie schalt und schlug und riß und ganz wild wurde, so mußte sie doch mit. Aber als sie nun vor das Fenster der Königstochter kamen, da stand sie schon und wartete auf Kienspanhans mit seinem Gefolge. Als sie aber sah, daß er die Köchin auch mitgefangen hatte samt Quirl und Grützelöffel, da erscholl eine ganze Lachsalve aus ihrem Munde, und sie lachte und lachte, daß der König sie stützen mußte.
So bekam Kienspanhans die Königstochter zur Frau und das halbe Königreich obendrein. Und eine prächtige Hochzeit wurde gehalten, von der man überall hörte und erzählte.
Makrelenfang
Unser alter Freund Asbjörnsen erzählte folgendes:
»Am Meer bin ich aufgewachsen, da lebte ich, mitten zwischen Klippen und Wogen seit meiner frühesten Kindheit. Es waren alles tüchtige Seeleute, von denen ich abstamme, da war keiner dabei, der nicht zeitig begann. Sobald das Kind gehen gelernt hatte, war seine erste Morgenwanderung, im Hemd nur, hinaufzulaufen zum nächsten Fels oder Riff, um nach dem Wetter zu sehen und nach dem Meer. Und wenn es still war, steckte es den Finger in den Mund, hielt ihn dann in die Lüfte, um zu erfahren, woher die Winde wehten. Sobald es ein Ruder heben konnte, war es im Boot, und nun dauerte es nicht mehr lange, daß es mit Seefahrern spielte. Während meines Wachstums war ich meist draußen auf See mit einem Lotsen zusammen, der einer der kecksten Seefahrer war, die ich kannte. Die Tage, die ich mit ihm zusammen verbrachte, gehören zu den liebsten und teuersten in meinen Erinnerungen. Froh und frei wie ein Vogel flog ich hinaus auf die Wellen. In einem leichten Boot fuhren wir auf Entenjagd, auch auf
Eidervögel und Seehunde zwischen den Klippen. Mit einem gedeckten Boot fuhren wir weit hinaus auf See, um Makrelen zu fangen. Und wenn er ein Schiff hineinlotsen mußte, segelte ich unterdessen das Boot allein heim oder zusammen mit dem Lotsenjungen. Seitdem habe ich allezeit eine starke Sehnsucht nach dem Meer und nach dem Salzwasser gehabt.Nun will ich euch aber von einer Fahrt erzählen, die wir zusammen unternahmen, als ich vor einigen Jahren daheim zu Besuch war, und dabei war es, daß mein alter Freund die Geschichte erzählte, die ich jetzt mitteilen will:
Wir verbrachten also einige Tage draußen bei den äußersten Seeklippen. Wir segelten mit gedecktem Boot, einem großen Walfangboot. Besatzung war Rasmus Olsen (so hieß mein genannter Freund), der Lotsenjunge und ich. Eines morgens in der Dämmerung stießen wir ab in See, um Makrelen zu fangen. Es ging ein schwacher Landwind, der knapp genug den schweren Nebel zu heben vermochte, der über den Klippen und den nackten Felsen braute. Aufgescheuchte, flatternde Möven rund um uns herum mit ihren heiseren Schreien, Seeschwalben stießen ihr klingendes »tri egg« (drei Eier) aus, und die Elsternschnepfen das spottende »Klikk, klikk«, welches oft einen fehlschießenden Schützen zum Lächeln brachte. Ober die bleigraue Seefläche, die nur selten belebt wurde durch eine Alke, eine Lumine, einen Eidervogelschwarm und einen keuchenden Tümmler, hing die Luft diesig und dicht. Rasmus Olsen selbst saß in der Achterluke beim Steuer. Aber der Bub war bald draußen, bald hinten drin, je nachdem, wo er notwendig war. Rasmus war ein großer, schwerer Mann mit braunrindigem, wetterzerfurchten Antlitz. Der Ausdruck war gutmütig, aber in der Tiefe der grauen, klugen Augen lag ein Ernst und ein gewisses Forschen, das davon zeugte, daß er gewohnt war, sich in Lebensgefahr zu begeben und tiefer in die Dinge zu sehen, als das Lächeln um den Mund und die scherzenden Worte, die er oft auf der Zunge führte, hinzudeuten schienen. Wie er so dasaß mit seinem Südwester über den Ohren in einem genähten gelbbraunem Kalmückenwams wirkte sein Anblick in der diesigen Morgenluft beinah übernatürlich groß, und man konnte leicht auf den Gedanken verfallen, daß man einen Widergänger aus Wikingers Zeiten vor sich hatte. Aber zu Wikingers Zeiten brauchte man keinen Tabak, das brauchte aber Rasmus Olsen, und zwar gründlich.
»Er hat nicht so viel Wind, daß er ein Rindenschifflein den Rinnstein entlang blasen kann«, sagte Rasmus und vertauschte den Priem
mit einer kleinen schwarz gerauchten Kreidepfeife, indem er in allen Richtungen Ausschau hielt. »Gestern abend beim Sonnenuntergang stand er voller prächtiger Windwolken, aber nun hat er nicht einen Hut voll.«Der Lotsenjunge, der vorn Ausschau hielt und mit dem Steuerbordruder arbeitete, um vorm Abfall zu stützen, da die Strömung im Westen ging, antwortete, daß er meine, daß es später leichter würde. »Zum Teufel noch mal, das ist kein Sonnenaufgangswetter«, antwortete Rasmus, »er kommt nicht, ehe es auf den Tag zu geht; aber dann werden wir mehr bekommen, als wir haben wollen um der Makrelen willen.«
Dennoch kam mittlerweile ein frischer Luftzug, sodaß wir Kurs halten konnten ohne Ruderhilfe, und nun glitten wir rasch hinaus in offene See. Der Nebel schwandt nach hinten und ließ uns die blaue Küstenlinie sehen mit den nackten Holmen. Aber vor uns lag das Meer in seiner unendlichen Weite, errötet von der Morgensonne. Der Landwind hatte noch Kraft genug, aber je höher die Sonne stieg, desto frischer blies es vom Meer her. Die steigenden Nebel legten sich wie ein Teppich übers Land. Nun war eine steife Makrelenbrise da. Wir waren gerade drin am Makrelenschwarm. Die Angelschnuren wurden ausgeworfen, und ein Fisch nach dem anderen biß, sodaß es in allen Schnüren zitterte. Unter gewaltigem Zappeln und Rucken wurden diese silberblanken Kinder des Meeres heraufgebracht. Aber die Freude dauerte wie gewöhnlich nicht besonders lange. Als der Tag voranschritt, verstärkte sich die Brise ständig mehr und mehr. Wasser kam herein, die Sturzseen wuchsen; schließlich standen die Schnüren gespannt und die Bleisteine hüpften über die Wogenkämme hin, während die Sturzseen über unsere kleine Nußschale brausten und Schaum und Sprühregen hoch über Segel und Mast sandten. Die Angelschnüre wurden herein genommen. Der Lotsenjunge saß auf der großen Falltürklappe, baumelte mit den Beinen und guckte nach alter Gewohnheit bald hierhin, bald dorthin. Zeitweise ging er runter in den Raum und sah nach seiner Uhr, die in einer großen rotgemalten Schiffskiste lag.
»Ja, die Truhe und die Uhr«, sagte Rasmus mit einem Lächeln und einem Nicken, »daran hält er sich, da tut er recht dran; früher legte er keinen Wert darauf, da lag er und grub kleine Steine in den Meeresgrund. «
Ich bat um nähere Erklärung, und er erzählte: Das war im vorigen Jahr im Oktober. Wir kamen in schweres Wetter. Mit Mühe konnte ich mich gegen die See behaupten, aber ich blieb draußen, und er mit mir. Schließlich rief ich ein Holländerschiff an und kam zu ihm an Bord,
aber ich dachte immer an das Boot und den Jungen. Meine Gedanken waren nicht da, wo sie sein sollten, denn jeden Augenblick guckte ich nach dem Boot und dem Jungen. Und schließlich sah ich, er bekam eine Sturzsee hinten drauf, sodaß er hochgehoben wurde, und kippte kopfüber und unter -weg war er. Wir konnten nicht helfen, wenn auch der Schiffer wollte, es war zu weit weg. Ich betete im Stillen und dachte, ich würde ihn nie wieder sehen. Aber den ersten, den ich traf, als ich heimkam, war der Junge. Er war heimgekommen, eher als ich. Er hob seine Uhr hoch und zeigte sie mir und sagte: »Ich habe die Uhr gerettet, Vater, und sie geht noch«. Na, Gott sei gelobt, daß du gerettet bist, dachte ich. Zu einem Boot kann man immer wieder mal kommen, obgleich es mich viele Taler gekostet hatte, und nagelneue Segel waren drauf. — Wie er gerettet wurde? — Ja, das ging so zu - »Ja, ja, du schmunzelst, Kleiner«, sagte er zum Jungen, der ihm zulachte und stärker mit den Beinen baumelte, »der ertrinkt nicht, der hängen soll« — da kam eine Brigg, welche heimfuhr, genau nordwärts. Auf einmal hören wir einen Schrei; einer läuft nach vorn, aber da war nichts los, aber er dachte mindestens daran, daß es außenbords sein könnte, besser noch, er hörte es schreien, richtig unterm Bug. Und als der Kapitän selbst nach vorn kam und nach draußen guckte, saß der Junge auf der Schiffskiste und hielt die Uhr in seinen Händen, hoch über die Wellen weg. Schnell gab der Kapitän den Männern am Steuer einen Wink, sodaß sie nicht in ihn hinein segelten, sie drehten bei und warfen eine Strickleiter aus und holten ihn rauf.« —Als es weiter in den Tag hineinging, legte sich der Wind und wir fingen wieder einzelne Fische, während das Geplauder lebhaft ging.
»Ja, ja«, sagte er und schüttelte ein wenig den Kopf, während er die Pfeife wieder anzündete, »es braut sich etwas zusammen südwärts. Der Luftzug, den wir bekamen war nur ein Morgenschnaps, ihr werdet sehen, wir werden bedient. Selbst die Fische wissen darum, sie beißen nicht mehr, und die Vögel sind furchtsam, höre, wie sie quesen und schreien und an Land zu kommen suchen. Das wird ein richtiges Trollhexenwetter am Abend. Nein, sieh den an! Tümmler, nicht so nahe, daß —Gott helfe mir konnte ich nicht gerade« —spucken auf ihn wollte er gesagt haben, aber in dem Augenblick knallte meine Büchse, die ich zum Auge gerissen und abgedrückt hatte auf einen Tümmler, der sich dicht bei uns in den Wellen wälzte. Als der Schuß ihn traf, schlug er gewaltig mit dem Schwanz, daß Wasser und Schaum aufstie, gen wie ein kleiner Wasserfall so hoch wie der Mast und uns alle übergoß und überprühte.
»Die Trollhexe, so hoffe ich, wird uns wohl nicht ein Wetter senden«, sagte ich, als ich sah, daß das Wasser sich rot mit Blut färbte. Kurz darauf tauchte der Tümmler auf, pustete und stöhnte und drehte den Bug in den Wind. Rasmus war flink und hakte den Bootshaken in ihn und ich half ihm dabei, ihn ins Boot zu heben. Rasmus war sehr froh über den Tran, den er abgeben würde, drehte das schwere Tier von der einen Seite auf die andere, liebkoste es, als ob es ein Säugling sei und versicherte, daß er ein schmackhafter Wassertroll sei, willkommen fürs Stiefeischmieren und fürs Lampenlicht.
Während wir schwatzten von Trollen und Trollhexen tauchte eine besondere Trollhexengeschichte in meiner Erinnerung auf; ich glaubte, sie von Rasmussen in meiner Kinderzeit gehört zu haben, aber sie stand so dunkel vor mir, daß ich nicht wußte, ob es etwas war, was ich gehört oder geträumt hatte. Ich fragte also Rasmus, ob er mir nicht einmal so eine Geschichte von drei Trollhexen erzählt hätte.
»Ach die«! antwortete er und lachte, »die ist von der Art wie sie Schifferlügner noch dieser Tage erzählen, aber in alten Tagen glaubten sie es wie das Vaterunser. Der alte Großvater erzählte sie mir, als ich noch ein kleiner Bub war, aber ob es sein Großvater oder Urgroßvater war, welcher der Kajütenjunge war, daran kann ich mich nicht erinnern. Genug davon, das ging so zu:
Er war den ganzen Sommer über mit einem Schiffer gefahren als Jungmann, aber als sie auf die Herbstfahrt hinaus wollten, überkam ihn eine nervöse Unruhe, und er wollte nicht mitfahren. Dem Schiffer tat es leid um ihn, denn obgleich er nur ein Halbwüchsiger war, so hatte er doch guten Verstand für alle Dinge an Bord. Er war ein grosser und starker Junge und hatte keine Angst, wenn er in die Takelung hinauf mußte, er machte nächstens Dienste für einen Vollmatrosen. Und lustig und unterhaltsam war er auch, sodaß er Leben in die anderen brachte. Deswegen wollte ihn der Schiffer gern mit haben. Aber der Junge hatte keinerlei Lust, am Herbstabend »auf dem blauen Sumpf zu reiten«. Gleichwohl sollte er an Bord bleiben bis sie geladen hätten und die Segel klar waren. An einem Sonntag, als die Mannschaft Landurlaub hatte und der Schiffer oben bei einem Waldbauern war, um über kleine Lasten und Splittholz als Decklast zu verhandeln -das war wohl auf eigene Rechnung, kann ich mir denken -sollte der Junge das Schiff hüten. —Aber das will ich nicht vergessen zu erzählen, der Junge war an einem Sonntag geboren und hatte ein vierblättriges Kleeblatt gefunden. Deswegen hatte er das »zweite Gesicht«, er konnte die Unsichtbaren sehen, aber sie konnten ihn nicht sehen.«
»Ja, ja, es wird häßliches Wetter«, unterbrach Rasmus sich selbst in dem er sich aufrichtete und mit beiden Händen die Augen beschattete, denn wenn man in südlicher Richtung suchen wollte, wurde man von dem Sonnenglimmern geblendet, das jetzt auf die langen, blanken Wogen fiel. »Sieh, wie es sich umzieht, er kommt mit Donner und Blitz, am besten, wir wenden bei Zeiten, denn jetzt bekommen wir keinen Windstoß mehr. Wir liegen hier in der Windstille und treiben wie ein Heusack. Aber reifen müssen wir, ehe er zu uns kommt. Komm, Jon!«
Während das Reifen geschah, nahm ich das Fernrohr und sah hindurch nach dem Wetter. Das war blank und noch still. Der Wind hatte sich gelegt aber das Boot schwankte von der Grunddünung. Fern im Süden stand eine scharf abgeschnittene Bank dunkel da. Erst hatten wir sie wie einen schmalen Rand gesehen, der zusammenschmolz mit Himmel und Meer, aber unter der Hand hob sie sich wie eine Wand oder ein Teppich, der nach oben bald einen Rand von schweren, strohgelben, gedrehten und zusammengerollten Donnerwolken bekam. In einem einzigen Augenblick wurde der Wolkenteppich lichter und durchsichtiger, es sah aus, als ob einer mit Licht dahinter entlang ging. Einen Blitz sahen wir nicht, aber wir hörten ein fernes, schwaches Rollen, von dem ich anfangs glaubte, es käme von den Wellen.
»Nun«, sagte Rasmus, als er die Pfeife angezündet hatte und das Fernrohr wieder entgegennahm, »der Junge hatte also ,das zweite Gesicht', und als er gerade vorn saß in der Mannschaftskajüte, hörte er Reden im Nebenraum. Er guckte durch einen Spalt, und er sah, da saßen drei kohlschwarze Rabenweibchen auf dem Zwischendecksbalken drinnen und sie redeten von ihren Männern. Alle drei hatten dieselben satt und sie wollten ihnen das Leben nehmen. Man konnte glauben, es seien Trollweiber, die sich verwandelt hatten.
»Aber seid ihr auch sicher, daß niemand hier ist, der uns hören kann«, sagte die eine von den dreien. Der Junge konnte an der Sprache hören, daß dies die Schiffersfrau war.
»Nein, du siehst es ja«, sagten die anderen zwei, welche die Frauen vom ersten und vom zweiten Steuermann waren, »hier ist keine Menschenseele an Bord«.
»Ja, so will ich es euch sagen. Ich weiß guten Rat, wie wir sie los werden«, nahm die Schiffersfrau wieder das Wort und hüpfte näher zu den andern beiden hin. »Wir machen uns zu drei Sturzseen und schlagen über Bord und versenken das Schiff mit Mann und Maus.«
Ja, das schien den anderen beiden ein guter Rat zu sein. Sie saßen
lange und redeten über den Tag und das Fahrwasser. »Aber da ist doch keiner, der uns hört?« sagte die Schiffersfrau wieder.»Du weißt das doch«, sagten die beiden anderen.
»Ja, für die Schiffsbesatzung gibt es ein Mittel gegen uns, und wird das gebraucht, so kommt uns das teuer zu stehen, das kostet uns nicht weniger als Blut und Leben.«
»Was ist das für ein Mittel, Schwester?«fragte die eine Steuermannsfrau.
»Ja, aber seid ihr gewiß, daß uns niemand hört? Mir schien es zu knacken in der Mannschaftskabine.«
»Du weißt doch ,wir haben in alle Winkel geguckt. Sie haben vergessen, das Feuer zu löschen unten in der Kombüse, deshalb knackte es«, sagte die Steuermannsfrau, »du kannst nachsehen«.
»Wenn sie drei Klafter Birkenholz kaufen«, sagte die Trollhexe, »das muß aber voll gemessen und ungefeilscht gekauft sein -, und wenn sie das eine Klafter hinauswerfen, Baum für Baum, Stück für Stück, wenn die erste Sturzsee kommt; und den zweiten Klafter, Baum für Baum, wenn die andere Sturzsee kommt, und den dritten Klafter, Baum für Baum, wenn die dritte kommt, so ist es aus mit uns.«
»Ja, das ist wahr, Schwester, da ist es aus mit uns, da ist es aus mit uns«, sagten die Steuermannsfrauen, »aber da ist ja niemand, der darum weiß«, riefen sie und lachten laut. Und als sie das taten, flogen sie auf und durch die große Falltür hinaus und schrien und gluckerten wie drei Raben. —
Als die Männer lossegeln wollten, da wollte der Junge um Tod und Leben nicht mit. Alles, was der Schiffer sprach und gelobte, half nichts. Er wollte auf keinen Fall mit.
Schließlich fragten sie, ob er vielleicht Angst hätte, seit dem es auf den Herbst zu ging, und ob er lieber im Kakelakenwinkel sitzen und an Mutters Rockzipfel hängen wollte.
Nein, sagte der Junge, das sei es nicht. Und er hätte nie geglaubt, daß sie ihn für so eine Landratte hielten, das wolle er ihnen auch beweisen, denn nun wolle er mitfahren, aber er wolle seine Bedingung sagen:
Daß drei vollgemessene Klafter Birkenholz gekauft werden müßten, und daß er das Kommando bekäme, als ob er der Schiffer selbst sei, an einem gewissen, bestimmten Tage. — Der Schiffer fragte, was das für eine Narretei sein sollte, und ob er jemals gehört hätte, daß ein Jungmann mit dem Kommando über ein Schiff betraut würde. Aber der Junge antwortete, das sei ihm gleich, wollten sie nicht drei Klafter
Birkenholz kaufen und ihm an dem einen Tag gehorchen, als ob er der Kapitän sei, nur den einzigen Tag lang - den Tag würden Schiffer und Mannschaft im voraus zu wissen bekommen -, so setze er nicht einen Fuß mehr in das Schiff, noch solle seine Nase Pech und Teer dort riechen. Dem Schiffer erschien das verwunderlich, er meinte daß er ein eigenartiger Junge sei, aber er gab schließlich nach, denn er wollte ihn endlich mit haben. Und er dachte wohl auch, daß die Sache sich auflösen würde, wenn sie erst mal auf See wären. Der Steuermann meinte dasselbe: »Ach, laß ihn das Kommando haben, birg dich so lang in Le, bevor wir ihm eine Handreichung machen«, sagte er.Nun wurde das Birkenholz gekauft, gut gemessen und ungefeilscht, und sie segelten los.
Als der Tag kam, da der Jungmann Schiffer werden sollte, war es still, schönstes Wetter; aber er jagte alle Mann hinauf, um zu reifen und abzutakeln, die Segel wurden eingezogen. Die Hundewache war gerade vorbei, und die Tagewache sollte einsetzen. Schiffer und Mannschaft lachten und sagten: »Nun merken wir, wer das Kommando führt. Sollen wir nicht auch die Rahen und Masten umlegen?« spotteten sie.
»Noch nicht so weit«, sagte der Jungmann, »wartet ein wenig«.
Da geschah es, daß eine Bö kam, und zwar so heftig, daß sie glaubten, sie müßten kentern, und hätten sie nicht gerafft und beschlagen, so wären sie fraglos untergegangen, als die erste Sturzsee über das Schiff schlug. Der Junge kommandierte, den ersten Klafter Birkenholz hinauszuwerfen, aber Stamm für Stamm, immer einer nach dem anderen, und niemals zwei. Und sie durften nichts vom anderen Klafter wegnehmen. Nun gehorchten sie schnell seinem Kommando, und sie lachten nicht mehr über ihn, sondern sie warfen die Birkenstämme hinaus, Baum für Baum, — als der letzte draußen war, hörten sie ein Stöhnen, als ob jemand unten liege und mit dem Tode ringe, und auf einmal war die Bö vorbei.
»Gott sei gelobt«, sagte die Mannschaft. —»Das kann ich sagen, denn ich kenne die Reederei, daß du Schiff und Ladung gerettet hast«, sagte der Schiffer.
»Ja, schon gut, aber wir sind noch nicht fertig«, sagte der Junge, »es wird bald schlimmer kommen«. Und er kommandierte, auch noch die letzten kleinen Segel einzuholen und auch die Rahen vom hohen Marssegel.
Die zweite Bö kam eher noch härter als die erste, und sie wurde so stark und gewaltig, daß die ganze Mannschaft tief erschrocken war.
Als es am härtesten herging, sagte der Junge, daß sie den anderen Klafter Holz über Bord werfen sollten, und sie machten es. Sie warfen ihn fein Stamm für Stamm hinaus und achteten darauf, daß sie nichts vom dritten Klafter nahmen. Als der letzte Birkenstamm draußen war, hörten sie wieder ein tiefes Stöhnen, dann wurde es still. »Nun haben wir noch einen Kampf vor uns, und das wird der schlimmste werden«, sagte der Junge und kommandierte jeden Mann an seinen Posten. Und das Schiff fuhr nur mit Takel und Tau. Die letzte Bö kam ärger als die beiden vorhergehenden, das Schiff krenkte und sie glaubten es würde sich nicht mehr erheben können, und die See brauste über Deck und Schanze. Aber der Junge befahl ihnen, den letzten Klafter Holz hinauszuwerfen, Stamm für Stamm, und nicht zwei auf einmal. Als der letzte Birkenbaum hinausfiel, hörten sie ein tiefes Stöhnen, wie von einem, der einen schweren Tod erduldet. Und als es dann stille wurde, war die See mit Blut gefärbt, so weit sie sehen konnten.Als alles überstanden war, erzählte der Schiffer und die beiden Steuermänner, sie wollten ihren Frauen schreiben. »Das könnt ihr gern bleiben lassen«, sagte der Junge, »denn ihr habt keine Frauen mehr«.
»Was ist das für ein Snak, du Welpe, wir hätten keine Frauen mehr?« fragte der Schiffer, »hast du ihnen vielleicht den Garaus gemacht?« fragten die Steuermänner.
»Ach nein, gegen die drei Weiber sind wir Gold«, antwortete der Junge. Und dann erzählte er, was er gehört und gesehen hatte an jenem Sonntage, als er allein das Schiff gehütet, als die Mannschaft Landurlaub und der Schiffer mit dem Waldbauern um Kleinlast verhandelt hatte.
Als sie heim kamen, hörten sie, daß ihre Frauen fort gegangen waren, genau einen Tag, bevor das Unwetter über sie kam. Und seither hat niemand je wieder etwas von ihnen gehört oder gesehen«.
Während Rasmus diese und noch andere Geschichten erzählte, begann sich der Tag gegen den Abend hin zu neigen. Das Unwetter näherte sich langsam und stieg wie ein dunkler Vorhang höher zum Himmel. Bald flammten Blitze nieder in das Wasser, bald buchteten sie sich wie horizontale Schlangen und bildeten Flammenfransen um den reichen Faltenwurf des Wolkenvorhangs. Zuweilen wurde er ganz durchsichtig wie ein Schleier von Musseline. Noch war das Unwetter fern, die Donner klangen schwach, halb rollend. So weit wir sehen konnten, nur lange blanke Wolken, aber dann war die Farbe wie Blut und Wein, ehe die Sonne in roten Sturmwolken unterging, wurden die Farben im Meeresspiegel aufgefangen. Doch es war deutlich genug, daß wir dem
Wetter nicht entgehen würden. Die Wogen wuchsen, der Sturm trieb uns gegen das Land, und nur ab und zu kam ein Windstoß, der die Segel füllte.Beim letzten Tageslichte sahen wir fern am Himmelsrand einen schwarzen Streifen. Als er näher kam, kriegte er einen weißen Rand von gepeitschtem Schaum davor, und Sturm und Nacht waren über uns. Wie ein Pfeil fuhr das Boot davon, und es dauerte nicht lange, daß wir bei den äußersten Klippen waren, wo Seevögel, aufgeschreckt von den hüpfenden Blitzen und dem Donnerschall, questen und schrien und in Mengen umherflatterten wie weiße Wolken. Aber die Schreie klangen heiser und schwach gegen die Brandung. Holme und Klippen nahmen wohl etwas ab durch den gewaltigen Seegang, aber weiter drin im Land, wo das ganze Meer aufprallte, wuchsen sie wieder. Und im Blitzeschein sahen wir hohe, schäumende Brecher längs der ganzen Küste, und das Dröhnen des Donners war in unseren Ohren.
Rasmus hielt scharf Ausschau in dieser Dunkelheit, die mir undurchdringlich vorkam. Ich konnte nichts anderes erkennen, als das breite, weiße Schaumband, welchem wir uns mit drohender Schnelligkeit näherten. Endlich entdeckte ich einen kleinen dunklen Punkt, auf den wir zusteuerten. Und wenige Minuten danach fuhren wir zwischen Brausen und Brandung hinein in den Schmalen Sund unterhalb Ullerhudet und landeten glücklich in dem sicheren Hafen, wo Landzungen und hohe Felsen schützten und schirmten gegen Wind und Wellen.
Hüte des Königs Hasen
Es war einmal ein alter Bauer, der sich ins Altenteil zurückgezogen und seinen Hof den Erben übergeben hatte. Er besaß nämlich drei Söhne, die hießen Per, Paul und Espen Askeladd. Die blieben zu Haus und wollten nichts tun, denn sie hatten es zu gut, und selbst schienen sie sich zu gut für die Arbeit, und nichts war gut genug für sie.
Nach einiger Zeit wurde Per erzählt, daß der König einen Hirten für seine Hasen suche, und so sagte er zum Vater, daß er fort wolle, das sei etwas Passendes für ihn, denn er wolle keinem Geringeren dienen, als dem König selbst. Der Alte meinte, auf dem Bauernhof gäbe es genug Arbeit, die ihm besser passen würde; denn derjenige, der Hasen
hüten wolle, müsse flink und leicht sein und nicht so ein Hackklotz. Und wenn die Hasen einmal Ernst machen mit Davonspringen, so sei das ein anderer Tanz als nur hier im Haus herumzutrödeln.Ja, da half nichts, Per wollte fort und er mußte fort. So hing er seine Frühstückstasche um den Nacken und schlenderte den Hügel hinab. Als er nun lang und länger gegangen war, kam er zu einer alten Frau, welche ihre Nase in einen Baumstumpf eingeklemmt hatte, und als er sah, wie sie ruckte und zog um loszukommen, begann er lauthals zu lachen.
»Steh nicht da und kichere«, sagte die Alte, »sondern komm und hilf einer armen Krummen. Ich wollte etwas Holz klein hacken, da kam meine Nase dazwischen und klemmte sich ein, und nun stehe ich hier und rucke und ziehe und habe keinen Bissen geschmeckt seit hundert Jahren«, sagte sie.
Aber umsomehr lachte Per, es schien ihm nur Spaß zu machen und er sagte, wenn sie schon einmal hundert Jahre so gestanden und sich gemüht hätte, so könne sie es noch weitere hundert Jahre so aushalten.
Als er zum Königshof kam, dingten sie ihn gleich als Hirten, es war nicht schwer, Dienste zu bekommen. Und gutes Essen und guten Lohn solle er auch haben und vielleicht die Königstochter noch obendrein. Aber ginge ein einziger von des Königs Hasen verloren, dann würde man ihm drei rote Riemen aus dem Rücken schneiden und ihn in die Schlangengrube werfen.
So lange Per zwischen den Viehgattern und Gemüsegärten war, hatte er alle Hasen in einer Herde beieinander. Aber am Vormittag, als sie weiter hinauf in den Wald kamen, begannen sie zu springen und zu fliehen über alle Hügel hinweg. Per setzte ihnen nach und sprang und rannte so lang er glauben konnte, einen wieder zu bekommen. Und als der letzte verschwunden war, wäre er beinah geplatzt. Seit dem suchte er nach keinem mehr.
Am Nachmittage machte er sich schwerfällig auf den Heimweg, stand oft da und gaffte und glotzte nach den Hasen in Hecken und Hürden. Ach nein, kein Hase kam. Doch als er zum Königshof kam am Abend, stand der König mit dem Messer bereit, schnitt drei rote Riemen aus seinem Rücken, streute Salz und Pfeffer hinein und warf ihn in die Schlangengrube.
Nach einer Weile wollte Paul sich auf den Weg machen, um die Hasen des Königs zu hüten. Der Alte sagte dasselbe zu ihm, eher noch mehr, aber er wollte in die Weite und mußte in die Weite, da war nichts zu machen. Und es erging ihm nicht schlechter und nicht besser als es
Per ergangen war. Die alte Frau stand an seinem Weg mit dem Hackklotz und der Nase darin und ruckte und zerrte. Aber er lachte und fand es nur spaßig und ließ sie da stehen und sich mühen. Dienste be-. kam er sogleich am Königshof, es wurde ihm kein »Nein« entgegnet. Aber die Hasen liefen ihm fort über alle Berge so viel er auch sprang und raste. Er keuchte und benahm sich wie ein Kettenhund in der Sonnenhitze. Und als er hasenlos am Abend im Königshof eintraf, stand der König mit dem Messer bereit vor der Haustür, schnitt die drei breiten roten Riemen aus dem Rücken, streute Pfeffer und Salz hinein und sagte: »in die Schlangengrube mit ihm«.Als eine Zeit verstrichen war, wollte sich Askeladd auf den Weg machen und die Hasen des Königs hüten. Das sagte er seinem Vater. Es schien ihm die passende Arbeit zu sein, in Wald und Feld hinauszuwandern und über Erdbeerhänge, und eine Herde Hasen zu hüten, und zu liegen und zu schlafen und sichs wohl sein zu lassen auf sonnigen Hügeln. Der Vater meinte, es gäbe genug Arbeit auf dem Bauernhof, die besser zu ihm passe. Ginge es nicht schlimmer, so erginge es ihm doch nicht besser als seinen Brüdern. Derjenige, der des Königs Hasen hüten wolle, müsse nicht ausziehen wie ein Popanz mit Bleisocken oder wie eine Laus auf einem Teerbesen. Und wenn er es vorzöge, sich auf einem Sonnenhügel nach Hasen abzujagen, das sei genau so dumm, als ob er Flöhe mit Handschuhen fangen wolle. Derjenige, welcher mit heilern Rücken aus dieser Prüfung hervorgehen wolle, müsse mehr als flink und leicht sein, und flugfähig müsse er sein wie ein gedörrtes Fell oder eine Vogelschwinge.
Ja, da hülfe nichts, sagte Askeladd, er wolle zum Königshof und dem König dienen, einem geringeren Mann wolle er nicht dienen, sagte er. Und die Hasen wolle er schon gut hüten, das könne nicht schwerer sein als Ziegen oder Kälber hüten. So hing also Askeladd eine Tasche mit Wegzehrung um den Hals und lief den Hügel hinab.
Als er lange gegangen war und länger als lang, wurde er richtig hungrig, und er kam an den Ort, wo die alte Frau stand mit der Nase im Hackklotz, und sie zerrte und zog und wollte sich befreien.
»Guten Tag, Mütterchen«, sagte Askeladd, »stehst du hier und wetzt deine Nase, was bist du für eine arme, gebeugte Alte«!
»Nun hat mich doch noch niemand Mutter genannt seit hundert Jahren«, sagte die Alte. Aber komm her und hilf mir, loszukommen und gib mir ein wenig zu leben, denn ich habe keinen Bissen in den Mund bekommen in all der Zeit, so will ich dir meine Mutterhilfe erweisen dafür«, sagte sie.
»Ja, ich glaube, du brauchst wohl beides, zu essen und zu trinken«, sagte Espen Askeladd.
Dann spaltete er den Baumstumpf für sie, sodaß sie ihre Nase aus dem Holzspalt herausbekam, setzte sich zum Essen und teilte mit ihr alles. Und die Alte hatte guten Appetit, das kann man sich denken, sodaß sie die Wegzehrung brüderlich teilten.
Als sie damit fertig waren, gab sie Askeladden eine Pfeife, die so geartet war, wenn er in das eine Ende hineinblies, so zerstreute sich das nach allen Richtungen, was er fort haben wollte. Aber wenn er ins andere Ende hineinblies, so sammelt sich das wieder zu Hauf; und wenn auch die Pfeife verloren gehen sollte oder weggegeben würde, so käme sie doch immer wieder zu ihm zurück, wenn er sie nur zurückwünsche. — »Das war allerhand für eine Pfeife!« dachte Askeladd.
Als er zum Königshof kam, nahmen sie ihn sogleich als Hirten, es war nicht schwer, Dienste zu bekommen, und Kost und Lohn solle er auch haben. Und wäre er ein ganzer Kerl, des Königs Hasen zu hüten, sodaß keiner verloren ginge, so solle er vielleicht auch die Königstochter bekommen. Aber wenn einer der Hasen abhanden käme, und sei es auch nur ein Hasenjunges, so würde der König aus seinem Rücken drei rote Riemen schneiden. Und er war dessen so sicher, daß er wegging und sogleich sein Messer schliff.
Das sei eine leichte Sache, die Hasen zu hüten, meinte Espen Askeladd, denn als er morgens begann, waren sie alle so zahm wie eine Schafherde. Und so lange er in vertrauten Bezirken von Viehgattern und Gemüsegärten war, hatte er sie auch als Herde beisammen. Aber sobald sie auf waldige Hügel kamen und es auf Mittag zu ging und die Sonne zu brennen und zu leuchten begann auf Waldlichtungen und Abhängen, da sprangen und hüpften sie auf alle Hügel.
»Eia daheia, wollt ihr wohl gehen!« schrie Espen Askledadd und blies in das eine Ende der Pfeife, sodaß sie auseinander fuhren nach allen Enden der Welt, weg waren sie!
Aber als er an einen Ort kam, wo ein alter Kohlenmeiler gestanden hatte, da blies er in das andere Ende seiner Pfeife, und bevor er ein Wort sagen konnte, waren die Hasen da und standen in Reih und Glied, sodaß er sie überschauen konnte wie ein Trupp Soldaten auf dem Exerzierplatz. »Das ist allerhand für eine Pfeife«! dachte Espen Askeladd.
So legte er sich auf einem Sonnenhügel schlafen und die Hasen sorgten für sich selbst bis zur Abendzeit. Da blies er sie wieder zusammen und zog mit ihnen zum Königshof wie mit einer Schafherde.
Der König, die Königin und die Prinzessin standen auf der Galerie und wunderten sich, was das für ein Kerl war, welcher Hasen hüten und mit ihnen heim kommen konnte. Der König zählte und zählte und nahm die Finger dazu und zählte wieder, aber da fehlte kein einziger, nicht einmal ein kleines Hasenjunges. »Das ist ein Junge«! sagte die Prinzessin.
Am nächsten Tage ging er wieder zum Wald und hütete die Hasen. Aber als er auf einer Erdbeerwaldwiese lag und faulenzte, wurde das Stubenmädchen vom Königshof nach ihm geschickt. Sie sollte zusehen und ergründen, wie das zuging, daß er des Königs Hasen so gut hüten konnte.
Ja, er zog die Pfeife hervor und zeigte sie ihr, und er blies in das eine Ende, sodaß sie wie ein Wind über alle Hügel und Hügelchen fuhren. Und dann blies er in das andere Ende, sodaß sie heimgehoppelt kamen auf den alten Kohlenmeilerpiatz und wieder in Reih und Glied standen.
Das schien dem Stubenmädchen eine spaßhafte Pfeife zu sein, sie würde gerne hundert Taler dafür geben, ob er sie verkaufen wolle, fragte sie.
»Ja, das ist eine wunderbare Pfeife«, sagte Espen Askeladd, und für Geld sei sie nicht feil. Aber wenn sie ihm die hundert Taler und einen Kuß für jeden Taler geben würde, so solle sie die Pfeife haben, sagte er. Ja doch, das wolle sie gerne machen, sie wolle ihm gerne zwei für jeden Taler geben und Danke dafür.
So bekam sie die Pfeife, aber als sie schließlich zum Königshof kam, war die Pfeife weg, denn Askeladd hatte sie sich zurückgewünscht. Und als es abend wurde, kam er mit seinen Hasen heim wie mit einer Schafherde, und so viel der König auch zählte und zeigte, so half es nichts, es fehlte kein einziger Hase.
Am dritten Tage als er hütete, sandte man ihm die Prinzessin nach, denn sie sollte von ihm die Pfeife bekommen. Sie machte sich schmuck wie eine Lerche, und sie bot ihm zweihundert Taler, wenn er ihr die Pfeife verkaufen und ihr sagen wolle, wie sie sich benehmen müsse, damit sie dieselbe auch gut heim brächte.
»Ja, das ist eine wunderbare Pfeife!« sagte Espen Askeladd und sie sei nicht käuflich; aber das sei einerlei, um ihretwillen wolle er es tun. Wolle sie ihm zweihundert Taler geben und einen Kuß obendrein für jeden Taler, so solle sie die Pfeife haben. Und wenn sie diese behalten wolle, so müsse sie eben gut darauf aufpassen, das sei dann ihre Sache.
Für eine Hasenpfeife sei das ein sehr hoher Preis, meinte die Prinzessin,
und sie litt gleichsam Pein, ihm die Küsse zu geben. Aber weil es im Walde war und niemand es sah oder hörte, so ließ sie es geschehen, denn die Pfeife müsse sie haben, sagte sie. Und als Espen Askeladd bekommen hatte, was er wollte, so bekam sie die Pfeife. Und sie hielt und klemmte sie fest den ganzen Weg lang. Aber als sie am Königshof angekommen war und sie zeigen sollte, war sie ihr zwischen den Fingern verschwunden.Am nächsten Tage wollte die Königin selbst sich aufmachen und die Pfeife fordern, und sie meinte, ihr würde es schon gelingen, sie heimzubringen. Sie war geiziger mit dem Geld und bot nicht mehr als fünfzig Taler, aber sie mußte immer wieder drauflegen bis es dreihundert Taler wurden. Askeladd sagte, das sei eine Wunderpfeife und das sei ein wahres Schandgebot, aber weil sie es sei bekäme sie die Pfeife dafür, wenn sie ihm dreihundert Taler und einen Knallkuß obendrein für jeden Taler gäbe. Das bekam er, wohl bemessen, denn auf die Art und Weise wolle sie nichts herunter handeln.
Als sie die Pfeife bekommen hatte, band sie die fest und versteckte sie noch obendrein, aber ihr ging es um kein Haar besser als den anderen. Denn als sie die Pfeife hervorziehen wollte, war sie weg. Und am Abend kam Espen Askeladd, des Königs Hasen vor sich hertreibend, wie eine zahme Schafherde.
»Plunder ist das alles zusammen«, sagte der König, »ich muß mich selbst auf den Weg machen, wenn wir überhaupt diese Rabenpfeife bekommen wollen. Es gibt keinen anderen Ausweg, scheint mir. Und, am nächsten Tage, als Espen Askeladd gerade zum Wald gekommen war mit seinen Hasen, schlich der König hinterdrein und fand ihn auf demselben Sonnenhügel, wo die Frauensleute vorher mit ihm verhandelt hatten.
Ja, sie wurden gute Freunde und mochten sich leiden. Und Espen Askeladd zeigte ihm die Pfeife und blies sowohl auf dem einen als auch auf dem anderen Ende. Und dem König schien es ein lustiges Pfeifchen zu sein und er wollte sie schließlich kaufen, wenn er auch tausend Taler für die Pfeife geben müsse.
»Ja, das ist eine Wunderpfeife«! sagte Askeladd, aber für Geld sei sie nicht zu haben. »Doch siehst du das weiße Pferdchen dort, welches zum Sumpf niedergeht, hinter der großen Föhre?« sagte er und zeigte tief in den Wald hinein.
»Ja, es ist mein eigenes Pferd, es heißt »die Weiße«, die kenne ich selbst ganz genau«, sagte der König.
»Ja, willst du mir tausend Taler geben und »die Weiße« küssen, so
sollst du meine Pfeife haben.«»Ist die Pfeife nicht um einen anderen Preis zu haben?« fragte der König.
»Nein, nichts zu machen«, sagte Espen.
»Ja, wenn ich die Erlaubnis bekomme, mein Seidentaschentuch dazwischenzulegen«, sagte der König.
Das wurde ihm erlaubt, und so bekam er die Pfeife. Er tat sie in seinen Geldsack und den steckte er in die Tasche und knöpfte die Tasche gut zu und so schlich er heimwärts. Aber als er zum Königshof kam und die Pfeife hervorziehen wollte, ging es ihm nicht anders als den Frauensleuten, er hatte die Pfeife nicht mehr da, wo er sie hingesteckt hatte. Und Espen Askeladd kam am abend und trieb die Hasenschar vor sich her, und nicht ein Hase fehlte.
Der König war zornig und erbittert, daß Askeladd sie alle zusammen genarrt und sogar ihn um die Pfeife geprellt hatte, und nun sollte er das Leben verlieren, das stand außer Frage. Und die Königin sagte dasselbe, es sei das beste einen solchen Spitzbuben auf frischer Tat zu bestrafen.
Espen meinte, das sei weder recht noch richtig, denn er hätte nichts anderes getan als sie gesagt hätten, daß er tun solle, und so hätte er seinen Rücken und sein Leben verteidigt, so gut er konnte.
Da sagte er König, das sei einerlei, bringe er es fertig, den großen Braukessel mit Lügen so voll zu füllen, daß er überläuft, so könne er sein Leben retten.
Das sei keine lange oder schwierige Arbeit, das traue er sich wohl zu, sagte Espen Askeladd und so begann er zu erzählen, wie es ihm ergangen war von Anfang an. Er erzählte von der Alten mit der Nase im Holzklotz und dann sagte er, er müsse noch eine Menge hinzuschwindeln damit der Braukessel voll würde. Dann erzählte er, wieso er die Pfeife bekam und vom Stubenmädchen, welches die Pfeife kaufen wollte für hundert Taler und von all den Küssen, die sie ihm noch obendrein geben mußte weit draußen auf dem Waldhügel; dann erzählte er von der Prinzessin, wie sie zu ihm kam und ihn so fein küßte für die Pfeife, weil es niemand sah oder hörte weit drinnen im Walde - »ich muß noch etwas dazuschwindeln, damit das Faß voll wird«, sagte Espen Askeladd. So erzählte er von der Königin, wie geizig sie mit dem Gelde war und wie freigebig mit den Knallküssen. — »Ich muß noch etwas zusammenlügen wenn das Faß voll werden soll«, sagte Espen Askeladd.
»Nun scheint es mir ziemlich voll zu sein«, sagte der König.
»Noch nicht«, sagte die Königin.
So begann er zu erzählen, daß der König zu ihm kam, und von dem weißen Pferde, das nieder zum Sumpf ging, und weil er die Pfeife haben wollte, so bekam er - so bekam er - »Ja, mit Verlaub, ich muß noch etwas zusammenlügen, soll das Faß voll werden«, sagte Askeladd.
»Halt, halt, Junge, es ist ja voll«, schrie der König, »siehst du nicht, daß es überläuft!«
Also schien es dem König und der Königin das beste zu sein, wenn Askeladd die Prinzessin bekäme und das halbe Reich dazu, dagegen war nichts zu machen. »Das war eine wunderbare Pfeife!« sagte Espen Askeladd.
Goldvogel
Es war einmal ein König, der hatte einen Garten. In dem Garten stand ein Apfelbaum, und an dem Apfelbaum wuchs jedes Jahr ein goldener Apfel, aber wenn die Zeit sich nahte, daß er gepflückt werden sollte, war er fort. Niemand wußte, wer ihn nahm oder wie er hinkam, aber fort war er. Er war einfach fort.
Aber dieser König hatte drei Söhne. Zu denen sagte er eines Tages, welcher von ihnen ihm den Apfel wieder herschaffen könne, oder welcher herausbekäme, wer der Dieb sei, der solle nach seinem Tode das Königreich erben, ob es nun der Älteste oder der Jüngste oder der Mittelste sei.
Der Älteste machte sich zuerst auf den Weg. Er setzte sich unter den Baum und wollte den Dieb entdecken. Da es Nacht wurde, kam ein goldener Vogel geflogen, der leuchtete schon von weitem. Als der Königsohn den Vogel und den Schein sah, bekam er solche Angst, daß er sich nicht traute zu bleiben, sondern er lief so schnell er konnte wieder davon.
Am Morgen war der Apfel fort. Der Königsohn hatte sich wieder gefaßt, und so rüstete er sich, um in die Welt zu ziehen und den Vogel zu finden. Der König stattete ihn gut aus und sparte weder an Kleidern noch an Geld.
Als der Königsohn ein Stück Weges gewandert war, wurde er hungrig. Er setzte sich, öffnete seine Tasche um sein Frühstück zu verzehren.
Da kam aus dem Tannengehölz ein Fuchs, setzte sich und sah zu.»Lieber, gib mir ein wenig zu essen, du«, sagte der Fuchs.
»Jawohl, verbranntes Horn gebe ich dir«, sagte der Königsohn, »ich brauche meine Wegzehrung für mich allein, niemand kann wissen, wie lang ich noch unterwegs sein muß«.
»Ach, so ist das«, sagte der Fuchs und ging wieder in den Wald hinein. Als der Königsohn sich ausgeruht hatte, machte er sich wieder auf den Weg. Mit der Zeit kam er zu einer großen Stadt, und in der Stadt war ein Wirtshaus, in dem es immer Freude und nie Sorge gab. Es erschien ihm herrlich, da hineinzugehen, — und so blieb er lange darin. Da wurde getanzt und getrunken, da war Lust und Herrlichkeit, sodaß er den Goldvogel rein vergaß und die Federn und den Vater und Reise und Reich. Fort war er und fort blieb er.
Im nächsten Jahre sollte der mittelste Königsohn den Apfeldieb im Garten aufspüren. Ja, als der Apfel zu reifen begann, setzte er sich unter den Baum, er also auch. Aber dann geschah es, daß der Goldvogel eines nachts kam und hell wie eine Sonne schien, und der Knabe bekam solche Angst, daß er die Flucht ergriff und davonrannte so schnell er konnte.
Am Morgen war der Apfel fort. Aber da war der Königsohn wieder schön mutig, wollte hinausziehen und sehen, ob er den Vogel finden könne. Ja, er nahm Wegzehrung mit sich und der König rüstete ihn aus und sparte weder an Kleidern noch an Geld.
Aber es erging ihm genau so wie seinem Bruder. Da er ein Stück gewandert war, wurde er hungrig, öffnete seine Tasche, setzte sich an den Wegrand um sein Frühstück zu verzehren. Da kam ein Fuchs aus dem Tannenwald, setzte sich und sah zu.
»Lieber, gib mir ein wenig zu essen, du«, sagte der Fuchs.
»Gebranntes Horn gebe ich dir«, sagte der Königsohn, »ich kann mein Essen sehr gut selbst gebrauchen; niemand kann wissen wie weit und wie lange ich wandern werde«, sagte er.
»Ach so ist das«, sagte der Fuchs und ging wieder zum Wald zurück.
Als der Königsohn gegessen und eine Weile ausgeruht hatte, machte er sich wieder auf den Weg. Mit der Zeit kam er zu derselben Stadt und demselben Wirtshaus. Da war Sorglosigkeit und Freude ohne Ende, und da wollte er auch gerne verweilen, und den ersten, den er traf, das war sein Bruder, und so blieb er da. Der Bruder hatte gefeiert, gezecht und getrunken, daß er beinah keine Kleider mehr auf dem Leib hatte. Aber nun begann es von neuem, es wurde getanzt und getrunken, lauter Lust und Herrlichkeit, sodaß der andere auch Vogel
und Federn vergaß, seinen Vater und Reise und Reich. Fort war er und fort blieb er, er also auch.Als die Zeit herannahte, in welcher der Apfel wieder zu reifen begann, sollte der jüngste Königsohn in den Garten und den Apfeldieb aufspüren. Er nahm einen Kameraden mit, der ihm in den Baum hinaufhelfen sollte, nahm auch ein Bierfaß und ein Kartenspiel zum Zeitvertrieb mit, auf daß er nicht einschlafe. Da geschah es, daß es so blendend hell wie die Sonne wurde, sodaß er jede Feder am Vogel erkennnen konnte lange bevor er bei ihnen war. Der Königsohn kletterte in den Baum hinauf in demselben Augenblick, als der Goldvogel nieder stieß und den Goldapfel nahm, wollte der Königsohn ihn ergreifen, aber er bekam nur eine Feder vom Schwanz zu fassen. So ging er hinein in das Gemach, wo der König schlief, und da er mit der Feder hineinkam, wurde es so hell wie am klaren Tage.
So wollte er also auch hinaus in die weite Welt ziehen, ob er seine verschwundenen Brüder erfragen und den Vogel fangen könne. Denn er war ihm ja so nah gewesen, er hatte ein kleines Zeichen von ihm~ bekommen, die Feder aus dem Schwanz des Vogels, sagte er. Ja, der König grübelte lange darüber nach, ob er ihn ziehen lassen sollte, es würde ihm wohl kaum besser gehen als seinen älteren Brüdern, die doch mehr Verstand vom Gang der Welt hätten, und er hatte Angst, daß er ihn auch verlieren würde. Aber der Königsohn bat so schön und so bekam er zum Schluß doch die Erlaubnis. So versorgte er sich mit Wegzehrung, der König rüstete ihn aus mit Geld und Kleidern und er zog seines Weges.
Als er ein Stück weit gewandert war, wurde er hungrig, nahm seine Tasche ab, setzte sich, um ein Mahl zu halten, und da er mitten dabei war, kam ein Fuchs aus dem Tannengehölz, setzte sich an seine Seite und sah zu.
»Ach, Lieber, gib mir ein wenig zu essen, du!«
»Ich könnte wohl das Essen alles selbst gebrauchen«, sagte der Königsohn, »denn ich kann nicht wissen, wie lang ich noch wandern werde«, sagte er, »aber so viel habe ich allezeit, daß ich dir ein wenig abgeben kann«.
Als der Fuchs ein Stück Fleisch bekommen und es verzehrt hatte, fragte er den Königsohn, wohin er wolle. Ja, das erzählte er ihm.
»Willst du mir gehorchen, so werde ich dir helfen, sodaß du dein Glück machen kannst«, sagte der Fuchs.
Das versprach der Königsohn und so machten sie sich gemeinsam auf den Weg. Als sie ein Stück gewandert waren, kamen sie zu dem-
selben Gasthaus in derselben Stadt, wo eitel Freude und Sorglosigkeit herrschten.»Ich würde besser außen herum gehen«, sagte der Fuchs, »denn ich scheue die Hunde«, und dann erzählte er ihm, was seine Brüder trieben und wie sich das zugetragen hätte. »Und gehst du da hinein, so kommst du nicht mehr heraus, auch du nicht«, sagte er.
Der Königsohn versprach das und gab ihm die Hand darauf, daß er nicht hineingehen würde, und so zog jeder seine Straße weiter. Aber als er am Wirtshaus vorbeikam und Spiel und Lustbarkeit hörte, so mußte er hinein, das war keine Frage, und als er seine Brüder traf, gab es eine solch lärmende Szene, daß er alles vergaß, Fuchs und Reise, Vogel und seinen Vater. — Aber als er nun eine Weile dort geblieben war, kam der Fuchs - er hatte sich trotzdem in die Stadt hineingewagt —schaute zur Tür herein, blinzelte dem Königsohn zu und sagte, daß sie nun weiter müßten. Da besann sich der jüngste Königsohn wieder, und so wanderten sie davon.
Als sie eine Zeit lang gegangen waren, sahen sie einen großen Berg in der Ferne. Da sagte der Fuchs: »Drei hundert Meilen hinter diesem Berg, da wächst eine goldene Linde mit goldenen Blättern, und in der Linde sitzt der Goldvogel, von dem du eine Feder besitzt«.
Dahin wanderten sie zusammen. Als der Königsohn fort sollte um den Vogel zu nehmen, gab der Fuchs ihm einige goldene Federn, die solle er in die Hand nehmen, damit winken, um den Vogel herabzulocken, so käme er sofort und würde sich ihm auf die Hand setzen. Aber das sagte der Fuchs noch, an der Linde dürfe er nicht rühren, die gehöre einem großen Troll, und wenn der Königsohn nur an dem kleinsten Zweig rühre, so käme der Troll heraus und würde ihn auf der Stelle töten.
Nein, der Königsohn wolle die Linde nicht berühren, sagte er, aber da er den Vogel auf die Hand bekommen hatte, schien es ihm, er müsse einen Zweig von der Linde haben, da war nichts zu machen, sie war zu leuchtend und prächtig, so nahm er ein winziges Zweiglein. Aber im selben Augenblick kam der Troll heraus.
»Wer stielt mir Linde und Vogel?« schrie der Troll, und er war so wütend, daß er Funken sprühte.
»Der Dieb glaubt, jedermann stiehlt«, sagte der Königsohn, »aber es werden keine anderen gehängt als die, welche nicht richtig stehlen«, sagte er.
»Das ist ganz gleichgültig, ich werde dich auf der Stelle töten«, schrie der Troll. Aber der Königsohn bat, ihn am Leben zu lassen.
»Ja gut«, sagte der Troll, »wenn du mir das Pferd wieder herschaffen kannst, das mein Nachbar mir weggenommen hat, sollst du das Leben geschenkt bekommen.« »Wo kann ich das Pferd finden«, sagte der Königsohn.
»O, er wohnt dreihundert Meilen hinter dem großen Berg, welcher am Himmelsrand blaut«, sagte der Troll.
Der Königsohn versprach, sein bestes zu tun. Aber als er zum Fuchs kam, war er gar nicht erfreut.
»Na, da hast du ja etwas Übles angerichtet«, sagte der Fuchs, »hättest du auf mich gehört, so könnten wir jetzt schon auf dem Heimweg sein«.
Nun mußten sie sich wieder auf den Weg machen, denn der Königsohn hatte es versprochen, um sein Leben zu retten, und nach langer Wanderung kamen sie hin. Aber ehe der Königsohn hineingehen sollte und das Pferd nehmen, sagte der Fuchs: »Wenn du in den Stall hineinkommst, so hängt verschiedenes Zaumzeug an der Stallwand, es ist von Gold und Silber, das sollst du nicht berühren, denn sonst kommt der Troll heraus und tötet dich sogleich. Aber das häßlichste Zaumzeug was du siehst, das sollst du nehmen.«
Ja, das versprach der Königsohn, aber da er in den Stall hineinkam, war es unmöglich zu widerstehen, denn da war genug von all dem, was glänzend war und so nahm er das blankeste, was er finden konnte, das war rein wie Gold. Aber im selben Augenblick kam der Troll heraus, so wütend, daß es um ihn knisterte.
»Wer ist es, der mir Roß und Zaumzeug stehlen will?« schrie er. »Der Dieb glaubt, jedermann stiehlt«, sagte der Königsohn, »aber es werden keine anderen gehängt als die, welche nicht richtig stehlen.«
»Das ist ganz gleichgültig, ich töte dich auf der Stelle« schrie der Troll. Der Königsohn meinte, er könne ihm das Leben schenken.
»Ja gut«, sagte der Troll ,»wenn du mir die schöne Jungfrau wieder herschaffen kannst, die mein Nachbar mir geraubt hat, so will ich dir dein Leben schenken«.
»Wo wohnt er denn?« fragte der Königsohn.
»O, er wohnt dreihundert Meilen hinter dem großen Berge, welcher am Himmelsrande blaut«, sagte der Troll.
»Ja, der Königsohn versprach, er würde die Jungfrau holen, so durfte er gehen und kam mit dem Leben davon. Aber da er wieder herauskam, war der Fuchs gar nicht erfreut, kann man sich denken.
»Da hast du wieder etwas Schlimmes angerichtet«, sagte der Fuchs,
»hättest du auf mich gehört, könnten wir längst auf dem Heimwege sein. Nun glaube ich, kann ich nicht mehr länger mit dir gehen.«Aber der Königsohn bat ihn so innig und versprach, nie wieder etwas anderes zu tun, als das, was der Fuchs ihm sage, wenn er nur bei ihm bliebe. Schließlich gab der Fuchs nach und sie blieben gute Freunde und treu verbunden. So machten sie sich wieder gemeinsam auf den Weg und nach einiger Zeit kamen sie dahin, wo die schöne Jungfrau war.
»Ja«, sagte der Fuchs, »du hast zwar genug Gutes versprochen, aber ich wage trotzdem nicht, dich zum Troll hineinzuschicken, diesmal werde ich selbst gehen«, sagte der Fuchs. So ging er hinein und nach einer kleinen Weile kam er wieder mit der Jungfrau heraus, und so wanderten sie denselben Weg zurück, den sie gekommen waren.
Als sie zum Troll kamen, der das Pferd hatte, nahmen sie beides, Pferd und Zaumzeug. Und als sie zum Troll kamen, der die Linde und den Goldvogel hatte, nahmen sie beides, Linde und Goldvogel und wanderten damit weiter.
Als sie so eine Weile gereist waren, kamen sie zu einem Roggenacker. Da sagte der Fuchs: »Ich höre ein Getöse, nun mußt du allein weiterwandern, ich will hier eine Zeitlang verweilen«. So focht er sich ein Kleid aus Roggenhalmen und so blieb er stehen gleichsam als Wegweiser. Da geschah es, daß die drei geprellten Trolle angefahren kamen und dachten, sie würden ihn wieder erreichen.
»Hast du einen gesehen, der mit einer schönen Jungfrau, mit einem Roß mit goldenem Zaumzeug, mit einem goldenen Vogel und einer goldenen Linde reist«, schrien sie den an, der da stand und zeigte.
»Ja, das habe ich gehört von der Großmutter meiner Großmutter, daß so einer hier unterwegs war. Aber das war in der guten alten Zeit, als die Großmutter ihrer Großmutter Schillingskuchen backte, als es für einen Schilling zwei Kuchen gab und den Schilling zurück«.
Da brachen die Trolle in ein Gelächter aus, das weithin schallte: »Na, ha, ha, ha!« lachten sie und hielten sich aneinander, »haben wir so lange geschlafen, so können wir gerne die Nasen wieder heimwärts drehen und uns niederlegen«, sagten sie und so fuhren sie denselben Weg zurück.
Der Fuchs eilte dem Königsohn nach, aber als sie zur Stadt kamen mit dem Wirtshaus und seinen Brüdern, so sagte der Fuchs: »Ich wage nicht in die Stadt zu gehen der Hunde wegen, ich gehe meinen eigenen Weg außenherum; aber du mußt nun gut acht geben, daß deine Brüder dich nicht entdecken.«
Aber als der Königsohn in die Stadt hineinkam, schien es ihm allzu schlimm, daß er nicht zu den Brüdern hineinschauen sollte und ein Wort mit ihnen sprechen, und so blieb er ein wenig stehen. Aber da die Brüder ihn sahen, kamen sie heraus und nahmen ihm alles weg, die Jungfrau und das Roß, den Goldvogel und die Linde, und ihn selbst stopften sie in eine Tonne und warfen ihn in die See. Und dann reisten sie mit der Jungfrau, dem Roß, dem Goldvogel und der Linde heim zum Königshof. Aber die Jungfrau wollte nicht sprechen und wurde zusehends bleicher und elender. Das Roß wurde mager und krank, der Vogel schwieg still und glänzte nicht mehr, und die Linde kümmerte.
Indessen ging der Fuchs um die Stadt herum und schaute nach dem Königsohn aus und wartete auf ihn und die schöne Jungfrau und wunderte sich, daß sie nicht kamen. Er ging hin und her und wartete und schließlich kam er zum Strand hinunter, und als er die Tonne zu Gesicht bekam, welche draußen in der See trieb, rief er: »Wohin treibst du, du Leertonne?«
»Ach, ich bin es«, sagte der Königsohn aus der Tonne heraus.
Der Fuchs schwamm in die See so schnell er konnte, bekam die Tonne zu fassen und stieß sie zum Land. Und da er sie an den Strand gezogen hatte, sagte er zum Königsohn: »Tritt mit den Füßen gegen die Tonne, spreng sie entzwei«. Der Königsohn trat und schlug und sprengte, daß die Faßdauben auseinander sprangen, und dann sprang er selbst aus der Tonne. So gingen sie miteinander zum Königshof, und als sie dort ankamen, wurde die Jungfrau wieder schön und begann zu sprechen, das Roß wurde wieder schön und wohlgenährt und jedes Haar glänzte wieder, der Vogel leuchtete und sang, die Linde begann zu blühen und blinkte aus allen Blättern, und die Jungfrau sagte: »Das ist er, der uns erlöst hat«.
Die Linde pflanzten sie in den Garten und der jüngste Königsohn sollte die Königstochter haben, denn sein war sie. Aber die beiden ältesten Brüder wurden jeder in eine Nageltonne gesperrt und einen steilen Berg hinabgerollt.
So wurde zur Hochzeit gerüstet. Aber zuerst sagte der Fuchs noch zum Königsohn, er solle ihn auf einen Hackklotz legen und ihm den Kopf abschlagen, ob es gut oder schlecht sei, es helfe ihm nichts, er müsse es tun. Aber im selben Augenblick, als er zuschlug, wurde aus dem Fuchs ein schöner Prinz, und er war der Bruder der Prinzessin, die er vom Troll befreit hatte. Und nun wurde eine große, prächtige, fröhliche Hochzeit gefeiert.
Pastor und Glöckner
Es war einmal ein Pastor, der war so ein Grobian, daß er lang voraus schrie, wenn er sah, daß jemand ihm mit einem Fuhrwerk entgegen kam auf dem Gemeindeweg: »Aus dem Weg, aus dem Weg! hier kommt der Pastor selbst!«
Einmal, als er so fuhr, begegnete ihm der König. »Aus dem Weg, aus dem Weg!« schrie der Pastor schon von weitem. Aber der König fuhr wie er eben fuhr und fuhr einfach weiter, sodaß diesmal der Pastor sein Pferd zügeln mußte und ausweichen. Und als der König und der Pastor nebeneinander fuhren, sagte der König:
»Morgen sollst du mich am Königshof treffen, und kannst du nicht drei Fragen beantworten, die ich dir stelle, sollst du Rock und Kragen verlieren für deinen Hochmut.«
Das war eine andere Art, als der Pastor gewöhnt war. Hallo rufen und schreien und sich schlimm betragen, das konnte er, aber Rätsel und Antwort war nicht seine Sache. Er ging also zum Glöckner, von dem die Rede ging, ihm stünde der Pastorenrock besser als dem Pastor selbst. Zu dem sagte er, daß ihm nicht der Sinn danach stünde zu reisen, denn »ein Schwätzer kann mehr fragen, als zehn Weise antworten können«, sagte er, und so bekam er den Glöckner dahin, an seiner statt hinzufahren.
Ja gut, der Glöckner reiste und kam im Pastorenrock an den Königshof. Der König, mit Krone und Zepter, traf ihn draußen im Umgang der Kirche, und er war so prächtig, daß es leuchtete und glitzerte an ihm.
»Nun bist du da«, sagte der König.
Ja, er sei da, das sei sicher und klar.
»Sage mir zuerst, wie lang ist von Osten nach Westen«, fragte der König.
»Das ist eine Tagesreise«, antwortete der Glöckner. »Wieso das?«fragte der König.
»Ja -o, die Sonne geht im Osten auf und im Westen unter, und dazu braucht sie gerade einen Tag«, sagte der Glöckner.
»Ja, ja«, sagte der König, »aber sage mir nun«, fragte er weiter, »was meinst du, bin ich wert, so wie du mich hier siehst«?
»Ach, Christus wurde auf dreißig Silberlinge eingeschätzt, so kann
ich dich nicht höher einschätzen als neuundzwanzig«, antwortete er.»Na, na«, sagte der König, »wenn du so klug bist auf jede Weise, so sage mir, was ist das, was ich jetzt denke?«
»Du denkst gewiß, das ist der Pastor, der vor dir steht, aber schämen müßte ich mich, wenn du falsch denken würdest, denn das ist der Glöckner«, sagte er.
»Na, so reise heim und werde du Pastor und laß ihn Glöckner werden«, sagte der König. Und so geschah es auch.
Der weiße Bär König Valemon
Es war einmal ein König, der hatte zwei Töchter, die häßlich und bös waren, aber die dritte war so rein und schön wie der klare Tag, und der König und alle liebten sie.
Einmal träumte sie von einem Goldkranz, der war so schön, daß sie nicht mehr leben konnte, wenn sie ihn nicht bekäme. Aber da sie ihn nicht bekam, wurde sie so traurig, daß sie vor Kummer nicht mehr sprechen konnte. —Und als der König erfuhr, daß es der Kranz war, um den sie trauerte, so sandte er einen aus, der war so ähnlich ausgeschnitten wie der, von dem die Königstochter geträumt hatte. Und er schickte Boten aus zu allen Goldschmieden des Landes, ob sie einen ebensolchen machen könnten. Sie arbeiteten Tag und Nacht daran, aber einige der Kränze warf sie von sich und andere wollte sie nicht einmal anschauen.
Doch einmal, als sie allein im Walde war, da erschaute sie einen weißen Bären, der hatte den Kranz, von dem sie geträumt hatte, zwischen den Tatzen und spielte damit. Sie wollte ihn kaufen. Nein, der sei nicht für Gold zu haben, nur wenn der Bär sie selbst bekäme. Ja, sie könne aber nicht ohne den Kranz leben, sagte sie, und das sei ihr gleich, wohin sie käme und wer sie bekäme, wenn sie nur den Kranz bekommen würde. Und so wurden sie einig, daß er sie in drei Tagen holen solle, und das war Donnerstag.
Als sie mit dem Kranz nach Hause kam, freuten sich alle, daß sie wieder fröhlich war. Und der König meinte, das sei keine gefährliche Sache, einen weißen Bären abzuweisen. Am dritten Tage umstellte die ganze Kriegsmacht das Schloß rundum, um ihn zu empfangen. Aber als der weiße Bär kam, konnte ihm niemand stand halten. Er schlug
sie nieder von verschiedenen Seiten, sodaß sie haufenweise darniederlagen. Das schien dem König mehr zu schaden als zu nützen, und so schickte er die älteste Tochter hinaus. Die nahm der weiße Bär auf den Rücken und trug sie davon.Als sie lange und länger als lang unterwegs waren, fragte der weiße Bär:
»Hast du je weicher gesessen und klarer geschaut?«
»Ja, auf meiner Mutter Schoß saß ich weicher und an meines Vaters Hof sah ich klarer«, sagte sie.
»So bist du nicht die rechte«, sagte der weiße Bär und jagte sie wieder heim.
Am nächsten Donnerstag kam er wieder und da ging es genau so. Das Kriegsvolk war draußen und sollte ihn empfangen, aber er schlug alle nieder wie Gras, ihn verwundete weder Eisen noch Stahl, sodaß der König ihn bitten mußte, einzuhalten. Und dann schickte er ihm die nächstälteste Tochter hinaus. Die nahm der weiße Bär auf seinen Rücken und eilte mit ihr davon.
Als sie lang und länger als lang unterwegs waren, fragte der weiße Bär sie:
»Hast du je klarer geschaut, hast du je weicher gesessen?«
»Ja«, sagte sie, »an meines Vaters Hof sah ich klarer und auf meiner Mutter Schoß saß ich weicher«.
»So bist du nicht die rechte«, sagte der weiße Bär und jagte sie wieder heim.
Am dritten Donnerstagabend kam er wieder. Da kämpfte er eher noch härter als die anderen Male. So glaubte der König, er könne sich nicht die ganze Kriegsmacht erschlagen lassen, und so gab er ihm die dritte Tochter in Gottes Namen. Die nahm er auf seinen Rücken und er war lang und länger als lang mit ihr unterwegs. Als sie in den Wald gekommen waren, fragte er sie genau so wie er auch die anderen gefragt hatte, ob sie weicher gesessen und klarer geschaut hätte.
»Nein, niemals«, sagte sie.
»Ja, du bist die rechte«, sagte er.
Da kamen sie zu einem Schloß, das war so prächtig, daß man es mit dem Schloß ihres Vaters nicht vergleichen konnte. Da könne sie bleiben und gut leben, und sie habe nichts anderes zu tun, als darauf zu achten, daß die Glut nie verlösche. —Der Bär war am Tage fort, aber in der Nacht war er bei ihr, und da war er ein Mensch. Sie lebten gut und schön zusammen drei Jahre lang. Und jedes Jahr bekam sie ein Kind. Das nahm er und trug es fort, sobald es zur Welt gekommen war. —
Da wurde sie immer trauriger und dann bat sie um die Erlaubnis, heim zu reisen und ihre Eltern wieder zu sehen. Ja, dem stehe nichts im Wege. Aber erst müsse sie versprechen, nur auf das zu hören, was ihr Vater sagt, und nicht auf das zu hören, was ihre Mutter sagt, das sie tun solle. So kam sie also nach Hause. Und als sie mit der Mutter allein war und sie erzählt hatte, wie es ihr ginge, wollte ihr die Mutter ein Licht mitgeben, damit sie nachts sehen könne, wie ihr Liebster sei. Aber der Vater sagte, nein, das solle sie nicht tun: »Das ist zum Schaden und nicht zum Segen«, sagte er.
Aber wie es nun eben so geht, so bekam sie doch den Lichtstumpf mit, als sie reiste. Das erste, was sie tat, als er schlief, das war, daß sie das Licht anzündete und ihn beleuchtete. Er war so schön, daß sie meinte, sie könne ihn nie genug anschauen. Aber während sie leuchtete, fiel ein heißer Talgtropfen auf seine Stirn und er erwachte.
»Was hast du getan?« sagte er, »nun hast du uns beide unglücklich gemacht. Hättest du nur noch einen Monat geduldig ausgehalten, so wäre ich erlöst gewesen. Denn eine Trollhexe hat mich verzaubert, am Tage ein weißer Bär zu sein. Aber nun ist es aus mit uns, nun muß ich zu ihr und sie heiraten«.
Sie weinte und war außer sich, aber er mußte fort und er würde fort gehen. Sie fragte ihn, ob sie nicht mitkommen dürfe. Das sei unmöglich, sagte er.
Aber als er nun in der Bärenhaut davontrabte, griff sie trotzdem in sein Fell und warf sich auf seinen Rücken und hielt sich fest. So ging es davon, über Hügel und Täler, durch Busch und Strauch, sodaß ihre Kleider zerrissen, und sie wurde so todesmüde, daß sie den Halt verlor und ihr das Bewußtsein schwandt.
Als sie erwachte, war sie in einem großen Wald, und sie ging wieder weiter, aber sie wußte nicht, wo das hinführen sollte. Nach langer, langer Wanderung kam sie zu einem kleinen Holzhaus. Darin waren zwei weibliche Wesen, eine alte Frau und ein kleines Mädchen, das sehr schön war.
Die Königstochter fragte, ob sie nichts gesehen hätten vom weißen Bären König Valemon.
»Ja, er kam heute zeitig hier vorbei, aber er ging so schnell, daß du ihn niemals einholen kannst«, sagte die alte Frau.
Das kleine Mädchen lief umher und spielte mit einer Goldschere. welche so geartet war, daß Seidenstoffstücke und Samtreste um sie herumfiogen, sobald sie nur in der Luft schnitt. Wer die besaß litt nie Mangel an Kleidern.
»Aber diese Frau, die so weit wandern muß und so schlechte Wege, die mag schwer zerschlissen werden«, sagte das kleine Mädchen, »sie wird die Schere notwendiger brauchen als ich, um sich Kleider zu schaffen«. Und dann bat sie um die Erlaubnis, ihr die Schere zu schenken. Ja, das dürfe sie, sagte die Alte.
Dann wanderte die Königstochter Tag und Nacht durch den Wald weiter, der nie ein Ende nehmen wollte. Am nächsten Morgen kam sie wieder zu einer kleinen Holzhütte. Darin wohnten auch zwei weibliche Wesen, eine alte Frau und ein schönes kleines Mädchen.
»Guten Tag«, sagte die Königstochter, »habt ihr etwas gesehen vom weißen Bären König Valemon?« fragte sie.
»Bist du es vielleicht, die ihn haben soll?«fragte die alte Frau, » er war hier, er kam gestern hier vorüber, aber er lief so schnell, daß du ihn niemals wieder einholen kannst«.
Das kleine Mädchen krauchte auf dem Boden herum und spielte mit einer Flasche, die war so beschaffen, daß man aus ihr all das einschenken konnte was man nur haben wollte. Und wer diese Flasche besaß, dem mangelte nie etwas zu trinken.
»Aber diese arme Frau, die so weit wandern muß und so schlechte Wege, die kann einmal durstig werden und muß viel anderes Schlimmes erleiden«, sagte das kleine Mädchen, »die braucht diese Flasche notwendiger als ich«, und dann fragte sie, ob sie ihr die Flasche schenken dürfe.
Ja, das dürfe sie, sagte die Alte. So bekam die Königstochter die Flasche, dankte und wanderte weiter durch denselben Wald, Tag und Nacht. Am dritten Morgen kam sie zu einer Holzhütte, darin wohnten eine alte Frau und ein schönes kleines Mädchen.
»Guten Tag!« sagte die Königstochter. »Guten Tag!« erwiederte die alte Frau.
»Habt ihr nichts vom weißen Bären König Valemon gehört?«fragte die Königstochter.
»Vielleicht bist du es, die ihn bekommen soll?« sagte die Alte. »Ja, er war hier. Er kam gestern abend vorbei, aber er ging so schnell weiter, daß du ihn niemals einholen kannst.«Das kleine Mädchen krauchte auf dem Fußboden umher und spielte mit einem Tuch, das war so beschaffen, daß, wenn man zu ihm sprach:
»Tüchlein, wenn ich aus dich breite, gute Speisen mir bereite!« |
so geschah das. Und wer dieses besitzt, dem mangelt niemals gutes Essen.
»Aber diese arme Frau, die so weit wandern muß, und so schlechte Wege«, sagte das kleine Mädchen, »sie wird hungrig werden und andere Übel leiden müssen. Sie wird das Tuch notwendiger brauchen als ich«. Und dann fragte sie um die Erlaubnis, es ihr geben zu dürfen. Ja, das wurde ihr erlaubt.
Da nahm die Königstochter das Tuch, dankte dafür und wanderte weiter, lang und länger als lang, durch denselben dunklen Wald, Tag und Nacht.
Und am Morgen kam sie zu einem Querberg, der war so steil wie eine Wand, und so unheimlich hoch und breit, daß sie kein Ende sehen konnte. Und dicht dabei stand auch eine Holzhütte. Als sie hereinkam, war das erste, was sie sagte: »Guten Tag, hast du gesehen, daß der weiße Bär König Valemon hier vorbei kam«?
»Guten Tag auch«, sagte die alte Frau, »das bist du vielleicht, die ihn haben sollte. Ja, er war hier. Er fuhr den Berg hinauf vor drei Tagen, aber da kommt niemand hinauf, der keine Flügel hat«, sagte sie.
Diese Hütte war so voll von kleinen Kindern, und sie hingen am Rock der Mutter und schrien nach Brot. Die alte Frau setzte einen Kessel, gefüllt mit Steinen aufs Feuer. Die Königstochter fragte, wofür das gut sei. Sie seien so arm, sagte die Frau, daß sie weder Essen noch Kleidung hätten, und das sei so schlimm, die Kinder nach einem Bissen schreien zu hören; wenn sie den Kessel zum Feuer setze und sage, »nun sind die Apfel bald gekocht«, so war es, als ob es den Hunger mildere, sie habe für eine Weile Ruhe, sagte sie.
Es dauerte nicht lange, bis die Königstochter Tuch und Flasche hervorbrachte, das kann man sich denken, und als die Kinder satt una froh waren, schaffte sie ihnen auch Kleidung mit der Goldschere.
»Ja«, sagte die alte Frau von der Holzhütte, »weil du so herzlich gut zu mir und meinen Kindern warst, so müßte ich mich schämen, wenn wir nicht alles täten, was wir können, um dir über den Berg zu helfen. Mein Mann ist ein richtiger Meisterschmied. Nun leg dich zur Ruhe bis mein Mann heimkommt, dann werde ich ihm sagen, daß er für dich Klettereisen schmieden soll für Hände und Füße, so wirst du versuchen, hinaufzuklettern.
Als der Schmied heimkam, machte er sich sofort daran, Klettereisen zu schmieden, und am anderen Morgen waren sie fertig. Die Königstochter konnte es kaum erwarten, dankte dafür, machte sie sich fest nud kroch und krabbelte mit den Stahleisen den ganzen Tag und die ganze Nacht hinan. Davon wurde sie so müde, daß es ihr schien, sie könne keine Hand mehr rühren, sie wollte beinah hinsinken -da war
sie oben. Dort war eine Ebene mit Äckern und Wiesen, so groß und weit, wie sie es sich nie gedacht hatte, so weit und so eben. Gleich dabei war ein Schloß, voll mit Arbeitern aller Art, welche wie Ameisen in einem Hügel schafften.»Was geht hier vor sich?«fragte die Königstochter.
Ja, hier wohne sie, die Trollhexe, die den weißen Bären König Valemon verzaubert habe, und in drei Tage solle sie mit ihm Hochzeit halten.
Sie fragte, ob sie nicht mit ihr sprechen könne. Nein, war die Antwort, das sei rein unmöglich.
So setzte sie sich vors Fenster und begann mit der Goldschere zu schneiden, sodaß Seiden- und Samtkleider umherflogen wie ein dichtes Schneegestöber. —Als die Trollhexe das sah, wollte sie die Schere kaufen. »Wenn auch alle Schneider danach streben, so nützt das doch nichts«, sagte die Königstochter, »das ist für viele, die sich damit bekleiden wollen«. Für Geld sei sie nicht zu haben, sagte sie, aber sie könne die Schere haben, wenn sie Erlaubnis bekäme, mit ihrem Liebsten in der Nacht zu schlafen. Ja, das könne gut sein, sagte die Trollhexe, aber sie wolle selbst dabei sein, wenn ihn der Schlaf überkäme und ihn selber wecken. Als er sich gelegt hatte, gab sie ihm einen Schlaftrunk, sodaß er nicht imstande war, aufzuwachen, so viel ihn die Königstochter auch rief und so sehr sie weinte.
Am nächsten Tage ging die Königstochter wieder vors Fenster draussen, setzte sich und schenkte mit der Flasche ein. Das floß wie ein Bach, Bier und Wein, und nie war die Flasche leer. Als die Trollhexe das sah, wollte sie die Flasche kaufen. »Wenn auch alle danach streben, damit zu brauen und zu brennen, so kümmert mich das nicht, das ist für Viele, die davon trinken sollen«, sagte die Königstochter. Für Geld sei die Flasche nicht feil, sagte sie, aber wenn sie Erlaubnis bekäme, mit ihrem Liebsten zu schlafen in der Nacht, so solle sie die Flasche haben. Ja, das könne sie gut machen, sagte die Trollhexe, aber sie wolle selbst bei ihm sitzen, wenn ihn der Schlaf überkäme und ihn selbst wecken. Als er sich gelegt hatte, gab sie ihm wieder einen Schlaftrunk, sodaß es diese Nacht nicht leichter war, er konnte nicht erwachen, so viel die Köngstochter auch weinte und rief. Aber in dieser Nacht arbeitete ein Handwerker im Raum nebenan. Er hörte das Rufen und Weinen darinnen und verstand den Zusammenhang. Am nächsten Tag sagte er zum Prinzen, sie müsse gekommen sein, die Königstochter, die ihn erlösen würde.
An diesem Tage ging es genauso mit dem Tuch wie mit der Flasche
und der Schere vorher. Als es auf die Mittagszeit zu ging, war die Königstochter draußen vorm Schloß, zog das Tuch hervor und sagte:»Tüchlein, wenn ich aus dich breite, gute Speisen mir bereite!« |
Sogleich erschien das Essen, das hätte hundert Mann sättigen können, aber die Königstochter setzte sich allein zu Tisch. Als die Trollhexe das Wundertuch erlebte, wollte sie es kaufen. »Für all die Köche und Brater, die danach streben, ist es nicht bestimmt, das ist für viele Münder, die satt weren sollen«, sagte sie. Für Geld sei es nicht feil, sagte die Königstochter. Aber bekäme sie Erlaubnis, mit ihrem Liebsten zu schlafen in der Nacht, so solle sie das Tuch haben. Das könne sie gut machen, sagte die Trollhexe, aber sie wolle selbst dabei ein, wenn ihn der Schlaf überkäme und ihn auch selbst aufwecken. Als er sich gelegt hatte, kam sie mit dem Schlaftrunk, aber diesmal war er wachsam und täuschte sie. Die Trollhexe aber traute ihm nicht ganz, denn sie nahm eine Stopfnadel und stach ihn quer durch den Arm und wollte prüfen, ob er tief genug schlafe. Aber so schlimm es auch weh tat, so rührte er sich doch nicht. Dann erlaubte man der Königstochter zu ihm hereinzukommen.
Nun war alles schön und gut, wenn er nur die Trollhexe los wäre, so wäre er erlöst. Also befahl König Valemon den Zimmerleuten eine Fallspalte, ein Scharnier, in die Brücke zu machen, worüber der Brautzug gehen sollte, denn es war der Brauch, daß die Braut an der Spitze des Zuges darüberritt. Als die Trollhexenbraut auf der Brücke war, öffnete sich die Fallspalte und die Braut und alle Trollhexlein, die Brautjungfern waren, fielen hinab.
Aber König Valemon und die Königstochter und alle Hochzeitsgäste fuhren zurück zum Schloß und nahmen mit sich alles Gold und Geld der Trollhexe, so viel sie tragen konnten, und er fuhr mit der Königstochter zurück in sein Land und hielt dort die rechte Hochzeit.
Und unterwegs nahm König Valemon die drei schönen kleinen Mädchen mit. Und jetzt wußte sie, warum er ihr die Kinder weggenommen und dorthin in die Holzhüttchen gebracht hatte, weil sie ihr helfen sollten, zu ihm zu gelangen. So feierten sie Hochzeit, fröhlich und lang.
Nicht fahrend und nicht reitend...
Es war einmal ein Königsohn, der hatte ein Mädchen gefreit, aber als sie gute Freunde geworden waren und sehr verliebt, schien es ihm gleichgültig zu werden. Da wollte er sie nicht haben, denn sie war ihm nicht fein genug. So dachte er, er wolle versuchen, sie loszuwerden.
Eines Tages sagte er zu ihr, er würde sie schon nehmen, wenn sie zu ihm kommen könne
nicht fahrend und nicht reitend nicht gehend und nicht rodelnd nicht hungrig und nicht satt nicht nackend nicht gekleidet nicht tags und auch nicht nachts. |
Denn er dachte, das würde sie nicht fertig bringen.
Sie nahm drei Gerstenkörner und biß darauf, so war sie nicht satt, aber sie fastete auch nicht; dann warf sie ein Wollnetz über sich, so war sie
nicht nackend und nicht gekleidet. |
Dann nahm sie einen Schafbock, setzte sich darauf, sodaß die Beine nieder auf der Erde schleiften, so hüpfte sie vorwärts, und so kam sie
nicht fahrend und nicht reitend nicht gehend und nicht rodelnd. |
Und es war im Dämmerlicht, zwischen Tag und Nacht.
Als sie vor die Wächter kam, bat sie, ob sie mit dem Prinzen sprechen könne. Die wollten sie nicht herein lassen, denn sie sah aus wie ein Spektakel.
Aber von dem Lärm wachte der Prinz auf und kam zum Fenster. So hüpfte sie dorthin und drehte dem Bock ein Horn ab. Das nahm sie,
stellte sich auf den Rücken des Bockes und klopfte damit ans Fenster. So mußte er öffnen und sie zur Prinzessin machen.
Kleine Ose Gänsemagd
Es war einmal ein König, der hatte so viele Gänse, daß er dazu ein Mädchen haben mußte, das nur die Gänse hütete. Sie hieß Ose, und so wurde sie Ose Gänsemagd genannt.
Nun lebte da ein Königsohn von England, der sollte freien; ihm setzte sich Ose in den Weg.
»Sitzt du hier, du kleine Ose?« sagte der Königsohn.
»Ja, ich sitze hier und setze Lappen an Lappen und Flicken an Flicken, ich erwarte den Königsohn von England heute«, sagte die kleine Ose.
»Du wartest vergeblich, ihn zu bekommen«, sagte der Prinz.
»Ja, wenn ich ihn haben soll, so werde ich ihn dennoch bekommen«, sagte die kleine Ose.
Nun wurden Maler in alle Länder und Reiche gesandt, welche die schönsten Prinzessinnen abbilden sollten. Unter denen wollte der Prinz sich eine auswählen. Eine davon mochte er so gut leiden, daß er zu ihr reiste und sich mit ihr vermählen wollte, und er war froh und entzückt, daß er sie als Liebste bekommen sollte. Aber der Prinz besaß einen Stein, der um alle Dinge wußte. Den legte er vor sein Bett. Und als die Prinzessin kam, sagte Ose Gänsemagd zu ihr, ob sie wohl einen Liebsten vorher gehabt hätte oder ob es irgend etwas gäbe, was der Prinz nicht wissen dürfe, so möge sie nicht über den Stein steigen, den der Prinz vor seinem Bett hätte, »denn der sagt ihm alles von dir«, sagte sie. Als die Prinzessin das hörte, bekam sie Kummer, kann man sich denken. Aber sie wich dem aus und bat Ose, an ihrer statt zu gehen und sich mit dem Prinzen am Abend niederzulegen, und wenn er so geschlafen hätte ,wollten sie wieder tauschen, sodaß er die rechte bei sich hätte, wenn es licht würde am Morgen. — So machten sie es.
Als Ose Gänsemagd kam und auf den Stein trat, fragte der Prinz:
»Wer ist es, der in mein Bett steigt?«
»Eine reine und keusche Jungfrau«, sagte der Stein und so schliefen sie ein. Aber als die Nacht verfloß, kam die Prinzessin und legte sich an Oses Platz.
Am Morgen, als sie aufstehen wollte, fragte der Prinz den Stein wieder:
»Wer ist es, der aus meinem Bett steigt?«
»Eine, die drei Liebsten hatte«, sagte der Stein.
Als der Prinz das hörte, wollte er sie nicht haben, das kann man sich denken, er sandte sie wieder heim und erwählte sich eine andere Liebste.
Als er sie besuchen wollte, hatte sich Ose Gänsemagd ihm wieder in den Weg gesetzt.
»Sitzt du hier, kleine Ose Gänsemagd«, sagte der Prinz.
»Ja, ich sitze hier und setze Flicken an Flicken und Lappen an Lappen, denn heute erwarte ich den Königsohn von England«, sagte Ose.
»Ach, du wartest vergeblich, ihn zu bekommen«, sagte der Königsohn.
»Ja, wenn ich ihn haben soll, so werde ich ihn dennoch bekommen«, meint Ose.
Aber dieser Prinzessin erging es genauso wie der ersten, nur, als sie am Morgen aufstand, sagte der Stein, daß sie sechs Liebsten gehabt hätte. Da wollte der Prinz sie nicht haben und jagte sie ihres Weges davon. Aber dennoch wollte er es noch einmal versuchen, ob er nicht eine finden könne, die rein und keusch sei. Er suchte wieder weit und breit in manchem Land bis er eine fand, die er leiden mochte.
Aber als er zu ihr wollte, hatte sich Ose Gänsemagd ihm wieder in den Weg gesetzt.
»Sitzt du hier, kleine Ose Gänsemagd«, sagte der Prinz.
»Ja, ich sitze hier und setze Flicken an Flicken und Lappen an Lappen, denn heute erwarte ich den Königsohn von England«, sagte Ose.
»Warte nicht darauf, ihn zu bekommen«, sagte der Prinz.
»Ach ja, wenn ich ihn haben soll, so werde ich ihn dennoch bekommen«, sagt die kleine Ose.
Als die Prinzessin kam, sagte Ose Gänsemagd zu ihr dasselbe, was sie den beiden anderen gesagt hatte, wenn sie einen Liebsten gehabt hätte oder etwas anderes wäre, was der Prinz nicht wissen sollte, so möge sie nicht auf den Stein treten, welchen der Prinz vor seinem Bett liegen habe, denn der sage ihm alles«, sagte sie. Der Prinzessin wurde schlimm zumute, als sie das hörte, aber sie war genau so listig wie die beiden anderen. Sie bat Ose darum, an ihrer statt zu gehen und sich am Abend mit dem Prinzen niederzulegen, und wenn er geschlafen hätte, wollten sie tauschen, sodaß er die rechte bei sich hätte, wenn es licht würde am Morgen. —So machten sie es.
Als die kleine Ose Gänsemagd kam und den Stein betrat, fragte der Prinz:
»Wer ist es, der in mein Bett steigt?«
»Eine reine und keusche Jungfrau«, sagte der Stein, und so legten sie sich nieder. Mitten in der Nacht streifte der Prinz einen Ring an Oses Finger, der war so eng, daß sie ihn nicht wieder abstreifen konnte, denn der Prinz merkte genau, daß da etwas nicht richtig war, und so wollte er ein Zeichen haben, daß er die wiedererkennen konnte, welche die rechte war. Als der Prinz schlief, kam die Prinzessin und jagte Ose den Gänsepfad hinab und legte sich selbst in ihr Bett.
Am Morgen, als sie aufstehen wollte, fragte der Prinz:
»Wer ist es, der aus meinem Bett steigt?«
»Eine, die neun Liebsten hatte«, sagte der Stein, und als der Prinz das hörte, wurde er so zornig und jagte sie sogleich weg. Dann fragte er den Stein, wie das zusammenhinge mit diesen Prinzessinnen, die über den Stein gestiegen waren, er könne das nicht durchschauen, sagte er.
Der Stein erzählte ihm, wie das zugegangen sei, daß sie ihn genarrt hätten und daß sie Ose Gänsemagd an ihrer statt geschickt hätten. Der Prinz wollte Gewißheit darüber haben. Er ging hinunter zu ihr, wo sie saß und ihre Gänse hütete, denn er wollte sehen, ob sie den Ring hatte. Hat sie ihn, so wäre es wohl das beste, sie zur Königin zu nehmen, dachte er. Als er hinunter kam, sah er mit einem Male, daß sie einen Lappen um ihren Finger gebunden hatte und so fragte er, warum sie das getan hätte.
»O, ich habe mich so schlimm geschnitten«, sagte die kleine Ose Gänsemagd. Er wollte den Finger sehen, aber Ose wollte den Lappen nicht wegnehmen. Da hielt der Prinz den Finger fest, aber Ose wollte ihn wieder an sich ziehen, da streifte sich der Lappen ab und er erkannte seinen Ring wieder. Da nahm er sie mit sich zum Königshof, schmückte sie reich und gab ihr prächtige Kleider, und darauf feierten sie Hochzeit. Auf diese Weise bekam also Ose Gänsemagd dennoch den Königsohn, nur weil sie ihn eben bekommen sollte.
Der Köhler
Es war einmal ein Köhler, der hatte einen Sohn, der war auch Köhler. Als der Vater starb, verheiratete sich der Sohn, aber er wollte sich nichts vornehmen; den Kohlenmeiler richtig zu versorgen, war er zu schwach, krank und elend, und schließlich wollte ihn niemand mehr zum Kohlenbrennen haben.
Aber nun hatte er doch wieder einmal einen Meiler voll Kohlen gebrannt, und so fuhr er in die Stadt mit einigen Fudern Kohlen. Dort verkaufte er sie, dann schlenderte er durch die Straßen und sah sich um. Auf dem Heimwege kam er in eine Gesellschaft von Nachbarsleuten und Bauern, er feierte und trank und schwatzte über alles, was er in der Stadt gesehen hatte. Das hübscheste, was er gesehen hätte sei, daß es dort so viele Pastoren gäbe, und alle Leute gingen zu ihnen hin und begrüßten sie und nähmen ihre Mützen vor ihnen ab. »Ich wünschte, ich wäre auch so ein Pfarrer«, sprach er, »dann würden mich vielleicht auch alle grüßen. Jetzt sehen die meisten mich gar nicht an«.
»Ja, bist du schon nichts anderes, so bist du doch schwarz genug zum Pastoren«, sagten die Nachbarn zum Kohlenbrenner, »aber wenn wir schon einmal draußen und auf dem Wege sind, so können wir auch zur Auktion vom alten Pfarrer fahren und uns eine Träne Bier gönnen. Du kannst dort Predigerrock und Kragen kaufen«, sagten sie. Ja, so machten sie es. Und als er heim kam, hatte er nicht einen Schilling mehr. —
»Nun hast du wohl Lebensmittel und Schillinge genug?«fragte seine Frau.
»Nun soll das ein Leben werden, Mutter«, sprach der Köhler, »denn jetzt bin ich Pfarrer geworden, hier siehst du beides, Mantel und Kragen«.
»Das soll ich dir glauben? Starkes Bier macht große Worte«, sagte die Alte ,»du bist immer gleich entzückt, was es auch für ein Ende nimmt, du«!
»Du darfst weder jammern noch schimpfen über den Meiler, bevor die Kohlen abgekühlt sind«, meinte der Köhler. —
Es kam ein Tag, da reisten viele Leute in Pfarrerkleidung beim Köhler vorüber. Die waren unterwegs zum Königshof, sodaß er merken
konnte, da war etwas los. Ja, der Köhler wollte dabei sein und er zog deshalb seine Pfarrerkleidung an. Die Frau meinte, es sei genau so klug, zu Hause zu bleiben, denn käme er wirklich dazu, einem reichen Manne das Pferd zu halten, so würde der Tabaks-Schilling, den er dafür bekäme, doch nur durch die Gurgel rinnen. »Alle sprechen vom Trinken und niemand vom Durst, Mutter«, sagte der Mann, »je mehr man trinkt, desto mehr dürstet man«. Und so zog er zum Königshof.Nun wurden alle Fremden zum König herein gebeten, und der Köhler folgte ihnen. Da sagte der König, daß er seinen kostbaren Ring verloren hätte, und er glaube fest, daß er gestohlen sei. Deshalb habe er alle Gottesgelehrten des Landes zusammengerufen, ob nicht einer dabei sei, der wisse, wer der Dieb wäre. Und er versprach, den zu belohnen, der es sagen könne. War er Kandidat, so solle er ein Pfarramt bekommen, war er Pfarrer, so solle er Probst werden, und war er Probst, so solle er Bischof werden, und war er Bischof, so solle er der nächste am Königsthron werden. Dann ging der König von einem zum anderen und fragte sie alle. Und als er zum Köhler kam, fragte der König: »Wer bist du?«
»Ich bin der weise Priester und der wahre Prophet«, entgegnete der Köhler.
»So kannst du mir auch sagen, wer meinen Ring genommen hat«, sprach der König.
»Ja, das geht rein über Hoffnung und Verstand, daß sich das, was im Finstern geschehen ist, im Hellen sehen lassen kann«, erwiderte der Köhler, »doch es kommt nicht alle Tage vor, daß der Lachs auf einem Föhrenwipfel laicht. Nun habe ich schon für mich und die Meinen sieben Jahre lang gelesen und habe noch kein Amt bekommen. Wenn ich den Dieb herausfinden soll, dann muß ich gute Zeit und viel Papier haben, denn ich muß rechnen und an viele Länder schreiben«.
Ja, er solle gut Zeit haben und Papier so viel er wolle, wenn er nur den Dieb herbeischaffen könne.
Nun kam er hinauf ins Königsschloß in eine Kammer ganz für sich allein, und es dauerte nicht lange bis sie merkten, daß er etwas mehr können müsse als nur das Vaterunser, denn er schrieb auf so viel Papier, daß es in dicken Haufen und Bergen herumlag, und da war auch nicht einer, der ein Wort von allem verstand, was er schrieb, denn es sah nur aus wie Haken und Krähenfüße. — Doch die Zeit ging dahin und er bekam keine Spur von einem Dieb heraus. Da wurde der König dessen überdrüssig und er sagte, wenn er den Dieb nicht in drei Tagen herschaffen könne, so solle er das Leben verlieren.
»Wer soll raten, darf nicht zu früh taten; man soll die Kohlen nicht auseinanderscharren, ehe der Meiler ausgelöscht ist«, sagte der Köhler. Der König aber blieb bei seinem Wort, und der Köhler merkte, daß sein Leben nicht mehr viel wert war.
Nun waren da drei von des Königs Dienern, die ihm aufwarteten, jeder an seinem Tag. Und diese drei zusammen hatten den Ring gestohlen.
Als der eine Diener hereinkam und den Tisch abdeckte nach der Abendmahlzeit und wieder hinausging, stieß der Köhler einen tiefen Seufzer aus, sah ihm nach und sagte: »Das war der erste!« (Er meinte den ersten der drei Tage, die er noch zu leben hatte). »Dieser Pfaffe kann mehr als Brot essen«, sagte er zu seinen Kameraden draußen, »er sprach zu mir: Das war der erste!« —Der andere, der ihm am nächsten Tage aufwartete, sollte sich gut merken, was er sagte. Und richtig, als er nach dem Abendessen abdeckte, glotzte der Köhler ihn starr an, seufzte schmerzlich und sagte: »Das war der andere!« —Nun sollte der dritte Diener aufmerken, wie er sich am dritten Tage benehmen würde. Da ging es schlimmer und nicht besser, denn als der Diener die Tür ergriff und hinausgehen wollte mit Tassen und Schüsseln, da faltete der Köhler die Hände und sprach: »Das war der dritte!« Und dann seufzte er, als ob ihm das Herz brechen würde.
Der Diener kam heraus, so eilig, daß er kaum noch Atem hatte, und sagte, das sei eine klare Sache, daß der Pfarrer alles wisse. Nun gingen sie alle drei hinein, machten einen Kniefall vor dem Köhler und baten und flehten, er solle es nicht sagen, daß sie den Ring genommen hatten. Sie würden ihm jeder gerne hundert Taler geben, wenn er sie nicht ins Unglück stürzen würde. Der Köhler versprach hoch und heilig, wenn er Geld und Ring und eine große Schüssel Grütze bekommen würde, solle niemand unglücklich werden. Er knetete den Ring gut in die Grütze und ließ diese einem von ihnen dem größten Eber des Königs zum Fressen geben. Er solle aber darauf achten, daß er es nicht wieder von sich gäbe.
Am nächsten Morgen kam der König und verlangte vom Köhler, ihm den Dieb zu nennen.
»Ja, nun habe ich gerechnet und nach vielen Ländern geschrieben«, sagte der Köhler, aber es ist kein Mensch, der den Ring gestohlen hat.
»Pa, wer ist es denn sonst?« fragte der König.
»Ei, es ist der große Eber des Königs«, antwortete der Köhler. Gut also, sie nahmen und schlachteten das Tier, und den Ring hatte es in sich, das stimmte.
So bekam der Köhler ein Pfarramt, und der König war so froh, daß er ihm Pferd und Hof und hundert Taler noch obendrein gab. Der Köhler zögerte nicht, dort hin zu ziehen, und am ersten Sonntag, nachdem er in sein Amt gekommen war, sollte er zur Kirche und die Urkunde seiner Amtseinsetzung vorlesen.
Aber bevor er reiste, wollte er noch frühstücken. Nun legte er den Amtsbrief so lange auf das Fladenbrot, dann vergriff er sich aber und tauchte den Brief in die Brühe, und da er wußte, es war zäh zum Kauen, gab er dem Hund den ganzen Brocken, und der verschlang ihn sofort.
Nun wußte er nicht, was er machen sollte, aber in die Kirche mußte er, denn die Gemeinde wartete. Als er hinkam, bestieg er sogleich die Kanzel, dort warf er sich in die Brust, daß alle dachten, das ist gewiß ein glänzender Prediger, aber als es dann weiterging, da war es doch nicht mehr so glänzend. »Die Worte, die ihr an diesem Tage hören solltet, meine lieben Pfarrkinder, sind in die Hunde gefahren; aber kommt am nächsten Sonntag wieder, meine lieben Zuhörer, so sollt ihr von mir etwas anderes zu hören bekommen. Und damit ist die Predigt aus.«
Das schien der Gemeinde ein wunderlicher Pfarrer zu sein, denn eine solche Predigt hatten sie noch nie gehört.
Und dann meinten sie, er kann wohl besser werden, und wird er es nicht, so wollen wir schon mit ihm fertig werden.
Am nächsten Sonntag sollte wieder Gottesdienst sein, da war die Kirche so voll von Menschen, die alle dem neuen Pfarrer lauschen wollten, sodaß der Raum die Menge fast nicht mehr fassen konnte. Ja, er kam herein und bestieg sogleich die Kanzel. Da stand er eine Weile und sagte kein Wort. Aber dann taute er mit einem Male auf und rief: »Hör zu, du alte Bucke-Berit, warum sitzt du so weit hinten in der Kirche?« »Ach, ich habe so zerrissene Schuh, Vater«, sagte sie. »So nimm du dir eine alte Schweinshaut und mach dir neue Schuh, so kannst du ebenso gut vorn in der Kirche sitzen wie andere ehrliche Weiber. — Übrigens müßt ihr bedenken, was für einen Weg ihr geht. Wenn ihr zur Kirche geht, so sehe ich einige von Norden kommen, andere von Süden, und dasselbe ist es, wenn ihr von der Kirche wieder heim geht. Aber ihr haltet auch mal an, und da fragt es sich, was aus euch wird. Ja, wer weiß, was aus uns allen zusammen noch werden wird. —Da soll ich kund tun, daß der alten Frau Pfarrer eine schwarze Mähre weggekommen ist. Sie hat Barte an den Hufen und eine lange Mähne und mehr dergleichen, was ich hierorts nicht nennen will. —O, ich habe ein Loch in meiner alten Hosentasche das weiß ich, aber ihr nicht. Aber ob
jemand einen Lappen hat, der auf dieses Loch passen könnte, das wissen weder ihr noch ich.«Mit dieser Predigt begnügten sich einige aus der Gemeinde. Sie glaubten nicht anders, als daß aus ihm noch ein guter Prediger würde mit der Zeit, sagten sie. Aber den meisten schien es doch allzutoll, und als der Probst Gottesdienst hielt, beklagten sie sich über den Pfarrer und sagten, daß sie früher noch nie eine solche Predigt gehört hätten. Und einer erinnerte sich an die letzte Predigt und erzählte sie dem Probst.
»Das war eine sehr gute Predigt«, sagte der Probst, »denn er hat vermutlich in Gleichnissen gesprochen. Wie man das Licht suchen und die Dunkelheit und ihre Taten scheuen solle ... von denen, die auf dem breiten Weg gingen und auf dem schmalen Weg. Und hauptsächlich die Bekanntmachung von der Pfarrers-Stute sei ein herrliches Gleichnis, wie es uns allen gehen wird zum Schluß. Die Tasche mit dem Loch darin solle seine Armut bedeuten, und der Lappen sei das Opfer und die milden Gaben, die er von der Gemeinde erwarte«, sagte der Probst. »Ja, so verstehen wir es auch, er meinte der Pfarrsäckel«, gaben sie zu.
Zum Schluß sagte der Probst, er glaube, die Gemeinde habe einen guten und verständigen Pfarrer, daß sie nicht über ihn Klage führen brauchten, und das Ende davon war, daß sie keinen anderen bekamen. Aber da sie glaubten, das würde eher schlimmer als besser, klagten sie beim Bischof.
Ja, nach längerer Zeit kam er auch, um Bischofsgottesdienst zu halten. Am Tage vorher war der Köhler in der Kirche, ohne daß es jemand wußte, und er sägte die Kanzel an, so daß sie nur noch fest hielt, wenn jemand ganz vorsichtig hinauf ging. Als die Gemeinde versammelt war, und als er vor dem Bischof predigen sollte, schlich er sich auf die Kanzel und begann loszulegen, wie er es immer tat. Aber als es eine Weile gedauert hatte, ging es härter zu. Er schlug mit den Armen aus und rief laut: »Ist hier jemand, der etwas Böses oder eine Missetat auf sich geladen hat, da ist es das Beste, er verläßt diesen Ort, denn heute wird ein Fall geschehen, wie kein ähnlicher geschehen ist seit der Erschaffung der Welt!« Und damit hieb er auf die Kanzel, sodaß es nur so donnerte, und die Kanzel samt dem Pfarrer in die ganze Sippschaft von der Kirchenwand niederbrach mit einem solchen Getöse, daß die Gemeinde aus der Kirche sprang, als ob der Jüngste Tag angebrochen sei.
Da sagte der Bischof zu der Gemeinde, daß er sich wundere, daß Leute Klage führen könnten über einen Pfarrer, welcher solche Rednergabe
besitze und so viel Weisheit, daß er kommende Dinge voraussagen könne. Er glaube, er müsse mindestens Probst werden, sagte er. Und es dauerte gar nicht lange, so wurde er es. So gab es kein Mittel, sie mußten ihn weiter ertragen.Nun war das so, daß der König und die Königin in diesem Lande keine Kinder hatten. Aber als der König zu hören bekam, daß vielleicht doch eins ankommen könne, war er neugierig darauf zu wissen, ob es ein Erbe von Land und Reich oder ob es nur eine Prinzessin würde. Da versammelte er alle Gelehrten des Landes im Schloß, die sagen sollten, was das Kind werden würde. Weil es aber keiner von ihnen sagen konnte, erinnerte sich der Bischof und der König an den Köhler, und es dauerte nicht lange, so hatten sie ihn in ihrer Mitte und fragten ihn aus. Nein, er wisse es auch nicht, sagte er, denn es sei nicht so leicht, zu erraten, was niemand wissen könne.
»Ja, ja«, sagte der König, »mir ist es ebenso lieb, entweder du weißt es oder du weißt es nicht. Aber du bist doch der weise Priester und wahre Prophet, welcher kommende Dinge voraussieht, und wenn du es nicht sagen willst, wirst du Mantel und Kragen verlieren«, sagte der König. »Doch es ist einerlei, ich will dich erst prüfen«, sagte er und nahm den größten Silberkrug, den er besaß, und ging zum Strand hinunter. »Kannst du mir sagen, was in dem Krug ist«, sagte der König als er wieder heraufkam, »so kannst du mir das andere auch sagen«, sprach er und hielt den Krugdeckel fest zu.
Der Köhler rang die Hände und war außer sich: »Ach, du unglücklichste Krabbe auf dieser Erde, was hast du nun von all deiner Mühe und Plackerei«, sagte er.
»Ja, siehst du, als ob du es nicht wüßtest«! sagte der König, denn er hatte eine große Krabbe im Silberkrug. So mußte also der Köhler hinein in den großen Saal zur Königin.
»Man soll kein Geschrei um ein ungeborenes Kind machen und sich nicht um den Namen streiten, bevor das Kleine geboren ist«, sagte der Köhler, »aber so etwas habe ich weder gehört noch gesehen bisher: wenn die Königin auf mich zukommt, so glaube ich, es wird ein Prinz, und wenn sie von mir geht, sieht es aus, als ob es eine Prinzessin würde.«
Es wurden Zwillinge, ein Knabe und ein Mädchen, sodaß es der Köhler auch diesmal getroffen hatte. Und weil er das sagen konnte, was niemand wissen konnte, bekam er Geld fuderweise, und er wurde der höchste neben dem König.
Tripp, trapp, trollte - er wurde mehr, als er wollte.
Jungfrau Maria als Patin
Weit, weit draußen an einem großen Walde wohnten einmal ganz arme Leute. Die Frau kam ins Kindbett und gebar ein Kind, eine schöne Tochter. Sie waren aber so arm, daß sie nicht wußten, wie sie das Kind zur Taufe bringen sollten. Eines Tages mußte der Mann hinausgehen und sehen, ob er nicht einen Gevatter bekommen könnte, der sich dem Kinde widmen würde. Er ging den ganzen Tag, bald zu dem einen, bald zu dem anderen, und alle sagten sie dasselbe, daß sie wohl bei der Taufe Gevatter stehen wollten aber sich dem Kind nicht widmen könnten. Als er am Abend heim kam, begegnete ihm eine schöne Frau, die war so prächtig gekleidet und sah so wundersam lieb und gut aus. Sie bot sich an, das Kind zur Taufe zu schaffen, aber von da ab wolle sie es auch haben. Der Mann antwortete, daß er erst seine Frau fragen müsse, ob sie einverstanden sei. Aber als er heimkam und es erzählte, sagte sie grad heraus nein.
Am anderen Tage ging der Mann wieder hinaus, aber niemand wollte Gevatter stehen, wenn er sich dann dem Kind widmen solle, und so viel er auch bat, es half alles nichts. Da er am Abend wieder heim ging, begegnete er erneut dieser schönen Frau, welche so freundlich ausschaute und ihm dasselbe Angebot machte. Er erzählte seiner Frau davon und sie sagte, wenn er am folgenden Tage niemanden finden würde als Gevatter für das Kind, so wolle sie es der Frau schon lassen, weil sie so gut und lieb aussähe.
Als der Mann am dritten Tage wieder hinausging, fand er wieder keinen Gevatter, und als er der Frau am Abend wieder begegnete, versprach er, ihr das Kind zu überlassen, wenn sie die Taufe besorgen würde nach Christenbrauch.
Am Morgen kam sie dorthin, wo der Mann wohnte, in Begleitung von zwei Männern, nahm das Kind und ging mit ihm zur Kirche, dort wurde es getauft. Dann nahm sie es mit sich nach Hause und dort lebte das kleine Mädchen mehrere Jahre bei ihr, und die Pflegemutter war immer lieb und gut zu ihr.
Als das Mädchen so groß geworden war, daß sie verständig wurde, rüstete sich die Pflegemutter zu einer Reise. »Du hast Erlaubnis, hinzugehen wohin du willst«, sagte sie zu dem Mädchen ,»nur in die drei Kammern nicht, die ich dir noch bezeichnen werde«. Und so reiste sie fort.
Das Mädchen konnte es dennoch nicht lassen, ein klein wenig bei der einen Kammertür hineinzugucken, und hui! —da flog ein Stern heraus. Als die Pflegemutter zurückkam, wurde sie betrübt über den Ungehorsam und drohte der Pflegetochter, sie fortzujagen; aber das Mädchen weinte und bat um Verzeihung und so wurde ihr schließlich zu bleiben erlaubt.
Nach einiger Zeit mußte die Pflegemutter wieder verreisen, und so verbot sie dem Mädchen, in die zwei Kammern zu sehen, die sie noch nicht betreten hatte. Sie versprach, sich zu beherrschen. Aber als sie eine Zeit lang allein war und dachte und grübelte, was wohl in den beiden Kammern drin sein könne, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten, die Tür einen kleinen Spalt zu öffnen und hineinzugucken und hui! —flog der Mond heraus.
Als die Pflegemutter wieder kam und sah, daß der Mond herausgeflogen war, wurde sie traurig und sagte, nun könne sie nicht mehr bei ihr bleiben, nun müsse sie fort. Aber das Mädchen weinte so von Herzen und bat so innig um Verzeihung, und so wurde ihr auch diesmal erlaubt zu bleiben.
Nach einiger Zeit mußte die Pflegemutter wieder fort auf eine Reise -das Mädchen war diesmal halberwachsen - und da legte sie ihr besonders ans Herz, daß sie nicht versuchen sollte, in die dritte Kammer hineinzugehen oder hineinzusehen. Aber als die Pflegemutter eine Weile fort war und das Mädchen allein blieb und sich langweilte die lange Zeit über, da dachte sie: »Wie ergötzlich müßte es doch sein, in die dritte Kammer ein wenig hineinzuschauen!« Erst dachte sie, daß sie nicht den gleichen Fehler machen wollte um der Pflegemutter willen; aber als sie am nächsten Tag wieder vorbeikam, konnte sie sich nicht mehr beherrschen, sie sollte und mußte hineinschauen in die Kammer. Sie guckte ein wenig zur Tür hinein und hui! —flog die Sonne hinaus. Als die Pflegemutter nun zurück kam und sah, daß die Sonne hinausgeflogen war, wurde sie sehr böse darüber und sagte, nun dürfe sie nicht länger bei ihr bleiben. Die Pflegetochter weinte und bat noch mehr als vorher, aber das half diesmal alles nichts.
»Nein, nun muß ich dich strafen«, sagte die Mutter, »aber du hast die Wahl: entweder du bleibst die allerschönste von allen, kannst aber nicht sprechen, oder du wirst die allerhäßlichste und kannst sprechen. Aber fort von mir mußt du«. »So will ich lieber schön bleiben«, sagte das Mädchen und das blieb sie auch, aber von der Zeit an war sie stumm.
Als sie von der Pflegemutter fortgeschickt wurde, ging sie dahin und
wanderte durch einen großen Wald, doch so lang sie auch wanderte, er nahm niemals ein Ende. Als es auf den Abend zu ging, kletterte sie auf einen hohen Baum, welcher sich über eine Quelle neigte, und setzte sich, um darin zu schlafen die Nacht über. Dicht dabei lag ein Schloß, und zeitig am morgen kam eine Magd, die Wasser holen sollte für den Tee des Prinzen. Die Magd sah das schöne Antlitz in dem Quellwasser und glaubte, das sei sie selbst, warf die Wassereimer weg, lief heim und sagte: »Bin ich so schön, so bin ich zu gut, um Wasser zu tragen«. So mußte eine andere Magd sich auf den Weg machen, um Wasser zu holen, aber mit ihr ging es ebenso, sie kam auch zurück und sagte, daß sie zu schön sei und zu gut, um Wasser für den Prinzen zu tragen. Da ging der Prinz selbst, denn er hatte Lust, zu sehen, wie das zusammenhing. Als er zur Quelle kam, sah er auch das Bild im Wasser, aber sogleich sah er nach oben. Dort erblickte er die schöne Jungfrau, welche oben im Baume saß. Er lockte sie herab und nahm sie mit sich nach Hause und schließlich machte er sie zu seiner Königin, weil sie so schön war. Aber seine Mutter, die noch lebte, mochte sie nicht leiden. »Sie kann ja nicht sprechen«, sagte sie, das kann gut eine Trollhexe sein«. Aber der Prinz gab nicht nach, bis sie seine Königin wurde.Als sie eine Zeit lang zusammen gelebt hatten, trug sie ein Kind, und da sie es gebären sollte, ließ der Prinz um sie herum Wachen setzen, aber zur Geburtsstunde schliefen sie alle. Und als sie das Kind zur Welt gebracht hate, kam ihre Pflegemutter, schnitt das Kind in den kleinen Finger und bestrich der jungen Königin Mund und Finger mit dem Blut und sagte zu ihr: »Nun sollst du so traurig werden wie ich es war, als du den Stern hinaus schlüpfen ließest«. Und so verschwand sie mit dem Kind. Als diejenigen munter wurden, die zur Wache um sie herum gesetzt waren, glaubten sie, die Königin hätte ihr eigenes Kind aufgegessen und die alte Königin wollte sie verbrennen lassen. Aber der Prinz glaubte es nicht und schließlich bat er sie frei von Strafe, aber nur mit Mühe und Not.
Als die junge Königin zum anderen Male ins Kindbett kam, wurde eine doppelt so starke Wacht um sie gesetzt als das vorige Mal; aber es ging genau so, nur daß die Pflegemutter diesmal sagte: »Nun sollst du so traurig werden wie ich es war, als du den Mond hinausschlüpfen ließest«. Die junge Königin bat und weinte -denn so lange die Pflegemutter bei ihr war, konnte sie sprechen -aber es half nichts. Nun wollte die alte Königin, daß sie endlich verbrannt werden sollte, doch der Prinz bat sie auch diesmal frei.
Da die junge Königin zum dritten Mal ins Kindbett kam, wurde
eine dreifache Wache um sie gesetzt. Aber es ging gleichermaßen. Die Pflegemuter kam während die Wachen schliefen, nahm das Kind, schnitt es in den Finger und strich Blut um den Mund der jungen Königin. Und dann sagte sie, daß die junge Königin nun ebenso traurig werden sollte, wie sie es selbst gewesen, als die Sonne entschlüpft war.Nun konnte der Prinz sie auf keine Weise mehr frei sprechen; sie mußte und sollte brennen. — Aber als sie auf den Holzstoß gelegt wurde, sahen sie die Pflegemutter kommen mit allen drei Kindern, zwei führte sie an der Hand und das dritte trug sie auf den Armen. Sie ging zu der jungen Königin und sagte: »Hier sind deine Kinder, nun sollst du sie wieder haben. Ich bin Jungfrau Maria, und so traurig wie du gewesen bist, genauso betrübt war ich, als du Sonne, Mond und Sterne hast entschlüpfen lassen. Du littest die Strafe für das, was du angerichtet hattest. Und von nun an sollst du wieder sprechen können«. Wie froh die junge Königin und der Prinz waren, kann sich jeder denken, doch sagen läßt es sich nicht. Seitdem lebten sie allezeit glücklich, und des Prinzen Mutter schätzte die junge Königin von der Zeit ab auch sehr.
Vom Manne, der die Hauswirtschaft besorgen sollte
Es war einmal ein Mann, der war so unwirsch und rauh, er meinte, seine Frau schaffe nie genug im Hause. Während der Heuernte kam er eines abends heim, quengelte, brummte und fluchte, daß es um ihn nur so witterte.
»Lieber Freund, sei nicht so böse, Vater«, sagte die Frau, »morgen wollen wir die Arbeit tauschen, ich will mit den Mähern auf die Wiese gehen, so kannst du die Hauswirtschaft besorgen.«
Ja, damit war der Mann zufrieden und das wolle er gerne.
Zeitig am morgen nahm die Frau die Sense auf die Schulter und ging in die Wiesen, um zu mähen: der Mann sollte inzwischen alle Arbeiten in Haus und Hof verrichten. Zuerst wollte er buttern. Jedoch als er es eine Weile getan hatte, wurde er durstig und ging in den Keller hinab um Bier zu zapfen. Während er alle Hände voll zu tun hatte, hörte er, daß das Schwein in die Stube gekommen war. Er eilte mit dem Zapfen in der Faust die Kellertreppe hinauf so schnell er konnte, um
nach dem Schwein zu sehen, daß es das Butterfaß nicht umstoße; aber als er entdeckte, daß das Schwein schon alles umgestürzt hatte und da stand und den Rahm schleckte, der über den Fußboden rann, wurde er so jähzornig, daß er gar nicht mehr an die Biertonne dachte und aus Leibeskräften dem Ferkel nachsprang. An der Tür holte er es ein und gab ihm einen so tüchtigen Fußtritt, sodaß es auf der Stelle liegen blieb. Nun besann er sich, daß er den Zapfen noch in Händen hielt, aber als er hinunter in den Keller kam, war die Biertonne leergelaufen.Er ging zurück in die Milchkammer und fand dort noch so viel Sahne, daß er das Butterfaß noch einmal voll bekam. Er begann zu buttern, denn mittags wollte er Butter haben. Als er eine Weile gebuttert hatte, besann er sich, daß die Milchkuh noch im Stalle stand und weder zu saufen noch zu fressen bekommen hatte, obgleich der Tag schon vorgeschritten war. Er glaubte, es sei schon zu spät, um mit der Kuh auf die Wiese zu gehen. Ich werde sie auf das Grasdach lassen, dachte er. Die Hütte hatte ein Rasendach und da stand das Gras hoch und prächtig. Die Hütte stand bei einem steilen Hügel, und wenn er eine Planke zum Dach legen würde, so glaubte er die Kuh hinaufbringen zu können. Aber das Butterfaß durfte er nicht wieder allein lassen, denn sein kleiner Junge krabbelte und kroch auf dem Fußboden umher und konnte es leicht umwerfen. Er nahm also das Butterfaß auf den Rücken. Aber zuerst mußte er der Kuh Wasser geben, ehe er sie auf das Dach führte. Er nahm einen Eimer und wollte Wasser aus dem Brunnen schöpfen, aber als er sich über den Brunnenrand beugte, rann die Sahne aus dem Butterfaß ihm in den Nacken.
Es ging stark auf Mittag zu, aber Butter hatte er immer noch nicht fertig gebracht. So dachte er daran, daß er Grütze kochen wollte und hängte einen Kessel mit Wasser über das Feuer. Als er dies getan hatte, fiel ihm ein, daß die Kuh vom Dach fallen und sich den Hals und Beine brechen könne. Er ging also aufs Dach, um sie anzubinden. Das eine Ende des Strickes band er der Kuh um den Hals, das andere Ende ließ er durch den Schornstein hinab und band es sich selbst um den Schenkel, denn das Wasser kochte bereits im Kessel, und er mußte die Grütze hineinrühren. Während er das tat, fiel die Kuh doch vom Dach und riß den Mann am Strick durch den Schornstein empor. Da saß er nun fest, und die Kuh, sie hing draußen an der Wand zwischen Himmel und Erde und konnte weder hinauf noch herab kommen.
Die Frau hatte schon lang und breit darauf gewartet, daß der Mann sie zum Mittagessen rufen sollte; aber sie wartete, es dauerte und dauerte und es wurde nicht draus. Schließlich schien es ihr doch zu lang zu
dauern und sie ging heim. Als sie die Kuh so häßlich hängen sah, ging sie hin und schnitt den Strick mit der Sense durch. Im selben Augenblick fiel der Mann durch den Schornstein hinunter. Und als die Frau in die Küche kam, steckte der Mann mit dem Kopf im Grützkessel.
Das Goldschloß, das in den Lüften hing
Es war einmal ein armer Mann, der hatte drei Söhne. Als er starb, wollten die beiden ältesten Söhne in die Welt hinaus, um ihr Glück zu versuchen. Aber den Jüngsten wollten sie auf keinen Fall mitnehmen. »Du da«, sagten sie ,»du taugst zu nichts anderem, als zu sitzen und für die Kienspäne zu sorgen und in der Asche zu stochern und in die Glut zu blasen, du!« »Ja, so muß ich wohl allein, ganz für mich selbst gehen«, sagte Askeladd, »so werde ich auf diese Weise auch nicht uneinig mit meiner Gesellschaft«.
Die zwei ältesten zogen los, und als sie einige Tage gewandert waren, kamen sie in einen großen Wald. Da setzten sie sich nieder um auszuruhen, und dann nahmen sie von dem Mundvorrat aus der Wandertasche, die sie mitgenommen hatten, denn sie waren hungrig und müde. Als sie so da saßen, kam ein altes Weiblein herauf aus einem kleinen Hügel, und sie bat um ein wenig Essen; sie war so alt und schwach, daß sie mit dem Mund zitterte und mit dem Kopf wackelte und sich auf einen Stock stützen mußte, um vorwärts zu kommen. Sie hätte seit hundert Jahren keine Brotkrume mehr in den Mund bekommen, sagte sie. Aber die beiden Jungen lachten nur, aßen und sagten, wenn sie es so lange ohne Essen ausgehalten hätte, könnte sie den Rest ihres Lebens auch noch so verbringen, es sei denn, daß sie die Brotkrumen nach ihnen aufessen wollte; sie hätten wenig Mundvorrat und nichts zu verlieren. Als sie sich satt gegessen hatten und ausgeruht waren, gingen sie weiter, und schließlich kamen sie zum Königshof. Dort bekamen sie Arbeit, alle beide.
Eine Weile, nachdem die Brüder den Hof daheim verlassen hatten, sammelte Askeladden die Brotkrumen, welche die Brüder zurückgelassen hatten, und legte sie in seine kleine Wandertasche, nahm auch die alte Flinte mit, wo kein Schloß mehr dran war, denn er dachte, es sei immer gut, so etwas mit auf dem Weg zu haben, und so verließ er den Hof. Als er einige Tage gegangen war, kam er auch in den großen
Wald, den die Brüder durchwandert hatten, und als er müde und hungrig wurde, setzte er sich unter einen Baum, wollte sich ausruhen und wieder zu Kräften kommen. Aber seine Augen waren noch wach. Und als er seine Brottasche geöffnet hatte, sah er ein Bild an einem Baum hängen, darauf war eine Jungfrau gemalt, die ihm so schön erschien, daß er seine Augen nicht davon wenden konnte. Er vergaß Essen und Tasche, nahm das Bild herab, lachte und staunte es an. Da geschah es, daß das alte Weiblein aus dem Hügel heraufkam, sie zitterte mit dem Mund und wackelte mit dem Kopfe und stützte sich auf ihren Stock beim vorwärts kommen, und so bat sie um ein wenig Essen, denn sie hätte seit hundert Jahren kein Brot mehr in den Mund bekommen.»Da wird es aber Zeit, daß du etwas bekommst, damit du wieder auflebst, alte Mutter«, sagte der Knabe und gab ihr von den Brotbrocken, die er in seiner Tasche mitgenommen hatte. Die Alte sagte, seit hundert Jahren hätte sie niemand Mutter genannt, und so wolle sie ihm dafür eine mütterliche Gabe schenken. Sie reichte ihm ein graues Wollgarnknäuel, welches er vor sich abrollen lassen sollte, so käme er dorthin, wohin er selbst wolle. Aber das Bild, sagte sie, solle er nicht beachten, er käme nur damit ins Unglück. Askeladd schien sonst alles gut und schön zu sein, aber das Bild wollte er nicht zurücklassen. So nahm er es unter den Arm und ließ das Wollknäuel vor sich her abrollen. Und es dauerte nicht lang, so kam er zum Königshof, wo seine Brüder dienten. Dort bat auch er um Dienste. Aber ihm wurde geantwortet, sie könnten ihn nicht brauchen, sie hätten kürzlich erst zwei Dienstjungen eingestellt; aber er bat so schön, und schließlich bekam er die Erlaubnis, beim Stallmeister zu lernen, wie man die Pferde versorgt. Das wollte Askeladd gerne, denn er liebte Pferde, und er war flink und fleißig, und er lernte bald alles richtig zu versorgen, und es dauerte nicht lange, daß sie ihn am Königshof alle schätzten. Aber jede Stunde, die er frei hatte, ging er zum Heuboden über dem Stall hinauf und sah nach dem Bild, welches er dort in einem Winkel aufgehängt hatte.
Seine Brüder waren faul und dumm, dafür bekamen sie oft Schelte und Schläge, und als sie sahen, daß Askeladd besser behandelt wurde, als sie selbst, wurden sie eifersüchtig auf ihn und sagten zum Stallmeister, daß er Götzenverehrung triebe, denn er bete zu einem Bilde und nicht zu unserm Herrn Jesus-Christus. Obgleich der Stallmeister dem Jungen wohlgesinnt war, währte es nicht lang, daß er dies dem König berichtete. Aber der König wollte davon zunächst gar nichts hören. Er war nur traurig und sorgenvoll, denn seine Töchter waren ihm von einem Troll geraubt worden.
Aber so lange lagen sie dem König mit dieser Sache in den Ohren, bis er es erforschte, was es mit dem Jungen auf sich hätte. Als der König hinaufkam zu dem Heuboden über dem Stall und das Bild zu sehen bekam, erkannte er darauf seine jüngste Tochter. Als die Brüder das hörten, dachten sie sich einen bösen Plan aus. Sie sagten zum Stallmeister: »Wenn der Bruder nur will, so kann er dem König die Tochter wieder herschaffen«. So kann man sich denken, daß es nicht lange dauerte, bis der Stallmeister mit dieser Nachricht zum König ging. Und als der König das hörte, ließ er Askeladden zu sich rufen und sagte: »Deine Brüder sagen, daß du mir meine Tochter wieder herschaffen kannst, und nun sollst du es auch tun«. Askeladd sagte, daß er gar nicht gewußt hätte, daß dies seine Tochter sei, ehe der König es ihm selbst gesagt hätte, und wenn er sie erlösen und holen könne, so wolle er gewiß sein Bestes tun. Aber zwei Tage müsse er Zeit haben, um zu überlegen und sich zu rüsten. —Die solle er gerne haben.
Der Junge nahm sein Wollknäuel und warf es auf den Weg. Es rollte voran und der Junge folgte ihm bis er zu dem alten Weiblein kam, von dem er das Wollknäuel einst geschenkt bekommen hatte. Er fragte sie, was er nun machen solle. Und sie antwortete, daß er seine alte Flinte mitnehmen solle und dreihundert Kasten mit Nägeln und Hufnägeln und dreihundert Tonnen Korn und dreihundert Tonnen Graupen und dreihundert Tonnen geschlachtete Schweine und dreihundert Tonnen geschlachtete Ochsen. Dann solle er das Garnknäuel im Weg voranrollen lassen bis er einen Raben und einen kleinen Troll treffen würde, dann sei er auf dem rechten Weg, denn die zwei seien verwandt mit ihr.
Gut also, der Junge tat, wie sie gesagt hatte, er ging wieder zum Königshof, nahm seine alte Flinte und bat den König um Nägel, Fleisch und Korn und Knechte, Pferde und Wagen, das alles aufzuladen und mit zunehmen. Dem König schien es zuerst, das sei doch zu viel verlangt, aber wenn er die Tochter wieder herschaffen könne, so solle er all das haben, was er wünsche, und wenn es sein halbes Reich ware.
Als der Junge sich nun so ausgerüstet hatte, warf er das Wollknäuel voran auf seinen Weg, und er war noch nicht viele Tage gegangen, als er zu einen hohen Berg kam. Da saß ein Rabe oben in einer Föhre. Askeladd ging dichter an ihn heran und zielte nach ihm mit seiner Flinte. »Nein, schieß nicht, schieß nicht, so werde ich dir helfen«, schrie der Rabe. »Ich habe nie jemanden Rabenfleisch loben hören, und da du so um dein Leben bangst, so will ich dich wohl leben lassen«, sagte Askeladd. Er warf die Flinte beiseite und der Rabe flog herunter zu
ihm und sagte: »Hier oben in den Bergen hat sich ein Trollkind verirrt, das nicht wieder herunter kommen kann. Ich helfe dir hinnauf, so kannst du das Trollkind heimbringen in den Trollhof und dir damit einen Lohn verdienen, den du wohl brauchen kannst. Wenn du zum Troll kommst, so bietet er dir das Kostbarste, was er hat. Aber das sollst du nicht wählen. Du sollst nichts anderes nehmen, als den kleinen grauen Esel, der hinter der Stalltür steht«. —Dann nahm der Rabe den Jungen auf den Rücken, flog mit ihm auf den Berg und setzte ihn dort ab. Als er ein Stück gegangen war, hörte er das Trolljunge, wie es da wimmerte und sich verzweifelt gebärdete, weil es nicht herunter kommen konnte. Der Junge tröstete es, sie wurden Freunde und mochten einander wohl leiden. Und er begann ihm vom Berg herunter zu helfen. So wollte er das Trolljunge nach Hause in den Trollgarten bringen, damit es sich auf dem Heimwege nicht wieder verirren könne. So gingen sie zum Raben, und er trug beide auf dem Rücken hinab, direkt hin zum alten Bergtroll. Als der Troll sein Kind wiedersah, war er so glücklich, daß er sich beinah selbst vergaß, und er sagte zu dem Jungen, daß er mit zu ihm herein kommen solle, er könne sich auswählen, was er wolle als Lohn dafür, daß er seinen Sohn gerettet hätte. Er bot ihm Silber und Gold und alles was schön und kostbar war, aber der Junge sagte, er wolle höchstens ein Pferd. Ja, er solle auch ein Pferd haben, sagte der Troll, und er bat ihn, mit in den Stall zu kommen. Der Stall war voller prächtiger Pferde, die schimmerten wie Sonne und Mond, aber dem Jungen schienen alle zu groß für ihn zu sein. Da schaute er hinter die Stalltür und entdeckte den kleinen grauen Esel, der dort stand. »Den will ich haben«, sagte er, »der paßt mir gut, wenn ich da herunterfalle, bin ich nicht weit weg vom Erdboden«. Der Troll wollte ihn zuerst nicht gerne hergeben, aber da er es nun einmal gesagt hatte, mußte er zu seinem Wort stehen. So bekam also der Junge den Esel mit Sattel, Zügel, Zaumzeug und allem, was dazu gehörte. Damit ritt er von dannen.Er ritt durch Wald und Feld, über Berg und Hügel. Als er eine Weile unterwegs war, fragte ihn das Eselein, ob er nichts sähe. »Nein, ich sehe nichts anderes als einen hohen Berg, um den es blaut«, sagte der Junge. »Ja, auf den Berg müssen wir hinauf«, sagte der Esel. »Soll ich das glauben?« sagte der Junge. Als sie auf dem Berg anlangten, stürmte ein Einhorn heran, als ob es sie lebendig verschlingen wollte.
»Nun glaube ich, daß ich Angst habe«, sagte der Junge.
»Ach, nichts da«, sagte der Esel, »wirf dem Einhorn einige Stücke Ochsenfleisch vor und bitte es, ein Loch in den Berg zu bohren und ei-
nen Weg da durchzubrechen«. Der Junge tat das, und als das Einhorn sich satt gefressen hatte, versprach der Junge ihm noch einige Stücke Schweinefleisch, wenn es den Weg fertig durchbrechen würde, sodaß sie durch den Berg gelangen könnten. Als das Einhorn das hörte, bohrte es ein Loch und brach einen Weg durch den Berg, so schnell, daß sie kaum folgen konnten. Und als es damit fertig war, warfen sie ihm noch einige Stücke Schweinefleisch vor. Nachdem sie so gut vorangekommen waren, reisten sie weit in das Land hinein, und sie kamen wieder durch Wald und Feld, über Berge und wilde Hügel. »Siehst du nun etwas?«fragte der Esel. »Nun sehe ich nichts anderes als Himmel und wilde Berge«, sagte der Junge. Dann ritten sie lange und länger als lang, und als sie höher hinauf kamen, wurden die Berge ebener und flacher und sie konnten weiter um sich herum sehen. »Siehst du nun etwas?«fragte der Esel. »Ja, ich sehe etwas weit weit weg«, sagte der Junge, »das glitzert und scheint wie ein kleiner Stern«. »Der ist gar nicht so klein«, sagte der Esel.Als sie lange geritten waren und länger als lang, fragte er wieder: »Siehst du nun etwas?« —»Ja, jetzt sehe ich etwas weit weit weg, das scheint wie ein Mond«, sagte der Junge. »Das ist kein Mond«, sagte der Esel, »das ist das Silberschloß, wohin wir reiten sollen«, sagte er. »Wenn wir dorthin kommen, werden wir sehen, daß drei Drachen als Wache vor dem Tor liegen, die seit hundert Jahren aufgewacht sind, sodaß Moos über ihre Augen gewachsen ist«. — »Ich meine, ich werde Angst vor ihnen bekommen«, sagte der Junge. »Ach, nichts da«, sagte der Esel, »du mußt den jüngsten Drachen wecken und ihn mit einigen Stücken Ochsenfleisch füttern und mit Schweinefleisch, so wird er schon mit den anderen sprechen, sodaß du ins Schloß kommst«.
Sie reisten lange und länger als lang, ehe sie vors Schloß kamen. Aber als sie dort waren, erschien es ihnen so prächtig und groß, und alles, was sie sahen, war aus Silber gegossen. Und draußen vorm Schloß lagen die Drachen und versperrten den Weg, sodaß niemand hineinkommen konnte. Ruhig und still hatten sie hier gelegen, man hatte sie bei der Wache nicht gestört, denn sie waren über und über mit Moos bewachsen, sodaß man gar nicht sehen konnte, wo sie anfingen und wo sie aufhörten, und um sie herum wuchs zwischen Moosbüscheln ein kleiner Wald auf.
Der Junge weckte den kleinsten Drachen, der rieb sich die Augen und schob die Moosbüschel weg. Als der Drache sah, daß da ein Mensch stand, kam er auf ihn zu mit weit offenem Rachen und schnappte nach ihm. Aber der Junge war wohl vorbereitet, warf ihm Ochsenfleisch
stücke zu und schleuderte ihm Schweinefleischstücke in den Rachen, bis er ihn gesättigt hatte. Da wurde er zugänglicher für ein Gespräch. Der Junge bat ihn, die andern beiden Drachen später zu wecken und sie zu bitten, zur Seite zu rücken, sodaß er ins Schloß kommen könne. Aber das getraute er sich nicht, und das mache er nicht, sagte der kleine Drache gleich von vornherein, denn die beiden wären seit hundert Jahren nicht mehr aufgewacht und hätten seit hundert Jahren nichts mehr gegessen. Er fürchtete, sie würden so verwirrt sein, daß sie ohne Unterschied, Lebendiges und Todes verschlingen würden. Der Junge meinte, damit hätte es keine Not, er könne ihnen hundert geschlachtete Ochsen und hundert geschlachtete Schweine bereit legen. Inzwischen würde er ein Stück weiterreisen, so könnten sie sich sättigen und sich sammeln bis er wieder zurückkäme. Ja, das wollte der kleine Drache auch, und so machten sie es. — Aber bevor die Drachen richtig wach wurden und das Moos aus den Augen bekamen, da fuhren sie umher und schnappten nach diesem und jenem, und der jüngste Drache mußte sich vor ihnen hüten bis sie genug Fleisch zu fressen bekommen hatten. Sie verschluckten ganze Ochsen und Schweine bis sie endlich satt waren. Dann wurden sie umgänglicher und gut gelaunt und ließen den Jungen ins Schloß hineinschlüpfen, grad in der Mitte durch zwischen beiden. Drinnen war es so prächtig, daß er glaubte niemals etwas Prächtigeres gesehen zu haben. Aber alles war menschenleer. Er ging von einem Raum in den anderen, schloß alle Türen auf, aber er sah niemanden. Zum Schluß schaute er in ein Kämmerlein hinein, dessen Tür er vorher gar nicht bemerkt hatte. Darin saß eine Prinzessin und spann. Sie wurde froh und glücklich, als sie ihn sah.»Nein, so etwas, daß sich Christenvolk hierhertraut!« rief sie, »aber es wird das beste sein, du gehst gleich wieder fort, sonst wird der Troll dich töten; denn hier wohnt ein Troll mit drei Köpfen«. Der Junge meinte, er würde auch nicht fliehen, wenn der Troll sieben Köpfe hätte. Als die Prinzessin das hörte, wollte sie, daß er versuchen solle, ob er das große, rostige Schwert schwingen könne, das dort hinter der Tür hing. Nein, er konnte es nicht, er konnte es nicht einmal anheben. »Ja, sagte die Prinzessin, wenn du das nicht vermagst, so mußt du einen Schluck aus der Flasche nehmen, die zu seiten des Schwertes hängt, denn das tut der Troll auch immer, ehe er hinausgeht und das Schwert braucht«. Der Junge nahm ein paar Schlucke, dann konnte er das Schwert so leicht schwingen, als ob es ein Vogelflügel wäre.
Da plötzlich kam der Troll angebraust: »Hu, hier riecht es nach Christenmanns Blut!« schrie er. »Das tut es«, sagte der Junge, »aber
du hast keinen Grund, dich deshalb aufzublasen, dich soll der Geruch nicht mehr lange stören!« sagte er und hieb ihm alle drei Köpfe ab.Die Königstochter war darüber so glücklich, als ob sie etwas Gutes bekommen hätte, aber nach einer kleinen Weile wurde sie wieder traurig und sehnte sich nach ihrer Schwester, die von einem Troll mit sechs Köpfen geraubt worden war. Sie wohnte in einem Goldschloß, dreihundert Meilen weit entfernt vom Ende der Welt. Der Junge meinte, das sei doch nicht schlimm; er könne beides erreichen, das Schloß und die Königstochter. So nahm er also das Schwert und die Flasche mit, setzte sich auf seinen Esel und bat die Drachen, ihm zu folgen und die Fracht zu tragen, das Fleisch und die Nägel, all das, was er mitgenommen hatte.
Als sie eine Weile unterwegs und langsam geritten waren über Land und Strand, fragte der Esel eines Tages: »Siehst du etwas?«
»Ich sehe nichts anderes als Land und Wasser und Himmel und hohe Hügel«, sagte der Junge. Da ritten sie noch lange und länger als lang. »Siehst du nun etwas?« fragte der Esel. Ja, als er sich vorbeugte, sah er etwas ganz weit weg, das schien wie ein kleiner Stern. »Das wird noch größer werden«, sagte der Esel. Als sie wieder ein langes Stück Weges vorangekommen waren, fragte der Esel: »Siehst du nun etwas?« — »Nun sehe ich etwas, das wie ein Mond scheint«, sagte der Junge. »Ja, ja«, sagte der Esel. Als sie lang geritten waren und länger als lang, über Land und Strand, über Hügel und Hügelchen, fragte der Esel: »Was siehst du nun?« — »Nun scheint es mehr eine Sonne zu sein«, sagte der Junge. »Ja, das ist das Goldschloß, dahin müssen wir«, sagte der Esel, »aber davor wird ein Lindwurm liegen, der den Weg versperrt und Wache hält.« — »Ich glaube, ich habe Angst«, sagte der Junge. »Ach, nichts da«, sagte der Esel, »wir müssen über ihn eine Fülle von Zweigen breiten und dazwischen eine Fülle von Hufnägeln und es anzünden, so werden wir ihn los sein«. Nach und nach kamen sie zu dem Schloß, was da oben hing. Aber der Lindwurm lag davor und versperrte den Weg dorthin. So gab der Junge den Drachen ein gutes Mahl mit Ochsen- und Schweinefleisch dafür, daß sie ihm helfen sollten. Und sie breiteten über den Lindwurm eine Fülle von Zweigen und eine Fülle von Nägeln und Hufnägeln, sodaß sie all die dreihundert Kästen Nägel aufbrauchten, die sie mitgenommen hatten. Als das getan war, entzündeten sie ein Feuer und verbrannten den Lindwurm bei lebendigem Leibe.
Als sie damit fertig waren, flog der eine Drache sogleich hin und öffnete das Schloß. Und die beiden anderen flogen hoch in die Wolken
und lösten die Haken, an denen es aufgehangen war, und so setzten sie es nieder auf die Felder. Als das getan war, ging der Junge hinein, und hier war es noch prächtiger als in dem Silberschloß. Aber niemandem begegnete er. Aber als er in den innersten Raum trat, da lag die Königstochter auf einem Goldbett. Sie schlief so fest, als ob sie tot wäre, aber das war sie nicht. Er brachte es nicht fertig, sie zu wecken, denn sie war weiß und rot wie Milch und Blut. Während er noch stand und sie bewunderte, kam der Troll angebraust. Kaum hatte er das erste Haupt zur Tür hereingestreckt, so schrie er auch schon: »Huff, hier riecht es nach Christenmenschen!« —»Vielleicht«, sagte der Junge, »aber du brauchst deswegen nicht so sehr durch deine Nase zu schnauben, dich soll der Geruch nicht mehr lange stören«, und er hieb ihm alle Köpfe ab, als ob sie auf Kohlstrünken säßen.Nun nahmen die Drachen das Goldschloß auf den Rücken und fuhren mit ihm heim - sie waren nicht sehr lange unterwegs, glaube ich - und sie setzten es zur Seite des Silberschlosses nieder, sodaß es weit und breit schimmerte.
Als die Königstochter in dem Silberschloß am Morgen zum Fenster trat und es erblickte, war sie so froh, daß sie sogleich zum Goldschloß hinüber sprang. Aber als sie die Schwester erblickte, welche da lag und schlief als ob sie tot wäre, sagte sie zu dem Knaben, daß kein Leben wieder in sie kommen könne, bevor sie nicht Lebens- und Todeswasser empfangen hätte. Und das sei zu bekommen aus zwei Brunnen, die zu beiden Seiten eines Goldschlosses liegen würden, welches in den Lüften hinge neunhundert Meilen vom Ende der Welt entfernt. Und dort würde die dritte Schwester wohnen. Ja, da wüßte er keinen anderen Rat, meinte der Junge, er müßte das auch holen. Und es dauerte nicht lange, so war er auch schon auf dem Wege dorthin. Er reiste lange und länger als lang, durch viele Reiche, durch Feld und Wald, über Berge und Wattensand, über Stein und Wellen. Zum Schluß kam er an das Ende der Welt. Und von da aus reiste er lang und länger, über Hügel und Bülken und hohe Felsen. »Siehst du etwas?«fragte der Esel eines Tages. »Ich sehe nichts anderes als Himmel und Erde«, sagte der Junge. »Siehst du nun etwas?«fragte der Esel ein paar Tage später. »Ja, nun scheint es, daß ich etwas schimmern sehe, hoch oben und sehr weit weg, gleichsam wie ein kleiner Stern«, sagte der Junge. »So klein ist das gar nicht«, sagte der Esel. Als sie immer noch eine Weile ritten, fragte der Esel: »Siehst du nun etwas?« — »Ja, nun glaube ich, daß es wie ein Mond schimmert«. »Ja so«, sagte der Esel und sie ritten noch einige Tage weiter. »Siehst du nun etwas?«fragte der Esel. »Ja, nun scheint es
wie eine Sonne«, antwortete der Junge. »Dorthin sollen wir«, sagte der Esel, »das ist das Goldschloß, das in den Lüften hängt. Dort wohnt eine Königstochter, die von einem Troll geraubt wurde, der neun Köpfe hat. Aber alle wilden Tiere, die es in der Welt gibt, liegen dort auf der Wacht und versperren den Eingang«, sagte der Esel. »Uff, ich glaube, nun fürchte ich mich doch«, sagte der Junge. »Ach, nichts da«, sagte der Esel und dann meinte er, daß nur Gefahr drohe, wenn er dort bliebe. Aber wenn er sofort wieder gehe, sobald er die Krüge gefüllt hätte, würde es gelingen. Denn er könne es nur ausführen in einer Stunde des Tages, und das sei die Mittagsstunde. Würde er es nicht in dieser Zeit vollbringen und dann aus dem Wege sein, so würde er in tausend Stücke zerrissen werden. Ja, das müsse er tun, sagte der Junge, er wolle nicht zu lange damit warten.Glock zwölf kamen sie hin. Da lagen all die wilden Tiere, die es gab, draußen vor dem Tor und an der Seite des Weges. Aber sie schliefen wie Stock und Stein, da war nicht eins, das die Tatzen ein wenig bewegte. Der Junge ging durch sie alle hindurch, und er achtete gut darauf, daß er ihnen weder auf die Zehen trat noch auf das Hinterteil, er füllte seine Krüge mit Lebens- und Todeswasser. Und während er das tat, schaute er nach dem Schloß, welches aus blankem Gold gegossen war. Das war das prächtigste, was er je gesehen hatte, und er meinte, innen müsse es noch prächtiger sein. »Pytt, ich habe noch Zeit vor mir«, dachte Askeladd, »eine halbe Stunde lang kann ich mich noch darin umsehen«. Und so öffnete er die Pforte und ging hinein. Aber dort war es goldener als Gold. Er ging von einem prachtvollen Raum zum anderen, alles strotzte nur so von Gold und Perlen und allem Kostbarsten, was es gab. Er traf niemanden, aber schließlich kam er in ein Kämmerlein, da lag eine Köngstochter und schlief auf einem Goldbett, als wenn sie tot wäre. Sie war so schön wie die schönste Königin, rot und weiß wie Blut und Schnee, ja, sie war so schön, wie er noch keine gesehen hatte, außer auf seinem Bild. Sie war es, die da gemalt war. Der Junge vergaß alles, das Wasser, das er holen sollte, die Tiere und das ganze Schloß. Er schaute nur die Königstochter an, ihn dünkte, er könne sich nicht satt an ihr schauen. Aber sie schlief wie tot und er vermochte sie nicht zu wecken.
Als es Abend wurde, kam der Troll angebraust und schlug gegen die Türen und Pforten, sodaß es im ganzen Schloß krachte. »Huff, hier riecht es nach Christenmenschen!« sagte er und streckte das erste Haupt zur Tür herein. »Das kann schon sein«, sagte der Junge, »aber du brauchst dich deswegen nicht so aufzublasen, daß dir der Bauch platzt.
Du sollst nicht mehr unter dem Geruch zu leiden haben«, und dann hieb er ihm alle neun Köpfe ab. Aber als er damit fertig war, wurde er so müde, daß er die Augen nicht mehr aufhalten konnte. Da legte er sich zur Seite der Königstochter auf das Bett. Sie schlief aber, Nacht und Tag, als ob sie nie erwachen könne.Aber in der Mitternacht wurde sie einen Augenblick wach, und da sah sie ihn, der sie erlöst hatte; aber sie müßte noch drei Jahre hier bleiben. Käme sie nach dieser Zeit nicht heim zu ihm, so müsse er sie holen, sagte sie.
Er erwachte erst am anderen Tage, als die Uhr auf eins zu ging. Und da hörte er, daß der Esel schrie und sich wie wild gebärdete. Er schrie so schlimm, daß der Junge dachte, es sei wohl das beste, sich auf den Heimweg zu machen. Aber zuvor schnitt er ein Zipfelchen vom Gewand der Königstochter ab und nahm es mit sich. Wie es nun auch sein mochte oder nicht, er hatte so lange gezögert, daß die Tiere vor dem Schloße zu erwachen begannen und aufstanden. Als er hinaus zum Esel kam, umringten sie beide, sodaß es ihm ganz gespenstisch erschien. Aber der Esel sagte, er solle einige Tropfen Todeswasser über sie spritzen. Das tat er, und so stürzten die wilden Tiere zu Boden und rührten kein Glied mehr.
Während sie auf dem Heimwege waren, sagte der Esel zum Jungen: »Wenn du jetzt zu Ehren und Herrlichkeit kommst, wirst du mich vergessen und all das, was ich für dich getan habe. Du wirst es sehen, ich werde auf die Knie kommen vor Hunger.« —Nein, das solle nie geschehen, meinte der Junge.
Als er heim kam zur Königstochter mit dem Krug voll Lebenswasser besprengte sie ihre Schwester mit einigen Tropfen, sodaß sie erwachte. Da war Freude und Jubel überall, das kann man sich denken.
Nun reisten sie heim zum König und er war ebenso froh und glücklich, daß er die beiden Töchter wieder hatte. Aber er wartete voll Ungeduld, daß die drei Jahr zu Ende gehen sollten, bis daß seine jüngste Tochter auch heimkommen sollte.
Askeladden, der sie befreit hatte, machte er zu einem mächtigen Mann, sodaß er der Mächtigste im Lande war nächst dem Könige. Aber da gab es manchen, der ihn beneidete, daß er so mächtig war. So war auch einer, der hieß Ritter Rot -, er wollte die älteste Königstochter heiraten. So sagte er ihr, sie solle auf Askeladden einige Tropfen Todeswasser spritzen, wenn er schliefe. Und das tat sie.
Als die drei Jahre vergangen waren, kam ein fremdes Kriegsschiff angesegelt. Auf dem war die dritte Schwester, und sie hatte ein drei
Jahre altes Kind bei sich. Sie schickte Boten nach dem Königshof und ließ sagen, sie wolle keinen Fuß an Land setzen, bevor sie ihr nicht den senden würden, der auf dem Goldschloß war und sie befreit hätte. So sandten sie ihr den höchsten vom Königshof hinab. Und als er auf das Schiff zur Königstochter kam, nahm er den Hut ab und bückte und verbeugte sich vor ihr.»Kann das dein Vater sein, mein Sohn?« fragte die Königstochter das Kind, welches mit einem Goldapfel spielte. »Nein, mein Vater kriecht nicht wie eine Käsemade«, sagte das Kind. Dann schickten sie einen ab von derselben Sorte, das war Ritter Rot. Aber ihm erging es nicht anders als dem ersten. Nun sandte die Königstochter Botschaft, daß es ihnen schlimm ergehen würde, wenn sie ihr nicht den rechten senden würden. Als sie das hörten, mußten sie Askeladden mit dem Lebenswasser wecken. Und so ging er hinab zum Schiff der Königstochter. Aber er verbeugte sich nicht. Er nickte nur mit dem Kopf und zog den Zipfel hervor, den er aus dem Kleid der Königstochter geschnitten hatte, als er bei ihr auf dem Goldschloß gewesen war. »Das ist mein Vater«, sagte der kleine Junge und gab ihm den Goldapfel, mit dem er gespielt hatte.
Da war große Freude im ganzen Lande. Und der alte König war der glücklichste von allen, denn er hatte alle seine liebsten Kinder zurück bekommen. Als es an den Tag kam, was Ritter Rot und die älteste Königstochter mit Askeladden gemacht hatten, wollte der König, daß jeder in eine Nageltonne gesperrt und den Berg hinabgerollt würde. Aber Askeladd und die jüngste Königstochter baten für die beiden, und so blieben sie am Leben.
Als nun am Königshof die Hochzeit gefeiert werden sollte, da stand eines Tages Askeladd am Fenster, — es war Frühling -, da sollten die Pferde und alle Herden aus dem Stalle auf die Weide getrieben werden. Und das letzte Tier, das aus dem Stall kam, war der Esel. Aber er war so verhungert und schwach, daß er nur noch auf den Knien aus der Stalltür herauskam. Da erschrak Askeladd zutiefst, daß er ihn vergessen hatte.
Er ging hinab zu ihm und wußte nicht, wie er das wieder gut machen sollte. Aber der Esel sagte, das beste, was er machen könne, sei, ihm den Kopf abzuschlagen. Das wollte er nicht. Aber der Esel bat so innig, daß er es schließlich doch tun mußte. Aber im selben Augenblick als der Kopf niederfiel, war die Verzauberung, die über den Esel geworfen war, zu Ende, und es stand der schönste Prinz da, den man je gesehen hatte. Den bekam die mittlere Königstochter als Gemahl. Und so feierten
sie dreifache Hochzeit, daß man in sieben Königreichen davon sprach.Sie bauten in Ruh, sie flickten die Schuh, sie bekamen auch viele kleine Prinzen dazu. |
Katze auf Dovre
Es war einmal ein Mann aus Finnmark, der hatte einen großen Eisbären gefangen. Mit dem sollte er zum König von Dänemark gehen. So traf es sich, daß er am Jul-abend zum Dovreberg kam, und da ging er in eine Hütte, worin ein Mann namens Halvor wohnte. Den bat er, daß er ihm die Hütte für sich und den Eisbären als Nachtquartier überlassen solle.
»Ach Gott bewahre uns!« sagte der Mann in der Hütte, »wir können das Haus niemandem überlassen, denn jeden Jul-abend ist das Haus mit Trollen voll, sodaß wir flüchten müssen und nicht einmal selbst ein Dach über dem Kopf haben«.
»Ach, deswegen kannst du mir trotzdem die Hütte als Nachtquartier überlassen« ,sagte der Mann aus Finnmarken, »mein Bär kann hier unterm Ofen liegen und ich werde drin im Alkoven übernachten«.
Er bat so lange bis es ihm erlaubt wurde, die Leute flüchteten hinaus, und drin war alles für die Trolle vorbereitet. Der Tisch war gedeckt mit Rahmgrütze und Lutefisch und Würstchen und allem, was gut war, grad wie bei einem anderen prächtigen Gastgelage.
Die Trolle kamen auch richtig, manche waren groß, manche klein, manche hatten lange Schwänze, manche waren schwanzlos, und einige hatten lange, lange Nasen. Sie aßen und tranken und kosteten von allen Gerichten.
Plötzlich sah eins von den Trolljungen den Eisbären, welcher unterm Ofen lag, und so nahm er ein Stück Wurst, spießte es auf eine Gabel, briet es, ging hin und steckte es dem Eisbären in die Nase, sodaß er sich verbrannte. »Katze ,willst du Wurst haben«, schrie er dabei. Da fuhr der weiße Bär auf, brummte und jagte sie alle zusammen hinaus, große und kleine Trolle.
Das Jahr darauf war Halvor im Walde am Jul-nachmittag und wollte Holz für die Festtage holen, denn er erwartete die Trolle wieder.
Als er mitten beim Holzhauen war, hörte er fern im Walde seinen Namen rufen: »Halvor, Halvor!«
»Ja«, antwortete Halvor.
»Hast du deine große Katze noch immer?«
»Ja, sie liegt daheim unterm Ofen«, sagte Halvor, »und nun hat sie sieben Junge bekommen, und die sind viel größer und böser als sie selbst«.
»So kommen wir niemals mehr zu dir!« riefen die Trolle fern im Walde; und seit der Zeit haben die Trolle nie mehr Jul-Grütze gegessen bei Halvor auf Dovre.
Herrenpeter
Es waren einmal ein paar arme Leute, die hatten gar nichts weiter, als drei Söhne. Wie die zwei ältesten hießen, das weiß ich nicht, aber der Jüngste hieß Peter.
Als die Eltern tot waren, sollten die Kinder sie beerben, aber da war nichts anderes zu bekommen als ein Topf, ein Backblech und eine Katze.
Der älteste, der das beste haben sollte, er nahm den Topf: »Wenn ich den Topf ausleihe, so wird man mir allezeit erlauben, ihn auszuschlecken«, sagte er. Der zweite nahm das Backblech: »Denn wenn ich das Backblech ausleihe, bekomme ich allezeit eine Lefze zu kosten«, sagte er. Aber der Jüngste hatte keine Wahl mehr, wenn er etwas haben wollte, so mußte es die Katze sein. »Wenn ich die Katze ausleihe, so bekomme ich nichts für sie«, sagte er, »bekommt die Katze einen Milchrest, so will sie ihn selbst haben. Aber ich werde sie trotzdem mitnehmen, es wäre schade, wenn sie hier allein zurückbleiben würde, und sterben müsse.«
So zogen die Brüder in die Welt hinaus, um ihr Glück zu versuchen und jeder ging seinen Weg.
Als der Jüngste ein Stück gewandert war, sagte die Katze: »Du sollst genug dafür bekommen, daß du mich in der alten Hütte nicht zurücklassen wolltest, wo ich verloren gewesen wäre. Nun werde ich fort in
den Wald springen und einige seltene Tiere fangen. Dann wirst du damit hinauf zum Königshof gehen, den du dort siehst, und sagen, du kämest mit einer kleinen Sendung für den König. Wenn er fragt, von wem sie kommt. sollst du sagen: »Die ist von ihm, vom Herrenpeter!«Ja, Peter hatte nicht lange zu warten, so kam die Katze auch schon mit einem Rentier aus dem Wald. Sie war auf den Kopf des Rentieres gesprungen und hatte sich zwischen das Geweih gesetzt: »Wenn du nicht gleich zum Königshof gehst, so kratze ich dir die Augen aus«, sagte sie, und so getraute sich das Rentier nicht, etwas anderes zu tun.
Als nun Peter zum Königshof kam, ging er in die Küche mit dem Rentier und sagte :»Ich komme nur mit einer kleinen Sendung für den König, wenn er es nicht verschmähen will.«
Der König kam in die Küche hinab, und als er das große, prächtige Ren sah, war er sehr froh. »Doch, mein lieber Freund, wer ist es, der mir solch prachtvolle Sendung schickt?« fragte der König.
»Ach«, die kommt doch von ihm, dem Herrenpeter!« sagte der Junge.
»Er, der Herrenpeter?« sagte der König, »woher soll ich nun wissen, wo er wohnt?« —denn er schämte sich, daß er einen so guten Mann nicht kennen sollte.
Aber der Junge wollte nicht damit heraus, er dürfe nichts verraten von seinem Dienstherren, sagte er. So gab der König ihm viel Trinkgeld und bat ihn, fleißig zu grüßen zu Haus und vielen Dank für die Sendung zu sagen.
Am anderen Tage ging die Katze wieder zum Wald und sprang auf den Kopf von einem Hirsch, setzte sich zwischen die Augen von ihm und zwang ihn zum Königshof zu gehen. Peter ging wieder mit ihm in die Küche und sagte, er sei mit einer neuen Sendung für den König da, wenn er es nicht verschmähen würde. Der König war über den Hirsch eher noch glücklicher als über das Ren und fragte wieder, wer es sei, der ihm so herrliche Sendungen schicken könne. »Das ist doch von ihm, dem Herrenpeter«, sagte der Junge, aber als der König wissen wollte, wo der Herrenpeter wohnte, bekam er dieselbe Antwort wie am Tage vorher, und diesmal bekam Peter eher noch mehr Trinkgeld.
Am dritten Tage kam die Katze mit einem Elch. Als Peter mit ihm in die Küche kam, sagte er, daß er noch eine kleine Sendung für den König hätte, falls er es nicht verschmähen würde.
Auf einmal kam der König in die Küche und als er den großen, prachtvollen Elch zu sehen bekam, wurde er so froh, daß er nicht wußte, auf welchem Fuß er stehen sollte, und an diesem Tage gab er
Peter viel, viel mehr Trinkgeld. Das waren gewiß hundert Taler. Er wollte endlich wissen, wo er, der Herrenpeter wohne und forschte und fragte eins ums andere mal. Aber der Junge sagte, er traue sich nicht wegen seines Dienstherren, denn der hätte es verboten, und zwar strikt und streng.»So bitte ihn, den Herrenpeter, mich zu besuchen«, sagte der König.
Ja, das würde der Junge ausrichten, sagte er.
Aber als er vom Königshof wieder herauskam und die Katze traf, so sagte er: »Da hast du mir was Schönes eingebrockt, nun will der König, daß ich ihn besuche, und ich habe nichts anderes als die Lumpen, die ich auf dem Leib trage.
»Ach, hab du deswegen mal keine Sorgen«, sagte die Katze, »in drei Tagen sollst du Pferde und Wagen haben und prächtige Kleider, daß du von Gold nur so tropfen sollst. So kannst du gut den König besuchen. Aber was du auch siehst beim König, so sollst du sagen, du hättest es noch prächtiger und feiner zu Hause; das mußt du nicht vergessen«.
»Nein, daran will ich chon denken«, sagte er.
Als die drei Tage um waren, kam die Katze mit Wagen und Pferden und Kleidern, und allem, was Peter brauchte. Alles war so prächtig, wie es nie jemand vorher gesehen hatte. So reiste er, und die Katze sprang mit. Der König nahm beide gut auf; aber was der König ihm auch bot und zeigte, so sagte Peter, das sei ganz schön, aber er hätte es feiner und prächtiger zu Hause. Dem König gefiel das nicht, doch Peter blieb dabei, und schließlich wurde der König so böse, daß er sich nicht mehr beherrschen konnte. »Nun will ich mit dir heimgehen«, sagte der König, »und nachsehen, ob das wahr ist, daß du es so viel prächtiger und feiner hast. Aber lügst du, so gnade dir Gott, mehr will ich nicht sagen«.
»Du hast mich in eine schlimme Sache hineingeritten!« sagte Peter zur Katze, »nun will der König mit mir heimreisen; aber mein Heim, es ist nicht leicht zu finden«.
»Ach, darum mach dir keine Sorgen«, sagte die Katze, »reise du nur hinterher, ich springe dir voraus«.
So fuhren sie los, zuerst Peter, welcher hinterherfuhr, wo die Katze vorauslief, und dann der König mit seiner Gefolgschaft.
Als sie ein gutes Stück gefahren waren, kamen sie zu einer großen, dicken Herde mit schönen Schafen; sie hatten so lange Wolle, daß sie meist hinterher schleifte.
»Willst du sagen, daß diese Schafherde ihm, dem Herrenpeter ge-1
hört, wenn der König dich fragt, so sollst du diesen Silberlöffel bekommen«, sagte die Katze zum Hütejungen. Den Silberlöffel hatte sie vom Königshof mitgenommen.Ja, das würde er gerne machen.
Als nun der König kam, fragte er den Hütejungen: »Noch niemals habe ich eine so große, schöne Schafherde gesehen. Wem gehört sie, mein lieber Junge?«
»Die gehört dem Herrenpeter«, sagte der Junge.
Ein wenig später kamen sie zu einer großen, großen Herde schöner, gefleckter Kühe, die waren so fett, daß sie nur so glänzten.
»Willst du sagen, daß die Herde ihm gehört, dem Herrenpeter, wenn der König dich fragt, sollst du die Silberschöpfkelle bekommen«, sagte die Katze zur Hütedirne. Den Silberschöpflöffel hatte sie auch mitgenommen vom Königshof.
»Ja, gerne«, sagte das Hütemädchen.
Als nun der König kam, war er ganz verwundert über die große, prächtige Herde, denn so schöne Tiere hatte er niemals vorher gesehen, und so fragte er das Mädchen, welches da ging und hütete, wem diese gefleckte Herde gehöre.
»Ach, die gehört ihm, dem Herrenpeter«, sagte das Mädchen.
So reisten sie ein wenig weiter und kamen zu einer großen, großen Pferdeherde. Das waren die schönsten Pferde, die man jemals sah, groß und kräftig, und immer sechs von jeder Farbe, rote, schwarze und blaue.
»Willst du sagen, daß diese Pferdeherde ihm, dem Herrenpeter gehört, wenn der König dich fragt, so sollst du diesen Silberbecher haben«, sagte die Katze zum Hüter. Den Becher hatte sie auch vorher vom Königshof mitgenommen.
»Ja, das will ich wohl«, sagte der Junge.
Als nun der König kam, war er ganz weg vor Verwunderung über die große, prächtige Pferdezucht, denn solche Pferde hätten nicht ihresgleichen, sagte er, und er fragte den Hütejungen, wem die roten, schwarzen und blauen Pferde gehörten.
»Die gehören alle ihm, dem Herrenpeter«, sagte der Junge.
Als sie ein gutes Stück weiter gefahren waren, kamen sie zu einem Schloß. Erst war da eine Pforte aus Messing, dann eine aus Silber, und dann eine aus Gold. Das Schloß selbst war aus Silber und so blank, daß es in die Augen stach, denn die Sonne schien auf das Schloß, als sie gerade ankamen. Dann gingen sie hinein und da sagte die Katze, daß Peter sagen sollte, er wohne hier. Innen war das Schloß noch prächtiger
als außen, alle Dinge waren von Gold, Stühle, Tische und Bänke. Als der König nun umher gegangen war und sich alles angesehen hatte, oben und unten, wurde er ganz beschämt, »Ja, er, der Herrenpeter, hat es vornehmer als ich, das nützt nichts, es länger zu leugnen«, sagte er, und so wollte er wieder heimreisen. Aber Peter bat ihn, zu warten und mit ihm zu abend zu essen. Das machte der König, aber sauer und mürrisch war er die ganze Zeit.Als sie bei Tisch saßen, kam der Troll, dem das Schloß gehörte, und pochte ans Tor.
»Wer ist das da drinnen, der mein Essen verzehrt und meinen Met trinkt wie ein Schwein?« rief der Troll. Sowie die Katze ihn hörte, lief sie strakt hinaus zum Tor.
»Warte ein wenig, soll ich dir erzählen, was der Bauer für Mühe auf sich nimmt mit dem Winterroggen?«fragte die Katze. »Erst pflügt der Bauer seinen Acker«, sagte sie, »dann düngt er ihn und dann pflügt er ihn wieder«.
In derselben Zeit ging die Sonne auf.
»Sieh dich um! willst du die schöne, reizende Jungfrau hinter dir sehen?« sagte die Katze zum Troll.
Der Troll drehte sich um, bekam die Sonne zu sehen und sprang entzwei.
»Nun gehört alles dir!« sagte die Katze zum Herrenpeter, »und nun sollst du mir den Kopf abhacken, das ist das einzige, was ich von dir verlange für all das, was ich für dich getan habe«.
»Nein«, sagte Peter, »das will ich gerade nicht tun«.
»Tust du das nicht«, sagte die Katze, »so kratze ich dir die Augen aus«.
So mußte Herrenpeter es tun, so ungern er es auch wollte: er schlug der Katze den Kopf ab.
Aber sogleich wurde sie zu einer lieblichen Prinzessin, sodaß Herrenpeter ganz verliebt in sie war.
»Ja, diese Herrlichkeiten gehörten mir früher«, sagte die Prinzessin, »aber der Troll hat mich verzaubert, sodaß ich eine Katze sein mußte bei deinen Eltern. Nun kannst du machen, was du willst, ob du mich zur Königin nehmen willst oder nicht, denn nun bist du König über das ganze Reich«, sagte die Prinzessin.
Nun ja, man kann sich ja denken, daß Herrenpeter sie als Königin haben wollte. So wurde Hochzeit gemacht und ein Gastgelage acht Tage lang, und dann war ich nicht länger dabei, bei Herrenpeter und seiner Königin...
Puppe im Grase
Es war einmal ein König, der hatte zwölf Söhne. Als sie groß wurden, sagte er zu ihnen, daß sie in die Welt hinausziehen sollten, um sich eine Frau zu suchen. Aber jede müsse spinnen, weben und ein Hemd nähen können in einem Tage, sonst wolle er sie nicht als Schwiegertochter haben. Jedem seiner Söhne gab er ein Pferd und eine neue Rüstung, und so zogen sie in die Welt hinaus und wollten diese Frau suchen. Aber als sie ein Stück Weges zurückgelegt hatten, sagten sie, Askeladden, den Jüngsten, wollten sie nicht mit haben, denn er tauge zu gar nichts. —Ja, Askeladd mußte zurückbleiben, da war nichts zu machen, und er wußte nicht, was er tun und wohin er sich wenden sollte. Er wurde so traurig, daß er vom Pferd stieg und sich ins Gras setzte und weinte. Aber als er eine kleine Weile so gesessen hatte, begann sich ein Hügelchen im Gras zu rühren, und daraus hervor kam ein kleines weißes Ding, und als es näher kam, sah Askeladd, daß es ein niedliches kleines Mädchen war; aber sie war so winzig klein. Sie ging auf ihn zu und bat ihn, ob er nicht herunter kommen wollte und sich die Puppe im Grase ansehen; ja das wollte er und tat das auch.
Als er zu ihr gekommen war, saß die Puppe im Grase auf einem Stuhl und zwar so zierlich und wunderbar. Sie fragte Askeladden, wohin er wolle und in welchem Auftrag er reise. — Er erzählte, daß er einer von zwölf Brüdern sei, und daß sein Vater, der König, jedem Pferd und Rüstung gegeben und gesagt habe, er solle in die Welt hinausziehen und sich eine Frau suchen. Aber sie müsse spinnen und weben und ein Hemd nähen können in einem Tag. »Aber wenn du das tun und meine Frau werden willst, so will ich nicht länger suchen«, sagte Askeladd zur Puppe im Grase. Ja das wolle sie gerne, und sie beeilte sich mit Spinnen und Weben und Nähen des Hemdes, aber das wurde so winzig klein, nicht größer als so -.
Mit diesem Hemd reiste nun Askeladd heim. Und als er es daheim vorwies, schämte er sich, denn es war so klein. Gleichwohl sagte der König, daß er sie als Schwiegertochter haben wolle, und so ritt Askeladd froh und lustig zurück, um seine kleine Liebste zu holen. — Als er zur Puppe im Grase kam, wollte er sie zu sich aufs Pferd heben, aber nein, das wollte sie nicht. Sie sagte, sie wolle sitzen und in einem
Silberlöffel fahren, und sie hätte selbst zwei kleine, weiße Pferde, die sie ziehen würden. So reisten sie davon, er zu Pferd und sie im Silberlöffel, und die Pferde, die sie zogen, waren zwei kleine, weiße Mäuse. Doch Askeladd hielt sich allzeit auf der anderen Seite des Weges, denn er hatte Angst, er würde in das kleine Gefährt hineinreiten. Sie war ja so winzig klein! —Als sie ein Stück Weges zurückgelegt hatten, kamen sie zu einem großen Wasser, da scheute das Pferd von Askeladd, schwenkte auf die andere Seite des Weges und kippte dabei den Silberlöffel um, sodaß die Puppe im Gras ins Wasser fiel. Askeladd war darüber ganz außer sich, er wußte nicht, wie er sie wieder herauskriegen sollte. Aber nach einer kleinen Weile tauchte ein Wassermann mit ihr herauf, und nun war sie genau so groß geworden wie andere erwachsene Menschen und noch viel wunderbarer als vorher. So setzte er sie vor sich aufs Pferd und ritt mit ihr heim.Als Askeladd dort ankam, waren auch all seine Brüder schon gekommen, jeder mit seiner Liebsten. Aber die waren so häßlich und wüst und so schlimm, daß sie sich bereits unterwegs mit ihren Liebsten bei den Haaren hatten. Auf dem Kopf hatten sie Hüte, die mit Pech und Ruß bemalt waren, und das tropfte nun von den Hüten nieder über die Angesichter, sodaß sie noch häßlicher und grauslicher wurden. Als die Brüder Askeladdens Liebste sahen, wurden sie neidisch auf ihn allesamt. Aber dem Könige waren die beiden so lieb, daß er alle anderen zur Tür hinaus jagte. Und so hielt Askeladd Hochzeit mit der Puppe im Grase, und seit dem leben sie gut und glücklich eine lange, lange Zeit. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Der Schiffer und Gamle-Erik, der Teufel
Es war einmal ein Schiffer, der war so unfaßbar erfolgreich und glücklich in allem, was er sich vornahm. Da war niemand, der solche Frachten bekam, und niemand, der solches Geld verdiente, denn es rollte gleichsam bei ihm rein. Und da war kaum jemand, der imstande war, solche Reisen zu machen wie er, denn wo er auch hinfuhr, der Wind war mit ihm, ja, man sagte, wenn er nur seinen Hut drehte, so wandte sich der Wind dahin, wo er ihn auch haben wollte.
So war er viele Jahre lang unterwegs mit Holzlastschiffen und auf China-Reisen und verdiente Geld wie Heu. Und so geschah es wieder
einmal, daß er über die Nordsee heimfuhr, mit vollen Segeln, als ob er Last und Schiff gestohlen hätte. Aber derjenige, welcher ihn ergreifen wollte, er fuhr noch schneller. Das war der Teufel selbst, der in Norwegen Gamle-Erik genannt wird. Denn mit ihm hatte der Schiffer einen Vertrag gemacht, wie man sich denken kann, und an diesem Tage war die Zeit um, er konnte jeden Augenblick darauf gefaßt sein, daß er kam und ihn holen wollte.Ja, der Schiffer kam herauf an Deck, von der Kajüte, und sah nach dem Wetter. Dann rief er seinen Zimmermann und ein paar Matrosen dazu und sagte, sie sollten hinunter in den Laderaum gehen und zwei Löcher in den Boden des Schiffes hauen. Und als sie das gemacht hatten, sollten sie die Pumpe abheben vom Pumpensockel und sie dicht in die Löcher hineintreiben, sodaß das Wasser weit oben im Pumpenstock stand.
Die Leute wunderten sich darüber und meinten, das sei eine seltsame Arbeit, aber sie machten es wie der Schiffer gesagt hatte. Sie hieben zwei Löcher in den Boden und trieben die Pumpe hinein, so dicht, daß nicht ein einziger Wassertropfen in den Laderaum kommen konnte. Aber oben in der Pumpe stand die Nordsee sieben Fuß hoch.
Kaum hatten sie die Späne nach der Arbeit über Bord geworfen, so kam Gamle-Erik in einem Windstoß angebraust und packte den Schiffer beim Kragen. »Halt, Vater, das hat keine so große Eile«, sagte der Schiffer, und gleichzeitig löste er die Klauen, die der Teufel in ihn geschlagen hatte und verteidigte sich mit einem großen Schiffsnagel. »Hast du nicht mit mir einen Vertrag abgeschlossen, das Schiff immer trocken und dicht zu halten?« fragte der Schiffer. »Ja, du bist mir ein schöner Kerl! Schau die Pumpe an! Das Wasser steht sieben Fuß hoch oben im Rogr! Pump, Teufel, und pumpe das Schiff leer, so kannst du mich holen und mit mir machen, was du willst«, sagte er.
Gamle-Erik war nicht klug genug, also ließ er sich narren. Er arbeitete hart und schwitzte, und der Schweiß floß nur so in Bächen an ihm herunter, sodaß man leicht ein Mühlrad hätte treiben können entlang seinem Rücken. Aber er pumpte das Wasser der Nordsee herauf und ließ es wieder in die Nordsee fließen. Er arbeitete sich müde und matt, und als er nicht mehr konnte, fuhr er zurück in die Hölle in fliegender Eile zu seiner Großmutter und wollte nichts, als sich ausruhen.
Den Schiffer ließ er Schiffer sein, so lang er wollte. Und wenn er nicht gestorben ist, so fährt er wohl noch heute und segelt dahin, wo er will und wendet den Wind, wie er seinen Hut dreht.
Der Junge, der zum Nordwind ging
und das Mehl zurückforderte
Es war einmal eine alte Frau, die hatte einen Sohn; sie war gebrechlich und schwach, und so sollte der Junge, ihr Sohn, zum Vorratshaus gehen und Grützenmehl fürs Mittagessen holen. Aber als er wieder die Vorratstreppe hinabstieg, kam der Nordwind angefaucht, nahm ihm das Mehl weg und verstreute es in alle Winde. Der Junge ging ins Vorratshaus zurück, um wieder Mehl zu holen, aber als er die Treppe hinabstieg, kam der Nordwind wieder angefaucht und nahm ihm das Mehl weg; und so ging es auch das dritte Mal. Darüber wurde der Junge traurig, und ihm erschien es widersinnig, wie der Nordwind mit ihm verfuhr, und so gedachte er, ihn aufzusuchen und das Mehl zurückzfordern.
Ja, er ging also los; aber der Weg war lang, und er ging und ging. Endlich kam er doch zum Nordwind.
»Guten Tag«, sagte der Junge, »und Dank für das letzte Mal!«
»Guten Tag«, antwortete der Nordwind - er führte eine grobe Sprache -selber Dank fürs letzte Mal. Was willst du?« sagte er.
»Ach, ich will dich nur bitten, ob du so gut sein willst, mir das Mehl zurückzugeben, welches du mir auf der Vorratshaustreppe wegbliesest; denn wenig haben wir, und wenn du so mit uns verfährst und uns auch noch das wenige nimmst, so bleibt uns nichts anderes übrig, als vor Hunger zu sterben.«
»Ich habe kein Mehl«, sagte der Nordwind, »aber weil du so bedürftig bist, so sollst du ein Tuch haben, welches dir alles schafft, was dir wünschst, wenn du nur sprichst:
»Tuch, deck mir auf, es hungert mich nach manchem köstlichen Gericht.« |
Damit war der Junge wohl zufrieden. Doch da der Weg so lang war, daß er bei Tag nicht mehr heimkam, ging er in ein Gasthaus am Wege. Und da es gerade Zeit war, zu abend zu essen, legte er das Tuch auf einen Tisch, der im Winkel stand, und sagte:
»Tuch, deck mir auf, es hungert mich nach manchem köstlichen Gericht.« |
Kaum hatte er es ausgesprochen, so machte es das Tuch so, und allen du
schien es eine herrliche Sache zu sein. Aber niemand liebte das Tuch mehr, als die Gastwirtin. Da hatte man keine große Mühe mit Braten und Kochen, mit Tisch decken, holen und vorsetzen, dachte sie. Und als die Nacht voranschritt und alle schliefen, nahm sie das Tuch und legte ein anderes an seine Stelle, welches genau dem Tuch glich, welches der Junge vom Nordwind geschenkt bekommen hatte, welches aber nicht einmal einen Haferfladen aufdecken konnte.Als der Junge erwachte, nahm er das Tuch und ging mit ihm davon, und an diesem Tage kam er nach Hause zur Mutter.
»Nun bin ich beim Nordwind gewesen«, sagte er, »und das war ein vernünftiger Mann, denn er gab mir dieses Tuch, und wenn ich nur sage:
»Tuch, deck mir auf, es hungert mich nach manchem köstlichen Gericht |
so bekomme ich alles aufgetischt, was ich mir wünsche.«
»Ja, ich weiß schon«, sagte die Mutter, »aber ich glaube es nicht, ehe ich es gesehen habe«.
Der Junge beeilte sich, setzte sich an den Tisch, legte das Tuch darauf und sagte:
»Tuch, deck mir auf, es hungert mich nach manchem köstlichen Gericht.« |
Aber das Tuch deckte nichts auf, nicht einmal einen Bissen Flachbrot.
»Da bleibt nichts anderes zu tun übrig, als daß ich wieder zum Nordwind gehe«, sagte der Junge und ging davon.
Nach langer Zeit kam er dorthin, wo der Nordwind wohnte.
»Guten abend!« sagte der Junge.
»Guten abend!« sagte der Nordwind.
»Ich will etwas haben für das Mehl, das du mir nahmst«, sagte der Junge, »denn das Tuch, welches ich bekam, taugte nicht viel«.
»Ich habe kein Mehl«, sagte der Nordwind, »aber da hast du einen Bock, welcher Gold-Dukaten macht, wenn du nur sagst: »Mein Bock, gib Geld!«
Da hatte der Junge nichts dagegen. Aber da es so weit nach Hause war, daß er es am selben Tag nicht mehr erreichen konnte, so kehrte er wieder in dem Gasthaus ein. Ehe er etwas verlangte, prüfte er den Bock, denn er wollte sehen, ob das wahr sei, was der Nordwind sagte, und das stimmte wirklich. Aber als die Gastwirtin das sah, schien es ihr, das wäre ein prächtiger Bock. Und kaum war der Junge eingeschlafen, so nahm sie einen anderen Bock, welcher keine Gold-Dukaten gab, und tat ihn an seine Stelle.
Am Morgen darauf zog der Junge los, und als er heim zur Mutter kam, sagte er ihr: »Der Nordwind ist doch immerhin ein lieber Mann. Nun gab er mir einen Bock, der Gold-Dukaten machen kann, wenn ich nur sage: »Mein Bock, gib Geld!«
»Das weiß ich schon«, sagte die Mutter, »das ist nur so ein Geschwätz, und ich glaube es nicht, ehe ich es gesehen habe«.
»Mein Bock, gib Geld!« sagte der Junge, aber das waren keine Münzen, die der Bock machte.
So war der Junge wieder unterwegs zum Nordwind und sagte, daß der Bock nichts tauge und daß er Ersatz für das Mehl haben wolle.
»Ja, nun habe ich nichts anderes mehr dir zu geben, als diesen Knüppel, der dort in der Ecke steht«, sagte der Nordwind, »aber der ist so beschaffen, wenn du sagst: »Mein Knüppel, schlag zu!«, so schlägt er bis du sagst: »Mein Knüppel, steh still!«
Weil der Weg so weit war, ging der Junge ins Gasthaus, auch an diesem Abend. Aber da er sich denken konnte, wie es mit dem Tuch und dem Bock zugegangen war, so legte er sich mit einem Male auf die Bank, um zu schnarchen und tat so als ob er schliefe. Der Gastwirtin schien der Knüppel auch zu etwas nütze zu sein, so nahm sie einen, der demjenigen glich, und wollte ihn an seine Stelle legen, da sie hörte, daß der Junge bereits schnarchte. Aber im selben Augenblick, als die Gastwirtin den Knüppel nehmen wollte, rief der Junge: »Mein Knüppel, schlag zu!« Und der Knüppel begann die Gastwirtin zu schlagen und zu prügeln, so daß sie über Tisch und Bänke sprang und rief und schrie: »O, Herrgott, o, Herrgott! Bitte mit dem Knüppel aufzuhören, sonst schlägt er mich zu Tode. Du sollst beides zurückhaben, Tuch und Bock!« Als es dem Jungen schien, daß die Gastwirtin genügend Prügel bezogen hätte, so sagte er: »Mein Knüppel, steh still!«, nahm das Tuch, steckte es in die Tasche, nahm den Knüppel in die Hand, band einen Strick um die Hörner des Bockes und ging mit allem zusammen heim. Das war ein schöner Ersatz fürs Mehl. er
Der Jüngling, der sich verwandelte in Falke,
Löwe und Ameise
Es war einmal ein Mann, der hatte einen einzigen Sohn; aber er lebte in Armut und Elend, und als es auf das letzte zu ging, sagte zum Sohn, daß er nichts weiter besäße als ein Schwert, eine Sackleinwandkleidung
und einige Brotbrocken, und das solle er als Erbe haben. Als der Mann tot war, wollte der Jüngling in die Welt hinaus und sein Glück versuchen. So band er sich das Schwert um, nahm die Brotkrumen, wickelte sie in die Sackleinwand als Wegzehrung, denn sie wohnten oben auf einer kleinen Berghalde, weit, weit weg von anderen Leuten. Unterwegs mußte er über einen Berg. Als er hoch hinauf gekommen war, sodaß er weit umher blicken konnte, sah er plötzlich einen Löwen, einen Falken und eine Ameise, welche sich um ein totes Pferd stritten. Der Junge erschrak sehr, als er den Löwen sah; aber dann wurde er von ihm gerufen, und der Löwe sagte, daß er kommen solle und den Streit schlichten zwischen ihnen und das Roß teilen, so daß jeder den Teil bekäme, den er haben müsse.Der Junge nahm das Schwert und teilte das Roß so gut er konnte: dem Löwen gab er den Rumpf und den größten Teil, der Falke bekam das Innere und Eingeweide und einige andere Kleinigkeiten; aber die Ameise bekam den Kopf. Als er das getan hatte, sagte er: »Nun glaube ich, ist es richtig geteilt. Der Löwe soll das meiste haben, denn er ist der Größte und Stärkste, der Falke soll das Beste haben, denn er ist fein und anspruchsvoll; die Ameise soll den Schädel haben, denn sie kriecht in Winkel und Ecken«.
Ja, mit dieser Teilung waren sie alle zufrieden, und dann fragten sie, was er dafür haben wolle, daß er so gut geteilt hätte zwischen ihnen. »Habe ich euch einen Dienst geleistet und ihr seid zufrieden damit, so bin ich froh«, sagte er, »aber Bezahlung will ich nicht haben«. —Doch, die solle er haben, sagten sie; »wenn du nichts anderes haben willst«, sagte der Löwe, »so sollst du drei Wünsche tun dürfen«. Aber der Junge wußte nicht, was er sich wünschen sollte. Da fragte der Löwe, ob er sich nicht wünschen wolle, daß er sich verwandeln könne in einen Löwen. Und die beiden anderen fragten, ob er sich nicht verwandeln wolle in einen Falken und eine Ameise. Das schien ihm gut und schön zu sein, und so wünschte er sich das.
Er warf Schwert und Sackleinwand von sich und verwandelte sich in einen Falken und begann zu fliegen. Er flog bis er zu einem großen Wasser kam, aber als er darüber hinflog, wurde er so müde und flügellahm, daß er nicht mehr länger fliegen konnte. Und als er einen schroffen Berg sah, der aus dem Wasser herausragte, setzte er sich darauf und ruhte sich aus. Das erschien ihm ein wunderlicher Berg zu sein und eine Weile ging er darauf umher.
Aber als er ausgeruht war, verwandelte er sich wieder in einen Falken und flog davon, bis er zum Königshof kam. Da setzte er sich in
einen Baum vor das Fenster der Prinzessin. Als sie den Vogel sah, bekam sie Lust, den Vogel zu fangen. Sie lockte ihn zu sich, und als der Falke hereinflog, stand sie bereit und -hui -schlug die Königstochter das Fenster zu, nahm den Vogel und setzte ihn in einen Vogelbauer.In der Nacht verwandelte sich der Junge in eine Ameise, kroch aus dem Vogelbauer heraus und verwandelte sich in den, der er war, ging hin und setzte sich zur Königstochter. Da bekam sie solche Angst, daß sie zu schreien begann, sodaß der König erwachte, zu ihr hereinkam und fragte, was los sei. »Da ist jemand hier!« schrie die Königstochter. Sogleich war der Junge eine Ameise, kroch in den Vogelbauer und machte sich wieder zum Falken. Der König konnte niemanden sehen, vor dem man Angst haben könnte, und so sagte er zur Königstochter, das müsse ein Nachtmar gewesen sein, der sie bedrückt hätte. Aber kaum war er aus der Tür, so ging es wieder genau so. Der Junge kroch aus dem Bauer als Ameise, wurde derjenige, der er war, und setzte sich zur Königstochter. — Sie schrie laut und der König kam und wollte sehen, was da wieder los war. »Da ist jemand hier«, schrie die Königstochter. Aber der Junge schlüpfte wieder in den Vogelbauer und saß als Falke drin. Der König suchte oben und unten, und als er niemanden fand, wurde er böse, daß er keine Nachtruhe haben sollte und sagte, sie würde nur Unsinn schwatzen »schreist du noch einmal so«, sagte er, »so sollst du erfahren, daß der König dein Vater ist«.
Aber der König war kaum aus der Tür heraus, so war der Junge wieder bei der Königstochter. Diesmal schrie sie nicht, obgleich sie solche Angst hatte, daß sie nicht wußte, was tun.
Da fragte der Junge, was es denn sei, wovor sie solche Angst hätte. Ja, sie sei einem bösen Kobold versprochen worden, sagte sie, und das erste Mal, wenn sie unter freien Himmel käme, würde er kommen, sie zu holen. Und als der Junge zu ihr kam, dachte sie, er sei der böse Kobold. Jeden Donnerstagmorgen käme Botschaft von dem bösen Kobold, und der Bote war ein Drache, dem der König jedesmal neun gut gemästete Schweine zur Beruhigung geben müßte. Und deswegen hatte der König verkünden lassen, daß derjenige, der ihn von dem Drachen befreien könne, die Königstochter bekommen solle und das halbe Reich.
Da sagte der Junge, das würde er tun. Und als es am Morgen hell wurde, ging die Königstochter zum König und sagte, es sei einer da, der ihn befreien wollte vom Drachen und der Schweineabgabe. Als der König das hörte, wurde er froh, denn der Drache hatte so viele Schweine gefressen, daß es nur noch einige gab im ganzen Königreiche. Heute war nun gerade wieder Donnerstag. Und deshalb schlich sich der Junge
dorthin, wo der Drache zu kommen pflegte und die neun Schweine entgegen nahm, und der Hausknecht des Königshofes zeigte ihm den Weg.Ja, der Drache kam auch, und er hatte neun Köpfe, und war so wild und bös, daß er Feuer und Flammen sprühte, als er seine Schweinemahlzeit nicht erblickte, und er brüllte den Jungen an, er würde ihn lebend verzehren. Aber - hui - machte der Junge sich zum Löwen, kämpfte mit dem Drachen und riß ihm einen Kopf nach dem anderen ab. Der Drache war aber auch stark und spuckte Feuer und Gift. Aber schließlich hatte er nur noch einen Kopf, der war der zäheste. Zum Schluß konnte der Junge auch den abreißen und so war es aus mit dem Drachen. Da ging er zum König und es war eitel Freude am ganzen Königshofe, und der Junge sollte die Königstochter haben.
Aber als sie eines Tages im Garten spazieren gingen, kam der böse Kobold angefahren, nahm die Königstochter und fuhr durch die Lüfte fort mit ihr. Der Junge wollte gleich hinterher, aber der König sagte, er solle das nicht tun, denn er hätte niemanden mehr, nun er alle seine Töchter verloren hätte. Aber es half weder Bitten noch Gebot, der Jüngling verwandelte sich in einen Falken und flog davon. Doch als er den Königshof nicht mehr sehen konnte, kam ihm in den Sinn, daß er sich einmal auf dem wunderlichen schroffen Berg im Meer ausgeruht hatte, als er das erstemal ausgeflogen war, er ließ sich nieder und setzte sich auf den Fels, verwandelte sich in eine Ameise und kroch in eine Spalte im Berg. Als er eine Weile gekrochen war, kam er an eine Tür, die war verschlossen. Aber er wußte schon, wie er hineinkommen würde, er kroch durchs Schlüsselloch: Da saß eine fremde Königstochter und kraulte und lauste einen bösen Kobold mit drei Köpfen.
»Ich habe ganz recht getan«, sagte der Junge bei sich, denn er hatte gehört, daß der König ehedem schon zwei Töchter verloren hatte, welche die Trolle weggeholt hatten.
»Vielleicht finde ich die andere auch«, sagte er zu sich selbst und kroch als Ameise durchs Schlüsselloch von noch einer anderen Tür.
Da saß eine zweite fremde Königstochter und lauste und kraulte einen bösen Kobold, und der hatte sechs Köpfe. Dann kroch er als Ameise wieder durch ein Schlüsselloch: da saß die jüngste Königstochter und kraulte und lauste einen bösen Kobold mit neun Köpfen. Er kroch ihr am Bein empor und zwickte sie; da schien es ihr, das sei der Jüngling, der mit ihr sprechen wollte, und so bat sie den bösen Kobold, ob sie nicht Erlaubnis bekäme, ein wenig hinauszugehen. Als sie herauskam, war der Jüngling wieder richtig der, welcher er war. Da sagte er zu ihr, daß sie den bösen Kobold fragen solle, ob sie niemals mehr von
hier fort käme und nach Hause zum Vater. Dann machte er sich zur Ameise und setzte sich ihr auf den Fuß. So ging die Königstochter wieder hinein und fuhr fort, den bösen Kobold zu kraulen. Als sie ihn wieder eine Weile gekrault hatte, verfiel sie in Gedanken.»Du vergißt mich zu kraulen; worüber grübelst du nach?« fragte der Troll.
»Ich grüble darüber nach, ob ich niemals mehr von hier fort komme und heim an meines Vaters Hof«, sagte die Königstochter.
»Nein, das tust du niemals«, sagte der böse Kobold, nicht eher bis einer das Sandkorn findet, welches unter der neunten Zunge und in dem neunten Haupte des Drachen liegt, welchem dein Vater den Schweinetribut entrichtet. Aber das findet niemand. Denn wenn das Sandkorn über den Berg kommt, so Zerspringen alle Trolle und bösen Kobolde, und der Berg wird zu einem vergoldeten Schloß und das Wasser zu Wiesengründen.«
Als der Junge das hörte, kroch er durch alle Schlüssellöcher wieder heraus und durch die Spalte im Berge. Dann verwandelte er sich in einen Falken und flog dorthin, wo der tote Drache lag. Dann suchte er das Sandkorn, bis er es fand unter der neunten Zunge des neunten Kopfes und flog damit davon. Aber als er zum Wasser kam, wurde er so müde, so müde, daß er niederschweben mußte und sich auf einen Stein am Strande setzte. Als er so saß, schlummerte er einen Augenblick, und sogleich fiel das Sandkorn aus seinem Schnabel heraus und hinab in den Sand des Strandes. Drei Tage mußte er suchen, ehe er es wieder fand. Doch als er es gefunden, flog er direkt zum schroffen Berg damit und ließ es in die Spalte niederfallen.
Da sprangen alle bösen Kobolde und Trolle entzwei, der Berg zerriß und es stand ein goldenes Schloß da, das war das prächtigste Schloß in der ganzen Welt. Und das Wasser wurde zu den schönsten Ackern und grünsten Wiesen, die man je sah.
Dann reisten alle zum Königshof und da war große Freude und Herrlichkeit. Der Jüngling und die jüngste Königstochter sollten einander haben und da feierten sie Hochzeit, und das ganze Königreich feierte mit während sieben voller Wochen. Und wenn sie es nicht gut machten, so gehe du hin und mache es besser.
Hoken Fahlbart
Es war einmal eine Königstochter, die so stolz und hochmütig war, daß kein Freier ihr gut genug schien. Alle hielt sie zum Narren und gab ihnen den Reisepaß, den einen nach dem anderen. Aber obwohl sie darin so groß war, so kamen dennoch allezeit Freier zum Hof, denn schön war sie, nur leider boshaft.
So kam auch mal wieder ein Königsohn, der hieß Hoken Fahlbart, der wollte sie freien. Aber die erste Nacht, die er da war, bat sie den Hofnarren, er solle von einem seiner Pferde die Ohren abschneiden, und dem anderen Pferd solle er das Maul aufreißen bis zu den Ohren. Als der Prinz am anderen Tage fahren sollte, stand die Königstochter in der Galerie und sah zu: »Nein, so etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte sie, »der rauhe Nordwind, welcher hier bläst, hat die Ohren von einem deiner Pferde weggenommen, und das andere hat er zerstoßen und zerfroren, sodaß das Maul ganz zu den Ohren reicht«, und damit schlug sie eine Lachsalve an, lief hinein und ließ ihn seinen Weg fahren.
Er reiste heim, aber er dachte bei sich selbst, er würde es ihr schon vergelten. Er band sich einen großen Bart aus Flechten um, zog eine weite Fellkleidung an und verkleidete sich so als Bettler. Er kaufte bei einem Goldschmied ein goldenes Spinnrad und ging damit zum Königsschloß. Eines morgens setzte er sich vors Fenster der Königstochter und begann zu feilen und am Goldspinnrad zu arbeiten. Er war noch nicht richtig fertig damit, es war noch kein Ständer daran.
Als nun die Königstochter am Morgen zum Fenster kam, öffnete sie es, rief ihn an und fragte, ob er sein Goldspinnrad nicht verkaufen wolle.
»Nein, es ist nicht feil«, sagte Hoken Fahlbart, »aber es ist mir einerlei, wenn ich vor deiner Kammertür heute nacht schlafen darf, so sollst du es haben«.
Ja, das erschien der Königstochter ein guter Kauf zu sein, und da sei auch keine Gefahr dabei. Sie bekam das Spinnrad, und am Abend legte sich Hoken Fahlbart draußen vor ihre Kammertür. Aber da es weiter auf die Nacht zu ging, kam ein solches Frieren über ihn: »Hutte, tutte tutte tu! es ist so kalt hier draußen -laß mich hinein!« sagte er.
»Ich glaube, du bist nicht ganz bei Trost«, sagte die Königstochter.
»Ach, huttetuttu, es ist so kalt, ach laß mich nur hinein«, sagte Hoken Fahlbart.
Pst, Pst, schweig still!« sagte die Königstochter, »wenn mein Vater hört, daß ein Mannsbild hier ist, so werde ich ganz unglücklich«.
»A, butte, tutte, tutte, tuuu! ich friere mich zu Tode, laß mich nur hineinkommen und auf dem Fußboden liegen«, sagte Hoken Fahlbart.
Ja, da war nichts zu machen, sie mußte ihn hineinlassen. Und als er hereingekommen war, legte er sich auf den Fußboden und schlief auch so gut.
Eine Weile danach kam Hoken wieder und hatte einen Ständer mit für das Spinnrad. Und so setzte er sich wieder draußen vors Fenster der Königstochter und feilte am Ständer, denn er war noch nicht richtig fertig. Als sie ihn feilen hörte, öffnete sie das Fenster und fragte, was das sei, das er dort hätte.
»Ach, das ist ein Ständer zu dem Spinnrad, welches die Prinzessin kaufte, denn ich dachte, will sie das Spinnrad haben, so braucht sie auch den Ständer dazu«, sagte Hoken.
»Was willst du dafür haben?«fragte die Königstochter.
Der sei auch nicht feil für Gold, aber bekäme er Erlaubnis, auf dem Fußboden zu liegen in der Kammer der Prinzessin während der Nacht, so solle sie ihn haben.
Ja, das solle ihm erlaubt sein, aber sie bat ihn, nur ruhig zu sein und nicht wieder anzufangen mit frieren und zu rufen: Huttetu.
Hoken Fahlbart versprach es, aber als es Nacht wurde, begann er wieder zu buttern und zu frieren, und er bat, ob er nicht Erlaubnis bekäme, sich vors Bett der Prinzessin zu legen. Da konnte man nichts machen, sie mußte es ihm erlauben, wenn der König nichts hören sollte. Hoken Fahlbart legte sich da auf den Fußboden vor dem Bett der Königstochter und schlief gut und schön.
So dauerte es eine ganze Zeit, ehe Hoken Fahlbart wiederkam. Aber da hatte er eine Garnwinde von Gold, und die feilte er, indem er des morgens vorm Fenster der Prinzessin saß. Dann ging es genau so. Als die Prinzessin das hörte, ging sie zum Fenster, grüßte und fragte, was er für die Garnwinde haben wolle. »Die ist nicht feil für Geld, aber wenn ich die Erlaubnis bekomme, in deiner Kammer zu liegen mit dem Kopf an der Bettsäule während der Nacht, so sollst du sie haben«. sagte Hoken Fahlbart. Ja, das könne er wohl, wenn er nur ruhig sei und sich nicht so wild verhalte, sagte die Prinzessin. Und er versprach, sein Bestes zu tun. Aber als es auf die Nacht zu ging, begann er wieder
zu frieren und zu zittern, daß die Zähne klapperten.»Huttetuttetutte tuu, es ist so kalt! Erlaube mir, zu dir hinauf ins Bett zu kommen, um mich ein wenig zu wärmen«, sagte Hoken Fahlbart.
»Ich glaube, du bist verrückt!« sagte die Königstochter.
»Huttetuttetuttetuu«, sagte Hoken Fahlbart, »ach laß mich hinaufkommen ins Bett, Huttetuttetuuuu!«
»Pst ,pst, schweig still, um Gottes Willen!« sagte die Königstochter, »denn wenn mein Vater hört, daß Mannsvolk hier ist, so werde ich ganz unglücklich. Ich glaube sicher, er nimmt mir sogleich das Leben.«
»Huttetuttetu, laß mich hinauf ins Bett schlüpfen«, sagte Hoken Fahlbart und fror, daß die ganze Stube zitterte.
Da war nichts zu machen, sie mußte ihn ins Bett schlüpfen lassen. Da schlief er gut und schön.
Aber eine Zeit danach bekam die Prinzessin ein kleines Kind, und der König wurde so wild darüber, daß er beinah mit ihr und dem Kinde ein Ende gemacht hätte. — Ein wenig später kam Hoken Fahlbart, klappernd wie ein Handelsmann zum Schloß und saß in der Küche wie ein anderer Bettelmann.
Da kam die Königstochter herunter und sah ihn:
»Ach Gott bewahre mich vor dem Unglück, das deine Gewalt mir brachte!« sagte sie, »mein Vater geht beinah in die Luft, so wild ist er. Laß mich mit dir heimgehen«.
»Du bist zu verwöhnt, um mit mir zu gehen«, sagte Hoken, »ich habe nichts anderes als eine Laubhütte zum drin wohnen. Und wovon soll ich dich ernähren, das weiß ich nicht, denn ich muß mich schon sehr mühen, um nur Brot für mich allein zu schaffen«.
»Ich bin schon zufrieden mit dem, so wie du es hast«, sagte die Königstochter, »laß mich nur mit dir gehen, denn wenn ich länger hier bleibe, so glaube ich, mein Vater nimmt mir das Leben«.
Sie bekam die Erlaubnis, mit dem Zigeuner zu gehen, wie sie ihn nannte. Und so gingen sie beide lang und länger, und sie hatte es nicht zu gut unterwegs. Schließlich verließen sie das Land und kamen in ein anderes Reich. Da fragte die Prinzessin, wer das sei, dem dies Reich gehöre.
»Ach, das ist Hoken Fahlbart«, sagte er.
»Ja - so!« sagte die Prinzessin, »hätte ich ihn genommen, so hätte ich mir erspart, hier als Bettelweib zu gehen«.
Und alle die prächtigen Schlösser und Wälder und Bauernhöfe, wo sie vorüber kamen -da fragte sie, wem die gehören.
»Ach, die gehören ihm, Hoken Fahlbart!« sagte der Zigeuner. Und die Königstochter ging und schalt sich selbst aus, daß sie ihn nicht genommen hätte, der so viel besaß.
Nach langer Zeit kamen sie zu einem Königshof; da sei er bekannt, sagte er, und dann meinte er noch, dort würde er für sie Arbeit bekommen, sodaß sie etwas zum Leben hätten. Und dann baute er eine Hütte aus Zweigen und Laub, in einer Waldlichtung, da sollten sie bleiben. Er selbst ging zum Königshof und hackte Holz und trug Wasser für die Küche, sagte er. Und als er wieder heim kam, brachte er einige Speisereste mit, aber die reichten nicht lange.
Eines Tages kam er heim vom Schloß: »Morgen werde ich daheim bleiben und auf das Kind aufpassen, und du wirst dich bereit machen, zum Schloß zu gehen, denn der Prinz sagte, du sollst kommen und beim Brotbacken helfen«.
»Ich soll backen«, sagte sie, »ich kann nicht backen, denn das habe ich noch nie gemacht«.
»Du wirst aber hingehen«, sagte Hoken Fahlbart, »da der Prinz es nun einmal gesagt hat. Kannst du nicht backen, so kannst du wohl backen lernen, du wirst hinschauen, wie es die anderen machen. Und dann sollst du etwas Brot stehlen, um es mir mitzubringen«.
»Stehlen kann ich nicht!« rief die Königstochter.
»Du kannst es gut lernen«, sagte Hoken Fahlbart, »du weißt, wir haben knapp zu essen. Aber nimm dich vor dem Prinzen in acht, denn er hat Augen, die sehen alles«.
Als sie gerade gegangen war, sprang Hoken einen Abkürzungsweg entlang und kam lange vor ihr zum Schlosse. Dort warf er die schlechte Kleidung und den Flechtenbart von sich und zog Prinzenkleider an.
Die Königstochter war mit in der Backstube und tat, worum Hoken sie gebeten hatte und stahl sich alle Taschen voller Brot. Als sie so am Abend heim wollte, sagte der Prinz:
»Dieses Zigeunerweib kennen wir noch nicht genug; es ist wohl das beste, wir sehen nach, ob sie sich nicht etwas mitgenommen hat«.
So fuhr er ihr in alle Taschen und grub und durchsuchte sie, und als er das Brot fand, wurde er böse und zankte sie aus.
Sie weinte, war außer sich und sagte: »Der Zigeuner bat mich darum und so mußte ich es tun«.
»Das ist dir schlecht gelungen«, sagte der Prinz, aber es ist ganz gleich, um des Zigeuners willen sei dir vergeben«.
Sie war eben gegangen, so warf er die Prinzenkleider von sich, zog die alten Fellsachen über, band sich den Flechtenbart um und war vor
ihr in der Laubhütte, und als sie kam, war er gerade dabei, das Kind zu versorgen.»Ja, du hast mir etwas zu tun befohlen, was ich bereue«, sagte sie, »das ist das erste Mal, daß ich gestohlen habe, und das wird auch das letzte Mal sein«. Und dann erzählte sie, wie es zugegangen war und was der Prinz gesagt hatte.
Einige Tage später kam Hoken heim zur Laubhütte am Abend: »Morgen werde ich daheim bleiben und auf das Kind acht geben«, sagte er, »denn du sollst im Schlachthaus helfen und Würste machen«.
»Ich, Würste machen?« sagte die Königstochter, »das kann ich nicht, ich habe oft genug Würste gegessen, aber Würste gemacht habe ich niemals«.
Aber Hoken sagte, sie müsse gehen, weil der Prinz es gesagt hätte. Sie solle es nur genau so machen wie es die anderen machen. Und dann bat er sie, sie solle einige Würste stehlen und sie ihm mitbringen.
»Nein, stehlen kann ich nicht«, sagte sie, »du erinnerst dich doch, wie es das letzte Mal ging«.
»Du kannst stehlen lernen«, sagte Hoken, »es ist nicht gesagt, daß es immer schief geht«.
Kaum war sie gegangen, sprang Hoken Fahlbart den Abkrüzungsweg entlang und kam viel eher ins Schloß als sie. Dort warf er das Fellkleid und den Flechtenbart von sich und stand in Prinzenkleidern in der Küche, als sie kam. Die Königstochter war mit im Schlachthaus und machte Würste. Und sie machte es so, wie Hoken sie gebeten hatte, sie stopfte ihre Taschen voll. Aber als sie am Abend heim gehen wollte, sagte der Prinz: »Das Zigeunerweib war so langfingrig das letztemal, es ist am besten, ich sehe nach, ob sie nicht etwas mitgenommen hat«. Dann begann er zu suchen und alle Taschen zu durchwühlen. Als er die Würste fand, wurde er wieder böse, beschimpfte sie schlimm und drohte ihr, sie vors Gericht zu bringen und sie vor den Lehnsmann zu führen.
»Ach, Gott segne dich und laß mich laufen! Der Zigeuner bat mich darum«, sagte sie, weinte und war außer sich.
»Es gelang dir schlecht, aber um des Zigeuners willen sei dir vergeben«, sagte Hoken Fahlbart.
Als sie gegangen war, warf er die Prinzenkleider von sich, zog das alte Fellzeug über und hing den Flechtenbart um, sprang den kurzen Weg zurück, und als sie heim kam, war er längst auf dem Hauptweg. Sie erzählte, wie es zugegangen war und gelobte hoch und teuer, das sei das letzte Mal, daß er sie zu so etwas bekäme.
Eine Weile danach, war der Mann wieder am Königshof.
»Nun soll der Prinz bald Hochzeit machen«, sagte er, als er am Abend heim kam. »Aber die Braut ist krank geworden, so daß der Schneider nicht bei ihr Maß nehmen kann fürs Brautkleid, und so will der Prinz, daß du hinaufkommst zum Königshof und an ihrer statt Maß nehmen läßt, denn er sagt, du gleichst ihr an Wuchs und in allem. Aber wenn bei dir Maß genommen wurde, sollst du nicht weggehen, du sollst stehen bleiben und zusehen, wie der Schneider zuschneidet, und dann die größten Stücke zusammenfegen und mit dir nehmen für eine Zipfelmütze für mich«.
»Nein, stehlen kann ich nicht«, sagte sie, »du erinnerst dich doch, wie es mir das letzte Mal ging«.
»Du kannst es gut lernen«, sagte Hoken, »das ist gar nicht gesagt, daß es wieder schief geht«.
Sie glaubte, das sei falsch, aber sie ging trotzdem und tat, worum er sie gebeten hatte. Sie stand und sah zu, wie der Schneider zuschnitt und kehrte die größten Stücke zusammen und steckte sie in die Tasche. Als sie gehen wollte, sagte der Prinz: »Wir müssen wohl nachsehen, ob das Weib nicht wieder lange Finger gemacht hat, auch dieses Mal«, und er suchte in allen Taschen. Und als er die Stoffreste fand, wurde er wild und begann zu schelten und zu toben, wie man es noch nie erlebt hatte. Sie weinte und war außer sich und sagte: »Ach, der Zigeuner hatte mich darum gebeten, so mußte ich es tun«.
»Es gelang dir schlecht, aber um des Zigeuner willen sei dir vergeben«, sagte Hoken Fahlbart.
Und so ging es wie das vorige Mal. Als sie in die Laubhütte heim kam, war Hoken auch schon da.
»Ach, Gott helfe mir«, sagte sie, »ich werde zum Schluß noch unglücklich deinetwegen, denn du willst mich zu nichts anderem bringen, als was nicht recht ist. Der Prinz war so wild und bös, er drohte mir mit dem Lehnsmann und mit Zuchthaus«.
Eine Weile danach kam Hoken heim eines abends: »Nun will der Prinz, du sollst hinauf zum Schloß kommen und die Braut vertreten«, sagte er, »denn seine Braut ist immer noch krank und bettlägrig, aber die Hochzeit will er halten. Und du gleichst ihr so, an nichts seid ihr voneinander zu unterscheiden. Und morgen sollst du dich bereit machen, zum Schlosse zu gehen«.
»Ich glaub ihr seid ganz und gar von Sinnen, du und der Prinz«, sagte sie. »Meinst du, ich sähe aus wie eine Braut? Es kann ja keine Landstreicherin schlimmer aussehen als ich«.
Es half alles nicht, sie mußte gehen. Und als sie zum Königshof kam, wurde sie so geschmückt und ausgestattet, daß keine Prinzessin prächtiger sein konnte. So fuhren sie zur Kirche und sie stand an Stelle der Braut. Und als sie wieder heim kamen, war Tanz und Lustigkeit im Schloß. Doch da geschah es, als sie mitten im Tanz mit dem Prinzen war, daß sie plötzlich einen Schein vom Fenster her sah, und dann erblickte sie, daß die Laubhütte in hellen Flammen stand.
»Ach nein, mein Zigeuner und mein Kind!« schrie sie und war der Ohnmacht nahe vor Schrecken.
»Hier ist dein Zigeuner und hier ist dein Kind! Und die Laubhütte laß nur brennen!« sagte Hoken Fahlbart. — Da erkannte sie ihn wieder. Nun war erst die richtige Freude und Lustigkeit da im Schloß. Aber seit der Zeit habe ich nie wieder etwas gesehen und gehört von ihnen.
Kari Holzrock
Es war einmal ein König, der war Witwer geworden. Von seiner Königin hatte er eine Tochter, die so lieb und schön war, daß niemand schöner und lieber sein konnte. Er trauerte lange um seine Königin, die er hoch in Ehren gehalten hatte. Aber schließlich wurde er es leid, allein zu leben, und er verheiratete sich wieder mit einer verwitweten Königin, die auch eine Tochter hatte. Aber ihre Tochter war genau so häßlich und bös wie die andere schön und lieb war. Die Stiefmutter und ihre Tochter waren eifersüchtig auf des Königs Tochter, denn sie war so herrlich. Aber so lange der König daheim war, trauten sie sich nicht, ihr etwas zu tun, denn er hielt sie hoch in Ehren.
Nach einiger Zeit bekam der König Krieg mit einem anderen König und rüstete sich zum Kriegszug. Da glaubte die Königin, sie könne nun machen was sie wollte. Und so schlug sie die Königstochter und ließ sie hungern, sie war hinter ihr her in jedem Winkel. Schließlich schien ihr jedes Ding zu gut für sie zu sein, und so schickte sie die Stieftochter hinaus zum Tiere hüten. So ging sie mit der Herde und hütete sie in Wald und Feld und Berg. Sie bekam wenig oder gar nichts zu essen, bleich und mager wurde sie, und sie weinte beinah immer und war so traurig.
In der Herde aber war ein großer blauer Stier, der sich stets so fein
und blank hielt. Der kam oft zur Königstochter hin und ließ sich kraulen. Einmal, als sie so saß und weinte und wieder einmal untröstlich war, kam der Stier zu ihr hin und fragte, warum sie so traurig sei. Sie antwortete gar nichts, aber sie weinte weiter.»Ja«, sagte der Stier, »ich weiß genug, wenn du es auch nicht sagen willst. Du weinst, weil die Königin so schlimm gegen dich ist, und weil sie dich zu Tode hungern lassen will. Aber um Essen brauchst du dir keine Sorgen zu machen. In meinem linken Ohr liegt ein Tuch, wenn du das nimmst und ausbreitest, kannst du so viele Gerichte haben, wie du willst«. Das machte sie, sie nahm das Tuch, breitete es auf der Erde aus, und so tischte es ihr auf, die feinsten Speisen, die man sich nur wünschen konnte. Es gab Wein und Met und süßen Kuchen. Sie erholte sich nun bald wieder und wurde so rot und rund und weiß, sodaß die Königin und ihre klapperdürre Tochter blau und bleich vor Neid wurden. Die Königin konnte nicht verstehen, wieso ihre Stieftochter so gut aussah bei so armer Kost. Also befahl sie einer Magd, daß sie ihr nachgehen solle auf die Weide und aufpassen und so sehen, wie das zusammenhinge, denn sie glaubte, daß jemand von den Mägden ihr Essen bringe. Die Magd ging ihr in den Wald nach und gab acht. So bekam sie zu sehen, daß die Königstochter das Tuch aus dem Ohr des blauen Stieres nahm und es ausbreitete. So tischte das Tuch die prächtigsten Speisen auf, an denen die Königstochter sich gütlich tat. Da ging die Magd heim und erzählte es der Königin.
Als der König den anderen König, mit dem er Krieg führte, besiegt hatte kehrte er heim. Im ganzen Schloß war da große Freude, und niemand war froher als des Königs Tochter. Aber die Königin stellte sich krank und gab dem Doktor viel Geld, damit er sagen solle, sie könne nicht wieder gesund werden, außer, sie bekäme Fleisch von dem blauen Stier zu essen. Beide, die Königstochter und die Leute des Schlosses fragten den Doktor, ob nichts anderes helfen könne und baten für den Stier, denn alle mochten ihn gut leiden und sie sagten, daß es nicht seinesgleichen gäbe im ganzen Reiche. Aber nein, er sollte und er mußte geschlachtet werden, da war nichts zu machen. Als die Königstochter das hörte, wurde ihr schlimm zumute und sie ging hinunter in den Stall zum Stier. Der stand da und ließ den Kopf hängen und sah so traurig aus, daß sie weinen mußte.
»Warum weinst du?« fragte der Stier. Da sagte sie, daß der König heimgekommen sei und daß die Königin sich krank stelle, und daß sie den Doktor dahin bekommen hätte, zu sagen, daß sie nicht gesund werden könne, wenn sie nicht Fleisch von dem blauen Stier bekäme, und
deshalb solle er geschlachtet werden.»Wenn sie mir zuerst das Leben nehmen, so ermorden sie dich dann auch«, sagte der Stier, »willst du wie ich, so gehen wir unseres Weges in dieser Nacht«.
Ja, der Königstochter schien es wohl schlimm genug zu sein, ihren Vater zu verlassen, aber noch schlechter würde es sein, mit der Königin im Hause zu leben. Und so versprach sie dem Stier, daß sie kommen würde.
Am Abend, als alle anderen sich niedergelegt hatten, stahl sich die Königstochter hinab zum Stier in den Stall. Dort nahm er sie auf den Rücken und stob vom Hof, so schnell er konnte.
Als nun die Leute hinabkamen in früher Morgenstunde am nächsten Tage und den Stier schlachten wollten, war er weg. Und als der König hinauf kam und nach der Königstochter fragte, war sie ebenfalls fort. Er sandte Boten nach allen Seiten, um sie zu suchen, und ließ es ausrufen auf allen Kirchhügeln, aber da war niemand, der sie gesehen hatte.
Indessen trabte der Stier mit der Königstochter auf dem Rücken durch viele Länder, und so kamen sie zu einem großen Kupferwald. Bäume und Zweige und Blätter und Blumen und alle Dinge waren aus Kupfer.
Aber ehe sie in den Wald kamen, sagte der Stier zur Königstochter: »Wenn wir in den Wald hineinkommen, mußt du dich gut in acht nehmen, daß du nicht einmal ein Blatt dort anrührst, sonst ist es aus mit dir und mir. Denn hier wohnt ein Troll mit drei Köpfen, dem gehört er«. —Nein, Kreuz nochmal, sie wolle sich sehr zusammennehmen und nichts berühren. Sie war so vorsichtig und bog sich zur Seite vor den Zweigen und schob sie mit den Händen fort. Aber der Wald war so dicht, daß sie bald keinen Rat mehr wußten, wie sie vorwärts kommen sollten. Und wie sie sich auch anstellte, so kam es doch vor, daß ein Blatt abriß, welches sie in die Hand bekam.
»Au, au, was machst du nur!« sagte der Stier, »nun geht es um Leben und Tod! Aber verwahre nur das Blatt gut«. Gleich danach waren sie am Ende des Waldes, und da kam ein Troll angefahren mit drei Köpfen.
»Wer ist das, der meinen Wald anrührt?« rief der Troll.
»Das ist ebensogut meiner wie deiner«, sagte der Stier.
»Wir werden kämpfen darum!« schrie der Troll.
»Ja, so sei es«, sagte der Stier.
Nun rannten sie zusammen und schlugen aufeinander ein. Der Stier stieß mit den Hörnern und schlug mit den Hufen aus Leibeskräften.
Aber der Troll schlug ebenso gut zu, und es dauerte den ganzen Tag, ehe der Stier damit zu Ende kam. Und dann war er so voller Wunden und so elend, daß er beinah nicht mehr zu gehen vermochte. So mußte er noch einen Tag lang ausruhen. Dann sagte der Stier zur Königstochter, daß sie das Salbhorn nehmen solle, das am Gürtel des Trolles hänge, und so salbte sie ihn damit. Da erholte er sich. Und am Tage danach trabten sie wieder davon.Nun ging es viele, viele Tage weiter, und so kamen sie nach langer, langer Zeit zu einem Silberwald. Bäume und Zweige und Blätter und Blumen und alle Dinge waren aus Silber.
Doch ehe der Stier hineinging, sagte er zur Königstochter: »Wenn wir in den Wald hineinkommen, mußt du um Gottes willen dich gut in acht nehmen, du darfst auch nicht ein Ding anrühren und nicht ein einziges Blatt abreißen, sonst ist es aus mit dir und mir. Das ist ein Troll mit sechs Köpfen, dem gehört der Wald. Und mit dem, glaube ich, kann ich es nicht aufnehmen«.
»Gut«, sagte die Königstochter, »ich werde mich genug in acht nehmen und nichts anrühren, was du willst, das ich nicht anrühren soll«.
Aber als sie in den Wald hineinkamen, war es so dicht und so eng dort, daß sie beinah nicht vorankamen. Sie verfuhr so sorgsam wie sie konnte nicht einmal mehr sagen, daß die Königstochter das Salbhorn von sich mit den Händen. Aber jeden Augenblick schlugen die Zweige ihr in die Augen, und wie sie sich auch anstellte, so kam es doch dazu, daß sie ein Blatt abriß.
»Au, au, was machst du nur!« sagte der Stier, »nun gilt es auf Leben und Tod zu kämpfen, denn der Troll hat sechs Köpfe und ist doppelt so stark wie der andere. Aber paß auf das Blatt auf und verbirg es gut!« —Wie es eben so ging, kam doch der Troll und schrie:
»Wer ist es, der meinen Wald berührt?«
»Der ist ebenso gut meiner wie deiner«, sagte der Stier.
»Wir wollen kämpfen darum!« schrie der Troll.
»So sei es«, sagte der Stier, und er riß am Troll und stieß ihm mit den Hörnern die Augen aus und fuhr mit den Hörnern in ihn hinein, sodaß die Gedärme heraushingen. Aber der Troll schlug ebensogut zu. Und es dauerte drei volle Tage, ehe der Stier ihm das Leben nahm, aber da war er auch so elend und am Ende seiner Kraft, daß er sich nur noch mit Mühe und Not bewegen konnte. Und so voller Wunden war er, daß sein Blut nur so floß. Da sagte er zur Königstochter, daß sie das Salbhorn nehmen sollte, welches am Gürtel des Trolles hing, und ihn damit einreiben. Das machte sie, und da erholte er sich. Aber er mußte
eine Woche lang liegen und ruhn, ehe er wieder zu laufen vermochte.Endlich konnten sie sich wieder auf den Weg begeben. Aber der Stier war noch geschwächt, und es ging nicht so schnell am Anfang. Die Königstochter wollte den Stier schonen und sagte, daß sie jung und gut zu Fuß sei, sie wollte gerne gehen. Aber das erlaubte er ihr nicht. Sie mußte sich wieder auf seinen Rücken setzen.
So ging es eine lange Zeit und durch viele Länder, und die Königstochter wußte nicht, wo es hingehen sollte. Aber nach langer Zeit kamen sie zu einem Goldwalde, der war so golden, daß Gold von ihm tropfte, und Bäume und Zweige und Blumen und Blätter waren von lauterem Gold.
Hier ging es genau so wie im Kupferwald und im Silberwald. Der Stier sagte zur Königstochter, daß sie ganz und gar nicht und auf keine Weise etwas anrühren sollte, denn das war ein Troll mit neun Köpfen, der den Wald besaß. Der sei viel größer und stärker als sie beide zusammen. Und der Stier glaubte nicht, daß er je mit ihm fertig würde. Nein, sie würde genug aufpassen und nichts im Walde berühren, das müsse er doch wissen. Aber als sie hereinkamen, da war es dort noch dichter als im Silberwald, und je weiter sie kamen, desto schlimmer wurde es. Der Wald wurde dichter und dichter und enger und enger, und schließlich schien es ihnen, sie könnten auf keine Weise mehr vorwärts kommen. Sie hatte so Angst, etwas abzureißen, daß sie saß und sich beugte und wendete, dahin und dorthin vor den Zweigen, und sie schob sie vor sich her mit den Händen. Aber was sie auch alles tat, so schlugen sie ihr doch in die Augen, sodaß sie nicht sehen konnte, wohin sie griff, und ehe sie es sich versah, hatte sie einen Goldapfel in der Hand. Sie hatte so von Herzen Angst, daß sie weinte und den Apfel wieder wegwerfen wollte. Aber der Stier sagte, das solle sie nicht, sondern ihn gut aufheben. Und er tröstete sie so gut er konnte. Aber er glaubte, das gäbe nun ein hartes Gemetzel, und er zweifelte, ob es gut ausgehen würde.
Da geschah es, daß der Troll mit neun Köpfen kam, der war so häßlich, daß die Königstochter gar nicht wagte, ihn anzuschauen.
»Wer ist das, der meinen Wald berührt?« schrie er.
»Das ist ebensogut meiner wie deiner«, sagte der Stier.
»Wir werden kämpfen darum«, schrie der Troll.
»Es sei denn!« sagte der Stier.
Und so rannten sie zusammen und schlugen sich, und es war so häßlich anzusehen, daß die Königstochter nahe daran war, ohnmächtig zu werden. Der Stier stieß dem Troll die Augen aus und wühlte mit den
Hörnern quer in ihm, sodaß die Eingeweide sich herauswälzten. Aber der Troll schlug ebenso gut zu. Und wenn der Stier einen Kopf abgeschlagen hatte, bliesen die anderen wieder Leben hinein, und es dauerte eine ganze Woche, ehe er imstande war, ihm das Leben zu nehmen. Aber danach war der Stier so elend und gebrechlich, daß er sich nicht mehr rühren konnte. Über und über war er mit Wunden bedeckt, er konnte nicht inmal mehr sagen, daß die Königstochter das Salbhorn nehmen sollte, und ihn damit einreiben, aber sie tat es trotzdem, und so kam er wieder zu sich. Aber er mußte drei Wochen lang liegen und ruhen, ehe er weiter gehen konnte.Da reisten sie ganz langsam davon, und der Stier sagte, nun würden sie etwas länger brauchen, um voran zu kommen. Und so kamen sie über viele große Hügel mit dichtem Wald. Es dauerte noch eine Weile, da kamen sie auf einen Berg hinauf.
»Siehst du etwas?«fragte der Stier.
»Nein, ich sehe nichts anderes als Himmel und wilde Berge«, sagte die Königstochter. Als sie etwas höher hinauf kamen, wurden die Berge kahler, sodaß sie weiter um sich blicken konnten.
»Siehst du nun etwas?«fragte der Stier.
»Ja, ich sehe ein kleines Schloß, weit, weit weg«, sagte die Königstochter.
»Das ist gar nicht so klein«, sagte der Stier.
Nach langer, langer Zeit kamen sie zu einem großen Hügel, von dem aus sie eine quer gebreitete Bergwand sahen.
»Siehst du nun etwas?«fragte der Stier.
»Ja, nun sehe ich das Schloß, nun ist es viel, viel größer«, sagte die Königstochter.
»Dahin sollst du gehen«, sagte der Stier. »Gleich beim Schloß ist ein Schweinestall, und da sollst du bleiben. Wenn du dorthin kommst, findest du einen Holzrock, den sollst du anziehen. Und schließlich sollst du hineingehen und sagen, du heißt Kari Holzrock und sollst um Dienste bitten. Aber erst sollst du dieses kleine Messer nehmen und mir damit den Kopf abchneiden. Dann sollst du mich häuten und die Haut zusammenrollen und sie unter die Bergwand legen. Und in die Haut sollst du das kupferne Blatt, das silberne Blatt und den Goldapfel legen. Weiter weg vom Berg lehnt ein Knüppel. Wenn du etwas von mir willst, so klopfe nur damit gegen die Bergwand.
Am Anfang wollte sie nicht, aber der Stier sagte, das sei der einzigste Dank, den er haben wolle für all das, was er für sie getan hätte, und so konnte sie nicht anders. Ihr schien es so unerträglich schmerz-
haft, aber sie schnitt mit dem Messer an dem großen Tier bis sie den Kopf abbekam. Und die Haut rollte sie zusammen und legte sie unter die Bergwand und legte vorher Kupferblatt, Silberblatt und Goldapfel hinein.Als sie all das getan hatte, ging sie hinunter zum Schweinestall. Aber während sie ging, weinte sie und war rein außer sich vor Schmerz. Dann zog sie den Holzrock an und ging hin zum Königshof. Als sie in die Küche kam, bat sie um Dienste und sagte, sie hieße Kari Holzrock.
Ja, sagte die Köchin, Dienste könne sie genug bekommen, sie könne da bleiben und abwaschen, denn der, welcher es vorher gemacht habe, sei gerade seiner Wege gegangen. »Aber wenn du es satt hast, hier zu sein, so gehe du nur gleich wieder auch«, sagte sie. Nein, das wolle sie gar nicht.
Sie war flink und fleißig beim Abwaschen. Am Sonntag sollten Freunde zum Königshof kommen. So bat Kari, ob sie Erlaubnis bekäme, mit Waschwasser zum Prinzen zu gehen. Aber die anderen lachten sie aus und sagten: »Was willst du dort? Glaubst du, der Prinz will von dir etwas wissen, wenn du so aussiehst?«
Sie gab sich nicht damit zufrieden, sondern fuhr fort zu bitten, und endlich bekam sie Erlaubnis.
Als sie über die Treppe ging, klapperte der Holzrock, sodaß der Prinz herauskam und fragte: »Was bist du für eine?«
»Ich sollte dir Waschwasser bringen«, sagte Kari.
»Glaubst du, ich will das Waschwasser haben, welches du trägst?« sagte der Prinz, und er schüttete das Wasser über sie.
Damit mußte sie gehen. Später bat sie um Erlaubnis, in die Kirche gehen zu dürfen. Die bekam sie auch, denn die Kirche lag dicht dabei. Aber erst ging sie zur Bergwand und klopft mit dem Knüppel daran, welcher da lehnte, wie der Stier gesagt hatte. Sogleich kam ein Mann heraus und fragte, was sie wolle. Die Königstochter sagte, daß sie Erlaubnis bekommen habe, in die Kirche zu gehen und den Priester zu hören, aber sie hätte keine Kleider anzuziehen. So kam er mit einem Kleid zu ihr, das war so blank wie der Kupferwald. Und Pferd und Sattel bekam sie auch. Als sie zur Kirche kam, war sie so schön und prächtig, daß alle sich wunderten, wer sie wohl sei, und beinah niemand darauf hörte, was der Priester sagte, denn alle sahen nach ihr hin. Selbst der Prinz mochte sie so gut leiden, daß er nicht einen Augenblick die Augen von ihr wandte. Als sie aus der Kirche ging, sprang der Prinz ihr nach und zog die Kirchentür hinter ihr zu. Dabei bekam er ihren Handschuh in die Hände. Als sie hinaus ging und sich aufs Pferd
setzte, kam der Prinz wieder hinterher und fragte, woher sie sei.»Ich bin aus Waschland«, sagte Kari, und als der Prinz den Handschuh hervorzog und ihn ihr zurückgeben wollte, sagte sie:
»Vor mir, da sei es Licht, Nacht hinter mir sich breite, der Prinz, der sähe nicht, wohin ich heute reite!« |
Der Prinz hatte noch nie einen solchen Handschuh gesehen, und er fuhr weit und breit umher und fragte nach dem Land, welches die stolze Dame genannt hatte, der er den Handschuh abgestreift hatte. Aber da war niemand, der ihm sagen konnte, wo das lag.
Am nächsten Sonntag sollte wieder einer hinaufgehen zum Prinzen mit einem Handtuch.
»Ach, könnte ich wohl Erlaubnis bekommen, damit hinaufzugehen« fragte Karl.
»Wozu willst du das?«fragten die anderen, die mit ihr in der Küche waren, »du sahst doch wie es dir ging das letzte Mal«.
Aber Kari gab es nicht auf und hielt an, zu bitten bis sie Erlaubnis bekam. Und so lief sie über die Treppen, daß es nur so klapperte im Holzrock. Der Prinz fuhr heraus, und als er sah, daß es Kari war, riß er das Handtuch an sich und warf es ihr ins Gesicht:
»Pack dich nun, du häßlicher Troll!« sagte er, »glaubst du, ich will ein Handtuch haben, welches du in deine schwarzen Finger genommen hast?«
Dann ging der Prinz zur Kirche, und Kari bat auch um Erlaubnis, hingehen zu dürfen. Da fragten sie, warum sie in die Kirche wolle, sie, die doch nichts anders anzuziehen hätte als den Holzrock, und sie sei so schwarz und häßlich. Aber Kari sagte, ihr schien der Priester ein prächtiger Mann zu sein im Predigen, sie höre so gerne, was er sage, sodaß sie zum Schluß Erlaubnis dazu bekam. Sie ging zum Berge und klopfte an. Da kam der Mann heraus und gab ihr ein Kleid, das viel prächtiger war als das erste. Es war überall mit Silber gestickt, und von ihm ging ein Schimmer aus wie der Silberwald. Und ein edles Pferd mit silber gestickten Decken und Silberzügeln bekam sie auch.
Als die Königstochter zur Kirche kam, standen die Kirchgänger noch draußen auf dem Hügel. Alle verwunderten sich, was sie wohl für eine sei. Und der Prinz war sogleich unterwegs und kam, um ihr das Pferd zu halten, während sie abstieg. Aber sie stieg allein ab und sagte, das sei nicht notwendig gewesen, denn das Pferd sei so gut gezähmt, daß es stille stehe, sobald sie es sage, und es käme auch, wenn sie es rufe. So
gingen sie alle zusammen in die Kirche. Aber da war beinah niemand, der darauf hörte, was der Priester sagte, denn sie sahen viel zu viel zu ihr hin. Und der Prinz wurde noch mehr gefangengenommen von ihr als das letzte Mal. Als die Predigt zu Ende war, und sie aus der Kirche ging und sich aufs Pferd setzte, kam der Prinz wieder und fragte, woher sie sei.»Ich bin aus Handtuchland«, sagte die Königstochter, und in dem Augenblick ließ sie ihre Reitpeitsche fallen. Als der Prinz sich bückte, um sie aufzuheben, sagte sie:
»Vor mir, da sei es Licht, Nacht hinter mir sich breite, der Prinz, der sähe nicht, wohin ich heute reite!« |
Fort war sie wieder und der Prinz konnte nicht wissen, wo sie abgeblieben war. Er fuhr weit und breit umher, und er fragte nach dem Land, welches sie genannt hatte, woher sie käme. Aber da war niemand, der ihm sagen konnte, wo das lag. Und der Prinz mußte sich wieder in Geduld fassen.
Am dritten Sonntag, sollte einer zu dem Prinzen hinaufgehen mit einem Kamm. Kari bat um die Erlaubnis, damit hinaufzugehen, aber die anderen erinnerten sie daran, wie es ihr zuletzt ergangen war und warnten sie, sich vor dem Prinzen zu zeigen, so schwarz und häßlich wie sie war in ihrem Holzrock. Aber sie hielt nicht auf mit Bitten bis sie zum Prinzen hinaufgehen durfte mit dem Kamm. Als sie wieder so klappernd über die Treppe kam, fuhr der Prinz heraus, nahm den Kamm und warf ihn nach ihr und sagte, sie solle sich packen.
Dann ging der Prinz zur Kirche, und Kari bat um Erlaubnis, auch hinzugehen. Sie fragten wieder, was sie dort wolle, sie, die doch so schwarz und häßlich sei, welche keine Kleider hatte, sodaß sie sich unterm Volk sehen lassen könne. Weder der Prinz noch jemand anderes dürfe sie so sehen, sagten sie, sonst würden beide, er und sie unglücklich. Aber Kari sagte, daß sie alle genug anderes zu sehen hätten, und sie hielt nicht auf mit Bitten, bis sie die Erlaubnis bekam, zu gehen.
Nun ging es genauso wie die beiden anderen Male, sie ging fort zum Berg und klopfte an. Und der Mann kam heraus und gab ihr ein Kleid, das noch prächtiger war, als das andere, das war von lauterem Gold und besetzt mit Edelsteinen. Und ein edles Pferd mit goldgestickten Decken und Goldzügeln bekam sie auch noch.
Als die Königstochter zur Kirche kam, stand der Prinz und die Gemeinde noch auf dem Hügel und erwarteten sie. Der Prinz kam an-
gelaufen und wollte das Pferd halten, aber sie sprang ab und sagte: »Nein danke, das braucht es nicht, mein Pferd ist so gut gezähmt, daß es still steht, wenn ich es sage«.Nun eilten sie alle zusammen zur Kirche, auch der Priester auf die Kanzel. Aber niemand hörte auf das, was er sagte, denn sie schauten zu viel nach ihr hin und wunderten sich, woher sie wohl käme. Und der Prinz war eher noch mehr verliebt, als die beiden anderen Male. Er bemerkte nichts, sondern sah nur nach ihr hin. Als die Predigt aus war und die Königstochter aus der Kirche gehen wollte, hatte der Prinz etwas Pech verschüttet im Kirchenumgang, damit er kommen und ihr darüber weg helfen könne. Aber sie kümmerte sich nicht darum, setzte den Fuß mitten in das Pech und sprang weiter. Da blieb der eine Goldschuh im Pech sitzen, und als sie sich aufs Pferd schwang, kam der Prinz schnell aus der Kirche und fragte, woher sie sei.
»Von Kamm-Land«, sagte Kari. Als der Prinz ihr den Goldschuh reichen wollte, sagte sie:
»Vor mir, da sei es Licht, Nacht hinter mir sich breite, der Prinz, der sähe nicht, wohin ich heute reite!« |
Der Prinz konnte nicht wissen, wo sie geblieben war, auch diesmal nicht. Und so fuhr er lange Zeit umher in der Welt und fragte nach Kamm-Land, aber da niemand ihm sagen konnte, wo das lag, ließ er verkünden, daß er diejenige welcher der Goldschuh passe, heiraten würde. Von allen Seiten kamen sie zusammen, schöne und häßliche, aber keine hatte einen so kleinen Fuß, daß der Goldschuh ihr paßte. — Nach langer Zeit kam auch die schlimme Stiefmutter von Kari Holzrock mit ihrer Tochter, und ihr paßte der Schuh. Aber häßlich war sie, und so widerlich sah sie aus, daß der Prinz nur mit Mühe tat, was er versprochen hatte. Trotzdem wurde zur Hochzeit gerüstet und sie wurde als Braut geschmückt. Aber als sie zur Kirche ritten, saß ein kleiner Vogel im Baum und sang:
»Ein Stück von der Ferse und vom Zeh fehlen tut, der Schuh von Kari Holzrock, ei, der füllt sich mit Blut!« |
Als sie nachsahen, hatte der Vogel die Wahrheit gesungen, denn das Blut tropfte aus dem Schuh heraus. So mußten alle Dienstmädchen und alle Frauen, die auf dem Schloß waren, herkommen und den Schuh anprobieren, aber da war keine, der er passen wollte.
»Aber wo ist denn Kari Holzrock?«fragte der Prinz, als alle anderen anprobiert hatten, denn er dachte an den Vogelsang und hatte sich gut gemerkt, was der Vogel gesungen hatte.
»Ach, die da«, sagten die anderen, »das kann nichts nützen, wenn die herkommt, denn sie hat Füße wie ein Elefant«.
»Kann sein«, sagte der Prinz, »aber wenn die anderen anprobiert haben, so kann Kari es auch«.
»Kari!« rief er aus der Tür. Und Kari kam die Treppe herauf, und es klapperte im Holzrock, als ob ein ganzes Regiment Dragoner anmarschiert käme.
»Nun sollst du den Goldschuh anprobieren und Prinzessin werden«, sagten die anderen und lachten und verspotteten sie.
Kari nahm den Goldschuh auf und setzte ihren Fuß hinein, so leicht wie sie wollte, warf den Holzrock von sich und stand da im goldenen Kleide, daß es um sie nur so schimmerte. Und am anderen Fuß hatte sie den passenden Goldschuh dazu. Der Prinz erkannte sie sogleich und wurde so froh, daß er gerade auf sie zu ging, sie um den Leib faßte und sie küßte. Und als er zu hören bekam, daß sie eine Königstochter sei, wurde er eher noch glücklicher. Und so wurde Hochzeit gefeiert. Snip, snap, snaus, nun ist das Märchen aus.
Lillekort
Es waren einmal zwei arme Leute, die wohnten in einer armseligen Hütte, wo nichts als schwarze Armut hauste, sie hatten nichts zu beißen und nichts zu brennen. Aber hatten sie auch nichts anderes, so hatten sie doch eine gottgesegnete Kinderschar, und mit jedem Jahr bekamen sie mehr davon. Nun konnten sie sich nicht mehr drehen und wenden, das liebte der Mann gar nicht. Er ging umher und schimpfte und sagte, einmal müsse es ja genug sein mit diesen Gottesgaben, und als die Zeit kam, daß seine Frau wieder ein Kind bekommen sollte, ging er in den Wald, Holz sammeln, denn er wollte den neuen Schreihals gar nicht sehen, er würde ihn schon zeitig genug zu hören bekommen, wenn er nach Brot schrie, meinte er.
Als der Mann fort gegangen war, bekam die Frau einen schönen Knaben, und sowie er zur Welt gekommen war, sah er sich um in der Hütte.
»Ach, liebe Mutter«, sagte er, »gib mir einige alte Kleider von meinen Brüdern und Wegzehrung für ein paar Tage, so will ich in die Welt hinaus und mein Glück versuchen. Du hast immerhin noch Kinder genug«.
»Gott bewahre mich, mein Sohn«, sagte die Mutter, »du bist noch allzu klein, das geht nicht«.
Aber der junge Knabe blieb dabei und drängte und bat so lange, bis die Mutter ihm einige alte Kleiderfetzen überließ und etwas Wegzehrung in ein Schnupftuch knüpfte, und so ging er fröhlich und getrost hinaus in die Welt.
Aber kaum war er gegangen, so bekam die Frau noch einen Knaben dazu. Er sah sich gleichfalls um und sagte: Ach, liebe Mutter, gib mir einige alte Kleider von meinen Brüdern und Wegzehrung für ein paar Tage, so will ich in die Welt hinaus und meinen Zwillingsbruder wiederfinden. Du hast dennoch Kinder genug«. »Gott bewahre mich, du bist allzuklein, du armer«, sagte die Frau, »das geht nicht!«.
Aber es half alles nichts, der Junge bettelte und bat so lange, bis er einige alte Kleider bekam und ein Schnupftuch voll mit Wegzehrung, und so trollte er sich genau so mutig hinaus in die Welt, um seinen Zwillingsbruder wiederzufinden.
Als nun der Jüngere eine Weile gegangen war, sah er plötzlich seinen Bruder ein Stück wegs weiter vor sich gehen. Er rief ihn an und bat ihn, anzuhalten. »Warte, du!« sagte er, »du läufst den Weg entlang als ob du es bezahlt bekämest: aber du mußt deinen jüngsten Bruder doch auch gesehen haben, ehe du in die Welt hinaus ziehst«. Der ältere hielt an und sah sich um, und als der jüngere nun nachkam und erzählt hatte, wie das zusammenhing, daß er sein Bruder sei, sagte er weiter: »Aber laß uns niedersetzen und nachsehen, was unsere Mutter uns mitgegeben hat als Wegzehrung«. Und das machten sie auch.
Als sie dann ein Stück lang zusammen weitergegangen waren, kamen sie zu einem Bach, welcher durch eine grüne Wiese floß, und da sagte der Jüngere, daß sie einander Namen geben müßten. »Wir müssen uns damit eilen, weil keine Zeit war, es zu Hause zu tun, so werden wir es hier machen«, sagte er.
»Wie willst du heißen?«fragte der ältere.
»Ich will Lillekort heißen«, antwortete der andere; und wie willst du genannt werden?«
»Ich will ,König Lawring' genannt werden«, sagte der ältere.
Ja, sie tauften einander und gingen weiter. Aber als sie ein Stück
gegangen waren, kamen sie zu einem Kreuzweg, und da beschlossen sie, sich zu trennen und gaben sich die Hand. So machten sie es. Aber kaum waren sie eine kleine Weile gegangen, so trafen sie sich wieder: sie trennten sich erneut und jeder ging seinen Weg. Aber nach einer kleinen Weile ging es wieder so, sie trafen sich wieder ehe sie es sich versahen, und so gings auch das dritte Mal. Da kamen sie überein, daß jeder nach seiner Richtung gehen sollte, der eine nach Osten, der andere nach Westen.»Aber kommst du einmal richtig in Not und Unglück«, sagte der ältere, »so rufe dreimal nach mir, so werde ich kommen und dir helfen; aber du darfst nur nach mir rufen, in der äußersten Not!«
»Da werden wir uns wohl nicht so schnell wiedersehen!« sagte Lillekort.
Dann sagten sie einander »Leb wohl«, und Lillekort ging nach Osten und König Lawring ging nach Westen.
Als nun Lillekort ein Stück allein gegangen war, traf er eine alte, krummrückige Frau, die nur ein Auge hatte. Das schnappte Lillekort ihr weg.
»Au, au«, rief die Alte, »wo kam mein Auge hin«?
»Was gibst du mir, wenn du dein Auge wiederbekommst?« fragte Lillekort.
»Ich gebe dir ein Schwert, das eine ganze Kriegsmacht überwinden kann, obgleich es gar nicht so groß ist«, sagte die Alte Frau.
»Ja, gib mir das«, sagte Lillekort.
Die Alte gab ihm das Schwert, und sie bekam ihr Auge wieder.
Dann ging Lillekort wieder weiter, und als er eine Weile gegangen war, traf er wieder eine alte, krummrückige Frau, die nur ein Auge hatte; das stahl ihr Lillekort weg, ehe sie es merkte.
»Au, au, wo kam mein Auge hin?« rief sie.
»Was gibst du mir, wenn du das Auge bekommst?«fragte Lillekort.
»Ich gebe dir ein Schiff, das in Süßwasser und Salzwasser fahren kann, über Berg und tiefe Täler«, antwortete die Alte.
»Ja, gib mir das«, sagte Lillekort.
Die Alte gab ihm ein winzig kleines Schiff, das nicht größer war als daß er es in die Tasche stecken konnte; da bekam sie ihr Auge zurück, und jeder ging seines Weges.
Als er eine lange Zeit gewandert war, traf er zum dritten Mal eine alte, alte, krummrückige Frau, die nur ein Auge hatte; das stahl Liliekort ihr wieder weg, und als die Alte schrie und fragte, wo ihr Auge geblieben sei, sagte Lillekort:
»Was gibst du mir, wenn du es wieder bekommst?«
»Ich gebe dir die Kunst, hundert Lasten Malz zu brauen in ein einziges Gebräu«, sagte die Alte. Ja, für diese Kunst bekam die Alte ihr Auge zurück, und jeder ging dann seines Weges.
Aber als Lillekort ein kleines Stück weiter gegangen war, schien es ihm die Sache wert zu sein, das Schiff auszuprobieren. So zog er es aus der Tasche und setzte zuerst einen Fuß hinein und dann den anderen, und sobald er in das Schiff eingestiegen war, mit dem einen Bein, so wurde das Schiff viel größer, und als er dann auch noch mit dem anderen Bein eingestiegen war, wurde es so groß wie Schiffe, die übers Meer fahren. Dann sagte Lillekort: »Fahre nun in Süßwasser und Salzwasser, über Berge und tiefe Täler und halte nicht eher an, bis du zum Königshof gekommen bist!« Und sogleich fuhr das Schiff davon so schnell wie Vögel in den Lüften bis sie herunter zum Königshof kamen. Da hielt es an.
An den Fenstern des Königsschloses hatten sie gestanden und gesehen, wie Lillekort angesegelt kam, und alle zusammen waren so verwundert als er herunter kam, und sie wollten sehen, was das für einer war, der durch die Lüfte in einem Schiff angesegelt kam. Aber während sie vom Königshof herunter liefen, war Lillekort ausgestiegen aus seinem Schiff und hatte es wieder in die Tasche gesteckt; denn sowie er aus dem Schiff stieg, wurde es so klein, wie er es von der alten Frau bekommen hatte. Der König fragte, woher er käme, aber da sagte der Junge, er wisse es nicht; er wisse auch nicht, wie er hierhergekommen sei; aber er bat so wunderschön darum, ob er nicht Dienste verrichten könne am Königshof. Wenn nichts anderes zu tun für ihn sei, so könne er doch Holz und Wasser für die Küche tragen, sagte der König, dazu könne er Erlaubnis bekommen.
Als Lillekort zum Königshof hinauf kam, sah er, daß alles schwarz verkleidet war, außen und innen, Wände und Dach. Er fragte das Küchenmädchen, weswegen das so sei. »Ja, das kann ich dir sagen«, antwortete sie, »die Königstochter ist seit langem drei Trollen versprochen, und nächsten Donnerstagabend soll der eine Troll kommen und sie holen. Ritter Röd hat zwar gesagt, daß er sie befreien wolle, aber wer weiß, ob er das vermag. Und so kannst du wohl verstehen, daß hier Sorge und Betrübnis herrschen«.
Als der Donnerstagabend herankam, folgte Ritter Röd der Prinzessin hinunter zum Strand -denn da sollte sie den Troll treffen. Und er sollte da unten sein und auf sie aufpassen. Aber er fügte dem Troll keinen großen Schaden zu, glaube ich, denn kaum hatte sich die Prinzessin
an den Strand gesetzt, kletterte Ritter Röd hinauf in einen grossen Baum, der da stand, und verbarg sich darin, so gut er konnte in den Zweigen. Die Prinzessin bat so herzlich und weinte, daß er sie nicht verlassen solle, aber Ritter Röd kümmerte sich nicht darum: »Es ist besser einer verliert das Leben, als zwei«, sagte Ritter Röd.Indessen bat Lillekort das Küchenmädchen so sehr, ob sie ihm nicht erlauben wolle, ein wenig hinunter zum Strand zu gehen.
»Ach, was willst du dort«, sagte das Küchenmädchen, »du hast da nichts zu suchen«.
»Ach doch, meine Liebe, laß mich gehen«, bat Lillekort, ich will so gern hin und mit den anderen Jungen vergnügt sein«.
»Nun ja, so geh nur hin«, sagte das Küchenmädchen, »aber daß du mir nicht länger bleibst, als bis daß der Kessel mit der Abendsuppe übers Feuer gehängt wird und das Gebratene auf den Rost kommt. Und bring einen tüchtigen Arm voll Holz mit herein wieder in die Küche! Das versprach Lillekort und lief zum Strand hinunter.
So wie er dort hin kam, wo die Königstochter saß, kam der Troll angefahren, und es sauste und brauste nur so ihm ihn herum. Er war so groß und fett, daß es häßlich anzusehen war, und fünf Köpfe hatte er auch.
»Feuer!« schrie der Troll -
»Jawohl, Feuer!« sagte Lillekort.
»Kannst du kämpfen«, fragte der Troll.
»Kann ich es nicht, so kann ich es wohl lernen«, sagte Lillekort.
Da schlug der Troll auf ihn ein mit einer großen, dicken Eisenstange, die er in der Faust hatte, sodaß die Erdspritzer fünf Ellen hoch sprangen.
»Tvi!« sagte Lillekort, »das ist auch etwas; nun sollst du meinen Hieb spüren!« dann ergriff er das Schwert, das er von der Alten empfangen hatte, und hieb auf den Troll los, daß alle fünf Köpfe auf den Sand flogen.
Als die Prinzessin sah, daß sie befreit war, wurde sie so fröhlich, daß sie gar nicht wußte, was sie vor lauter Freude machen sollte, sie tanzte und sprang. »Schlafe nun eine kleine Weile in meinem Schoß«, sagte sie zu Lillekort, und während er so lag, zog sie ihm eine Goldkleidung über.
Aber es dauerte gar nicht lang, so krabbelte Ritter Röd herunter vom Baum, als er sah, daß ihm keine Gefahr mehr drohte. Die Königstochter aber bedrohte er so lange bis sie versprach, zu erzählen, daß er sie befreit hätte, denn sage sie das nicht, so nähme er ihr das
Leben. Dann nahm er Lunge und Zungen des Trolles, legte sie in sein Taschentuch und führte die Prinzessin zurück zum Königshof. Und war er vorher nicht geachtet worden, so wurde er es nun. Der König wußte gar nicht, was er erfinden sollte, um ihn zu ehren, und allezeit saß er zur rechten Seite des Königs bei Tische.Als Lillekort aufgewacht war, fuhr er zunächst mit seinem Trollfrauenschiff weg und holte eine Menge Gold- und Silbersachen und andere prächtige Dinge, die dem besiegten Troll gehört hatten, und damit fuhr er zurück zum Königshof. Als das Küchenmädchen all das Gold sah, wurde sie ganz bleich und fragte: »Aber lieber Freund Liliekort, woher hast du all dieses?« denn sie hatte Angst, er habe es auf keine ehrliche Art erworben. »Ach, ich war ein wenig zu Haus, und da waren diese Sachen aus einem Eimer herausgefallen und da habe ich sie dir mitgebracht!« Als das Küchenmdächen hörte, daß dies alles für sie sei, fragte sie nicht weiter nach der Herkunft der Dinge, sie dankte Lillekort und alles war wieder gut und schön.
Am anderen Donnerstagabend ging es genau so. Alle waren in Leid und Betrübnis, aber Ritter Röd sagte, wenn er die Königstochter von dem einen Troll errettet habe, so könne er sie auch von dem anderen erretten und führte sie hinunter zum Strand. Aber er fügte dem Troll keinen großen Schaden zu; denn bevor die Zeit herankam, da der Troll erwartet wurde, sagte er genau wie beim ersten Male:» Es ist besser, einer verliert das Leben, als zwei«, und kletterte wieder hinauf in den Baum.
Lillekort bat auch diesmal um Erlaubnis, hinunter zum Strand zu gehen.
»Ach, was willst du dort«, sagte das Küchenmdächen.
»Ach, Liebe, laß mich gehen«, sagte Lillekort, »ich will so gerne hinunter und mich mit den anderen Jungen vergnügen«. Ja, dann solle ihm erlaubt sein, zu gehen, aber zuerst mußte er versprechen, er solle zurück sein, wenn das Gebratene gewendet werden müsse, und dann solle er einen großen Arm voll Holz mitbringen.
Kaum war Lillekort hinunter zum Strand gegangen, so kam der Troll auch schon angefahren, daß es um ihn nur so sauste und brauste. Der war noch einmal so groß wie der erste Troll und hatte zehn Köpfe.
»Feuer!« schrie der Troll.
»Jawohl, Feuer!« sagte Lillekort.
»Kannst du kämpfen?«fragte der Troll.
»Kann ich es nicht, so werde ich es lernen«, sagte Lillekort.
Da schlug der Troll auf ihn ein mit einer Eisenstange, die war noch
größer, als die andere, die der erste Troll hatte -sodaß die Erdspritzer zehn Ellen hoch in die Luft sprangen.»Tvi!« sagte Lillekort, »das war auch etwas! Nun sollst du gleich sehen, wie ich zuhaue!« So ergriff er das Schwert und hieb auf den Troll ein, sodaß alle zehn Köpfe über den Sand tanzten.
Dann sagte die Königstochter wieder zu ihm: »Schlafe eine kleine Weile in meinem Schoß«, und während Lillekort dort lag, zog sie ihm eine Silberkleidung über.
Sobald Ritter Röd merkte, daß ihm länger keine Gefahr drohe, krabbelte er vom Raum herunter und bedrohte die Prinzessin so lange bis sie versprach, zu sagen, daß er es gewesen sei, der sie vom Troll befreit habe. Dann nahm er die Zungen und die Lunge von dem Troll und legte sie in sein Taschentuch, und dann führte er die Königstochter zurück zum Schloß. Hier war Freude und Glück, das kannst du glauben, und der König wußte gar nicht, was er anstellen sollte, Ritter Röd ja genug Ehre und Dank zu erweisen.
Aber Lillekort nahm wieder mit sich einen Arm voll Gold -und Silbersachen aus den Trollschätzen in das Trollfrauenschiff. Als er in das Königsschloß zurückkam, schlug das Küchenmädchen die Hände zusammen und wunderte sich, woher all das Gold und Silber käme. Aber Lillekort antwortet, er sei ein wenig daheim gewesen, und da seien diese Sachen aus einem Eimer herausgefallen und das hätte er mit zum Küchenmädchen genommen, sagte er.
Als der dritte Donnerstagabend kam, ging es genau wie das erste Mal. Der ganze Königshof war mit Schwarz verkleidet und alle waren in Sorge und Leid. Aber Ritter Röd sagte, sie hätten keinen Grund, sich zu fürchten, hätte er die Königstochter von zwei Trollen befreit, so könne er sie wohl auch von dem dritten Troll befreien. Er führte sie hinunter zum Strand, aber als die Zeit nahte, wo der Troll kommen sollte, kroch er hinauf in den Baum und verbarg sich wieder. Die Prinzessin weinte und bat ihn, zu bleiben, aber das half nichts, es blieb beim alten: »Das ist besser, einer verliert das Leben, als zwei«, sagte Ritter Röd.
An diesem Abend bat Lillekort gleichfalls um Erlaubnis, hinunter zum Strand zu gehen.
»Ach, was willst du dort?«fragte das Küchenmädchen.
Aber er bat so lange, bis er endlich Erlaubnis bekam, zu gehen. Aber das mußte er versprechen, daß er in der Küche zurück sei, wenn das Gebackene bereitet werden müsse.
Sobald er hinunter zum Strand kam, erschien der Troll, daß es nur
so sauste und brauste. Der war viel größer als die anderen beiden und hatte fünfzehn Köpfe.»Feuer!« rief der Troll.
»Jawohl, Feuer!« sagte Lillekort.
»Kannst du kämpfen?«fragte der Troll.
»Kann ich es nicht, so kann ich es wohl lernen«, sagte Lillekort.
»Ich werde es dich lehren«, schrie der Troll und schlug auf ihn ein mit seiner Eisenstange, sodaß die Erdspritzer fünfzehn Ellen in die Luft sprangen.
»Tvi«, sagte Lillekort, »das war auch etwas! Nun sollst du einen Schlag von mir sehen!«Sogleich ergriff er das Schwert und hieb damit gegen den Troll, sodaß alle fünfzehn Köpfe über den Sand tanzten. Da war die Prinzessin befreit und sie dankte und segnete Lillekort dafür, weil er sie gerettet habe.
»Schlaf nun eine kleine Weile in meinem Schoß«, sagte sie, und während er so lag, zog sie ihm eine Messingkleidung über.
»Aber wie sollen wir nun beweisen, daß du es warst, der mich befreit hat?« fragte die Königstochter.
»Das will ich dir schon sagen«, antwortete Lillekort. »Wenn jetzt Ritter Röd dich wieder heimgeleitet hat und sich als den ausgibt, der dich vom Troll befreit, so weißt du, daß er dich heiraten und das halbe Königreich bekommen soll. Aber wenn du am Hochzeitstage gefragt wirst, wen du haben willst zum Einschenken der Schalen, sollst du sagen: »Ich will den armen Jungen dazu haben, der in der Küche ist und Holz und Wasser trägt für das Küchenmädchen«. Aber während ich einschenke, verliere ich einen Tropfen auf seinen Teller, aber nicht auf deinen, so wird er bös werden und mich schlagen. Und das wiederholen wir beide dreimal. Aber das dritte Mal sollst du sagen: »Du sollst dich schämen, daß du meinen Herzallerliebsten schlägst! Er hat mich befreit und ihn will ich haben!«
Dann sprang Lillekort zum Königshof zurück wie die anderen Male auch. Aber vorher war er draußen beim Trollfrauenschiff so schnell er konnte, und nahm einen ganzen Haufen Gold und Silber und andere kostbare Dinge aus dem Trollschatz, und davon gab er dem Küchenmädchen wieder einen Arm voll Gold -und Silberdinge.
Noch nie war Ritter Röd so schnell vom Baum herunter geklettert, als die Gefahr vorüber war, wie diesmal. Und er bedrohte die Königstochter bis sie versprach, sie würde sagen, er habe sie vom Troll befreit. So führte er sie zurück zum Königshof. Und war er vorher nicht genug geehrt, so wurde er es nun: der König dachte an nichts anderes,
als wie er den ehren sollte, der seine Tochter befreit hatte von den drei Trollen. Das sei abgemacht, daß er die Tochter heiraten und das halbe Reich bekommen solle, sagte er.Aber am Hochzeitstage bat die Prinzessin darum, daß der arme Junge, der Holz und Wasser für das Küchenmädchen trug, Mundschenk sein solle am Brauttisch. »Ach, was willst du mit dem schwarzen Betteijungen hier drin«, sagte Ritter Röd, aber die Prinzessin sagte, sie wolle ihn haben, um die Schalen zu füllen, und sonst keinen anderen, und endlich bekam sie dazu die Erlaubnis. Und so ging alles wie es verabredet war zwischen Lillekort und der Königstochter: er verlor einen Tropfen auf den Teller von Ritter Röd, aber keinen auf ihren. Und jedesmal wurde Ritter Röd böse und schlug nach ihm. Beim ersten Schlag fiel das Lumpenkleid von Lillekort ab, das er in der Küche übergezogen hatte, und beim zweiten Schlag fiel die Messingkleidung und beim dritten Schlag die Silberkleidung. Dann stand er da in der Goldkleidung, so blank und prächtig, daß es um ihn nur so leuchtete.
Da sagte die Königstochter: »Schämen sollst du dich, daß du meinen Herzallerliebsten schlägst! Er hat mich erlöst und ihn will ich haben!«
Ritter Röd schwor und fluchte, daß er sie befreit hätte; aber da sagte der König: »Der, welcher meine Tochter befreit hat, wird wohl etwas vorzuweisen haben«.
Also lief Ritter Röd gleich davon und holte sein Taschentuch mit Lungen und Zungen, und Lillekort holte all das Gold und Silber und all die Kostbarkeiten, die er aus dem Trollschatz genommen hatte. So legte jeder das Seine dem Könige vor. »Er muß den Troll getötet haben«, sagte der König und zeigte auf den Jungen mit all seinen Kostbarkeiten und Schätzen, »denn so etwas ist nirgends anders zu bekommen«. Und so wurde Ritter Röd in den Schlangengraben geworfen, und Lillekort sollte die Prinzessin haben und das halbe Reich.
Eines Tages gingen Lillekort und der König spazieren. Da fragte Lillekort den König, ob er nicht mehrere Kinder gehabt hätte. »Ja«, sagte der König, »ich habe noch eine Tochter gehabt, aber die hat der Troll genommen und da ist nicht einer, der sie befreien kann. — Nun hast du die eine meiner Töchter bekommen; aber kannst du auch die andere erlösen, die der Troll mir weggenommen hat, so kannst du sie gerne auch haben und auch die andere Hälfte des Reiches«.
»Ich will es gern versuchen«, sagte Lillekort, »aber ich muß dazu eine Eisenkette haben, die fünf hundert Ellen lang ist, und dann will ich fünf hundert Mann haben und Wegzehrung für die fünfzehn Wochen, denn ich will weit auf See hinaus«, sagte er.
Ja, das könne er gerne haben, aber der König war in Sorge, daß er kein so großes Schiff haben würde, das alles zusammen tragen könne.
»Das Schiff habe ich selbst«, sagte Lillekort und zog das Schiff aus der Tasche, das er von der Trollfrau bekommen hatte.
Der König lachte ihn aus und dachte, das könne ja nur ein Spaß sein. Aber Lillekort bat nur um das, was er verlangt hatte, so würde der König schon sehen.
Da kamen sie mit all den Sachen, und Lillekort bat, zuerst sollten sie die Eisenkette ins Schiff legen, aber da war niemand, der die Kette auch nur anzuheben vermochte, und viele konnten nicht Platz bekommen um das winzige Schiff herum auf einmal. So nahm Lillekort selbst die Kette auf, an dem einen Ende, und legte einige Kettenglieder in das Schifflein, und so wie er die Kette in das Schiff lein zu legen begann, wurde das Schiff größer und größer, und zum Schluß war es so groß, daß alles, die Kette und die fünfhundert Mann und die Wegzehrung für fünfzehn Wochen und er, Lillekort selbst, gut darin Platz hatten. »Fahre nun durch Süßwasser und Salzwasser, über Berge und tiefe Täler, und halte nicht vorher an, bis du dorthin kommst, wo des Königs Tochter ist«, sagte Lillekort zu dem Schiff. —Und sogleich fuhr es davon, und es kreischte und pfefferte nur so um es herum, als es über Land und Wasser fuhr.
Als sie so lange, lange dahin gesegelt waren, hielt das Schiff mitten im offenen Meer an. »Ja ,nun sind wir angekommen«, sagte Lillekort, »aber eine andere Sache ist die, wie wir wieder von hier weg kommen«.
Dann nahm er die Eisenkette und band das eine Ende um seinen Leib. »Nun muß ich auf den Grund«, sagte er, »aber wenn ich stark an der Kette ziehe, und will wieder hinauf, müßt ihr alle ziehen wie ein Mann, sonst ist nicht daran zu denken, daß wir am Leben bleiben, ihr nicht und ich nicht«. Und damit sprang er in die See, sodaß goldene Luftblasen um ihn im Wasser standen. Er sank und sank, und endlich kam er auf den Grund. Da sah er einen großen Fels mit einer Tür daran, und da ging er hinein. Als er hineingekommen war, fand er die andere Königstochter dort, sie saß und nähte. Aber als sie Lillekort sah, schlug sie die Hände zusammen. »Ach Gott sei gelobt«, rief sie, nun habe ich keinen Chritenmenschen gesehen, seitdem ich hierher gekommen bin«.
»Ja, ich will dich holen«, sagte Lillekort.
»Ach, mich bekommst du nicht«, sagte die Königstochter, »das ist gar nicht daran zu denken, wenn der Troll dich sieht, nimmt er dir das Leben«.
»Das wäre gut, du würdest mir von ihm erzählen«, sagte Lillekort, »wo ist er denn? Das würde ein Spaß sein, ihn zu sehen«.
So erzählte die Königstochter, daß der Troll ausgegangen sei, um einen einzufangen, welcher hundert Lasten Malz zu einem Gebräu brauen könne, denn es solle ein Gastgelage beim Troll abgehalten werden, und da könne er nichts weniger anbieten als das.
»Das kann ich machen«, sagte Lillekort.
»Wenn nur der Troll nicht so hitzigen Sinnes wäre, sodaß ich ihm das in Ruhe erzählen könnte«, antwortete die Köngstochter, »aber er ist so brausend zornig, daß er dich in Stücke reißt, sowie er hereinkommt, fürchte ich. Doch ich will versuchen, etwas zu erfinden. Nun kannst du dich hier im Alkoven verstecken, so wollen wir sehen, wie es geht«.
Ja, so machte es Lillekort, und kaum war er in den Alkoven gekrochen und hatte sich versteckt, so kam auch schon der Troll.
»Huff, hier riecht es nach Christenmannsblut«, schrie der Troll.
»Ja, es flog ein Vogel übers Dach mit einem Christenknochen im Schnabel, und den hat er runter in den Schornstein fallen lassen«, antwortete die Königstochter, »ich beeilte mich, ihn fortzuwerfen, aber es riecht wohl trotzdem noch danach«.
»Ja, das ist es wohl«, sagte der Troll. Dann fragte die Königstochter, ob er wohl einen erwischt hätte, der hundert Lasten Malz zusammenbrauen könne in ein einziges Gebräu.
»Nein, das kann niemand«, sagte der Troll.
»Es ist eine kleine Weile her, da war einer hier drin, der sagte, das könne er«, erzählte die Königstochter.
»Du bist doch sonst allezeit so klug, du«, antwortete der Troll, »warum hast du ihn gehen lassen? Du wußtest doch, so einen wollte ich haben«.
»Ich ließ ihn natürlich nicht gehen«, sagte die Königstochter, aber weil du so hastigen Sinnes bist, so versteckte ich ihn im Alkoven. Wenn du keinen bekommen hast, so ist er eben hier«.
»Laß ihn herauskommen!« sagte der Troll. Als Lillekort aus dem Alkoven herauskam, fragte ihn der Troll, ob das wahr sei, daß er hundert Lasten Malz in ein Gebräu bringen könne.
»Ja«, sagte Lillekort.
»Das ist gut, daß ich dich bekommen habe«, sagte der Troll, »mache dich sofort ans Werk, aber hüte dich, das Bier nicht stark genug zu brauen«.
»Ach, das wird schon schmecken«, sagte Lillekort, und nun begann
er zu brauen.»Aber ich muß noch viele Trolle haben, die den Absud tragen können«, sagte Lillekort, » die ich bekommen habe, vermögen es nicht so gut.
Ja, er bekam eine Menge Trolle zur Hilfe, daß es nur so wimmelte, und so ging es gut mit dem Brauen.
Als nun die Würzprobe fertig war, sollten sie alle zusammen kosten, versteht sich, erst der Troll selbst und dann die anderen. Aber Lillekort hatte die Würzprobe so stark gebraut, daß sie tot umfielen wie die Fliegen, nachdem sie davon getrunken hatten. Zum Schluß blieb niemand anderer zurück, als eine alte, schwache Frau, die hinter dem Ofen saß«. Ach, du Arme!« sagte Lillekort, »du mußt natürlich auch etwas zu kosten bekommen«. Dann ging er hin und schabte auf dem Grund des Braukessels mit dem Milchgefäß die Reste zusammen und gab sie ihr. Da war er sie alle zusammen los.
Als er nun so dastand und sich umsah, entdeckte er eine große Kiste. Die nahm Lillekort und füllte sie mit Gold und Silber. Dann band er das Eisenkettenende um sich, um die Kiste und um die Prinzessin und ruckte an der Kette aus Leibeskräften. Da zog die Mannschaft alles nach oben und barg es wohlbehalten im Schiff.
Da nun Lillekort auf diese Weise wieder an Bord gekommen war, sagte er: »Fahre nun durch Salzwasser und Süßwasser, über Berg und tiefe Täler, und halte nicht eher an, bevor du am Königshof angekommen bist«, und sofort fuhr das Schiff davon, sodaß goldene Wasserfälle um es herum sprangen.
Als die am Königshof das Schiff sahen, beeilten sie sich, es mit Sang und Spiel zu begrüßen, und sie empfingen sie alle fröhlich. Aber am frohesten von allen war der König, der nun auch seine andere Tochter wieder hatte.
Aber wem nicht so gut zumute war, das war Lillekort, denn beide Königstöchter wollten ihn haben, aber er selbst wollte niemanden anderen haben, als diejenige, die er zuerst erlöst hatte - das war die Jüngste. Deshalb ging er oft hin und her und dachte darüber nach, was er wohl machen könne, daß er sie bekäme, bevor die andere ihn auch haben wollte. Eines Tages, als er die Sache hin und her bedachte, fiel ihm ein, daß er doch einen Bruder habe. König Lawring, der ihm so sehr glich, daß man beide nicht voneinander unterscheiden konnte. So könne der die andere Königstochter und das halbe Reich haben, denn er selbst würde genug haben mit der einen Hälfte. Kaum war ihm das eingefallen, so ging er auch schon hinaus vor das Schloß und rief nach
König Lawring. Nein, der kam nicht. So rief er noch einmal und etwas lauter, aber nein, es kam niemand. So rief Lillekort zum dritten Male, und dann aus allen Kräften; da stand der Bruder vor ihm.»Ich sagte, du solltest mich nicht rufen, außer in der äußersten Not!« sagte er zu Lillekort, »und hier ist ja keine Mücke, die dir etwas tun kann«. Damit schlug er nach ihm, und Lillekort rollte über den Hügel hinab.
»Schäme dich, daß du mich schlägst«, sagte Lillekort zum Bruder, »zuerst habe ich dir eine Königstochter gewonnen und das halbe Reich und dann die andere Königstochter und das andere halbe Reich. Und nun dachte ich dir die eine Königstochter abzugeben und die andere Hälfte des Königreiches -findest du das rühmlich, so zu verfahren mit mir?« -
Als König Lawring das hörte, bat er seinen Bruder um Vergebung und sie wurden gleich wieder gute Freunde und liebten einander. »Nun weißt du«, sagte Lillekort, »daß wir uns so ähneln, daß uns keiner voneinander unterscheiden kann. Wechsle also die Kleider mit mir und geh hinauf zum Schloß, so glauben die Königstöchter, das bin ich, der da kommt. Diejenige, die dich zuerst küßt, sollst du haben, so nehme ich die andere«. Denn er wußte, daß die ältere Königstochter die stärkere war, und so konnte er sich das wohl denken, wie es ausgehen würde.
König Lawring willigte sofort ein, er wechselte die Kleider mit seinem Bruder und ging hinauf zum Schloß. Als er in den Raum hineinkam zu den Königstöchtern, glaubten sie, das sei Lillekort, und beide sprangen sie auf ihn zu. Aber die ältere, welche die stärkere und größere war, stupfte die Schwester beiseite und fiel König Lawring um den Hals und küßte ihn. Und so bekam er sie, und Lillekort bekam die jüngste Königstochter. Da kann man sich wohl vorstellen, das gab eine doppelte Hochzeit, von der man in sieben Königreichen hörte und sprach.
Mühlensagen
Wenn die Welt gegen mich ist, wie das nicht selten zu gehn pflegt, so habe ich mich stets damit abgefunden, indem ich eine Freiluftwanderung machte, welche meinen Kummer und meine Unruhe dämpften. Was mir diesmal verquer kam, daran erinnere ich mich nicht mehr, aber das, was klar vor mir steht, ist, daß ich vor einigen Jahren eines Sommernachmittags über Wiesen wanderte, an der Ostseite vom Akersfluß, mit der Angel in der Hand, am Torshaug vorbei und Sandaker gegen Lillehagen zur Mündung bei Maridalswasser.
Die klare Luft, der Heuduft, das Vogelgezwitscher, die Blumendüfte und das frische Lüftchen beim Fluß wirkten höchst belebend auf meinen Sinn. Als ich bei der Mündung über die Brücke kam, begann die Sonne sich gegen den Hügelrand zu neigen. Die Abendwolken liehen sich gerade ihren schönsten Glanz, daß sie sich eine kurze Stunde mit der fremden Pracht freuen und sich in den klaren Wellen spiegeln konnten. Bald sank die Sonne gegen die Wolkendecke und sandte Lichtstrahlen aus, welche goldene Pfade bildeten in den dunklen Waldlichtungen auf der anderen Seite des Wassers. Nach dem heißen Tage führte der Abendwind erfrischende Tannendüfte mit sich, und die ferne klingenden, verhallenden Töne von Kuckucks Abendgesang stimmte den Sinn zur Wehmut. Gewohnterweise folgte mein Auge der Fliege an der Angelschnur, die ich ausgeworfen hatte, welche die Strömung mit sich nahm. Sieh, da sprang ein goldener Fisch - die Schnur fuhr surrend über die Rolle, und da ich sie festhielt, bog sich die Stange wie ein Faßreifen: das mußte eine Forelle von drei Pfund sen. Jetzt war keine Zeit mehr, sich in Gedanken zu verlieren über Tannenduft und Kuckucksruf, man mußte seine ganze ruhige Geistesgegenwart anwenden, um den Fisch an Land zu bringen, denn die Strömung war stark, und der Fisch sprang, und ich hatte kein rundes Netz an langer Stange, ich mußte die Schnur hinausgeben und einwinden, zwei mal, denn er ließ sich zwingen, mit dem Strom zu gehen, in eine kleine Bucht, wo er dann endlich an Land gebracht wurde und sich zu wehren wußte: vor mir lag eine rotgefleckte Forelle, ungefähr so groß wie ich gedacht hatte.
Ich blieb dabei, an der Westkante zu fischen, den Fluß hinunter,
aber nur kleine Fische schnappten nach meiner Fliege. Als ich zur Brekke-Sägemühle kam, war der Himmel bewölkt, es war schon ziemlich dämmrig, nur am nordwestlichen Rand des Horizonthes stand ein apfeigrüner Streifen, welcher ein gedämpftes Licht auf des Mühlenteiches stille Fläche warf. Ich ging auf den schwimmenden, schaukelnden Baumstämmen, warf einige Male die Angel aus, aber mit wenig Glück. Kein Lüftchen regte sich, der Wiend schien zur Ruhe gegangen zu sein, und nur meine Fliege brachte das blanke Wasser zum Zittern. Ein halberwachsener Junge, der oben am Abhang stand, riet mir, ich solle die Angelschnur hin und her ziehen mit einem ganzen Büschel Regenwürmer am Haken und bot sich an, den Köder zu beschaffen. Ich folgte dem Rat und versuchte damit mein Glück. Der Versuch übertraf meine Erwartung. Eine Forelle von einigen Pfund biß sofort an und wurde, nicht ohne Schwierigkeiten, an der unbequemen Landungsstelle herausgebracht. Aber damit war es auch vorbei. Nicht ein Biß war mehr zu spüren, kein Fisch kräuselte das Wasser in dem stillen Teich. Nur Fledermäuse, die in der Luft flatterten, erzeugten gelegentlich, wenn sie nach Insekten niederschossen, zitternde Ringe, die sich auf der blanken Wasserfläche ausbreiteten.Vor mir lag das Innere der Sägemühle, klar erleuchtet von einem glühenden Herdfeuer. Die Säge war in vollem Gange, aber es sah aus wie aufgezogen, Sägeblätter und Gewichtstangen wurden nicht gesteuert von menschlichem Willen oder Hand, sondern es ging wie ein Spielzeug für Mühlenknurrens oder Wasserscheusals Laune und sichtbarem Griff. Aber schließlich zeigten sich dennoch menschliche Erscheinungen. Einer fuhr mit einer riesigen Gabel raus zu den Stämmen im Teich, um einen Baumstamm in die Rinne für die Stämme zu ziehen, und setzte so die ganze Wasserfläche in wallende Bewegung. Ein anderer kam eilig vor mit einer Axt in Händen, um den Baumstamm zu stoppen und zurecht zu legen und das Schalbrett raus zu werfen, das krachend nieder in die Tiefe stürzte.
Das sauste und brauste, kreischte und tönte von innen, und ab und zu wurde, wie ein Riesenschwert ein blinkendes Sägeblatt draußen in der Luft in Bewegung gesetzt - man konnte glauben im Gefecht mit Nachtgeistern zu sein -, um die Knuppel und die unebenen Enden der Stämme abzusägen.
Von Norden her kam ein etwas kalter Luftzug nach dem Flußlauf, der mich fühlen ließ, daß ich naß und müde war, und ich entschloß mich deshalb, hineinzugehen und mich etwas auszuruhen, beim Feuer, in der Mühlenstube. Ich rief den Jungen, der noch unten am Ufer stand,
und bat ihn ,den Fischkorb mitzunehmen, den ich zurückgelassen hatte, und mir über das Floßwehr zu folgen. Die glatten Stämme schaukelten, sodaß das Wasser bei jedem Schritt, den ich tat, überschwappte.Nahe bei dem einen Rauchfang in der Sägemühle saß ein alter, graubärtiger Arbeitsmann mit einer roten Mütze über die Ohren niedergezogen. Schatten vom Rauchfang hatten ihn früher vor mir verborgen. Als er hörte, daß ich ausruhen und mich ein wenig wärmen wollte, nahm er sofort einen Holzklotz und machte einen Sitz für mich beim Feuer.
»Das ist ein leckerer Fisch«, sagte der Alte und nahm die letzte Forelle, die ich gefangen hatte, in die Hände, »das ist ein Hakenfisch, der wiegt gut drei Pfund, den hast du sicher im Teich hier bekommen«.
Ich bejahte dies, und der Mann, der angab ein eifriger Angler zu sein, begann zu erzählen von den großen Forellen, die er in dieser Gegend vor dreißig Jahren gefangen hatte, als er hierherkam aus dem Gudbrandsdal, und stellte herzzerreißende Klagen darüber an, daß die Fische abnehmen und die Sägespäne zunehmen.
»Die Fische nehmen ab«, sagte er mit einer Stimme, die den Sägelärm durchdrang, »denn so ein Goldhakenfisch, nicht größer als dieser da, ist jetzt selten zu fangen, aber Sägespäne, die nehmen von Jahr zu Jahr zu, und man kann sich nur wundern, daß die Fische nicht aus dem Fluß verschwinden, denn öffneten sie das Maul, um einen Schluck frisches Wasser zu bekommen, so bekämen sie gleich den ganzen Magen voller Sägespäne und Dreck. Das verdammte Sägemehl! Gott verzeihe mir meine Sünde, denn die Säge ist es, die mir und den Meinen Brot gibt. Aber ich werde so zornig, wenn ich an die schweren Fische denke, die ich in alten Tagen herausgezogen habe«.
Der Junge war inzwischen mit dem Fischkorb nachgekommen, aber er sah aus, als ob ihm übel zumute wurde von all dem Lärm und der Unruhe in der Sägemühle. Vorsichtig trat er auf die Fußbodenbretter, und an seinem Gesicht sah man, wie ängstlich er war vor dem Wasser, das zwischen den Rädern brauste unter seinen Füßen.
»Hier ist es häßlich zu verweilen, ich wollte, ich wäre daheim«, sagte er.
»Bist du hier nicht zu Hause?«fragte ich.
»Was bist du für einer, wo bist du her?«fragte der Alte.
»Ach, ich bin von der Altstadt und ich bin auf unserer Amtsstube in Brekke gewesen mit einem Brief für den Lehnsmann, aber ich habe Angst, allein in der Dunkelheit zu gehen«, antwortete der Junge, der die ganze Zeit sich in meiner Nähe aufgehalten hatte.
»Schämst du dich nicht, deswegen zu jammern, so groß und lang wie du bist«, sagte der Alte, doch fügte er tröstend hinzu, »bald kommt der Mond heraus und du kannst mit diesem Mann hier gehen«.
Ich versprach dem dunkelängstlichen Jungen Begleitung bis Beiersbrücken, und das schien ihn ein wenig zu beruhigen. Indessen stand die Säge still und zwei von den Männern begannen das Sägeblatt zu feilen und zu schärfen mit einem quietschenden Geräusch, das durch Mark und Bein ging - so durchdringend war der Laut, daß nicht selten zur Nachtzeit das Sägegeräusch aus der Ferne bis ganz hinunter zur Stadt durch das Wasserfallgeräusch hindurchtönt. Das schien auf die Nerven des dunkelängstlichen Knaben unbehaglich zu wirken.
»Huff, hier getraute ich mich nicht eine Nacht zu verbringen«, sagte er und schaute umher, als ob er darauf wartete, einen Nöck aus dem Fußboden auftauchen zu sehen oder ein Gnömchen in jedem Winkel.
»Ich habe von Mutter gehört, daß in solch alten Säcken und Mühlen es eine Menge Trollzauber und Teufelsspuk geben müsse«, kam es erschreckt vom Knaben.
»Ich kann nicht gerade sagen, daß ich viel davon bemerkt habe«, sagte der Alte. Gewiß, es wurde mir das Wasser zeitweise gestoppt und wieder zugeführt, wenn ich ein wenig geschlummert habe bei der Säge in der Nacht, und zwischendurch habe ich gehört, daß sich etwas zu schaffen machte zwischen den Abfallbrettern, aber nie habe ich etwas gesehen. Das Volk glaubt auch nicht mehr an so was«, sagte er und richtete fragende Blicke nach mir hin, »und deswegen wagen sie sich nicht mehr hervor; das Volk ist zu klug und belesen heutigentags«.
»Da kannst du recht haben«, sagte ich, denn ich merkte gut, daß er etwas verbarg hinter seinen Blicken, die er mir zusandte, und wollte ihn gern dazu bringen, alte Geschichten zu erzählen, anstatt mich darauf einzulassen, seinen Zweifel zu diskutieren und die Behauptung, daß die Aufklärung ein Schrecken sein sollte für die Hauszwerge und die Unterirdischen. »Da kannst du auf eine Weise recht haben. In alten Tagen war das Volk stärker im Glauben an alle Art Trollwerk. Nun tun sie so, als ob sie nicht mehr daran glauben, um klüger und aufgeklärter zu erscheinen, wie du sagst. Aber in Bergdörfern hört man doch immer noch, daß die Unterirdischen sich zeigen, Leute zu sich hereinlocken und dergleichen. Nun sollst du, »fügte ich hinzu, um ihn richtig in Gang zu bringen, »nun sollst du eine Geschichte hören, welche sich einstmals ereignet hat, aber wo und wann sie geschah, kann ich mich nicht mehr erinnern«.
»Es war einmal ein Mann, der hatte eine Mühle bei einem Wasser-
fall. Und da war auch ein Mühlentroll. Ob der Mann, wie es Brauch an solchen Orten ist, ihm zur Begütigung Fladen und Weihnachtsbier gab, um Mehlvorrat zu bekommen, habe ich nicht gehört, aber es ist nicht wahrscheinlich. Denn jedesmal, wenn er mahlen wollte, griff er in die Räder und stoppte die Mühle, sodaß er nicht mahlen konnte. Der Mann wußte gut, daß es der Mühlentroll war. Und eines abends, als er mahlen wollte, nahm er einen Topf voll Pech und Teer und entfachte Feuer darunter. Als er das Wasser über das Räderwerk laufen ließ, ging es eine Weile gut, aber dann stand es still, wie er erwartet hatte. Er stach und schlug nach dem Mühlentroll in die Rinne und um das Räderwerk herum, aber das half nichts. Schließlich öffnete er die Tür, die zum Räderwerk und der Rinne hinausging, aber da stand der Mühlentroll mitten in der Tür und sperrte sein Maul auf, und das war so groß, daß der Unterkiefer an der Türschwelle war, und der Oberkiefer oben am Türbalken. »Hast du je ein so großes Maul gesehen«, sagte er. Der Mann griff nach dem Pechtopf, der dort stand und kochte, schlug ihm das ins Maul und sagte: »Hast du je so heiß gekochtes gekannt?« Da ließ der Mühlentroll das Räderwerk gehen und fing fürchterlich an zu brüllen. Seitdem hat man ihn weder gesehen noch gehört, und nie hat er die Mühlenleute mehr am Mahlen gehindert«. — »Ja«, sagte der Knabe, der mit einer Mischung von Furcht und Neugier meiner Erzählung gefolgt war, »das habe ich auch gehört von meiner Großmutter, und sie erzählte ein anderes Stückchen, auch von einer Mühle.Es war auf dem Lande irgendwo, und niemand konnte etwas gemahlen bekommen, denn die Mühle war so voller Trollwerk. Aber da war eine arme Frau, die so notwendig am Abend etwas gemahlen haben mußte, und sie bat, ob sie nicht Erlaubnis bekommen könnte, dort in der Nacht zu mahlen. »Nein, Gott bewahre dich«, sagte der Mann, dem die Mühle gehörte, »das geht nicht, daß du nachts hier mahlst, da kommt so viel Spuk über dich und die Mühle«. Aber die alte Frau sagte, sie hätte es so nötig zu mahlen, denn sie hätte kein Krümchen Mehl mehr, um einen Brei zu kochen, und sie hätte ihren Kindern keinen Bissen Brot mehr zu geben. Zum Schluß bekam sie die Erlaubnis, zu der Mühle zu gehen und in der Nacht dort zu mahlen.
Als sie hin kam, machte sie Feuer unter einen großen Teerkessel, der da stand, setzte die Mühle in Gang und setzte sich an den Feuerplatz, um weiter an ihrem Strumpf zu stricken. Nach einer Weile kam ein Weiblein herein und grüßte: »Guten Abend, du«, sagte sie zu der alten Frau. »Guten Abend«, sagte die Alte, blieb sitzen und strickte weiter.
Doch mit einem male fing die Hereingekommene an, die Glut auseinander zu breiten, damit das Feuer erlösche. Und die Alte mußte alles wieder zusammenschüren.
»Wie heißt du«, sagte die Unterirdische zur Alten.
»Ach, ich heiße Selbst«, sagte die Alte. Das schien ihr ein seltsamer Name zu sein, und so begann sie wieder, das Feuer zu zerteilen und die Glut zu breiten. Da wurde die Alte wütend und fing an zu schimpfen und schürte das Feuer wieder zusammen. Das trieben sie eine ganze Weile. Aber schließlich schüttete die Alte den Teerkessel über die andere aus. Ach, wie sie kreischte und schrie! Und dann rannte sie hinaus und schrie:
»Vater, Vater, Selbst hat mich verbrannt!«
»O, hast du selbst das getan, so mußt du selbst es auch erleiden«, sagte es fern im Berge«.
»Das war gut, daß nichts schief ging mit der Alten«, sagte der Graubart. »Sie hätte leicht alles verbrennen können, sich selbst und die Mühle.
Als ich zu Haus war, hörte ich etwas ähnliches erzählen, was sich dort zugetragen haben soll in alten Tagen. Da war ein Erbhofbauer, der hatte eine Mühle, und die brannte an zwei Pfingstabenden nacheinander ab. Als im dritten Jahr die Pfingstzeit nahte, kam ein Schneider zu ihnen und nähte Festtagskleider.
»Ich glaub, das geht dies Jahr mit der Mühle wieder so, ich glaube, die wird diese Nacht auch brennen«, sagte der Mann.
»Das wird nichts zu bedeuten haben«, sagte der Schneider, »gib mir den Schlüssel, so werde ich gut auf die Mühle aufpassen«.
Das fand der Mann gut und schön, und als es auf den Abend zuging, bekam der Schneider den Schlüssel und ging zur Mühle hinab. Sie war noch leer, denn sie war gebaut - und so setzte er sich mitten auf den Fußboden, zog seine Kreide hervor und schlug einen großen Ring um sich, und rund um den Ring schrieb er das Vaterunser, und so hatte er keine Angst, selbst wenn der Teufel kommen würde. Als es Mitternacht war, flog mit einem Male die Türe auf und herein kamen Haufen von schwarzen Katzen, daß es nur so wimmelte. In Windeseile hatten sie einen Kessel auf das Kaminfeuer gesetzt, Holz darunter gelegt, sodaß es zu brausen und zu brodeln begann im Kessel, als ob kochendes Pech und Teer darinnen waren.
»He, he«, dachte der Schneider, »hängt das so zusammen«, und kaum hatte er das gedacht, so tat eine Katze die Pfote hinter den Kessel und wollte ihn umkippen.
»Scht, Katze, du brennst dich!« rief der Schneider.
»Scht, Katze, du brennst dich! sagte der Schneider zu mir«, sprach die Katze zu den anderen Katzen. Da sprangen sie alle fort vom Kamin und begannen zu hopsen und zu tanzen rund um den Ring; doch da geschah es, daß die Katze sich wegstahl zum Kamin und den Kessel wieder umstoßen wollte.
»Scht, Katze, du brennst dich!« schrie der Schneider und scheuchte sie weg vom Kamin.
»Scht, Katze, du brennst dich! sagt der Schneider zu mir«, sprach die Katze zu den anderen. Und alle zusammen sprangen und tanzten wieder. Und dann geschah es, daß sie den Kessel wieder zu stürzen versuchte.
»Scht, Katze, du brennst dich!«schrie der Schneider, und zwar so laut und erschreckend, daß sie über den Fußboden schlitterten, die eine über die andere, und dann fuhren sie fort zu hopsen und zu tanzen wie vorher.
Dann schlug die große Katze einen Kreis außen um den Ring herum, und so begannen sie von neuem zu tanzen, schneller und schneller, und zum Schluß so schnell, daß es dem Schneider ganz drehend wurde. Sie glozten ihn an mit solch häßlichen großen Augen, als ob sie ihn lebend verschlingen wollten. —Ehe er sich versah hatte die große Katze, die vorhin im Begriff war, den Kessel umzustürzen, ihre Tatze in den Ring hineingestreckt, so als ob sie Lust hätte, den Schneider anzukrallen. Aber als der Schneider das sah, zog er sein Messer aus dem Gürtel hervor und hielt es bereit. Als ihm die Tatze plötzlich wieder entgegenfuhr, hackte er sie geschwind ab, und alle Katzen stürzten hinaus, so schnell wie möglich, mit Geheul und mit Geschrei.
Der Schneider jedoch legte sich nieder im Ring und schlief, und zwar so lange, bis die Sonne weit auf den Fußboden zu ihm hineinschien. Dann stand er auf, verschloß die Mühle und ging zum Erbhof hinauf.
Als er in die Stube hineinkam, lagen beide, der Mann und seine Frau, noch im Bett, denn es war Pfingstmorgen. »Gesegneten Tag!« sagte der Schneider und gab dem Manne die Hand.
»Danke, dir auch«, sagte der Mann, und er war froh und verwundert, daß er den Schneider wiedersah, das kann man sich denken.
»Gesegneten Tag, Mutter!«sagte der Schneider zur Frau und bot ihr die Hand.
»Danke, dir auch«, sagte die Frau. Aber sie war so bleich und sah so seltsam verstört aus, und ihre Hand versteckte sie unter der Pelzdecke,
aber schließlich reichte sie ihm die Linke. Da verstand der Schneider, wie alles zusammenhing. Was er aber dem Manne sagte, und wie es dem Weibe weiterhin erging, das habe ich nie vernommen«.»Die Mülleralte war selbst eine Trollhexe?« fragte der Junge, der mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört hatte.
»Das kannst du wohl glauben«, sagte der alte Graubart.
Es war nicht mehr länger möglich, ein Wort zu hören, denn die Säge ging wieder mit Saus und Braus. Der Mann stand auf, und meine Müdigkeit war weg nach der kurzen Rast. Deshalb sagte ich Lebewohl zu dem Alten und ging mit dem nachtscheuen Jungen zusammen davon, den Fluß entlang und durch Sümpfe nieder ins Tal. Aus dem Rauchschleier der Stadt erhob sich Schloß Akershus mit seinen Türmen, das trat alles klar hervor gegen den Spiegel des Fjords. Der Himmel war nicht ganz rein und es war etwas Windzug in Wolken und Luft. Das Mondlicht mischte sich mit der Dämmerung der Sommernacht und dämpfte die Umrisse im Vordergrund der Landschaft, die sich zu unseren Füßen erstreckte. Aber über dem Fjord lag der Mondschein, blank und schimmernd, während die bläulichen Schatten der Berge sich gegen den Himmel zu übereinander schichteten, und der Landschaft den fernen Rahmen gaben.
Erquickt vom kühlen Bad des Nachttaus sandten Fiolen und andere Nachtblumen ihren lieblichen Duft über die Wiesen aus, aber von Sümpfen und Flußläufen kamen ab und zu feuchte Lüfte, die mich anwehten.
»Huff, es schaudert mich!« sagte mein Begleiter. Er glaubte wohl, daß diese Lüfte von nächtlichen Geistern ausgeatmet wären und meinte, er sähe eine Trollhexe oder eine Katze mit glühenden Augen in jedem Busch, der sich im Winde rührte.
Der Fuchs als Hirte
Es war einmal eine Frau, die wollte hinaus und sich einen Hirten suchen. Da begegnete ihr der Bär.
»Wo willst du hin?«fragte der Bär.
»Ich wollte mir draußen einen Hirten dingen«, anwortete die Frau.
»Willst du mich nicht als Hirten haben?«fragte der Bär.
»Ja, nur, wenn du hübsch lecken kannst«, sagte die Frau.
»MÖ-i«, rief der Bär.
»Nein, dich will ich nicht haben«, sagte die Frau, als sie das hörte und ging ihren Weg weiter.
Als sie ein Stück gegangen war, begegnete ihr ein Wolf.
»Wo willst du hin?« sagte der Wolf.
»Ich wollte mir draußen einen Hirten dingen«, antwortete die Frau.
»Willst du mich nicht zum Hirten haben«, fragte der Wolf.
»Ja, kannst du hübsch lecken«, sagte die Frau.
»Uh -Uh«, rief der Wolf. »Nein, dich will ich nicht haben«, sagte die Frau.
Als sie noch ein Stück Weges gegangen war, begegnete ihr ein Fuchs.
»Wo willst du hin?« sagte der Fuchs.
»Ach, ich suche mir draußen einen Hirten«, sagte die Frau.
»Willst du mich nicht als Hirten haben«, fragte der Fuchs.
»Ja, nur wenn du so lecken kannst«, sagte die Frau.
»Dill -dall -helum«, sagte der Fuchs so unverkennbar und fein.
»Ja, dich will ich haben«, sprach die Frau und nahm den Fuchs zum Hirten ihres Viehes an.
Am ersten Tag, als der Fuchs das Vieh weidete, fraß er alle Gaisen auf, am zweiten Tage ließ er sich alle die Schafe schmecken und am dritten Tage fraß er alle Kühe auf. Als er so am Abend nach Hause kam, fragte die Frau, wo er ihre Herde gelassen habe.
»Die Schädel im Bach und die Körper im Wald«, sagte der Fuchs.
Sie stand eben und butterte, aber ihr schien, sie müsse trotzdem einmal nachsehen, und während sie nun fort war, schleckte der Fuchs aus dem Butterfaß den Rahm. Als die Frau wieder nach Hause kam und das sah, wurde sie so bös, daß sie den Rahmrest, der noch übrig war, nahm und ihn gegen den Fuchs schleuderte, sodaß er einen Spritzer ans Schwanzende bekam.
Daher kommt es, daß der Fuchs eine weiße Schwanzspitze hat.
Der Huldrehut
Es war einmal auf einem Hof eine große Hochzeit, und zu dieser Hochzeit ging auch ein Häusler. Er wanderte gerade über einen Acker, da fand er ein Milchsieb, wie man es gewöhnlich aus den Haaren von Kuhschwänzen ficht; es sah aus wie ein brauner Lappen. Er hob es
auf, denn er dachte, man könne es ja auswaschen, und dann wollte er es seiner Frau zum Geschirrspülen mitbringen.Aber als er in das Hochzeitshaus eintrat, da war es ihm, als ob ihn keiner sähe. Der Bräutigam und die Braut nickten den anderen Leuten zu, man plauderte mit ihnen und schenkte ihnen auch etwas ein. Er aber bekam keinen Trunk und keinen Gruß. Dann kam der Küchenmeister und bat die anderen Leute zu Tisch, aber ihn bat er nicht, und er bekam auch nichts zu essen, denn von allein wollte er sich nicht zu Tisch setzen, wenn ihn niemand dazu aufforderte. Schließlich wurde er zornig und dachte: »Ich kann ja wieder heim gehen, wenn sich hier kein Mensch um mich kümmert«.
Als er heim kam, sagte er: »Guten Abend, da bin ich wieder«.
»Um Gottes Willen, kommst du schon wieder?« fragte seine Frau.
»Ja, es war kein Mensch da, der sich um mich kümmerte oder der mich auch nur angeschaut hätte«, sagte der Mann, »und wenn mich die Leute dort so wenig achten, so habe ich nichts dort zu suchen, meine ich«.
»Ich höre dich zwar, aber ich kann dich nicht sehen. Wo bist du denn«, rief die Frau.
Der Mann war unsichtbar, denn was er gefunden hatte, war ein Huldrehut.
»Wie redest du denn? Siehst du mich nicht? Bist du auch närrisch geworden?« fragte der Mann. »Hier habe ich dir ein altes Haarsieb mitgebracht, das schenke ich dir, ich habe es draußen auf dem Acker gefunden«, sagte er und warf es auf die Bank. Da sah ihn die Frau, aber der Huldrehut war sogleich verschwunden, denn er hätte ihn nur leihen nicht schenken dürfen.
Nun merkte der Mann, wie das alles zusammenhing und ging wieder zurück zum Hochzeitsfest. Die Leute nahmen ihn diesmal freundlich auf, man bot ihm zu trinken an und bat ihn, sich zu Tische zu setzen.