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INHALT
ZUR EINFÜHRUNG 5
MÄRCHEN AUS FINNLAND
Der alte Hahn 9
Das Märchen vom Zauberroß 12
Geld macht nicht reich, wenn Gott nicht hilft 17
Vom dummen Teufel 18
Vom dummen Teufel - zum anderen Male 19
Der Goldvogel 20
Der Mann mit dem Rindenschuh 25
Die törichte Frau 26
Der Zauberring 29
Die sieben Brüder 32
Der Ochsensohn 35
Der Besenbinder und der König 46
Die böse Frau 47
Bruder und Schwester und die goldlockigen Königssöhne 48
Was ist besser: Wahrheit oder Lüge? 54
Wie die Trauerbirke entstanden ist 58
Die dankbaren Tiere 60
Die Ehegatten 63
Das rote Schaf, an dem alles hängen blieb 64
Der sprechende Baum 65
Das übertretene Verbot 66
Das Teufelsschloß 68
Der Königssohn als Gärtner 73
Der Soldat 78
»Bekennst du?« 80
Von einem Fisch geboren 83
Ein Kopf 88
Die Tiere und der Teufel 92
Der Wolf als Grenzwächter 94
Das Märchen vom roten Meere 95
MÄRCHEN AUS ESTLAND
Der Bräutigam mit der goldenen Nase 103
Der Lohn der Stieftochter und der Haustöchter 104
Der Schlangenkamm 109
Das Gesicht in der Neujahrsnacht 110
Der Bettler und die reiche Bäuerin 111
Die wunderbare Flöte 114
Der Diebslehrling 117
Wie ein Waisenknabe unverhofft sein Glück fand 119
Wie ein Gutsbesitzer in den Himmel kam 126
Des Nebelberges König 127
Die Färber des Mondes 132
Der Hausgeist 137
Warum das Elentier weiße Streifen unterm Bauch hat 141
Warum der Hase eine gespaltene Lippe hat 142
Der Hund und die Katze 143
Das Krähenmännchen heiratet 143
Der Fuchs und der Krebs 144
Als Tiere zur Beichte gingen 145
Die kämpfenden Brüder 148
Die Sonnentochter 152
Die wunderbare Handmühle 158
Jeder kriegt, was er verdient 161
Der Zwerge Streit 164
MÄRCHEN AUS LETTLAND
Der Dumme und das Feuerzeug 170
Wie der Herr zum Gaul ward 176
Wie der Holzhauer den Teufel überlistet und die Königstochter gewinnt 180
Die Hexe auf der Espe 185
Der starke Bruder und die treulose Schwester 191
Gottes Schwiegersohn und der Richter 196
Tschuinis 201
Die Teufelskünste 208
Die Stieftochter und die echte Tochter 212
Die sieben Königssöhne 216
Wie der Bauer in die Hölle kam 228
Abenteuer eines Königssohnes 230
Wie der Kuckuck entstand 332
Wie die Katze die Füchse tötete 234
Warum die Spinne auf dem Rücken einen Buckel hat 236
Weshalb die Menschen die Schwalbe lieben und die Schlange hassen 238
Die fünf Katzen 239
Der Krebs, die Ratte und der Mistkäfer 239
Bauer, Bär, Wolf und Hase 241
Das silberne, goldene und diamantene Roß 243
MÄRCHEN AUS LITAUEN
Der alte Vater Frost und sein junger Sohn 250
Wie ein Mädchen als Hexe viele Jünglinge zu Tode quält 253
Hundert Hasen 257
Die Frau, die böser war als der Teufel 260
Die Fliege und die Laus 261
Der Kampf mit dem Riesen 262
Von einem Soldaten, der vom General zum Ziegenhirten wurde 263
Der Hund und die Ziege 266
Von des Kaufmanns Sohn und dem Schwan 267
Von einem Königssohn und seinem ungetreuen Diener 275
Lügengeschichte 278
Von einem Mann, der in einen Wolf verwandelt wurde 280
Von einem Knecht, der den Farn blühen sehen wollte 280
Vom Leiden des Flachses 281
Vom Kater, dem Hahn und dem Fuchs 284
Von drei Königstöchtern, die zu Schwanen verwandelt wurden 285
Vom Dummling, dessen Freund der Wolf war 288
Die Geschichte eines Dummkopfes 292
Vom liederlichen Sohn 294
Von den drei Brüdern und dem Frühling 296
Von einem alten Mann und einer alten Frau 299
Von einem alten Mann und seinen drei Töchtern 302
Von einem Mann, der dem Teufel drei Jahre diente 303
Von den drei Brüdern, die sich ganz ähnlich sahen 305
Der Schuster und der Schneider 311


Bd_02-003-Titel Einfuehrung. Flip

Märchen aus Finnland und dem Baltikum


Illustrationen von Ingeborg Ullrich

Märchen europäischer Völker



Bd_02-004-Titel Einfuehrung. Flip

Nach alten Vorlagen unter Heranziehung
von Texten in englischer und französischer Sprache,
die vom Herausgeber unter Mitarbeit von Ursula Rauch übersetzt wurden,
  ausgewählt und mit einer Einführung versehen von Karl Rauch
Lizenzausgabe mit Genehmigung von Interbooks, Zürich
        für Verlag Olde Hansen, Hamburg
und Bertelsmann Reinhard Mohn OHG. Gütersloh
die Europäische Bildungsgemeinschaft Verlags-GmbH, Stuttgart
und die Buchgemeinschaft Donauland Kremayr &Scheriau, Wien
Diese Lizenz gilt auch für die Deutsche Buch-Gemeinschaft
   C. A. Koch's Nachf.. Berlin-Darmstadt-Wien
Umschlag- und Einbandgestaltung R. Metke
Gesamtherstellung Mohndruck Reinhard Mohn OHG, Gütersloh
           Printed in Germane Buch-Nr. 08697 5


Bd_02-005-Titel Einfuehrung. Flip


ZUR EINFÜHRUNG

Von den nordischen Völkern besitzen die Finnen und Esten eine besonders ausgedehnte Volksdichtung. Dabei stehen weit voran die beiden großen epischen Gesänge des »Kalevala« und des »Kalevipoeg«, die in ihrer Tendenz und stofflichen Vielfältigkeit wohl mit der »Edda« zu vergleichen sind und mit Einzelheiten großenteils an Märchenwelten anknüpfen. Der verlockende Gedanke, auf ihre folkloristisch höchst aufschlußreichen Probleme einzugehen, verbot sich für die gedrängte Kürze unseres Unternehmens von vornherein. Auszüge daraus zu bieten, würde erfordern, auf viele Schönheiten zu verzichten, auf deren berückende Poetik schon Jakob Grimm voller Begeisterung hinwies. Wäinämöinen ist der erlauchte Name des heldischen Sängers des umfangreichen, in viele weisheitsvolle Gesänge aufgegliederten Weltenschöpfungsgedichts des »Kalevala«. Die estnischen Sagen des »Kalevipo-eg« haben sich in ihrer gegenwärtig vertrauten Form aus einer vielfach unklaren, ursprünglichen Chaotik reinster Volksdichtung im Zuge mannigfaltiger Umschmelzung herausgelöst. Wir halten uns hier an die eigentlichen Volksmärchen, an denen Finnland ganz unvergleichbar reich ist. Das Archiv der Finnischen Literatur-Gesellschaft in Helsingfors birgt gegenwärtig gut 30000 handschriftliche Aufzeichnungen von im Volke von früher her überlieferten und mündlich erzählten echten Märchen und erfährt bis in unsere Tage fortwährend neue Bereicherung. Tiermärchen sind bei den Finnen vom Mittelalter her stets besonders beliebt gewesen. Schriftliche Aufzeichnungen sind erst im dritten und vierten Jahrzehnt des letztvergangenen Jahrhunderts erfolgt, und etwa um 1850 ist mit der Herausgabe der Märchen in finnischer Sprache begonnen worden. Erich Rudbeck, in finnisch



Bd_02-006-Titel Einfuehrung. Flip

Salmelainen genannt, hat eine ganze Reihe »Märchen und Sagen des finnischen Volkes« veröffentlicht, von denen Emmy Schreck einen größeren Teil ins Deutsche übertrug. Salm elainen selber arbeitete noch weithin nach der uns von den Brüdern Grimm her vertrauten Methode und erlaubte es sich, verschiedene mündlich vorhandene Varianten eines Märchens zu einem mehr oder weniger geschlossenen Ganzen zu verknüpfen.

Im Jahre i 88o fing die Finnische Literatur-Gesellschaft damit an, ihre vorbildliche Sammeltätigkeit systematisch auszubauen. Sie entsandte kundige Sammler in sämtliche Landesteile und ließ ein riesiges Märchenmaterial zusammentragen, das weitreichende Kenntnis hinsichtlich Verbreitung, Häufigkeit und ausgedehnte Wanderungen der einzelnen Stoffe vermittelte. Hervorragende Vertreter dieser Forschungstätigkeit waren außer dem Helsingforser Universitätsprofessor Kaarle Kron, der allein auf seinen schon in jungen Jahren begonnenen Reisen in abseitige und entlegene Landschaften weit über 8000 Märchen aufgeschrieben hat, A. Alaon, Lilli Lilius und J. Sjöros. Auch Tiermärchen brachte K. Kron zum Druck, der mit L. Lilius zusammen einen Band »Königsmärchen« veröffentlicht hat. Seit mehr als fünfzig Jahren, genau seit seinem Gründungsjahre 1907, besorgt der Folkloristische Forscherbund, dem bekannte Forscher aus allen Ländern, auch solche aus Deutschland, angehören, die Herausgabe der F. F. Communications und F. F. Publications, die über volkskundliche Forschungsergebnisse informieren. Sie sind vornehmlich in deutscher Sprache geschrieben und verdienen als überragend wichtiges Organ internationaler Märchenforschung hohe Beachtung. Infolge der riesigen Fülle von Varianten innerhalb der finnischen Sammlungen ist es seither zu einer staunenswerten Vertiefung der Forschungsmethoden gekommen.

Aus der estnischen Märchenforschung, die wesentlich geringeren Umfangs ist als die finnische, aber wohl ähnlich große Erfolge verzeichnet, sei erwähnt, daß sie bereits 1817 begann und von Jakob Grimm für die Wissenschaft entdeckt wurde. Grimm selber übersetzte auch sechs einzelne Märchen aus der ihm laut eigener Aussage »ungeläufigen Sprache« ins Deutsche und gab diesen in der Vorrede zu seinem 1834 erschienenen »Reinhart Fuchs« achtungheischend Raum.



Bd_02-007-Titel Einfuehrung. Flip

Dazu gehören u. a. die allerwärts sehr beliebten Märchen vom Fuchs, Wolf und Bären. Finnische und estnische Märchen pflegen mit Nachdruck das Tiermärchen. Daneben finden Zaubermärchen einen großen Anklang, die sich durch uralte und bedeutungsstarke Motive vor anderen auszeichnen. Eine erste Auswahl von »Märchen und Sagen des estnischen Volkes« in deutscher Übersetzung erschien schon in den Jahren 1881-1888. Die Märchen beider Völker sind weithin bunt gemischt mit solchen aus der estnischen Diaspora im russischen Gouvernement Witebsk. Diese häufig als »Ludsener (richtiger und korrekter auf russisch >Ljuziner<) Märchen«bezeichneten Märchen entstammen in ihren Ursprüngen Gebieten, in denen hauptsächlich Letten, Russen und Polen ansässig sind, und machen eine klare Unterscheidung zwischen ingermanländischen und finnischen Ursprüngen vielfach noch beschwerlicher. Russische Ausdrücke (Rubel, Werst, Pud, Samowar usw.) treten häufig auf, auch russische Redensarten sprichwörtlichen Charakters wie etwa »Der Morgen ist klüger als der Abend«. Spezielle Züge der finnischen und estnischen Märchen lassen sich wohl vor allem aus Natur- und Umwelt-Gestalten ablesen. Diese vermitteln Eingang ins rauhe, dunkle, unermeßliche Waldland des Nordens, führen zu entlegenen Seen und bedrohlichen Stromschnellen. In den Wäldern hausen Wölfe und Bären, die sich unschwer in Menschen verwandeln können, während die Bauern auf steinigen Äckern sich mit einem meist kargen Leben zufriedengeben müssen und die Fischer auf kaltem und vielfach stürmischem See ihre Fänge nur unter vielfältiger Not und Gefahr einzubringen vermögen. Die inbrünstige Sehnsucht nach dem Wohnen im »steinernen« Haus, wo es ausreichend Vieh gibt mitsamt Vorräten an Mehl und Brot, und das Hoffen aufs »Brodland«, in dem sich's geruhsam und sorgenfrei dem einer Zither ähnlichen Musikinstrument der Finnen, der Kantele, lauschen läßt, lockt und tröstet Köhler und Holzfäller in ärmlichen Hütten. Trocken und eintönig pflegen Finnen und Esten in ihren Märchen auch die phantastischsten Geschehnisse darzubieten. Dialoge werden meist straff und knapp gehalten. Traumwelt und fast jegliche lyrischen Bezüge gedeihen selten. Dennoch eignet diesen uns vielfach fremdländisch anmutenden Märchen ein höchst eigener, waldumdunkelter Reiz und Zauber.



Bd_02-008-Titel Einfuehrung. Flip

Lettland und Litauen - für eine deutsche Blickwendung nordöstlich gelegene Grenzbereiche - sind mit Proben innerhalb der zweiten Hälfte dieses Bandes vertreten. Dabei verdient es sorgliche Beachtung des Umstandes, daß sich vornehmlich in Litauen aus Gründen historischer Entwicklung von früh an Motive gemütvoller deutscher Märchentradition mit solchen osteuropäischer und russisch-polnischer Herkunft uneinheitlich und mehr oder weniger plump mischen. Häufig werden Motive ausgetauscht und verwechselt und auch Dinge aneinandergeknüpft, die nichts miteinander zu tun haben. Neben Ungeschicklichkeiten begegnet man oft auch auf die Dauer störenden Wiederholungen und nur unter Schwierigkeiten aufzuhellenden Widersprüchen. Mundartliche Wendungen steigern mitunter noch derartige Komplikationen. Tiermärchen stehen im Vordergrund. Der Teufel in mancherlei Abwandlungen spielt eine bedeutsame Rolle und wird gern als betrogener Betrüger gefoppt und angeführt. Beliebt sind wie bei anderen Völkern Dummkopfs- und Dümmlingsmärchen. Auch Lügenmärchen lassen gern den einfachen und armen Mann über vornehme und vermögende Adelsleute triumphieren.

Viele der lettischen Märchen entstammen der umfassenden Sammlung, die vom dortigen Volksschullehrer Hans Lerchis-Puschkaitis in Siuxt im damaligen Kurland um die Jahrhundertwende mit Unterstützung der Wissenschaftlichen Kommission des Rigaer Lettischen Vereins herausgegeben worden ist. Der verdienstvolle Herausgeber hat viele der aufgenommenen Märchen selber einfachen Leuten aus dem Volke abgelauscht. An seinem Sammelwerk, das er auf mehr als 6000 Stücke brachte, sind annähernd 900 Personen beteiligt gewesen.

In der unter den lettischen Märchen aufgenommenen Geschichte »Die Hexe auf der Espe« stellen wir eine neue Variante des in vielerlei Fassungen über die ganze Welt verbreiteten Brüdermärchens vor, das nachweisbar zu den ältesten Weltmärchen gehört und schon ums Jahr 1500 v. Chr. bei den Ägyptern erzählt worden ist. Viele werden darin auch »Das Märchen von den zwei Brüdern« aus der Grimmschen Sammlung wiedererkennen.



Bd_02-009-Maerchen aus Finnland. Flip


MÄRCHEN AUS FINNLAND


Der alte Hahn

Es war einmal ein großes Schloß, und dessen Herr besaß einen alten Hahn. Weil dieser nun schon reichlich alt war, mochten die Schloßleute ihn nicht mehr füttern, und der Hahn mußte sich in der Umgegend durch Betteln sein Futter zusammensuchen. Weil aber auch das nicht genug einbrachte, damit er sein Leben fristen konnte, beschloß der arme Hahn, doch wieder heimzukehren. Unterwegs begegnete ihm ein Fuchs, der ihn fragte: »Wohin wanderst du denn, Hähnchen?« —»Ich gehe wieder heim«, antwortete der Hahn, »beim Betteln kommt nichts heraus!« — »Nimm mich mit«, sagte der Fuchs. — »Ich habe nicht die Kraft, dich zutragen«, erwiderte der Hahn; »aber wenn du dich in einen Floh verwandelst und dich unter meinen Flügeln versteckst, will ich dich wohl gern mitnehmen.« Der Fuchs verwandelte sich in einen Floh, und der Hahn steckte ihn unter seinen Flügel. Dann wanderte er noch ein Weilchen weiter, und es begegnete ihm ein Wolf und sprach ihn an: »Wohin gehst du, Hähnchen?« — »Nach Hause«, antwortete der Hahn. Als der Wolf das hörte, wollte er ihn durchaus begleiten und sagte: »Nimm mich mit!« — »So verwandle dich in einen Floh und setze dich in die Federn an meiner Seite, dann will ich dich mitnehmen«, antwortete der Hahn. Der Wolf ward zum Floh, und der Hahn steckte ihn ins Seitengefieder. Darauf, als er eine gute Strecke weitergewandert war, begegnete ihm ein Bär und bat ebenfalls, mitgenommen zu werden. Der Hahn riet auch ihm, sich in einen Floh zu verwandeln, und nachdem der Bär das getan hatte, steckte er ihn ins Schenkelgefieder.



Bd_02-010-Maerchen aus Finnland. Flip

So wanderte er dahin und kam endlich in sein altes Heim, stellte sich auf den Schloßhof und fing an zu krähen:

»Kikeriki, Kikeriki!
Der Hahn hat einen goldenen Helm!
Der Herr ist nur ein armer Schelm,
Hat seinen Hahn verjagt!«


***
Das erregte im Schloßherrn einen großen Zorn. Er befahl seinem Knecht, den Hahn umzubringen.

Der Knecht fühlte Mitleid mit dem Hahn, der doch so schön krähen konnte; er weigerte sich, die unbequeme Arbeit zu tun, weil sie ihm einfach zuwider war.

»Nun, von mir aus magst du den Hahn auch in den Stall zu den wilden Hengsten sperren, die werden ihn rasch zu Tode stampfen«, meinte der Herr. Der Hahn wurde dann auch in den Stall gebracht. Aber er erlitt dort keinerlei Schaden; denn als die Hengste anfingen auszuschlagen, sagte der Hahn nur: »Komm unter meinem Schenkel hervor, lieber Bär, friß, soviel du vermagst, und töte das übrige!«Sofort erschien auch der Bär, der als Floh am Schenkel des Hahnes gesessen hatte, fraß so viele von des Herrn Zuchthengsten, als er nur konnte, und tötete und zerfleischte alle übrigen. Am folgenden Tage kam alles, um nach dem Hahn zu sehen; der Schloßherr selber kam in den Stall, um sich zu überzeugen, daß die Hengste den Hahn zerstampft hatten; aber dieser war noch am Leben und krähte genau wie früher:

»Kikeriki, Kikeriki!
Der Hahn hat einen goldenen Helm!
Der Herr ist nur ein armer Schelm,
Hat seinen Hahn verjagt!«


***
Im Schlosse waren zwölf gefürchtete, starke Stiere, und der König befahl seinem Knecht: »Hetzt die Stiere auf den Hahn, daß sie ihn stoßen; wir wollen hoffen, daß er getötet wird und das unverschämte Gekrähe ein Ende nimmt.«


Bd_02-011-Maerchen aus Finnland. Flip

Also wurden die Stiere losgelassen. Aber als sie den Hahn stoßen wollten, griff dieser nach dem Floh unter seinem Flügel; der Floh ward wieder zum Wolf und fraß und erwürgte die Stiere alle. Der Hahn aber fing wieder wie früher zu singen an:

»Kikeriki, Kikeriki!
Der Hahn hat einen goldenen Helm!
Der Herr ist nur ein armer Schelm,
Hat seinen Hahn verjagt!«


***
Das hörte der Schloßherr und sagte im Zorn zu seinen Knechten: »Wir haben ja noch zwölf böse Böcke; tragt den Hahn zur Nacht in ihren Stall; wir wollen sehen, ob er nicht endlich aufhört, sein Kikeriki zu singen!«

Gesagt, getan: sie sperrten den Hahn zu den Böcken. Diese gingen gleich auf ihn los, um ihn zu stoßen; aber der Hahn wußte Rat: er ließ den dritten Floh aus seinem Gefieder. Der verwandelte sich in den Fuchs und zerriß und erwürgte die Böcke ganz jämmerlich und fraß davon, soviel er vermochte und fertigkriegen konnte.

Am Morgen wurde nachgesehen, wie es dem Hahn ergangen war. Da fand man ihn noch immer am Leben; und kaum wurde die Tür geöffnet, als auch der Fuchs hinausschlüpfte und seiner Wege lief; wer weiß, wohin er gelaufen sein mag. Als der Schloßherr das erfuhr, ward er furchtbar zornig und sagte: »Dieses absonderliche Tier muß ich doch schließlich umbringen, mag geschehen, was will!« Mit diesem Entschluß ging er in den Viehstall, um den Hahn mit eigenen Händen zu töten. Bald fing er ihn ein und drehte ihm den Hals um, aber noch im Sterben sagte zu ihm der Hahn: »Du wirst mich nicht los, selbst wenn ich tot bin. Noch einmal wirst du meine Stimme hören; aber dann ist auch dein eignes Ende nahe.« Als der Schloßherr das hörte, überlegte er für sich: »Ich muß diesen absonderlichen Unruhestifter einfach aufessen; dann wird er doch endlich von seinem Geschrei lassen.«Deshalb ließ er ein Gastmahl herrichten, wozu alle die benachbarten Herren und viele andere eingeladen wurden, und der Hahn wurde als Braten zubereitet.



Bd_02-012-Maerchen aus Finnland. Flip

Die Gäste waren alle beisammen; alles setzte sich an den Tisch und fing an zu essen. Da nahm der Schloßherr den gebratenen Hahn in die Hand, schnitt sich ein Stückchen davon ab, tat es in den Mund und sagte: »Du hast dir allerlei in deinem Leben zugute kommen lassen, aber dein Kikeriki wirst du nicht mehr rufen!«

Kaum hatte der Herr das gesagt, als der Hahn den Kopf aus dem redenden Munde herausstreckte und krähte wie ehedem:

»Kikeriki, Kikeriki!
Der Hahn hat einen goldenen Helm!
Der Herr ist nur ein armer Schelm,
Hat seinen Hahn verjagt!«


***
Als nun die Gesellschaft aus dem Munde des Schloßherrn diese sonderbare Rede vernahm, gerieten alle in die größte Bestürzung und ließen das Gastmahl unberührt stehen. Endlich, als sich der Herr von seinem Schrecken erholt hatte, rief er seinen Dienern zu: »Ergreift ein Beil, und wenn der Hahn wieder in meinem Mund erscheint, dann spaltet ihm eilends den Kopf!«

Die Diener taten, wie ihnen befohlen war, und als nun der Hahn wieder den Kopf zum Munde des Herrn herausstreckte, hieben sie mit dem Beil auf den Hahn ein; der aber zog schnell den Kopf zurück, und das Beil zerschmetterte das Haupt des Schloßherrn, der tot zu Boden sank, wie es der Hahn vorausgesagt hatte. So lang ist die Geschichte und ganz wahrhaftig hat sich alles so zugetragen.


Das Märchen vom Zauberroß

Ein Vater hatte drei Söhne. Zwei von ihnen waren klug, der dritte aber war dumm. Er konnte weiter nichts als Kuchen aus Asche backen. Da wurde eines Tages bekanntgemacht, daß der König seine Tochter verheiraten wollte. Er ließ mitten im Lande eine sehr hohe Diele aufrichten und darauf ein Häuschen bauen. Da hinein setzte er seine Tochter, und einer, der mit dem Pferde hinaufspringen konnte, sollte sie zur Frau



Bd_02-013-Maerchen aus Finnland. Flip

haben. Vielerlei Volk strömte dorthin, und die klugen Brüder vom Aschenhans waren auch dabei. Der Aschenhans aber verstand nichts von alledem. Er war wirklich zu dumm.

Nun geschah es, daß die Brüder hinterm Hause Weizen geschnitten hatten. Während der Nacht kam der Teufel und stahl von dem Weizen. Als sie sahen, daß der Weizen weniger geworden war, schickten sie den Aschenhans, daß er in der folgenden Nacht auf dem Acker Wache hielt. Er machte sich aus Gerten drei große Ringe und sprach dabei: »Bist du ein guter Geist, so bleibst du im ersten Ring hängen, bist du ein böser, bleibst du im zweiten hängen, bist du aber der Teufel selber, dann bleibst du im dritten hängen.«

Da sieht er schon, wie sich der Teufel mit Feuer naht. Gut eine halbe Werst senkt sich der Boden unter ihm. Wie er zum Weizenfeld kommt, schneidet er mit einem Wurf einen halben Morgen Weizen, der ihm unterm Arm hängenbleibt, und er läuft rasch damit weg. Der Aschenhans springt ihm nach, wirft ihm einen Ring um den Hals und ruft: »Zerreiß den Ring, wenn du's kannst!«Und der Teufel zerreißt ihn. Er wirft ihm den zweiten Ring um den Hals: »Zerreiß auch den!« Und der Teufel zerreißt auch den zweiten. Danach wirft er ihm den dritten Ring zu und sagt: »Zerreiß auch den dritten!« Aber der Teufel sprach: »Das kann ich nicht!« —»Aha, das kannst du nicht, dann bist du gefangen.«

Und der dumme Hans packte den Teufel und sagte zu ihm: »Was zahlst du mir, wenn ich dich laufenlasse?« Der Teufel sprach: »Ich gebe dir ein Pferd, das, wenn du von der einen Seite hineingehst und kommst aus der andern heraus und dann zum linken Ohr hinein- und zum rechten wieder herauskriechst, dich zum schönsten Manne der Welt machen wird.« Und der Aschenhans fragte: »Wo ist denn das Pferd?«

Da pfiff der Teufel dreimal, und schon kam das Pferd. Aus den Nüstern blies es Feuer drei Klafter weit vor sich her. »Was befiehlst du, mein junger Herr?«fragte es den Aschenhans. Und der dumme Hans sagte: »Ei, gar nichts, ich wollte nur einen Versuch mit dir machen.«

Er kroch ihm zum rechten Ohr hinein und zum linken kam er heraus, da war er so häßlich, wie er häßlicher nicht hätte sein können. Dann ging er durch die rechte Seite hinein und zur linken kam er heraus, und zum linken Ohr hinein und kam aus dem rechten heraus, da war er der



Bd_02-014-Maerchen aus Finnland. Flip

schönste Mann von der Welt. Dann ließ er das Roß wieder laufen. Doch kaum war es verschwunden, so war er wieder geradeso häßlich wie vorher.

Er ging nach Hause, kroch auf den Ofen und backte dort Kuchen. Die anderen Brüder hatten sich die Königstochter angesehen, und der Aschenhans fragte: »Ist es hübsch dort? Wenn ich nun auch einmal mitkäme!« Da sagten die Brüder: »Wer wird dich, Dümmling, wohl einlassen? Du bist so dumm, daß du den Menschen unter die Füße kommst.«Da sprach der Aschenhans: »Wenn ihr mich nicht mitnehmt, so werdet ihr noch an mich denken.«

Als er am Morgen aufgestanden war, nahm er einen Rindenkorb in die Hand und ging in den Wald. Er versteckte seinen Korb unter einen Busch, pfiff zwölfmal und sprach: »Komm her zum dummen Hans, du flinkes Roß.« Und das Pferd des Teufels kam. Der Aschenhans kroch ihm zum linken Ohr hinein und zum rechten kam er wieder heraus. Da war er der schönste Mann auf Erden. Dann machte er sich auch dahin auf, wo die Königstochter angestaunt und bewacht wurde. Dort angelangt, sprach er zu seinem Pferde: »Spring zur halben Höhe der Säule, spring nicht bis hinauf!« Aber das Roß lief zu und sprang über die Säule hinweg. Da staunte alles Volk. War das etwa der Böse selber oder war es ein Mensch? Unglaublich erschien es allen, daß das Pferd derart hoch springen konnte. Dann machte sich der Aschenhans auf den Heimweg. Unterwegs begegnete er seinen Brüdern, die auch von dort kamen, die drehten sich um und sagten: »Das war er.« Aber sie wußten nicht, daß es ihr dummer Bruder war. Wie er nun an ihnen vorbeikam, schlug er sie zweimal mit der Knute - erst den einen, dann den andern — so fest, daß ihnen die Haut vom Buckel fiel. Dann ging er in den Wald und ließ das Roß laufen. Danach wurde er wieder alt und häßlich wie zuvor. Er sammelte Teufelspilze und brachte sie nach Hause.

Da lachte der Vater: »Du Tropf, du bist wahrhaftig nicht gescheit, die Pilze bringen ja den Tod, die Krötenpilze.«

Der Aschenhans aber kroch wieder auf seinen Ofen. Als die andern Brüder zur Tür hereinkamen, foppte er sie und sprach: »Haben die Hiebe gutgetan?« Die Brüder sagten: »Sei still, oder wir verprügeln dich !«



Bd_02-015-Maerchen aus Finnland. Flip

Am folgenden Tag gingen sie wieder dorthin, und der Aschenhans bat sie wieder, sie möchten ihn mitnehmen, doch sie taten es nicht. »Wartet nur, ihr werdet noch an mich denken«, sprach der dumme Hans zu seinen Brüdern, nahm den alten Rindenkorb und ging in den Wald, um Pilze zu suchen. Aber er suchte gar keine Pilze, sondern pfiff bloß zwölfmal, da kam sein Roß. »Was befiehlst du, mein junger Gebieter?« —»Wir machen heute einen großen Ritt.« Dann kroch er ihm zum linken Ohr hinein, zum rechten heraus und war ein so schöner Mann, daß es auf Erden nicht seinesgleichen gab. Er machte sich auf, zwei Werst weit sank der Boden unter ihnen ein, drei Klafter weit spie das Roß Feuer. Er kam hin und sprach zu dem Rosse: »Springe so hoch, daß ich der Königstochter die Hand geben kann.« Da sprang das Roß so hoch, daß der Jüngling der Königstochter die Hand geben konnte. Das ganze Volk war von Schrecken erfaßt, und sie sagten: »Das kann kein Christ mehr sein.« Dann machte er sich wieder auf den Heimweg. Unterwegs traf er die Brüder wieder. Als er an ihnen vorbeikam, schlug er jeden viermal mit seiner Knute, daß sie kaum noch nach Hause gehen konnten. Im Walde aber ließ er sein Roß laufen, und danach war er wieder ebenso dumm und häßlich wie zuvor, kroch wieder in die Asche und backte Kuchen.

Ober Nacht schliefen die Brüder, aber am anderen Morgen zogen sie wieder hinaus zur Königstochter. Er bat: »Nehmt mich auch zu dem Feste mit!«Doch die Brüder antworteten: »Da werden keine Dummen zugelassen.« — »Wenn ihr mich nicht mitlaßt, so kommt ihr nicht zu meiner Hochzeit.« —Da lachten die andern: »Auf wessen Hochzeit?« — »Nun, wenn ich die Königstochter heirate.«

Und er ging hinter ihnen her in den Wald, pfiff zwölfmal, da kam sein Roß. Er kroch ihm zum linken Ohr hinein, zum rechten heraus und war so schön, daß dem, der ihn sah, fast die Augen geblendet wurden. Er ritt durch das staunende Volk mit seinem Roß, und dann befahl er ihm, hinaufzuspringen. Er gab der Königstochter die Hand und einen Kuß. Sie drückte ihm ein Zeichen auf die Stirn und steckte ihm einen goldenen Ring an den Finger.

In dem Ring aber stand ihr Name. —Dann sagte er dem Mädchen Lebewohl, und im Fluge ging's heimwärts. Im Walde ließ er das Pferd laufen,



Bd_02-016-Maerchen aus Finnland. Flip

und er war wieder so dumm wie früher. Doch als er nach Hause kam, umwickelte er den Ring mit Pech, damit er nicht leuchten sollte, und verband sich den Kopf, damit der Stempel nicht glänzte. Da fragte ihn der Vater: »Warum bindest du dir die Stirn zu?« — »Mir tut der Kopf so weh«, antwortete der Aschenhans.

Nun, und dann machte sich das ganze Volk auf, um zu sehen, wie der Bräutigam der Prinzessin die Hand reichte. Alle hatten sich in Reih und Glied aufgestellt. Die Königstochter schritt durch die Menge und suchte ihren Verlobten. Zwei Tage suchte sie, fand ihn aber nicht. Da stieg der König auf den Tisch und rief: »Ist noch einer meiner Untertanen daheim?«Und die Brüder sagten: »Wir haben noch einen blöden Bruder bei uns daheim.« — »Dann bringt ihn her!« Die Brüder aber meinten: »Der kann ja überhaupt nichts.«

Da schickte der König seinen Kutscher nach ihm aus, aber der Aschenhans ging nicht mit dem Kutscher. Der König ließ seine drei besten Rosse anschirren und schickte seinen eigenen Bruder hin, ihn zu holen, aber auch da kam er noch nicht, und des Königs Bruder mußte wieder heimkehren.

Danach sagte der Aschenhans zu seinem eigenen Ofen: »Geh, Ofen, geh!« Und der Ofen ging durch die Tür und rollte davon wie eine Eisenbahn. Und er kam bis unter des Königs Fenster auf seinem eignen Ofen. Da lief ein alter Soldat hinter ihm her und riß ihm die Kleider vom Leibe. Und es rührte sich alles in des Königs Schloß, und sie wollten ihn festnehmen, aber sie kriegten ihn nicht. Er lief aufs Feld, pfiff zwölfmal, da kam sein Roß zu ihm. Flink kroch er ihm zum linken Ohr hinein und zum rechten heraus und war ein schöner Mann, daß des Königs ganzes Schloß von ihm widerstrahlte. Als er zum drittenmal gegen das Schloß anstürmte, zerbrach er alle Fenster und sprang in die große Halle, wo die ganze königliche Familie beim Mahle saß. Und sie nahmen ihn mit Ehren auf. Dann feierten sie Hochzeit und lebten glücklich und vergnügt bis ans Ende ihrer Tage.



Bd_02-017-Maerchen aus Finnland. Flip


Geld macht nicht reich, wenn Gott nicht hilft

Mitten im Walde lag eine Hütte, die gehörte einem alten Mann. Da die Hütte nicht weit von der Stadt war, so kehrten dort drei Jäger auf der Jagd ein. Der Alte drehte Seile, immer bloß Seile, was anderes tat er nicht. Da sprachen die Jäger zu dem Alten: »Laß das Seildrehen!« Sie gaben ihm jeder drei Goldstücke und sagten: »Davon kannst du leben.« Der Alte nahm die Goldstücke und steckte sie zwischen die Reifen eines kleinen Fäßchens.

Da kam ein Fuhrmann ins Haus. Der Fuhrmann fragte: »Hat der Wirt kein Gefäß, woraus ich meinem Pferd Häcksel geben kann?« Da holte der alte Mann das Fäßchen und sagte: »Gib ihm hieraus den Häcksel.« —Die Goldstücke zwischen den Faßreifen hatte er vergessen. —Als der Mann sein Pferd gefüttert hatte, ging er fort und warf das Fäßchen auf die Fuhre: »Das kann ich noch ein andermal zum Füttern brauchen«, meinte er und fuhr davon. Der Alte drehte wieder Seile ums liebe Brot, weil sein Geld fort war und er nicht wußte, wovon er sonst leben sollte.

Als die Jäger zur Jagd kamen, machten sie wieder im selben Hause Rast. Der Alte drehte immer noch Seile, und sie sagten wieder zu ihm: »Laß das Seildrehen, Alter«, und gaben ihm abermals jeder drei Goldstücke. Weil er aber gerade einen großen Hut auf dem Kopf hatte, steckte er das Geld in das Hutfutter. Dann gingen die Jäger fort.

Als der Alte aus dem Hause trat, kam ein großer Vogel geflogen, nahm dem Alten den Hut vom Kopf, und seine Goldstücke waren wieder dahin. Er drehte Seile, machte daraus ein Schleppnetz und verkaufte das Netz an zwei Bauern. Dann gab er den Käufern noch einen guten Strick dazu und sprach: »Wenn ich den Strick dem Netz beigebe, so ist der erste Fang mit dem Netz mein.« Sie warfen das Netz aus, aber als sie es wieder aus dem Wasser zogen, hing nur ein einziger Fisch im Netz. Den gaben sie dem Alten, und er trug ihn nach Hause.

Der Fisch aber hatte im Meer einen Stein verschluckt, und der Alte fand den Stein im Magen des Fisches, als er ihn aufschnitt. Es war ein Stein, wie ihn die Vornehmen in Ringen tragen und die feinen Damen als Ohrgehänge, ein sehr kostbarer Stein.



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Wieder kamen die Jäger zu ihm. Sie sahen den Stein, und er erzählte ihnen, wie er dazu gekommen war. Da half Gott dem Alten, daß er wieder Geld bekam. Die Jäger gingen nach der Stadt zurück und erzählten dort von dem kostbaren Stein, den der alte Mann habe, und es kamen Käufer von dort, die kauften den Stein und gaben ihm sehr viel Geld dafür. Sie kauften ihm eine Bauernwirtschaft und forderten ihn auf, dort zu wohnen. Der Alte bezog die Wirtschaft. Als er aber in den Hof kam, stand da sein Fäßchen. Er beguckte es und sprach: »Das ist ja mein Fäßchen, das der Mann mitgenommen hatte!«Und er sah nach und dachte: >Ob wohl das Geld noch zwischen den Faßreifen steckt?< Da war das Geld noch vorhanden. Und der Alte nahm das Geld. Dann stand dort mitten im Garten eine große Birke. In der Birke aber war ein Vogelnest, und das Nest war der Hut, den der Vogel dem Alten weggenommen hatte, in dem die andern Goldstücke steckten. So bekam der Alte auch seinen Hut und sein Geld wieder. Und er lebte wacker und froh in dem Bauernhof bis an sein Ende.


Vom dummen Teufel

Es ging ein Mann den Weg entlang und hörte, wie aus einer hohlen Tanne ein Teufel um Hilfe rief. Da sprach der Mann: »Erst sage mir, was du mir gibst, wenn ich dir helfe.« — »Was du willst.« Da sagte der andere: »Soviel Gold, als ich nur tragen kann, will ich zum Lohn.«Das versprach ihm der Teufel; und der Mann fragte: »Wie kann ich dir wohl helfen?« —»Nimm einen Strohhalm«, sagte der Teufel, »und stecke ihn in das Loch im Stamm, dann kann ich heraus.« Da nahm der Mann einen Strohhalm und steckte ihn in das Loch, und der Teufel kam aus dem Baum hervor. Darauf lief er fort und holte einen Haufen Gold herbei, soviel der Mann nur tragen konnte. Der nahm das Gold und sprach zum Teufel: »Wie bist du nur in das kleine Loch hineingekommen und dann wieder heraus? Das zeig mir doch einmal.« Der Teufel machte sich klein und kroch wieder in die Tanne. Da machte der Mann ein Kreuz über dem Loch, und der Teufel mußte für immer in dem Baume sitzen bleiben.



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Vom dummen Teufel - zum anderen Male

Ein Bauer dünstete sich in der Darre auf dem Ofen Kohirüben. Da kam der Teufel hin, nahm einen Stein vom Ofen und drückte ihn so fest, daß die Spuren seiner Finger in dem Stein blieben. Dann sprach er: »So drücke ich dich, Menschenkind.«Der Bauer nahm flink eine gedünstete Rübe vom Ofen fort und drückte sie so, daß der Brei zwischen den Fingern durchquoll. Dabei sprach er zum Teufel: »Und so quetsche ich dich.« Da sagte der Teufel: »Hei, was du stark bist! Ich habe nur die Finger hineingedrückt, aber du drückst ja, daß alles zwischen den Fingern hindurchspritzt. Wenn du so stark bist, so bist du sicher auch stark genug zum Ringen. Komm, laß uns hingehen und sehen, wer von uns beiden der Stärkste ist.«

Da sprach der Bauer: »Es ist mir nicht der Mühe wert, mit dir zu ringen; aber dort auf dem Haferfeld ist mein Sohn, geh und bitte den, mit dir zu ringen. Er ist etwas schwerhörig, du mußt tüchtig schreien, damit er aufsteht und dahertrottet.« Der Teufel ging hin.

Aber als er auf den Bären zukam, packte ihn der, warf ihn unter sich und drückte ihn so, daß ihm Hören und Sehen verging. Er lief wieder zudem Manne zurück und sprach: »Mit dir ringe ich nicht, ich habe genug an deinem Sohn, wenn der schon so unglaublich stark ist, wieviel stärker mußt du erst sein!«

Dann sprach der Böse zu dem guten Manne: »Komm, laß uns um die Wette laufen und sehen, wer beim Laufen gewinnt!« — »Es ist mir nicht der Mühe wert, mit dir zu laufen«, antwortete der Bauer, »aber dort im Gebüsch sitzt meine jüngste Tochter, geh zu ihr und sprich: >Komm mit, laß uns um die Wette laufen.« Der Teufel sah eine Häsin im Grase sitzen, und er ging auf sie zu. Aber wie sie anfingen, um die Wette zu laufen, sah er nicht, daß sie den Boden berührte. Wieder kam er zum Bauern und sprach: >Mit dir lauf' ich nicht. Ich habe deine Tochter den Boden nicht berühren sehen, so ist sie gesprungen.«

Darauf holte er einen goldenen Knopf aus der Tasche und sprach: »Den wollen wir jetzt werfen.«Er nahm ihn und schleuderte ihn so hoch, daß man nicht mehr als ein winziges Pünktchen davon sah. Dann sagte er zum Bauern: »Wirf du jetzt!« Und der gute Mann dachte: >Was soll



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ich jetzt anfangen, wo ich nicht werfen kann wie er?< —»Nun«, sprach der Teufel, als er ihn so dastehen und überlegen sah, »was überlegst du noch lange?« Der Bauer guckte an den Himmel, sah eine Wolke kommen und sprach: »Warte, warte noch, ich gucke, bis die Wolke da kommt, dann werf' ich ihn hinauf, und du bist ihn los.« Da riß der Teufel ihm den goldenen Knopf aus der Hand und rief: »Du kämest mir recht, mir meines Vaters Goldknopf wegzuwerfen!« —lief davon und kam niemals wieder.


Der Goldvogel

Es war einmal ein König, der hatte vier Söhne. Er hatte einen silbernen Baum, auf dem goldene Äpfel wuchsen. In einer Nacht kam ein Gold-Vogel in den Garten und stahl etliche von den Äpfeln. Da ging der älteste Sohn hin und hielt Wache. Er wachte die ganze Nacht, sah aber nichts. Danach hielt der zweite Bruder Wache, der sah auch nichts. Nun kam der jüngste Sohn, der fast noch ein Kind war, zu seinem Vater und sagte: »Vater, laß mich einmal wachen!« Der Vater wollte ihn nicht gehen lassen, weil er ihm noch so jung erschien, schließlich aber erlaubte er es ihm. Der Knabe nahm ein Messer und eine Kanne voll Wasser.

Mit dem Messer schnitt er sich einen Stock vom Baume, und mit dem Wasser erfrischte er sein Gesicht, um nicht einzuschlafen. Dann wachte er die Nacht auf dem Baume. Da kam der Vogel geflogen, und der Knabe sprang vom Baum herunter und haschte nach ihm, um ihn zu fangen, aber er konnte nur eine Feder erwischen. Die strahlte wie lauter Feuer. Früh am Morgen ging der Junge nach Hause, und der Vater fragte ihn: »Nun, was hast du gesehen?« Der Königssohn sprach: »Es ist ein Goldvogel in den Garten geflogen, aber als ich nach ihm griff, konnte ich nur eine Feder in der Hand behalten.«

Da schickte der Vater den ältesten Sohn aus, den Vogel zu suchen. Er gab ihm ein gutes Pferd und dreihundert Taler mit auf den Weg. Der ist drei Tage lang geritten, und als es Abend wurde, kam er an einen großen Wald, wo er nicht hindurch konnte, und er kehrte wieder um. Danach zog der zweite Sohn aus und nach ihm der dritte, um den Wundervogel zu fangen. Der Vater gab jedem von ihnen sechshundert Taler



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in den Beutel und sein allerbestes Pferd. Aber beiden erging es wie dem ältesten.

Da bat der Jüngste wieder: »Vater, laß mich ausziehen und den Vogel suchen! Ich nehme die Feder als Kennzeichen mit!«

Der Vater gab ihm ein Pferd und soviel Geld für die Reise, wie ein Pferd zu tragen vermochte. Und der Knabe ritt so lange, bis der Weg zu Ende war. Da kam er erst an einen großen Wald und dann vor eine große steinerne Mauer. Er ritt durch den Wald, ritt zwischen Tigern und Bären hin und kam auf einer breiten Landstraße an drei Wegweiser. Auf dem ersten stand zu lesen:

»Gehst du den Weg, wirst du und dein Pferd gefressen.«

Auf dem zweiten stand:

»Du wirst gefressen, das Pferd bleibt am Leben.«

Und auf dem dritten war vermerkt:

»Das Pferd wird unter dir gefressen, du selber bleibst am Leben.«

Da überlegte sich der Knabe drei Tage lang, in welche Richtung er gehen sollte, und er ging schließlich den Weg mit der Inschrift: »Das Pferd wird gefressen, du selber bleibst am Leben!« Kaum hatte er den Weg betreten, als ein Löwe auf ihn lossprang, und sein Pferd zerfiel unter ihm in zwei Hälften. Da weinte der Knabe drei Tage lang. Der Löwe aber kam wieder und sprach: »Setz dich auf meinen Rücken.« Er tat so, und der Löwe sprang mit ihm drei Werst auf einmal. Als er ihn drei Tage getragen hatte, fragte er den Knaben: »Wohin willst du denn eigentlich?« Da sagte der Knabe: »Zu dem Goldvogel.« Da lief der Löwe wieder drei Tage mit dem Jungen auf dem Rücken.

Sie kamen an einen hohen Hügel, der maß sieben Klafter, und der Löwe sprang mit dem Jungen den Hügel hinauf. Dort war ein Zaun von großen Apfelbäumen, und an dem Zaun hing ein prächtiger goldener Käfig, darin saß der Vogel. »Nimm den Vogel«, sprach der Löwe, »aber den Käfig nimm nicht!« Der Knabe sah auf, bewunderte den schönen Vogel und den noch schöneren Käfig dazu und nahm den Vogel mitsamt dem Käfig. Da kamen Männer mit Stangen und Spießen und fingen den Knaben. Sie ließen ihn erst wieder frei, als er ihnen versprach, ihnen aus dem andern Königreich ein flachsmähniges Roß zu bringen. Da lief er zum Löwen und sprach: »Sie haben mich gepackt und mir



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befohlen, aus dem andern Königreich ein flachsmähniges Roß zu bringen.« Der Löwe schalt ihn sehr und sprach: »Den Vogel solltest du nehmen, aber nicht den Käfig.«

Dann setzte sich der Knabe wieder auf den Rücken des Löwen, und sie liefen in das andere Königreich und traten dort in die königlichen Ställe, wo auch ein flachsmähniges Roß stand. Da sprach der Löwe: »Das Pferd nimm, aber den Zaum nimm nicht!« Er ging auf das Pferd zu. Das Pferd war schön, der Zaum aber noch schöner; er konnte das Pferd nicht ohne Zaum wegführen. Er warf ihm das Zaumzeug über den Kopf, aber es fing an zu klirren, und sie ergriffen ihn und sagten zu ihm: »Wir geben dir nur dann das Pferd, wenn du hingehst und uns aus dem dritten Königreich die allerschönste Jungfrau bringst, die schöne Marina. Nun, also machten sie sich nach dem dritten Königreich auf, und sie kamen unter des Königs Fenster. Dort war ein großer Garten. Der Löwe ging hinein, versteckte sich unter einem Apfelbaum und wartete auf die Jungfrau. Als sie in den Garten kam, nahm er sie auf den Rücken und lief davon, und der Knabe setzte sich hinter das Mädchen. Da jagten ihnen drei Wächter nach. Der Löwe legte das Ohr an den Boden, um zu hören, ob sie verfolgt würden, und hörte, daß sie ihnen nachjagten, denn der Boden zitterte. Er ließ den Knaben und das Mädchen in den Wald laufen und zerriß alle drei Wächter. Dann nahm er beide wieder auf den Rücken, und sie liefen dahin, wo der Knabe die Jungfrau hinbringen sollte. Da verwandelte sich der Löwe selbst in ein Mädchen und sprach zu dem Knaben: »Wenn drei Tage vergangen sind, dann rufe nach mir!« Nach drei Tagen rief ihn der Knabe, und er war wieder bei ihnen. Sie liefen nun dorthin, wo sie das flachsmähnige Roß haben wollten. Der Löwe machte sich selber zum Rosse und sprach: »Wenn du fünf Tage mit dem Rosse gewartet hast, dann rufe mich!« Da riefen sie lange, aber der Löwe kam nicht.

Doch zuletzt bekam der Knabe alles! Das Mädchen bekam er, das flachsmähnige Roß mit dem Zaum und den Goldvogel in dem Käfig. Sie machten sich auf den Heimweg und gelangten zu dem Platze, wo der Löwe das Pferd gefressen hatte. Da war der Löwe wieder bei ihnen, und der Knabe dankte dem Löwen, daß er ihm so viel Gutes getan hatte. Dann zog er mit seiner jungen Braut weiter, und sie ritten auf



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dem flachsmähnigen Rosse der Heimat zu. Am Wege aber stand ein Eichbaum, so schön, wie noch nie einer gesehen wurde. Der Knabe und das Mädchen waren so müde und matt, daß sie sich nicht mehr auf dem Pferde halten konnten. Sie stiegen ab, banden das Pferd an den Baum und legten sich unter die Eiche, um zu schlafen. Den Goldvogel hängten sie mit dem Käfig an einem Ast in den Baum. Da kam des Weges daher der älteste Bruder, sah, wie der jüngste mit seiner Braut schlief, sah an dem Baumstamm angebunden das flachsmähnige Roß und den Goldvogel in dem goldenen Käfig am Aste schaukeln.

Es verdroß ihn, daß sein jüngster Bruder alles bekommen hatte. Er fiel über ihn her und brachte ihn um. Dann nahm er den Vogel, das Mädchen und das flachsmähnige Roß und ging nach Hause.

Aber der Löwe wurde gewahr, daß jener Mann den Knaben getötet hatte, der mit ihm gegangen war, lief zur Eiche und deckte seinen Leichnam mit Blättern zu. Es kamen aber ein Schwan und ein Rabe herbeigeflogen, die fingen an, an dem Knaben zu picken. Da sprang der Löwe aus dem Versteck, packte die Vögel und sprach zu ihnen: »Wenn ihr Wasser des Lebens und Wasser des Todes bringt, will ich euch fliegen lassen.«Und die Vögel brachten ihm Wasser vom Lebensquell. Da las er alle Stücke zusammen, die abgehauen waren, und bestrich sie mit dem Wasser des Todes, da wurde der Körper wieder ganz, und die Wunden schlossen sich. Dann benetzte er mit Lebenswasser seine Lippen, und der Knabe wurde wieder lebendig. Er stand auf und sprach: »Ach, wie lange habe ich geschlafen!« Der Löwe antwortete ihm: »Du hättest noch bis in alle Ewigkeit geschlafen, wenn ich nicht gewesen wäre.«Dann hieß er ihn flink heimgehen, wo sie alles schon zur Hochzeit bereiteten, denn der älteste Bruder wollte seine Braut freien.

Da bat der Knabe den Löwen, ihn doch so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Er kam heim zu seinem Vater, und der Löwe ging mit ihm und sprach: »Wenn Ihr die Hochzeit nicht verhindern werdet, zerreiße ich alle Hochzeitsgäste in Stücke.«Darauf wurde die Hochzeit abgesagt. Der Knabe erzählte alles, wie es sich zugetragen hatte, wie er sich mit seiner Braut unter die Eiche gelegt, um zu schlafen, und der Bruder gekommen war, ihn getötet und beraubt hatte. Da gab der Vater den Befehl, den ältesten Bruder an den Schweif des flachsmähnigen



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Rosses zu binden, und ließ den jüngsten damit in den Wald jagen. Dort aber schleifte dieser den Betrüger so lange, bis kein Glied mehr am andern blieb.


Der Mann mit dem Rindenschuh

Ein Mann ging des Weges und fand einen Rindenschuh. Er ging weiter, kam an ein Dorf und kehrte in einer Herberge ein. Er fragte den Wirt: »Wo kann ich den Rindenschuh für die Nacht hinstellen?« Der Wirt antwortete: »Stell ihn zu den Hühnern unter den Ofen!« — »Wenn ihn aber eure Hühner fressen?« meinte der Mann. Da sagte die ganze Familie: »Das tun sie nicht, da kannst du ruhig sein.«Nun, in der Nacht nahm der Fremde den Rindenschuh fort - er betrog sie -, und als er am andern Morgen aufstand, sprach er: »Bringt mir doch meinen Rindenschuh!« Sie suchten den Schuh, aber er war verschwunden. Da sagte der Fremde: »Mein Schuh kostet ein gutes Huhn.« Da gaben sie ihm ohne weiteres ein Huhn dafür.

Dann ging er weiter, und in einem zweiten Dorf blieb er wieder über Nacht. Hier fragte er wieder: »Wo kann ich das Huhn für die Nacht hintun?«Und sie sagten: »Stell es zu unsern Schafen!« — »Wenn aber eure Schafe es fressen?« — »Unsere Schafe fressen es nicht, sie tun ihm nichts.«In der Nacht ging er wieder hin und nahm das Huhn zwischen den Schafen fort. Am andern Morgen machte er sich reisefertig und sprach: »Bringt mir mein Huhn, ich gehe jetzt fort.« Sie suchten das Huhn, aber es war nicht da. Und er sprach: »Nun, mein Huhn kostet ein gutes Lamm.« Da gaben sie ihm ein Lamm dafür.

Er ging wieder fort, wanderte wieder einen Tag und kam zur Nacht in eine Herberge. Und wieder fragte er: »Wo soll ich das Schaf für die Nacht hinbringen?«Und sie sagten zu ihm: »Stell das Schaf zu unseren Kühen!«Er aber meinte: »Wenn nun eure Kühe mein Lamm fressen?« —»Das tun sie nicht, sie sind gutmütig.« In der Nacht holte er sein Schaf aus dem Kuhstall, und am nächsten Morgen sprach er: »Bringt mir mein Lamm!«Sie gingen fort, um es zu holen, aber es war nicht mehr da. »Nun, das Schaf kostet eine gute Kuh.«Da gaben sie ihm eine Kuh. Dann ging er weiter. Er ging wieder einen Tag und kam am Abend in



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eine Herberge. Und er fragte: »Wo stelle ich die Kuh für die Nacht hin?« — »Stell sie zu unsern Pferden!« —»Und wenn die Pferde meine Kuh fressen?« —»Das tun sie nicht«, sagten die Wirtsleute, »sie fressen sie nicht.«

Am andern Morgen sagte er wieder: »Bringt mir meine Kuh! Ich muß jetzt weiterziehen.« Aber die Kuh war nicht da. »Die Kuh kostet ein gutes Pferd«, sagte er zu ihnen. Da gaben sie ihm ein Pferd.

Der Mann ging ins Dorf, kaufte sich Geschirr und Schlitten und spannte das Pferd an und fuhr mit dem Pferde davon.

Unterwegs begegnete ihm ein Fuchs, der bat: »Nimm mich in den Schlitten, Freund!« —»Nun, komm, komm!« sagte der Mann zu dem Fuchs, und sie fuhren weiter. Da begegnete ihnen ein Hund. »Nimm mich in den Schlitten, Freund«, sagte auch der Hund; und der Mann antwortete: »Es sind unser schon zwei.« Aber der Hund bat: »Nimm mich, nimm mich mit.«Da nahm er ihn auch in den Schlitten. Sie fuhren weiter, da kam ihnen ein Bär entgegen. Der sagte ebenfalls: »Nimm mich in den Schlitten, Vetter!« —»Dich auch noch! Wir sind ja ohnehin schon drei.« Aber der Bär bat: »Ach, nimm mich doch nur mit!« Da sprach der Mann: »Komm, komm!« Und er nahm ihn auch noch mit. Als sie eine Strecke gefahren waren, zerbrach die Deichsel am Schlitten. Der Bär stieg ab und holte eine Deichsel. Er brachte eine große Fichte als Deichsel, die aber nicht zu gebrauchen war. Da ging der Mann selber, um eine brauchbare zu holen. Unterdessen nahmen die drei das Pferd, warfen es zu Boden und fraßen es auf. Dann füllten sie die Haut mit Erde und liefen fort. Der Mann kam zurück und setzte die Deichsel an den Schlitten. Als er sein Pferd antreiben wollte, ging es nicht von der Stelle. Da schlug er das Pferd, und es fiel zu Boden.


Die törichte Frau

Es war einmal ein armer Bursche, der stand allein in der Welt und verdiente sich sein Brot als Hirt und Knecht. Das Mädchen, das er gern zur Frau genommen hätte, bekam er nicht, denn sie mochte ihn nicht. Nun lebte aber in dem Dorfe ein närrisches Mädchen, und die Leute



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beredeten ihn, das närrische Mädchen zur Frau zu nehmen. »Sie ist immer noch besser als keine«, meinten sie, »und kann ganz gut kochen.« Da freite er sie und ging selber als Knecht in Dienst. Zuvor aber unterwies er seine Frau, was sie zu machen habe. Im Sommer sollte sie Ruten schneiden. Die Frau ging in den Wald und schnitt Ruten. Als sie ein Bündel Ruten hatte, kam die Essenszeit heran, und sie setzte sich hin und fing an zu essen.

Da kam der Hirt an ihr vorbei, der jagte die Kuh in den Stall, und die Kuh erkannte ihre Herrin und lief auf sie zu. Sie stellte sich vor sie hin und käute wider. Darüber wurde die Frau wütend und sprach: »Was fällt dir ein, das Maul zu verziehen, wenn ich esse? Wenn du das Fratzenschneiden nicht läßt, schlage ich dich mit der Axt vor den Kopf.« Aber die Kuh machte sich nichts aus der Drohung; sie verzog das Maul so lange, bis die Frau sie totschlug. Dann lief die Frau ins Dorf und klagte, daß die Kuh auf sie zugekommen sei und ihr alles nachgemacht habe und daß sie sie deshalb totgeschlagen habe. »Ich verbot es ihr, aber weil sie nicht hörte, schlug ich sie mit der Axt vor den Kopf. Jetzt ratet mir, was ich mit der toten Kuh anfangen soll!« —»Die wird nicht wieder lebendig, Ihr könnt ihr nur noch das Fell abziehen«, rieten sie ihr. »Das Fleisch hackt in kleine Stücke, Ihr könnt es im Winter zum Kohl essen.« Das tat sie denn auch, hackte alles in kleine Stücke, weil sie nun aber den Kohl noch auf dem Felde hatte, grub sie alles unter den Kohl in die Erde, unter jede Staude etwas, bis das Fleisch alle war. Da kam der Hund auf den Acker und roch das faulende Fleisch. Er scharrte das Fleisch heraus und den Kohl dazu, so daß nichts übrigblieb, weder Kohl noch Fleisch. Im Herbst kam ihr Mann nach Hause, und sie berichtete ihm alles, was geschehen war.

Da sprach der Mann: »Was soll ich nun bloß mit dir törichtem Weib anfangen?« Und er überlegte, wie er sie loswerden könne. Er gab ihr ein Brecheisen und einen Sack in die Hand und sprach: »Geh damit in die Kirche; dort ist eine Truhe und in der Truhe ist Geld. Brich den Deckel der Truhe mit dem Brecheisen auf und steck das Geld in den Sack!« Sie ging hin, tat, wie er ihr gesagt hatte, und nahm das Geld, ohne daß es jemand sah. Das Geld aber brachte sie nach Hause. Da dachte der Mann: >Noch immer bin ich sie nicht los, sie hat die Kirche



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bestohlen und ist dabei nicht gefaßt worden.<Und er überlegte bei sich: >Was soll ich nun mit ihr anfangen?<Dann durchlöcherte er den Boden eines Topfes und sprach zu ihr: »Kriech jetzt unter den Topf, es wird heute Feuer und Pech regnen, denn die Welt soll untergehen. Wenn es anfängt, mich zu brennen, will ich nachkommen, aber geh du voran!« Die Frau kroch unter den Topf, und er träufelte ihr durch die Sieblöcher heißes Pech auf den Kopf. Da rief sie ihrem Manne zu: »Komm geschwind, es fängt schon an zu brennen, wie kannst du nur noch draußen sein!«Der Mann antwortete ihr: »Ich komme schon, ich schau nur noch eine Weile zu.« Nachdem er sie tüchtig gebrannt hatte, kroch er auch unter den Topf, und sowie er unter dem Topf war, hörte es auf zu regnen. Als nun der Pfarrer in die Kirche kam und sah, daß das Geld gestohlen war, ließ er das ganze Kirchspiel zusammenrufen und fragte sie alle, ob niemand den gesehen habe, der den Kirchendiebstahl begangen. Niemand hatte den Dieb gesehen, jeder gab an, nichts von der Sache zu wissen. Die Närrische war an dem Tage nicht in die Kirche gerufen worden. Im Ärger darüber klagte sie den andern: »Alle sind gefragt worden, die es gar nicht wissen können, und mich fragt niemand, wo ich doch das Geld gestohlen habe.«

Die das hörten, sagten es dem Pfarrer. Da ließ sie der Pfarrer zu sich kommen und fragte: »Hast du das Geld gestohlen? — »Ich habe es gestohlen.« —»Nun, mit was hast du denn die Tür aufgekriegt und den Truhendeckel?« —»Mit dem Brecheisen habe ich sie aufgemacht.«Und der Pfarrer fragte weiter: »War es am Tag oder in der Nacht, als du gestohlen hast?« —»Tag war es, wie ich das Geld brachte, gerade an dem Tag des Weltuntergangs, wo es Feuer und Pech vom Himmel regnete.« Da sprach der Pfarrer: »Nun hört doch nur die verrückte Person, was die für Zeug zusammenschwatzt! Der Weltuntergang ist noch nicht dagewesen, und Feuer und Pech hat niemand gesehen als du allein.«



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Der Zauberring

Es lebten einmal drei Brüder, die wollten alle drei ihr Glück machen. Sie hatten eine alte Mutter, die gab einem jeden dreihundert Taler. Dafür gedachte der älteste einen Laden zu kaufen, der zweite sprach: »Ich baue mir Land an«, und der dritte sagte: »Ich gehe zum Schloß, wer mir zuerst begegnet, dem gebe ich hundert Taler.«

Da begegnete ihm nun ein Mann, der hatte einen Sack auf dem Rücken, und in dem Sack war eine junge Katze. Dem gab er die hundert Taler und brachte die Katze nach Hause. Und die Mutter sprach: »Was willst du denn damit machen?« Am zweiten Tag ging er wieder zum Schloß und sprach: »Wer mir begegnet, dem gebe ich hundert Taler.«Und es begegnete ihm ein Mann, der trug einen Hund im Sack, auch dafür gab er hundert Taler und brachte ihn nach Hause. Da schalt ihn die Mutter und sprach: »Wofür hast du denn den Hund gekauft, zum Essen etwa?« Er ging zum drittenmal zum Schloß; da begegnete ihm ein Geist. Der Geist blieb stehen, und der Knabe sah, daß er einen silbernen Ring am Finger hatte. Dafür gab er ihm seine letzten hundert Taler.

Während er nach Hause ging, drehte er an dem Ring. Da fragte ihn der Ring: »Was wünschest du?« —»Ich wünsche mir eine Königstochter zur Frau.«Dann ging er fort, holte die Katze und den Hund, und sie gingen alle drei zum König. Der Knabe fragte: »Gibst du mir deine Tochter zur Frau?«Da antwortete ihm der König: »Wenn du ein Schloß baust, so schön, wie ich selber eins habe, so will ich sie dir geben.« Als nun der König am andern Morgen erwachte, sah er das Schloß dastehn und sagte: »Sein Schloß ist noch prächtiger als das meine.«Aber er gab ihm seine Tochter doch nicht, sondern sprach: »Wenn du eine gläserne Brücke über den Fluß baust, so will ich sie dir geben.«Und der Knabe baute eine Brücke. Da gab er ihm die Tochter. Aber das Mädchen hatte hinter neun Königreichen einen Geliebten. Wie sich nun der Knabe mit der Königstochter die Nacht schlafen legte und eben eingeschlafen war, streifte sie ihm den Ring vom Finger und entfloh damit hinter neun Königreiche. Dort wurde sie die Gemahlin des anderen.

Als der Knabe erwachte, sah er, daß die Braut fort war und ihm den



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Ring gestohlen hatte. Da schickte er die Katze und den Hund aus, den Ring zu suchen. Sie liefen zusammen durch die neun Königreiche und suchten nach dem Ring.

Sie kamen in ein Haus, darin waren drei Bettler, die hatten eine Lade, und sie sprachen miteinander: »Da hinein stecken wir den Ring und Steine dazu, und dann versenken wir die Lade ins Meer, daß er ihn nicht wiederkriegt, der alte Bräutigam.« Da trug der Hund Holz in den Flur des Hauses, und die Katze fing an, die Dielen zu waschen. Und die Männer waren sehr erfreut, daß sie Diener bekommen hatten. Sie vergaßen die Lade und streckten sich auf den Bänken zum Schlafen aus. Da suchte die Katze eine Maus, ein großes Tier, und sie fand auch eine große. Zu der sprach sie: »Wenn du mir nicht den Ring aus dieser Lade holst, fresse ich dich auf.« Die Maus nagte ein Loch in die Lade und sprach dann zur Katze: »Au, wie da die Zähne weh tun!« —»Beiß noch ein Loch «, sagte die Katze, »wenn du's nicht tust, so fresse ich dich.« Da nagte sie ein zweites Loch und sprach wieder: »Au, wie die Zähne weh tun!« Aber die Katze sagte: »Nag noch ein drittes.« Und als die Maus das dritte Loch genagt hatte, bekam sie den Ring aus der Lade und gab der Katze den Ring. Da schlug die Katze die Maus dreimal um die Ohren und sprach: »Warum hast du mich erst geärgert?« Dann liefen Katze und Hund aus dem Hause fort, um ihrem Herrn den Ring zurückzubringen. Sie schwammen über sechs Meere, und die Katze wurde müde, und sie fingen an zu streiten. Die Katze sprach zum Hund: »Ich habe den Ring dort herausgekriegt, und du trägst mich nicht einmal übers Meer.« Dabei fiel ihnen der Ring ins Meer. Sie schwammen zu einer Insel im Meer, warfen Netze ins Wasser und versuchten, den Ring zu fischen. Da wurden sie hungrig und fingen an, Fischköpfe zu fressen, und der Hund fand den Ring im Kopf eines Fisches und sprach: »Jetzt habe ich den Ring aus dem Meere bekommen.« Danach brachten sie den Ring zu ihrem Herrn. Der Herr drehte an dem Ring, da kam über neun Königreiche seine Frau wieder zu ihm zurück.

Und sie gingen zu vieren weiter: die Katze, der Hund, der Mann und die Frau, und kamen auf ein Feld. Dort sahen sie, wie drei Diebe sich miteinander stritten. Die hatten einen prächtigen Mantel gestohlen, auf



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dem man fliegen konnte, dazu ein Paar Schaftstiefel, die einen Mann, wenn er damit ins Wasser sprang, von selber wieder ans Land hoben, und einen Samowar, der zwölf Kräne hatte, aus deren jedem ein anderes Getränk floß. Der eine wollte den Mantel nicht hergeben, keiner wollte teilen, jeder wollte alle drei Gegenstände für sich haben. Da sagte der junge Mann: »Wartet nur, ich helfe euch.« Er machte aus einem Brett eine schöne Armbrust, und wer den ersten Bolzen fände, den er abschösse, dem sollte alles gehören. Kaum hatte er den Bolzen abgeschossen, so liefen alle hinterher, wer ihn wohl kriegte. Da zog sich der junge Mann die Schaftstiefel an, warf den Flugmantel über den Rücken, nahm den Samowar unter den Arm und flog davon. Die Diebe suchten lange nach dem Bolzen. Als sie wieder zurückkamen, war nichts mehr von dem Manne zu sehen, und auch die Beute hatte er mitgenommen. Er flog auf einen Stein im Meere, und seine Frau sagte zu ihm: »Laß mich dir den Kopf lausen!«Als er sich jedoch über ihren Schoß beugte, stieß sie ihn von dem Stein ins Meer, denn sie dachte: >Da ertrinkt er nun wie eine Schlange.< Doch der Mann kam wieder ans Land, denn er hatte die Zauberstiefel an den Füßen. Dann stand er vom Steine auf, nahm den Hund und die Katze, und alles ging nach Hause.

Zu Hause lief ihm die Frau wieder davon, sie floh über neun Königreiche zu ihrem ersten Gatten. Da sprach der Mann: »Warum ist sie davongelaufen? Jetzt brauche ich sie nicht mehr, ich habe die Katze, den Hund und alles, mir fehlt es an nichts.« Er ging in den Wald, die Schaftstiefel an den Füßen, einen Korb am Arm, und Katze und Hund liefen hinter ihm her. Hier suchte er rote Beeren und aß sie. Da wuchs ihm ein Schwanz bis auf die Erde und ein Horn auf dem Kopfe. Und er aß schwarze Beeren, da fielen ihm der Schwanz und das Horn wieder ab. Da sammelte er sich von den Beeren und sprach: »Jetzt will ich ihr aber einen Schwanz wachsen lassen, weil sie mir davongelaufen ist.« Und er ging hin zu dem Schlosse, wo seine Frau war. Und die Herren im Schlosse und alle, die die Beeren in dem Korb sahen, nahmen sich mit beiden Händen davon und aßen sie. Da wuchs dreien von ihnen ein Schwanz, und seiner Frau, die ebenfalls davon gegessen hatte, wuchs auch einer. Und sie schickten Lakaien aus, um einen Doktor zu holen, der ihnen die Schwänze wegbringen sollte.



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Da begegnete ihnen ein Mann und sprach: »Wo wollt ihr denn hin, Leute?« Sie sagten: »Wir wollen einen tüchtigen Mann suchen, denn unserer Herrschaft sind Schwänze gewachsen, die soll er ihnen wieder fortbringen.«Da sprach der Mann: »Was wollt ihr noch weiter suchen? Ich bin ein Doktor, ich will sie ihnen schon wegbringen.«Und er ging mit ihnen aufs Schloß und gab allen von den schwarzen Beeren zu essen, nur seiner Frau gab er keine. Da fielen den Herren die Schwänze ab. Zu seiner Frau aber sagte er: »Geht hin und holt mir aus dem Schlosse die allerbeste Knute herbei.«Und er schlug sie fünfundzwanzigmal mit der Knute, da starb die Frau. Und so endet die Geschichte.


Die sieben Brüder

Es war einmal ein armer Mann, der hatte sieben Söhne. Da dachte der Alte: >Was sollen wir mit den Jungen anfangen, wo wir selber so schrecklich arm sind, daß wir das Brot im Dorfe borgen müssen, das nur für einmal reicht.<Seine Frau riet ihm: »Nimm die Jungen mit in den Wald und sieh zu, daß du sie dort verlierst!«Da führte sie der Vater in den Wald und sprach zu ihnen: »Jungen, ihr fällt hier Holz, indessen will ich gehen und einen besseren Baumstamm suchen.« Und er ging fort. Die Burschen fällten Bäume, fällten und fällten, und einer nach dem andern wurde müde, denn schon kam der Abend. Immer noch warteten sie auf den Vater, aber er kam nicht wieder. Schon wurde es dunkel, da sagte der klügste von den Brüdern zu den andern:

»Kommt, Brüder, laßt uns nach Hause gehen! Der Vater ist uns fortgelaufen.« Sie machten sich auf und gingen quer durch den großen Wald. Sie gingen und gingen immerzu, da sahen sie ein kleines Licht und kamen an ein Häuschen. Der klügste Bruder guckte zum Fenster hinein und fragte: »Ist hier ein Nachtlager zu haben?«Da antwortete drinnen eine Stimme: »Wir haben nur Platz für einen auf die Nacht.«Aber allein wollte er nicht hineingehen und die andern Brüder draußen lassen, und so gingen sie zusammen weiter.

Als sie ein recht tüchtiges Stück Wegs gegangen waren, kamen sie an ein altes Haus. Der kluge Bruder trat in die Tür und fragte, ob er ein



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Nachtlager bekommen könne. Da wurde ihm geantwortet: »Unsere Hütte ist zwar klein, aber zwei Männer finden zur Nacht noch Platz darin.« Er aber konnte es nicht über sich gewinnen, die andern zu verlassen. »Wie können wir denn zu zweien unter Dach kriechen und die andern über Nacht draußen lassen?«Sie gingen und gingen, und wieder kamen sie an ein Haus. So kamen sie an sechs Häusern vorbei, aber in keinem war für alle Brüder Platz.

Als sie nun zum siebenten Häuschen kamen, wurden sie alle eingelassen. Man legte die sieben Brüder mit den sieben Töchtern des Bösen in eine Stube zusammen zum Schlafen. Die Mädchen aber hatten alle rote Mützen auf dem Kopf, und die sieben Brüder waren barhäuptig. Als sie sich zum Schlaf niedergelegt hatten, sprachen die Wirtsleute miteinander: »Ehe es Tag wird, schneiden wir den Barhäuptigen die Köpfe ab.« Das hörte der kluge Bruder, denn er schlief noch nicht. Er stand auf, nahm den Mädchen die Mützen vom Kopf und setzte sie seinen Brüdern und sich selber auf. Die ganze Teufelsfamilie aber schlief noch, als er mit seinen Brüdern das Haus verließ.

Als nun der Böse aufstand und die bloßen Köpfe der Schläfer sah, nahm er sein Schwert und schlug allen die Köpfe ab. Doch als er genauer hinsah, erkannte er die eigenen Töchter. Rasch zog er die Siebenmeilenstiefel an und jagte den Brüdern nach. Aber als er sie fast erreicht hatte, ließ ihm Gott einen großen Wald entgegenwachsen, damit er die Kinder Gottes nicht fangen konnte. Und der Teufel sah, daß er nicht hindurchkam, und sprach: »Von der Mutter habe ich daheim noch die Axt meines alten Vaters, ich laufe und hole sie mir und hacke den Wald nieder. Dann halte ich die Knaben am Rock fest.«

Er ging hin, holte sich die Axt und fällte den Wald. Aber als er die Axt auf die Erde legen wollte, sprach ein Vogel von einem Baum: »Laß die Axt nicht am Boden liegen! Sonst nehm ich sie dir, sonst nehm ich sie dir, sonst nehm ich sie dir.« Da wagte der Teufel nicht, die Axt auf den Boden zu legen, sondern ging fort und brachte sie heim.

Unterdessen bekamen die Brüder einen weiten Vorsprung. Sie liefen und liefen, was sie nur konnten. Da lag am Wege ein gespaltener Felsblock, worin alle sieben Brüder Platz hatten, und der kluge Bruder sprach: »Ihr sechs kriecht unten hinein, und ich bleibe oben stehen.«



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Da kam der Teufel in seinen Siebenmeilenstiefeln, das Schwert im Gürtel, auf sie los. Aber der kluge Bruder schlich sich leise von hinten an ihn heran, stahl ihm das Schwert aus dem Gürtel und schlug ihm den Kopf damit ab. So rettete er sich und die Brüder. Dann zog er dem Teufel die Siebenmeilenstiefel aus und zog sie selber an. Als sie sich nun auf den Heimweg machten, holte er mit jedem Schritt sieben Meilen aus, und die andern blieben alle weit hinter ihm zurück. Sie jammerten und schrien: »Wart, Bruder, wart, Bruder, du läßt uns ja im Stich!« Als er zum zweitenmal ausschritt, blieben die anderen wieder sieben Meilen zurück und jammerten und schrien wieder: »Du läufst uns ja davon!«

Da wartete er wieder, bis sie ihn eingeholt hatten. Beim drittenmal wurde es schon Abend, und er kam unter das eigene Fenster und wartete unter dem Fenster auf die Brüder.

In der Stube aßen Vater und Mutter ihr Abendbrot, und es kam der Mutter in den Sinn: >Wo mögen wohl jetzt meine Jungen zu Abend essen?<Da trat er in die Stube und sprach: »Das war nicht recht von dir, Mutter, daß du uns in den Wald geschickt hast, Hungers zu sterben; wir sind aber mit dem Leben davongekommen.« Sie kamen alle nach Haus, und jetzt ist die Geschichte aus.


Der Ochsensohn

Es war einmal ein armer Fischer, der warf seine Netze ins Meer, um Fische zu fangen; aber obgleich er sie wiederholt ausgeworfen hatte, blieben sie leer. Als er am nächsten Tag wieder die Netze auswarf, fing er einen großen Fisch, dessen Seiten beschrieben waren. Er kam ins Dorf und zeigte den Fisch. Auf dem Fisch stand zu lesen: »Wer von mir ißt, bekommt einen Sohn, und der wird ein großer Mann werden.«

Das meldeten sie dem König, und der König kaufte den Fisch für seine Frau und gab dem Fischer dafür eine Menge Geld, und der Bauer wurde reich. Dann gab er den Fisch der Köchin, damit sie ihn koche. Als der Fisch gar war, brachte sie ihn der Königin zum Essen, die Überreste



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aber, den Kopf und den Schwanz, tat sie zusammen und aß sie selbst. Das Fischwasser mit dem Abfall bekam der Ochs, und der Ochs trank ihn mit hinunter. Da geschah es, daß die Königin guter Hoffnung wurde, und wie eine Zeit verstrichen war, bekam sie ein Knäblein. Dann verging ein Tag, und die Köchin bekam auch einen Knaben, und nach abermals einem Tage bekam der Ochs einen Knaben, auch ein richtiges Menschenkind.

Die Knaben wuchsen rasch. Schon nach kurzer Zeit war der Königssohn zum Manne herangereift und die andern auch. Da wollte der Königssohn in die Welt ziehen, aber er hatte kein Pferd. Und sie zogen aus, um ein Pferd für ihn zu suchen. Der Königssohn kam zu einem Helden, aber keines seiner Pferde vermochte ihn zu tragen. Sie suchten weiter nach einem Pferde, aber sie fanden bloß einen alten Mann am Felde, das war ein Zauberer. Der riet ihnen: »Kauft im nächsten Dorf von einem Bauern ein wildes Stutenfüllen.« Als sie das Füllen gekauft hatten und es eine Nacht zu Hause hielten, lief es fort, um an seiner Mutter zu trinken. Doch als es am folgenden Morgen nach Hause kam, kannte sein Herr das Füllen nicht mehr, so groß war es geworden, wie ein gewöhnliches Bauernpferd. Doch kaum ward es dunkel, so lief es wieder davon. Und als die zweite Nacht vorüber war und es am Morgen wieder nach Hause kam, war es schon ein übergroßes Pferd, so groß, wie die Bauern keins hatten. Nach der zweiten Nacht taugte es für den ältesten, den Königssohn.

Nun mußten sie ausziehen und für den Sohn der Köchin ein Pferd suchen. Der Sohn der Köchin war aber noch stärker als der Königssohn. Da half nichts, als wieder zu dem Alten zu gehen. Der Alte beschied sie, die Stute zu holen, die dem Teufel gehörte. Und sie bekamen für ihn die Stute. Als die Stute einen Tag bei ihnen war, bat sie, am Strande des Meeres weiden zu dürfen. Doch am Abend, als sie nach Hause kam, war sie noch unbändiger als das Pferd des Königssohns, noch wilder und kräftiger und größer.

Zwei Jünglinge hatten nun Pferde, nur der Ochsensohn hatte noch keins. Aber er war stärker als die andern beiden, kräftiger und klüger. Jetzt mußten sie für ihn ein Pferd suchen, und sie gingen wieder zu demselben Alten. Doch der Zauberer sprach: »Du bekommst nur dann



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ein Pferd, wenn du mir soviel Branntwein kaufst, daß ich mich damit betrinken kann.«Dann schickte er sie zu einem alten Mann am Meeresstrand, einem Zauberer, wie er selber war. Von ihm würden sie ein Pferd bekommen. Der Ochsensohn ging hin zu dem Manne, zu dem er geschickt war, und der Zauberer sah ihn an und meinte: » Ach herrje! Aus dir wird nichts.« Dann sprach er: »Wenn du mir ein Faß Branntwein kaufst, so will ich dich bescheiden.« Und der Ochsensohn versprach ihm den Branntwein. Da gab er ihm ein kleines Gläschen von einem Zaubertrank zu trinken. »Nimm erst den Zaubertrank! Dann sag ich dir, wo du ein Pferd bekommst.«Als jener den Trank getrunken hatte, sagte der alte Mann: »Wenn du zum Meere gehst, kommst du an eine große Eiche; da steig hinauf und bleib dort sitzen, bis ein weidendes Pferd zum Strande kommt! Das hat einen Sattel auf dem Rücken und Steigbügel. Während das Pferd grast, verhalte dich ganz still! Es wird bald zum Strande gehen und Wasser trinken, dann steige vom Baum herunter und kraule es! Setz dich auf seinen Rücken und halte dich im Sattel; wohin es dich auch bringt, bleib sitzen. Wenn du herunterfällst, ist's dein Tod, aber wenn du oben bleibst, bist du der Herr des Pferdes.« So machte es denn der junge Mann. Als das Pferd von selbst auf ihn zukam, um sich kraulen zu lassen, sprang er ihm flink auf den Rücken und nahm die Zügel in die Hand. Doch kaum saß er oben, als das Pferd auf einen Felsen sprang und vom Felsen geradeaus ins Meer, es sprang neun Klafter tief, und tat das dreimal, vom Meer auf den Felsen und vom Felsen ins Meer.

Aber der Ochsensohn saß fest auf seinem Rücken. Wie sie nach dem dritten Mal zu der Eiche kamen, sprach das Pferd zu ihm: »Jetzt bist du mein Herr, denn du hast fest im Sattel gesessen. Jetzt kannst du mich getrost weiden lassen. Wenn du mich brauchst, so pfeife nur, dann bin ich sogleich bei dir.« Dann ging der Ochsensohn nach Hause und rühmte vor den Brüdern - er nannte sie Brüder, den Königssohn und den Sohn der Köchin -rühmte vor den Brüdern: »Jetzt habe ich auch ein Pferd.« Der Königssohn aber ritt fort und bat die andern, ihm zu folgen.

Als nun die beiden Brüder zu Pferde saßen, pfiff auch der Ochsensohn seinem Pferd, da kam es zu ihm geflogen, und es war zweimal schöner



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als die andern. Sie machten sich gleich zusammen auf den Weg und ritten einen halben Tag. Die Luft war glühend heiß. Sie waren so durstig, daß ihnen die Zunge am Gaumen klebte. Wenn sie nur Wasser zu trinken gehabt hätten! Der Königssohn ritt voran, der Sohn der Köchin hinter ihm her, und der Ochsensohn als letzter. Da fand der Königssohn in der Hitze am Wege einen Brunnen, und darauf lag eine goldene Schöpfkelle. Als er abstieg, um Wasser aus der Kelle zu trinken, nahm der Ochsensohn die Knute und schlug auf den Brunnen, da verschwand der Brunnen und nahm von den Stulpstiefeln des Königssohns die Absätze mit. Aber als er so schlug, verging ihnen allen der Durst. Sie ritten ein weites Stück voran, doch die Hitze währte immer noch. Während des Rittes fingen sie wieder an zu dürsten. Da sahen sie neben der Straße einen schönen Garten, in dem Garten waren allerhand Äpfel und Beeren. Der Königssohn bog zur Seite, beschwor den Baum und suchte mit der Hand davon zu pflücken. Da nahm der Ochsensohn wieder die Knute und schlug nach dem Baume. Da verschwand auch der Garten, nicht ein einziger Baum blieb zurück.

Sie zogen ihren Weg weiter, denn sie hatten gehört, daß in der Nähe ein anderes Königreich wäre, wohin ein schönes Mädchen von einem Drachen entführt sei. Das Mädchen wollten sie erlösen. Sie ritten ununterbrochen ihrem Ziele zu. Als es Nacht wurde, kamen sie an ein großes Gehöft. Dort war kein Mensch zu sehen, aber der Hof war voll von Ochsen, fast fünfhundert. Sie gingen in den Hof, aber da war weiter nichts als eine Eiche und der Viehstall voll Ochsen. Sie blieben die Nacht über in dem Stall, aber auch hier war kein Mensch, und sie bekamen nichts zu essen.

Am folgenden Morgen schmiedeten sie einen eisernen Topf und stellten den Königssohn zum Kochen an. Er warf fünfundzwanzig Ochsen in den Topf und kochte sie. Die andern aber gingen fort, um eiserne Haken zu schmieden.

Schon hatte der Königssohn die Ochsen gar gekocht, da kam der Besitzer des Hofes, ein ellenlanger Mann mit ellenlangem Bart und einem Bund Heu auf dem Kopf. Er warf seinen Ochsen Heu vor, dann kam er auf den Königssohn zu und sprach: »Was machst du denn da ohne meine Erlaubnis?« Als er den Koch in die Hände bekam, fing er an,



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ihn zu prügeln und zu peitschen, daß ihm die Sinne vergingen. Dann fraß er die Ochsen selber, fünfundzwanzig Ochsen, ging wieder fort und sagte: »Wenn du morgen meine Ochsen noch einmal anrührst, bekommst du noch bessere Prügel.« Dann war er verschwunden. Der Königssohn mochte nun nicht gern sagen, daß er durchgepeitscht worden war, darum steckte er andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an zu kochen. Als die Brüder am Mittag zum Essen kamen, hatte er die Ochsen immer noch im Topf, sie waren noch nicht gar. Da sprach der Ochsensohn: »Merkwürdig, daß das Fleisch noch nicht weich ist, wo doch die Ochsen schon so lange kochen.« Aber der Königssohn antwortete: »Ich habe mich so geeilt, es war viel Arbeit, alles vorzubereiten, das nahm mir viel Zeit, und ich hatte Kopfschmerzen dazu«, log er. Aber der Ochsensohn wußte, was vorgefallen war, er wußte alles. Dann aßen sie, und am andern Tag mußte der zweite Bruder kochen, und sie gingen wieder zum Schmieden. Doch der Königssohn erzählte dem Ochsensohn nicht, daß er gepeitscht worden war, er dachte nur bei sich: >Unserm Bruder blühen heute noch bessere Prügel als mir.< Wieder kam der Herr des Gehöfts in den Viehstall mit einem Bund Heu auf dem Kopf. Er sah, daß die Ochsen im Stall weniger geworden waren und daß der Mann dort wieder kochte. Da hielt er keine lange Rede, sondern sprach: »Gestern hast du es getan, und heut bist du wieder dabei, trotz dem Verbot«, packte ihn und peitschte ihn so heftig, daß er halbtot liegenblieb.

Dann aß er flink die Ochsen auf und machte sich davon, indem er rief: »Wenn du morgen wieder kochst, schlag ich dich tot.«Und der Bruder steckte andere Ochsen in den Topf und fing von neuem an, sie zu kochen. Als die zwei zum Essen kamen, war das Fleisch noch roh, es hatte eben erst angefangen zu kochen. Der Ochsensohn sprach: »Sonderbar, daß das Fleisch noch gar nicht gekocht hat, sondern erst in den Topf getan ist.« Da antwortete sein Bruder: »Ich habe so Bauchgrimmen, daß ich nichts davon essen mag, wenn ihr wollt, so eßt doch«, und er hielt sich den Bauch. Darauf sagte der Ochsensohn: »Ich werde nicht so kochen wie ihr.«

Am dritten Tag gingen die beiden Brüder, die die Prügel gekriegt hatten, zum Schmieden. Und der Ochsensohn warf fünfundzwanzig Och-



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sen in den Topf, um sie zu kochen. Er hat das Fleisch fast fertig, da kommt der Wirt wieder mit dem Bund Heu auf dem Kopf. Als er sieht, daß wieder von seinen Ochsen gekocht wird, nimmt er sich nicht die Zeit, den Ochsen das Heu zu bringen. Er springt auf den Burschen zu und schreit: »Was! Du kümmerst dich nicht darum, was ich sage, jetzt schlag ich dich tot!«Er will auf ihn einschlagen, aber im Handumdrehen packt der Ochsensohn den Alten beim Bart, schleudert ihn von einer Wand zur andern und spricht: »Du elender Wicht, du wolltest meine Brüder töten und mich auch noch, dafür nagle ich dich jetzt an diese Eiche.« Und das tat er auch. Er nagelte den Alten an die Eiche, dann nahm er das Fleisch aus dem Kessel und warf ihn noch einmal voll Ochsen.

Da sah er die Brüder kommen und hörte, wie sie sagten: »Die vorhergehenden Tage haben wir die Prügel gekriegt, heute mag der Bruder noch ärgere bekommen haben.« Sie kamen in die Stube und sahen, daß das Fleisch noch kochte, da dachten sie: >Er hat sie tüchtig gekriegt.< Aber der Ochsensohn kam auf sie zu und sprach: »Oh, ihr Schwätzer, ihr habt mir nicht gesagt, daß der Alte euch töten wollte; geht zu der Eiche da, dort seht ihr euren Tod. Dann geht hin und eßt das gute Fleisch, das ich gekocht habe!« Sie gingen hin und aßen das Fleisch. »Auf euch will ich mich nicht mehr verlassen, ich habe auch schon für morgen Fleisch fertig. Weiß ich doch nicht, was für eine Ratte euch töten kann.«

Am letzten Tage gingen sie alle drei zur Schmiede, und sie bekamen die Haken fertig. Nun war es Zeit für sie, fortzugehen. Sie machten sich auf den Weg, da bat der Alte inständig und sprach zu dem Ochsensohn: »Du bist klug und stark, mach mich von der Eiche los, so will ich dir noch einen Rat geben.« — »Du magst da bleiben«, sagte der Ochsensohn, denn er glaubte ihm nicht, ließ den Alten am Baum, und sie zogen weiter. Sie ritten lange, bis sie dahin kamen, wo das von dem Drachen entführte Mädchen war. Es war ein prächtiges Schloß, ringsherum von einer so hohen Mauer umgeben, daß nur ein Vogel hinüberfliegen konnte. Da warfen die Brüder die eisernen Haken auf die Mauer, und die Mauer neigte sich nach vorn, und sie kletterten an den Haken in die Höhe. So gelangten sie alle drei auf die Mauer, und einer nach dem



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andern ließ sich auf der Innenseite an den Haken hinunter in den Schloßhof. Die Haken ließen sie hängen, damit sie wieder heraus konnten.

Dann betraten sie zu dritt einen Saal in dem Schloß. Dort sahen sie ein hübsches Mädchen, das fragte sie: »Wie seid ihr getauften Menschenkinder hier hereingekommen? Hier lebt ein riesiger Drache mit zwölf Köpfen, der hat schon viele Menschen gefressen und getötet. Außer mir und zwei anderen Mädchen ist keine Menschenseele im Schloß. Ich bin die Tochter einer Magd, in der zweiten Kammer ist die Tochter eines Edelmannes, und in der letzten Kammer wohnt eine Königstochter, J elena Prekrasnaja ist ihr Name.« Da ließ der Ochsensohn die Brüder bei dem Mädchen, und er selber ging weiter, das zweite Mädchen zu suchen. Er gelangte auch zu ihr, und sie wies ihn zur Königstochter. Als er bei dieser eintrat, kam sie auf ihn zu und sagte: »Ihr seid umsonst gekommen, arme Männer, heraus kommt ihr nicht wieder, ihr werdet getötet werden. Mein Gatte, der mich bewacht, ist ein zwölfköpfiger Drache.«Dann zeigte sie ihm sein Schwert, das an der Wand hing, und sprach: »Dort hängt sein Schwert an einem Mähnenhaar. Nimm es, versuch, es zu heben! Kannst du es bewegen? Er selber schwenkt das Schwert wie einen Pfriemen in der Hand. Dort in der Ecke die große Keule, die schwingt er wie ein Stöckchen!«

Der Ochsensohn faßte nach dem Schwert, aber so sehr er sich auch abmühte, er konnte es nicht bewegen. Da sagte die Königstochter: »Komm her und trink von diesem Zaubertrank!« Und sie gab ihm einige Fläschchen von diesem Zaubertrank zu trinken. Nun konnte er das Schwert heben, aber es wurde ihm noch sehr schwer. Und er ging zum zweitenmal hin und schlürfte von dem Trank. Da durchströmte ihn Kraft, und er schwang das Schwert wie einen Löffel. Jelena Prekrasnaja aber sagte zu ihm: »Hier haben wir noch zwei Krüge mit Zaubertränken; rechts in dem Krug ist ein Trank, der die Kraft vermehrt, und hier zur Linken ein Trank, der die Kraft schwinden läßt, die müssen wir jetzt miteinander vertauschen. Nimm das Schwert mit dir, mag kommen, was will. Wenn ein Kampf zwischen euch entsteht, so schone dich nicht.« Dann gab sie ihm noch ein winzigkleines Fläschchen und sagte: »Nur in der äußersten Not trink hiervon, dann hältst du aus.



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Nun, Gott befohlen, verrat mich nicht!« Der Ochsensohn kam zu den Brüdern und sprach: »Paßt auf, wenn der Drache hinter mir herkommt, weicht mir nicht von der Seite! Wenn er mich tötet, so tötet er euch auch, und wenn ich davonkomme, sind wir alle gerettet.«

Da hörte man ein Geräusch wie das Grollen des Gewitters am Himmel, das noch ein paar Werst weit entfernt ist. Wie das Rollen des Donners nahte sich dröhnend der Drache dem Schloß. Als er in den Garten kam, fragte er die Königstochter: »Wie ist der Russe hereingekommen? Nach russischer Luft riecht das Schloß.« Und Jelena antwortete: »Was kann ich dazu, es kam ein Mann herein und nahm dein Schwert hier von der Wand.« — »Aha!« Er nahm die Keule in die Hand und rief: »Komm nur her!« Mehr sprach er nicht. Da kam der Ochsensohn auf ihn zu und schlug ihm mit dem Schwert drei Köpfe ab. Doch wie ihm der Drache mit dem Prügel eins über den Kopf ziehen wollte, hieb er daneben und schlug ihm die Lenden blutig. Da hieb der Held wieder mit dem Schwert auf ihn ein und schlug ihm noch einen Kopf ab. Da stöhnte der Drache: »Sollen wir weiterkämpfen oder Frieden machen? Wenn du willst, ich bin dazu bereit.«

Beide waren in Not, der eine hatte vier Köpfe verloren, dem andern waren die Lenden blutig geschlagen. Und der Drache fragte: »Wollen wir nicht erst einen Schluck Wasser trinken?« —»Warum nicht? Laß uns gehen«, antwortete der Held. Der Drache ging nach der rechten Seite, um zu trinken, und sprach zu dem andern: »Trink du da drüben, ich trinke hier.«Aber die Krüge waren vertauscht. Die Kraft des Drachen schwand, und die des Ochsensohnes nahm zu. Dann schritten sie aufs neue zum Kampfe: »Laß uns jetzt wieder kämpfen!« Wie sie den Kampf wiederaufnahmen, ließ ihn der Ochsensohn nicht mehr zum Schlagen kommen, er hieb ihm mit dem Schwert noch vier Köpfe auf einmal ab. Da brummte der Drache das Mädchen an: »Jelena, bring jetzt den Zaubertrank, das letzte Fläschchen, mein bestes Fläschchen.« Aber der Ochsensohn höhnte: »Sieh her, wo dein Fläschchen ist!« Er setzte es an den Mund, und dann hieb er ihm mit einem Schlag die noch übrigen Köpfe ab. Nachdem er das Ungeheuer getötet hatte, ging er zu dem Mädchen. Und sie feierten ein fröhliches Fest mit gutem Essen und Trinken, und alle waren vergnügt. Und die Königstochter gab dem



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Ochsensohn einen Ring von ihrer Hand, in dem ihr Name stand, und sagte: »Weil du mein Erlöser bist, so sei auch mein Bräutigam.«

Danach überlegten sie, wie sie davonkamen. Sie mußten wieder an denselben Haken in die Höhe klimmen, die Mädchen in die Höhe heben und selber hinüberkommen. Zuerst stiegen die Brüder hinüber, und der Ochsensohn reichte ihnen die Tochter der Magd. Dann hob er des Edelmanns Töchterlein hinauf, aber als er ihnen die Königstochter geben wollte, sprachen die Brüder untereinander: »Die Königstochter wird er wohl selbst zur Frau nehmen wollen, weil er ihr Befreier ist, und wir bekommen hinterher die schlechteren.« Und der Königssohn meinte: »Das Mädchen nehme ich zur Braut, und des Edelmanns Töchterchen nimmst du. Die Tochter der Magd nehmen wir so mit, die wagt niemandem etwas zu verraten. Den Bruder aber lassen wir drin. Hätte er den Ochsenwirt damals von der Eiche losgemacht, so hätte der ihn hierauf vorbereitet.«

Diesmal war der Ochsensohn sehr dumm. Er hätte selbst voraussteigen und die Mädchen hinüberheben und die Brüder zuletzt holen sollen, dann wäre er ihrer Bosheit entgangen.

Nun, da er als letzter drinnenblieb, geschah es, daß ihn die Brüder cmporzogen, um ihn von oben hinabstürzen zu lassen, so daß er in Stücke zerschmetterte. Dann zogen die beiden auf ihren Pferden mit den Mädchen nach Hause, aber den Bruder ließen sie mit zerbrochenen Knochen tot liegen.

Nach einiger Zeit kam zu dem Platz ein Kranich geflogen, der sah den Toten, und es fiel ihm ein, daß derselbe Mann einmal seine Jungen vor einer Hagelwolke geschützt hatte. Er flog herbei, setzte sich auf ihn und suchte die Stücke zusammen. Er besprengte ihn mit Totenwasser, da wurde der Körper wieder ganz, dann brachte er das Wasser des Lebens und benetzte ihm die Lippen, da wurde der Held wieder lebendig. Und er sprach: »Huhu, wie lange habe ich geschlafen!« Und der Kranich antwortete: »Du hättest bis in die Ewigkeit geschlafen, wenn ich nicht gewesen wäre. Denk an deine Guttat!«

Da ging der Ochsensohn aus dem Schloß und ging weiter durch das Land, und nachdem er lange gegangen war, kam er an eine Höhle. Er sah hinein, da gewahrte er im Innern der Erde einen Lichtstreifen, das



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war ein anderes Land. Und als er dem Lichtstreifen nachgehen wollte, fiel er zu Boden und erwachte in einem prächtigen, großen Wald am Rande eines Sumpfes, so daß er nicht wußte, wohin er gehen sollte. Da kam ein großer Vogel zu ihm, der sprach: »Noch ist es eine weite Strecke bis zu deinem Reich, aber wenn ich dich auf dem Rücken trage, so will ich dich dorthin bringen.« Da setzte er sich auf den Rücken des Vogels, und er versprach dem Vogel den Anteil. Ein Messer hatte er bei sich. Sie flogen so lange, bis der Mann fragte: »Ist es noch weit?« —»Noch ist es weit«, sprach der Vogel, »wenn ich den Kopf umwende, so halte ein Stück Fleisch bereit.«Und als der Vogel den Kopf wendete, da schnitt er sich mit dem Messer ein Stück Fleisch aus dem Schenkel und steckte es dem Vogel in den Schnabel. Dann flogen sie wieder weiter. Sie flogen so lange, bis der Vogel zum zweiten Male den Kopf umwendete, da gab er ihm aus dem andern Schenkel ein Stück in den Schnabel.

Als der Vogel zum zweitenmal gegessen hatte, brachte er den Ochsensohn zu dem Schlosse, wo sie dem Königssohn, seinem Bruder, die Hochzeit bereiteten.

Der wollte die Königstochter heimführen, die er vom Drachen befreit hatte. Und er ging ins Schloß, weil ihm die Füße versagten, und blieb über Nacht dort. In dem Schlosse erfuhr er, daß morgen die Hochzeit sein sollte, und sie fragten ihn, ob er nicht zur Hochzeit die Kantele spielen wolle. Da ging er in den Hochzeitssaal und begann zu spielen. Er griff in die Saiten und spielte für die Braut, die auf dem Stuhle saß. Und die Braut erkannte den Ring an seinem Finger, sprang vom Stuhl und rief: »Das ist der Held, der mich erlöst hat!«Dann erzählte sie die ganze Geschichte, wie sie geschehen war.

Da wurden die Brüder, die ihn umgebracht hatten, an die Schweife von Rossen gebunden und geschleift, aber den Ochsenbruder machten sie zum Königssohn und zum Erben des Reiches, und er feierte Hochzeit mit Jelena, der Königstochter.



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Der Besenbinder und der König

Es war einmal ein alter Mann, der konnte nichts anderes als im Walde Reiser schneiden und Besen daraus binden. Er lud sich eine Fuhre voll und machte sich damit nach der Stadt auf. Unterwegs begegnete ihm der König, aber er wußte nicht, daß es der König war. Und der König sprach zu dem Alten: »Nimm mich mit nach der Stadt, ich bezahle dir, was du willst!« Der alte Mann nahm ihn hinter sich in den Schlitten, und sie fuhren fort.

Als sie im Fahren waren, nahm der König alle Besen und warf sie aus dem Schlitten auf den Weg. Der alte Mann aber hatte nichts davon gemerkt, bis sie in die Stadt kamen. Als er nun hinter sich in den Schlitten guckte, war kein Besen mehr da. Er fing an, den König zu schelten: »Warum hast du meine Besen fortgeworfen, du Lümmel, jetzt bekomme ich kein Brot ins Haus.« Da sprach der König: »Verklag mich, wenn du willst!«

Da verklagte er ihn und erzählte auf dem Gericht, daß er ihn unterwegs auf den Schlitten genommen und in die Stadt gebracht habe und daß jener ihm zum Dank dafür alle Besen aus dem Schlitten geworfen habe. Da sagten die Gerichtsherren: »Er wird dich schon bezahlen, wenn er dir Unrecht getan hat.«Am nächsten Tag gingen sie beide aufs Gericht. Der König warf hundert Taler auf den Tisch, um die Gerichtsherren zu gewinnen, und sie sprachen den König frei -wußten aber auch nicht, daß es der König war.

Wie sie nun beide aus dem Gerichtshof kamen, der König und der alte Mann, sagte der König zum Alten: »Verklag mich noch einmal, wenn du willst.«Und der Alte verklagte ihn zum zweitenmal, bei einem höheren Gericht. Da sagten sie ihm wieder: »Er bezahlt dich schon, wenn er dir Unrecht getan hat.«Am folgenden Tag wurden beide vor Gericht geladen, hier gaben sie dem König wieder recht und dem Alten unrecht, denn sie sagten: »Warum hast du ihn betrunken auf den Schlitten genommen?« Da verklagte ihn der Besenbinder zum drittenmal, bei der höchsten Gerichtsbarkeit.

Der König gab wieder Geld, und sie richteten den armen Mann abermals. Dann gingen sie fort aus dem Gerichtssaal, und der König be



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stellte ihn zu sich ins Schloß. Er schenkte ihm achthundert Taler und sagte: »Geh jetzt nach Hause und mach dir ein gutes Segelboot! Dies ist der Lohn für die Arbeiter. Dann flicht dreitausend Paar Rindenschuh und komm am Johannistag in die Stadt unten zur Brücke beim Schloß! Hier verkauf die Schuhe, doch das Paar nicht unter drei Taler!« Und der König veranstaltete am Johannistage ein großes Fest und gab den Befehl: »Alle müssen zu dem Fest in Rindenschuhen erscheinen«, und er machte bekannt, daß an dem Tage neben der und der Brücke welche zu kaufen seien.

Da verkaufte der Mann seine ganze Ware, denn die Kaufleute und alle andern liefen dahin, wo ihnen befohlen war zu kaufen. Alle kauften sich Schuhe, für drei Taler das Paar. So bekam der arme Mann reichlich wieder, was er an der Fuhre verloren hatte. Die Gerichtsherren aber wurden aus ihrem Dienst entlassen, weil sie ehrlos gerichtet hatten.


Die böse Frau

Es war einmal ein Mann, der hatte eine böse Frau, die war so bös, daß er nicht mit ihr leben konnte. Was sie tun sollte, das tat sie nicht, und was sie nicht tun sollte, das tat sie. Da wollte er sie aus dem Wege schaffen. Er machte sich auf, um in den Wald zu gehen, und sagte zu seiner Frau: »Du kommst nicht mit in den Wald.« Aber die Frau antwortete: »Ich komme doch mit.« —»Wenn du mitwillst, laß den Sack zu Hause!« Da sagte sie: »Den nehme ich mit.« — »Wenn du den Sack mitnimmst, steck keine Steine hinein«, sprach der Mann. Und die Frau antwortete: »Das tue ich doch.«Dann gingen sie zusammen in den Wald und kamen an einen Sumpf. Sie gingen am Sumpf entlang weiter und kamen an eine Quelle. Der Mann sagte zu seiner Frau: »Beug dich nicht über die Quelle!«Aber sie tat es doch und fiel in die Quelle und blieb auf dem Grund. Da begab sich der Mann auf den Heimweg.

Er kam nach Hause und lebte drei Tage heiter und vergnügt. Dann jammerte es ihn, und er sprach: »Ich will zu dem Ort gehen und sie suchen.« Er nahm einen Strick und eine Axt mit und ging in den Wald. Als er an der Quelle war, band er die Axt an das Ende des Strickes und



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ließ den Strick in die Quelle hinunter. Dann versuchte er zu ziehen. An dem Strick hing etwas. Er zog und zog so lange, bis es sichtbar wurde —da hing der Teufel selber am Strick. Als er den sah, erschrak er und wollte ihn wieder hinunterlassen, aber der Teufel flehte ihn an: »Laß mich nicht fallen, laß mich nicht fallen, zieh mich heraus! Ich lohne es dir, wenn du mich herausziehst.« Und er tat es. Dem Teufel aber war ein Horn zerschlagen, die böse Frau hatte ihm mit dem Sacke das Horn zerschlagen. Und er erzählte dem Manne: »Es kam ein so böses Weib da hinunter, wie es nichts Böseres auf der Welt gibt. Das schlug mir das Horn entzwei.« Und der Teufel versprach dem Mann, ihn ganz reich zu machen. »Aber«, sagte er, »das kann ich nur, wenn ich in die Königin hineinfahre und sie krank mache. Dann kommst du und machst sie wieder gesund.« — Der Mann hatte nun schon früher Menschen gesund gemacht, die viele Jahre krank gewesen waren.

So geschah es, daß die Königin erkrankte, aber weder der Feldscher noch sonstwer konnte sie gesund machen. Da fanden sie endlich einen, der ihnen sagte, daß es dort hinterm Walde einen Mann gebe, der sie gesund machen könne. Er wurde zu ihr gerufen, und sie fragten ihn: »Kannst du sie gesund machen?« Da sagte der Teufel zu ihm: »Sprich, daß du es kannst.« Und der Mann sprach: »Ja, ich mache sie gesund.« Er behandelte sie viele Tage. Da verließ der Teufel die Königin, und sie wurde gesund. Der König aber gab dem Manne aus Freude viel Geld, und er wurde sehr reich.


Bruder und Schwester und die goldlockigen Königssöhne

Es waren einmal eine Frau und ein Mann, die hatten zwei Kinder, ein Mädchen und einen Knaben. Frau und Mann starben beide und ließen die Kinder zurück. Die wuchsen heran und lebten in herzlicher Eintracht miteinander. Da nahm sich der Bruder eine Frau. Er ging in den Wald und sagte zu seiner Schwester: »Lebe wohl!« Als er wieder aus dem Walde kam, sagte er: »Grüß Gott, Schwesterlein!« Der Tag verging, und es kam der zweite Tag. Der Bruder ging wieder in den Wald



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und sagte wieder: »Lebe wohl, Schwesterchen!« Da wurde die junge Frau böse, daß er und die Schwester miteinander so herzlich waren. Während er fort war, ging sie hin und tötete ihm ein Pferd. Wie der Mann am Abend nach Hause kam, sagte er wieder: »Grüß Gott, Schwesterchen!«Da sprach die Frau: »Sieh nur, was deine gute Schwester getan hat, das Pferd hat sie getötet!« Und der Bruder antwortete: »Die Stute wird uns andere schenken.« Dann ging er den dritten Tag in den Wald. Aber die Frau war noch ärgerlicher, daß der Bruder wegen des Pferdes nicht einmal böse geworden war. Da tötete sie ihren kleinen Knaben, ihr eigenes Kind. Sie legte das Kind noch am selben Abend auf die Schwitzbank in die Badestube. Darauf kam der Bruder nach Hause und sprach: »Grüß Gott, Schwesterlein.« Und die junge Frau sagte: »Sieh her, was deine Schwester Gutes getan hat, das Kind hat sie umgebracht.« Da nahm der Bruder seiner Schwester die Kleider weg, brachte sie nackt in den Wald und ließ sie dort. Sie lief zu einer großen Tanne, die im Innern hohl war, und verkroch sich darin. Es geschah aber, daß der König im Walde jagte, und des Königs Hunde fingen an zuheilen, als sie zu der Tanne kamen, sie bellten die Tanne an. Da kam der König herbei, um zu sehen, warum die Hunde bellten. Und er fragte: »Bist du getauft, du in dem Baum da?« Da antwortete das Mädchen im Baume: »Ja, ich bin getauft.« — »Wenn du getauft bist, so komm heraus!«Und das Mädchen sprach: »Ich schäme mich zu kommen, denn ich bin nackt.«Aber schließlich mußte sie doch herauskommen. Da nahm sie der König mit nach Hause. Sie lebten eine Zeitlang zusammen, dann wurde sie seine Frau.

Danach fuhr der König mit seinen Schiffen zu anderen Königen zu Besuch. Seine Frau blieb daheim, weil sie guter Hoffnung war, und sie gebar ihm während der Zeit zwei goldlockige Knaben. Es war aber eine böse Frau um sie, die schrieb an den König: »Deine Frau hat zwei jungen Hunden das Leben geschenkt.« Als der König nach Hause kam, fragte er seine Frau: »Was hat uns Gott gegeben?« Und die Königin sagte: »Ich habe dir ja einen Brief geschickt.« Da befahl der König: »Jagt die Hunde über neun Meere, über zehn kalte Seen!«Und sie jagten die goldlockigen Knaben fort, und der Teufel holte sie sich. Dann ging der König wieder in andere Reiche, und die Königin gebar ihm



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unterdessen wieder zwei goldlockige Knaben. Wieder schrieb die böse Frau, die bei ihr war, an den König: »Die Königin hat zwei junge Hunde zur Welt gebracht.« Da sandte der König einen Brief heim: »Bringt sie über neun Meere und zehn kalte Seen zum Teufel!« Und der Teufel holte die Kinder. Als der König wieder nach Hause kam, fragte er seine Frau: »Was hat uns Gott geschenkt?«Die Königin sagte: »Du hast doch einen Brief bekommen, darin stand es ja.« Dann ging er abermals von Haus fort, und die Königin blieb in guter Hoffnung zurück, und sie gebar zum drittenmal zwei goldlockige Knaben. Und die Alte schrieb: »Deine Frau hat zwei junge Hunde geboren.« Da schrieb der König zurück: »Bringt sie über neun Meere und zehn kalte Seen zu dem Teufel!«Und der Teufel entführte sie wieder. Dann ging der König auf die Jagd. Als er fort war, bekam seine Frau ein siebentes Söhnchen, ein ganz einfaches Kind. Sie schickten dem König einen Brief, darin stand: »Die Königin hat einen Bauernsohn geboren.«Und der König erließ den Befehl: »Steckt Mutter und Kind in ein Teerfaß und werft sie ins Meer.« Da taten sie, wie ihnen befohlen war.

Mutter und Kind trieben auf dem Meere; da sagte der Knabe zu seiner Mutter: »Ich stoße dem Faß den Boden aus.« Und die Mutter sprach: »Das tue nicht, mein Kind, noch sind wir in Gefahr.«Und das Faß trieb weiter und weiter auf den Wogen des Meeres.

Wieder sprach der Knabe: »Ich stoße den Boden aus«, denn sie kamen dem Ufer nahe. Da sagte die Mutter: »Nun, stoß ihn aus!« Dann stiegen sie ans Ufer und legten sich schlafen. Und während sie schliefen, kam ein alter Mann zu ihnen, das war unser Herrgott, der wollte den Knaben aufheben: »Steh auf, Knabe!«sprach er, »ich will dir eine Hütte von Tannenzweigen machen.« Aber der Knabe stand nicht auf, er schlief immerfort. Wieder wollte ihn Gott aufheben: »Steh auf, Junge, steh auf! Du sollst eine Hütte aus Tannenzweigen haben.« Da stand der Knabe auf, und Gott gab ihm einen Stab in die Hand und sprach: »Damit schlage dreimal auf diesen grauen Stein!«Der Knabe ging hin, schlug dreimal auf den Stein, da stieg ein goldenes Schloß aus der Erde, ringsherum war alles Garten, wo die Vögel in den Bäumen sangen und auch sonst alles gut war.

Das Bauernbübchen aber sagte zu seiner Mutter: »Backe mir Kuchen



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aus Muttermilch, ich will hingehn und meine Brüder suchen, die der Teufel geholt hat.« Am andern Tage backte die Mutter einen Kuchen aus Muttermilch. Der Knabe setzte sich auf einen Balken und schwamm über neun Meere und zehn kalte Seen. Dann ging er in das Haus des Teufels und legte den Kuchen auf einen Stuhl. Da kamen die Knaben aus dem Walde, zuerst zwei, die versuchten den Kuchen. Der Bauernbub aber hatte sich hinter den Ofen verkrochen. Und die Knaben sprachen: »Ah, was ist das für ein süßer Kuchen, wie aus Muttermilch gebacken!« Nun kamen die andern auch aus dem Wald, vier Knaben. Da sagten die Brüder zu ihnen: »Versucht einmal den Kuchen! Der schmeckt wie aus Muttermilch gebacken, so süß.« Sie versuchten den Kuchen und aßen ihn auf. Jetzt kam der Bruder hinterm Ofen hervorgekrochen und sagte: »Ich bin euer Bruder und komme, um euch von hier fortzuholen.« Da sagten sie: »O weh! Wohin sollen wir dich verstecken? Gleich kommt der Teufel nach Hause. Kriech geschwind hinter den Ofen, Bruder, und rühr dich nicht!«Als nun der Teufel aus dem Walde kam, sprach er: »Huhu, es riecht nach einem Fremden hier.« Und die Kinder sprachen: »Ein Vogel ließ seinen Mist in die Stube fallen, wir wollten ihn abwaschen, aber er ging nicht fort, das wirst du noch riechen.«

Da warf sich der Teufel aufs Bett, um zu schlafen, er hatte sechs Köpfe und sechs Füße. Die Kinder aber standen auf und kraulten ihm einen Fuß, da fiel ihm ein Auge zu. Sie kraulten und kraulten ihm den zweiten, da schlief er mit dem zweiten Auge, dann kraulten sie ihm den dritten Fuß, und so machten sie es fort, bis er alle Augen geschlossen hatte. Hierauf setzten sich alle sieben Brüder auf den Balken und kamen ohne Lärm davon, denn den Bösen hatten sie eingeschläfert. Als aber der Böse erwachte und die Jungen nicht sah, machte er sich auf die Suche. Die Knaben hörten, daß er ihnen nachkam, denn der ganze Wald erdröhnte und das Meer toste und sie jagten um so schneller auf ihrem Balken vorwärts. Sie gelangten auch glücklich ins Schloß und warfen die Türen hinter sich zu, daß der Teufel nicht hineinkam. Dann schrieben die Knaben an den König, ihren Vater: »Komm und besuch uns.«

Ihr Vater aber hatte inzwischen die Tochter der bösen Frau geheiratet. Da sprach der König zu seiner Gattin: »Backe mir eine Pastete, ich will



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meine Kinder besuchen.« Aber die Frau antwortete: »Was willst du denn dort machen? Geh lieber in den Garten, wo die Vögel singen und der Sommer die Früchte an den Bäumen reift!« Da ging er in den Garten und teilte die Pastete unter die Vögel und ging nicht zu seinen Kindern. Die sieben Brüder, die sechs gold lockigen Knaben und der Bauernbub aber lebten mit ihrer Mutter zusammen im goldenen Schloß. Nun geschah es, daß der König einmal mit seinem Hofe auf die Jagd ging. Er kam bis zu dem goldenen Schloß, da wurde es dunkel, und sie fanden den Weg nicht mehr zurück. Da klopfte er an die Pforte des Schlosses und fragte: »Kann ich hier die Nacht unterkommen?« Und die Mutter der Kinder sprach: »Wir haben wohl Platz für dich.« Allen sechs Knaben waren die Locken zugebunden, damit der König nicht sehen sollte, wie die Goldköpfe leuchteten, und der Bauernbub saß mit seiner Mutter auf der Treppe in Angst. Da trat der König in die Vorhalle und fragte die Frau - er wußte nicht, daß es seine Frau war -: »Wer kann hier im Hause eine Geschichte erzählen?«Und sie antwortete: »Ich weiß nicht, vielleicht kann es mein jüngster Sohn.«

Da kam der Bub, um dem König eine Geschichte zu erzählen. Und er begann: »Es war einmal ein Mann und eine Frau, die starben beide, und sie ließen ein Mädchen und einen Knaben zurück. Der Knabe wuchs heran und lebte mit seiner Schwester in herzlicher Eintracht. Da nahm sich der Bruder eine Frau. Als sie verheiratet waren, wurde die junge Frau ärgerlich, daß Bruder und Schwester immer noch so herzlich zueinander waren. >Wenn ich sie doch entzweien könnte<, dachte sie. Und der Bruder ging in den Wald und sagte: >Lebewohl, Schwesterchen!< Da tötete ihm seine Frau, während er fort war, ein Pferd. Wie er am Abend nach Hause kam, sagte er: >Grüß Gott, Schwesterchen!< Da sagte die junge Frau: >Sieh nur, was deine gute Schwester gemacht hat.< Aber er antwortete: >Die Stute wird uns andere schenken.<Dann ging er den zweiten Tag in den Wald. Sie hatten aber ein Söhnchen, ein ganz kleines Kind, das nahm sie an dem Tage und tötete es. Als es Abend wurde, kam der Bruder nach Hause und sagte wieder: >Grüß Gott, Schwesterchen.< —Da lief die junge Frau auf ihn zu: >Sieh her, was deine Schwester Gutes getan hat, dein Kind hat sie umgebracht.< Und der Bruder zog der Schwester die Kleider aus, brachte sie nackt in den Wald



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und ließ sie dort. Das Mädchen lief und lief den Wald entlang und schlüpfte in eine Tanne, die im Innern hohl war. Und es geschah, daß der König im Walde jagte, und des Königs Hunde fingen an zu bellen, als sie zu der Tanne kamen. Da kam der König herbei und fragte: >Bist du getauft, du in dem Baum da?< Da antwortete das Mädchen: >Ja, ich bin getauft.< —>Wenn du getauft bist, dann komm heraus!<Dann nahm sie der König mit nach Hause, zog ihr schöne Kleider an -(der König aber saß auf dem Stuhl, und es redete niemand als der Knabe) — und er heiratete das Mädchen. Danach fuhr der König mit seinen Schiffen in andere Königreiche. Seine Frau blieb daheim, weil sie guter Hoffnung war, und sie gebar ihm während der Zeit zwei gold lockige Knaben. Es war aber eine böse Frau um sie, die schrieb an den König: >Deine Frau hat zwei jungen Hunden das Leben geschenkt.<

Da befahl der König: >Jagt die Hunde über neun Meere, über zehn kalte Seen.< Und sie jagten die goldlockigen Knaben fort, und der Teufel holte sie sich. Dann ging der König wieder weg, und die Königin gebar wieder zwei goldlockige Knaben. Wieder schrieb die böse Frau: >Die Königin hat zwei junge Hunde zur Welt gebracht.< Und der König sandte einen Brief heim: >Bringt sie über neun Meere und zehn kalte Seen.<

Dann ging der König abermals von Hause fort, und die Königin bekam zum drittenmal zwei goldlockige Knaben. Aber die Alte schrieb: >Deine Frau hat zwei junge Hunde geboren.<So entführte ihr der Teufel alle Kinder. Dann ging der König auf die Jagd. Als er fort war, bekam seine Frau ein siebentes Söhnchen, ein ganz einfaches Kind. Sie schickten dem König einen Brief, darin stand: >Die Königin hat einen Bauernsohn geboren.<Und der König befahl: >Steckt Mutter und Kind in ein Teerfaß und werft sie ins Meer.< Das taten sie auch.

Mutter und Kind trieben auf dem Meere, da sagte der Knabe: >Ich stoße dem Faß den Boden aus<, denn sie kamen dem Ufer nah. Und er stieß ihm den Boden aus. Dann stiegen sie ans Ufer und legten sich schlafen. Und während sie schliefen, kam der Herrgott zu ihnen und sprach: >Steh auf, Knabe!<und er gab ihm einen Stab und sagte: >Damit schlage dreimal auf diesen Stein.< Der Knabe tat also, da stieg ein goldenes Schloß aus der Erde. Da sagte das Kind zu seiner Mutter: >Backe mir



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Kuchen aus Muttermilch, ich will hingehen und meine Brüder suchen, die der Teufel geholt hat.<

Und die Mutter buk einen Kuchen aus Muttermilch. Der Knabe setzte sich auf einen Balken und schwamm über neun Meere und zehn kalte Seen, kam in das Haus des Teufels und befreite alle seine Brüder. Danach schrieben die Knaben an den König, ihren Vater: >Komm und besuche uns.< —Aber der König kam nicht, seine Frau hatte ihn nicht fortgelassen (der König aber hörte immer zu, wie der Knabe erzählte), sie hatte ihm gesagt: >Geh in den Garten, wo die Vögel singen und der Sommer die Früchte an den Bäumen reift.<

Und er ging in den Garten und ging nicht zu seinen Kindern. Die sieben Brüder, die sechs goldlockigen und der Bauernbub, aber lebten mit ihrer Mutter im goldenen Schloß.

Da ging einmal der König auf die Jagd, er kam bis zu dem goldenen Schloß, und es wurde dunkel, und er konnte nicht mehr zurück. Dann war er ins Schloß gekommen und hatte um ein Nachtlager gebeten. Dort hatte er gefragt: >Wer kann mir hier im Haus eine Geschichte erzählen?< — —

Als nun der König in Gedanken versunken dasaß, kamen die sechs goldlockigen Knaben hinter dem Ofen hervor, und als ihnen die Binden abgenommen wurden, ging ein Glanz von ihren Häuptern aus, daß das ganze Schloß erstrahlte, und der König nahm das Weib zu sich und alle sieben Söhne. Als sie aber nach Hause kamen, ließ er die böse Frau und ihre Tochter in Strohgarben binden und verbrennen. Danach gingen sie alle ins Schloß, und sie leben dort bis zum heutigen Tag.


Was ist besser: Wahrheit oder Lüge?

Ein Mann diente für einen Silbergroschen. Er war ein guter und rechtschaffener Mensch ohne alle Falschheit. Als er für einen Groschen ein Jahr gedient hatte, ging er fort. Er kam auf eine Brücke, die über den Fluß führte, warf den Groschen ins Wasser und sprach: »Wenn ich diesen Sommer mehr Lohn bekomme, so mag der Silberling wieder heraufkommen, wenn nicht, mag er auf den Grund fallen.« Der Groschen



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fiel ins Wasser und blieb auf dem Grunde. Er ging ein zweites Jahr hin, diente für einen Silbergroschen und sprach: »Gut kann ich zwar nicht leben, aber ich will noch dieses zweite Jahr dienen.« Als das Jahr um war, ließ er den Groschen wieder von der Brücke auf den Grund fallen. Und er ging hin und diente noch ein drittes Jahr für einen Groschen. >Warum sind nur die zwei Silberlinge auf dem Grunde geblieben?<Als er das dritte Jahr abgedient hatte, bekam er den dritten Groschen. Und wie er ihn bekommen hatte, sagten sie zu ihm: »Vergelt's Gott.« Da warf er auch den dritten Silbergroschen ins Wasser, aber der brachte die beiden andern vom Grund in die Höhe. Da nahm er sein Geld und ging davon.

Unterwegs begegnete ihm ein Mann, mit dem begann er darüber zu streiten, was besser in der Welt sei: Wahrheit oder Lüge. Er, der für drei Groschen als Knecht gedient hatte, sagte: »Die Wahrheit ist besser.« Aber der andere sprach: »Die Lüge ist besser.« Wer von ihnen beiden unrecht hatte, der sollte ins Meer gehen. Das hörte ein Mann und kam dahin, wo die beiden stritten. Da fragten sie den Mann: »Was ist besser in der Welt: Wahrheit oder Lüge?« Aber der Mann war schlecht, der ihnen zugehört hatte, und sprach: »Die Lüge ist besser.« — »Du mußt ins Meer«, rief der andere, »weil die Wahrheit schlechter ist als die Lüge!« Da mußte er gehen. Der für drei Silbergroschen gedient hatte, mußte ins Meer. Und er ging hin und weinte.

Am Ufer des Meeres aber stand ein alter Mann mit einer Holzschaufel in der Hand. Der fragte ihn: »Wohin willst du denn?« Er antwortete: »Ich will ins Meer.« — »Warum willst du denn ins Meer?« — »Weil die Wahrheit in der Welt für schlechter gilt als die Lüge.«

Da gab ihm der Alte seine Schaufel und sprach: »Setz dich auf die Schaufel, wohin sie dich trägt, dahin gehe, sie läßt dich nicht untergehn.« Und er setzte sich auf die Schaufel, die flog wie ein Pfeil übers Wasser bis zu einer Insel. Auf der Insel stand ein stattlicher großer Baum, eine Kiefer. Der Mann stieg für die Nacht auf die Kiefer, denn schon wurde es dunkel.

Da flogen viele Teufel umher, und drei Teufel machten unter dem Baum ein Feuer an. Sie setzten sich um das Feuer und erzählten einander, wo sie den Tag über herumgegangen und -geflogen waren. Der erste



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Teufel begann: »Ich kam über ein prächtiges Land, ein köstlicher Duft erfüllte den Boden, dort habe ich keine Menschen verführen können.« Der zweite sprach: »Ich habe viele verführt, unter die Kinder trug ich Streit, das ganze Dorf kam in Uneinigkeit durch mich.« Dann prahlte der dritte: »Ich habe es gut gemacht, ich nahm der Königstochter beim Abendmahl das geweihte Brot aus dem Munde, und darüber ist sie verrückt geworden.« —»Nun«, fragten die andern, »wie kann sie denn wieder gesund werden?« Da sprach der Teufel: »Wenn sie eine Kirche bauten und in die Kirche eine Schmiede und brächten sechs Schmiede dorthin, die mich als Kröte unter der Kirchensäule wegnahmen, ins Feuer würfen und auf mir herumhämmerten, bis ich das geweihte Brot hergäbe, dann würde die Königstochter wieder gesund; der Pfarrer segnete das Brot und gäbe es dem Mädchen zurück.«

Da wurde es Tag, und die Teufel flogen wieder davon. Der Mann ließ sich vom Baum herunter, setzte seine Mütze auf, ging wieder zum Ufer und erzählte dem Alten, was er erlebt hatte. Da riet ihm der Alte: »Geh zum König!« Er ging zum König und gab ihm Bescheid, wie seine Tochter gesund werden könnte. Sie bauten eine Schmiede und hämmerten den Teufel und bekamen das geweihte Brot zurück. Dann reichten sie es dem Mädchen, das Mädchen genas, und der König gab seine Tochter dem armen Manne zur Frau, und er wurde steinreich. Eines Tages begegnete ihm der Mann, mit dem er auf der Landstraße gestritten und der ihn ins Wasser gejagt hatte. Der fragte ihn: »Woher hast du denn die schönen Pferde?« — »Die habe ich aus dem Meere«, gab er zur Antwort.

»Weil du mich ins Meer gejagt hast, bin ich steinreich geworden.« Da bat der Mann: Zeig mir doch nur, wie du hineingegangen bist, so will ich auch hineingehen.« Er antwortete: »Geh an den Strand, dort sitzt ein alter Mann, der gibt dir eine Schippe.«

Er ging ans Ufer und bekam eine Schippe, dieselbe, die der andere auch gehabt hatte. Damit gelangte er auf die Insel, und er stieg auf den Baum, wo der andere auch gesessen hatte. Da kamen die Teufel wieder geflogen und guckten nach dem Baum. Sie sahen den Mann im Baume sitzen und riefen ihm zu: »Komm herunter!« Aber er wollte nicht kommen. Als er dann schließlich doch herunterkam, packten ihn die Teufel und



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fraßen ihn auf. »Du hast uns zuviel Böses getan. Daß sie mich gehämmert haben, bis ich das geweihte Brot fortgeben mußte, das sollst du mir mit dem Leben büßen.«


Wie die Trauerbirke entstanden ist

Ein reicher Mann lauste seiner Tochter den Kopf und fand eine große Laus. Er setzte sie unter einen Topf und ließ sie wachsen. Und die Laus wuchs, bis sie so groß war wie eine Katze. Da tötete er sie, und aus der Haut machte er seiner Tochter Schuhe. Dann rief er alles Volk zusammen, damit sie rieten, aus was für einer Haut die Schuhe gemacht worden seien. Wer es erraten könne, der solle seine Tochter zur Braut haben. Da fanden sich viele ein, die gern des reichen Mannes Tochter zur Braut gehabt hätten.

Hinter dem Hause aber war ein See. Da kam ein Wasserweibchen herauf, das stieg durch den Rauchfang und verwandelte sich in einen alten Mann. Der kroch hinterm Ofen hervor und sprach: »Sie sind aus der Haut einer Laus.« Und ein flinker Bursch sprang auf und rief: »Ich hab's geraten, ich hab's zuerst gesagt.«Da kamen die Leute von der andern Seite auf ihn zu und hießen ihn schweigen. Und der Alte ging hin und wollte das Mädchen zur Frau haben. Aber ihr Vater sprach: »Dir gebe ich meine Tochter nicht, und wenn es sonstwas gälte.« Und sie selber sagte: »Dich alten Kerl nehme ich nicht«, und lief aus dem Haus. Da entführte sie das Wasserweibchen hinter dem Haus und nahm sie mit sich in den See. Dort hatte sie ein prächtiges Schloß auf einer schönen Insel und einen bunten Garten mit allerhand Beeren und allerlei Vögeln. Und sie hatte einen flinken Jungen, dem gab sie das Mädchen zur Frau.

Sie lebte dort ein Jahr, das erschien ihr wie eine Woche, sie lebte ein zweites, ein drittes und bekam ein Kind. Sie lustwandelte mit dem Kinde und ihrem Manne in dem Garten, und sie aßen, was sie wollten. Aber eines Tages bekam sie doch Sehnsucht nach Hause. Es fiel ihr ein, ihre Eltern einmal zu besuchen, und sie sagte zu ihrem Gatten: »Es wäre wohl an der Zeit, daß ich mal nach Hause ginge, ich habe so rechte



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Sehnsucht.« Da sagte der Mann: »Du kannst gehen, wann du willst, doch back erst Kuchen für die Deinen, nimm alle Beeren für Pasteten! Also backte sie Pasteten und nahm einen Sack voll Gold für die Ihrigen zum Geschenk mit. Dann hob er seine Frau und ihren Knaben aufs Knie, und sowie er bloß einmal mit ihnen herumflog, waren sie dort am Ufer, von wo sie das Wasserweibchen geholt hatte. Und er beschied sein Weib und sagte: »Wenn du wieder nach Hause möchtest, so ruf am Ufer: >Komm, komm, mein Geliebter, und hole mich!< Dann komme ich und hole dich.« Die junge Frau ging zu ihrem Vater, und ihr Mann kehrte mit dem Bübchen wieder heim. Am Ufer aber kam ihr viel Volks entgegen, denn sie meinten: »Wer kommt denn da in so feinen Kleidern?«Sie gab den Leuten die Hand und schenkte ihnen von dem Golde. Dann kam sie nach Hause, aß und trank dort und erzählte dem Vater und den Brüdern, wie sie lebte. Sie erzählte und lobte: »Ich habe dort ein herrliches Leben. Da gibt es so schöne Gärten und Vögel und Beeren, daß einem keine Sehnsucht kommt. Bin ich doch heute nach drei Jahren zum erstenmal nach Hause gekommen.«

Da flüsterten ihre zwei Brüder insgeheim miteinander, und sie gingen in den Wald und schnitten sich Knüttel von Erlenholz, damit wollten sie den Schwager totschlagen. Aber das Mädchen fühlte Sehnsucht nach ihrem Mann und ihrem Kind, nach ihrem weichen Lager und allem andern. Es trieb sie mit aller Macht heim. Aber weder Vater noch Mutter wollten sie fortlassen. »Ich kann nicht mehr hierbleiben, ich leide solche Qual und solchen Jammer hier.«Sie drängte und drängte, da half kein Verbot mehr. »Wenn du solche Sehnsucht hast, so geh, doch besuch uns bald wieder«, baten Vater und Mutter. Da ging sie zum Ufer, ihren Geliebten zu rufen, der mit dem Kind in Sehnsucht ihrer harrte. Und der Geliebte kam. Doch als er ans Ufer stieg, sprangen die Brüder aus dem Walde mit Erlenholzknütteln auf ihn ein und schlugen ihn, daß er tot liegenblieb. Die Schwester aber fing bitterlich an zu weinen: »Warum nur habt ihr das getan?«

Da wurde sie zur Trauerbirke und der Knabe auf ihrem Arm zum Ast an der Birke. Und die Blätter hingen an ihr wie die Locken am Kopfe. So blieb sie in ihrer Trauer und kam nie mehr zu ihrem Vater und den Brüdern. Sie ist eine Trauerbirke geblieben.



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Die dankbaren Tiere

Ein Gutsherr ging einmal im Walde spazieren, und als er so dahinschritt, fiel er in eine Wolfsgrube. Es waren aber schon vor ihm ein Bär, eine Meerkatze und eine große Schlange dort hineingefallen. Jedes Tier saß in einer Ecke, so groß war die Grube. Als der Gutsherr seine Gefährten sah, bekam er einen furchtbaren Schrecken und schrie um Hilfe. Da kam gerade einer von seinen Untersassen an der Grube vorüber, der hörte die Stimme seines Herrn und rief: »Wer ist denn da drin?« —»Ich bin es, dein Herr, hilf mir heraus, so will ich es dir lohnen.« Da der Mann zufällig einen Strick bei sich hatte, fällte er einen Baum, ästete ihn ab und ließ ihn in die Grube hinunter, um seinen Herrn daran heraufzuziehen. Als er merkt, daß unten etwas anfaßt, fängt er an zu ziehen. Aber wie er den Stamm glücklich oben hat, sieht er, daß es gar nicht sein Herr ist, sondern ein Bär, der sich am Baum festgeklammert hatte. Der Bär lief an ihm vorbei in den Wald. Da erschrak der arme Mann. Er glaubte, der Teufel habe ihn mit der Stimme seines Herrn gerufen, und er wollte die Grube verlassen. Da bat ihn der Herr wieder: »Laß mich nicht hier. Ich bezahle dir und deiner Braut die Hochzeit, weil du doch heiraten möchtest.« Er hatte nämlich den Mann an der Stimme erkannt. Weil nun dieser ein armer Kätner war, der nichts hatte, um Hochzeit zu halten, dachte er: >Ich kann es ja noch einmal versuchen, ob mein Herr aus der Grube kommt.< Kaum aber hatte er seinen Baum in die Grube hinuntergelassen, als auch schon die flinke Meerkatze hinaufsprang und sich daran festhielt. Der Mann fühlte, daß etwas an der Stange hing, und zog sie heraus, obgleich ihm sein Herr etwas leicht vorkam. In die Grube konnte er nicht hineinsehen. Wie er seinen Baum oben hatte, hüpfte die Meerkatze an ihm vorbei in den Wald. >Ei<, dachte der Mann, >ich ziehe noch alle Tiere des Waldes hier heraus<, und er wollte wieder fortgehen. Aber sein Herr fing von neuem an zu flehen: »Laß mich nicht hier! Ich gebe dir deine Kate zu eigen und noch einen Haufen Geld dazu, wenn du mich aus der Grube rettest.«

Da machte der Mann noch einmal den Versuch, seinen Herrn heraufzuziehen. >Wenn es nur der Herr wäre und nicht ein böser Geist, der



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mit meines Herrn Stimme ruft!< Als er wieder seinen Baum in die Grube hinunterließ und wieder heraufzog, zischte eine Schlange an ihm vorbei in den Wald. >Der böse Geist ist's, der mich foppt, weiter nichts<, dachte der Mann und wollte endlich fortgehen. Aber immer noch schrie der Herr aus der Grube: »Laß deinen Baum noch einmal herunter, ich gebe dir mein ganzes Gut, mein ganzes Geld, wenn ich nur hier fortkomme.« Da fühlte der Mann Mitleid, weil der andere so kläglich bat, und er dachte: >Nun, um meiner Braut willen will ich's noch einmal versuchen, aber dann nicht mehr, und wenn er auf jede mögliche Weise bäte.<Als er den Stamm wieder in die Höhe zog, da hing wirklich sein Herr dran.

Der Gutsherr, der drei Tage nichts gegessen hatte, war schon so kraftlos, daß ihn der Kätner führen mußte. Der Mann hatte einen Knust Brot in der Tasche, den gab er seinem Herrn. Als er den gegessen hatte, fing er an, sich zu erholen, aber dann sagte er zu dem Manne: »Jetzt brauche ich dich nicht mehr, du kannst gehen«; von Bezahlung war nicht mehr die Rede.

Am folgenden Morgen machte sich der Kätner zum Gutshof auf, um sich etwas von dem vielen Gelde zu holen, das ihm sein Herr versprochen hatte. Er kam in den Gutshof und fragte nach dem Herrn. Die Knechte vom Hofe fragten ihn aus, was er von dem Herrn wolle. Er mochte nicht lügen, sondern erzählte die Begebenheit, wie sie war, daß er dem Gutsherrn aus der Wolfsgrube geholfen hatte. Als diesem zu Ohren kam, was der Kätner seinen Bedienten erzählt hatte, wurde er schrecklich wütend, war es doch eine Schande für einen so großen Herrn, in eine Wolfsgrube gefallen zu sein. Dann ließ er ihn als einen Lügner bis aufs Blut auspeitschen.

Der arme Mann ging betrübt fort. Als er aber nach Hause kam und die Stubentür öffnete, lagen dort der Bär und die Meerkatze auf der Diele, und die Schlange lag auf dem Herd. Darüber erschrak der Mann zuerst, aber der Bär kam ihm freundlich entgegen und sprach: »Dort in der Darre ist für dich ein geschlachteter Ochs, ein wirklich großer Stier, den habe ich dir zur Hochzeit gebracht.«

Die Meerkatze hatte ihm einen großen Haufen Reiser und kleine Hölzer vor die Tür geschleppt, solche, wie sie ein so kleines Tier schleppen



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kann. Auch sie kam zu ihm getrippelt und sprach: »Dort im Hof liegt für dich ein ganzer Haufen Holz, womit du deine Stube am Hochzeitstag heizen kannst«, und sie fing an, noch mehr herbeizuholen. Die Schlange aber brachte ihm im Maule einen Edelstein. Der Mann kannte seinen Wert nicht, aber da er so hell war und glänzte, nahm er an, daß er etwas wert sein müsse. Er machte sich auf, ihn zu verkaufen, und ging damit in den Gutshof. Dort fragten sie: »Was verlangst du für den Stein?« Er sagte: »Hundert Taler.« Da glaubten sie, er habe den Stein gestohlen, weil des Mannes Vermögen nie mehr als höchstens fünf Taler betragen hatte, und sie fragten ihn aus, woher er den Stein habe. Obwohl der Mann arm war, wollte er nicht lügen, und er erzählte die Geschichte, wie sie war. Das glaubte natürlich niemand.

Der arme Mann wurde ins Gefängnis gesteckt, und sie brachten die Sache vors Gericht. Dort erzählte er noch einmal die ganze Begebenheit: wie er seinem Gutsherrn aus der Grube geholfen und was dieser ihm alles dafür versprochen hatte, daß er ihn aber statt dessen habe durchprügeln lassen. Dann erzählte er weiter, was für Geschenke ihm der Bär, die Meerkatze und die Schlange gemacht hatten. Da sprach der Richter: »Ich glaube dir gern, armer Mann, was du sagst, aber vor Gericht bedarf es der Zeugen. Hast du Zeugen?« — »Freilich: den Bär, die Meerkatze und die Schlange, aber die sind im Walde.« Nun, der Richter wollte ihn schon verurteilen, da öffnete sich die Tür, und der Bär kam brummend zur Tür herein, die Meerkatze saß auf seiner Schulter, und die Schlange kroch hinter ihnen her. Sie bezeugten des Mannes Rede, und wenn noch jemand gewagt hätte, den Mann zu verurteilen, so wäre der Bär sofort über ihn hergefallen. Da half nichts mehr. Der Mann wurde freigesprochen, und als der König die wunderliche Begebenheit erfuhr, machte er den armen Kätner zum Gutsherrn, und den Gutsherrn setzte er in die Kate. Der früher arme Mann nahm jetzt die Braut zu sich, und sie feierten eine prächtige Hochzeit. Essen und Trinken hatten sie im Überfluß, und ich war auch dabei. Erst kürzlich war die Hochzeit, und das junge Ehepaar lebt in Frieden und Gesundheit.



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Die Ehegatten

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die lebten in Frieden und Eintracht miteinander und hatten sich so gern, wie es besser nicht möglich war. Als sie so lebten, redeten sie einmal miteinander, und der Mann sagte zu der Frau: »Wenn ich sterbe, wirst du dir einen anderen Mann nehmen.«Und die Frau sagte darauf: »Und du nimmst dir sicher eine andere Frau, du bleibst nicht ledig.« Aber einer glaubte dem anderen nicht. Dann vereinbarten sie miteinander, daß weder er noch sie wieder heiraten wollten. Da starb die Frau. Erst lebte der Mann eine Weile ohne Frau, weil er überhaupt nicht wieder heiraten wollte. Als aber eine Zeit vergangen war, dachte er: >Was soll ich um sie trauern? Ich werde wieder heiraten.<Und er nahm sich eine neue Frau. Schon wollte er sie zur Trauung führen, da fiel ihm ein: >Ach, ich will doch noch schnell zu meiner Frau gehen und ihr Lebewohl sagen, die Tote um Verzeihung bitten.< Er ging hin und verbeugte sich am Grabe: »Verzeih mir! Ich gehe zur Trauung, ich heirate wieder.« Da öffnete sich das Grab -die Braut war bei der Kirche stehengeblieben, während der Mann seine verstorbene Frau besuchte -, und die Verstorbene rief ihn zu sich: »Komm, komm, fürchte dich nicht, komm hierher!« Sie rief ihn ins Grab und sagte zu ihm: »Weißt du nicht, daß wir uns versprochen hatten, daß der nicht wieder heiraten sollte, der übrigbliebe?« Und sie forderte ihn auf, auf dem Sarge zu sitzen. »Trinkst du Wein?« sagte die Frau im Grabe zu ihm. Sie gab ihm einen Becher, und der Mann trank. Dann wollte er fortgehen. Aber sie bat: »Bleib noch hier und laß uns vertraulich plaudern!« Sie goß ihm einen zweiten Becher ein, und der Mann trank wieder. Dann stand er wieder auf und wollte gehen, aber wieder sagte sie: »Laß uns noch plaudern!«Der Mann blieb und plauderte. —

Zu Hause hielten sie eine Andacht, weil sie glaubten, der Mann sei gestorben. Die Braut wartete und wartete und ging schließlich zu ihren Eltern zurück. —Und derweil gab sie ihm den dritten Becher, und immer noch bat sie ihn zu bleiben. Endlich ließ sie ihn fort: »Geh nun hin!« sagte sie.

Da ging der Mann fort. Er kam zur Kirche, aber da war kein Pfarrer



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mehr, nichts mehr - und er selber war ganz grau wie ein alter Wiedehopf, weil er dreißig Jahre im Grabe gewesen war.


Das rote Schaf, an dem alles hängenblieb

Es war einmal ein Hirt, der hütete die Schafe. Er hatte ausgemacht, daß er von jedem Schaf, das geboren wurde, dreißig Heller als Lohn bekäme, daß ihm aber für jedes Schaf, das verlorenginge, dreißig Heller abgezogen werden sollten. Da kam in der Nacht ein Mann zu ihm - er wohnte im Walde, wo er sich eine hübsche Hütte gebaut hatte -, der bat, ihn zu beherbergen. »Nun«, meinte der Hirt, »ich will einmal dreißig Heller draufgehen lassen«, ging hin, schlachtete ein Lamm und kochte das Fleisch für den Wandersmann. Dann begaben sie sich beide zur Ruhe.

Am andern Morgen sagte der Wandersmann zu dem Hirten: »Geh in die Hürde und sieh nach deinen Schafen!« Er ging hin, und die Hürde war voll von Schafen. In der Mitte der Hürde aber stand ein großes Lamm. Und der Fremde sprach: »Alle Schafe laß deinem Herrn, bloß das rote Schaf nicht, das behalte!«Und sein Herr gab ihm dreißig Heller für jedes Lamm. Dann ging er fort, und das rote Lamm lief ihm nach. Zur Nacht kehrte er in eine Herberge ein und legte sich schlafen. Indem Haus aber waren ein Mädchen, eine Frau und ein Mann, das war die ganze Familie. Mann und Frau gingen frühmorgens in die Darre. Da sagte das Mädchen und zeigte auf das rote Lamm: »Das gäbe schöne Handschuhe«, aber als sie sich eine Locke abschneiden wollte, blieben ihre Hände an dem Schaf hängen. Sie fing an zu schreien, und der Mann eilte aus der Darre herbei und schlug das Lamm mit einer Rute. Da blieb auch die Rute am Schaf hängen und der Mann am Rutenstiel. Nun kam die Frau aus der Darre mit dem Kehrbesen in der Hand. Sie schlug auf das Schaf, und der Besen blieb hängen und die Frau am Besenstiel.

Und in der großen Stadt lebte eine Königstochter, die war immer ganz traurig und lachte niemals. Da hatte der König verkündet, er wolle dem, der seine Tochter zum Lachen brächte, die Hälfte seines Reichs und seine Tochter zur Frau geben. Da ging der Hirt mit seinem Schaf



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hin - an dem Schaf hingen der Mann, die Frau und die Tochter -, und die Königstochter, als sie das sah, fing an zu lachen. Da kriegte er die Prinzessin zur Frau und die Hälfte des Königreichs dazu. Danach machte er die andern frei, und sie lebten glücklich, und vielleicht leben sie heute noch.


Der sprechende Baum

Einmal ging ein Jäger in den Wald und verirrte sich. Er kam an einen mächtigen See. Aus dem See stieg ein großer Drache heraus, der sprach zudem Mann: »Schieß mich nicht!« Da schrie der Mann: »Warum soll ich dich nicht schießen, du frißt mich ja auf!« — »Das tu ich nicht, laß mich zu dir! Sieh, hinter mir her kommt ein anderer Drache, der will mich fressen: den schieß und ziel nach dem weißen Fleck auf seiner Brust!«Da kam schon der andre Drache mit tollem Gebraus. Der Jäger schoß nach dem weißen Fleck, und der Drache starb. Da ging der erste Drache hin und fraß ihn auf. Dann bat er den Mann, sich auf seinen Rücken zu setzen, aber der getraute sich nicht. »Setz dich, setz dich, ich bringe dich fort!«Nun, da tat's der Mann. »Es sind nur fünf Werst bis zum Dorf«, sagte der Drache, »laß mich dir in den Mund blasen.« Der Mann erschrak, warf sich auf die Knie und weinte, aber der Drache sprach: »Du brauchst nicht zu weinen, ich will dich sehr klug machen.« Da ließ es der Mann geschehen, und er wurde sehr klug.

Er ging nach Hause und sagte zu seinen Brüdern: »Schirrt die Pferde an, wir wollen eine goldene Schale aus dem Wald holen.« Sie gingen fast einen halben Tag, und die Brüder fragten schon: »Warum hast du uns hierher gelockt?« Da rauschte ein großer Baum: »Hier unter meinen Wurzeln liegt die goldene Schale.« Sie gruben die goldene Schale aus, zogen sie nach Hause, und sie war ganz voller Goldstücke.

Danach gingen die Brüder wieder in den Wald und fällten den Baum. Und der Baum sprach. »Nehmt mich als Türpfosten.« Das taten sie auch. Da mehrten sich die Pferde und Kühe auf dem Gehöft, und das Brot im Speicher wollte nicht mehr alle werden.



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Das übertretene Verbot

Es war einmal ein Königssohn, der war gerade zwölf Jahre alt, sehr hübsch und von sanftmütigem Wesen. Nun wünschte sich der Knabe, lebendig ins Paradies zu kommen. Er nahm seine Büchse, ging in den Wald, ging durch Wiesen und Sümpfe. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und es wurde dunkel. Da kam ein Gewitter und Regen. Aber der Königssohn ging weiter und verlief sich. Er gelangte in dunkler Nacht zu einer steinigen Halde. Da sah er ein mächtiges Feuer im Walde brennen und ging darauf zu, aber er wagte sich nicht her. . ., denn bei dem Feuer stand eine große alte Frau. Und die Frau rief ihn: »Komm, komm, Königssohn, komm ans Feuer.« Da ging er hin und sagte: »Guten Abend, Mutter.« — »Was suchst du denn?«fragte die Alte. Der Königssohn sprach: »Ich möchte lebendig ins Paradies kommen.«Und die Frau sagte: »Jetzt ist es Nacht, aber wenn der Tag dämmert, sollst du hineinkommen. Ich habe vier Söhne, es sind die Winde. Der erste heißt Nordwind, der zweite Westwind, der dritte Ostwind und der vierte Südwind. Doch wenn meine Söhne nach Hause kommen, sprich nicht davon, laß nur mich alles machen!«

Da kam der älteste Sohn, der Nordwind, nach Hause. Er fragte die Mutter: »Warum riecht es hier nach einem Menschen?«Und die Mutter antwortete: »Ein Königssohn ist hier, der ins Paradies will.« Die Alte aber hatte einen großen Sack, und wer von ihren Söhnen nicht gehorchte, den steckte sie da hinein. Und sie fragte den Nordwind: »Wo bist du heute gewesen? Hast du Gutes oder Böses getan?« Da antwortete der Nordwind: »Ich wollte einen Jäger durch Frost töten. Drei Jahre habe ich es versucht, aber es wollte mir nicht gelingen. Wenn ich ihm die Füße zwickte, so trat er mich, kam ich ihm an die Hände, so schlug er sie zusammen. Da habe ich ihn laufenlassen und statt seiner einen Kaufmann auf dem Schlitten in seinem Bärenpelz getötet.«Und er wandte sich zum Königssohn und sprach: »Was bist du für ein Mann, und was tust du hier?« —»Sei still«, sagte die Mutter, »oder du kommst in den Sack.«

Der Sohn wurde still und redete nicht mehr.

Dann kam der Westwind, der zweite Sohn, nach Hause und sprach:



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»Was ist das für ein Mann hier? Jagt ihn fort!« Die Mutter sagte: »Still, Junge, oder du kommst in den Sack. Was hast du draußen gemacht, mein Sohn?« —»Weder Gutes noch Böses, ich habe nur die Seeleute ein bißchen geneckt.«

Nun kam der Ostwind, ihr dritter Sohn, der sprach zu dem Königskind: »Was bist du für ein Mann? Mach, daß du fortkommst! Was tust du hier?« Da sagte die Mutter wieder: »Sei still, oder ich stecke dich in den Sack.« Dann fragte sie: «Was hast du, mein Sohn, die Zeit her getrieben?« Er sprach: »Ich habe Ähren ausgeschüttelt als Tagelöhner beim Hasen.«

Zuletzt kam der vierte Sohn, der Südwind. Der fragte den Königssohn: »Wer bist du denn, und was suchst du hier?« Er antwortete: »Ich suche das Paradies.« Da sagte der Südwind: »Leg dich schlafen, morgen bringe ich dich lebendig ins Paradies.« — »Wann warst du zuletzt im Paradies, mein Sohn?«fragte die Mutter. Und der Südwind sprach: »Es wird morgen ein Jahr!« In der Nacht aber machte er sich auf, nahm den Königssohn auf seinen Rücken. Als der Knabe aus dem Traum erwachte, war er schon hoch in den Wolken. Da sagte der Südwind zum Königssohn: »Sobald wir uns dem Paradies nahen, kommt uns Inti, die Beherrscherin des Paradieses, entgegen.«Und sie kamen zum Paradies, und der Südwind grüßte: »Guten Morgen, hohe, heilige Inti.« Und Inti sagte: »Was bringst du, wie geht es dir? Du hast dein Wort gehalten.« Dann fragte sie den Königssohn: »Warum bist du hierhergekommen, willst du hierbleiben oder gehst du mit dem Winde wieder zurück?« Der Königssohn antwortete: »Ich möchte hierbleiben, wenn ihr mir Adams und Evas Schatten zeigt.« Inti sprach: »Sieh her, dort unter dem Baume sind die Schatten von Adam und Eva; wenn du hierbleibst, wird es dir geradeso gehen wie ihnen.« Der Königssohn sprach: »Ich bleibe hier, aber ich bin nicht ungehorsam wie Adam und Eva.« Da sagte Inti zu ihm: »Ich gebe dir eine Aufgabe.« Und sie zeigte ihm alle möglichen Genüsse und Freuden. Sie führte den Königssohn in die prächtigen Räume des Paradieses, wo die Schatten lebendig waren, nur keine Seele hatten.

Dann sagte sie: »Alles dies, so weit du sehen kannst, will ich in deine Hut geben, aber du darfst mich nicht berühren. Das ist deine Aufgabe.



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Der Tag wird dir allerlei Vergnügen und Freuden bringen, die höchsten, die die Welt hat.« Und sie sprach weiter: »Wenn ich mich am Abend zur Ruhe lege und dich rufe: >Komm, komm, Königssohn!<, dann komm ja nicht. Wenn du kommst, so stirbst du, und es geht dir wie Adam und Eva.« —»Ich komme nicht«, sagte der Königssohn, »ich habe hier genug Freuden, du kannst dich darauf verlassen, ich komme nicht.«Da sagte Inti zum Winde: »Geh fort, der Königssohn bleibt hier und erfüllt die Gebote.«Und der Wind sprach: »Lebe wohl, Inti, lebwohl, Königssohn, nach einem Jahr komme ich wieder und sehe nach dir.« Dann machte er sich auf und ging.

Nun kam der erste Tag, er brachte Freuden und Vergnügen aller Art. Und der Abend kam, und Inti sagte zum Königssohn: »Komm, komm, doch wenn du kommst, so stirbst du.« Dann mahnte sie wieder: »Komm nicht!« Der Königssohn sann nach und ging einen Schritt näher, und es hielt ihn nichts, er kam Inti noch näher. Die Schatten fingen an zu lachen - sie lachten ohne Seele - und sagten: »Du brichst dein Versprechen, du brichst dein Wort.« Und der Königssohn dachte: >Ich gehe zu ihr, aber ich küsse sie nicht, ich will nur sehen, wo sie schläft.< Inti schlief unter dem Feigenbaum, der dem Königssohn verboten war. Der Königssohn ging hin und besah Intis Ruhebett, und Inti erwachte. In ihren Augen schimmerten Tränen, sie weinte. Und Inti sagte zum Königssohn: «Du hast dein Versprechen gebrochen, dein Wort nicht gehalten.« Aber der Königssohn antwortete: »Ich breche es nicht, ich küsse dich nicht.«Und er vergaß sein Versprechen und küßte Inti. Und als er Inti geküßt hatte, entfloh das Paradies wie ein Licht in weiter, weiter Ferne. Dann aber geschah's, und der Königssohn starb, und es geschah ihm wie Adam und Eva.


Das Teufelsschloß

Ein König hatte drei Söhne. Die verspotteten einmal einen alten Bettler, einen früheren Soldaten, und dieser verzauberte sie in Hunde und sagte: »Ihr sollt so lange Hunde bleiben, bis ihr einen Soldaten zum König macht.«Die Jungen wurden auf der Stelle zu Hunden; zu einem



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großen Hund, einem mittleren Hund und einem kleinen Hund, und sie streiften im Lande umher. Da kam einmal ein Soldat aus dem Krieg zurück und ging durch den Wald. Er kam an das Schloß des Teufels, aber es war niemand zu Hause. Dort war ein großer Viehhof mit schrecklich großen Ochsen. Er stahl sich dort einen Ochsen und ging fort. Da begegnete ihm ein Vogelsteller, der hatte die drei Hunde bei sich. Der Jäger fragte ihn, ob er ihm nicht den Ochsen gegen die drei Hunde vertauschen wollte. Er vertauschte ihm den Ochsen, weil er dachte, daß er ja aus dem Teufelsschloß andere Ochsen bekommen könnte.

Er ging zum Schloß zurück, aber da waren die Teufel schon zu Hause. Im Schlosse war ein Teufel, ein richtiges altes Luder, der forderte ihn auf hereinzukommen. Sie nahmen ihn freundlich auf, luden ihn zum Essen ein, und nach dem Essen durfte er sich etwas ausruhen. Aber unterdessen versteckten die Bösewichte seine Hunde in einem Keller. Die kleinen Teufel aber waren im Hofe damit beschäftigt, einen Galgen für ihn zu errichten.

Der große Teufel zeigte ihm alle Räume. Zuerst führte er ihn in die Kleiderkammer. Dort war eine riesige Menge Kleider. »Weißt du, wozu die gebraucht werden?«fragte der Teufel. »Ihr seid viele Leute, da braucht ihr viele Kleider«, antwortete der Mann. Dann war dort ein besonderes Kleidungsstück. »Weißt du, wozu das gebraucht wird?« fragte der Teufel. Der Soldat antwortete: »Das braucht Ihr gewiß für Euch selbst.« Da sprach der Teufel: »Wenn du das überziehst, so hat nichts Macht über dich, keine Flinte und nichts.« Dann gingen sie in die Flintenkammer. »Weißt du, was damit gemacht wird?«fragte der Teufel wieder. »Ihr seid viele Leute, da braucht ihr viele Flinten.« Nun war da auch eine große Flinte, und der Teufel fragte wieder: »Weißt du, was hiermit gemacht wird?« —»Die braucht Ihr gewiß selber«, antwortete der Soldat. »Das ist eine Flinte«, sagte der Teufel, »die, wenn man damit schießt, alles umreißt, so weit man den Knall hört.« Dann gingen sie in die Schwertkammer. Der Teufel fragte wieder: »Weißt du, was damit gemacht wird?« —»Ihr seid viele Leute, da braucht ihr viele Schwerter.«Darunter war auch ein größeres Schwert. »Weißt du, wozu das gebraucht wird?«wurde er wieder gefragt. »Das braucht Ihr gewiß



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selbst.« —»Das ist ein Schwert, wenn man das blinken läßt, so müssen alle sterben.«

Danach gingen sie in die Salbenfiaschenkammer. Diese war voller Salbenflaschen. Darunter war wieder eine Flasche, die größer war als die andern. »Weißt du, was damit gemacht wird?« — »Die braucht Ihr gewiß selber.« Der Teufel antwortete: »Die Salbe heut alles, und wenn du einen Menschen in Stücke hacktest, wenn du ihn damit einsalbst, wird er wieder gesund.«

Darauf gingen sie in eine Kammer, wo die Flöten waren. »Weißt du, wozu die da sind?«fragte der Teufel wieder. »Ihr seid viele Leute, da braucht ihr viele Flöten.« Unter ihnen war eine ganz besonders schöne Flöte. »Weißt du, was damit gemacht wird?« — »Die braucht Ihr gewiß selbst«, antwortete der Soldat.

»Das ist eine Flöte, wenn du da dreimal hineinbläst, so öffnet sich jedesmal eine eiserne Tür.«Da fiel dem Soldaten ein: >Halt, meine Hunde müssen hinter irgendeiner eisernen Tür sein, da ich sie nirgends sehe<, und er steckte die Flöte heimlich in die Tasche.

Dann gingen sie in die Seilkammer. Da war ein Strick von ganz besonderer Art, und wieder fragte der Teufel: »Weißt du, wozu der gebraucht wird?« — »Den braucht Ihr gewiß selbst.« —»Das ist der Strick, mit dem du aufgehängt wirst«, sprach der Teufel und warf ihm den Strick um den Hals. Dann brachte er ihn in den Hof, und dort waren schrecklich viele kleine Teufel, die auf ihn warteten.

Sie nahmen den Mann bei der Hand und führten ihn unter den Galgen. Der große Teufel guckte bloß von der Treppe aus zu. Da fragte der Soldat: »Darf ich noch drei Seufzer tun, wie es bei uns Sitte ist?« Das wollten ihm die kleinen Teufel nicht erlauben, aber der große Teufel gestand es zu. Da blies der Soldat zum erstenmal in die Flöte, da öffnete sich die Tür des kleinen Hundes.

Dieser lief vor die Tür des mittleren Hundes und sagte: »O weh, o weh, unser Herr ist in großer Not!« Der Hund antwortete: »Was kann ich dabei tun, ich bin hier eingeschlossen.« Der Soldat blies zum zweitenmal, und es öffnete sich die andere Tür. Als die beiden Hunde vor die Tür des großen Hundes kamen, blies der Soldat zum drittenmal. Da liefen die Hunde davon und bissen alle Teufel tot. Der Soldat nahm sich



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das Kleid des großen Teufels mit, seine Flinte und sein Schwert, aber er vergaß die Salbenflasche. Dann ging er weg, denn an den Ochsen lag ihm nichts mehr.

Eg ging zum Meeresstrand. Dort war eine Königstochter, die von einem Drachen verschlungen werden sollte. Der Soldat versprach, sie zu retten. Das Mädchen bat ihn, doch fortzugehen, aber er ging nicht. Er stellte zuerst den kleinen Hund als Wache auf, aber der geriet in große Not, weil er den Drachen nicht zurückhalten konnte. Dann schickte er den mittleren Hund hin, aber der konnte es auch noch nicht. Da schickte er den dritten Hund hin, der hielt ihn zurück. Der Soldat sagte: »Die Köpfe des Drachen dürft ihr nicht zerreißen, ihr sollt den Drachen nur töten.« Sie töteten den Drachen und ließen die Köpfe ganz. Da nahm der Soldat aus jedem Kopfe die Zunge heraus, legte sie zu einem Bündel zusammen und steckte sie in die Tasche. Im Gebüsch aber war ein Mann auf Wache. Als der Soldat fort war, nahm dieser die Köpfe des Drachen, band sie zu einem Bündel zusammen und ging hin, um sie dem König zu zeigen. Und die Tochter wurde gezwungen, den Mann zu heiraten.

Aber da kam nun der Soldat ebenfalls. Bei der Hochzeit fürchtete der junge Mann, daß der Soldat kommen werde, und er stellte an allen Toren Wachen auf, die sollten niemanden hereinlassen. Als der Soldat kam, ließ er bloß sein Schwert blinken, da lagen die Wachen da wie Würste.

Nachdem er auf diese Weise den Weg gereinigt hatte, ging er in eine Kate. Er sagte zu dem Kätner: »Auf welche Weise könnte ich wohl jetzt aus dem Hochzeitshaus das beste Essen bekommen, das sie dort haben?« —»Rede doch nicht solches Zeug«, meinte der alte Kätner, »sorg nur dafür, daß du sonst in Frieden bleiben kannst.« Doch der Soldat steckte dem kleinen Hund ein Taschentuch ins Maul, und dieser lief zu der Braut und legte sich ihr schmeichelnd zu Füßen.

Die Braut erkannte den Hund sogleich, weil er um den Hals eine Goldkette trug, die sie ihm angelegt hatte. Sie band in das Taschentuch das Beste, was auf dem Tische war. Als der Hund in die Kate zurückkehrte, setzten sich der Soldat und der alte Kätner zum Essen, und der Soldat schickte den kleinen Hund wieder fort, um einen Krug voll Getränke



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zu holen. Auch das bekam er. Da aber merkte der Bräutigam die Geschichte, weil erden Hund kannte, und er schickte Soldaten aus, seinen Gegner zu töten. Eine ganze Kompanie wurde ihm entgegengeschickt; er aber ließ nur sein Schwert blinken, und sie alle fielen tot hin.

Darauf schrieb er an den König einen Brief, daß er in die Kate kommen möge, und ließ den Brief durch den Hund hinbringen. Da wollte die Königstochter nun auch mitgehen. Aber der König sagte: »Was willst du denn dort, es wird gewiß auch mein Ende sein.« Aber das Mädchen sprang hinten auf den Wagen, und so fuhren sie los. Da erzählte die Königstochter ihrem Vater, daß sie der Soldat gerettet habe.

»Wie kann denn das möglich sein«, meinte der König, »wo der andere die Drachenköpfe hat?« —»Die mag er haben, aber in keinem einzigen ist die Zunge.«Sie gingen hin, um nachzusehen, und nahmen den Soldaten mit. In keinem einzigen der Köpfe war eine Zunge. Der Soldat zog aber freudig sein Zungenbündel aus der Tasche und sagte: »Hier sind die Zungen!« Da hängten sie den Betrüger auf und feierten von neuem Hochzeit mit dem Soldaten.

Aber die Königstochter war verzaubert worden, und gleich nach der Hochzeit tötete sie ihren Gatten, sie schlug ihm mit dem Schwert den Kopf ab. Die Hunde erfuhren, daß ihr Herr getötet war, und es fiel ihnen ein, daß die Salbenfiasche aus dem Teufelsschloß nicht mitgekommen war.

Da rannten sie schleunigst hin. Dort waren alle Teufel wieder lebendig geworden, denn sie hatten vergessen, des Teufels Großmutter zu töten, die hatte die andern mit der Salbe wieder lebendig gemacht. Die Hunde bissen sie alle wieder tot, auch die Großmutter. Dann nahmen sie die Salbenflasche und liefen in größter Eile ins Königsschloß zurück.

Dann nahm der große Hund den Körper des Soldaten, der mittlere nahm seinen Kopf, und der kleine Hund strich die Salbe in die Risse. Da lebte der Soldat wieder auf und wurde wieder gesund.

Unterdessen war die Königstochter zum Tode verurteilt worden, weil sie ihren Gatten getötet hatte. Sie war eben zur Richtstätte geführt worden, und es war kein Pferd mehr zu Hause als ein alter Schimmel. Der Soldat nahm den Schimmel und fuhr hin, um sein Weib zu retten.



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Schon hatte der Henker das Beil erhoben, da brachen sie das Gericht ab, und die Königstochter blieb am Leben.

Danach fragte der Soldat die Hunde: »Was soll ich euch nun Gutes dafür tun, daß ihr mir das Leben gerettet habt?« Sie antworteten: »Nichts weiter, als daß du jedem von uns den Kopf abschlägst.« — »Einen solchen Lohn gebe ich euch doch nicht«, meinte der Soldat. Da sagten die Hunde: »Wenn du es nicht tust, so reißen wir dir den Kopf ab.« Da schlug er erst dem kleinen Hund den Kopf ab, und aus ihm wurde ein kleiner Knabe. Dann schlug er schon bereitwilliger auch den beiden andern die Köpfe ab. Auf diese Weise wurden sie aus Hunden wieder zu Menschen.


Der Königssohn als Gärtner

Es war ein König, der hatte drei Söhne. Den jüngsten gedachte der König zu töten. Als aber das Todesurteil gefällt war, entfloh der Jüngling.

Er wanderte und wanderte eine weite Strecke, bis er an ein ärmliches Häuschen kam. Dort war ein Mann, und dieser bot ihm einen Trank an. Nachdem er den Trank genommen hatte, ließ ihn der Mann in den Spiegel sehen. Da war der Jüngling ganz häßlich geworden. Der Mann fragte: »Hast du etwas in deinem Körper gespürt?« — »Ja, es war, als ob alles unter mir geschwankt hätte.« Der Mann ließ ihn noch einmal trinken und ihn wieder in den Spiegel sehen, wie schön er sei. Als er in den Spiegel sah, war er so häßlich wie ein alter Schratt. Der Mann fragte: »Hast du etwas in deinem Körper gespürt?« —»Nein, es war mir nur, als ob sich die Türen von selbst geöffnet hätten.« Der Mann ließ ihn zum drittenmal trinken und forderte ihn auf, in den Spiegel zu sehen, wie schön er sei. Er sah in den Spiegel, da war er so schön wie ein Bild, wie er nie zuvor gewesen war. Der Alte fragte: »Hast du etwas in deinem Körper gespürt?« — »Es war, als ob alles unter mir zitterte, als ich ging.«Darauf gab der Mann dem Jüngling ein Schwert, goldene Kleider und ein goldenes Halfter.

Er ging weg und kam an den Hof eines Königs. Hier bat er um Arbeit,



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und sie machten ihn zum Gärtner. Da er aber keine Gartenarbeit gelernt hatte, überlegte er, was er nun anfangen sollte. Die Sonne ging unter, und er hatte noch nichts getan. Als er mit dem Rechen den Boden geglättet hatte, säte er ein wenig, obgleich er nicht wußte, was in dem Sacke war, aus dem er säte. Am nächsten Morgen aber war der ganze Garten voll von schönen Blumen.

Der König hatte drei Töchter. Die älteste Prinzessin kam am Morgen in den Garten und brach mit der Hand die Blumen ab. Das ärgerte den jungen Gärtner, er packte die Prinzessin und warf sie über den Zaun. Dann kam die zweite Prinzessin und bat, von den Blumen nehmen zu dürfen, und sie fing gleich an zu pflücken. Der Jüngling packte auch sie und warf sie über den Zaun.

Nun kam die jüngste Prinzessin. Sie bat auch um Blumen und schnitt sich mit der Schere etliche ab. Da ließ er sie gewähren, weil sie die Blumen mit der Schere schnitt. An der Stelle jeder abgeschnittenen Blume aber öffnete sich sogleich eine neue.

Es wollte nun ein Mann dahin kommen, um sich die älteste Königstochter zu holen. Der gab an, er vermöge ein Drittel der Welt zu besiegen. Da ließ der König verkündigen, daß er demjenigen, der diesen Mann bezwingen würde, den dritten Teil seines Reiches geben wolle und seine älteste Tochter zur Frau.

Der Gärtner, der Königssohn, zog seine goldnen Kleider an, warf das Halfter in die Luft, und sogleich erhielt er ein gutes Pferd. Er schwang sich hinauf, nahm das Schwert in die Hand und ritt dem Mann entgegen. Der König hatte aber sein Heer schon vorausgeschickt. Da ritt der Königssohn heimlich an dem Kriegsheer vorbei, und sein und des Mannes Roß schlugen mit den Köpfen so fest zusammen, daß das ganze Kriegsheer vor Angst erzitterte. Der Jüngling zog des Gegners Roß auf seine Seite und schlug dem Manne mit dem Schwert den Kopf ab; aber der Kopf fiel wieder auf seinen Platz zurück. Er schlug noch einmal, und es geschah ebenso. Da schlug er zum drittenmal, und er konnte schnell sein Taschentuch zwischen Kopf und Rumpf legen, da fiel der Kopf herunter. Darauf ritt er nach Hause, schickte sein Roß fort, legte die goldenen Kleider ab, nahm das Halfter und das Schwert und ging in den Garten an die Arbeit.



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So war die älteste Prinzessin gerettet. Dem König meldeten sie, daß der Sieger ein goldener Mann gewesen sei.

Nun sollte die mittlere Prinzessin von einem Manne geholt werden, der fähig sein sollte, die halbe Welt zu besiegen. Der König versprach die Hälfte seines Reiches und die mittlere Prinzessin demjenigen, der diesen Held besiegte, und er schickte ihm Soldaten entgegen. Der Gärtner legte wieder seine goldnen Kleider an und warf das Halfter in die Luft, da hatte er ein gutes Roß. Er nahm sein Schwert in die Hand und zog in den Krieg.

Er ritt wieder an dem Heere vorüber, und die Rosse prallten so heftig gegeneinander, daß das ganze Heer in die Knie sank. Wieder zog er das Roß zur Seite und schlug dem Manne den Kopf ab. Dieser fiel an seinen Platz zurück.

Darauf schlug er ihm noch fünfmal den Kopf ab, aber jedesmal fiel er wieder an seinen Platz zurück. Erst beim sechsten Male gelang es ihm, sein Taschentuch zwischen Kopf und Rumpf zu legen, und der Kopf rollte am Boden. Dann wandte er sein Pferd um und ritt heim. Die anderen jagten hinter ihm her, aber sie konnten ihn nicht einholen. Er zog seine lehmigen Gärtnerkleider an, entließ das Roß und ging in den Garten.

Da sagten sie zum König: »Dort war wieder solch ein goldner Mann, und er hat wieder gesiegt. Wir wollten ihn einfangen, aber es ist uns nicht gelungen.«

Durch diese Tat wurde die mittlere Prinzessin gerettet. Hierauf wurde im Königsschloß wieder kundgetan, daß ein Mann, der die ganze Welt besiegen könne, sich die jüngste Prinzessin holen wolle. Da versprach der König sein ganzes Reich und die Prinzessin demjenigen, der diesen Helden erschlagen werde. Er schickte ihm sein Heer entgegen und ermahnte es, wenn wieder ein goldner General komme, ihn anzuhalten, damit man erführe, wer er sei.

Der Königssohn zog seine goldnen Kleider wieder an, nahm das Schwert, warf das Halfter in die Luft, und er saß wieder auf einem guten Roß. Er jagte wieder an dem ganzen Heer vorüber, und die Köpfe der Rosse schlugen so kräftig gegeneinander, daß das ganze Heer umfiel und ohnmächtig wurde. Wieder zog er seines Gegners Roß zur Seite



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und hieb dem Manne den Kopf ab, aber der fiel an seinen Platz zurück. Achtmal hieb er ihn ab, und er fiel immer wieder an seinen Platz. Erst beim neuntenmal konnte er sein Taschentuch zwischen Kopf und Rumpf schieben, und der Kopf fiel zu Boden. Er drehte wieder um und galoppierte heim. Er legte die goldnen Kleider ab, zog seine Gärtnerkleidung über, entließ das Pferd und ging in den Garten an seine Arbeit.

Als das Heer erwachte, sahen sie, daß der goldne Offizier fort war und jener Mann tot am Boden lag. Sie kehrten um und zogen heim und sagten zum König: »Wir wurden ohnmächtig, als die Männer so gewaltig gegeneinanderprallten, und als wir wieder erwachten, war der goldene General fort.«

Jetzt war auch die jüngste Prinzessin gerettet, und der König ließ in seiner Freude ein Gastmahl geben und lud alle Generäle seines Reiches dazu ein.

Die Generäle saßen dort in einem Kreis. Da gab der König jeder Prinzessin ein goldenes Ei und hieß sie das Ei demjenigen geben, den sie sich zum Gatten wünschte. Die älteste Prinzessin gab es demjenigen General, den sie für den stattlichsten und für den kräftigsten Mann hielt. Die mittlere Prinzessin suchte sich den General aus, der nach ihm am stattlichsten aussah, und gab ihm ihr Ei. Aber die jüngste Prinzessin gab ihr goldenes Ei dem Gärtner, weil sie ihn für den goldenen General hielt, obgleich sie nichts davon gesagt hatte, weil sie ihre Schwestern fürchtete. Da fingen alle Generäle, der König und der ganze Hof an, die Prinzessin zu verspotten, weil sie dem lehmigen Gärtner das goldene Ei gegeben hatte.

Darauf wurden im Schloß große Gelage gehalten, getrunken und geschlemmt. Die jüngste Prinzessin aber war sehr traurig, daß sie den Gärtner nicht eingeladen hatten.

Nachdem aber der Gärtner das goldene Ei bekommen hatte, zog er die goldenen Kleider an, holte sein Roß, steckte das Schwert in seinen Gürtel und legte sich auf sein Bett.

Am Abend sagte der König endlich: »Weil der Gärtner das goldene Ei bekommen hat, muß er auch hierher eingeladen werden, wenn er auch bloß ein lehmiger Gärtner ist.« Da willigten auch die andern ein: »Mag



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man ihn in Gottes Namen rufen.«Aber sie sagten es auch, um sich über ihn lustig zu machen.

Der König trug einem Diener auf, den Gärtner ins Schloß einzuladen. Der ging hin, öffnete die Tür und sah, daß er goldene Kleider anhatte, da schlug er die Tür zu und eilte zurück. Als der König hörte, daß er goldene Kleider habe und in voller Rüstung auf seinem Bette liege, ging er selbst hin, um ihn zu holen. Er kam hin und bat, daß er ins Schloß zum Feste kommen möchte. Als dann der Königssohn erschien, schallte ihm ein Hurra! entgegen, und alle riefen: »Das ist derselbe General, der die Unbesiegbaren besiegt hat!« Da bekam er die jüngste Prinzessin zur Frau, und die andern, welche die goldenen Eier erhalten hatten, bekamen die andern Prinzessinnen. Der Königssohn aber erhielt das ganze Königreich. Dann wurden die Hochzeiten gefeiert; die Hochzeiten aller drei Prinzessinnen auf einmal, und das Fest dauerte drei Wochen lang.


Der Soldat

Es war einmal ein Soldat, der war alt geworden und konnte nicht mehr dienen. Er ging fort und hatte weiter keinen Lohn bekommen als drei Laibe Brot. Als er nun mit seinen Broten ein Stück gegangen war, begegnete ihm ein Mann, der sagte: »Willst du mir ein Brot verkaufen?« Der Soldat antwortete: »Ja, ich verkaufe eins.« Der Mann nahm das Brot und versprach, es am nächsten Tag zu bezahlen. Da kam ein zweiter Mann und bat ebenfalls um ein Brot. Der Soldat gab ihm eins, und er versprach ebenfalls, es am nächsten Tag zu bezahlen. Er ging weiter, und als er eine Strecke gegangen war, kam ihm wieder ein alter Mann entgegen und fragte: »Willst du mir dein Brot verkaufen?« — »Ganz kann ich es dir nicht verkaufen, aber ich kann dir ja die Hälfte davon geben.« —»Dann verkauf mir die Hälfte«, sagte der Alte, »ich bezahle dich morgen.«

Am nächsten Tag begegnete ihm ein Mann und sprach: »Jetzt bezahle ich dir den Laib Brot. Hier hast du ein Paar Hosen, in denen das Geld nicht alle wird.«Danach kam ihm der zweite Mann entgegen und sagte:



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»Jetzt bezahle ich den Laib Brot, den ich gestern von dir bekommen habe. Hier hast du Karten, die immer gewinnen.« Es verging eine Weile, da kam der dritte Mann auf ihn zu: »Jetzt will ich dir das halbe Brot bezahlen. Da hast du einen Sack, in dem alles steckenbleibt, was du hineintust.« Es wurde Abend, und der Soldat ging in ein Haus und bat um ein Nachtlager. Da sagte der Hausherr: »Dort im Saal wäre wohl ein Nachtlager für dich, aber da fängt der Teufel an zu toben und zu lärmen.« Er ging in den Saal. Als er sich eben zum Schlafen ausgestreckt hatte, kamen sie und rissen ihm die Decke weg und fingen schrecklich an zu toben. Er zog sich die Decke wieder hoch und sagte: »Was lärmt ihr denn so? Laßt mich doch schlafen!« Dann legte er sich wieder hin und schlief. Der Teufel lärmte und polterte schrecklich und nahm ihm die Decke wieder weg, und er wollte auch das Bett entzweischlagen. Erstand auf und sprach: »Anstatt daß du herumtobst, komm und spiel Karten mit mir!« Damit war der Teufel einverstanden.

»Gut, fangen wir an!« erwiderte er. Dann verspielte er all sein Geld, so daß ihm nur zwei Silbergroschen auf der Hamburger Bank blieben. »Nun spiel ich nicht mehr«, sagte er. Darauf antwortete der Mann: »Dann geh weg!« Er legte sich in sein Bett, und der Teufel fing wieder an zu poltern und zu lärmen. »Laß das Lärmen und Toben, wo du kein Geld mehr hast, oder ich stecke dich in den Sack.« Der Teufel hörte nicht. Da stand der Mann auf und sprach: »Marsch in den Sack!« Da mußte der Teufel hinein, und der Mann warf den Sack auf den Ofen. Am anderen Morgen kam der Hausherr, um zu sehen, wie es dem Manne ergangen war. Da lagen riesig große Haufen Geld auf der Diele. Der Soldat fragte: »Ist kein Schmied hier im Dorfe?« — »Ei freilich, es gibt sieben Schmiede hier«, antwortete der Hausherr. Die Schmiede wurden alle herbeigerufen. Sie trugen den Sack auf einen Felsen, und die Schmiede und ihre Gesellen klopften mit großen Hämmern auf ihm herum. Der Teufel sprang und heulte, und dem armen Kerl wurden sogar die Beine zerschlagen. Da versprach er, daß er nie mehr in jenes Haus kommen wolle.

Der Soldat war nun schrecklich reich. Er ging zu dem Kaiser, dem er gedient hatte, und sie fingen zusammen zu trinken an und tranken unerhört. Da sagte einmal der Kaiser: »Mich holt bald der Tod.« —»Sag



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mir nur, wann er kommt«, sprach der Mann, »so will ich versuchen, ihm ein Bein zu stellen.« — »Er kommt schon«, rief der Kaiser. Da steckte der Soldat seinen Sack in den Türspalt, und der Tod ging in den Sack. Er machte seinen Sack zu und warf ihn auf einen Baumast. Dann trank der Kaiser mit dem Soldaten noch ein paar hundert Jahre lang. Während dieser Zeit ist niemand gestorben.

Aber es geschah, daß der Soldat einmal in der Betrunkenheit den Tod aus dem Sack herausließ, da starb zuerst er, dann der Kaiser, und danach starben mit einem Schlag alle, die eigentlich während dieser Zeit hätten sterben sollen.


»Bekennst du?«

Es war einmal ein Schmied, der war ein so großer Trinker, daß er das Saufen nicht mehr lassen konnte. Schließlich vertrank er sein ganzes Gehöft, seine Schmiede und sein Handwerkszeug. Er hatte auch eine Frau gehabt, aber als diese bemerkte, daß alles dahinging, hatte sie einen Teil ihrer Habe an sich genommen und sich ein kleines Häuschen in der Nähe der Stadt gekauft.

Als nun der Schmied bis auf sechs Kupferstücke alles vertrunken hatte, ging er zum Seiler und kaufte sich einen Strick, um sich daran aufzuhängen. Der Seiler gab ihm ein gutes Stück und sagte: »Hier hast du einen, der hält!«Der Schmied ging in den Wald und sah sich nach einem passenden Baum um. Da fuhr ein altes Weib mit einem schwarzen Pferd an ihm vorbei und rief: »Mann, Mann, was hast du vor?« —»Ich will mich aufhängen«, antwortete der Schmied. »Warum denn?« —»Das Geld ist alle. Das alte ist vertrunken, und neues ist nicht zu erwarten.« Da sagte die Hexe: »Aber deswegen häng dich doch nicht auf, versprich mir das, was deine Frau jetzt zur Welt bringt, so kann ich dir helfen.« Der Schmied überlegte erst, aber dann versprach er es unter der Bedingung, daß er es fünfzehn Jahre behalten dürfe. »So lange magst du es behalten«, sagte die Hexe. Darauf gab sie ihm einen Beute! und sprach: »Hier hast du Geld, damit du dir helfen kannst.«Der Schmied ging zu seiner Frau, bat um Teller und schüttete mehrere voll Geld. Dann



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kaufte er seine Schmiede und sein Handwerkszeug zurück, fing von neuem an zu arbeiten und lebte von da ab wie andere Menschen auch. Die Frau hätte gern gewußt, woher ihr Mann das Geld hatte, aber er wollte es nicht sagen. Mit der Zeit mußte er es aber doch sagen, daß er das Kind versprochen hatte.

Die Frau bekam ein Kind, und es war ein Mädchen. Als es vier Wochen alt war, fing es in der Wiege an zu sprechen: »Ich muß aufstehn und arbeiten, denn ich habe Eile.« Es stand auf und machte Spitzen und andere Arbeiten, wie sie nie zuvor in der Welt gemacht worden waren. Daher wurde das Mädchen von mancher Herrschaft zum Nähen genommen.

Eines Tages, als es bei einer Gräfin nähte, sagte es plötzlich: »Jetzt muß ich nach Hause gehen.«Daheim aber sagte es zu seiner Mutter: »Bringt alles in Ordnung, jetzt werde ich geholt.« Die Mutter erschrak und erzählte dem Vater, was ihre Tochter gesagt hatte. Der Vater rechnete nach, und es waren gerade die fünfzehn Jahre um. Da brachten sie die Kleider ihrer Tochter in Ordnung. Die Hexe kam und sprach: »War es nicht so verabredet?« — »Das war es«, antwortete der Schmied. Das Mädchen wurde fertig gemacht, um mit der Alten zu gehen. Die Hexe hatte wieder schwarze Pferde vor dem Wagen wie damals, und das Mädchen setzte sich neben sie. Da nahm sie das Mädchen auf ihren Schoß und fragte: »Hast du jemals weicher gesessen?« — »Was ist weicher als der Schoß der eigenen Mutter?« antwortete das Mädchen. Da gab die Hexe dem Mädchen aus einer Flasche zu kosten und fragte: »Hast du je etwas Süßeres gekostet?« — »Was ist süßer als die Milch der eigenen Mutter?« antwortete das Mädchen. Neben dem Weg aber stand eine Ahlkirsche, und die Hexe fragte: »Weißt du, warum sie vertrocknet ist?« —»Ich weiß es«, antwortete das Mädchen, »in dieser Truhe ist ein Rock, den ich aus ihren Blättern genäht habe.« Dann fuhren sie in einen tiefen Wald, und dort stand ein großes Haus. Dahinein brachte die Hexe das Mädchen und befahl ihm, dort zu bleiben. Sie gab ihm viele Schlüssel, von denen jeder zu einem besonderen Zimmer gehörte, und sie durfte in alle Zimmer gehen, nur im Flur war ein Zimmer, das sie nicht betreten durfte. Sie fand ein Zimmer mit allerlei Speisen und ein anderes, wo sie schlafen konnte. Als sie eine Zeitlang dort war, kam



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die Hexe, um nach ihr zu sehen. Da war noch nichts vorgefallen. Sie ging wieder fort und ließ das Mädchen zurück.

Als nun die Schmiedstochter einmal in den Flur kam, dachte sie: >Was mag wohl in der Kammer sein?< —und sie öffnete die Tür. Da hob von der Rückwand ein Toter den Kopf nach ihr, als sie die Tür öffnete, denn von der Tür bis zu dem Toten ging ein Kupferdraht. Sie schlug die Tür zu, und der Tote rief ihr nach: »Bekenne es nur nicht!«

Die Hexe kam nach Hause und sagte: »Du hast die Tür zur Flurkammer geöffnet.« —»Nein, das habe ich nicht getan«, antwortete das Mädchen. Die Hexe sagte: »Da hilft nichts, du mußt deine Strafe haben. Willst du taub, stumm oder blind sein?« Das Mädchen dachte: >Wenn ich taub bin, so hör ich nicht, was die Menschen sagen, und höre die Vögel nicht singen, und wenn ich blind bin, sehe ich Gottes schöne Welt nicht.< Sie antwortete, daß sie am liebsten stumm sein wollte. Es verstrich einige Zeit, da wurde die Hexe böse und sprach: »Das ist noch nicht genug!« und sie führte sie auf einen hohen Berg, und unter dem Berg war das Meer. Da zog ihr die Hexe alle Kleider aus und stieß sie von dem Felsen herab ins Meer. Aber da war sandiger Grund, und sie ging zu Fuß an das andere Ufer. Weil sie aber nackt war, wagte sie sich nicht in die Nähe der Menschen, sondern versteckte sich in einer großen hohlen Eiche. Dort im Walde waren die Söhne des Königs auf der Vogeljagd. Und die Hunde, welche überall herumschnüffelten, fanden sie in dem Baum. Da ging der junge König hin und fragte: »Ist dort ein Mensch oder ein Spuk?«, und er befahl ihr herauszukommen. Das wollte sie nicht, weil sie nackend war. Aber der König drohte, sie zu erschießen, und da mußte sie kommen.

Sie war ein unsagbar schönes Menschenkind, und der junge König nahm sie zur Frau, obgleich sie nicht sprechen konnte. Nun, und dann bekam sie ein Kind. Die Hexe erschien und fragte sie: »Bekennst du?« Da antwortete sie: »Nein!« Der Hexe konnte sie antworten, und wenn sie sonstwer gefragt hätte: »Bekennst du?«, darauf hätte er Antwort bekommen. Die Hexe nahm ihr das Kind weg und legte einige Knochen neben sie, damit sie glaubten, sie habe ihr Kind aufgegessen. »Aus dem Wald ist sie gekommen«, sagten sie, »und sie wird wohl auch ein wildes Tier sein.« Aber der junge König verteidigte sie, obgleich es ihn sehr



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betrübte, daß auf diese Weise sein Kind verloren war, denn seine Gattin war ungewöhnlich schön und ganz unvergleichlich in allem.

Nun bekam die Königin zum zweitenmal ein Kind. Die Hexe erschien wieder und fragte: »Bekennst du, daß du damals die Kammertür geöffnet hast?« Da antwortete sie bloß: »Nein!«

Da nahm ihr die Hexe wieder das Kind weg und legte Knochen neben sie. Die Königin sollte zum Scheiterhaufen verurteilt werden, aber nicht einmal jetzt wollte es der junge König zulassen. Er hatte die Hexe gesehen und sagte: »Wie kannst du nur so einer Hexe antworten, und auf meine Fragen antwortest du nicht?« Das drittemal ging es ebenso. Beim drittenmal verurteilten sie die Königin zum Scheiterhaufen. Der Holzstoß war geschichtet, und viel Volks hatte sich versammelt. Der König führte sie selbst dorthin, denn er liebte sie sehr und hätte sie noch nichthergegeben, aber das Gesetz verlangte es. Es waren aber dort drei Zauntüren, und jede Zauntür begann zu fragen:

»Bekennst du?«Die Königin antwortete: »Nein!«Der König verwunderte sich: »Warum antwortest du den Zauntüren und mir nicht?«

Dann führten sie die Königin auf den Scheiterhaufen. Das Feuer war angezündet und die Flammen züngelten schon nach ihren Kleidern, als die Hexe erschien und rief: »Bekennst du?« — »Nein!« —Da blies die Hexe das Feuer aus und sprach: »Du bist stark geblieben, hier sind deine Kinder.« Es waren zwei sehr schöne Knaben und ein Mädchen. Nun konnte sie wieder sprechen. Freudig brachte jetzt der König seine Gemahlin nach Hause, und einige Zeit darauf hat sie ihn um die Erlaubnis, ihre Eltern besuchen zu dürfen. Die Hexe aber ließ sie von nun an in Frieden, weil sie ihre Probe bestanden und nicht bekannt hatte.


Von einem Fisch geboren

In einem Hause waren sechs Kinder, drei Jungen und drei Mädchen, die waren von einem Fisch geboren. Als die Mädchen einmal hingingen, um ihre Blumen zu begießen, kam ein schrecklicher Wirbelwind und nahm alle Mädchen mit. Erst zog der älteste Bruder aus, seine Schwestern



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zu suchen, und war nach drei Jahren noch nicht heimgekommen. Dann ging der mittlere Bruder, sie zu suchen, der kam auch nicht wieder und war drei Jahre fort, als seit dem Auszug des ältesten bereits sechs Jahre verflossen waren. Der jüngste Bruder war ein Schwachkopf; er arbeitete auch nicht, nur hin und wieder brachte er Holz ins Haus, wenn es die Mutter befahl. Der sagte: »Mutter, ich will auch hingehen und meine Schwestern suchen.« Die Mutter antwortete: »Das hätte noch gefehlt, daß du auch fortgingest! Dann hätte ich ja von keinem etwas, nachdem ich euch großgezogen habe.« — »Ich gehe aber doch«, sagte der Junge und machte sich auf den Weg. Er kam zu einer Schmiede, ging hinein und fragte den Schmied: »Habt Ihr eilige Arbeit?« — »Die hätte ich schon, aber doch nicht so außergewöhnlich eilige. Was möchtest du denn?« —»Ich wollte Euch bitten, mir ein Paar Holzschuhe zu machen, einen eisernen Stock und auch einige Ketten.« —»Was für Holzschuhe soll ich dir denn machen? Die macht gewöhnlich der Holzschuster.«Da bat ihn der Bursche, ihm Schuhe aus Eisen zu machen, die zusammen zehn Pfund wögen, ein jeder fünf Pfund, einen eisernen Stock und tausendfünfhundert Klafter eiserne Ketten. Das tat der Schmied. Der Junge zog die Schuhe an, nahm den Stock in die Hand und die Ketten auf den Rücken. Schließlich kam er an den Fuß eines großen Berges und sah seine Brüder, die unten am Berge standen und hinaufguckten. Der eine hatte Haare, die bis auf die Erde schleiften, weil sie nicht geschnitten worden waren, und dem anderen wuchs Rentiermoos auf dem Kopf.

Da fragte der jüngste Bruder: »Was steht ihr denn hier unten?« Die Brüder erwiderten: »Wie sollen wir denn da hinaufkommen?«Da warf der Jüngste die Eisenketten bis oben hinauf auf den Berg, und sie blieben dort hängen, dann nahm er seinen Stock in die Hand und ging hinauf. Aber noch bevor er auf dem Berg angelangt war, war die Spitze von den Schuhen abgelaufen und der Stock um die Hälfte kleiner geworden. Oben angelangt, ließ er die Ketten liegen und ging auf dem Bergrücken weiter. Es war ein schöner flacher Heideberg. Als er ein Stück gegangen war, kam er an ein messingnes Haus, das sich rasend schnell herumdrehte. Er sagte etwas zu dem Haus, da blieb es stehen. Dort war seine jüngste Schwester, die ihn begrüßte: »Guten Tag, Bruder!



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Wo kommst du denn her?« —»Einerlei, wo ich herkomme, mach nur die Tür auf!« — »Geh dreimal gegen die Sonne ums Haus herum, dann wirst du das Schlüsselloch finden.« Das tat er und fand es auch. Als er hereingekommen war, sagte die Schwester: »Wenn mein Mann nach Hause kommt, wird er dich auf der Stelle töten.« Da antwortete der Bruder: »Wer feig ist, fürchtet sich vor allem.« Der Mann kam aus dem Wald nach Hause, begrüßte ihn gleich und sagte: »Wie bist du denn hier heraufgekommen?« — »Einerlei, wie ich heraufgekommen bin«, antwortete er, »ich bin eben da.« Da drückte ihm der Mann die Hand. Der Bruder aber packte ebenfalls zu und sprach: »Ich bin auch aus Fischknochen gemacht.« Da ging dem Manne gleich der Mund auf, und das Wasser trat ihm in die Augen. Dann tranken sie zusammen. Der Junge trank in einem fort, doch goß er sich den Branntwein jedesmal unters Kinn. Der Mann seiner Schwester aber wurde tüchtig betrunken. Dann machten sie einen Vertrag, daß, wenn einer von ihnen beiden stürbe, der andere ihm zu Hilfe kommen sollte, und sie vereinbarten als ein Zeichen, daß sie in ihr Taschentuch Blut tröpfeln lassen wollten, und wenn einer von ihnen stürbe, sollte das Blut aus dem Taschentuch desjenigen verschwinden, der am Leben bliebe.

Der Bruder ging weiter und kam an ein silbernes Haus, dort war seine mittlere Schwester. Das Schlüsselloch fand er auf die gleiche Weise, und die Schwester stellte dieselbe Frage an ihn. Dann ging er hinein, und der Mann war ebenfalls von Hause fort. Die Schwester sagte: »Wenn mein Mann heimkommt, wird er dich auf der Stelle töten.« Darauf erwiderte er: »Wer feig ist, fürchtet sich vor allem.«Der Mann kam nach Hause, begrüßte ihn sogleich und drückte ihm ganz fürchterlich die Hand, aber der Junge drückte noch fester. Danach wurde in gleicher Weise Branntwein getrunken. Jedesmal, wenn der Bruder einen Schluck nahm, tat er bloß, als ob er trinke. Danach schlossen sie den gleichen Vertrag.

Danach machte sich der Bruder auf, seine dritte Schwester zu suchen. Er kam zu einem goldenen Haus, das sich ebenso geschwind drehte wie das erste. Er öffnete es auf die gleiche Weise, und dort war seine älteste Schwester. Die seufzte: »Oje! Wie wird es dir ergehen!« Er aber antwortete: »Wer feig ist, fürchtet sich vor allem.« Dann kam der Mann



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nach Hause, begrüßte ihn und drückte ihn so fürchterlich, daß ihm angst und bange wurde. So drückten sie sich, und der Böse bekam ihn zuletzt auf die Knie. Da fiel dem Jungen ein, daß er sagen mußte: »Ich bin auch aus Fischknochen gemacht«, und da gewann er gleich die Obermacht, und der Böse wollte einen Vertrag machen. Sie gaben sich das Zeichen im Taschentuch. Dann erzählte der Bruder, daß er seine Schwester mit nach Hause nehmen wollte. Der Böse sprach: »Ich bin stark, aber du bist noch stärker. Wir sind drei starke Brüder, aber hier gibt es ein Mädchen, mit dem wir es alle drei nicht aufzunehmen wagen.« Da meinte der Junge: »Ich gehe allein.« Der Böse gab ihm Bescheid, wo das Mädchen war, und sagte: »Sieh nur zu, daß du mit dem Leben davonkommst!«

Der Junge ging und fand die Kate, wo das starke Mädchen wohnte; er blickte durch den Türspalt und sah, daß das Mädchen eingeschlafen war. Aber er getraute sich noch nicht hineinzugehen. Schließlich stürmte er doch hinein, packte die beiden Bettseiten und drückte das Mädchen mit der Brust gegen das Bett. Das Mädchen erschrak und fing an zu schreien: »Wenn du ein Vater bist, so bist du mein Vater, wenn du eine Mutter bist, so bist du meine Mutter, bist du ein Bruder, so bist du mein Bruder, bist du eine Schwester, so bist du meine Schwester, und wenn du mir noch zum Manne bestimmt bist, so bist du mein Mann.« Der Junge ließ sie dann los, und sie versöhnten sich, weil das Mädchen mit einem Eide versicherte, daß sie ihn nehmen wolle, wer er auch sei.

Das Mädchen zog jeden Tag in den Krieg. Es war nämlich dort ein Schmied, der jede Nacht dreihundert Soldaten machte, und wenn das Mädchen diese nicht am Tage immer getötet hätte, wären es ihrer so viele geworden, daß sie das Mädchen zuletzt bezwungen hätten.

In der Kate des Mädchens waren mehrere Kammern, und das Mädchen sagte: »In alle Kammern darfst du gehen, aber in jene Kammer dort geh nicht hinein!«Der Junge blieb den Tag über dort. Als das Mädchen am Abend aus dem Kriege kam, versuchte der Junge ihr Schwert, aber es war so schwer, daß er es nicht einmal hin und her bewegen konnte. Das Mädchen zog den dritten Tag in den Krieg, und jeden Tag verbot es dem Jungen von neuem, in die Kammer zu gehen. Am dritten Tage



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dachte er: >Ich will bloß einmal hineinsehen<, und das tat er. Dort hingen Tiere von jeder Art, die es auf der Welt gibt. Einige hingen an den Beinen, andere an den Hörnern; und sie waren lebendig. Sie baten ihn alle, sie loszumachen. Er machte in seiner Gutmütigkeit eins von ihnen frei, und dieses machte ein anderes frei, und dann befreiten sich die übrigen untereinander. Sie töteten den Jungen und warfen ihn in einen Fluß.

Als nun das Mädchen nach Hause kam, wurde es sehr traurig, denn es hatte den Jungen gern gehabt. Aus den Taschentüchern der Brüder aber verschwanden die Blutstropfen. Da machten sie sich alle auf, den Jungen zu suchen. Jeder der Brüder verwandelte sich: der eine in eine Schlange, der andere in eine Maus und der dritte in einen Fisch. Der eine ging in den Fluß, die anderen gingen in der Erde unter den Häusern her und sonstwohin. Der sich zum Fisch gemacht hatte, fand den Jungen im Fluß. Die Tiere hatten ihn so geschüttelt, daß seine Knochen nicht mehr zusammensaßen. Aber das Mädchen hatte eine Flasche, und mit dem Inhalt der Flasche salbten sie den Körper des Jungen, da wurde er wieder lebendig und war soviel kräftiger als zuvor, daß er mit dem kleinen Finger das Schwert des Mädchens schwenken konnte, wie er wollte, obgleich er es früher nicht hatte bewegen können.

Der Junge blieb bei dem Mädchen und bat: »Willst du mich jetzt nicht einmal in den Krieg ziehen lassen?« —»Nein, ich lasse dich nicht, sie möchten dich töten, du wirst nicht mit ihnen fertig werden.« Aber er sagte: »Ich will es versuchen.« Da erlaubte sie es ihm schließlich doch, und er zog in den Krieg. Er ging zuerst in die Schmiede und fragte den Schmied: »Habt ihr einen Lehrjungen nötig?« — »Ich könnte wohl einen brauchen«, antwortete der Schmied, »ich bin schon alt und schwach, es will mir nicht mehr recht von der Hand gehen.«

Er sprach: »Ich bin das Schmiedehandwerk gewöhnt, ich mache neue Köpfe und, wenn es nötig ist, einen ganzen Menschen. Aber mit dem Werkzeug, das Ihr da habt, kann ich nichts anfangen.«Er sah sich dabei nach dem größten Hammer um und sagte zu dem Schmied: »Legt Euren Kopf auf den Amboß.«Das tat der Schmied. Da nahm der Junge den allergrößten Hammer und holte so aus, daß die Schädelknochen nur so flogen. Dann kam er nach Hause und sagte: »Ich habe dem



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Schmied einen neuen Kopf gemacht, jetzt brauchst du nicht mehr in den Krieg zu ziehen.«

Hierauf bleiben sie dort in der Kate, und der Junge meinte: »Sollen wir nicht auch einmal in meine Heimat gehen?« —»Das können wir«, sagte das Mädchen. Da holte der Bruder seine Schwestern aus jedem Hause, und sie machten sich auf den Weg. Sie kamen an den Rand des Bergrückens, und er ließ mit Hilfe der Ketten seine Schwestern zuerst den Berg hinunter. Danach das Mädchen. Aber gleich, nachdem er seine Braut hinuntergelassen hatte, freuten sich die Brüder und rissen die Ketten entzwei. Darauf nahmen sie ihre Schwestern mit nach Hause und das Mädchen auch.

Der Junge war viele Jahre auf dem Berg. Haar und Bart waren ihm schrecklich lang gewachsen, und er trug Kleider aus Rentierfell. Da sah er endlich unten am Berge einen großen, schwarzen alten Mann gehen. Sein Bart schleifte den Boden, und der Alte war blind. Der da oben bat ihn, ihm doch hinunterzuhelfen. Der Alte band seinen Bart an einen Baum, trat ein Stück beiseite und sagte: »Spring da drauf, du wirst wohl nicht davon sterben, wenn du auf den weichen Bart springst!« Das tat er und kam gut hinunter. Er hatte aber noch von der Salbe bei sich, die ihn wieder lebendig gemacht hatte, damit bestrich er die Augen des Greises, und gleich konnte der wieder sehen. Da sagte der Alte zu ihm: »Eile schnell heim, denn ein anderer will deine Braut freien.« — Das Mädchen hatte viele Jahre auf ihn gewartet, aber weil er nicht gekommen war, hatte sie eingewilligt, dem andern die Hand zu geben. —Da eilte er mit Riesenschritten dahin. Daheim waren sie schon dabei, die Hochzeit zu feiern.

Als er zu dem Hochzeitshaus kam, ging er nicht hinein, sondern schlich sich in die Badestube. Hier legte er sich auf die Pritsche. Und eine Magd kam daher, die meldete: »Dort in der Badestube ist der Teufel.« Da kamen alle gelaufen. Die Braut aber erkannte ihn sogleich und besorgte ihm gute Kleider, nahm ihm den Bart ab und säuberte ihn. — So ging es, und aus der Hochzeit wurde nichts. Der Junge bekam das Mädchen, und die Bösewichter warf er zur Hintertür hinaus.



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Ein Kopf

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, und die Frau bekam nach sieben Jahren ein Kind, aber das war nur ein Kopf. Es vergingen wieder sieben Jahre, da wurde der Kopf vierzehn Jahre alt. Nun wollte er die Königstochter zur Ehefrau und bat seinen Vater, für ihn zu werben. Der Vater ging hin. »Sag die Wahrheit«, sprach der Junge, »sag, wie ich bin, lüge nichts dazu.«

Nun, der Vater kam zum König und sagte: »Majestät, so und so, mein Sohn möchte Eure Tochter zur Ehefrau.« — »Was für ein Mensch ist er denn?«fragte der König. »Er ist weiter nichts als ein Kopf.« Da sagte der König zu ihm: »Wenn er mir bis morgen fünf lebende Füchse bringt, vielleicht gebe ich ihm dann meine Tochter.«

Der Vater kam nach Hause und sprach: »Es wird ja nichts draus, mein Junge.« —»Nun, warum denn nicht?« — »Weil der König bis morgen fünf lebendige Füchse haben will, vielleicht bekämst du dann die Tochter.« —»Ach, lieber Vater, wie ist es mir heiß! Bringe mich in den Flur«, bat darauf der Junge und blieb bis zum andern Morgen dort draußen. Als sie am nächsten Morgen aufstanden, lagen schon fünf lebendige Füchse vor der Treppe, und der Junge sagte zu seinem Vater: »Bring jetzt die Füchse hin, Vater, und bitte um die Königstochter.«

Der Vater brachte die Füchse zum König und sprach: »Jetzt werde ich doch wohl die Tochter kriegen.«Da sagte der König: »Wenn dein Sohn mir bis morgen fünf lebendige Bären bringt.«

Der Vater kam nach Hause und sprach: »Es wird ja nichts draus.« — »Nun, warum denn nicht?«meinte der Junge. »Er will bis morgen fünf lebendige Bären haben.«Da bat der Junge wieder: »Lieber Vater, bring mich in den Flur, hier ist es zu heiß.«Und der Vater brachte ihn in den Flur.

Am andern Morgen, als sie aufstanden, lagen fünf lebendige Bären vor der Treppe. Da sagte er zu seinem Vater: »Lieber Vater, bring jetzt die Bären hin und bitte nur um das Mädchen.« Da brachte er sie hin und bat den König um seine Tochter. Der König sprach: »Nun, da er so ein Mann ist, der machen kann, was er will, laß ihn ein Schloß bauen, wie ich eins habe; dann darf er kommen und sich das Mädchen holen.«



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Der Alte kam wieder zurück und sprach: »Es wird nichts draus, mein Junge.« — »Nun, warum denn nicht?« — »Du sollst bis morgen ein Schloß bauen, wie das seine ist, und darin soll alles sein, wie es ein Kaiser hat.« —»Bring mich in den Flur, lieber Vater«, bat der Junge. Da brachte er ihn wieder heraus, und der Junge sagte beim Fortgehn: »Wenn ihr Gepolter hört, steht nicht auf und guckt, bleibt nur liegen!« Da fingen auch schon die Arbeiter an, für ihn zu arbeiten, und der Vater sprach: »Was nur der Junge da draußen für einen sonderbaren Lärm macht, ich will doch mal gucken!« Aber die Mutter sagte: »Hast du nicht gehört, was der Junge gestern abend gesagt hat: >Ihr sollt nicht gucken.<«Es verstrich eine Weile, und da sagte die Mutter: »Wir müßten doch einmal nachsehn.« Da entgegnete der Vater wieder: »Hast du vergessen, was der Junge gestern abend gesagt hat?« Auf diese Weise brachte der eine den andern davon ab, hinauszugehen und zu gucken. Als sie am andern Morgen aufstanden und der Alte vor die Treppe ging, schlug er vor Schrecken lang hin, weil er sich in einem Schlosse fand, das von Gold und Silber strahlte.

Da sagte der Junge wieder zu seinem Vater: »Spann jetzt drei Hengste an, Vater.« Sie gingen hin, schirrten drei Hengste an, setzten den Jungen in den Wagen und fuhren hin, um die Braut aus dem Königsschloß zu holen. Der König hielt sein Wort, das er gegeben hatte, und gab seine Tochter dem Jungen.

Und dann feierten sie Hochzeit und aßen und tranken dort. Die Braut aber hatte eine Stiefmutter. Am dritten Tag erschienen die Hochzeitsgäste. Sie saßen und tranken und hielten einen großen Ball. Die Braut ging auch hin und der Kopf auch. Der hatte so einen kleinen Korb, in dem er getragen wurde, der Kopf. Da sagte der Junge zu dem Mädchen: »Du weißt jetzt, wie ich bin, aber sage es auf keinen Fall! Ich komme nicht in den Saal, wo ihr seid, mich müßt ihr hier in dem andern Saal auf dem Fenster lassen. Aber sage es auf keinen Fall, wie ich bin! Wenn du es doch tust, so mache ich das Fenster hier entzwei und fliege als Taube nach dem Süden.«

Das Mädchen ging auf den Ball, da wurde sie von der Stiefmutter gefragt: »Nun, was für ein Mensch ist denn dein Ehegatte?« Da sagte das Mädchen: »Er ist so, wie ihr ihn seht, er ist nichts weiter als ein Kopf.«



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Da nahm sie das Mädchen auf die Seite, machte es betrunken und fragte es noch weiter aus; und das arme Mädchen erzählte in der Betrunkenheit:

»Seine Beine sind von Silber bis zu den Knien, von Gold die Arme bis zu den Ellenbogen, einen Stern trägt er auf dem Scheitel, eine Sonne auf der Stirn und einen Mond auf dem Hinterkopf; wenn er spricht, wachsen ihm goldene Blumen aus Mund und Nase.« Als der Junge das hörte, zerbrach er das Fensterglas und flog nach dem Süden davon. Das Mädchen aber, als es aus der Betrunkenheit erwacht war, suchte ihren Bräutigam, der war jedoch verschwunden. Da reiste sie ihm nach und reiste sieben Jahre in einem hin.

Endlich kam es an ein kleines Häuschen, ging hinein und sagte: »Guten Tag.«Die in der Hütte erwiderten ihren Gruß. Da fragte es: »Ist hier nicht so und so ein Reisender vorbeigekommen?« Die Leute in dem Häuschen antworteten: »Ja, das ist wohl richtig, aber es sind schon sieben Jahre her. Auf unserem Dache hat er sich ausgeruht und ein Bündel heruntergeworfen, das wir einer Frau geben sollten.« Da gaben sie der jungen Frau das Bündel.

Danach ging sie wieder auf die Reise und reiste vierzehn Jahre. Da kam sie wieder an ein Häuschen, wo sie hineinging, grüßte, und ihr Gruß wurde erwidert. Wieder fragte sie: »Ist hier nicht so und so ein Reisender vorbeigekommen?« —»Ja, das ist richtig, aber es sind schon vierzehn Jahre her. Hier auf dem Dach unseres Häuschens hat er sich ausgeruht und dieses Bündel heruntergeworfen, das wir einer Frau geben sollten.« In dem ersten Bündel war zu essen und zu trinken, was man sich nur wünschen konnte, und in dem andern Frauenkleider, wie sie das Herz begehrt. Darauf rieten ihm die Leute in dem Häuschen: »Wenn du jetzt fortgehst, so wende dich zur Stadt, und wenn du an die erste Straßenkreuzung kommst, setze dich hin! Da wirst du ihn sehen, er ist ein tüchtiger Jägersmann!« Das Mädchen tat, wie ihm gesagt war, und setzte sich bei der Straßenkreuzung nieder. Da sah es ihn, wie er auf die Jagd ging, und es begrüßte ihn und sprach: »Nun, wie ist's jetzt mit uns, lieber Freund, wo ich dir von dort so weit nachgereist bin, wie ist's zwischen uns?«

Als es der Junge sah, sprang er ihm an den Hals und sagte: »Liebes



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Mädchen, darüber kann ich nicht eher etwas sagen, als bis ich Briefe in alle Reiche herumgeschickt habe, welche Ehe zu halten ist, die neue oder die alte?«

Dann schickte er Briefe in der Welt herum, und von allen Ecken kam die Antwort: »Die alte Ehe sollst du halten.« Da sagte er zu seiner neuen Braut: »Du kannst wieder hingehn, woher du gekommen bist, ich nehme meine alte Braut.«

Danach reisten sie fort, erst vierzehn Jahre und dann sieben Jahre, und kamen wieder in ihre Heimat. Da feierten sie von neuem Hochzeit, aßen und tranken, und mir haben sie aufgetragen, es euch zu erzählen.


Die Tiere und der Teufel

Es war einmal ein alter Mann, der drei Tiere besaß: eine Katze, einen Hahn und einen Ochsen. Als man nun einst beim Abendessen saß, sagte der Hauswirt zum Knecht:

»Morgen früh mußt du die Katze töten.«

Aber nach dem Essen gab der Knecht der Katze den Rat: »Flieh, sonst wirst du morgen früh geschlachtet!« Die Katze nahm sich die Warnung zu Herzen, und als man sie am frühen Morgen töten wollte, war das Opfer fort, von der Katze war nichts mehr zu sehen und zu hören. Am folgenden Abend sagte der Hauswirt wieder: »Morgen früh muß man unsern Hahn schlachten.« Diesen Befehl des Hausherrn hinterbrachte der Knecht auch dem Hahn, der schleunigst das Gehöft verließ. Auch an den Ochsen kam die Reihe zu fliehen, und alle drei fanden sich im Walde wieder zusammen. Sie wanderten unter den Bäumen dahin; da kam ihnen ein Wolf entgegen. »Wohin gehst du?«fragten sie diesen. »Ich suche die Herde dort auf«, antwortete der Wolf, »ich will sehen, ob ich nicht ein Lämmchen zum Imbiß erreichen kann.« —»Geh nicht hin!« warnten die andern. »Dort wird man dich töten; komm lieber mit uns.«

Der Wolf willigte ein, und sie gingen vier Mann hoch weiter. Da kam ihnen ein Bär entgegen. »Wohin gehst du?«fragten sie wiederum. »In die Nähe des Dorfes dort; ich will Hafer fressen«, antwortete der Bär.



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»Geh nicht hin, du könntest zu Schaden kommen«, sagten die andern, »komm lieber mit uns.«

Der Bär ging denn auch mit ihnen, und als sie zu fünfen ein Stück weitergewandert waren, begegneten sie einem Hasen. Den redeten sie ebenfalls an, und auch ihn gewannen sie zum Gefährten, worauf sie einem Dorfe zuschritten und sich anschickten, das Badehäuschen zu heizen. Vor dem Häuschen lag ein Hund, der die andern mit der Warnung empfing: »Geht nicht dort hinein, drinnen wohnen böse Geister.« Aber die andern gingen doch hinein. Der Bär legte sich an der Schwelle hin, der Wolf zwischen den Türpfosten, der Ochse suchte sich den Viehwinkel aus, der Hahn flog auf die Hühnerstiege, die Katze legte sich auf den Ofen, der Hase unter die Bank und der Hund mitten in die Stube.

Da kommt auch der Teufel an das Badehaus und öffnet die Tür. Im Nu beißt ihn der Wolf in die Wade, der Bär schlägt ihn mit der Tatze, der Ochse stößt ihn mit den Hörnern, der Hahn fängt an zu krähen und die Katze zu miauen, und der Hund rennt in der Stube herum. Vor Schrecken über so viel Wirrwarr fiel der Teufel rücklings hin, aber kaum hatte er sich aufgerafft und sich aus den Klauen seiner Feinde befreit, als er auch aus der Tür hinausflog und in eiliger Flucht dem Walde zurannte, wo er seinen Gefährten die Geschichte mit den Worten erzählte:

»Geht nicht mehr in das Badehaus: drinnen hausen Fremde, und gar gewaltige. Ein Schneider stach mich gleich an der Schwelle mit seinen Nadeln, ein rauhhaariger Mann packte mich mit seinen Fäusten an der Brust, ein Schuster schlug mich mit seinem Leistensack, daß ich rücklings hinfiel; einer auf dem Ofen schlug Feuer an, die Lehrbuben rannten in der Stube umher, sprangen mit glühenden Augen aus einer Ecke in die andre und suchten mich, um mich zu prügeln, konnten mich aber nicht finden. Einer schrie sogar den andern zu, als ich entfloh: >Greift den Kerl! Greift den Kerl!<«



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Der Wolf als Grenzwächter

Es zogen einmal einige Wandersleute die Heerstraße entlang und verloren dabei ein Stück geräuchertes Schweinefleisch. Bald nach ihnen kam ein Wolf des gleichen Weges und packte das Stück Fleisch mit den Zähnen; aber als er merkte, daß es salzig war, spie er es aus und sagte: »Mein Gaumen trachtet nach frischem!« Da erblickte er am Ufer des Flusses eine Sau mit ihren Ferkeln und sprang hinzu, um sie zu würgen. Die Sau legte sich aufs Bitten und sagte: »Friß uns nicht, bis ich meine Kinder getauft habe.« — »Nun gut, taufe sie erst«, sagte der Wolf, auf ihre Bitte eingehend. Da ging die Sau mit ihren Ferkeln in den Fluß; aber von Wiederkehr war keine Rede mehr, sie schwammen hinüber ans andere Ufer. Der Wolf, dem schon der Mund wässerte, hatte nur das Nachsehen und konnte der Sau nichts antun. Darauf ging der Wolf in den Wald und traf dort einen Bock. Diesen packte er an und rief: »Jetzt wirst du von allem Jammer und aller Trübsal dieser Erde erlöst, denn ich will dich fressen.« — »Warte nur ein wenig, bis ich dieses Feld ausgemessen habe«, sagte der Bock; »dann magst du mich fressen, wenn dein Sinn danach steht.« Der Wolf war es zufrieden; aber der Bock besann sich nicht lange, sondern suchte in dem nahen Dorfe Schutz. Der Wolf war ganz erbost, daß ihm der Bock entgangen war, und ging aus, um neue Beute zu suchen. Bald fand er eine Stute mit ihrem Fohlen und rief ihr zu: »Ich will dein Fohlen fressen, du hast ja doch nur Kummer mit ihm. Übrigens hast du keine Erlaubnis, in dieser Gegend zu spazieren.« — »Oh, ich habe von meinem Herrn einen Erlaubnisschein erhalten, friß uns nicht, bevor ich ihn dir gezeigt habe«, antwortete die Stute, drehte sich plötzlich um und schlug mit solcher Gewalt aus, daß der Wolf mit zerschmettertem Unterkiefer auf den Rücken flog. Sie selber suchte mit ihrem Fohlen das Weite.

»Ach! Tor, der ich war!« schrie der Wolf in seinen Schmerzen. »Ich bin ja kein Pfarrer; warum lasse ich's zu, daß die Sau die Ferkel taufte! Ich bin ja auch kein Landmesser, daß ich das Feld durch den Bock ausmessen lassen sollte! Bin ich doch auch kein Grenzwächter, daß ich mir den Erlaubnisschein der Stute ansehen sollte!« So lang ist's gewesen; und hier hört die Geschichte nun auf.



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Das Märchen vom roten Meere

Es war einmal ein reiches Gehöft, und der Bauer des Gehöfts hatte drei Söhne. Nun geschah es, daß jedesmal, wenn der Bauer die Frühlingsaussaat gemacht hatte, in einer Nacht im Sommer ein Unwetter kam und die ganze Saat zerstörte. So war es zwölf Jahre hintereinander geschehen. Da kriegte es der Bauer satt und sprach: »Ich lasse die ganze Aussaat sein, wo ich doch nie etwas bekomme.« Da bat der älteste Sohn, die Acker des Vaters besäen zu dürfen. Der Vater erlaubte es seinem Jungen: »Du kannst ja aussäen.« Der Junge düngte die Acker und machte die Aussaat. Nun, im Sommer kam wieder dieselbe Nacht, und es ging ihm ebenso wie seinem Vater.

Darauf bat der mittlere Sohn seinen Vater, ob er es versuchen dürfe. Nun, er bearbeitete die Acker und machte die Aussaat. Als nun die Nacht da war, wo das Unwetter kommen mußte, hielt er Wache. Da brach um Mitternacht ein solcher Sturm aus, daß die Bäume im Walde umstürzten. Da ging er in die Badestube und legte sich schlafen. Als er am andern Morgen aufstand, war der Acker wieder ebenso zerstört wie zuvor. Danach bat der jüngste Sohn, noch einmal sein Glück versuchen zu dürfen. Der Vater wollte es nicht erlauben: »Es häuft sich ja Schaden auf Schaden.« Und der Jüngste hatte auch keine Mittel zur Aussaat, sondern sein Vater mußte ihm damit aushelfen. Nun, schließlich erwirkte er doch die Erlaubnis, die Acker zu besäen. Er begab sich auf Wache. Als nun das Unwetter im Anzug war, ging er dorthin, wo über den Ackergraben eine Brücke gelegt war, und legte sich darunter.

Da flogen drei Vögel auf die Brücke, und als diese ihre Hüllen abgeworfen hatten, verwandelten sie sich in Jungfrauen. Eine von ihnen lief voran auf den Acker und begann die Saat zu zertreten, die beiden andern folgten ihr. Da sprang der Junge unter der Brücke hervor und nahm ihnen die Hüllen weg. Zwei von ihnen kehrten sofort um und rissen dem Jungen ihre Kleider wieder aus der Hand, aber die dritte blieb zurück und bekam ihr Kleid nicht wieder. Da bedrängte sie den Jungen: »Was soll denn aus mir werden, wenn du mich jetzt hier festhältst?«

Der Junge antwortete: »Ich lasse dich nicht ohne weiteres gehn, wenn



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du meinem Vater nicht die Ernte von zehn Jahren bezahlst und jedem meiner Brüder die eines Sommers.« Da sagte sie: »Mit was soll ich sie dir denn bezahlen, wo ich nichts hier habe?« und drängte den Jungen, sie zur Frau zu nehmen, da sie nichts weiter zu geben habe. Hierauf ging der Junge ein. Sie gab ihm einen Ring und sprach: »Steck den Ring an deinen Finger, durch ihn bin ich mit dir verlobt.«Da ließ der Junge das Mädchen los, und sie verabredeten, daß die Hochzeit vorbereitet werden sollte und daß sie zu einer bestimmten Stunde zur Hochzeit kommen werde. Als nun der Junge das Aufgebot hatte verlesen lassen, die Hochzeit schon vorbereitet und alle Hochzeitsgäste versammelt waren, warteten sie auf die Braut; sie schien aber nicht zu kommen, und dem Jungen wurde es angst. Die Uhr hatte gerade zwölf geschlagen, da ging er hinaus, um zu horchen. Er hörte etwas wie Schellengeklirr, wie von Deichselschellen. Da kam die Braut mit lauter grauen Pferden angefahren.

Nun, als dann die Hochzeit mit Essen und Trinken und Kanonendonner gefeiert worden war, schickte der König, dessen Schloß in der Nähe lag, einen Knecht hin und ließ fragen: »Was schießt ihr denn da ohne mein Wissen?« Der Knecht kam zurück und erzählte: »Dort haben sie Hochzeit gefeiert, der Nachbarssohn hat sich verheiratet, er hat ein sehr schönes Weib gekriegt.«

Da war der König gekommen, um sich die Braut anzusehn; ihre Schönheit betörte ihn, und er sprach: »Weil du so ein prächtiges Weib bekommen hast, mußt du heute nacht einen ganzen Eichwald fällen.« Da wurde es dem Jungen angst: »Wie kann ich denn den fällen?« Und er klagte es seiner Frau: »Wie soll ich die Arbeit fertigbringen?« Da sagte seine Frau: »Sei ohne Sorge!«Und sie gab einer Magd den Befehl, wenn die Uhr zwölf schlüge, ihr den besten Grauen vor die Treppe zu führen. Mit dem Glockenschlag zwölf brachte die Magd den Grauen vor die Treppe. Dann sagte die Frau zu ihrem Manne: »Steig auf den Grauen und reite im Galopp in des Königs Eichwald.« Sie gab ihm ein kleines Beil und sagte: »Wenn du damit die kleinste Eiche fällst, so sprich: >Mit diesem Schlag sollen alle Eichen fallen!<«

Auf diese Weise wurde der Wald gefällt wie zu einer Schwende. Dann kam der Mann auf dem Grauen nach Hause zurück. »Nun, wie ist's



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dort gegangen?«fragte sein Weib. Da antwortete er: »Alle Bäume liegen gefällt.« Am andern Morgen kam der König und sagte: »Da du so kräftig bist, kannst du sie jetzt alle wieder aufrichten.« Da wurde der Mann wieder betrübt. »Wie soll ich denn das fertigbringen?« Aber seine Frau sagte: »Laß dich's nicht bekümmern, das ist bald geschehn.« Wieder war es zwölf Uhr abends geworden. Da kam die Magd wieder und weckte: »Jetzt ist es zwölf Uhr.« Und der Graue wartete vor der Tür, derselbe Graue war es. Und die Frau sagte zu ihrem Manne: »Wenn der in den Eichwald galoppiert, so hebe die kleinste Eiche auf und sprich: >Diese stelle ich auf, alle Bäume sollen aufstehn!<«Dastanden alle wieder auf. Dann kam er wieder nach Hause, und die Frau fragte: »Wie ging's denn?« — »Alle Bäume sind wieder aufgerichtet!«

Darauf gab der König Befehl, daß er jetzt die Schlüssel eines Schlosses suchen sollte, die zu seines Großvaters Zeiten verlorengegangen waren:

»Da du so kräftig bist, so bist du vielleicht auch allwissend.«

Da geriet der Mann wieder in große Not, ging zu seiner Frau und sprach: »Jetzt verlangt er von mir die zu seines Großvaters Zeiten verlorengegangenen Schlüssel zum Schloß.« Die Frau antwortete: »Sei ohne Sorge, die werden sich finden. Steig morgen früh auf den Grauen, er wird mit dir vor eine Kirche galoppieren und dort stehenbleiben. Wenn sich dann die Kirchentüren von selber öffnen, geh hinein und hole von der hinteren Wand die Schlüssel. Aber sieh ja nicht hinter dich, wenn du von dort weggehst!« Nun, er ritt auf dem Grauen hin, holte die Schlüssel und kehrte um. Da rief der Schutzgeist der Kirche: »Junge, was hast du gemacht? Halt, nicht weiter, du hast etwas genommen!« Er drehte sich um - und wurde vom Pferd geworfen.

Aber der Schlüsselbund flog ihm aus der Hand vor den Grauen hin und blieb an dessen Huf hängen. Da griff der Graue die Schlüssel mit den Zähnen auf und brachte sie seiner Herrin. Sie brachte sie dem König und sagte: »Wohin ist wohl mein Mann geraten, da du ihn solche Sachen machen läßt, er ist womöglich verunglückt?« —»Mach dir keine Sorgen«, meinte der König, »so ein Weib, wie du bist, bekommt noch andere Männer.« Sie aber wartete über ein Jahr auf seine Rückkehr.

Da verlangte der König barsch, daß sie ihn heiraten solle, und er nahm



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sie zur Gattin. Sie mußte mit ihm zur Kirche gehn, aber sie hatte zuvor zu der Magd gesagt: »Mein früherer Mann wird wohl schwerlich kommen, aber dir sage ich für den Fall, daß er sich noch einfinden sollte: Wenn er vor die Kirche kommt, wird er auffliegen. Dann guck, nach welcher Richtung er hinfliegt, und sag ihm, daß ich hinter dem schwarzen und weißen Meer in einem versunkenen Schloß im roten Meere wohne. Doch dorthin wird er auf keinen Fall gelangen.«Nun, während der Mann sich dort vorwärtsschleppte, kam er an einer Kirche vorbei, da waren auf dem Kirchhof drei Männer. Die brüllten ihn an: »Heda, Mann! Geh nicht weiter, komm einmal hierher!« Da kam er zu ihnen. Sie hatten da drei Gegenstände, die sie untereinander teilen wollten. Es waren alte Männer, ihr Leben lang schon waren sie mit dieser Teilung beschäftigt, hatten sich aber noch nicht einigen können. Die sagten zu dem Manne: »Verteil du jetzt diese Gegenstände unter uns!« Es war ein Hut, ein Paar Stulpenstiefel und ein Schwert. Da nahm der Mann den Hut und fragte: »Was wird denn damit gemacht?« Da sagten sie: »Wenn du den Hut aufsetzt, so sieht dich niemand.« Da setzte er den Hut auf und fragte die Alten: »Seht ihr mich jetzt?« Sie antworteten: »Nein, jetzt sehn wir dich nicht mehr.« Dann fragte er, was mit den Stiefeln gemacht werde. Da antworteten sie ihm: »Damit kannst du so weit ausschreiten, wie du sehen kannst.« — »Und was wird mit dem Schwert gemacht?« — »Das braucht man im Krieg; wenn du es schwenkst, so fallen alle Gegner.«

Im Nu hatte er die Stiefel an und kam gerade vorbeigeflogen, als seine Frau zur Kirche ging. Da fragte sie die Magd genau aus, nach welcher Richtung er geflogen sei.

Es war da eine Weile vergangen, seit er nach Osten geflogen war. Dort war er an ein neues Haus gekommen und hatte sich hinter dem Tisch zum Schlafen ausgestreckt. Er hatte sich als Pferdehändler ausgegeben. Während er nun hinter dem Tische schlief, stellten die Wirtin und der Wirt eine vortreffliche Mahlzeit auf den Tisch. Da sagte die Frau zu ihrem Mann: »Ich würde den Fremden zum Essen bitten, aber wenn er nun das Essen segnet?«Der Fremde hinter dem Tisch aber hatte gehört, was sie sagten. Darauf stieß ihn der Wirt an und sprach: »Steh auf, Gast, und komm zum Essen!« Da stand er auf und sprach: »Ach, der Tisch



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ist ja schon gedeckt!« Darüber mußten der Wirt und die Wirtin schrecklich lachen. Nun, und dann schliefen sie die Nacht hindurch, und am andern Morgen war der Wirt noch höflicher, ging hin und zeigte ihm seine Speicher. Er zeigte ihm zuerst den, der ganz voll Kupfer war. »Nun wollen wir den andern ansehen.« Der war voll Silber. Sie gingen in den dritten, und der war voll Gold. Als der Wirt wieder aus dem Speicher kommt, sieht er sich um: »Wo ist denn der Mann geblieben?« Der aber hatte seinen Hut aufgesetzt und seinen Ranzen mit Gold gefüllt. Er suchte ihn und ging wieder in den Speicher zurück: >'Wo ist nur der Junge hingeraten?« Da bemerkte er im Goldkasten ein großes Loch und sprach: »Es scheint ein Dieb zu sein, wenn er sich auch für einen Pferdehändler ausgibt.«Unterdessen war der Junge schon ein ganzes Stück auf dem Acker entlanggegangen und hatte den Hut abgenommen. Da sah ihn der Wirt und sagte: »Da geht der Kerl.«Der Junge war den Weg gegangen, den er gehen mußte, um zu seiner Frau zu gelangen. Er ging einen Tag und kam an das weiße Meer. Da fand er ein kleines Haus, worin ein Mädchen wohnte. Sie wärmte ihre Stube und fragte ihn: »Wo willst du denn hin?«Das Mädchen hatte eine drei Ellen lange Nase. Da sagte er, daß er auf die andere Seite des Meeres wolle. »Ich will dich hinüberrudern, aber ich nehme dir dafür eine Hand als Bezahlung.« — »Wäre dir nicht Gold ebenso recht?« meinte der Junge. »Ich habe den ganzen Ranzen voll.« — »Nein, das will ich nicht.« Es war nun bestimmt, daß er ihr die Hand schon vor der Überfahrt geben sollte, aber der Junge bat: »Laß mir die Hand noch, damit ich steuern kann, wenn du ruderst.«

Die Ruder waren fünfzig Klafter lang. Als sie nun eine Strecke gerudert waren, wurde das Ufer sichtbar. Da setzte der Junge seinen Hut auf und stieg aus dem Boot. Das Mädchen aber suchte ihn und tobte im Boote. »Wo ist nur der Junge hingekommen? Er hat mir ja überhaupt nichts gegeben, weder Gold noch die Hand.« Danach ging der Junge am Ufer des schwarzen Meeres entlang und fand wieder ein Haus, wo ein Mädchen wohnte. Zu dem sagte er: »Viele Grüße von deiner jüngeren Schwester, sie hat mich über das weiße Meer gerudert.« Da fing das Mädchen gleich wütend an zu schreien: »Was hat sie dich herüberzurudem und hat dir nicht einmal eine Hand als Zahlung genommen?« Da



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zeigte ihr der Junge seinen Ranzen: »Ich habe sie mit Gold bezahlt, aber hier habe ich noch genug davon.« Da tobte sie erst recht: »Sie hat dich nicht für Gold überzusetzen.« Nun bedrängte sie der Junge, ihn noch über das schwarze Meer zu rudern. »Gut, ich will es tun«, sprach das Mädchen, »aber ich nehme dir beide Hände.« Unter dieser Bedingung wollte sie es tun. Sie gingen zum Ufer, da sagte sie: »Gib deine Hände her, daß ich sie abhaue.« — »Laß mir die Hände noch, daß ich das Steuer halten kann, nimm sie dir dann, wenn wir drüben sind.« — »Das ist gleich«, sagte das Mädchen, »dann nehme ich sie drüben.« Als nun das Ufer wieder sichtbar wurde, setzte der Junge seinen Hut auf, sprang an Land und ließ das Mädchen tobend in dem Boot zurück. Dieses Mädchen hatte eine sechs Ellen lange Nase, sprach aber ganz verständlich. Wieder wanderte er weiter und kam an den Strand des roten Meeres. Da heizte wieder ein Mädchen seine Stube und hatte mit der Nase im Ofen herumgestochert, denn das Holz brennt besser, wenn es geschürt wird. Der Junge sprach zu ihr: »Deine Schwestern lassen dich grüßen.« Da fragte sie: »Wie bist du denn hierhergekommen« —und sie sprach noch sehr durch die Nase - »wo du noch beide Hände hast? Sie hätten dir beide Hände nehmen müssen. Ja, die Schwestern! Wenn ich aber erst zu ihnen komme! Dich für Gold hinüberzurudern, wo sie doch beide Hände nehmen sollten!«

Nun, dann war sie aber doch etwas besänftigt gegen den Jungen und fragte: »Wo willst du denn hin?« Er sagte: »Ich will zu dem versunkenen Schloß mitten im roten Meer, von dem man nur die äußerste Spitze sieht.« Da sagte das Mädchen, daß sie noch nie ein solches Schloß bemerkt habe, obgleich sie kreuz und quer über das ganze Meer gerudert sei. Trotzdem gingen sie am nächsten Morgen zum Strande. Da rief das Mädchen: »Hallo, hallo, alle Vögel des Himmels! Kommt herbei, ich will mit euch reden!« Da kamen die Vögel alle, große und kleine. Und sie fragte sie: »Habt ihr nicht ein versunkenes Schloß hier im roten Meere gesehen, von dem nur die äußerste Spitze aus dem Wasser ragt?« —»Nein«, sagten alle Vögel. Da befahl sie: »Geht eures Weges!«

Dann rief sie wieder: »Hallo, hallo, alle Fische des Wassers! Kommt herbei, ich will mit euch reden!«Wieder fragte sie: »Habt ihr nicht ein Schloß gesehn, das im Meere versunken ist und nur mit der äußersten



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Spitze hervorragt?« Da sagten die Fische: »Nein, wir haben keines gesehen.« — »Dann geht fort!«

Als die andern Fische kaum verschwunden waren, kam noch ein Walfisch hinterher. Da fing sie an zu schelten: »Warum mußt du denn erst so spät kommen, konntest du nicht mit den andern zugleich hier sein?« Da erzählte der Wal: »Als ich daherschwamm, kam ich an ein versunkenes Schloß und blieb mit der Flosse an einer Ecke des Schlosses hängen, dadurch bin ich aufgehalten worden.« Darauf sagte sie zu dem Fisch: »Du kannst wieder gehn!«Als nun der Wal wegschwamm, setzte der Junge seinen Hut auf und stieg auf den Rücken des Fisches, und als der Wal an dem Schlosse vorbeischwamm, stellte er sich auf die Spitze des Schlosses. Sowie nun die Bewohner des Schlosses aus dem Schlosse herauskamen, wurde der Hof ganz trocken.

Da kam eine Magd, um Trinkwasser für die Braut zu holen, die einmal seine Frau gewesen war. Der Mann trug noch den Ring am Finger, den er ihr damals am Ackerrain geraubt hatte, als sie die Saat zertrat. Da nahm er seinen Ring und warf ihn in das Trinkgefäß und ging dann mit der Magd in das Schloß. Aber er hatte den Hut auf, so daß ihn niemand sehen konnte. Als nun der Ring in dem Krug klirrte, guckte sie: »Was klirrt denn im Topf?« Da fand sie ihren Ring. »Das ist ja der Ring, den mir mein Mann geraubt hat, durch ihn bin ich seine Frau geworden. Wie mag der nur hierhergekommen sein?« Da warf der Mann geschwind seinen Hut ab, weil er sich vor Freude nicht zu fassen wußte. Am andern Morgen flogen sie auf den Flügeln seiner Frau in die Heimat des Mannes. Und der Mann fing einen Krieg an gegen den König. Kaum schwenkte er sein Schwert, so wich von dem König alle Kraft, und der König starb. Da wurde der Mann König und seine Frau Königin, und noch jetzt herrscht ihr Geschlecht über das Land.



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MÄRCHEN AUS ESTLAND


Der Bräutigam mit der goldenen Nase

Es war einmal ein sehr schönes und stolzes Mädchen. Jeden Tag kamen Freier, die es haben wollten, aber keiner gefiel ihm, denn jeder hatte ja eine ganz natürliche Fleischnase, und das Mädchen wollte einen Mann, der eine goldene Nase hatte.

Als es nun schon genug Freier heimgeschickt hatte, ohne die gewünschte Goldnase zu finden, zog es selbst in die Welt, um sich einen Bräutigam zu suchen. Es reiste und reiste, aber ohne besseren Erfolg. Schließlich fand es jedoch den gewünschten Bräutigam mit der goldnen Nase; das war aber Zauberei und ging nicht mit rechten Dingen zu. Als das Mädchen den Bräutigam fand, saß er gerade in seiner Kammer und machte Stiefel. Sofort hatte er dem Mädchen gefallen, und was brauchte man da mehr, als die Verlobung abzuschließen? Die Verlobung kam auch wirklich zustande. Die Goldnase verlangte aber, daß die Braut vor der Trauung mit ihm an drei Kirchen vorbeifahre; darauf ging sie auch ein.

Die Zeit der Trauung kam heran. Der Bräutigam ließ zwei schwarze Hengste vor den Wagen spannen, setzte sich dann mit seiner Braut in den Wagen und jagte zur ersten Kirche. Als sie vor der Kirche ankamen, ging er hinein und sagte seiner Braut, sie solle im Wagen so lange warten, bis er zurückkehre. Die Braut gehorchte. Der Bräutigam war ziemlich lange in der Kirche, kam aber noch vor den Kirchenbesuchern heraus, setzte sich in den Wagen und jagte zur zweiten Kirche. Im Augenblick waren sie angelangt. Dort machte der Bräutigam Goldnase es ebenso wie bei der ersten Kirche und ließ die Braut im Wagen sitzen,



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ging selbst in die Kirche hinein und kam ebenso vor den Kirchgängern heraus; dann jagte er zur dritten Kirche. Hier tat er dasselbe, blieb aber recht lange in der Kirche. Die Braut dachte: >Wer weiß, was er in jeder Kirche tun mag?< Sie stieg aus dem Wagen, ging ins Kirchenvorhaus und blickte durchs Schlüsselloch hinein.

Aber was sieht sie da! — Ihr geliebter Bräutigam, die Goldnase, frißt in der Kirche Leichen, grade zu der Zeit, wo der Pastor die Toten einsegnet!

Sie stieg wieder in den Wagen und wartete auf die Goldnase. Sie kam auch bald, und die Fahrt ging wieder los, aber diesmal nach Hause. Unterwegs fragte die Braut den Bräutigam, weshalb er in die Kirchen gegangen sei. Er antwortete, daß er es getan habe, um den Gottesdienst anzuhören. Die Braut konnte aber ihr Geheimnis nicht mehr bei sich behalten und erzählte ihm alles, was sie durchs Schlüsselloch in der Kirche gesehen hatte.

Als der böse Geist das hörte, geriet er in Zorn, weil die Braut sein Verbot übertreten hatte, und erwürgte sie mit schauerlichem Gebrüll. So endete das Leben des stolzen Mädchens.


Der Lohn der Stieftochter und der Haustöchter

Es war einmal eine Mutter, die hatte eine eigne Tochter und eine Stieftochter. Die Mutter der Stieftochter war gestorben, das Waisenkind aber wurde von der jetzigen Mutter und deren Tochter gehaßt und sehr geplagt. Einmal schickte die Stiefmutter das Waisenmädchen aus, am Brunnenrande zu spinnen. Beim Spinnen fiel aber des Mädchens Spinnrocken in den Brunnen. Das Mädchen sprang ihm nach, aber sie fand den Spinnrocken nicht. Sie ging deshalb weiter, ihn zu suchen. Eine Kuh kam dem Waisenmädchen entgegen, einen Melkkübel an ihren Hörnern, und sprach:

»Schönes Mädchen, schönes Mädchen, melk mich! Die Hälfte der Milch gieß auf die Erde, die andre in den Melkkübel an meinen Hörnern!« Das Waisenmädchen melkte die Kuh, goß die halbe Milch auf die Erde und die andere Hälfte in den Melkkübel an den Hörnern der Kuh.



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Dann ging es weiter. Ein Widder kam ihm entgegen mit einer Schere an den Hörnern, der sprach: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen! Scher mich! Die Hälfte der Wolle wirf auf die Erde, die andre Hälfte bind mir an den Hals!«Das Mädchen schor den Widder, warf die halbe Wolle auf die Erde und hängte die andere Hälfte dem Widder an den Hals.

Dann ging es weiter. Ein Apfelbaum stand am Wege, der sprach: »Schönes Mädchen! Schüttle mich! Es ist mir zu schwer, mich unter der Last der Äpfel zu beugen! Was auf die Erde fällt, soll liegenbleiben; was dir auf den Kopf fällt, nimm dir!«

Das Waisenmädchen schüttelte die Äpfel. Was ihm auf den Kopf fiel, das nahm es sich, was auf die Erde fiel, blieb liegen.

Es ging weiter. Ein Ofen voll heißer Brote stand am Wege. Die Brote sprachen:

»Schönes Mädchen, schönes Mädchen! Nimm uns aus dem Ofen heraus, wir haben es hier zu warm!«

Das Waisenmädchen nahm die Brote ohne Schaufel heraus und ging weiter.

Eine Badstube stand am Wege. Darin lebte ein alter Mann. Der Alte sprach: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen! Bad mich, es tut mir schlecht, so schmutzig zu sein!«

Das Waisenmädchen fragte: »Womit soll ich den Ofen heizen?«

Der Alte antwortete: »Sammle Holzpflöcke und Krähenmist und heiz damit.«

Das Waisenmädchen holte aus dem Walde Reisig und heizte den Ofen recht heiß. Dann fragte es: »Wo soll ich das Badewasser hernehmen?« Der Alte antwortete: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Laß sie in den Zuber pissen!«

Das Waisenmädchen suchte aber einen Brunnen auf und holte daraus Wasser. Dann fragte sie: »Wo soll ich einen Badequast hernehmen?«

Der Alte antwortete: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Schneid ihr den Schwanz ab und mach daraus einen Badequast!«

Das Waisenmädchen ging aber in den Wald und machte einen Badequast aus Birkenreisern. Dann fragte es den alten Mann: »Wo soll ich Seife hernehmen?«



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Der Alte antwortete: »Nimm einen Badstubenstein und scheure mich damit!«

Das Waisenmädchen holte aus dem Dorfe Seife und quästete und wusch dann den alten Mann. Nach dem Bade sagte der Alte: »Dank dir, gutes Kind, daß du mich gebadet hast! Jetzt bist du auch deines Lohnes wert. Hier, da hast du eine Schachtel, worin sich dein Lohn befindet. Zu Hause ruf deine Familie zusammen und mach dann die Schachtel auf!«

Der Alte führte das Waisenmädchen auf die Oberfläche der Erde zurück. Es kehrte heim, rief seine Familie zusammen und öffnete die Schachtel. In der Schachtel befand sich eine Menge Gold und Edelsteine. Die Haustöchter war auf das Glück des Waisenmädchens neidisch und ging ebenfalls an den Rand des Brunnens spinnen. Sie warf absichtlich ihren Spinnrocken in den Brunnen hinein und sprang selber nach. Den Spinnrocken fand sie wieder, ging aber dennoch weiter.

Eine Kuh kam der Haustöchter entgegen, einen Melkkübel an ihren Hörnern. Sie sprach:

»Schönes Mädchen, schönes Mädchen, melk mich! Die eine Hälfte der Milch gieß auf die Erde, die andre in den Melkkübel an meinen Hörnern!«

Die Haustöchter aber antwortete: »Ich habe keine Zeit! Ich gehe, Gold und Edelsteine zu holen!«

Sie ging weiter. Ein Widder kam ihr entgegen mit einer Schere an den Hörnern, der sprach: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen, scher mich! Die Hälfte der Wolle leg auf die Erde, die andere Hälfte bind mir an den Hals!«

Die Haustöchter antwortete: »Ich habe keine Zeit! Ich gehe, Gold und Edelsteine zu holen!«

Sie ging weiter. Ein Apfelbaum stand am Wege, der sprach: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen, schüttle mich! Es ist mir schwer, mich unter der Last der Äpfel zu beugen! Was auf die Erde fällt, das soll liegenbleiben; was dir auf den Kopf fällt, das nimm du dir!«

Die Haustöchter antwortete: »Ich habe keine Zeit! Ich gehe, Gold und Edelsteine zu holen!«

Sie ging immer weiter. Ein Ofen mit heißen Broten stand am Wege.



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Die Brote sprachen: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen, nimm uns aus dem Ofen heraus, wir haben es hier zu warm!«

Die Haustöchter antwortete: »Ich habe keine Zeit! Ich gehe, Gold und Edelsteine zu holen!«

Sie ging wieder weiter. Eine Badstube stand am Wege. Darin lebte ein alter Mann. Der sprach: »Schönes Mädchen, schönes Mädchen, bad mich, es tut mir schlecht, so schmutzig zu sein!«

Die Haustöchter sagte: »Hier ist kein Reisig noch sonst etwas, womit soll ich denn den Ofen heizen?«

Der Alte antwortete: »Sammle Holzpflöcke und Krähenmist und heiz damit!«

Die Haustöchter sammelte Holzpflöcke und Krähenmist und heizte damit den Ofen. Dann fragte sie: »Wo soll ich das Badewasser hernehmen ?«

Der Alte antwortete: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Laß sie in den Zuber pissen!«

Die Haustöchter machte es so. Dann fragte sie: »Wo soll ich einen Badequast hernehmen?«

Der Alte antwortete: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Schneid ihr den Schwanz ab und mach daraus einen Badequast!«

Die Haustöchter schnitt dem Pferde wirklich den Schwanz ab. Dann fragte sie wieder: »Wo soll ich Seife hernehmen?«

Der Alte antwortete: »Nimm einen Badstubenstein und scheure mich damit!«

Die Haustochterquästete den alten Mann mit dem Stutenschwanz und scheuerte ihn mit dem Badstubenstein.

Darauf sagte der Alte:

»Danke dir, gutes Kind, daß du mich gebadet hast! Jetzt bist du auch deines Lohnes wert. Hier, da hast du eine Schachtel, worin sich dein Lohn befindet. Zu Hause rufe deine Familie zusammen und mach dann die Schachtel auf!«

Der Alte führte die Haustöchter auf die Oberfläche der Erde zurück. Die Haustöchter kehrte heim und rief ihre ganze Familie zusammen. Dann machte sie die Schachtel auf. Die Schachtel aber war voll feuriger Kohlen. Und die Kohlen füllten das ganze Haus und töteten die Haus-



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tochter und ihre Familie. Das Waisenmädchen blieb jedoch am Leben, denn man hatte sie überhaupt nicht zum Offnen der Schachtel gerufen.


Der Schlangenkamm

Es ging einmal ein Jäger in den Wald. Er traf dort eine Schlange, die auf dem Kopf einen Kamm hatte. Der Jäger schoß auf sie mit der Flinte. Die Schlange begann zu schreien. Auf ihr Geschrei strömte eine Menge kleiner Schlangen herbei. Wohl schlug der Jäger mit einem Knüttel nach ihnen, das half aber nichts. Endlich warf ihnen der Jäger seine eigenen Kleider zu. Da blieben die Schlangen bei den Kleidern, und der Jäger konnte entfliehen.

Am anderen Tage ging der Jäger wieder dorthin, wo er nach der Schlange mit dem Kamm geschossen hatte. Er fand die Schlange wieder vor. Sie hatte nur noch wenig Leben in sich und konnte nicht mehr entfliehen. Dem Jäger kam der alte Glaube in den Sinn: Wer einen Schlangenkamm aufißt, der versteht alle Vogelsprachen. Der Jäger nahm den Schlangenkamm, ging nach Hause, kochte ihn und aß ihn auf.

Dann ging er wieder hinaus. Eine Krähe krächzte, und der Mann verstand alles, was die Krähe sprach.

Am nächsten Abend ging der Jäger in den Wald auf die Jagd. Im Walde wurden die Hunde des Jägers unruhig und fingen an, um den Herrn herumzuwinseln. Der Herr streichelte sie und fragte sich selbst: >Wer weiß, was den Hunden fehlen mag?<

Der eine Hund öffnete das Maul, und der Jäger verstand, daß der Hund in seiner eignen Sprache sagte: »Diebe kommen heute, um zu stehlen!« Da hatte der Jäger es sofort eilig, nach Hause zu gehn. Aber der eine Hund sprach zu dem andern: »Bleib du hier! Ich gehe nach Hause, um alles zu bewachen!«

Als der Jäger das hörte, ließ er den Hund nach Hause gehn, selber aber blieb er mit dem andern Hunde im Walde. Der erste Hund kam nach Hause und verscheuchte die Diebe sogleich in den Wald.

Die Hausfrau kam auf das Gebell des Hundes aus der Stube heraus und sah, was geschehen war. Die Hausfrau lobte den Hund und sprach:



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»Dafür will ich dir etwas Gutes geben, woran du dich satt essen kannst!«Die Hausfrau ging in die Stube. Inder Stube fand sie aber kein Wasser. Da nahm sie Spülicht, tat Mehl hinein und setzte es dem Hund vor. Der Hund schnupperte daran, fraß es aber nicht, sondern wollte aus der Stube heraus.

Die Hausfrau ließ den Hund ins Freie, und der Hund lief zum Hausherrn in den Wald. Der andre Hund fragte ihn: »Nun, wie ging es zu Hause?«Jener antwortete: »Die Diebe hab ich freilich fortgejagt, und die Hausfrau hat mir zu essen gegeben! Aber was soll man da essen! Schmutziges Spülicht mit etwas Mehl!« Der Hausherr hörte das. Er ging nach Hause und nahm seine Frau vor: »Wie darfst du so etwas tun! Der Hund hat unser Eigentum vor dem Diebe behütet, und du setzt ihm schmutziges Wasser vor!«

Die Frau fragte ihn: »Wer hat es dir denn gesagt, daß ich das getan habe?«

Der Jäger antwortete: »Die Hunde haben es gesagt!«

Die Frau entgegnete: »Hunde sprechen doch nicht! Hunde bellen!«

Der Jäger antwortete: »Ich hab einen Schlangenkamm in die Hände bekommen, habe ihn gekocht und aufgegessen. Deshalb versteh ich jetzt die Sprachen der Tiere!«

Als der Jäger gesprochen hatte, fiel er tot zur Erde.


Das Gesicht in der Neujahrsnacht

Einmal ging ein Mädchen, ohne daß die anderen es wußten, in der Neujahrsnacht in eine leere Stube, stellte einen Spiegel vor sich auf, stellte zwei Schnapsflaschen rechts und links vom Spiegel hin, setzte sich vor den Spiegel und schaute starr hinein, um ihren zukünftigen Bräutigam zu erblicken.

Plötzlich tauchte vor dem Mädchen ein Soldat auf, der einen blanken Degen in der Hand hielt. Das Mädchen erschrak vor dem Soldaten und lief davon. Der Soldat warf ihm seinen Degen nach, und der Degen blieb in den Kleidern des Mädchens stecken. Darauf verschwand der Soldat. Das Mädchen aber nahm den Degen und versteckte ihn.



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Im nächsten Jahr bekam das Mädchen auch wirklich einen abgedankten Soldaten zum Mann. Als sie schon ein paar Jahre zusammen gelebt hatten, gebar die Frau einen Sohn. Um diese Zeit fand der Soldat den von seinem Weibe versteckten Degen. Er fragte sie sogleich, wo sie den Degen her habe.

Die Frau wollte es zuerst nicht sagen. Schließlich sagte sie's aber doch. Der Mann geriet in Zorn und rief, daß er wegen des verschwundenen Degens viel Leid erfahren habe. Da habe er damals geschworen, wenn er den Degen wieder in seine Hände bekomme, wolle er sofort denjenigen töten, bei dem er ihn finde.

Er zog darauf den Degen und tötete seine Frau und danach auch sich selbst.


Der Bettler und die reiche Bäuerin

Es kam einmal auf einen Bauernhof ein Bettler und bat um ein Nachtlager. Die Bäuerin aber jagte den Bettler kreischend und schimpfend davon. Der Bettler machte, daß er davonkam, denn die Bäuerin drohte, die Hunde auf ihn zu hetzen.

Der Bettler ging zu einer armseligen Hütte und bat auch dort die Hausfrau um ein Nachtlager. Die Frau sprach: »Wohin wirst du Armer gehn! Komm nur herein! Ich habe freilich selbst nur wenig Brot, aber einem Armen muß man immer etwas abgeben!«

Als der Bettler in die Stube kam und die Kinder der armen Bäuerin sah, da fragte er: »Warum haben deine Kinder so schrecklich schmutzige Hemden an?«

Die Bäuerin antwortete: »Ich bin eine arme Witwe und habe fünf Kinder zu ernähren. So viel Geld hab' ich nicht, daß ich jedem zwei Hemden anschaffen könnte!«

Darauf erwiderte der Bettler nichts. Als die Abendmahlzeit kam, wurde er zum Essen gerufen. Er sagte aber, er sei krank, und kam nicht. Am andern Morgen legte der Bettler das Brot aus seinem eigenen Sack auf den Tisch und sprach: »Was du zu tun anfängst, das tu bis zum Abend!«

Das arme Weib begriff die Worte des Bettlers nicht. Sie hatte etwas



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Leinwand und dachte: >Vielleicht reicht es doch wenigstens einem Kinde zu einem Hemd.<Sie ging ins Dorf, um ein Ellenmaß zu suchen und damit die Leinwand zu messen, ob sie auch zu einem Hemde reiche oder nicht.

Sie bekam das Ellenmaß. Als sie nach Hause kam, dachte sie: >Wenn schon der Bettler sagt, daß meine Kinder zu zerlumpt sind, was mögen da erst die andern Leute sagen!<

Als sie nach Hause kam, ging sie sogleich zur Vorratskammer. Aber wie erschrak sie, als sie die Tür nicht aufmachen konnte! Schließlich sprengte sie die Tür mit einer Stange auf. Aber was sah sie da! Die Kammer war voll von Leinwandrollen. Da begann die Frau sogleich, die Leinwand zu messen. Am Abend, als die Sonne unterging, war sie mit dem Messen des letzten Stückes fertig. Nun erst begriff sie die Worte des Bettlers. In der Eile des Messens hatte sie nicht einmal Zeit gehabt, nachzudenken, woher all dieses Zeug plötzlich in ihre Vorratskammer gekommen sei.

Am Abend, als sie das Ellenmaß zurückbrachte, erzählte sie der reichen Bäuerin, wie sie auf das Wort des Bettlers hin unendlich viel Leinwand bekommen habe. Als die reiche Bäuerin das hörte, sprach sie zum Knecht: »Spann rasch das Pferd an und hol uns den Bettler her! Den Armen soll man immer helfen.«

Der Knecht mußte fahren. Als er am nächsten Tage den Bettler auffand, wollte dieser zuerst nicht kommen. Als der Bettler aber hörte, daß der Knecht den strengen Befehl habe, ohne ihn nicht zurückzukehren, setzte er sich in den Wagen und fuhr mit.

Die Bäuerin nahm den Bettler diesmal mit der größten Freundlichkeit auf. Sie überließ dem Bettler ihr eigenes Lager und gab ihm zu essen und zu trinken. Nun hatte der Bettler etliche schöne Tage. Er aß, trank und schlief, soviel er nur konnte. Ans Fortgehen dachte er überhaupt nicht mehr.

Die Geduld der Bäuerin fing aber schon an, zu Ende zu gehn. Fortjagen konnte sie den Bettler freilich nicht, denn dann wäre ja alles umsonst gewesen.

Zur Freude der Bäuerin machte sich der Bettler am Morgen des vierten Tages auf den Weg. Die Bäuerin ging hinaus, ihn zu geleiten. Als der



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Bettler schon zum Tore hinausgehen wollte, fragte ihn die Bäuerin:

»Was werde ich heute zu tun anfangen?« Der Bettler antwortete: »Was du zu tun anfängst, das tu bis zum Abend!«

Die Bäuerin ging in die Stube, um das Ellenmaß zu holen und sich ans Leinwandmessen zu machen. Plötzlich wurde es ihr aber notwendig, ihren Magen zu erleichtern. Erst nach Sonnenuntergang kam sie in die Stube zurück.

Sie hatte den Bettler mehrere Tage gefüttert - und gar nichts dafür bekommen! Die Habsucht hatte sich selbst gestraft.


Die wunderbare Flöte

Ein junger Schweinehirt hatte eine so gute Flöte, die bewirkte, daß, wenn er sie blies, alles geschah, was er nur wünschte. Einmal war er mit seiner Schweineherde an der Landstraße; er blies die Flöte, und die Schweine tanzten. Da ging eine reiche Kaufmannstochter des Wegs vorbei. Sie war sehr verwundert darüber, daß die Schweine tanzten, und wollte dem Burschen ein Schwein abkaufen. Der Bursche war auch bereit, es zu verkaufen. Er stellte nur die Bedingung, daß die Kaufmannstochter ihm ihr Gesicht zeigen solle.

Die Kaufmannstochter war's zufrieden. Sie lüftete ihren Schleier und zeigte dem Burschen ihr schönes Gesicht. Dann ließ sie das Schwein nach Hause bringen. Sie hoffte nun, daß das Schwein zu tanzen anfangen werde, das Schwein aber tanzte gar nicht.

Am andern Tage klagte die Kaufmannstochter dem Burschen ihr Leid: »Hör einmal, Bursche, das gestrige Schwein tanzt gar nicht!«

Der Bursche antwortete: »Wohl wahr, jenes tanzt nicht gut, aber die andern tanzen um so besser!«

Die Kaufmannstochter wollte sich sogleich ein anderes Schwein kaufen. Der Bursche erwiderte: »Zeigt mir Euren Hals, dann bekommt Ihr ein Schwein, das tanzt!«

Die Kaufmannstochter zeigte ihm ihren Hals. Dann bekam sie ein anderes Schwein. Daheim jedoch erzählte der Bursche seinem Herrn, daß der Wolf das Schwein geholt habe.



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Die Kaufmannstochter wartete, daß das Schwein zu tanzen anfange, aber sieh mal an! Das Schwein tat nichts, was nicht auch andre Schweine tun.

Am nächsten Tage ging die Kaufmannstochter wieder, dem Burschen ihr Leid zu klagen, daß das Schwein nicht tanze.

Der Bursche entgegnete: »Das Schwein versteht nicht allein zu tanzen. Nehmt noch ein drittes dazu, das tanzt am allerbesten. Dann tanzen sie alle zusammen!«

Die Kaufmannstochter fragte, was das Schwein koste. Der Bursche antwortete: »Zeigt mir Euren Hals bis zu den Armen!«

Die Kaufmannstochter zeigte es ihm. Der Bursche sah, daß die Kaufmannstochter unter dem einen Arm Goldhaare hatte, unter dem anderen Silberhaare. Der Bursche gab ihr das dritte Schwein ab.

Zu Hause erzählte der Bursche seinem Herrn, daß der Bär das Schwein geholt habe. Der Herr jagte den Burschen fort, weil er jeden Tag sich ein Schwein rauben lasse.

Der Bursche geht seines Weges und bläst zum Zeitvertreib seine Flöte. Da sieht er: es kommt ein Wagen, und drei Männer sind darin. Der Bursche bläst die Flöte und denkt: >Die Pferde sollen tanzen, die Herren sich prügeln!<

Sofort begannen die Pferde vor dem Wagen zu tanzen und die Herren im Wagen sich zu prügeln. Die Pferde liefen aber immer weiter. Nach kurzer Zeit holte wieder ein Wagen den Burschen ein, ein Herr saß darin, ein schwarzer Hengst war vorgespannt. Der Bursche blies seine Flöte und dachte: >Möchte jener Herr mich in den Wagen nehmen!<Der Herr hielt sogleich das Pferd an und rief den Burschen in seinen Wagen. Erfragte den Burschen: »Fuhr hier nicht ein Wagen vorbei, in dem drei Herren saßen?«

Der Bursche erwiderte: »Freilich fuhr er vorbei, aber die Herren zankten sich untereinander!«

Der Herr erklärte: »Wie sollten sie sich nicht zanken? Wir fahren alle vier, um die Kaufmannstochter zu freien. Sie zankten sich darum, wer von ihnen die Kaufmannstochter bekommen solle.«

In solchem Gespräch erreichten sie das Haus des Kaufmanns. Der Bursche bat: »Ich komme mit in die Stube hinein und krieche unter



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den Tisch. Wenn Ihr zu essen anfangt, so werft auch mir einige Mundvoll unter den Tisch hinab!«

Der Herr versprach es. Die andern Herren waren schon in der Stube und säuberten ihre blutigen Gesichter und Kleider. Jener, der mit dem Burschen gekommen war, wurde am allerfreundlichsten aufgenommen. Man setzte sich nun an einen prächtigen Tisch, um zu speisen. Während des Essens warf der Herr dem Burschen unter dem Tisch auch etwas zu.

Nach der Mahlzeit sprach der Kaufmann: »Nur derjenige bekommt meine Tochter, der ihre besonderen Kennzeichen nennen kann!« Der Bursche unter dem Tisch sprach: »Eure Tochter hat unter dem einen Arm Goldhaare, unter dem andern Silberhaare!«

Der Herr sagte gleich: »Habt ihr es nicht gehört, ich habe es gesagt!« Die Kaufmannstochter aber hatte deutlich gehört, daß die Stimme unter dem Tisch hervorgekommen war. Man begann zu suchen, fand unter dem Tisch den Burschen und fragte ihn, ob er geantwortet habe. Kühn erwiderte der Bursche, er habe so gesprochen. Dann setzte er sogleich die Pfeife an den Mund und dachte, die Kaufmannstochter soll sich in ihn verlieben.

Sofort sprach die Kaufmannstochter zu den andern Herren: »Dieser Bursche hat meine besonderen Kennzeichen genannt, deshalb nehme ich ihn zum Mann!«Der Kaufmann war damit zufrieden, die Freier dagegen zogen erbost ihres Weges. Dem Burschen wurden feine Kleider angezogen. Die Hochzeit dauerte ununterbrochen sieben Tage und Nächte. Es wurde genug gegessen und getrunken, genug musiziert und getanzt. Der Bursche lud auch seinen früheren Herrn zur Hochzeit ein, der kam aber nicht.

Nach dem Tode des Kaufmanns erbte der Bursche dessen ganzes Vermögen. Zu der Zeit aber verschwand die Flöte des Burschen. Er hatte sie ja auch nicht mehr nötig, weil er sowieso schon reich genug war.



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Der Diebsiehrling

Es waren einmal zwei Brüder. Der eine war ein Landmann, der andre aber ein Dieb. Der Landmann war verheiratet und Vater dreier Söhne; der Dieb dagegen hatte weder Frau noch Kind und wünschte deshalb, einen Neffen als Pflegesohn aufzunehmen, wobei er versprach, ihn sein Handwerk zu lehren.

Zuallererst nahm er seinen ältesten Neffen mit, um zu erproben, ob er zu seinem Pflegesohn tauge. Er brachte den Jungen zu sich und führte ihn in den Wald. Dort zeigte er seinem Neffen die Bäume und den Wald selber. Als sie im Walde vorwärtsschritten, kamen sie zu einer freien Fläche. Der Neffe sah diese Fläche und sprach zum Onkel: »Schau, Onkel, was für eine schöne Fläche dort ist! Ein guter Acker kann draus werden!«

Da sagte der Onkel zum Neffen: »Du kannst mein Handwerk sicher nicht erlernen, du bist zum Landmann geboren!«

Darauf brachte er seinen ältesten Neffen wieder nach Hause und nahm nun den mittleren Neffen mit, um ihn zu prüfen, führte ihn ebenso in den Wald und zeigte ihm die Bäume. Als der Knabe im Walde die Eschen und Birken sah, sprach er zum Onkel: »Wachsen da aber schöne Bäume! Daraus könnte man gute Wagenspeichen und Schlittenkufen machen.«

Diesen Neffen brachte der Onkel ebenso wie den ersten nach Hause zurück und sagte: »Der kann mein Handwerk nicht erlernen, der ist schon ein fertiger Zimmermann!«

Nun kam die Reihe an den jüngsten Neffen. Den führte er ebenso in den Wald und zeigte ihm die Bäume wie zuvor seinen zwei älteren Brüdern. Als sie im Walde vorwärtsschritten, kamen sie zu einer krummen Birke. Als der Knabe die krumme Birke sah, sprach er zum Onkel: »Sieh doch, Onkel, was für eine schöne krumme Birke hier wächst, daraus könnte man einen guten Knüttel machen, um damit andern Leuten auf den Kopf zu hauen!«

»Nun sieh mal an, dieser Junge paßt mir, den kann ich mein Handwerk lehren!« sagte der Onkel und führte dann den Neffen in seine Diebeshöhle und lehrte ihn seine Kunst. Als er manch schönes Jahr beim



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Onkel verlebt und seine Kunst erlernt hatte, stellte ihn der Onkel auf die Probe, ob er in seinem Handwerk auch geschickt sei.

Eines Tages, als er mit seinem Onkel vor dem Eingang der Höhle saß, sahen sie, wie eine Frau mit einer Kuh durch den Wald ging. Als der Onkel die Frau erblickte, sprach er zu seinem Neffen: »Junge, jetzt gehst du augenblicklich und stiehlst dieser Frau ihre Kuh, ohne daß die Frau es merkt.« Der Junge ging hin und dachte bei sich: >Wie kann ich armer Mensch das zuwege bringen! Jetzt sitz ich in der Klemme!< Schließlich kam ihm aber doch ein guter Gedanke. Er lief auf dem Wege voraus, wo die Frau vorbeikommen mußte, und warf dort einen Handschuh auf die Erde. Die Frau kam, sah am Wegrande auf der Erde einen Handschuh liegen und sprach: »Sieh mal, da liegt auf dem Boden ein neuer Handschuh. Waren es ihrer zwei, so würde es sich lohnen, sie aufzuheben, was fängt man aber mit dem einen an!«

Sie ließ den Handschuh liegen und ging ihres Weges. Inzwischen lief aber der Junge, eine Wegkrümmung abschneidend, voraus und warf dort den andern Handschuh hin. Die Frau kam auch an der zweiten Stelle vorbei, sah auf der Erde den andern Handschuh liegen und sprach: »Sieh doch, da liegt der zweite gleiche Handschuh hier am Boden wie der erste dort. Das gibt ein schönes Paar Handschuh; ich geh, auch den ersten von dort zu holen!« Mit diesen Worten band sie die Kuh am Wegesrand an einen Baum und ging nach dem andern Handschuh.

Der Junge band nun die Kuh vom Baume los und führte sie zu seiner Höhle. Daheim wurde die Kuh sogleich geschlachtet. Dann ging der Junge zur Höhle hinaus, um an dem Ufer eines kleinen Baches den Magen und die Gedärme der Kuh zu reinigen. Als er sich draußen befand und den Kuhmagen und die Gedärme reinigte, begann er mit sich selbst zu sprechen, indem er den Magen gegen die Steine schlug: »Ai, oi, ich bin es nicht allein gewesen, mein Onkel war auch dabei! Au, oii, ich bin es nicht allein gewesen, mein Onkel war auch dabei!« Als der Onkel in der Höhle die Worte des Jungen hörte, dachte er, der Junge werde draußen geprügelt und ihn selber werde man auch festnehmen und dem Gericht übergeben.

Da floh er schnell aus jenem Lande, ohne genauer nachzusehen, wie die



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Sache stand, und seine Schätze blieben alle in den Händen des Neffen. Da gab der Neffe von jenem Tage an das vom Onkel erlernte Handwerk, das heißt das Stehlen, auf, und wenn er nicht gestorben ist, so dürfte er wohl noch heute in Ehren und Reichtum leben.


Wie ein Waisenknabe unverhofft sein Glück fand

Einmal lebte ein armer Tagelöhner, der sich mit seiner Frau kümmerlich von einem Tage zum andern durchbrachte. Von drei Kindern war ihnen das jüngste, ein Sohn, geblieben, der neun Jahre alt war, als man erst den Vater und dann die Mutter begrub. Dem Knaben blieb nichts übrig, als vor den Türen guter Menschen sein Brot zu suchen. Nach Jahresfrist geriet er auf den Hof eines wohlhabenden Bauerwirts, wo man gerade einen Hüterknaben brauchte. Der Wirt war nicht eben böse, aber das Weib hatte die Hosen an und regierte im Hause wie ein böser Drache. Wie es dem armen Waisenknaben da erging, läßt sich denken. Die Prügel, die er alle Tage bezog, wären dreimal mehr als genug gewesen, Brot aber wurde nie so viel gereicht, daß er satt geworden wäre. Da aber das Waisenkind nichts Besseres zu hoffen hatte, mußte es sein Elend ertragen. Zum Unglück verlor sich eines Tages eine Kuh von der Herde; zwar suchte der Knabe bis Sonnenuntergang im Walde, aber er fand die verlorene Kuh nicht wieder. Obwohl er wußte, was seinem Rücken zu Hause bevorstand, mußte er doch jetzt nach Sonnenuntergang die Herde zusammentreiben. Die Sonne war noch nicht lange unterm Horizont, da hörte er schon die Stimme der Wirtin: »Fauler Kerl! Wo bleibst du mit der Herde?« Da half kein Zaudern, nur rasch nach Hause unter den Stock. Zwar dämmerte es schon, als die Herde zur Pforte hereinkam, aber das scharfe Auge der Wirtin hatte sogleich entdeckt, daß eine Kuh fehlte. Ohne ein Wort zu sagen, riß sie den nächsten Staken aus dem Zaun und begann damit den Rücken des Knaben zu bearbeiten, als wollte sie ihn zu Brei stampfen. In der Wut hätte sie ihn auch zu Tode geprügelt oder ihn zeitlebens zum Krüppel gemacht, wenn der Wirt, der das Schreien und Schluchzen hörte, dem Armen nicht mitleidig zu Hilfe gekommen wäre. Da er die



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Gemütsart seines Weibes kannte, wollte er sich nicht gerade dazwischenlegen, sondern suchte zu vermitteln, und sagte: »Brich ihm lieber die Beine nicht entzwei, damit er doch die verlorene Kuh suchen kann. Davon werden wir mehr Nutzen haben, als wenn er umkommt.« — »Das ist wahr«, sagte die Wirtin, »das Aas kann auch die teure Kuh nicht ersetzen«, zählte ihm noch ein paar tüchtige Hiebe auf und schickte ihn dann fort, die Kuh zu suchen. »Wenn du ohne die Kuh zurückkommst, schlage ich dich tot.«

Weinend ging der Knabe zur Pforte hinaus und geradenwegs in den Wald, wo er am Tage mit der Herde gewesen war, suchte die ganze Nacht, fand aber nirgends eine Spur von der Kuh.

Als am andern Morgen die Sonne sich erhoben hatte, war des Knaben Entschluß gefaßt: >Werde aus mir, was da wolle, nach Hause gehe ich nicht<, meinte er und lief in einem Atem vorwärts, so daß er das Haus bald weit hinter sich hatte. Zuletzt ging ihm aber die Kraft aus, und er fiel wie tot nieder.

Als er aus einem langen, schweren Schlafe erwachte, kam es ihm vor, als ob er etwas Flüssiges im Munde gehabt habe, und er sah einen kleinen, alten Mann mit langem, grauem Barte vor sich stehen, der eben im Begriffe war, den Spund wieder auf sein Milchfäßchen zu setzen. »Gib mir noch zu trinken!« bat der Knabe. »Für heute hast du genug«, erwiderte der Alte, »wenn mein Weg mich nicht zufällig hierher geführt hätte, so wäre es sicher dein letzter Schlaf gewesen, denn als ich dich fand, warst du schon halbtot.«Dann befragte der Alte den Knaben, wer er wäre und wohin er wollte. Der Knabe erzählte alles, was er erlebt hatte, solange er sich erinnern konnte, bis zu den Schlägen von gestern abend. Da sagte der Alte: »Mein liebes Kind! Dir ist es nicht besser noch schlimmer ergangen als so manchen, deren liebe Pfleger und Tröster im Sarge unter der Erde ruhen. Zurückkehren kannst du nicht mehr. Da du einmal fortgegangen bist, mußt du dir nun ein neues Glück in der Welt suchen. Da ich weder Haus noch Hof, weder Weib noch Kind habe, kann auch ich nicht weiter für dich sorgen, aber einen guten Rat will ich dir umsonst geben. Schlaf diese Nacht hier ruhig aus; wenn morgen die Sonne aufgeht, so merk dir genau die Stelle, wo sie emporstieg. In dieser Richtung mußt du wandern, so daß dir die Sonne



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jeden Morgen ins Gesicht und jeden Abend in den Nacken scheint. Deine Kraft wird von Tag zu Tag wachsen.

Nach sieben Jahren wird ein mächtiger Berg vor dir stehen, der so hoch ist, daß sein Gipfel bis in die Wolken reicht. Dort wirst du dein künftiges Glück finden. Nimm meinen Brotsack und mein Fäßchen, du wirst darin täglich so viel Speise und Trank finden, wie du bedarfst. Aber hüte dich davor, jemals ein Krümchen Brot oder ein Tröpfchen vom Trank unnütz zu vergeuden, sonst könnte deine Nahrungsquelle leicht versiegen. Einem hungrigen Vogel und einem durstigen Tiere darfst du reichlich geben: Gott sieht es gern, wenn ein Geschöpf dem andern Gutes tut. Auf dem Grunde des Brotsacks wirst du ein zusammengerolltes Klettenblatt finden; das mußt du sehr sorgfältig in acht nehmen. Wenn du auf deinem Wege an einen Fluß oder See kommst, so breite das Klettenblatt auf dem Wasser aus, es wird sich sofort in einen Nachen verwandeln und dich über die Flut tragen. Dann wickle das Blatt wieder zusammen und steck es in deinen Brotsack.« Nach dieser Unterweisung gab er dem Knaben Sack und Fäßchen und rief: »Gott befohlen!« Im nächsten Augenblick war er den Augen des Knaben entschwunden.

Der Knabe hätte alles für einen Traum gehalten, wenn nicht Sack und Fäßchen in seiner Hand gewesen wären. Er prüfte den Brotsack und fand darin ein halbes Brot, ein Schächtelchen voll gesalzener Strömlinge, ein anderes mit Butter und dazu noch ein Stück Speckschwarte. Als der Knabe sich satt gegessen hatte, legte er sich schlafen, Sack und Fäßchen unter dem Kopfe, damit kein Dieb sie wegnehmen könne. Den andern Morgen wachte er mit der Sonne auf, stärkte sich durch Speise und Trank und machte sich dann auf die Wanderung. Wunderbarerweise fühlte er gar keine Müdigkeit in seinen Beinen; erst der leere Magen mahnte ihn daran, daß die Mittagszeit gekommen war. Er sättigte sich mit der guten Kost, tat ein Schläfchen und wanderte weiter. Daß er den rechten Weg eingeschlagen hatte, sagte ihm die untergehende Sonne, die ihm gerade im Nacken stand.

So war er viele Tage in derselben Richtung vorwärtsgegangen, als er einen kleinen See vor sich erblickte. Hier konnte er die Kraft seines Klettenblattes prüfen. Wie es der alte Mann vorausgesagt hatte, lag ein



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kleines Boot mit Rudern vor ihm auf dem Wasser. Er stieg ein, und ein paar Ruderschläge führten ihn ans andere Ufer. Dort verwandelte sich das Boot wieder in ein Klettenblatt, und dieses ward in den Sack gesteckt.

So war der Knabe schon manches Jahr gewandert, ohne daß die Nahrung im Brotsack und im Fäßchen abgenommen hätte. Sieben Jahre konnten verstrichen sein, denn er war zu einem kräftigen Jüngling herangewachsen; da sah er eines Tages von weitem einen hohen Berg, der bis in die Wolken hineinzuragen schien. Es verging aber noch eine Woche, bevor er den Berg erreichte. Dann setzte er sich am Fuß des Berges nieder, um auszuruhen und zu sehen, ob die Prophezeiungen des alten Mannes in Erfüllung gehen würden. Er hatte noch nicht lange gesessen, als ein Zischen sein Ohr berührte; gleich darauf wurde eine mächtige Schlange sichtbar, die mindestens zwölf Klafter lang war und sich dicht bei dem jungen Manne vorbeiwand. Schrecken lähmte seine Glieder, so daß er nicht fliehen konnte; aber im Nu war auch die Schlange vorüber. Dann blieb für ein Weilchen alles still. Darauf schien es ihm, als käme aus der Ferne ein schwerer Körper in Sätzen herangehüpft. Es war eine große Kröte, so groß wie ein zweijähriges Füllen. Auch dieses häßliche Geschöpf zog an dem Jüngling vorüber, ohne ihn gewahr zu werden. Sodann vernahm er in der Höhe ein starkes Rauschen, als wenn ein schweres Gewitter sich erhebe. Als er hinaufsah. flog hoch über seinem Haupte ein großer Adler in derselben Richtung wie vorher die Schlange und die Kröte. >Das sind wunderbare Dinge, die mir Glück bingen sollen!<dachte der Jüngling. Dann sah er plötzlich einen Mann auf einem schwarzen Pferd auf sich zukommen. Das Pferd schien Flügel an den Füßen zu haben, denn es flog mit Windesschnelle. Als der Mann den Jüngling am Berge sitzen sah, hielt er sein Pferd an und fragte: »Wer ist hier vorübergekommen?«Der Jüngling erwiderte: »Erstens eine große Schlange, wohl zwölf Klafter lang, dann eine mächtige Kröte von der Größe eines zweijährigen Füllen und endlich ein großer Adler hoch über meinem Kopfe, und sein Flügelschlag rauschte wie ein Gewitter daher.« —»Du hast recht gesehen«, sagte der Fremde, »es sind meine schlimmsten Feinde, und ich jage ihnen nach. Dich könnte ich in meinem Dienste brauchen. Klettre über den Berg,



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so kommst du gerade in mein Haus. Ich werde mit dir zugleich dort anlangen, wenn nicht noch früher.«

Der junge Mann versprach zu kommen, worauf der Fremde wie der Wind davonritt.

Es war nicht leicht, den Berg zu erklimmen. Der Wanderer brauchte drei Tage, eh er den Gipfel erreichte, und dann wieder drei Tage, bis er auf der anderen Seite an den Fuß des Berges gelangte. Der Wirt stand schon vor seinem Hause und erzählte, daß er Schlange und Kröte glücklich erschlagen habe, des Adlers aber nicht habhaft geworden sei. Dann fragte er den jungen Mann, ob er Lust habe, als Knecht bei ihm einzutreten. »Gutes Essen bekommst du täglich, soviel du willst, und auch mit dem Lohne will ich nicht geizen, wenn du dein Amt getreulich verwaltest.« Der Vertrag wurde abgeschlossen. Der Wirt führte den neuen Knecht im Hause umher und zeigte ihm, was er zu tun habe. Es war dort ein Keller im Felsen angebracht und durch dreifache Eisentüren verschlossen. »In diesem Keller sind meine bösen Hunde angekettet«, sagte der Wirt, »du mußt dafür sorgen, daß sie sich nicht unterhalb der Tür mit den Pfoten herausgraben. Denn wisse: wenn auch nur einer dieser Hunde frei würde, so wäre es nicht mehr möglich, die beiden anderen festzuhalten, sondern sie würden nacheinander dem Führer folgen und alles Lebendige auf Erden vertilgen. Wenn schließlich der letzte Hund ausbräche, so wäre das Ende der Welt da, und die Sonne hätte zum letzten Male geschienen.« Darauf führte er den Knecht an einen Berg, den Gott nicht geschaffen hatte, sondern der von Menschenhänden aus mächtigen Felsblöcken aufgetürmt war. »Diese Steine«, sagte der Wirt, »sind deswegen zusammengetragen, damit immer wieder ein neuer Stein hingewälzt werden kann, sooft die Hunde ein Loch ausgraben. Die Ochsen, die den Stein führen sollen, will ich dir im Stall zeigen und dir auch alles übrige mitteilen, was du dabei zu beobachten hast.« Im Stalle fanden sie an hundert schwarze Ochsen, deren jeder sieben Hörner hatte; sie waren reichlich zweimal so groß wie die größten Ukrainer Ochsen. »Sechs Paar Ochsen vor die Steinfuhre gespannt, führen einen Stein mit Leichtigkeit hinweg. Ich werde dir eine Brechstange geben, wenn du den Stein damit berührst, rollt er von selbst auf den Wagen.



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Du siehst, deine Arbeit ist so mühsam nicht, desto größer muß deine Wachsamkeit sein. Dreimal bei Tage und einmal bei Nacht mußt du nach der Tür sehen, damit kein Unglück geschieht, der Schaden könnte sonst größer sein, als du vor mir verantworten kannst.«

Bald hatte der Jüngling alles begriffen, und sein neues Amt war ganz nach seinem Sinne: alle Tage das beste Essen und Trinken, wie es ein Mensch nur begehren konnte. Nach zwei bis drei Monaten hatten die Hunde ein Loch unter der Tür gekratzt, groß genug, um die Schnauze durchzustecken, aber sogleich wurde ein Stein davorgestemmt, und die Hunde mußten ihre Arbeit von neuem beginnen.

So waren nun viele Jahre verstrichen, und der Knecht hatte sich ein hübsches Stück Geld angesammelt. Da erwachte in ihm das Verlangen, einmal wieder unter andere Menschen zu kommen. War der Herr auch gut, so wurde dem Knecht doch die Zeit entsetzlich lang, zumal wenn den Herrn die Lust anwandelte, einen langen Schlaf zu halten. Dann schlief er immer sieben Wochen lang, ohne sich sehen zu lassen.

Wieder einmal war eine solche Schlaf laune über den Wirt gekommen, als eines Tages ein großer Adler sich auf dem Berg niederließ und zu sprechen anhub:

»Bist du nicht ein großer Tor, daß du dein schönes Leben für gute Kost hinopferst? Dein zusammengespartes Geld nützt dir nichts, denn es sind ja keine Menschen hier, die es brauchen. Nimm des Wirtes windschnelles Roß aus dem Stalle, bind ihm deinen Geldsack um den Hals, setz dich auf und reite in der Richtung fort, wo die Sonne untergeht, so kommst du nach wenigen Wochen wieder unter Menschen. Du mußt aber das Pferd an einer eisernen Kette festbinden, damit es nicht davonlaufen kann, sonst kehrt es zu seiner gewohnten Stätte zurück, und der Wirt kann kommen, um dich zu holen. Wenn er aber das Pferd nicht hat, so kann er nicht von der Stelle.« — »Wer soll denn hier die Hunde bewachen, wenn ich weggehe, während der Wirt schläft?« fragt der Knecht. »Ein Tor bist du, und ein Tor bleibst du!« erwiderte darauf der Adler.



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Wie der Gutsbesitzer in den Himmel kam

Es war einmal ein Gutsbesitzer. Als sein Stündlein gekommen war, machte er sich auf den Weg nach dem Himmel. Er war schon mehrere Tage unterwegs, da kam er endlich zum Himmelstor; dort klopfte er mit zitternder Hand an. Gleich fragte Petrus: »Wer ist da?« Der Gutsbesitzer erwiderte: »Ich bin ein Gutsbesitzer, komme aus der sündigen Welt und bitte, mich in den Himmel einzulassen.«

Petrus antwortete: »Gutsbesitzer werden im Himmel nicht aufgenommen. sie müssen alle direkt in die Hölle wandern, denn der Himmel ist voll von Juden, welche durch Schuld der Gutsbesitzer auf der Reise nach Amerika umgekommen sind.«

Der Gutsbesitzer bat noch mehrere Male, doch Petrus gab immer die gleiche Antwort. Da half es denn schließlich nichts - er mußte in die Hölle wandern, denn auf die Erde wollte er auch nicht mehr zurück. Auf dem Wege zur Hölle kam dem Gutsbesitzer sein alter Advokat entgegen, der fragte ihn: »Was siehst du so mißmutig aus?« Der Gutsbesitzer antwortete: »Wie sollt ich nicht mißmutig sein? Ich wollte in den Himmel kommen, aber Petrus ließ mich nicht zum Tor hinein. Er schickte mich in die Hölle, denn der Himmel soll voller Juden sein.«

Der Advokat sprach: »Komm zurück! Ich will dich schon hineinbringen, habe ich doch auch auf Erden deine Sachen immer gut geführt; ich werde auch mit Petrus schon fertig werden.« Der Gutsbesitzer ließ sich das nicht zweimal sagen. Er ging sogleich mit dem Advokaten zurück. Der Gutsbesitzer und der Advokat langten endlich vor dem Himmelstor an. Der Advokat klopfte ans Tor. Petrus fragte: »Wer ist da?«

Der Advokat antwortete: »Ein alter ehrlicher Gutsbesitzer mit seinem Advokaten. «

Petrus sprach: »Ich habe doch schon gesagt, daß Gutsbesitzer nicht in den Himmel kommen!« Der Advokat entgegnete: »Mach das Tor auf und laß wenigstens mich hinein.«

Petrus öffnete das Himmelstor, der Advokat ging hinein und sagte zu Petrus: »Geh rasch und ruf mir den lieben Gott selber herbei! Ich will ihn persönlich wegen des Gutsbesitzers sprechen; solange du fort bist, bleibe ich hier als Torhüter.«



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Petrus ging. —Kaum war er fort, rief der Advokat in den Himmel hinein: »He! Ich komme gerade aus der Hölle, der Teufel versteigert heute alte Kleider!«

Kaum hatte er das gesagt, so stürmten alle Juden zum Himmelstor. Es dauerte nicht lange, so waren sie alle aus dem Himmel hinaus. Jetzt ließ der Advokat den Gutsbesitzer ein, und als Petrus zurückkam, da konnte er nichts dagegen sagen, denn Platz war ja genug da. Seit jener Zeit läßt Petrus aber keinen einzigen Advokaten mehr in den Himmel hinein.


Des Nebelberges König

Es waren einmal Dorfkinder auf Nachthütung im Walde, die Nacht war kalt und sehr neblig. Auch am Feuer wollte die erstarrte Hand nicht mehr warm werden. Da sagte eins der Mädchen, das einen aufgeweckten Geist hatte: »Ich will lieber ein Stück Weges laufen, das wird mich mehr wärmen als das Sitzen am Feuer.« Mit diesen Worten sprang es auf und lief davon. Die andern lachten hinter ihm her und meinten: >'Sie wird wohl bald zurückkommen!« Aber der Flüchtling kam nicht wieder. Als die Morgenröte am Himmel stand, fingen sie an, das verschwundene Mädchen zu rufen, erhielten aber von keiner Seite her eine Antwort. Die Kinder dachten nun, es müsse wohl ins Dorf gegangen sein. Als man aber heimkam, war die Vermißte nirgends zu finden. Die Eltern gingen in den Wald, ihre Tochter zu suchen; umsonst aber strichen sie über einen halben Tag lang von einem Flecke zum andern, sie fanden nicht eine Spur von ihr. Da dachten sie mit Schrecken daran, daß wilde Tiere das Mädchen getötet haben könnten. Voller Sorgen gingen sie gegen Abend wieder nach Hause.

Das verlorengegangene Kind war schon eine Strecke weit von den übrigen abgekommen, als es zu einer Bergspitze gelangte, auf der ein kleines Feuer brannte, weiter konnte es durch den dichten Nebel nichts sehen. Das Kind dachte, seine Gefährten seien da am Feuer, kletterte den Berg hinan und sah, daß ein graubärtiger, einäugiger Mann ausgestreckt am Feuer lag und es mit einem Eisenstecken schürte. Das Kind erschrak und wollte zurück, aber der Alte hatte es schon bemerkt und rief in



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strengem Tone: »Bleib stehen, oder ich werfe den Eisenstecken nach dir! Zwar habe ich bloß ein einziges Auge, aber das ist gerade so sicher wie die Hand, so daß ich niemals mein Ziel verfehle!« Das Kind blieb zitternd stehen. Der Alte hieß es näher kommen, und als das Mädchen furchtsam zögerte, stand er auf, faßte es bei der Hand und sagte: »Komm und wärme dich!« Das Mädchen mußte nun wohl mitgehen. Der Alte nahm Weißbrot aus seinem Schultersack und gab es dem Kinde zu essen. Dann klopfte er mit dem Eisenstecken auf den Rasen, und alsbald standen zwei hübsche Mädchen am Feuer, als wären sie aus der Erde hervorgewachsen.

Es dauerte nicht lange, so hatten sich die Kinder miteinander befreundet, spielten und trieben Kurzweil am Feuer, der Alte aber hatte das Auge geschlossen, als schliefe er.

Als die Morgenröte heraufstieg, trat ein altes Mütterchen heran und sprach zum Dorfkinde: »Heute mußt du bei unseren Kindern zu Gast bleiben und auch die nächste Nacht hier schlafen, dann schicke ich dich wieder nach Hause.« Obwohl sich nun das Dorfkind anfangs geängstigt hatte, so war es dort bald mit den andern Kindern so bekannt geworden, daß es weder Furcht noch Heimweh mehr empfand. Der Tag verging ihnen spielend, und abends wurden die Kinder miteinander zur Ruhe gelegt. Den andern Morgen aber kam ein junges Frauenzimmer und sprach zum Dorf kinde: »Du mußt heute nach Hause gehen, denn deine Eltern haben deinetwegen großen Kummer, sie fürchten, du wärest gestorben.« Mit diesen Worten führte sie das Kind an der Hand, bis sie aus dem Walde herauskamen. Dann sagte die Führende: »Von dem, was du gestern und vorige Nacht gehört und gesehen hast, darfst du kein Wörtchen zu Hause reden; sage nur, du habest dich im Walde verirrt.« Darauf gab sie dem Kinde eine kleine silberne Spange und sagte: »Wenn dich die Lust anwandeln sollte, wieder einmal zu uns zu Gast zu kommen, so hauche nur auf diese Spange, dann findest du schon den Weg zu uns!«Das Kind steckte die Spange in die Tasche und dachte auf dem Wege zum Dorfe daran, was wohl die Eltern von der Sache halten würden, da sie ihnen die Wahrheit nicht gestehen dürfe. In der Dorfgasse gingen zwei Männer an ihm vorüber, die sie nicht kannte. Als es in des Vaters Hoftor trat, schien ihm der Ort gänzlich



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fremd; wo vorher nichts gestanden hatte, da wuchsen jetzt Apfelbäume, an denen schöne Früchte hingen. Auch das Haus erschien ihm völlig fremd. Da trat ein fremder Mann aus der Tür, schüttelte verwundert den Kopf und sagte, so daß das Mädchen auf dem Hofe es hörte: »Ein fremdes Dorfmädchen ist auf unserem Hofe.« Dem Mädchen erschien die Sache wie ein Traum, doch trat es einige Schritte näher, bis es an die Türschwelle kam. Als sie ins Zimmer hineinsah, erblickte sie den Vater, der auf der Ofenbank saß; eine fremde Frau und ein junger Mann saßen neben ihm, aber dem Vater waren Bart und Haupthaar völlig grau geworden.

»Guten Morgen, Vater!« sagte die Tochter. »Wo ist die Mutter?« — »Die Mutter, die Mutter?« rief die fremde Frau. »Hilf Gott! Bist du der verlorenen Tiu Geist, oder bist du ein lebendiges Geschöpf wie wir? Ist es denn möglich, daß unser liebes Kind, das uns vor sieben Jahren starb, zum zweiten Male ins Leben zurückkommt?« Tiu konnte aus dieser Rede nicht klug werden. Da erhob sich die fremde Frau von der Bank, streifte Tius Hemdärmel auf, fand auf der Handwurzel eine kleine Brandnarbe und rief dann aus, indem sie das Mädchen umarmte: »Unsere Tiu, unser für tot beweintes Kind, das vor sieben Jahren im Walde verlorenging.« — »Das kann ja nicht sein«, erwiderte Tiu, »ich bin nur eine Nacht und einen Tag von euch weggewesen oder zwei Nächte und einen Tag.«

Jetzt gab es genug, sich zu wundern; Tiu sah nun deutlich, daß sie länger weggewesen war, als sie glaubte, denn sie war jetzt schon größer als ihre Mutter, und Vater und Mutter waren gealtert. Gern hätte sie den Eltern erzählt, was ihr begegnet war, allein sie durfte ja nicht. Endlich sagte sie: »Ich hatte mich verirrt und war unter fremde Leute geraten.« Die Freude der Eltern über ihr wiedergefundenes Kind war so groß, daß sie nicht weiter nachforschten, wo es denn gesteckt habe. Den andern Abend aber, als Vater und Mutter schlafen gegangen waren, ließ es der Tiu keine Ruhe mehr. Sie zog die Spange aus der Tasche und hauchte darauf, um Auskunft darüber zu erlangen, was für ein wundersames Ereignis sich mit ihr zugetragen habe. Alsbald fand sie sich wieder am Feuer auf dem Berge, und auch der einäugige Alte war wieder da. »Lieber alter Vater«, bat Tiu, »gib mir Auskunft darüber,



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was mit mir vorgegangen ist.« Der Alte erwiderte lachend: »Plappern ist Weibersache!«klopfte mit seinem Stecken auf den Rasen, und das junge Frauenzimmer, das Tiu nach Hause geleitet und ihr die Spange geschenkt hatte, stand vor ihr. Sie nahm Tiu bei der Hand und führte sie einige Schritte vom Feuer weg; dort sagte sie: »Da du dir zu Hause nichts hast merken lassen, will ich dir mehr verraten. Der Alte am Feuer ist des Nebelberges König, die alte Mutter, die du die erste Nacht gesehen hast, ist die Rasenmutter, und wir sind die Töchter. Ich will dir jetzt eine noch schönere bunte Spange geben, sage zu Hause, du habest sie gefunden. Willst du uns sehen, so hauche nur wieder auf die Spange. Heute darf ich dir nichts weiter sagen, aber sei verschwiegen, so wirst du künftig mehr von uns zu hören bekommen. Jetzt geh nach Hause, ehe die Eltern aus dem Schlafe erwachen.«Als sie am Morgen erwachte, hielt sie das in der Nacht Geschehene für einen Traum, doch die schöne Spange auf ihrer Brust bewies ihr, daß sie nicht geträumt hatte. Aber das Leben im Dorfe war ihr so fremd geworden, daß sie häufig abends, wenn die Eltern schlafen gegangen waren, auf ihre Spange hauchte und sich dadurch, wie sie wünschte, auf den Nebelberg versetzte. Am Tage war sie meist verdrießlich, weil sie sich nach ihrem nächtlichen Glücke sehnte und somit wenig Ruhe hatte. Als der Herbst kam, fanden sich viele Freier ein, aber sie wies sie alle ab; endlich vor Weihnacht wurde mit dem jungen Manne, den sie bei ihrer Rückkehr auf des Vaters Hof gesehen hatte, Branntwein getrunken. Der Bräutigam blieb als Schwiegersohn im Hause, denn die Eltern waren beide schon betagt.

Im nächsten Jahr brachte Tiu ein Töchterchen zur Welt, es war ein sehr schönes Kind, konnte aber doch der Mutter Herz nicht ausfüllen. Sie sehnte sich immerzu nach dem Nebelberge zurück und wäre gern hingezogen, wenn sie das Kind hätte allein lassen können. Als aber die Tochter sieben Jahre alt geworden war, kam eine Nacht, wo die Mutter ihr Verlangen nicht mehr zurückdrängen konnte, sie hauchte auf die Spange und sah sich auf den Nebelberg versetzt. Der Rasenmutter Töchter kamen ihr mit Freudengeschrei entgegen. »Warum bist du so lange weggeblieben?«fragten sie. Tiu sagte mit tränenden Augen, daß es ihr nicht möglich gewesen sei, zu kommen, obwohl ihr Herz großes Verlangen danach getragen habe. »Des Nebelbergs Königs muß uns



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helfen«, sagten darauf die Mädchen und baten Tiu, nach zwei Wochen wiederzukommen und ihr Töchterchen mitzubringen. Tiu versprach nun, das zu tun, wenn es möglich wäre.

Als aber die Zeit herangekommen war, schlief das Kind so ruhig an des Vaters Seite, daß die Frau nicht das Herz hatte, es mit sich zu nehmen. Sie ging deshalb, indem sie sich der Spange bediente, wieder allein. Der alte König des Nebelberges lag beim Scheine des Feuers am Boden und sagte, als er Tiu erblickte: »Du bist heute zur unglücklichen Stunde ohne dein Kind hergekommen, und es wird dir große Qual daraus erwachsen. Doch kannst du zu guter Letzt noch eine vergnügte Nacht feiern, bevor deine Leidenstage beginnen.« Bei diesen Worten klopfte er mit dem Eisenstecken auf den Rasen, und sofort erschienen der Rasenmutter Töchter, nahmen Tiu mit sich und feierten miteinander ein schönes Fest.

Inzwischen war daheim der Mann erwacht, und als er die Frau nicht im Bette fand, stand er auf und suchte sie auf dem Hofe. Auch hier fand er keine Spur der Verschwundenen. Da entbrannte im Manne der Zorn, denn er glaubte, die Frau sei irgendwo auf bösen Wegen, deshalb legte er sich nicht wieder hin, sondern ging sofort zu einem Weisen des Dorfes, ihm den Fall zu erzählen und ihn um Rat zu fragen. Als der Weise sich aus einem Weinglase Aufschluß verschafft hatte, sagte er: »Mit deinem Weibe steht es nicht, wie es sein soll, sie geht des Nachts als Werwolf um und hat das gewiß schon lange getrieben, nur daß du es bis heute nicht bemerkt hast. Wenn sie nach Hause kommt, mußt du sie gleich vor Gericht stellen.«

Der Mann fand, als er nach Hause kam, die Frau an der Seite des Kindes ruhig im Bett schlafen, er weckte sie jedoch nicht, um sie über ihren nächtlichen Gang auszufragen, sondern ging gleich vor Gericht, wie der Weise gewollt hatte. Die Frau wurde vorgeladen. Sie weigerte sich, Auskunft darüber zu geben, wo sie in der vergangenen Nacht gewesen sei, wollte auch nicht gestehen, wo sie früher als Kind sieben Jahre lang sich verborgen gehalten, und sagte nur: »Meine Seele ist schuldlos, mehr kann ich nicht sagen.«

Auch später wollte sie ihr Geheimnis nicht verraten, so daß endlich der Spruch gefällt wurde: das Weib ist ein Werwolf, eine Hexe und Ubeltäterin,



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deshalb muß sie den Feuertod sterben. Es wurde dann ein großer Scheiterhaufen errichtet, an den man die arme Frau festband, worauf er angezündet wurde. Als aber die Flamme eben aufloderte, fiel so dichter Nebel, daß man die Hand vor den Augen nicht sehen konnte. Als später die Sonnenstrahlen den Nebel aufsogen, fand man den Scheiterhaufen noch unversehrt, die Frau aber war nirgends zu finden, es war, als ob sie im Nebel zerflossen wäre. —Des Nebelberges König hatte sie gerettet.

Wiewohl nun Tiu jetzt auf dem Nebelberge gute Tage hatte, fand ihr Herz doch keinen Frieden, sondern sehnte sich nach dem zurückgebliebenen Kinde. »Hätte ich mein Töchterchen hier«, so seufzte sie oft, »dann könnte ich glücklich leben, so aber ist das halbe Herz immer bei dem Kinde im Dorf, und die andere Hälfte lebt in Trauer.«

Des Nebelberges König erriet ihre geheimen Gedanken und ließ einst bei Nacht das Töchterlein aus dem Dorfe zur Mutter bringen. Da wurden beide, Mutter und Tochter, vollkommen glücklich und sehnten sich nach nichts mehr. Die Dorfleute und der Mann glaubten, daß die in einen Werwolf verwandelte Frau das Kind bei Nacht fortgenommen habe. Der Mann freite eine andere Frau, aber weder seine eigene Wirtschaft noch die andern Höfe nahmen so guten Fortgang wie sonst; allsommerlich litten sie Schaden durch Dürre, das Getreide und Gras verdarben, weil der erfrischende Nachttau nicht mehr auf den Strich fiel, den die Leute bewohnten. Des Nebelberges König zürnte ihnen, weil sie sein Pflegekind hatten umbringen wollen.


Die Färber des Mondes

Altvater hatte schon die ganze Welt erschaffen, aber noch war sein Werk nicht vollkommen, wie es wohl sein sollte, denn noch mangelte es der Welt an ausreichendem Licht. Des Tages wandelte die Sonne ihre Bahn am himmlischen Zelt, aber wenn sie abends unterging, bedeckte tiefe Finsternis Himmel und Erde. Alles, was geschah, verbarg die Nacht in ihrem Schoße.

Gar bald ersah der Schöpfer diesen Mangel und gedachte, dem abzuhelfen.



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So gebot er denn dem umarmen, dafür Sorge zu tragen, daß es fortan auch in den Nächten auf Erden hell sei. umarmen gehorchte dem Befehl, trat hin zu seiner Esse, wo er vordem schon des Himmels Gewölbe geschmiedet, nahm viel Silber und goß daraus eine gewaltige runde Kugel. Die überzog er mit dickem Golde, setzte ein helles Feuer hinein und hieß sie nun ihren Wandel beginnen am Himmelszelt. Darauf schmiedete er unzählige Sterne, gab ihnen mit leichtem Golde ein Ansehen und stellte einen jeden an seinen Platz im Himmelsraum. Da begann neues Leben auf der Erde. Kaum sank die Sonne, da stieg auch schon am Himmelsrande der goldene Mond auf, zog seine blaue Straße und erleuchtete das nächtliche Dunkel nicht anders als die Sonne den Tag. Dazu blinkten neben ihm die unzähligen Sterne und begleiteten ihn wie einen König, bis er endlich am anderen Ende des Himmels anlangte. Dann gingen die Sterne zur Ruhe, der Mond verließ das Hirnmeisgewölbe, und die Sonne trat an seine Stelle, um dem Weltall ihr Licht zu spenden.

So leuchtete nun Tag und Nacht ein gleichmäßiges Licht hoch von oben zur Erde herab. Denn des Mondes Angesicht war ebenso klar und rein wie das Antlitz der Sonne, und nur gleicher Wärme ermangelten seine Strahlen. Am Tage brannte aber die Sonne oftmals so heiß, daß niemand eine Arbeit verrichten mochte. Um so lieber schafften sie dann unter dem Schein des nächtlichen Himmelswächters, und alle Menschen waren von Herzen froh über das Geschenk des Mondes.

Den Teufel aber ärgerte der Mond sehr, denn in seinem hellen Licht konnte er nichts Böses mehr verüben. Zog er einmal auf Beute aus, so erkannte man ihn schon von fern und trieb ihn mit Schanden heim. So kam es, daß er sich in dieser Zeit nicht mehr als zwei Seelen erbeutet hatte.

Da saß er nun Tag und Nacht und sann, wie er's wohl angriffe, damit es ihm wieder glückte. Endlich rief er etliche Gesellen herbei, aber die wußten auch keinen Ausweg. So ratschlagten sie denn zu dreien voll Eifer und Sorge, es wollte ihnen aber nichts einfallen. Am siebenten Tage hatten sie keinen Bissen mehr zu essen, saßen seufzend da, drückten den leeren Magen und zerbrachen sich die Köpfe mit Nachdenken. Und sieh an, endlich kam dem Bösen selbst ein glücklicher Einfall.



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»Wir müssen den Mond wieder fortschaffen, wenn wir uns retten wollen. Wenn es keinen Mond mehr am Himmel gibt, sind wir wieder Helden wie zuvor. Beim matten Sternenlicht können wir ja unbesorgt unsere Werke betreiben!«

»Sollen wir denn den Mond vom Himmel herunterholen?«fragten ihn die Knechte.

»Nein«, sprach der Teufel, »der sitzt zu fest daran, herunter bekommen wir ihn nicht! Wir müssen es besser machen. Und das beste wird sein, wir nehmen Teer und beschmieren ihn damit, bis er schwarz wird. Dann mag er am Himmel weiterlaufen, das wird uns nicht verdrieße n. «

Dem Höllenvolke gefiel der Rat des Alten wohl, und alle wollten sich sogleich ans Werk machen. Es war aber zu spät geworden, denn der Mond neigte sich schon zum Niedergang, und die Sonne erhob ihr Angesicht. Den andern Tag aber schafften sie mit Eifer an ihrer Arbeit bis zum späten Abend. Der Böse war ausgezogen und hatte eine Tonne Teer gestohlen, die trug er nun in den Wald zu seinen Knechten. Indes waren diese geschäftig, aus sieben Stücken eine lange Leiter zusammenzubinden, und ein jedes Stück maß sieben Klafter. Darauf schafften sie einen tüchtigen Eimer herbei und banden aus Lindenbast einen Schmierwisch zusammen, den sie an einen langen Stiel steckten.

So erwarteten sie die Nacht. Als nun der Mond aufstieg, warf sich der Böse die Leiter samt der Tonne auf die Schulter und hieß die beiden Knechte mit Eimer und Borstwisch folgen. Als sie angekommen waren, füllten sie den Eimer mit Teer, schütteten auch Asche hinzu und tauchten dann den Borstwisch hinein. Im selben Augenblick lugte auch schon der Mond hinter dem Walde hervor. Hastig richteten sie die Leiter auf, der Alte aber gab dem einen Knecht den Eimer in die Hand und hieß ihn hurtig hinaufsteigen, indes der andere unten die Leiter stützen sollte.

So hielten sie nun unten beide die Leiter, der Alte und der Knecht. Der Knecht aber vermochte der schweren Last nicht zu widerstehen; die Leiter begann zu wanken. Da glitt auch der Mann, der nach oben gestiegen war, auf einer Sprosse aus und stürzte mit dem Eimer dem Teufel auf den Hals. Der Böse prustete und schüttelte sich wie ein Bär und



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fing an, schrecklich zu fluchen. Dabei achtete er nicht mehr auf die Leiter und ließ sie fahren, so daß sie mit Donner und Gekrach zu Boden fiel und in tausend Stücke schlug.

Als ihm nun sein Werk so übel geraten und er selbst anstatt des Mondes vom Teer begossen ward, tobte der Teufel in seinem Zorn und Grimm. Wohl wusch und scheuerte, kratzte und schabte er seinen Leib, aber Teer und Ruß blieben an ihm haften, und ihre schwarze Farbe trägt er noch bis zum heutigen Tag.

So kläglich schlug dem Teufel sein Versuch fehl, aber er wollte von seinem Vorsatze nicht ablassen. Darum stahl er anderntags wiederum sieben Leiterbäume, band sie gehörig zusammen und schaffte sie an den Waldsaum, wo der Mond am tiefsten steht. Als der Mond am Abend aufstieg, schlug der Böse die Leiter fest in den Grund ein, stützte sie noch mit beiden Händen und schickte den anderen Knecht mit dem Teereimer hinauf zum Monde, gebot ihm aber streng, sich fest an die Sprossen zu hängen und sich vor dem gestrigen Fehltritt zu hüten. Der Knecht kletterte so schnell wie möglich mit dem Eimer hinauf und gelangte glücklich zur letzten Sprosse. Eben stieg der Mond in königlicher Pracht hinter dem Walde auf. Da hob der Teufel die ganze Leiter auf und trug sie eilig bis hin an den Mond. Und welch ein Glück! Sie war wirklich gerade so lang, daß sie mit der Spitze an den Mond reichte.

Nun machte sich des Teufels Knecht ohne Säumen ans Werk. Es ist aber nichts Leichtes, oben auf einer solchen Leiter stehen und dem Mond mit einem Teerwisch ins Gesicht fahren wollen. Zudem stand auch der Mond nicht still auf einem Fleck, sondern wandelte ohne Unterlaß seines Weges fürbaß. Darum band sich der Mann da oben mit einem Seil fest an den Mond, und da er also vor dem Fall behütet war, ergriff er den Wisch aus dem Eimer und begann, den Mond zuerst von der hinteren Seite zu schwärzen. Aber die dicke Goldschicht auf dem reinen Monde wollte keinen Schmutz leiden.

Der Knecht strich und schmierte, daß ihm der Schweiß von der Stirne troff, bis es ihm nach vieler Mühe endlich doch gelang, den Rücken des Mondes mit Teer zu überziehen.

Der Teufel unten schaute offenen Mundes der Arbeit zu, und als er das Werk zur Hälfte vollendet sah, sprang er vor Freude von einem Fuß



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auf den andern. Als er so des Mondes Rücken geschwärzt hatte, schob sich der Knecht mühsam nach vorn, um auch hier den Glanz des Hirnmeiswächters zu vertilgen. Da stand er nun, verschnaufte ein wenig und dachte nach, wie er es anfinge, um mit der andern Seite leichter fertig zu werden. Es fiel ihm aber nichts Gescheites ein, und er mußte es wie zuvor machen.

Schon wollte er sein Werk wieder beginnen, als gerade Altvater aus kurzem Schlummer erwachte. Verwundert nahm er wahr, daß die Welt um die Hälfte dunkler geworden, obgleich kein Wölkchen am Himmel stand. Wie er aber schärfer nach der Ursache der Finsternis ausschaute, erblickte er den Mann auf dem Monde, der eben seinen Wisch in den Teertopf tauchte, um die erste Hälfte des Mondes der zweiten gleichzumachen. Unten aber sprang der Teufel vor Freuden wie ein Ziegenbock hin und her. »Welche Streiche macht ihr da hinter meinem Rücken!« rief Altvater zornig aus. »So mögen denn die Übeltäter den verdienten Lohn empfangen! Auf dem Monde bist du und sollst ewig mit deinem Eimer dort bleiben, allen zur Warnung, die der Welt das Licht rauben wollen.«

Altvaters Worte gingen in Erfüllung. Noch heute steht der Mann mit dem Teereimer im Monde, der deswegen nicht mehr so hell leuchten will wie sonst. Oft wohl steigt der Mond hinab in den Schoß des Meeres und möchte sich reinbaden von seinen Flecken; aber sie bleiben ewig an ihm haften.


Der Hausgeist

Ein Gutsherr hieß seinen Koch ein leckeres Gericht zubereiten. Da ward denn gleich ein großer Kessel aufs Feuer gesetzt und allerlei Lammfleisch darin gesotten.

Vor dem Kessel saß der Koch und schürte das Feuer. Plötzlich kam unterm Ofen aus dem Boden ein kleines Männchen hervor und bat den Koch: »Lieber Freund, laß mich ein wenig von der schönen Speise kosten! Ich bin so hungrig, und es ist mir so flau zumute wie einem Fischer!«



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»Darf's nicht tun«, versetzte der Koch, »wir haben selber ein großes Hausgesinde!«

»Gib mir nur ein Tröpfchen von der Suppe!« bat der Kleine von neuem.

»Nun, so nimm!«sagte der Koch und reichte ihm den gefüllten Schöpflöffel hin.

Kaum aber war der Löffel in des Kleinen Hand, so hatte er im Augenblick schon den ganzen Kessel leer gegessen und war unterm Ofen verschwunden.

Der Koch erschrak. Was sollte er jetzt beginnen?

Der Ärmste ging also hin zu seinem Herrn und erzählte ihm unter Jammern und Klagen den Hergang der Sache.

Der Herr wollte seiner Rede anfangs keinen Glauben schenken, als aber der Koch bei Leib und Leben die Sache beschwor, ließ der Herr seinen Ärger fahren und befahl dem Koch, den Kessel von neuem aufzusetzen, fügte aber streng hinzu: »Sollte das kleine Männchen wiederkommen, so gib ihm mit dem Löffel tüchtig eins vor den Kopf!«

Der Koch machte sich ans Werk, und bald stand denn auch ein neues Festgericht auf dem Feuer.

Wieder kam das Männchen unter dem Ofen hervor und bat den Koch, etwas von der Speise in das Säckchen zu füllen, das er am Halse trug. »Darf's nicht tun!«sagte der Koch. »Der Herr befahl mir, dich mit dem Löffel auf den Kopf zu schlagen!«

»Schlag mich nicht, lieber Freund!« bat der kleine Mann. »Ich will dir auch beistehen, wenn du einmal in Not gerätst. Mein Weib daheim ist krank! Ich habe niemanden, der mir ein Essen anrichtet oder Wasser herbeiträgt. Laß mich nur einen Schöpflöffel voll Suppe in den Sack gießen, um die Arme etwas zu erquicken!« Der Koch dachte bei sich: >Er wird ja nicht so unverschämt sein wie vorhin, und wieviel wird sein krankes Weib schon aufessen können!< Er reichte also dem Männchen den Löffel hin.

Im Augenblick war die ganze Suppe samt dem Fleisch in des kleinen Mannes Sack, er selbst aber verschwunden und der Kessel leer.

Was nun? Der Koch klagte seine Not wieder seinem Herrn und jammerte noch lauter als das erste Mal, aber der Herr ward über die Maßen



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zornig, schalt ihn heftig und drohte, ihn sogleich aus dem Hause zu jagen, wenn er noch ein drittes Mal seines Amtes nicht besser zu walten wisse. Den kleinen Mann aber solle er augenblicklich totschlagen, wenn er sich wieder in der Küche zeigen werde.

Abermals stand ein neuer Kessel auf dem Feuer, und abermals erschien das kleine Männchen.

Der Koch ergriff den Schöpflöffel und rief: »Du Schelm, der Herr hat mir befohlen, dich auf der Stelle totzuschlagen!«

Der Kleine bat: »Tu es nicht, lieber Freund! Wer weiß, ob dich nicht auch Mangel und Hunger dereinst erwarten! Dann will ich wiederum dir helfen, sofern ich es vermag. Mein kleines Kind daheim ist siech und mein krankes Weib gestorben; so habe ich jetzt gar niemanden, der mir Speise kochen oder einen Trunk herbeischaffen könnte. Gib mir doch für mein hilfloses Kind wenigstens einen halben Löffel Suppe!«

Dem Koch ward's wieder weich ums Herz, und wieder meinte der gute Mann: >Wieviel kann denn solch ein elendes Kind schon essen?< —»Da, greif denn zu!« sagte er.

Augenblicklich war aber der ganze Kessel wieder leer und der Kleine verschwunden.

Jetzt hatte der Koch seinen Lohn zu erwarten.

Mit zitternder Stimme meldete er seinem Herrn: »Der kleine Mann hat zum dritten Male die Suppe vom Feuer gestohlen!«

»Fort mit dir, du Bösewicht«, schrie der Herr, »weil du mir aber bisher treu gedient hast, will ich dir noch gestatten, über Nacht im Hause zu bleiben. Morgen früh aber schnüre dein Bündel und troll dich fort!« Darauf gab der Herr dem Fronvogt Befehl, die Suppe zu kochen, und sagte: »Wenn der Kleine sich abermals zeigen sollte, so schlag ihn auf der Stelle tot!«

»Schon gut, Herr«, versetzte der Vogt, »ich will ihn tüchtig treffen!«

Der Kessel kam wieder aufs Feuer, und da war auch schon der kleine Mann zur Stelle und bettelte um Suppe.

»Also Suppe willst du Schelm?« schrie der Vogt und gab dem Kleinen mit dem Schöpflöffel einen solchen Schlag vor den Kopf, daß er wie ein Knäuel zurück unter den Ofen rollte.

Darauf wurde die Suppe fertig, und der Herr hatte seine Lust daran.



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»Jetzt wird der Kleine wohl nicht mehr wiederkommen, um sich die Finger zu verbrennen!« sagte er.

Am nächsten Tage lud sich der Koch ein Säckchen mit seinen Sachen auf und schickte sich an, die Küche zu verlassen.

Plötzlich stand der Kleine mit verbundenem Kopf vor ihm und sprach: »Komm, Freund, nimm auch von mir Abschied, ich will dir auch etwas auf den Weg mitgeben!«

Der Koch folgte auch wirklich dem Männchen.

Unter dem Ofen befand sich ein schönes, geräumiges Haus, wo allerlei seltsame Sachen und Geräte umherstanden.

Der Kleine führte den Koch durch das erste Gemach in eine Kammer, blieb vor einem Bretterfach stehen und langte eine Schachtel herunter. »Hier, mein Freund«, sprach er zum Koch, »nimm den Lohn für deine Wohltat! Hast du irgend etwas nötig, so klopfe nur mit dem Zeigefinger auf den Deckel der Schachtel und nenne deinen Wunsch!«

Der Koch bedankte sich für das Geschenk und kam wieder in die Küche zurück. Da stand auch gerade der Vogt in der Küche.

Der Koch zog sein Schächtelchen hervor, klopfte mit dem Zeigefinger auf den Deckel und sprach: »Einen Brotsack für den Wandersmann!« Augenblicklich war der Brotsack zur Stelle. So schaffte der Koch mit Hilfe des Schächtelchens noch viele andere Dinge herbei, und der Vogt konnte sich nicht genug darüber wundern. Endlich fragte er: »Sag doch, lieber Freund, wo hast du dies prächtige Schächtelchen her?«

Der Koch teilte dem Vogt alles mit und ging dann seines Weges.

>Wenn es so steht<, dachte der Vogt, >so muß ich von dem kleinen Mann auch solch ein Schächtelchen haben. Den Backenschlag von gestern will ich schon wiedergutmachen. Wart nur, der Kessel muß wieder aufs Feuer!<

Da stand nun der Vogt am Kessel, kochte und wartete, aber der Kleine zeigte sich nicht. Endlich rief der Vogt: »Freund, so komm doch zu Gast!«

Sofort war der Kleine da.

»Warum rufst du mich?« fragte er. »Ich habe vom Koch noch Speise in Hülle und Fülle zu Hause!«

»So koste doch nur, es ist dir ja geschenkt!« sagte der Vogt.



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Der Kleine kostete von der Speise und sprach: »Schönen Dank! Aber komm jetzt mit mir, ich will dir alles vergelten!«

»Was braucht's da vieler Vergeltung!« sagte der Vogt und folgte dem Kleinen mit Freuden.

Jetzt erhielt auch der Vogt ein Schächtelchen, verließ aber den kleinen Mann ohne ein Wort des Dankes. Dann lief er zu seinem Herrn und bat ihn achtzugeben, was geschehen werde, wenn er mit dem Finger auf den Deckel klopfe.

Und so begann er zu klopfen. Da flog aus der Schachtel ein kleines Männchen mit einer Eisenkeule heraus, fiel über den Herrn und den Vogt her und hieb so lange auf beide ein, bis sie halb tot am Boden lagen. Dann verschwand er samt der Schachtel.

Den Kleinen unter dem Ofen hat aber nachher niemand wiedergesehen.


Warum das Elentier weiße Streifen unterm Bauch hat.

Es war einmal ein Mann, der konnte es nicht vertragen, zu arbeiten. Er spazierte nur zwecklos im Walde umher und schlief. Endlich mußte er Hunger leiden; er hatte nichts mehr zu beißen und zu brechen. In dieser Lage kam zu ihm ein alter Mann und gab ihm den Rat: »Stell eine Falle auf und bete zu Gott, dann wirst du schon ein Tier fangen!«

Der Mann dachte: >Sieh mal an, wieviel Mühe das ist!< Da aber sein Hunger immer größer wurde, konnte er sich nicht anders helfen. Er tat, wie er belehrt war: stellte die Falle auf und legte sich schlafen.

Als er erwachte, sah er: ein Elentier steckte in der Falle. Der Mann fiel sogleich über das Tier her und fing an, ihm das Fell abzuziehen. Er hatte das Fell schon aufgeschnitten, als der grauköpfige Mann wieder zu ihm kam und sprach: »Nun, hab ich dir nicht gesagt: wenn du eine Falle aufsteilst, wird dir Gott einen Fang geben?«

Der Mann entgegnete: »Wieso hat Gott ihn mir gegeben? Ich selber habe die Falle gemacht und aufgestellt!«

Diese Antwort ärgerte den grauköpfigen Mann. Er klopfte mit seinem Stock auf das Elentier: da sprang es auf und lief in den Wald.



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Der Mann eilte mit ausgebreiteten Armen hinterdrein und schrie dabei: »Gott hat dich gegeben! Gott hat dich gegeben!« Das Elentier achtete aber nicht darauf, sondern lief seines Wegs und verschwand im Walde. Der Mann dachte: >Jetzt muß ich aber dem alten Graukopf dafür tüchtig das Fell gerben!< Er blickte um sich: da war kein alter Graukopf mehr zu sehn. Nun erst begriff der Mann, daß es der liebe Gott selber gewesen war, der ihn gelehrt hatte, die Falle aufzustellen, und der jetzt das Elentier in den Wald fortgeklopft hatte.

Weil des Elentier Fell am Bauch aufgeschnitten war, so wuchsen an dieser Stelle nachher weiße Haare. Deswegen hat das Elentier unter dem Bauch weiße Streifen.


Warum der Hase eine gespaltene Lippe hat

Einst versammelten sich alle Hasen unter einer großen Kiefer, um Rat zu halten, wie ihr Leben gebessert werden könne. Jeder klagte über seine Not.

»Seht, ihr lieben Hasen!« sagte der allergrößte unter ihnen. »Wir müssen uns alle fürchten, aber niemand fürchtet sich vor uns! Wir müssen die Katzen und Hunde fürchten und wissen nicht, wo wir unsere Nester bauen und wo wir mit unseren Frauen und Kindern leben sollen! Es ist auch nicht zu hoffen, daß unser Leben besser wird. Eher wird es noch schlechter. Jeder Knirps jagt hinter uns her. Wo jemand uns erblickt, da schreit er gleich: >Ein Hase! Ein Hase!<Lieber gehn wir zum See und ertränken uns. Sterben müssen wir ja sowieso!« Alle Hasen waren damit einverstanden. Sie liefen zum See und wollten sich ertränken. Am Ufer des Sees weidete aber eine große Schafherde. Als die Schafe die Hasen herankommen hörten, erschraken sie so sehr, daß sie Hals über Kopf davonrasten. Der Hirt mit dem Hunde hinterdrein.

Als die Hasen das sahen, blieben sie stehn und brachen in ein Gelächter aus. Sie sahen, daß es doch noch Tiere und Menschen gab, die sich vor ihnen fürchteten. Da lachten sie so sehr, daß ihre Lippen platzten. Und seit der Zeit bis heute sind die Lippen der Hasen gespalten geblieben.



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Der Hund und die Katze

Der Hund und die Katze wollten dem Hausherrn nicht länger mehr dienen als um Fleischkost. Der Hausherr war freilich zuerst dagegen, als er aber schließlich einsah, daß der Handel sonst nicht zustande kommen werde, gab er nach und unterzeichnete mit ihnen einen Kontrakt, worin er sich verpflichtete, dem Hunde und der Katze einmal täglich Fleisch zu geben.

Die Katze nahm den Kontrakt an sich, brachte ihn in den Dachraum und band ihn dort an einen Querbalken.

Die Mäuse fanden den Kontrakt und zerknabberten ihn in lauter kleine Stücke.

Nachher, als der Hund und die Katze zum Hausherrn gingen, um von ihm das versprochene Fleisch zu verlangen, wünschte er den Kontrakt einzusehen; weil aber weder der Hund noch die Katze ihn vorzeigen konnten, ließ sie der Hausherr das Fleisch nicht einmal riechen. Schließlich entbrannte zwischen dem Hunde und der Katze ein Streit. Der Hund verlangte, die Katze solle den Kontrakt herbeischaffen, denn ohne den hatten sie auch nicht einen Mundvoll Fleisch zu erhoffen. Weil aber die Katze den Kontrakt auf keine Weise herbeischaffen konnte, so ist seit jenem Tage der Hund zum schlimmsten Feinde der Katze geworden. Da nun die Katze trotz ihres Mutes dem Hunde nichts anhaben kann, hat sie begonnen, die Mäuse zu verfolgen, weil diese den Kontrakt zerrissen hatten.


Das Krähenmännchen heiratet

Einmal flog ein Krähenmännchen aus Järwen nach Harrien auf die Freite. Er erzählte der Braut und deren Eltern, er sei ein reicher Mann, habe große Felder und ganze Haufen von Getreide. Er könne mit seiner Frau ohne Sorgen leben. Den Brautvater und die Brautmutter lud er zu sich ein, seinen Reichtum zu sehen. Sie flogen hin. Der Krähenmann zeigte ihnen alle Kornschober in der Nähe seines Nestes und sagte, dies alles gehöre ihm.



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Die Brauteltern flogen nach Harrien zurück und priesen vor der Tochter den Reichtum des Bräutigams. Sie wollten einem so reichen Manne ihre Tochter nicht verweigern. Die Braut selber war auch bereit, nach J ärwen zum Krähenmanne zu ziehen. Es wurde also mit der Elster nach Järwen die Botschaft geschickt, die Braut könne abgeholt werden.

Sogleich flog der järwische Krähenmann nach Harrien und holte seine Braut heim. Die Neuvermählte machte sich sogleich an die Kornschober. Eines Morgens, als die neuvermählte Krähe gerade oben auf einem Kornschober mit Fressen beschäftigt war, kamen die Menschen mit mehreren Wagen und führten auch den letzten Kornschober fort. Als die Krähe das sah, schrie sie: »Jaak! Jaak! Das Getreide wird fortgeführt!«

Ihr Mann hörte das und schrie ihr entgegen: »Jeder führt das Seine fort! Jeder führt das Seine fort!«


Der Fuchs und der Krebs

Einst haben Fuchs und Krebs miteinander gestritten, daß der Krebs mit dem Fuchs nicht um die Wette laufen könne. Der Krebs aber blieb hartnäckig dabei, daß er den Fuchs noch überholen werde. Endlich beschlossen sie, eine Probe zu veranstalten, und wählten einen Berg zum Ziel.

Der Fuchs rannte davon, was er konnte, der Krebs aber hatte sich in seinem Schwanz festgekniffen, und der Fuchs trug ihn mit. Als der Fuchs das Ziel erreicht hatte, wandte er sich, um zu sehen, ob der Krebs weit zurückgeblieben wäre.

Der Krebs ließ den Fuchsschwanz fahren und sprach zum Fuchs: »Ich bin es schon müde geworden, auf dich zu warten!«

Der Fuchs war sehr verärgert darüber, daß der Krebs ihn besiegt hatte, und seit jener Zeit will der Fuchs vom Krebs nichts mehr wissen.



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Als Tiere zur Beichte gingen

Es war einmal eine Frau, die hatte eine Katze. Die Frau sammelte Milch und sammelte so lange, bis sie einen großen Topf gefüllt hatte. Die Katze kam und stieß den Topf um mitsamt der Milch. »Ich Ärmste«, jammerte die Katze, »was soll ich nun anfangen, wie soll ich Verzeihung erlangen für diese Sünde? Was wird da andres helfen, ich will gehn, meine Sünden wiedergutzumachen!«

Die Katze ging fort, um zu beichten, und geriet in den Wald; da kam ihr der Hase entgegen, der wünschte ihr einen guten Tag: »Sei gegrüßt, Gevatterin, wohin gehst du?« — »Sei selbst auch gegrüßt! Wohin ich gehe? Ich lebte bei einer Frau, die sammelte Milch, füllte einen ganzen Topf, ich Ärmste stieß ihn um, und nun gehe ich zur Beichte.« —»Ah, zur Beichte! Dann laß mich mitgehn!« — »Was hast du denn verbrochen?« —»Ich räumte im Hafer eines Wirtes auf; ein Hahn kann da jetzt dem andern zujodeln!« — »In diesem Falle komm nur getrost mit!« Sie gingen und gingen, da begegnete ihnen der Fuchs: »Seid gegrüßt, Katze und Hase, wohin eilt ihr?« —»Zur Beichte eilen wir!« —»Wirklich zur Beichte! Was bedrückt denn euch das Herz?« — »Ich stieß meiner Hausfrau die Milch um!« — »Ich fraß einem Wirt den Hafer weg.« — »Oh, Gevatterchen, laßt mich auch mitgehn! Mein Herz ist mir auch schwer, ich traf auf eine große Herde Gänse und biß allen den Hals durch!« — »Komm nur mit!«

Da gingen sie nun zu dreien, sie gingen und gingen; da kam ihnen der Wolf entgegen: »Wünsche einen guten Tag, Gevatterchen, wohin geht ihr so zu dreien?« — »Wir gehn zur Beichte, haben viel verbrochen -; ich stieß meiner Hausfrau die Milch um -; ich fraß einem Wirt den Hafer weg -; ich biß Gänsen den Hals durch.« —»Dann laßt mich auch mitgehn; da war eine prächtige Kuh, die habe ich niedergerissen.«

Sie gingen nun zu vieren, da kam ihnen der Bär entgegen; der wollte auch mit: »Es war ein herrlicher Hengst, dem habe ich den Garaus gemacht.«

Da gingen sie nun alle und kamen zu einem großen tiefen Grabe, und über das Grab hinweg lag eine Stange.

Die Katze sagte: »Wer auf der Stange über das Grab kommt, der hat



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seine Sünde gutgemacht.«Die Katze machte selber den Anfang und war hinüber wie der Wind. Der Hase ihr nach, fiel aber in das Grab. Dann schritt der Fuchs hinüber: bis zur Hälfte kam er, da glitt er hinein. Der Wolf kletterte auf die Stange: er schlug einmal mit dem Schwanz, da lag er schon drin. Der Bär versuchte auch sein Glück, doch hatte er kaum die Vordertatzen auf der Stange, da war er schon auf die anderen gefallen mitsamt der Stange.

So lebten sie nun einige Zeit im Grabe. Da fing der Hunger an, sie zu plagen. Was nun beginnen? Der Fuchs half aus der Verlegenheit: »Wir wollen singen! Wer die leiseste Stimme hat, den fressen wir auf.« Prächtig! Sie fingen an zu singen: der Bär brüllte derart, daß der Sand von den Wänden rieselte, der Wolf heulte, daß die andern taub wurden; was konnte neben ihnen der Hase mit seinem Gepiepse! Der Hase wurde verspeist. Der Fuchs hatte überhaupt den Mund nicht aufgemacht, er hörte zu und gab das Urteil ab, wie die Stimmen der andern geklungen hatten.

Mit dieser Nahrung lebten sie einige Tage. Da stellte sich wieder das alte Übel ein: der Hunger. Sie fingen wiederum an zu singen. Der Bär brummte wohl so, daß der Boden erzitterte, doch die Stimme des Wolfes ist schriller: der Bär wurde verspeist. Der Fuchs, das schlaue Tier, fraß, soviel er nur konnte, außerdem stopfte er noch Reste von den Eingeweiden des Bären unter seinen Sitz.

So lebten sie wiederum einige Tage, da fing der Wolf an zu jammern: »Füchschen, Gevatterchen, der Magen knurrt, ich möchte was zum Fressen!«

»Wie soll ich dir helfen, ich selber fresse schon meine eigenen Eingeweide!« Mit diesen Worten holte er unter seinem Sitz den Darm des Bären heraus und verspeiste ein Stück davon. »Füchschen, Brüderchen, laß mich auch davon schmecken!« —»Meinetwegen, Onkelchen, ich geb dir vom eignen Körper, das wirst du mir nicht vergessen!« Der Fuchs gab dem Wolf ein Endchen vom Darme, und jener verschlang es gierig —der Fuchs wollte nichts mehr geben und sagte: »Nimm von den deinigen!« —Der Wolf hatte an der Speise Geschmack gefunden; er fing an, sich die eignen Gedärme herauszureißen, und verendete so auf der Stelle. Der Fuchs blieb allein nach und verspeiste den Wolf; er saß und



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aß; wie lange aber willst du ohne Essen sitzen! Was nun anfangen? Da sah der Fuchs: am Rande des Grabes hüpfte ein Star; er fing an, dem Star zu drohen: »Hör einmal, Star! Sieh zu, daß du mich aus dem Grabe schaffst, sonst fresse ich deine Jungen bis auf das letzte!« —»Aber wie soll ich dich herausschaffen?« — »Hol Ästlein, wirf Reisig!«

Der Star schleppte und schleppte, daß ihm die Augen quollen, bis das Grab gefüllt war und der Fuchs heraus konnte.

»Hör du, Star, gib mir was zu fressen, sonst freß ich deine Jungen!« —»Wo soll ich denn was hernehmen?« —»Sieh, da geht eine Mutter mit ihrem Sohn zur Taufe, die trägt in einer Schale Kuchen. Flieg ihnen um den Kopf, dann legt die Mutter den Kuchen nieder und geht eine Rute schneiden.«

Der Star flog und flog, die Frau ging, eine Rute zu schneiden, um den Star zu jagen; unterdessen besorgte der Fuchs den Kuchen.

»Hör du, Star, schaff mir zu trinken, sonst freß ich deine Jungen.« — »Wie soll ich das anfangen?« —»Sieh, da fährt ein Mann zur Hochzeit, ein Faß Bier hat er auf dem Wagen; flieg um den Zapfen des Fasses, der Mann schlägt nach dir und schlägt zugleich den Zapfen heraus.«Der Star flog um den Zapfen, der Mann scheuchte ihn mit der Peitsche und schlug den Zapfen heraus: das Bier strömte im Bogen hervor wie nur je aus dem Spundloch; der Fuchs pumpte sich den Magen voll, nahm sich auch den Kopf voll.

»Hör du, Star, jetzt schaff mir was, worüber ich lachen kann, sonst freß ich deine Jungen!« —»Aber wie soll ich das machen?« —»Sieh mal, da drischt ein Vater mit seinem Sohn; flattre um den Kopf des Vaters, nur immer um den Kopf des Vaters; der Sohn langt nach dir mit dem Dreschflegel, schlägt dem Vater um die Ohren -dann hab' ich zu lachen genug.«Der Star flatterte um den Kopf des Vaters, der Sohn wollte ihn vertreiben und versetzte dabei dem Vater einen gesalzenen Hieb: der Fuchs klatschte vor Freude mit den Tatzen und lachte so, daß ihm der Magen zitterte.

»Hör du, Star, jetzt sieh zu, daß ich springen kann!« —»Aber wie soll ich das machen?« —»Wir wollen aufs Gut! Da wart ich hinter dem Zaun, du gehst hinein und rufst: >Laßt die Windhunde los, die Windhunde laßt los, der Fuchs ist hinter dem Zaun!< —dann kann ich springen, so-



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viel das Herz nur begehrt.« Sie gingen beide aufs Gut, der Fuchs blieb hinter dem Zaun, der Star rief die Windhunde heraus.

Die kamen alle mit Gesaus und Gebraus und fingen an, dem Fuchs nachzujagen; sie jagten und jagten, aber ohne Erfolg -der Fuchs verschwand wie der Wind und rettet sich in seine Höhle.

In der Höhle fragte er seine Füße: »Was tatet ihr zu meiner Rettung?« —»Wir gruben, wir gruben, damit der Fuchs davonkäme.« — »Aber ihr Hinterfüße, was tatet ihr?« — »Wir sprangen, wir sprangen, damit der Fuchs davonkäme.« —»Aber ihr Augen?« —»Wir wiesen getreulich den Weg, damit der Fuchs davonkäme.« —»Aber die Nase, was tatest du?« — »Ich schnupperte, ich roch, damit der Fuchs in seine Höhle käme.« — »Aber ihr Ohren?« — »Wir hörten nur und hörten, woher Gefahr käme.« —»Nun, und du, Schwanz?« »Ich schlug an die Bäume, ich zerrte am Gesträuch, damit man den Fuchs finge.« —»Aha, also das tatest du! Da hast du, Hund, friß den Schwanz auf!«

Der Fuchs steckte den Schwanzbüschel aus der Höhle, da wartete auch gerade ein Hund, der schnappte zu, fraß den Schwanz und auch den Fuchs.


Die kämpfenden Brüder

Es lebte ein Mann mit seiner Frau, die hatten drei Söhne und eine Tochter. Die Frau starb, der Mann nahm sich eine andere Frau - das war eine Hexe.

Und so lebten sie nun miteinander. Eines Tages fuhr der Mann mit der Frau zur Kirche. Die Söhne sagten: »Wie, sind sie in die Kirche gefahren?« Ein jeder ging, um sich ein Pferd auszusuchen; ein jeder aber wollte das beste haben, so zankten sie und kämpften, bis der Vater und die Mutter zurückkamen. »Warum kämpft ihr?« — »Um die Pferde kämpfen wir!« —»Kämpft ihr jetzt, so mögt ihr euer Leben lang kämpfen!« fluchte die Mutter. Kaum war das Wort heraus, so gingen die drei, immer noch kämpfend, davon.

Jetzt blieb nur noch die Schwester nach; aber diese wurde von der Hexe geschlagen und gequält; Hunger mußte sie leiden, sogar ihrem Leben



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stellte man nach. Die Schwester entfloh und dachte: >Vielleicht finde ich meine Brüder.<

Sie ging und ging, bis stein einer alten, verfallenen Hütte kam. Da ging sie hinein und fand dort einen alten Mann. »Guten Tag, liebes Kind, wohin gehst du?« —»Ich gehe, meine Brüder zu suchen.« — »Wo sind denn deine Brüder geblieben?« Das Mädchen erzählte dem Alten, wie die Stiefmutter die Söhne verwünscht habe. »Leg dich hin, liebes Kind, vielleicht kann ich dir helfen.«

In der Nacht rief der Mann alle Tiere im Walde zusammen, die Wölfe, die Bären, die Füchse, die Eiche -kurz, alles, was sich im Walde bewegte. »Ihr kommt in alle Welt, habt ihr nicht drei kämpfende Brüder gesehen?« Niemand aber hatte sie gesehen.

»Mach dich wieder auf den Weg, liebes Kind«, unterwies es der Alte am andern Morgen, »du wirst bald zu einer ebensolchen Hütte kommen, wie die meinige ist: vielleicht findest du dort Hilfe, ich vermag dir nicht zu helfen.«

Das Mädchen ging und ging und kam zu einer verfallenen Hütte; drin wohnte auch ein altes, graues Männlein. »Wo führt dich denn Gott her, liebes Kind?« Das Mädchen erzählte ihm, weshalb es wandere: »Leg dich hin; der Morgen ist klüger als der Abend!«

Der Alte ging in die Nacht hinaus vor die Hütte und rief: »Es sollen sich versammeln alle Vögel, die unter dem Himmel fliegen!« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so entstand ein Rauschen, ein Brausen auf allen Seiten. Es flogen zusammen alle Vögel, die kleinen wie die großen. »Ihr sehet die ganze Welt; sahet ihr nicht drei kämpfende Brüder?« —»Wir haben sie gesehen; über neun Könige Land, am Meeresstrand, da kämpften sie mit eisernen Keulen.«

Der Alte gab dem Mädchen einen Knäuel. »Wohin dieser rollt, dahin folge du nach!« Der Knäuel rollte zu den Brüdern.

Da war ein altes Hüttlein; im Hüttlein alles leer, nur drei Brötlein auf dem Tisch. Das Mädchen nahm des ältesten Bruders Brötlein und schnitt es an. Die Brüder kamen nach Hause. Der älteste erblickte sein Brot und sagte: »Wer hat mein Brötlein angeschnitten?« Die andern meinten: »Gott gibt uns Brot, er hat es vielleicht auch genommen.«Die Schwester hielt sich hinter dem Ofen versteckt; sie sah, wie die Brüder



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in großer Eintracht lebten: sie küßten einander, und es fiel kein böses Wort. Doch als die Zeit zum Kämpfen kam, da nahmen sie ihre Keulen, begaben sich an den Meeresstrand und schlugen wieder aufeinander los.

Die Schwester nahm nun des zweiten Bruders Brötlein, zerschnitt es und versteckte darin der Mutter Ring. Die Brüder kamen nach Hause und schauten: »Wer mag das getan haben?« Sie erkannten ihrer Mutter Ring. »Vielleicht ist es unsere Schwester, die uns den Ring gebracht hat? —Schwester, bist du's, dann tritt hervor!« Die Schwester trat hervor, alle Brüder fielen ihr um den Hals; sie unterhielten sich und sagten: »Hör, Schwester! Hier kannst du nicht leben. Wenn die Stunde kommt, wo wir kämpfen müssen, dann schlagen wir auch dich. Doch wenn du neun Jahre hindurch kein Wort sprichst, man mag dich quälen, man mag dich martern, dann wirst du uns erretten - sonst nie!«

Die Stunde brach an; die Brüder fingen an zu kämpfen, sie schlugen aufeinander los mit eisernen Keulen. Die Schwester aber entfloh; und auf der Flucht stürzte sie in eine Grube, die am Wege war. Da fuhr der Königssohn an der Grube vorbei, zwei Kutscher saßen auf dem Bock. »Hier war ein Mädchen, wo ist es geblieben?«Der Königssohn schickte den einen Kutscher, nachzusehen; der schaute und erblickte das Mädchen. So schön, so schön war es, daß er nicht vermochte, sich vom Anblick zu trennen. Der Königssohn aber wartete und wartete und schickte endlich den zweiten Kutscher. Dem erging es ebenso: Auch er vermochte nicht die Augen abzuwenden. Da lief der Königssohn selber hin, um nachzusehn. Auch ihm gefiel das Mädchen; er zog es aus der Grube, nahm es in seine Kutsche, brachte es nach Hause und machte es zu seiner Frau.

Die Schwester lebte ein Jahr mit ihm und wurde Mutter eines Söhnleins. Doch die Stiefmutter des Königssohnes nahm das Kind, schnitt ihm den Fuß ab, bestrich die Mutter mit dem Blute des Kindes und steckte ihr den Fuß in den Mund. Drauf ging sie zum Königssohn und klagte: »Sieh doch, deine Frau hat ihr eigenes Fleisch und Blut umgebracht; dafür müßte auch sie umgebracht werden.« Doch der Mann antwortete: »Sie ist eine so gute Frau, wenn sie auch nicht spricht -sie soll noch leben, was sie auch getan haben mag.«



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So lebte sie und lebte und wurde wieder Mutter eines Kindes. Die Stiefmutter schnitt dem Kinde eine Hand ab, bestrich mit dem Blute die Lippen der Mutter und steckte ihr gar noch die Hand in den Mund. Drauf eilte sie zum Königssohn und klagte: »Komm doch und sieh, was deine gute Frau getan hat, ihr eigenes Fleisch und Blut hat sie umgebracht; die Hand steckt ihr noch im Munde. Laß sie vertilgen von Gottes Erdboden.«

Der Königssohn wollte sie immer noch nicht töten lassen, doch die Stiefmutter drängte ihn, bis sie ihn schließlich soweit hatte. Der Königssohn ließ einen Pfosten einrammen, an diesem sollte seine Frau erhängt werden. Doch während sie zur Hinrichtung geführt wurde, waren die neun Jahre gerade um. Da laufen die Brüder zu ihr und Engel kommen aus dem Himmel und rufen: »Wie könnt ihr diese fromme Seele quälen und töten?« — »Richtet selber: sie hat ihre Kinder aufgefressen!« Doch die Engel Gottes sagen: »Tragt alle in den Himmel, aber die Stiefmutter stoßt in die Hölle, wo es weder Mond noch Sterne gibt!«

So wurde es auch vollzogen.


Die Sonnentochter

Vor Zeiten jagte einmal ein Mann auf einer Turkutschanka durch die eisigen Schneefelder des Nordens. Plötzlich erblickte er vor sich einen Hügel, auf dem ein Mensch saß, der seinen Kopf nicht gegen die grimmige Kälte geschützt hatte und doch nicht fror. Da fuhr er mit seiner Turkutschanka an den Sitzenden heran. Der fragte ihn: »Wohin fährst du?«

»Ich jage auf Geheiß des Zaren durchs Land«, antwortete der Mann auf der Turkutschanka. »Die Alten sagen, daß es eine launische Sonnentochter gäbe. Die soll ich suchen und zu meiner Frau machen, damit bei uns immer die Sonne scheint. Warum aber sitzest du hier so ohne Mütze? Was bist du für ein Mensch?«

»Ich bin einer, der alles sieht und alles hört, was es in der Welt zu sehen und zu hören gibt«, erwiderte der Mann.



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»Das trifft sich gut! Ich werde dich brauchen können! Steig ein, laß uns zusammen weiterfahren«, sagte der Mann auf der Turkutschanka. Und so fuhren sie und fuhren, bis sie schließlich auf einem Hügel einen Menschen sitzen sahen, der in seinen Händen einen Bogen und zwei Pfeile hielt.

»Heda, Brüderchen! Was bist du für ein Mensch?«fragten sie ihn. »Ich bin einer, dessen Pfeile nie ihr Ziel verfehlen.«

»Das trifft sich gut! Wir werden dich brauchen können. Steig auf, laß uns zusammen weiterfahren. Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen«, sagten die beiden auf der Turkutschanka; und so fuhren die drei zusammen weiter.

Sie fuhren und fuhren, bis sie schließlich am Rande einer Ebene einen Mann sahen, der sich aufrichtete und sogleich wieder duckte, als fürchte er sich vor etwas. Die drei fuhren heran und fragten ihn: »Heda, Brüderchen, was bist du für ein Mensch?«

Der Mann antwortete leise:

»Still, still, seht ihr denn nicht die wilde Rentierkuh mit ihrem Kälbchen dort? Die will ich greifen. Ich kann so schnell laufen wie der Wind, aber weil das dem Zaren dieses Landes nicht gefällt, hat er mir ein Bein gefesselt, damit ich nicht allzu flink bin. Nun vergnüge ich mich hier, die Rentierkuh zu fangen.«

»Das trifft sich gut«, riefen die Männer auf der Turkutschanka. »Zeig uns deine Kunst!« Der Gefesselte jagte davon und ergriff die Rentierkuh am Bein.

»Du bist ein geschickter Mann«, riefen die drei. »Wir werden dich brauchen können. Steig auf, laß uns zusammen weiterfahren. Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen.«

Und so fuhren die vier zusammen weiter. Sie fuhren und fuhren, bis sie schließlich an zwei hohe Berge kamen, zwischen denen ein Mensch saß, der Schnee auf der Nase hatte. Die vier fragten ihn:

»Heda, Brüderchen, was bist du für ein Mensch? Warum liegt auf deiner Nase Schnee?«

»Ich bin einer, dem an Stärke niemand gleichkommt«, sagte der Mann.

»Wenn ich mit meiner Nasenspitze diese beiden Berge berühre, verschwinden sie, als wären sie nie gewesen.«



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»Das trifft sich gut«, sagten die Männer auf der Turkutschanka. »Zeig uns deine Kunst!«

Der Mann drehte seinen Kopf nach rechts und nach links und berührte mit seiner Nasenspitze die beiden Berge. Sogleich waren sie verschwunden.

»Du bist ein starker Mann«, riefen da die vier. »Wir werden dich brauchen können. Steig auf, laß uns zusammen weiterfahren. Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen.«

Und so fuhren die fünf zusammen weiter.

Sie fuhren und fuhren, bis sie plötzlich vor sich einen hohen Felsen aufragen sahen, dessen Spitze einer riesigen Nadel glich. Oben aber, auf der äußersten Spitze des Felsens, saß ein barhäuptiger Mann. Seine Haare waren schneebedeckt.

»Was für ein wunderlicher Mann!« sagte einer der fünf.

Sie fuhren dicht an den Felsen heran und riefen: »Heda, Brüderchen! Was bist du für ein Mensch? Warum sitzest du dort oben?«

»Ich bin einer, der Schneestürme machen kann«, antwortete der Mann. »Wenn ich meinen Kopf schüttele, kommt ein gewaltiger Sturm auf, und Schnee bedeckt das Land.«

»Das trifft sich gut«, sagten die Männer auf der Turkutschanka. »Zeig uns deine Kunst!«

Der Barhäuptige schüttelte seinen Kopf, und es begann ein so gewaltiges Schneetreiben, daß die Gefährten angstvoll schrien:

»Hör auf! Es ist genug! Du bringst uns um!«

Sogleich hörte der Mann auf, seinen Kopf zu schütteln, und der Schneesturm legte sich.

»Komm mit uns«, riefen die fünf. »Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen. Wir werden dich brauchen können.«

Der Barhäuptige willigte ein. So fuhren die sechs zusammen weiter. Und sie fuhren und fuhren, bis sie schließlich zu einem großen See kamen.

An dem Ufer des Sees saß ein Mann, der seine Lippen weit vorgeschoben hatte, als wollte er trinken.

Die sechs riefen ihn an:



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»Heda, Brüderchen! Was bist du für ein Mensch, und warum sitzest du hier?«

»Ich bin einer, der einen großen See austrinken kann, auch diesen hier. Und die beiden Fische, die darin schwimmen, verschlucke ich noch dazu«, antwortete der Mann. Als die sechs auf der Turkutschanka das hörten, sagten sie:

»Das trifft sich gut! Zeig uns deine Kunst!«

Der Mann schob seine Lippen noch weiter vor, schlürfte das Wasser des Sees in sich hinein und verschluckte auch noch die beiden Fische, die darin herumschwammen. Die sechs Reisegefährten sahen einander verwundert an und sagten:

»Willst du nicht mit uns fahren, Brüderchen? Wir werden dich brauchen können. Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen.«

Der Mann willigte ein. Und so fuhren die sieben zusammen weiter. Sie fuhren und fuhren, bis sie schließlich an ein gläsernes Haus kamen, durch dessen dicke Wände sie nicht hindurchschauen konnten und dessen Türen fest verschlossen waren.

Da blickte der Allessehende und Alleshörende in das Haus hinein und sah darin ein schönes junges Mädchen sitzen. Der, dessen Pfeile nie ihr Ziel verfehlten, ergriff seinen Bogen und schoß auf eine der verschlossenen Türen des gläsernen Hauses. Die Pfeile zersplitterten das Schloß. Die Tür sprang auf, und die sieben Männer traten ein. Das Innere des Hauses war aus golden leuchtendem Glas, das ein strahlendes Licht verbreitete. Ein schönes Mädchen saß darin, mit kupfernem Schmuck behangen.

»Woher kommt ihr, und was wollt ihr?«fragte es die sieben Männer.

»Wir sind unterwegs, die launische Sonnentochter zu suchen«, antworteten sie. »Kannst du uns nicht einen Rat geben, wo wir sie finden können?«

»Das kann ich wohl tun«, sagte das schöne Mädchen. »Ich kenne die Sonnentochter und weiß, wo sie zu finden ist. Doch bevor ich euch den rechten Weg weise, will ich ein Mahl bereiten.«

Es ging hinaus und kam nach einer Weile mit einem Arm voll Holz zurück, das aussah wie rotes Kupfer. Und es ging abermals hinaus und



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kam zurück mit einem Arm Voll Holz, das aussah wie Eisen. Nun zündete das Mädchen auf der Herdstelle ein Feuer an und warf das kupferrote und das eisenfarbene Holz hinein. Von der Herdstelle stieg Rauch auf, Flammen schlugen empor, und die sieben Männer waren wie blind. Als sich der Rauch ein wenig verzogen hatte, war das Mädchen verschwunden. Nur sein höhnisches Lachen und Rufen schaute noch von weit her zu den Männern herüber: »Seht doch die sieben, sie wollen mich, die Sonnentochter, fangen! Ha-ha-ha-ha!«

Das Feuer wurde größer und größer, und die Kleider der Männer begannen zu brennen. Da versuchte der Mann, dessen Pfeile nie ihr Ziel verfehlten, das Feuer zu löschen. Das Feuer aber verlöschte nicht, es loderte nur noch heller auf.

Nun versuchte der Mann, der das wilde Rentier am Bein ergriffen hatte, das Feuer mit seinen Händen zu ersticken. Das Feuer aber erstickte nicht. Die Flammen wurden größer und größer, und eine Nebelwolke stieg aus ihnen auf. Jetzt trat der Mann mit dem schneebedeckten Haar an das Feuer heran. Er schüttelte den Kopf, und ein gewaltiger Schneesturm durchtobte das gläserne Haus. Die Nebelwolke stieg hoch, begann zu wachsen und senkte sich langsam wieder herab. Da wurde das Feuer kleiner und kleiner.

»Nun bin ich an der Reihe«, rief der Mann, der den See mit den beiden Fischen in sich hineingeschlürft hatte. Er sprang zur Herdstelle und spie so lange Wasser in die knisternde Glut, bis das Feuer gänzlich erloschen war. Eilig wollten die sieben das gläserne Haus verlassen, aber die Tür hatte sich schon wieder fest geschlossen. Diesmal gelang es jedoch auch dem Mann mit den Pfeilen nicht, die Tür zu öffnen. Seine Pfeile prallten mit verbogenen Spitzen zurück.

Da berührte der Mann, der Berge zertrümmern konnte, mit der Spitze seiner schneebedeckten Nase die Wand des gläsernen Hauses. Das Haus zerbrach in zwei Hälften, und die sieben Männer traten ins Freie. Der Allessehende und Alleshörende hielt sogleich Ausschau nach der Sonnentochter. »Weit weg von hier erblicke ich die Launische«, rief er.

»Sie glaubt sich in Sicherheit und lacht über uns.«

Kaum hatte der Schnelläufer das gehört, da jagte er ihr auch schon nach.



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Wieder hielt der Allessehende und Alleshörende Ausschau.

»Unser Läufer kann die Sonnentochter nicht einholen«, sagte er. »Die schwere Eisenkugel an seinem Bein hält ihn zurück.«

Sogleich spannte der Mann, dessen Pfeile nie ihr Ziel verfehlten, seinen Bogen, legte an und durchschoß das Schloß an der Kette der schweren Eisenkugel. Die Kugel blieb liegen, und der Läufer stürmte mit doppelter Geschwindigkeit davon.

Der Allessehende und Alleshörende verfolgte ihn weiter mit seinen Blicken. Plötzlich rief er: »Oh, oh, ein Unglück ist geschehen. Ich sehe den Läufer ratlos am Ufer eines großen Sees stehen, während am jenseitigen Ufer die Sonnentochter sitzt und ihn auslacht. Zauberkraft muß ihr geholfen haben, das große Wasser zu überspringen.«

Da ging der Mann, der als erster auf der Turkutschanka gesessen hatte und daher von den übrigen »der Erste« genannt wurde, an seinen Schlitten. Er spannte sein geflecktes Rentier aus, legte ihm einen goldenen Sattel auf den Rücken und sprach zu dem Mann, der den See ausgetrunken hatte:

»Sitz auf und reite zu unserem Läufer! Hilf ihm, über den See zu kommen

Der Mann tat, wie ihm geheißen. Er ritt an den See, legte sich auf die Erde, schob die Lippen weit vor und schlürfte das Wasser des Sees in sich hinein. Sofort setzte sich der Läufer in Bewegung, und schon nach wenigen Augenblicken hatte er die Sonnentochter eingeholt.

Die Männer hoben das Mädchen auf das gefleckte Rentier und kehrten mit ihm zu den wartenden Gefährten zurück.

Nun fuhren die sieben mit der Sonnentochter in ihrer Mitte den Weg zurück, den sie gekommen waren.

An der Stelle, wo der Mann gesessen hatte, der große Seen leer trinken konnte, sprach der Erste zu ihm:

»Ich danke dir, daß du mir geholfen hast. Steige nun aus und geh heim zu den Deinen. Die beiden Fische aber, die du damals verschluckt hast, wirf wieder ins Wasser. Sie werden sich vermehren und den Menschen zur Nahrung dienen. Du aber sollst der Herr allen Wassers sein.«

Sie fuhren weiter und kamen zu der Stelle, wo der Mann mit dem schneebedeckten Haar gesessen hatte. Der Erste sprach zu ihm:



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»Ich danke dir, daß du mir geholfen hast. Steige nun aus, bleibe hier und sei der Herr aller Schneestürme. ((Und wieder fuhren sie weiter und kamen dorthin, wo der Mann gesessen hatte, der mit seiner Nasenspitze Berge zertrümmern konnte.

»Ich danke dir, daß du mir geholfen hast«, sagte der Erste zu ihm. »Steige nun aus, bleib hier und sei der Herr der Berge. Sorge für die Tiere, die dort leben. Schicke etliche davon zu den Menschen, damit sie ihnen dienen und Nahrung geben.«

Und weiter fuhren sie und kamen dorthin, wo der Schnelläufer gehockt hatte. Der Erste sprach zu ihm: »Ich danke dir, daß du mir geholfen hast. Steige nun aus, bleibe hier und sei der Herr der wilden Rentiere. Schütze sie, damit sie sich vermehren können und den Menschen zur Nahrung dienen.«

Und wieder fuhr die Turkutschanka weiter, und die Gefährten kamen dorthin, wo der Mann gesessen hatte, dessen Pfeile nie ihr Ziel verfehlten. Der Erste sagte zu ihm: »Ich danke dir, daß du mir geholfen hast. Steige nun aus, geh heim zu den Deinen und bringe den Menschen das Glück in der Jagd.«

Und weiter ging die Fahrt bis zu der Stelle, wo der Allessehende und Alleshörende in die Turkutschanka gestiegen war. Da sagte der Erste zu ihm:

»Auch dir danke ich, daß du mir geholfen hast. Steige nun aus, bleibe hier und wache über die Neugeborenen, daß sie klare Augen und helle Ohren bekommen.«

Und weiter fuhr die Turkutschanka. Sie fuhr und fuhr, bis der Erste mit der Sonnentochter in sein Heimatland kam. Dort lebten sie fortan glücklich zusammen. Von der Zeit an war die Sonnentochter nie mehr launisch, und die Sonne strahlte über diesem Lande zur Freude aller Menschen.


Die wunderbare Handmühle

Ein armes elternloses Mädchen war allein geblieben wie ein Lamm und als Pflegekind in eine böse Wirtschaft gekommen, wo es keinen anderen Freund hatte als den Hofhund, dem es zuweilen eine Brotrinde gab.



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Das Mädchen mußte vom Morgen bis zum Abend für die Bäuerin auf der Handmühle mahlen, und stand einmal die Mühle still, weil die müde Hand ausruhen wollte, so war gleich der Stock da, um das arme Kind anzutreiben. Des Abends waren die Hände der Waise so starr wie Klötze. Das Gnadenbrot, das die Waisen essen, mußte fast immer mit Schweiß und Blut bezahlt werden. Niemand hörte die Seufzer der Waisen und zählt die Tränen, die über ihre Wangen rollen.

Eines Tages, als das arme Mädchen wieder die schwere Mühle drehte und traurig war, weil die Frau ihr nichts zu essen gegeben hatte, humpelte ein einäugiger Bettler in zerlumpten Kleidern heran. Es war kein wirklicher Bettler, sondern ein Zauberer aus Finnland, der sich, um nicht erkannt zu werden, in einen Bettler verwandelt hatte.

Der Bettler setzte sich auf die Schwelle, sah sich die schwere Arbeit des Kindes an, nahm ein Stück Brot, steckte es dem Kinde in den Mund und sagte:

»Mittag ist noch weit, iß etwas Brot zur Stärkung.«

Die Waise nahm den trockenen Bissen, und er schmeckte ihr besser als Weißbrot, auch fühlte sie gleich ihre Kräfte wachsen.

»Du Arme«, sagte der Bettler, »dir müssen wohl von dem ewigen Drehen die Hände recht müde sein?«

Das Mädchen sah den Alten ungewiß an, wie um zu forschen, ob seine Frage mitleidig oder spöttisch gemeint sei. Da es aber fand, daß sein Antlitz einen liebreichen und ernsthaften Ausdruck hatte, erwiderte sie: »Wer kümmert sich um die Hände einer Waise? Das Blut dringt mir unter den Nägeln hervor, und der Stock fährt mir über den Rücken, wenn ich nicht soviel arbeiten kann, wie die Frau verlangt.«

Der Bettler ließ sich erzählen, was für ein Leben das Kind hatte. Als die Waise alles gesagt hatte, wie es die Frau mit ihr trieb, nahm der Alte aus seinem Sacke ein altes Tuch, gab es ihr und sagte:

»Wenn du dich heute abend schlafen legst, binde dies Tuch um deinen Kopf und seufze aus der Tiefe des Herzens: >Süßer Traum, trage mich dahin, wo ich eine Handmühle finde, die von selbst mahlt, so daß ich mich nicht mehr abmühen muß!«

Die Waise barg das Tuch an ihrer Brust und dankte dem Alten, der sich nun entfernte.



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Als sich das Waisenkind abends schlafen legte, band es das Tuch um den Kopf und sprach unter Seufzern und Tränen seinen Wunsch, obgleich es selber nicht viel Hoffnung darauf setzte. Dennoch schlief es leichteren Herzens ein als sonst. Ein wunderbarer Traum führte das Mädchen in weite Ferne und ließ es viel seltsame Dinge erleben. Zuletzt kam es tief unter die Erde -da mochte wohl die Hölle sein, denn alles sah schauerlich und fremd aus. Die Hoftore standen weit offen, und kein lebendes Wesen rührte sich. Als das Mädchen weiterging, hörte es ein Geräusch wie von einer Handmühle. Dem Geräusch folgend, ging das Mädchen schüchtern weiter, bis es in einer Kammer einen großen Kasten fand, aus dem das Geräusch drang. Das Mädchen war aber nicht stark genug, den Kasten auch nur anzuheben, geschweige denn von der Stelle zu bringen.

Da sah es im Stall ein weißes Pferd an der Krippe, und es zog das Pferd hinaus und spannte es mit Stricken vor den Kasten. Dann setzte es sich auf den Deckel des Kastens, nahm eine lange Rute und fuhr nach Hause. Als es am andern Morgen erwachte, stand der Traum so lebendig vor ihm, als wäre es wirklich auf dem Kasten gefahren. Es öffnete die Augen - da stand der Kasten wirklich neben seinem Lager. Es sprang auf, nahm einen halben Scheffel Gerste, der vom Abend nachgeblieben war, schüttete es in die Öffnung, die es im Deckel des Kastens fand, und siehe da: Die Mühle fing augenblicklich an zu lärmen! Es dauerte nicht lange, so war das fertige Mehl im Sack . . . Jetzt hatte die Waise ein leichtes Leben; die Mühle im Kasten mahlte alles, was man ihr bot, und das Mädchen hatte weiter keine Mühe, als das Getreide oben hineinzuschütten und das Mehl unten herauszunehmen. Den Deckel des Kastens durfte es aber nicht öffnen, das hatte ihm der Bettler streng verboten, es würde sein Tod sein.

Die Frau merkte bald, daß der Kasten dem Waisenkind beim Mahlen half; sie beschloß daher, das Mädchen aus dem Hause zu jagen und dafür den Mahlkasten zu behalten, der kein Futter verlangen würde. Zuerst aber wollte sie sehen, was es mit der wunderbaren Mühle für eine Bewandtnis habe.

Die Begierde, das Geheimnis zu erfahren, peinigte die Frau bei Tag und Nacht. An einem Sonntagmorgen schickte sie darum das Waisenkind



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zur Kirche und sagte, sie selbst wolle das Haus hüten. Ein so freundliches Anerbieten hatte die Waise noch niemals vernommen. Vergnügt zog sie ein reines Hemd an, schlüpfte schnell in ein sauberes Kleid und machte sich eilig auf den Weg.

Die Wirtin wartete hinter der Tür, bis das Mädchen verschwunden war, nahm dann einen halben Scheffel Getreide und schüttete es auf den Deckel, damit der Kasten es mahle; aber der Kasten tat es nicht. Erst als eine Handvoll durch die Öffnung des Deckels rutschte, begann er zu lärmen. Nun versuchte die Frau den schweren Kastendeckel zu heben, und nach vieler Mühe ging er endlich so weit auf, daß sie den Kopf hineinstecken konnte, aber - o weh! —eine lichte Lohe schlug aus dem Kasten heraus und verbrannte die Habgierige, daß nichts weiter von ihr übrigblieb als ein Häuflein Asche.

Nach einiger Zeit wollte der Mann eine andere Frau nehmen, da fiel ihm die Waise ein, die nun groß und erwachsen war, so daß er nicht erst anderswo auf die Freite zu gehen brauchte. Die Hochzeit wurde still gefeiert, und als sich die Nachbarn am Abend entfernt hatten, ging der Mann mit seiner jungen Frau zu Bette. Als diese den andern Morgen in die Kammer ging, war der wunderbare Kasten verschwunden, ohne daß man die Spur eines Diebes fand. Obgleich nun überall gesucht und nah und fern angefragt wurde, ob der Kasten irgend jemand zu Gesicht gekommen sei, hat man doch bis auf den heutigen Tag nichts entdeckt. Die wunderbare Handmühle, die einst ein Traum aus der Tiefe der Erde heraufgeholt hatte, mußte wohl auf ebenso wunderbare Weise dahin zurückgekehrt sein.


Jeder kriegt, was er verdient

Einst ging ein armer alter Mann die Straße entlang. Es war schon spät, und der Abend dunkelte.

Der Alte dachte bei sich: >Ich werde beim nächsten Haus anklopfen und um Einlaß bitten.< Da stand ein schönes großes Haus. Er pochte ans Fenster und sagte:

»Gestattet, daß ich hier übernachte.«



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Da kam die reiche Bäuerin vor die Tür und begann auf den Alten zu schelten.

»Gleich laß ich die Hunde von der Kette«, schrie sie. »Wirst schon sehen, wie man bei mir übernachtet. Mach, daß du fortkommst!«

Der Alte ging weiter. Bald sah er ein kleines ärmliches Hüttchen. Er klopfte an und bat:

»Gebt mir Obdach für eine Nacht!«

»Tritt ein, tritt ein«, antwortete die Hausfrau freundlich. »Übernachte, doch nimm nicht übel, daß es bei uns so eng und laut ist.«

Der Wandersmann trat ein und sah: es war ein armes Haus mit vielen Kindern, und alle hatten zerrissene Hemden an.

»Weshalb laufen deine Kinder zerlumpt herum?«fragte der Wanderer.

»Weshalb nahst du ihnen keine neuen Hemden?«

»Wie sollte ich?« erwiderte die Frau. »Mein Mann ist gestorben, ich ziehe die Kleinen allein auf. Wo nehme ich da neue Hemden her? Wir haben nicht einmal genug Geld, um satt zu werden.«

Der Wanderer hörte es, sagte aber kein Wort. Die Hausfrau deckte den Tisch und lud auch den Fremden ein: »Setz dich, iß mit uns.«

»Nein«, erwiderte der. »Ich mag nicht, ich habe erst vor kurzem gegessen.

Er knüpfte sein Bündel auf, nahm heraus, was an Eßbarem drin war, und bewirtete die Kinder. Dann legte er sich nieder und schlief im Handumdrehen ein.

Frühzeitig erwachte der Alte. Er bedankte sich bei der Frau für das Nachtlager und sagte zum Abschied:

»Alles, was du morgens anfängst, wirst du bis abends tun.«

Die Frau verstand nicht den Sinn seiner Worte und achtete auch nicht weiter darauf. Sie begleitete den Alten bis ans Gartenpförtchen, und als sie zurückging, dachte sie:

>Wenn dieser arme alte Mann schon sagt, daß meine Kinder zerlumpt sind, was denken dann erst die anderen!<

Sie beschloß, aus dem Restchen Leinwand, das sie noch besaß, wenigstens ein Hemd zu nähen. Doch zuerst ging sie zur reichen Nachbarin und bat sie um den Meßstock, denn sie wollte die Leinwand messen —vielleicht reichte sie nicht mal für ein einziges Hemd?



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Als die arme Frau von der Nachbarin kam, ging sie in die Kammer. Nahm die Leinwand vom Bord und begann sie zu messen. Und wie sie maß, wurde das Stück immer länger und länger; kein Ende war zu sehen. Den ganzen Tag maß sie, und erst spätabends wurde sie fertig. Jetzt hatte sie so viel Leinwand, daß es für sie und ihre Kinder bis an ihr Lebensende reichte!

>Das also war es, was heute früh der Fremde meinte<, dachte die arme Frau.

Abends brachte sie den Meßstock der reichen Nachbarin zurück und erzählte ihr, ohne etwas zu verheimlichen, wie sie auf Geheiß des Fremden zu einer Kammer voll Leinwand gekommen war.

»Ach, weshalb habe ich ihn nur abgewiesen«, bedauerte die Reiche und rief:

»He, Knecht, schirre das Pferd an und fahre dem Bettler nach. Bring ihn zu mir, ganz gleich wie. Man muß armen Leuten helfen, das habe ich schon immer gesagt.«

Der Knecht fuhr sogleich los, um den fremden Wanderer zu suchen. Erst am nächsten Tag holte er ihn ein. Doch der Alte war nicht gesonnen umzukehren.

Das betrübte den Knecht, und er sagte:

»Es wird mir schlimm ergehen. Bringe ich dich nicht, jagt mich die Bäuerin davon und wird mir auch den Lohn nicht zahlen.«

»Reg dich nicht auf, Junge«, erwiderte der Alte. »Soll es sein, ich fahre mit dir zurück.«

Und er setzte sich in den Wagen.

Die Reiche aber stand schon am Tor und wartete voller Ungeduld auf den Alten.

Sie begrüßte ihn lächelnd, wobei sie sich tief verbeugte, führte ihn ins Haus, bewirtete ihn mit Speise und Trank, bereitete ihm ein weiches Lager.

»Leg dich hin, Großväterchen, ruh dich aus, Bester!«

Der Alte bleibt bei der Frau einen Tag, einen zweiten und einen dritten, ißt, trinkt und schläft und raucht sein Pfeifchen. Die Hausfrau deckt ihm den Tisch und spricht freundlich mit ihm, insgeheim aber frißt die Wut an ihr, und sie denkt:



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>Wann wird sich der alte Nichtstuer endlich fortscheren!<

Doch sie wagt nicht, den Alten davonzujagen, denn dann waren ja alle ihre Mühen umsonst gewesen.

Am vierten Tag in der Frühe machte sich der Alte zur größten Freude seiner Wirtin reisefertig. Die Reiche begleitete ihn vor die Tür. Doch der Alte ging schweigend zur Gartenpforte. Auch draußen sprach er kein Wort. Da hielt es die reiche Frau nicht länger aus und fragte: »Sag, was soll ich heute tun?«

Der Fremde sprach: »Alles, was du am Morgen anfängst, wirst du bis abends machen.«

Die Frau rannte ins Haus. Flink nahm sie den Meßstock, um die Leinwand zu messen.

Doch im selben Augenblick mußte sie niesen, und sie nieste so kräftig, daß die Hühner auf dem Hof vor Schreck nach allen Seiten stoben.

Den ganzen Tag nieste sie ohne Aufhören:

»Hatschi, hatschi, hatschi!«

Und sie konnte weder essen noch trinken, noch ein Wörtlein sprechen, die reiche Frau. Man hörte immerfort nur ihr »Hatschi!«.

Erst als die Sonne unterging und es dunkel wurde, hörte sie zu niesen auf.


Der Zwerge Streit

Es ging einmal ein Mann durch einen Wald und stieß auf eine kleine Lichtung, wo drei Zwerge in ärgern Streit lagen. Sie schlugen und stießen einander, traten sich mit Füßen und packten sich an den Haaren, daß es greulich anzusehen war. Der Mann trat näher und fragte, worüber sie sich stritten.

»Wie gut, daß du gekommen bist, Bauer«, schrien die Zwerge, »du kannst Richter sein und unsern Streit schlichten!«

Der Mann sagte: »Erst erzählt mir die Ursache eures Streites, damit ich Recht sprechen kann. Aber schreit nicht alle zugleich, sondern jeder rede zu seiner Zeit und deutlich, damit ich aus dem, was ihr vorbringt, klug werde.«



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»Wohlan«, erwiderte einer der Zwerge, »ich will dir den Ursprung unseres Streites erklären. Höre! Gestern starb unser Vater, und wir drei Brüder wollten nun seine Erbschaft untereinander teilen. Daraus entstand der Streit.«

»Welche Erbschaft hinterließ euch euer Vater?«fragte der Mann.

»Hier ist sie«, erwiderte der Zwerg und zeigte dem Manne einen alten Filzhut, ein Paar Bastschuhe und einen kräftigen Knüttel.

»Ihr seid wohl nicht klug«, sagte der Mann, »sind denn diese unnützen Dinge des Streites wert? Ein Klügerer würde sie alle zusammen auf den Misthaufen werfen. Da ihr das aber nicht wollt, so teilt denn. Ihr seid eurer drei, und drei Dinge hat euer Vater euch hinterlassen. Also nehme einer den Hut, der andere die Bastschuhe und der dritte den Stock; so ist die Sache in Ordnung.«

»Das geht nicht!«schrien die Zwerge. »Diese Dinge darf niemand trennen, sonst schwindet die Zauberkraft.«

Der Mann fragte: »Warum darf man diese Dinge nicht trennen?« Und der eine Zwerg antwortete:

»Der alte, verknitterte Hut, den du siehst, ist für den, der ihn trägt, der größte Schatz. Wer diesen Hut trägt, sieht alles, was auf der Welt vorgeht, es sei nah oder fern, sichtbar oder unsichtbar. Der Besitzer des Hutes kann sogar die Gedanken der Menschen erkennen. Legt er dann die Bastschuhe an und sagt: >Ich will nach Kurland oder Polen<, so braucht er nichts weiter zu tun, als den Fuß zu heben, und im Nu gelangt er dorthin. Nimmt er dann noch den Stock in die Hand und schlägt damit durch die Luft, so muß alles vor ihm schwinden, es sei Freund oder Feind, auch starre Felsen, Berge und selbst böse Geister müssen vor diesem Stocke vergehen. Merkst du nun, warum man diese drei Dinge nicht trennen darf? Wir müssen uns ihrer der Reihe nach bedienen, der eine heute, der andere morgen und der dritte übermorgen.«

»Die Sache scheint spaßhaft genug«, sagte der Mann, dem beim Anhören dieser Erzählung ein Gedanke aufstieg. »Wenn ich aber euren Streit schlichten soll, so muß ich erst probieren, ob auch alles wahr ist, was ihr sagt.«

»Das kannst du tun«, riefen die Zwerge, »aber beeile dich. Heute wird



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in Kurland gerade eine prächtige Hochzeit gefeiert, und alle unsere Freunde und Verwandten haben sich dort versammelt. Wir möchten auch dorthin.«

»Das könnt ihr leicht tun«, antwortete der Mann, »wenn die Zauberkraft wirklich in den Dingen steckt.«Darauf nahm er zuerst den alten, verknitterten Hut zur Hand und sah, daß er nicht aus Filz gemacht war, sondern aus menschlichen Nägelschnitzeln. Als er den Hut aufsetzte, ward er die prächtige Hochzeit in Kurland gewahr und alles, was sonst noch in der weiten Welt geschah. Darauf sagte er zu den Zwergen: »Legt mir nun die Bastschuhe an und gebt mir den Stock, dann stellt euch alle drei in eine Reihe, den Rücken zu mir und das Gesicht gen Morgen gewendet; aber schaut euch nicht früher um, als bis ich euch sage, wie ihr eure Zauberdinge teilen müßt.«

Die einfältigen Zwerge erfüllten ohne Widerrede des Richters Geheiß, kehrten das Gesicht nach Morgen und wandten ihm den Rücken zu. Als der Mann den Hut auf dem Kopfe und die Bastschuhe an den Füßen hatte, schwang er den Knüppel und ließ ihn dann auf die Zwerge fallen. Augenblicklich waren diese wie weggepustet, und es war keine andere Spur von ihnen geblieben als drei Tropfen Wasser auf dem Frauenmantelblatt, auf dem die Männlein gestanden hatten. Da ihm das erste Probestück so gut gelungen war, beschloß der Mann, nach Kurland zur Hochzeit zu gehen. Er hob den Fuß auf und rief: »Zur kurischen Hochzeit!«und war im gleichen Augenblick auf dem Fest. Da fand er eine große Menge Menschen versammelt, Hohe und Niedere, denn der Hochzeitsgeber war ein reicher Wirt. Da der Mann mit dem Zauberhute Unsichtbares ebensogut gewahrte wie Sichtbares, sah er, als er die Augen zur Decke emporhob, daß auf den Dörrstangen ein Schwarm von kleinen Gästen saß, deren Zahl viel größer zu sein schien als die der geladenen Gäste, die an den Tischen saßen.

Außer ihm aber konnte niemand das kleine Volk sehen. »Seht doch!« flüsterten die Kleinen. »Der alte Ohm ist auch zur Hochzeit gekommen.« —»Nein!«riefen andere. »Der fremde Mann hat wohl des Ohms Hut, Bastschuhe und Stock, aber der Ohm selber ist nicht hier.«Inzwischen wurden die Schüsseln mit den Speisen aufgetragen. Die Schüsseln waren zwar zugedeckt, doch der Mann sah, was von den übrigen niemand



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bemerkte, daß mit einer wunderbaren Geschwindigkeit die guten Speisen aus den Schüsseln herausgenommen und schlechtere dafür hineingetan wurden. Ebenso ging es mit den Kannen und Flaschen. Jetzt fragte der Mann mit dem Hut nachdem Hausherrn, trat mit schicklichern Gruß zu ihm und sagte:

»Nehmt es nicht übel, daß ich als Fremder zu Eurem Feste gekommen bin.

»Seid willkommen«, entgegnete der Wirt, »Speise und Trank haben wir genug, so daß uns der eine und der andere ungeladene Gast nicht lästig fallen kann.«

»Ich will es glauben«, erwiderte der Mann, »daß ein Gast mehr oder weniger hier nicht lästig fällt; wenn aber die Zahl der ungebetenen Gäste die der gebetenen übersteigt, kann schließlich auch der reichste Wirt zu kurz kommen.«

»Ich verstehe Eure Rede nicht«, sagte der Wirt.

Da gab ihm der Fremde seinen Hut und sagte:

»Setzt meinen Hut auf und hebt die Augen zur Decke, da werdet Ihr schon sehen.«Der Wirt tat das, und als er sah, was für Streiche die kleinen Gäste mit der Mahlzeit verübten, wurde er totenbleich und rief: »Ei, Freundchen, von diesen Gästen hat meine Seele nichts gewußt, und da ich Euren Hut wieder abnehme, sind sie verschwunden. Wie könnte ich sie wohl loswerden?«

Der Fremde erwiderte:

»Ich will Euch die kleinen Gäste bald vom Hals schaffen, wenn Ihr die geladenen Gäste auf kurze Zeit hinausführen, Türen und Fenster sorgfältig verschließen und dafür sorgen wollt, daß nirgends ein Astloch oder ein Spalt in der Wand unverstopft bleibt.«

Obwohl der Wirt dem Dinge nicht recht traute, tat er doch, was der Fremde wünschte. Nach einer kleinen Weile war das Gemach von den geladenen Gästen geräumt, Türen, Fenster und andere Öffnungen sorgfältig verschlossen, und der Mann war mit den kleinen Gästen allein. Da begann er, seinen Knüttel gegen die Decke und in den Zimmerecken zu schwingen, daß es eine Lust war zu sehen! In wenigen Augenblicken war die ganze Schar der kleinen Gäste fort, und auf der Diele lagen so viele Wassertropfen, als hätte es stark geregnet. Nur ein



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Bohrloch war zufällig unverstopft geblieben, da hinaus schlüpfte ein Zwerglein, wiewohl der Knüttel den Flüchtling noch gestreift hatte. Dieser stöhnte auf dem Hof: »Oh, was für ein Schmerz!«

Der Wirt setzte noch einmal den Wunderhut auf, und als er sah, daß alle Zwerglein verschwunden waren, bat er die Gäste, wieder einzutreten. Beim Essen aber vernahm der Fremde die geheimen Gedanken der Hochzeitsgäste und erfuhr manches, wovon die andern nichts ahnten. Der Bräutigam trug mehr Verlangen nach der Habe seines Schwiegervaters als nach seiner jungen Frau, und die Braut glaubte sich durch ihre Heirat ein gutes Leben gesichert zu haben. Jammerschade, daß in unseren Tagen solche Hüte nirgends mehr zu finden sind!



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MÄRCHEN AUS LETTLAND


Der Dumme und das Feuerzeug

Ein Vater hatte drei Söhne, von denen waren zwei klug, der dritte dumm. Der Vater hatte ein großes Kartoffelfeld, das er selbst mit seinen Söhnen bestellt hatte, ich denke mir, um etwas recht Weiches und Süßes zwischen seine alten Zähne zu bekommen. Eines Morgens ging der Alte aus, um seine Kartoffeln zu betrachten; aber er erschrak. Da hatten offenbar die Buben des Nachbarn in der Nacht stibitzt, denn die Kartoffeln waren abgeschnitten, so daß nur noch das Kraut und die Schalen übrig waren, mit dem Weichen hatten die Taugenichtse, die Langfinger, offenbar ihre Kehlen geschmiert. Ganz erbost kam der Alte nach Hause und sagte zu dem einen klugen Sohne: »Hör mal, das geht nicht an! Wir haben Kartoffeln gesteckt und sollen jetzt davon nicht einmal zu riechen bekommen; die Spitzbuben, unsere Nachbarsleute, stehlen sie uns. Deshalb mußt du, Sohn, in der nächsten Nacht Wache halten.«

Der Kluge sagte: »Gib acht, Väterchen, ich will schon sehen, daß ich die Galgenstricke in Zucht nehme.«

Am Abend ging er hin und wartete, im Graben versteckt, was sich ereignen würde.

Schön. Um die Stunde des Hahnenkrähens kam ein Alter mit einem langen grauen Bart. Der Kluge sprang sofort aus dem Graben heraus und dem Alten entgegen. Der Alte bat: »Söhnchen, schenke mir auch ein Kartöffelchen!« Der Kluge antwortete: »Wart einmal, alter Lausemichel, ich will dir ein Kartöffelchen geben!« und wollte den Alten an der Brust packen. Aber klitsch, klatsch! brannte der Alte dem Klugen



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ein paar um die Ohren und verklopfte ihn so gehörig, daß er krumm und lahm nach Hause kroch. Der Vater und die anderen Brüder waren darüber so erschrocken, daß sie nicht wußten, was nun anfangen. Da auf einmal -hast du nicht gesehen! —kommt der dumme Sohn und sagt zum Vater: »Väterchen, nächste Nacht will ich wachen!« Der Vater erwiderte zornig: »Was fällt denn dir ein? Siehst du nicht, wie dein Bruder zugerichtet ist. Dich, dumm wie du bist, wird man ja zu Mehl verpulvern. Dann laß schon lieber den anderen Bruder gehen.«

Der zweite Bruder ging, aber er bekam mit derselben Münze bezahlt, nur noch besser gezählt. Auf allen vieren soll er sich heimgeschleppt haben.

Jetzt war der Vater so erschrocken, daß er nicht mehr ein noch aus wußte; und obgleich er überzeugt war, daß der Dumme glatt totgeschlagen werde, ließ er ihn doch in der dritten Nacht wachen.

Der Dumme geht hin, setzt sich an den Grabenrand, zupft sich ein paar Kartoffeln aus und knabbert an ihnen. Da kommt derselbe Alte und bittet: »Söhnchen, gibst du mir auch ein Kartöffelchen?« Der antwortet: »Ja, Taufväterchen, die allergrößte.«

Nachdem sie die allergrößte ausgesucht hatten, sagte der Alte zum Dummen: »Weil du mir ein so gutes Söhnchen bist und ein so gutes Herz hast, will ich deine Gutherzigkeit nun auch belohnen: geh auf diesem Pfad, bis du an einen Kreuzweg kommst; dann wende dich rechts, so kommst du an ein kleines Häuschen. Dort wird ein altes Mütterchen sein; die Alte ist zwar etwas brummig, aber gehe trotzdem getrost hinein und bitte sie um Taufväterchens Feuerzeug. Sie wird es dir zeigen, dann nimm es und komm wieder her.«

Warum nicht? Der Dumme geht, findet wirklich das Häuschen und das Mütterchen mit einer Unterlippe, die bis auf die Brust hinunterhängt. Die Alte schreit ihn wütend an: »Was suchst du hier?« Er aber antwortet: »Taufväterchen schickt mich nach dem Feuerzeug, das er hier vergessen hat.« Sie zeigt auf den Ofen, wo es liege.

Jener steckt das Feuerzeug in die Tasche und kehrt zum Alten zurück. Der hatte inzwischen das Feld bewacht, so daß keine Kartoffel verzehrt war. Dann sagte der Alte zum Dummen: »Das Feuerzeug schenke ich dir. Alles was du irgend wünschst, wirst du bekommen, wenn du mit



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ihm Feuer schlägst.« Da ging der Dumme frisch und froh, daß er auf einem Fingerhut hätte tanzen mögen, heim. Der Vater aber freute sich sehr, daß sein Kartoffelfeld einmal unversehrt geblieben und den Dieben das Handwerk gelegt war. Der Dumme dachte: >Beim Vater bleibe ich nicht, lieber gehe ich in die Welt hinaus.<

Er zog fort zum Schloß eines Königs, der jenseits des Meeres wohnte. Dieser König hatte Krieg mit einem anderen König, und er hatte versprochen, seine Tochter dem zur Frau zu geben, der den anderen König überwinden würde. Aber noch hatte sich niemand gefunden, der das auf sich genommen hätte. Da dachte der Dumme: »Ei, du Tausendsassa, du hast ja dein Feuerzeug, und was du dir wünschst, das ist dein; melde dich bloß beim König, und wenn es dir glückt, so darfst du die Königstochter nach Herzenslust lieben!«

Gesagt, getan, er geht hin. Der König freute sich sehr, daß sich doch einer finden wollte, der seinem Gegner die Spitze zu bieten wage. Der Dumme nahm sich etwa zehn Mann und schritt der feindlichen Streitmacht entgegen. Die Feinde dachten: >Sieh an, die wollen wir aber gleich in die Binsen jagen!< Aber oho! Der Dumme fing an, Feuer zu schlagen, daß die Funken stoben, und wünschte sich, die Reihen der Feinde möchten in eitel Schwefel verbrennen. Das geschah auch sofort: die Streitscharen der Gegner verbrannten in eitel Schwefel, Pulver und Pech, daß es nur so stank.

Nachdem er den Feind überwunden hatte, ging er zum König, sich das Mädchen zu holen. Das Mädchen aber mochte ihn, solch einen Dummerjan, nicht sehen, denn sie hatte sich in den Sohn des feindlichen Königs verliebt. Der Dumme dachte: >Kommt es nicht aus, so kommt es nicht aus! Hat denn der König bloß eine Tochter? Ich habe da im Schlosse eine hübsche Kammerzofe gesehen, die hat mir freundliche Augen gemacht; wenn ich die bekomme, so mag sich der König seine Tochter um den Hals hängen.<

Unterdessen hatte sich aber der fremde Königssohn mit dem guten König ausgesprochen, und sie waren übereingekommen, Frieden zu schließen, und jener sollte die Prinzessin heiraten dürfen. Als der Dumme das erfuhr, dachte er: >Das Herrchen muß man ein wenig zwicken. Was ist denn das für einer? Eine Königstochter sollte so



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wohlfeil zu haben sein?«Und er erklärte dem fremden Königssohn den Krieg. Jener, der wohl wußte, was für eine Suppe ihm eingebrockt werden würde, besprach sich mit seiner Liebsten, auf welche Weise man dem Dummen sein Feuerzeug rauben könnte. Die Prinzessin sagte: »Wart, wart, mein Herzchen, ich weiß schon, wie ich das Feuerzeug kriege: ich stelle mich ihm zärtlich, verspreche, ihn zu nehmen, und fordere ihn auf, für die Nacht hier ins Königsschloß schlafen zu kommen; das Feuerzeug hat er in der Hosentasche, dann will ich sehen, wie ich es ihm wegstibitze.«

Der Dumme mußte also im Königsschloß schlafen. Eines Abends, als er vom Felde durchnäßt nach Hause kam, warf er seine Hosen ab, hängte sie im Schloß an einen Pflock und dachte gar nicht daran, daß das Feuerzeug in der Hosentasche war. Die Prinzessin wartete ab, bis er eingeschlafen war, nahm die Hosen mitsamt dem Feuerzeug und machte sich auf und davon zu ihrem Liebsten. Am anderen Morgen stand der Dumme auf und suchte seine Hosen, aber er fand und fand sie nicht, mochte er auch mit der Laterne nach ihnen suchen. Da wußte der Dumme genau, daß es ihm jetzt schiefgehen werde. Gern wäre er zu seinem Vater zurückgekehrt, denn er hatte ihm seinen einzigen Schatz übergeben, ein altes graues Pferd und ein kleines weißes Hündchen, und hatte ihm eingeschärft, wenn ihm irgend etwas fehlen sollte, sei es Geld, sei es sonst etwas, auf den Rücken des Grauen zu steigen und dorthin zu reiten, wohin das Hündchen laufen werde. Aber soweit zu denken, war jetzt keine Zeit, denn er mußte bald wieder ins Feuer.

Wohl zog der Dumme mit einer großen Streitmacht ins Feld, aber schon von weitem sah er, wie der fremde König sein Feuerzeug in der Luft schwenkte und Feuer schlug - und schon brannte der Dumme mit seiner Streitmacht, daß es ein Elend anzusehen war. Während er schon brannte, schaute der Dumme noch einmal zurück und sah zum Glück, daß sein weißes Hündchen gelaufen kam und sein Vater auf dem Grauen heransprengte; aber während er noch hinschaute, war er schon zu Fetzen verbrannt.

Als der Graue an die Stelle kam, fing er an mit den Füßen zu scharren und scharrte und kratzte so lange, bis er aus der Asche einen großen Goldhaufen zusammengescharrt hatte, aus dem später ein goldenes



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Pferd entstand. Der fremde Königssohn freute sich über das goldene Pferd, befahl, es in seinen Stall zu führen, und heiratete die Tochter des guten Königs. Dabei erzählte er seinen Hochzeitsgästen, was für ein schönes Pferd er im Stall habe. Die Gäste wollten es sehen, gingen in den Stall, streichelten das schmucke Tier und lobten seine Schönheit. Aber das Pferd fing an auszuschlagen und sagte: »Ich bin nur für mich selbst schön, nicht für einen anderen.« Alle Gäste und der König erschraken und nahmen Reißaus, wohin ihre Füße sie trugen, der eine ins Gebüsch, der andere hierhin, der dahin. Am Abend aber sagte der König zu seiner jungen Frau: »Wir müssen morgen das Pferd totschlagen lassen, was sollen wir sonst mit solch einem sprechenden Tiere anfangen?« Die Königin war es zufrieden. Aber als die Kammerzofe, dieselbe, die dem Dummkopf freundliche Augen gemacht hatte, das hörte, war sie sehr betrübt; und kaum war es dunkel geworden, da ging sie in den Stall und erzählte weinend dem goldenen Pferde von der Absicht des Königs. Das goldene Pferd aber sagte: »Gut, daß ich es weiß. Morgen, wenn sie kommen, mich zu töten, dann komm du auch, liebes Mädchen, und nimm die goldene Pflanze, die, wenn sie mir den Schädel spalten, aus meinem Gehirn herausspringen wird; die pflanze unter des Königs Fenster ein.« Das Mädchen versprach es und ging davon.

Am nächsten Morgen kamen die Henkersknechte und viele Leute, die das goldene Pferd sehen wollten. Dann spalteten die Henkersknechte dem Pferde den Kopf, und eine kleine goldene Pflanze sprang aus dem Gehirn, gerade in die Schürze der Kammerjungfer. Sie verbarg die Pflanze, wartete die Nacht ab und pflanzte sie in der Dunkelheit unter des Königs Fenster ein.

Als der König am nächsten Tag erwacht war, trat er ans Fenster und sah: unterm Schloßfenster stand ein schlanker, goldener Apfelbaum mit goldenen Äpfeln. Verwundert stieg er mit der Königin hinunter und fragte die Diener, wie der goldene Apfelbaum dort entstanden sei. Niemand wußte etwas. Nun gingen sie zum Apfelbaum und wollten einen goldenen Apfel pflücken; aber die Äpfel entglitten ihren Händen und sprachen: »Wir sind nur für uns selbst da und gehören keinem andern.«

Da geriet der König in Zorn und sprach mit der Königin, man müsse



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den Apfelbaum ganz abhacken und verbrennen. Aber die Kammerzofe ging wieder zum Apfelbaum und erzählte ihm, welches Unheil ihm drohe. Der Apfelbaum sagte: »Dann pflücke ein Äpfelchen ab und wirf es in der nächsten Nacht um die Zeit des Hahnenschreis in des Königs Schlafgemach.«

Sie pflückte einen Apfel, der Apfelbaum aber wurde abgehackt und zu Asche verbrannt.

In der nächsten Nacht tat sie, wie ihr befohlen war: sie warf den Apfel in die Stube, und der goldene Apfel verwandelte sich in eine goldene Ente. Neben dem Königsschloß war ein großer See, auf dem schwamm die Ente.

Der König freute sich sehr und wollte die Ente erhaschen, aber die schwamm ein Stückchen vom Ufer fort und sprach: »Wenn du so weit waten kannst, so will ich mich selbst in deine Hand geben.«Der König zog seine Hosen aus, legte sie aufs Ufer und watete ins Wasser. Nachdem er ein Stück gewatet war, erhob sich die Ente -schwirr! — in die Luft und ergriff -wuppdich -die Hosen, in denen sich das alte Feuerzeug befand. Die Ente flog mitsamt den Hosen zu der guten Kammerzofe ins Schloß und sagte: »Jetzt nimm, liebes Mädchen, das Feuerzeug aus der Hosentasche, schlag über meinem Kopfe Feuer und sprich: >Der Dumme soll leben<!«Gut . . . Kaum aber hatte das Mädchen das getan, als sich die Ente in den dummen Sohn verwandelte. Der nahm das Feuerzeug an sich und hieß der Kammerzofe mit ihm das Schloß verlassen. Als sie draußen waren, trat ihnen der König auf der Schwelle ohne Hosen entgegen. Nun schlug der Dumme Feuer, und das ganze Schloß samt König und Königin verbrannte in blauer Flamme. Der Dumme aber wurde nun selber Beherrscher des Königreichs über dem Meere und führte auch seinen Vater und seine Brüder dorthin. Und dann machte er Hochzeit mit der gutherzigen Kammerzofe.

Das war einmal eine Hochzeit! Ich war auch dabei. Ich trug ein zuckernes Kamisol, aus Zucker waren meine Hosen und meine Weste, aus Glas meine Stiefel, aus Bernstein meine Mütze. Ich ging hinaus, ein feiner Regen tropfte, da schmolzen meine Kleider, und ich war kahl. Da stieg ich die Treppe hinauf und zerschlug mir an einer Stufe meine gläsernen Stiefel; bei den Gästen konnte ich mich nun nicht mehr sehen



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lassen, ich ging also in die Küche. Im Ofen wurde gerade ein Braten gebraten. Da schlich ich hin, machte mich an den Braten und aß so lange, bis ich ihn völlig verspeist hatte, da war ich ebenso dick als lang.

Der Koch kam, nach dem Braten zu sehen, er fand ihn nicht. Da packte er mich in seinem Zorn, lud mich als Propfen in eine Kanone und schoß mich hierher. Und wenn ihr's nicht glauben wollt, dann schaut nur her, ich habe noch eben in jedem Hosenschaft ein Loch.


Wie der Herr zum Gaul ward

In alten Zeiten lebte einmal ein grausamer Herr. Der schonte seine Knechte nicht und ließ sie schuften, bis sie mehr tot denn lebendig waren. Selbst am Feiertag durften sie nicht ruhen.

Es war an einem großen Feiertag morgens, als alle Leute von ihrer Arbeit ausruhten, da schickte der Herr seine Knechte auf die Tenne dreschen.

Die Knechte aber konnten vor Müdigkeit kaum mehr auf den Füßen stehen.

Sie hatten kaum erst begonnen, als der Herr, einen Knüppel in der Hand, selber auf die Tenne kam. Er glaubte, sie schwangen nicht fleißig genug die Flegel. Scheltend, fluchend und mit dem Knüppel fuchtelnd, schrie er sie an:

»Ihr Taugenichtse, ich laß euch nicht aus der Tenne, bevor ihr nicht den ganzen Roggen hier gedroschen habt!«

Die Knechte baten den Herrn, er möge ihnen doch erlauben, das Pferd einzuspannen, damit es schneller ginge.

»Was?« schrie der Herr. »Für euch ein Pferd . . . Ich werd' euch, Faulpelze, alle zusammenprügeln, wenn ich noch mal von euch so was höre. Ich geb' euch kein Pferd. Ein Pferd muß nach dem Tagwerk Ruhe haben. Ihr könnt selber arbeiten!«

Er brüllte ein Weilchen, dann ging er fort. Schließlich macht es ja niemandem Spaß, auf der Tenne den Staub zu schlucken.

Doch kaum war er draußen, da hörten die Knechte rufen:

»Hüh, bott, so steh doch!«



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Dann wieherte ein Pferd, und Zaumzeug klirrte. Offenbar schirrte jemand ein Pferd an. Wer konnte das sein?

Da trat ein Greis in die Tenne. Alt und klapprig war er, hatte einen langen grauen Bart, doch seine Augen funkelten und blitzten.

Der Greis führte ein kräftiges falbes Füllen am Zügel. Er wünschte den Knechten einen guten Tag und sprach: »Da habt ihr ein Roß. Schirrt es in die Dreschmaschine und laßt es die schwerste Arbeit machen. Wenn ihr in den Wald nach Holz fahrt, so ladet das Holz nicht auf. Sobald ihr einen Baum gefällt habt, bindet das Roß an die Krone und laßt es den Baum samt den Ästen bis zum Hof eures Herrn schleppen. Sollte es sich jedoch sträuben und nicht schleppen wollen, so prügelt es unbarmherzig, schont eure Knuten nicht. Haut es auf den Rücken, auf die Seiten, nur auf den Kopf dürft ihr es nicht schlagen. Und gebt ihm nichts zu fressen. Wenn ihr es abends in den Stall bringt, könnt ihr es an der Decke aufhängen. Mag es ruhig nach des Tages Arbeit die Nacht über hängen. Das wird ihm nur guttun!« So sprach der Alte und verschwand.

Das Roß aber wieherte laut, und seine Stimme klang wie die des Herrn.

Die Knechte freuten sich, daß sie nun ein Pferd hatten. »Sicher hat uns Vater Perkon, der Herr des Donners und Blitzes, selber das Pferd gebracht«, meinten die Knechte. »Wir müssen seinen Befehl aufs genaueste durchführen. So wie er es verlangt, werden wir es mit diesem Pferd tun.

Und sie spannten den Falben gleich in die Dreschmaschine und begannen mit dem Drusch. Der Falbe aber sträubte sich, wieherte, schlug mit den Hufen, warf den Kopf hin und her und zeigte auf jede Weise, daß er nicht willens war. Na, da bekam er es aber zu spüren, daß Trotz zu nichts Gutem führt.

Und von jenem Tag an blieb es so. Wo es eine besonders schwere Arbeit gab, mußte der Falbe sie machen. Und wollte er nicht, tanzten die Knüppel und Knuten auf seinem Rücken.

So schaffte denn der Falbe von früh bis spät ohne Pause, und nachts im Stall hängten sie ihn auf und sagten: »Häng schön bis morgen früh!«



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Zu essen kriegte er auch nichts. In der ganzen Zeit klaute er nur heimlich im Winter ein Büschel Stroh vom Wagen und rupfte sich im Sommer ein paar Brennessel unterm Zaun.

Seit jenem Tag, als das falbe Füllen auf den Hof kam, war der schlimme Herr verschwunden. Es wurde lange nach ihm gesucht, aber nirgends war er zu finden.

Ein Jahr verging. Der einst kräftige, stattliche Falbe wurde dürr und immer dürrer. Seine Augen sanken ein, die Lippen hingen schlaff, man konnte die Rippen zählen, der Rücken war krumm, und das Fell zottelte. Eines Tags, als die Herrin den Falben auf dem Hofe sah, sagte sie zum Oberknecht:

»Diesen räudigen Gaul bringe in den Wald und stich ihn ab! Zur Arbeit taugt er doch nicht mehr, man ekelt sich nur, ihn anzusehen.«

Doch der Oberknecht erriet wohl, was es mit diesem Gaul auf sich hatte, und er tötete ihn nicht.

Eines Morgens an einem großen Feiertag, als alle Leute ruhten, stahl sich der Falbe aus dem Stall. Er schlich in den Gemüsegarten und tat sich am Weißkohl gütlich. Auf ihrem Spaziergang kam die Herrin in den Gemüsegarten. Was sah sie dort? Stand doch der räudige Gaul da und verschlang gierig den Kohl. Da wurde die Herrin zornig.

»Ach, du nichtsnutziges Biest! Warte, gleich will ich's dir zeigen!« Einen dicken Knüppel nahm sie und schlug damit das Pferd auf den Kopf. Und kaum hatte sie zugeschlagen, sprach der Herr mit kläglicher Stimme:

»Liebstes Frauchen, warum schlägst du mich? Tut es dir denn um die paar Kohlblätter leid? Für mich sind sie nach einem ganzen Jahr hungern ein besserer Schmaus als die feinsten Gerichte, die ich früher gegessen habe.«

Da erkannte ihn die Herrin und begann zu jammern und zu stöhnen. Dürr war er geworden, schwarz und bärtig; seine Nägel waren lang, der Leib mit Beulen bedeckt, und von seiner Kleidung hingen nur noch schmutzige Fetzen an ihm.

Die Herrin nahm den Herrn bei der Hand und führte ihn leise ins Haus, damit keiner ihn sähe.

Seit jener Zeit ist der Herr still und friedlich geworden.



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Wie der Holzhauer den Teufel überlistet und die Königstochter gewinnt

Einmal sah ein Holzhauer, während er im Walde beschäftigt war, einen Marder laufen. Gleich setzte er ihm mit seiner Axt nach. Aber der dumme Tropf konnte ihn, sosehr er auch rannte, nicht fangen und verirrte sich noch dazu -das hatte er nun. Er irrte also hin und her, es wurde dunkel, und so mußte er, ob er wollte oder nicht, auf einen Baum klettern, einen dichtwipfeligen Baum, und dort übernachten (am Boden zu schlafen, wagte er nicht, dort hätte irgendein Tier ihn fressen können). Nun mochte es kurz vor Tagesanbruch sein, da hörte er unter sich ein heftiges Gezänke. Wer zum Henker tut euch da etwas zuleide? Er schaut hin und sieht: ein Löwe, ein Windhund, eine Katze, ein Adler, eine Ameise, ein Hahn, ein Sperling und eine Fliege sind auf einen gefallenen Elch gestoßen und schreien einer lauter als der andere:

»Ich will ihm den Grabgesang singen!«—»Nein, ich will ihm den Grabgesang singen!«Nun war es wunderbar, daß auf einmal alle dem Elch gut Freund gewesen sein wollten. Die Fliege habe dem Elch sein Leben lang hinter dem Ohr gesessen, der Windhund sei dann und wann mit ihm um die Wette gelaufen, die Ameise und der Adler hätten in seiner nahen Nachbarschaft gewohnt, die Katze sei mit der Frau des Eichs gut bekannt gewesen, und der Hahn, der wundert sich bloß und ruft in den Haufen: »Verwandtschaft her, Verwandtschaft hin, aber ich habe die schönste Stimme!«

Der Holzhauer horcht und horcht im Wipfel der Tanne, was wohl dabei herauskommen werde. Da hat ihn einer oder der andere erspäht und ruft: »Komm, schlichte unseren Streit, wer singen soll und wer nicht.« Der Holzhauer klettert hinunter, besinnt sich eine Weile und sagt: »Was kann ich euch da sagen, ich selber muß singen, sonst bekommen wir den Elch nicht unter die Erde.«

»Das ist richtig, das ist wie eine Bestimmung!« rufen sie alle wie aus einem Munde. Und für seinen klugen Schiedsspruch will ihn noch jeder gut belohnen: jeder werde ihm von seiner Kraft abgeben; sobald er etwas brauche, solle er nur des einen oder andern gedenken, sogleich



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werde er die Gestalt eines Löwen oder einer Fliege oder auch eines Windhundes oder Hahnes annehmen können.

Gut, der Holzhauer sang dem Elch das Grablied, daß davon der ganze Wald erklang, dann verwandelte er sich in einen Löwen und machte sich schnell aus dem Walde davon.

Am Waldesrande begegnete er einem Schweinehirten. Der Arme weinte bitterlich. — »Was fehlt dir, mein Junge?«Ja, was solle er machen, der Teufel werde in kürzester Zeit alle seine Schweine auffressen. »Ei, was du sagst, wie hat er dich denn so in seine Gewalt bekommen ?«

»Ja, ich bin nicht schuld daran, der König selbst ist schuld: er hatte sich vor einigen Tagen hier im Walde verirrt und wußte keinen Ausweg. Da hat sich, Gott weiß woher, ein fremder Herr eingefunden und hat sich erboten, ihn aus dem Walde zu führen; aber zuvor mußte er ihm versprechen, ihm jeden Tag ein Schwein zu geben, und wenn es mit den Schweinen zu Ende geht, die Königstochter, sein eigenes Kind. Schau, jetzt wird er die Schweine fressen und dann noch Schwiegersohn des Königs werden. Natürlich wollte der König einen solchen Schwiegersohn nicht einmal sehen; er hat versprochen, jedem, wer es auch sei, seine Tochter zum Weibe zu geben, wenn er nur den Unhold umbringt.«

»So, so! Dann wird man wohl versuchen müssen, den Schweinefresser in die Hände zu bekommen. Ich selbst bin ja zum Schwiegersohn des Königs geradezu wie geschaffen, darum keine Sorge!«

Er geht zum König und spricht ihn auch. Der König ist einverstanden, er solle also anstatt des Jungen die Schweine hüten. Gut. Er hütet sie den ersten Tag, dann geht es gegen Abend, da ist auch der Teufel zur Stelle, packt ein Schwein und verschwindet mit ihm im Wald. Da ruft mein Holzhauer schnell, schnell die übrigen Schweine nach Hause, verwandelt sich in einen Windhund und läuft auf einem Umwege dem Teufel entgegen. Wie sie sich treffen, sagt der Teufel: »Guten Abend, Windhund, schau, was ich für eine schwere Last zu schleppen habe!«

»Schwer oder nicht schwer, davon zu sprechen ist jetzt keine Zeit; hinter sieben Wäldern, im achten, will sich eben ein Vogt erhängen und kriegt es nicht fertig, es fehlt ihm an Mut; lauf lieber hin und such den



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festzukriegen! Was willst du dich mit dem dummen Schwein abrackern?« «

»Liebes Hündchen, ist das wirklich wahr? Dann muß ich eilen, Brüderchen; hier halt das Schwein ein Weilchen, gleich bin ich zurück. Und gelingt es mir, so sollst du das halbe Schwein haben.«

Der Teufel lief davon, der Windhund aber verwandelte sich wieder in einen Holzhauer und führte sein Schwein unversehrt heim.

Am nächsten Tag gegen Abend kam der Teufel ganz verdrießlich gelaufen und packte sich wieder ein Schwein. Aber der Holzhauer nahm die Gestalt eines Adlers an, flog im Bogen jenem entgegen und fragte verwundert: »Eßt denn Ihr, Herr, heute Schweinefleisch?«

»Was bleibt mir denn übrig, Väterchen Adler, manchmal müssen wir vor Hunger sogar Stricke kauen und Eisenwerk schlingen.« —»Ach geh mir, du Tor! Drüben in der anderen Welt hörte ich eben ein Kind schreien, eine Rabenmutter hat ihr Kleines ertränkt, lauf lieber, das zu verschlingen.« —»Wie, ist das wirklich wahr?« Da riß der Teufel in aller Eile eine Eiche mitten auseinander, zwängte das Schwein wie in eine Zwicke hinein und rannte keuchend in die andere Welt. Der Holzhauer aber holte sich das Schwein aus der Eiche und ging hohnlachend heim.

Am dritten Tage hütete der Holzhauer lange die Schweine, ohne daß der Teufel sich zeigte, und doch stand schon der Abend vor der Tür. Er trieb also seine Schweine in den Stall ein und dachte: >Wenn nur der Taugenichts nicht in der Nacht kommt! Ich muß als Hahn auf der Stange bleiben und ihn erwarten.<

Und wirklich, um Mitternacht erschien der Teufel ganz ausgehungert und machte sich an der Stalltür zu schaffen. Aber da stimmte der Hahn seinen Gesang an, und der Teufel stob davon, ohne auch nur einen Laut von sich zu geben

Aber meinst du wohl, daß solch ein Bösewicht ohne Raub abziehen wird? Kein Gedanke! Wie er am Königsschloß vorbeikam, riß er die Königstochter mir nichts, dir nichts aus dem Bett, und nun war der Schaden noch größer.

»Daß dich der Henker!«spukte der König am anderen Morgen. Aber der Holzhauer tröstete ihn: »Das hat nicht zu sagen, Väterchen, laßt mich nur machen!«



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Und so begibt sich der Holzhauer auf den Berg (dort war der Teufel mit dem Mädchen hineingefahren), findet dort ein winzig kleines Loch, nimmt die Gestalt einer Ameise an, setzt sich rittlings auf ein Sandkörnchen und fährt in die Tiefe. Unten angelangt, kommt er auf eine große Fläche. Schnell entschlossen, verwandelt er sich in eine Fliege und fliegt geradenwegs ans jenseitige Ende. Dort angekommen, sieht er ein kristallenes Schloß, und die Königstochter sitzt am Fenster und weint. Er nimmt wieder die Gestalt des Holzhauers an und gibt sich zu erkennen. Aber das Mädchen ist in tausend Ängsten und klagt: »Ach Gott, ach Gott, wie bist du hierher geraten? Kommt mein Herr heim, so zerreißt er dich.«

Und wirklich, bald ist der Teufel leibhaftig da. Aber der Holzhauer verwandelt sich in einen Löwen und fällt über den Teufel her. Hei, das gab einen Kampf! Haut- und Fleischfetzen flogen nur so durch die Luft, aber der Löwe fraß den Teufel mit Haut und Haaren auf. Da freute sich die Königstochter und der Holzhauer natürlich auch. Nur eine Schwierigkeit blieb noch übrig: wie sollten sie an die Oberwelt gelangen? Sie dachten her und hin, da kam der Königstochter ein Gedanke in den Sinn, sie habe, als sie in den Büchern des Teufels blätterte, gefunden, daß sich in dem und dem Baume ein diamantenes Ei befände, wenn man das an die Oberwelt brächte, würde das ganze kristallene Schloß emporsteigen.

Gut, gleich verwandelte sich der Holzhauer in einen Sperling, flog auf den Baum, nahm das diamantene Ei aus dem Neste und brachte es herunter. Soweit war es wieder gut, aber wie nun mit dem Ei aus der Unterwelt hinaufkommen?

»Halt«, fällt dem Mädchen wieder ein, »der Teufel hat hier einen Türhüter, und der mag in dieser Welt keine Katzen leiden: findet er eine, so wirft er sie auf die Oberwelt; versuch es damit!«

Gut, der Holzhauer verwandelt sich in eine Katze, nimmt das Ei in den Mund und kriecht vor die Füße des Türhüters. Kaum hat der Türhüter sie gesehen, da lockt er sie an: »Skiz, skiz, du Aas!« packt sie am Schwanz und trägt sie eine große, lange Treppe hinauf. Er trägt und trägt sie lange Zeit, dann kommt ein eisernes, großes, großes Tor, das schließt er auf, gibt der Katze noch einen Fußtritt und wirft sie hinaus,



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genau auf den Berg, auf dem er vorgestern als Ameise hereingeschlüpft war.

Soweit wären wir also. Aber kaum hatte die Katze sich wieder in den Holzhauer verwandelt und das Ei auf den Boden gelegt, da hob sich das kristallene Schloß mitsamt der Königstochter empor und kam auf dem Gipfel des Berges zum Vorschein. Danach heiratete der Holzhauer die Königstochter und verlebte in seinem kristallenen Schlosse glückliche Tage.


Die Hexe auf der Espe

Zwei Brüder gingen einst auf die Jagd. Im Walde trafen sie einen Hund. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Ach, schieß mich nicht!« antwortete der Hund; »ich will jedem von euch drei Junge geben: das erste Paar heißt Packan, das zweite Zerbrich, das dritte Splittereisen. Wenn die ersten zupacken, so wird es stäuben, wenn die zweiten brechen, so wird es krachen, wenn die dritten reißen, so wird es splittern.« Gut. Nach einer kleinen Weile trafen sie einen Wolf. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß mich nicht!« antwortete der Wolf; »ich will jedem von euch einen Welpen geben, das werden gute Spürer sein.«

Gut. Nach einer Weile trafen sie einen Bären. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß mich nicht!« antwortete der Bär; »ich will jedem von euch ein Junges geben, das werden gute Trotter sein.«

Gut. Nach einer Weile trafen sie einen Luchs. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß mich nicht!« antwortete der Luchs; »ich will jedem von euch ein Junges geben, das werden gute Springer sein.«

Gut. Nach einer Weile trafen sie einen Fuchs. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß mich nicht!« antwortete der Fuchs; »ich werde jedem von euch ein Junges geben, das werden treffliche Heilkünstler sein.«

Nach einer Weile trafen sie einen Elch. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß nicht!« antwortete der Elch;



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»ich werde jedem von euch ein Junges geben, das werden gute Träger sein.

Nach einer Weile trafen sie ein Reh. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schieß mich nicht!« antwortete das Reh; »ich werde jedem von euch ein Junges geben, das werden gute Läufer sein.«

Nach einer Weile trafen sie einen Hasen. Fragte der ältere Bruder den jüngeren: »Soll ich schießen?« — »Schießt mich nicht!« antwortete der Hase; »ich werde jedem von euch ein Junges geben, das werden gute Ausreißer sein.«

Nun nahm jeder der Brüder seine Tiere, seine Helfer, und dann gedachten sie sich zu trennen. Aber bevor sie sich trennten, verabredeten sie, jeder sein Messer in eine große Eiche zu bohren: wenn einer von ihnen heimkehrte und fände das Messer des Bruders verrostet, werde das ein Zeichen sein, daß es dem Bruder schlechtgehe; wäre es dagegen blank, so stehe es natürlich sehr gut. Der ältere Bruder wandte sich seitwärts, der jüngere ging geradeaus. Am nächsten Tage kam der ältere Bruder in ein Schloß. Das war wie ausgestorben, keine lebende Seele war darin als ein einziges Mädchen. »Mägdlein, Schwesterchen, wo sind denn die übrigen Leute?« —»Die übrigen Leute sind einem weißen Elch nachgelaufen und zu Stein geworden; auch Väterchen ist fortgegangen.«

»Ja, ja, Mädchen, die sind ohne Helfer fortgelaufen, aber ich habe Helfer in Hülle und Fülle, da will ich den Elch schon fangen.« Er geht hinaus, ja, der weiße Elch streicht am Schlosse vorbei, er eilt also mit seinen Helfern hinterher. Plötzlich ist der weiße Elch verschwunden. Da schaut der ältere Bruder aufwärts und sieht auf einer alten Espe eine garstige Hexe. »Komm herunter, alte Hexe, sonst schicke ich dir meinen Bären nach, daß er dich fein säuberlich herunterträgt.«

»Ich komme, ich komme, erlaub mir nur, mit diesem Stäbchen deine Tiere zu berühren, daß sie mich nicht beißen.«

Er erlaubt es; aber kaum hat die Hexe sie mit dem Stäbchen berührt, als alle Tiere, alle Helfer mitsamt dem älteren Bruder zu Stein werden. Nach geraumer Zeit kommt der jüngere Bruder zur Eiche zurück und sieht, daß seines Bruders Messer ganz verrostet ist. Sogleich kehrt er



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um, seinen Bruder zu suchen, und kommt in dasselbe Schloß, wo nur das einzige Mädchen ist.

»Mägdlein, Schwesterlein, wo sind denn die übrigen Leute?«

»Die übrigen Leute sind einem weißen Elch nachgelaufen und zu Stein geworden. Einmal ist auch ein Jüngling mit allerhand Tieren als Helfern gekommen, der gedachte den Elch zu fangen; aber umsonst, auch sie sind zu Stein geworden.« — »Das ist mein Bruder, das ist mein Bruder, wie kann ich ihn befreien?« — »Den Bruder wirst du nicht befreien, bring dich lieber selbst in Sicherheit, und wenn es dir möglich ist, so nimm mich mit. Du weißt ja nicht, mein Lieber, was dort auf der Espe für eine Hexe haust: mit einem Wort und mit einem kleinen Stäbchen verwandelt sie dich, mich und deine Tiere für alle Zeiten in Steine.

Und sie wird sich auch zu rächen suchen, wenn sie erfährt, daß ich dich hier festhalte. Fliehen wir lieber beizeiten, mein Junge!« Der jüngere Bruder stieg nun auf den Rücken des Wolfes, nahm das Mädchen auf den Schoß und floh. Da erdröhnte die Erde, und die Hexe jagte hinterher. Der jüngere Bruder sah, daß er mit dem Wolfe nicht entkommen werde, verließ deshalb den Wolf und stieg mit dem Mädchen auf den Rücken des Bären. Aber die Hexe kam trotzdem näher und immer näher. Da sprang der jüngere Bruder mit dem Mädchen auf den Rücken des Elches. Aber die Hexe kam trotzdem näher und immer näher. Das Häschen lief wohl, so schnell es konnte; das Rehchen rannte immer geradeaus, so schnell es vermochte; das Wölfchen, das Bärchen und das Füchschen setzten über Stock und Stein; das Lüchschen-Krummbein humpelte immer drauflos; nur Packan, Zerbrich und Splittereisen fletschten ihre Zähne, aber was wollten sie allein machen? Auch der Elch, der Träger, merkt zuletzt, daß die Hexe flinker ist als sie alle. Er sagt daher dem jüngeren Bruder: »Reibe mein rechtes Geweih, dann wird aus ihm eine Hechel entstehen. Die wirf über die linke Schulter, doch schau nicht zurück!« Der jüngere Bruder wirft die Hechel über die linke Schulter, und sieh da, hinter seinem Rücken entsteht ein dichter, dichter, schwarzer Wald. Aber die Hexe beißt sich auch durch ihn hindurch. Da sagt der Elch zum jüngeren Bruder: »Reibe mein rechtes Geweih, dann wird aus ihm ein Schleifstein entstehen, den wirf über die linke Schulter; nur schau nicht zurück.« Der jüngere Bruder wirft



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den Schleifstein über die linke Schulter, und sieh da, hinter seinem Rücken entsteht ein gewaltiges, hohes Felsengebirge. Aber die Hexe dringt auch über das Gebirge hinüber. Da sagt der Elch zum Jüngling: »Reibe mein rechtes Geweih, dann wird aus ihm ein Tüchlein entstehen, das wirf über die linke Schulter, nur schau nicht zurück.« Der jüngere Bruder wirft das Tüchlein über die linke Schulter, und siehe da, hinter seinem Rücken entsteht ein Feuerstrom. Ober den Strom kann die Hexe nicht hinüber. Nun steigt der jüngere Bruder vom Elch und verschnauft sich.

Indes lange kann er sich auch nicht verschnaufen, er muß sich doch eine Hütte herrichten zum Übernachten. Jetzt sind alle am Werk: Nein, wie flink das ging! Der eine trug herzu, der andere warf, der dritte hob, der vierte streckte, der fünfte schichtete, der sechste deckte. Als sich alle zur Ruhe gelegt hatten, führte der Elch den jüngeren Bruder hinaus und sprach: »Jetzt schlachte mich und vergrabe meinen Kopf unter der Schwelle, meinen Rumpf unter der Diele. Hier hast du ein Strumpfband, das hüte wohl. Und wenn du dich einmal aus dieser Hütte entfernst, so schwenke das Strumpfband dreimal von rechts nach links und binde damit meinen Kopf an den Rumpf, so werde ich wieder lebendig werden!«

»Aber sag, lieber Elch, wie soll ich es übers Herz bringen, dich, meinen Retter, zu schlachten?«

»Verlier keine Zeit, ich rate dir doch zum Guten, es soll dein eigener Vorteil sein.« Da tat der jüngere Bruder, wie ihm geheißen war, und legte das Strumpfband ans Fenster. Am Morgen aber kam es ihm in den Sinn, mit seinen Tieren, seinen Helfern, ein wenig zu jagen, um nicht zu frieren. Das Mädchen blieb zu Hause und bemerkte das Strumpfband. Da dachte sie: »Ein so schönes Band darf man nicht herumliegen lassen, ich will es um meinen Strumpf binden.«

Doch indem sie ihren Strumpf zuband, schwenkte sie das Strumpfband von links nach rechts. In demselben Augenblick entstand über dem Feuerstrom eine eiserne Brücke, und die Hexe war über den Strom hinüber. Jetzt stürzten sich die Tiere, die Helfer, auf die Hexe. Sie kann auch wirklich nichts ausrichten, denn ihre Stäbchen hat sie in der Eile an der Espe vergessen, aber so eine findet doch immer einen Ausweg:



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eins, zwei, drei ist eine große Grube fertig, und wie nun die Tiere, die Helfer, herankommen, stürzt eins nach dem andern hinein. Und als alle drinnen auf einem Haufen liegen, legt sie, klauks!, eine dicke, dreimal neunfache eiserne Tür darüber, und was jetzt? Jetzt ist der jüngere Bruder mit dem Mädchen in der Klemme. Die Hexe grinst vor Vergnügen und sagt: sie sollen sofort die Badstube heizen und sich sauber waschen, dann sollen sie sich ihr zum Frühstück bereit halten. Jene heizen also die Badstube, und die Hexe legt sich inzwischen in den Sonnenschein.

Das Ofengewölbe ist aber noch kaum lauwarm, da erscheint der Elchkopf und sagt: »Ihr Toren, was eilt ihr denn so mit dem Einheizen? Packan, Zerbrich und Splittereisen haben eben erst drei Eisentüren durchbrochen, jetzt fackelt recht lange, bis alle Türen erbrochen sind.« Kaum hat sich der Elchkopf entfernt, da war auch die Hexe zur Stelle. »Ich liege und liege und kann euch nicht erwarten. Wie steht's, ist das Bad bald gerüstet?«

»Für einen Badenden wäre es so halb und halb gewärmt, für zwei muß man noch Holz nachlegen.«

»Nun, wenn es sich so lange hinzieht, dann will ich gar nicht zwei zum Frühstück.« So sprechend, ergriff die Hexe das Mädchen und riß ihr den Vorderzahn aus, der war aus reinem Golde und ein Geschenk der Glücksmutter selbst. Hatte sie aber den nicht im Munde, so mußte sie sterben. Und so war es auch: als der Zahn aus dem Munde des Mädchens heraus war, war sie tot. Die Hexe legte sie in einen eisernen Sarg und begrub sie am Kreuzwege. Während sich die Hexe damit abmühte, war der Elchkopf wieder zur Stelle: »Packan, Zerbrich und Splittereisen haben wieder drei Türen erbrochen.«

Die Hexe kam vom Begräbnis des Mädchens herbeigelaufen und war noch mehr ausgehungert. Sie brüllte:

»Heiz schnell; bist du nicht bald fertig, so fresse ich dich ungewaschen.«

—»Ich bin gleich fertig, das Wasser muß nur noch etwas wärmer werden. «

Die Hexe legte sich in den Sonnenschein, da erschien der Elchkopf abermals: »Packan, Zerbrich und Splittereisen zerbrechen eben die letzten Türen. Wart jetzt nur auf deine Helfer.« Es währte auch nicht



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lange, da waren alle Tiere, alle Helfer zur Stelle. Jedes verbarg sich an seinem Ort: das Häschen unter der Bank, das Reh unter der Pritsche, der Fuchs hinter der Tür, der Wolf im Zuber, der Bär im Ofenwinkel, der Luchs in der Darrenluke, Packan, Zerbrich, Splittereisen und der jüngere Bruder im Ofenloch. Kommt nach einer Weile die Hexe und brüllt: »Ist es jetzt einmal soweit?« —»Jawohl, komm nur herein!«

Tschihks! öffnet sich die Tür, und die Hexe schleicht herein. Nun gab es was zu sehen. Packan packte zu, Zerbrich riß, Splittereisen fetzte, der Bär sengte, der Wolf zerriß, der Fuchs biß, der Luchs kratzte, das Reh feuerte aus, der Hase lief, und der jüngere Bruder schlug mit dem Gießeimer drauflos; aber der Hexe ganz den Garaus machen konnten sie doch nicht, denn die Tür der Badestube war offengeblieben, und sie entwischte. Jetzt waren alle froh. Als aber der jüngere Bruder vom Mädchen zu erzählen begann, wurden die fröhlichen Gesichter wieder betrübt, und alle unternahmen es einmütig, das Mädchen aufzusuchen. Das Häschen sprang voran, der Wolf und der Hund schnupperten nach ihrer Spur, und sieh da, sie schnupperten so lange, bis sie sie gefunden hatten. Der Luchs und das Reh scharrten sogleich den eisernen Sarg heraus, der Bär hob ihn hervor, Packan, Zerbrich und Splittereisen erbrachen den eisernen Deckel, und der Fuchs, der Heilkünstier, fand unter ihrem Kopfe den goldenen Zahn. Der jüngere Bruder fügte nun den Zahn in die Lücke, und das Mädchen wurde zusehends lebendig und gesund. Danach riefen alle durch das Strumpfband auch noch den Elch ins Leben zurück, und dann ritten sie ebenso, wie sie hergeritten waren, ins Schloß zurück. Unterwegs sagte der schlaue Fuchs: »Alles können wir aufspüren, nur das eine haben wir damals nicht erschnüffeln können, daß die Hexe ihr Stäbchen auf der Espe vergessen hatte. War es nötig, daß wir so weit flohen?« — »Einerlei«, antwortete der Elch, »jetzt wollen wir der Hexe befehlen, ohne ihr Stäbchen von der Espe herabzusteigen, und gehorcht sie uns nicht, so stürzen wir die Espe um.«

Gut. Sie kommen zur Espe. Die Hexe hockt wie ein Heuschober und ächzt: »Mich friert, mich friert. Laß mich hinuntersteigen, mich zu wärmen; aber erlaube mir, deine Tiere mit dem Stäbchen zu berühren, damit sie mich nicht beißen.«



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Der jüngere Bruder aber achtet gar nicht auf ihr Jammern, sondern sagte: »Komm nicht mit dem Stäbchen herunter, sondern sag uns zuerst, was das für Steine sind.« — »Das sind Menschen und Tiere.«

»Nun gut, wenn es Menschen und Tiere sind, wie ruft man sie ins Leben zurück?«Sie wollte es auf keinen Fall sagen, da stürzten sie die Espe um.

»Stoßt sie nicht um, stoßt sie nicht um, ich will es sagen: nimm etwas vom vermoderten Holz der Espe und streu es auf die Steine, so werden sie lebendig werden.«

So geschah es, da erschienen Menschen, da erschien auch der ältere Bruder, ferner die Tiere, seine Helfer, Vater und Mutter des Mädchens und alle ihre Untertanen; da gab es ein Gewimmel, ärger als auf dem Jahrmarkt. Dann umringten sie alle die Espe und stürzten sie mitsamt der Hexe zu Boden. Im Fallen fand sie weder Zeit, jemand mit ihrem Stäbchen zu berühren, noch die Hand zu heben: alle Tiere überfielen sie und rissen sie in Stücke. Der jüngere Bruder heiratete das Mädchen und lebte mit dem älteren Bruder in Liebe und Eintracht im ererbten Schlosse. Der Vater des Mädchens aber übergab dem Schwiegersohn die Herrschaft.


Der starke Bruder und die treulose Schwester

Es waren einmal zwei Geschwister, eine Tochter und ein Sohn. Vater und Mutter waren ihnen früh gestorben, und man hatte sie beide einem Herrn übergeben. Als sie erwachsen waren, da wurde das Mädchen bei der Frau Hauptmagd, der Junge aber beim Herrn Kutscher. Sie liebten einander so sehr, daß sie ganz unzertrennlich waren. Eines Tages sagte der Herr zum Kutscher: »Da du mir so gut dienst, so will ich dir ein Gespann geben; fahr und sieh dich in der Welt um.« Da fuhren alle beide, Bruder und Schwester, aus, sich in der Welt umzusehen. Wie sie so fuhren, führte sie der Weg immer durch einen großen Wald, bis er sich zuletzt im Dickicht verlor. Der Bruder stieg aus dem Wagen, löste die Glocke von der Femerstange und sagte zur Schwester: »Bleib hier, ich will den Weg suchen gehen, und wenn ich ihn gefunden habe, werde



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ich mit der Glocke klingeln, dann fahr du nach der Richtung, woher der Klang kommt.«Der Bruder ging, und das Mädchen blieb mit Pferd und Wagen im Walde. Mit Gottes Hilfe gelang es dem Bruder auch wirklich, einen Weg zu finden, an dessen Rande auf einem Wegweiser geschrieben stand: »Zwei Werst von hier steht ein Räuberschloß, in dem wohnen zwölf Räuber, die täglich auf Raub ausgehen.« Darüber freute er sich sehr und ging zum Schloß. Dort angekommen, bewunderte er die mächtigen Mauern und trat durch das Tor ein. Drinnen fand er Hausgerät jeder Art, aber keine menschliche Seele. Er nahm sich eine Flinte und einen Bohrer und stieg auf den Boden. Oben angelangt, bohrte er sich über dem Bett der Räuber ein Loch und wartete wohlgemut, daß die Räuber sich zur Ruhe begeben würden.

Bald danach kam ein vierschrötiger Kerl, aß und legte sich ins Bett. Als er eingeschlafen war, schoß der Bruder ihn tot. Nach einer kleinen Weile kamen drei Räuber auf einmal und legten sich in dasselbe Bett; sie schoß er auch tot und so einen nach dem andern. Als der letzte eintrat, stieg er vom Boden herab und sagte: »Ergib dich im guten, sonst erschieße ich dich wie deine Brüder.« Der Räuber ergab sich im guten, und der Bruder führte ihn in die zwölfte Kammer und fesselte ihn an die Wand.

Dann stieg er auf den Turm und läutete seiner Schwester. Als seine Schwester angefahren kam, erzählte er ihr den ganzen Vorfall. Einige Tage danach sagte der Bruder zur Schwester, sie solle zu Hause bleiben und möge sich in allen Kammern nach Belieben aufhalten, nur die zwölfte solle sie nicht betreten; er werde auf die Jagd gehen.

Der Bruder ging, und die Schwester blieb zu Hause. Wohl ging sie von Kammer zu Kammer, doch die Zeit wurde ihr lang. Da kam es ihr in den Sinn, daß sie doch auch in die zwölfte Kammer gehen sollte, um zu sehen, was denn dort wäre. Sie ging hinein und fand den Räuber an die Wand gefesselt. Der Räuber bat sie flehentlich, ihn zu befreien. Die Schwester erhörte seine Bitten und befreite ihn. Als er freigekommen war, sagte er, jetzt könnte er sie töten, aber wenn sie verspräche, seine Frau zu werden, dann wollten sie beide den Bruder töten und glücklich miteinander leben. Die Schwester fragte: »Wie wollen wir ihn denn töten?« Der Räuber sagte: »Stell dich krank, und wenn er heimkommt,



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so sage, hier sei ein Bettler gewesen, der habe gesagt, du solltest dir Wolfsmilch verschaffen, dann werdest du gesund werden. Wenn aber der Bruder Wolfsmilch holen geht, werden ihn die Wölfe zerreißen.« Der Schwester gefiel der Rat. Danach ließ der Räuber sich wieder fesseln. Als der Bruder heimkam, fand er seine Schwester krank und fragte sie, welche Arznei ihr helfen würde. Die Schwester erwiderte, da sei heute ein Bettler gekommen, der habe gesagt, daß bei einer solchen Krankheit Wolfsmilch sehr heilsam sei. Der Bruder ging sogleich in den Wald, und es gelang ihm, Wolfsmilch zu finden, dazu ein junges Wölflein, das er auch mit nach Hause nahm. Als er seiner Schwester die Wolfsmilch eingegeben hatte, da sagte sie, der Bettler habe sie betrogen. Die Wolfsmilch nütze gar nichts. Da sei heute ein Jude gekommen und habe gesagt, die Wolfsmilch sei nichts wert, aber Bärenmilch sei gut. Der Bruder ging wieder in den Wald, und es gelang ihm, Bärenmilch zu finden und auch einen jungen Bären mitzubringen. Als er ihr die Bärenmilch eingegeben hatte, da sagte sie, der Teufelsjude habe sie schön angeführt; aber eben erst sei ein alter Doktor fortgegangen, der habe gesagt, daß für solch ein Leiden Fuchsmilch gut sei.

Der Bruder ging sehr betrübt fort, aber kaum war er in den Wald gekommen, da begegnete er einer Füchsin, die mit ihrem Jungen daherlief. Sobald ihn die Füchsin bemerkt hatte, kam sie auf ihn zu. Er nahm das Füchslein und melkte die Füchsin. Dann ging er eilends (mit der Fuchsmilch und dem Füchslein) heim. Als er zu seiner Schwester kam, sagte sie: »Der Quacksalber hat sich über mich lustig gemacht, aber als du fort warst, da kam eine Jungfer, die sagte, hier unter unserer Wohnung sei ein kleiner Pfad, der führe zu einem Keller. In dem Keller auf einem Tisch lägen Kringel, von denen bring mir einen, dann werde ich gesund.« Der Bruder begab sich geradeswegs zum Keller, und seine Tiere folgten ihm. Während er ging, rief ihm eine Stimme zu: »Geh schnell in den Keller, wirf eine Kopeke auf den Tisch und komm wieder heraus!«Der Bruder ging in den Keller, nahm einen Kringel, warf eine Kopeke auf den Tisch und ging hinaus. Wie er aber zur Türe hinaustrat, schnappte sie zu, und seine Tiere blieben darin. Zur Schwester gekommen, gab er ihr den Kringel, aber sie sagte: »Der wird mir wahrscheinlich gar nichts nützen, ich werde sterben müssen; komm, daß ich dir



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zum letztenmal den Kopf kratze.« Der Bruder legte seinen Kopf in den Schoß der Schwester und schlief bald ein. Als er eingeschlafen war, schnitt ihm die Schwester seine langen Haare ab, und da verließ ihn seine große Kraft. Als die Schwester das getan hatte, da kam der Räuber mit einem großen, langen Messer aus der Kammer herbeigeeilt und wollte den Bruder erstechen. Aber der bat, er möge ihm noch erlauben, zu Gott zu beten, dann könne er ihn erstechen. Als der Bruder gebetet und der Räuber sein Messer geschliffen hatte, da waren auch die Tiere des Bruders zur Hand. Er wies auf den Räuber, da stürzten sich alle Tiere auf einmal auf ihn und rissen ihn in Stücke.

Sobald sich der Bruder von seinem Schreck erholt hatte, ging er zur Schwester und sagte: »Dafür, daß du mich getäuscht hast und töten wolltest, sollst du deine Strafe erhalten. Komm mit mir zu den großen Birken, dort will ich dich strafen.« Die Schwester folgte ihm betrübt, und als sie bei den Birken angekommen waren, die so zusammengewachsen waren, daß sich in der Mitte eine Öffnung befand, da hob der Bruder seine Schwester in die Höhlung zwischen die Birken, stellte ein großes Gefäß mit Wasser und ein zweites mit Kohlen vor sie hin und sagte: »Wenn du dies verzehrt hast, sollst du deiner Qual ledig sein.« Nachdem er das gesagt hatte, ging er mit seinen Tieren davon. Danach gelangte er in eine Stadt, die war so still, daß er keinerlei Geräusch vernahm. Da bemerkte er, daß eine Küchentür offenstand, und trat durch sie in die Küche, wo er ein Mädchen fand. Das fragte er, was denn da los sei, weshalb es so still sei. Das Mädchen begann nun in schrecklicher Furcht zu erzählen: In einem Häuschen hause ein neunköpfiger Drachen; dem müsse man jeden Monat einen Menschen und vier Schafe geben, sonst komme er und vertilge die ganze Stadt. Heute habe man gelost, und das Los sei auf die Königstochter gefallen, und um zehn Uhr bringe man sie dem Drachen, dann werde mit allen Glocken geläutet und auf Hörnern geblasen. Als das Mädchen so erzählt hatte, begab er sich zum Drachen, dabei mußte er an drei Wachen vorbei. Als er zur ersten kam, fragte sie ihn, wohin er wolle. Er erwiderte: »Da und dahin, laßt mich nur durch.« Die Wache gehorchte und ließ ihn hindurch. Nachdem er die erste Wache passiert hatte, ging es durch die beiden andern noch leichter. Als er zu dem Häuschen gelangte, bebte ihm zwar



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das Herz, aber er faßte Mut und ging hinein. Eingetreten, hieb er sofort dem Drachen mit seinem Schwert einen Kopf herunter, schnitt ihm die Zunge aus und steckte sie in seinen Sack; aber den Kopf selbst trugen die Tiere hinaus, und ebenso tat er mit allen übrigen Köpfen. Als er sein Werk beendet hatte, legte er sich auf das Lager des Drachen zur Ruhe. Um zehn Uhr wurde unter Glockengeläute und Hörnerschall die Königstochter herangeführt. An dem Häuschen angelangt, stieß man die Königstochter hinein, und dann flohen alle mit Geschrei davon. Die Arme verlor vor Angst das Bewußtsein, aber der Bruder sagte: »Fürchte dich nicht, den Drachen habe ich erschlagen, schau, hier sind seine Zungen in meiner Hand, und wenn du versprichst, mein Weib zu werden, so werde ich dir die Freiheit geben.«

Sie versprach es, sein Weib zu werden, und ging aus dem Häuschen auf ihr Schloß. Als sie zur ersten Wache gelangte, da hatte der wachhabende Soldat alle Köpfe in einen Sack gesammelt und sagte zu ihr: »Wenn du mein Weib zu werden versprichst, so lasse ich dich am Leben, sonst töte ich dich.« Sie versprach sein Weib zu werden.

Der König veranstaltete eine Hochzeit, und Gäste wurden geladen und an den Hochzeitstisch gesetzt. Da trat der Bruder mit seinen Tieren an das Fenster und schickte den Fuchs hinein, damit er dem Bräutigam die Nase abrisse. Der kluge Fuchs tat es. Da ließ der König alle Hunde auf ihn hetzen und schickte nach dem Arzt. Der verband dem Bräutigam die Nase, und alle fuhren zur Kirche. Unterwegs trat ihnen der Retter entgegen und fragte die Braut: »Wo ist der Bräutigam?«Als der betrügerische Bräutigam ihn sah, entfloh er. Der König aber veranstaltete mit dem echten Bräutigam eine neue Hochzeit. Als sie Hochzeit gefeiert hatten, erinnerte sich der Bruder seiner Schwester und fuhr nach ihr. Als er bei den Birken anlangte, da fand er wohl noch etwas Leben in ihr, aber sie war schwarz wie eine Krähe und völlig ausgehungert, denn sie hatte weder Kohlen gegessen, noch Wasser getrunken. Der Bruder führte sie auf sein Schloß und erhob sie zu einer Kammerfrau.

Aber in jener Stadt war ein Zauberer. Mit dem besprach sich die Schwester, wie sie den Bruder töten könnten. Der Zauberer ersann einen Anschlag: Man müsse einen Wolfszahn vergiften, und wenn sie ihm dann das Bett mache, solle sie den Zahn auf das Kopfkissen legen. Und



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wenn er sich schlafen lege, werde sich der Zahn ihm in den Rücken bohren, und er werde daran sterben. Die Schwester folgte dem Rat, und der Bruder starb. Als er gewaschen war und auf der Bahre lag, da ließ man zum letztenmal die Tiere herein, ihn zu beschnuppern. Der Fuchs schnüffelte sofort den Wolfszahn auf und zog ihn heraus, aber da war er auf der Stelle tot. Dem Fuchs zog der Wolf den Zahn heraus und dem Wolfe der Bär.

Nun gab es niemanden mehr, der dem Bären den Zahn herausgezogen hätte, so nahm man ihn und warf ihn zum Fenster hinaus. Dann wurde die Schwester festgenommen und ins Gefängnis geworfen. Den Zauberer nahm man auch fest, und als der Tag des Gerichts gekommen war, da hing man ihn am linken Beine auf, und der Schwester legte man eine Schlinge um die Zunge und hängte beide an einen Galgen. Aber der Bruder lebt noch heute glücklich mit der Königstochter.


Gottes Schwiegersohn und der Richter

Ein Vater hatte einen Sohn. Einmal, um die Frühjahrszeit, nahm der Gutsherr dem Vater sein Gesinde, so daß der Arme betteln gehen mußte. Der Sohn ging dann auch in die Welt hinaus und verdang sich bei einem Geistlichen als Knecht. Nach drei Jahren erhielt er vom Geistlichen drei Groschen Lohn und schickte sich an, fortzugehen. Im letzten Augenblick kam ihm noch der Gedanke, am Brunnen zu trinken; aber -verdammt! —während er trinkt, fallen ihm seine drei Groschen, plumps!, in die Tiefe. Der Geistliche, der das Unglück seines Knechtes vom Fenster mit angesehen hatte, sagte: »Willst du, mein Söhnchen, deine Groschen zurückbekommen, so mußt du weitere drei Jahre dienen: in jedem Jahr kannst du dir einen Groschen zurückschöpfen.«

So geschah es; als der Bursche nach abermals drei Jahren fortzog, gab ihm der Geistliche seine zurückverdienten Groschen, dazu eine kleine Spritze, ein Tüchlein und folgenden Rat: »Zieh in das Spritzchen Wasser, spritz damit einen Strahl rings um dich her und breite das Tüchlein unter deinen Kopf, so wird dir kein Leid widerfahren.«



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In der ersten Nacht gedachte der Bursche im Walde zu nächtigen. Er tat, wie der Geistliche ihn gelehrt hatte, und schlief ein. Da, um Mitternacht, kommen mit Gebrüll Löwen, doch nicht näher als bis zu dem Bannkreise; sie verbeugen sich ehrerbietig und gehen wieder fort. Nach den Löwen kommen Bären, sodann Wölfe, die machen es ebenso. Als der Morgen dämmerte, kam ein schönes Mädchen an den Kreis, weckte lächelnd mit leiser Stimme den Jüngling und sagte: »Liebes Brüderchen, du kannst wohl zu mir gelangen, nicht aber ich zu dir. Reich mir die Hand und führ mich über den Bannkreis. Fürchte dich nicht, ich bin nicht etwa ein Gespenst, denn ein Gespenst hat nicht Fleisch und Bein.

Der Bursche reichte ihr die Hand, aber nun auch fürs ganze Leben. In seiner Freude über das ihm von Gott geschenkte Liebchen dünkte er sich der Glücklichste auf Erden.

Aber seine Liebste erklärte ihm: »Hier im Walde unter Bären und Wölfen ist unser Glück noch nicht voll. Komm nur mit mir, ich führe dich in Haus, Hof und Feld deiner Väter zurück, und dort wollen wir ein glückliches Leben führen.«

So geschah es, das Gesinde, das seinen Vätern gehört hatte, wurde gefunden. Zwar war die Hütte inzwischen verfallen, aber während er sich nach einem Beil auf den Gutshof begab, entstand ein stattliches Schloß und war die Hochzeit gerüstet. Doch am dritten Tage stellte sich auch schon der Neider ein, und das kam so: Als der in der Nachbarschaft wohnende Richter das ungeheure Glück der jungen Leute sah, lief er auf das Gut und erzählte dem Gutsherrn das Wunder: »Kannst du dir denken, so ein Bube erfrecht sich, auf deinem Gebiet ein Schloß zu errichten. Wirf sie doch hinaus, daß sie sich auf ehrliche Weise ihr Brot verdienen.«Der Herr schickte einen Arbeiter und ließ fragen, wer dort wohne. Man antwortete ihm, der Sohn des armen Mannes. Da sagte der Richter zum Herrn: »Gib diesem Bettlerssohn den Auftrag, einen Bären müde zu reiten; kann er das, so mag er im Schlosse leben.«Aber was will man dem Gerechten zuleide tun? Der Sohn des Armen breitet sein Tüchlein aus und reitet den Bären in Schaum. Als der Bär auf dem Gutshof freigelassen wird, wirft er alles über den Haufen, und der Herr muß noch bitten, daß der Bär wieder fortgeführt wird. So vergehen drei



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Wochen. Danach erschien der Richter wieder beim Herrn. »Wie untersteht er sich, auf deinem Grund und Boden ein Schloß zu bauen! Befiehl ihm, deines Vaters Schatz aufzusuchen. Kann er das, so mag er wohnen bleiben.« Der Sohn des Armen übernahm es, die Stelle zu nennen, wo der Schatz verwahrt sei, das könne jedoch erst nach sieben Jahren geschehen. Er müsse zuerst in den Himmel fahren, um den Vater des Gutsherrn zu fragen, wo er den Schatz verborgen habe. Als der Richter von dieser Absicht hörte, bat er, ihn mitzunehmen. Jener war damit einverstanden. Da schlachtete der Richter eine Menge Vieh und backte sich einen Vorrat Brot, um sieben Jahre damit zu langen, und am dritten Tage fand er sich mit seinen Vorräten an der besprochenen Stelle, im Morast bei einer Tanne, ein.

Der Sohn des Armen hingegen kam nur mit einem kleinen Stöckchen, das seine Frau ihm gegeben hatte, zur Tanne. Er hieß den Richter auf den Wipfel der Tanne steigen, er selbst setzte sich auf die Wurzeln wie in einen Lehnsessel, schlug dann dreimal mit seinem Stäbchen an die Tanne, knauks! knauks! knauks!, und sieh da, die Tanne flog auf wie ein Vogel. Erst vor dem Himmel fiel dem Richter sein großer Vorratssack ein, der unten im Sumpf liegengeblieben war. Spring jetzt hinunter und hol ihn!

Im Himmel fällt ihnen zuallererst ein kleiner Krug (Wirtshaus) ins Auge, vor dem sich zwei raufen. Als der eine von diesen die beiden vorübergehen sah, rief er dem Sohne des Armen mit lauter Stimme zu: »Schwiegersohn Gottes, tritt auch für uns ein!« — »Ich weiß nicht, ob ich Gottes Schwiegersohn bin«, antwortet jener und geht seines Weges weiter. Darauf kommen sie zu einer Mühle, wo Tag und Nacht Hunde heulen. Die rufen ebenso: »Schwiegersohn Gottes, tritt auch für uns ein!« —»Ich weiß nicht, ob ich Gottes Schwiegersohn bin«; so antwortend, geht er weiter. Bald nach der Mühle sehen sie ein großes Feld, wo Mensch an Mensch mit den Nasen pflügen. Die rufen ebenfalls: »Schwiegersohn Gottes, tritt auch für uns ein!« — »Ich weiß nicht, ob ich Gottes Schwiegersohn bin.« —Nicht weit hinter dem Felde erblicken sie ein großes Milchmeer, auf dem Schiff an Schiff steht, alle mit Menschen gefüllt. Das Meer schlägt so gewaltige Wogen, daß man denkt, die Schiffe müßten augenblicklich umschlagen und die Insassen



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ertrinken. Die rufen auch: »Schwiegersohn Gottes, tritt für uns ein.« Endlich gelangen die beiden an das Himmelstor und klopfen an. Gott macht ihnen auf und wundert sich: »Mein liebes Schwiegersöhnchen, was willst du hier?« —»Je nun, mein Herr hat mich hergeschickt, um mich zu erkundigen, wo seines Vaters Geld sich befindet, wenn ich ihm das nicht sagen könne, werde er mir mein Schloß wegnehmen.« —»Ich weiß, ich weiß alles. Sag, war es nicht der Richter, der deinem Herrn diesen Rat eingegeben hat?« —»Ich weiß nicht, ob ihm jemand den Rat gegeben hat«, antwortete der Schwiegersohn Gottes. —»Aber ich weiß es. Darum geh du, gerechter Richter, geradeswegs zu jenem eisernen Karren, spanne den Vater deines Herrn ab und dich selbst für sieben Jahre an seiner Stelle ein, damit der Alte sich inzwischen ausruht. — Aber nun sag, mein Söhnchen, was hast du denn unterwegs hier im Himmel Schönes gesehen?« — »Ich sah vor dem Kruge zwei miteinander raufen.« —»Das sind die, welche sich auf Erden in den Krügen gerauft haben. Die müssen jetzt unaufhörlich bis zum Jüngsten Tage miteinander raufen. Nun, was hast du noch gesehen?« —»Ich hörte an einer Mühle Hunde heulen.« — »Das sind die Gerichtsbeamten und die Vögte, die ohne Grund die Geringen auf Erden gequält haben. Dafür müssen sie hier heulen bis zum Jüngsten Gericht. Was sahst du noch?« —»Ich sah auf dem Felde Menschen mit ihren Nasen pflügen.« — »Das sind die, welche ihrer Nachbarn Gemarkung und Feldscheide umgepflügt oder sonst durch unredliche Mittel Gewinn eingeheimst haben. Dafür müssen sie bis zum Jüngsten Gericht so pflügen. Was sahst du noch?« —»Ich sah ein großes Milchmeer, wo die Leute in ewiger Gefahr zu sinken sind, ohne doch wirklich zu versinken.« —»Das sind Hexen, die bis zum Jüngsten Gericht in Gefahr bleiben, im Wasser unterzugehen.

Nach sieben Jahren gab der Vater des Gutsherrn an, daß sein Schatz, sieben Fässer Gold und sieben Fässer Silber, unter der Kornkammer vergraben sei. Darauf ließ Gott den Richter abschirren und den Vater des Gutsherrn wiederum anschirren. Als das geschehen war, rief der Schwiegersohn Gottes: »Tanne, trag uns vom Himmel auf die Erde hinab.« Beide gelangten wieder auf die Erde.

Des Morgens eilte der Gutsaufseher zum Herrn und meldete ihm, daß



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der Richter wieder zu Hause sei. Sogleich berief ihn der Herr zu sich, aber als er ihn sah, wunderte er sich: »O weh, Brüderchen, wie bist du abgemagert! Rein zu einer Gräte bist du eingeschrumpft! Hat man dir denn im Himmel gar nichts zu essen gegeben? Hast du auch etwas über den Schatz in Erfahrung gebracht?«

»Zu essen habe ich ja wohl bekommen, aber viel war es nicht. Vom Schatz habe ich auch nichts erfahren. Du mußt den Sohn des Armen rufen lassen, vielleicht wird der etwas davon wissen.« Von dem eisernen Karren sagte der Richter kein Sterbenswörtchen.

Nun ließ der Herr den Sohn des Armen rufen und erfuhr von ihm, wo das Geld verborgen war. Der Herr war über den wiedergefundenen Schatz hocherfreut und erlaubte jenem, in seinem Schlosse zu wohnen, solange es ihm gefiele. Nach einigen Wochen erschien der Richter wieder bei dem Gutsherrn: »Weshalb erlaubst du ihnen, dort zu wohnen? Weißt du was, wir wollen von den Arbeitern einen großen Kessel mit Pech füllen lassen, ein ordentliches Feuer darunter anheizen, und dann sollen die beiden dort hineinspringen.«Alles wurde getan, wie er gesagt hatte, aber die beiden brannten nicht im Pech, sie plätscherten darin wie in einem Bade und lasen ohne Ende goldene Dukaten in ihre Taschen. »Herr«, rief der Richter, als er das sah, »das ist dein Kessel, dein Pech und Holz, wie können sie daraus goldene Dukaten lesen?« —»Sie gehören wohl mir«, erwiderte der Herr, »aber was ist dabei zu machen?« — »Was dabei zu machen ist? Laß sie herauskommen, und wir wollen hineinspringen, die Dukaten zu sammeln.« —»Ja, das wollen wir tun!« Aber wie nun die beiden hineinsprangen, so schmoren sie noch bis zu dieser Stunde. Dem Sohn des Armen blieb sein Schloß, und das Gut des Herrn, mit allem, was dazugehörte, fiel ihm noch obendrein zu.


Tschuinis

Es war einmal ein Mann, der hatte einen Sohn und eine Tochter. Der Sohn hieß Tschuinis. Nun baute der Vater ein neues Wohnhaus, und als es eben fertig war, sprach der Alte zu seiner Frau und seinen Kindern: »Heute ziehen wir in unser neues Haus, und morgen früh soll



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jeder seinen Traum erzählen, den ersten, den er im neuen Bau geträumt hat.«

Am Morgen erzählten alle ihre Träume, nur Tschuinis wollte und wollte den seinigen nicht erzählen. Der Vater suchte ihm gütlich zuzureden - es half nichts; er versuchte es mit Schlägen - es half nichts; zuletzt wurde der Vater blau vor Zorn und befahl den Knechten: »Führt den Verstockten in den Wald und hängt ihn auf!«

Die Knechte führten Tschuinis fort, um ihn zu hängen. Aber es traf sich, daß gerade um diese Zeit ein Herr vorbeifuhr, der fragte die Leute, weshalb sie den Jüngling hängen wollten. Sie antworteten: »Tschuinis hat einen Traum gehabt, will ihn aber seinem Vater nicht erzählen.« —

»Hängt ihn nicht, verkauft ihn mir für hundert Taler.« Gut. Bei dem Herrn ging es Tschuinis ganz vortrefflich. Nun hatte aber einmal der Herr eine größere Anzahl Gäste, die bekamen beim Sitzen Langeweile. >Wartet<, dachte da der Herr, 'ich will meinen Tschuinis rufen, der soll erzählen, was er bei seinem Vater geträumt hat.<

Tschuinis wurde gerufen, aber, ihr mögt ihn totschlagen, er erzählte den Traum nicht. Er habe ihn seinem Vater nicht erzählt, und jetzt solle er ihn gar einem beliebigen anderen erzählen. Der Herr wird blau und rot und brüllt ihn an: »Du Lausbub, habe ich dich deshalb gekauft, daß du mich zum Dank in Wut bringst? —Knechte, fort mit ihm an den Galgen!«

Die Knechte führten Tschuinis fort, um ihn zu hängen. Aber gerade um jene Zeit traf es sich, daß ein Königssohn am Galgen vorbeiging. Erfragte die Leute, warum sie den Jüngling hängen wollten. Sie sagten: »Tschuinis hat bei seinem Vater einen Traum gehabt, aber er will ihn dem Herrn nicht erzählen.«

»Hängt ihn nicht, verkauft ihn mir für zweihundert Taler.« Gut. Beim Königssohn ging es Tschuinis ganz herrlich. Ja, was noch mehr war, die Königstochter, die Schwester des Käufers, gewann Tschuinis lieb. Nun hatte der König einmal eine größere Anzahl Gäste, die bekamen beim Sitzen Langeweile. »Wartet«, rief da der Königssohn; »ich will meinen lieben Tschuinis rufen, der soll den Traum erzählen, den er bei seinem Vater gehabt hat.«

Er ruft Tschuinis, aber, schlagt ihn tot, er erzählt ihn nicht. Er habe ihn



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seinem Vater nicht erzählt, da solle er ihn gar einem beliebigen anderen erzählen. Der Königssohn wird blau und rot und brüllt ihn an: »Du Lausbub, habe ich dich deshalb gekauft, daß du mich zum Dank in Wut bringst? Knechte, schleppt ihn in den Wald an den Galgen!«

Die Knechte führten Tschuinis, um ihn aufzuhängen. Aber wie will man ihn hängen? Die Königstochter fällt ihm um den Hals und will und will es nicht zulassen. Man solle ihn lieber in den Kerker werfen, wenn er schon gestraft werden müsse. So wird Tschuinis in den Kerker geworfen. Aber am Kerker war ein kleines Fensterchen, durch das reichte die Königstochter Tschuinis heimlich Speise.

Nach einiger Zeit begibt sich der Königssohn fort in ein anderes Königreich, um zu freien. Aber das war so weit, daß er kaum nach einem Jahr an Rückkehr denken konnte. Am folgenden Tage erzählte die Königstochter ihm durchs Fenster, wohin der Bruder gezogen sei und was für Absichten er habe.

Tschuinis ißt, ißt und denkt. Zuletzt sagte er: »Wenn dein Bruder auch mein Gegner ist, so verlangt es mich doch, ihn zu retten, denn die, die er zu heiraten gedenkt, ist eine Hexe, das hat mir ein Traum verraten.« Als die Königstochter das hörte, eilte sie zu ihrem Vater, rang die Hände und erzählte ihm alles. Der Vater dachte, seine Tochter habe den Verstand verloren. Aber sie umarmte den Vater: »Ich habe nicht den Verstand verloren, Tschuinis hat es mir gesagt.«

»Wie konnte denn Tschuinis auf einmal auftauchen, der ist ja im Kerker Hungers gestorben und verfault?«

»Er ist nicht verfault und nicht verhungert, ich habe ihm Nahrung gegeben.«

»Wahrhaftig, dann hast du ein besseres Herz als ich und dein Bruder. Wollen wir zu Tschuinis gehen; wenn er meinen Sohn rettet, so will ich ihm alles geben, was sein Herz irgend begehren mag.«

Nun ließ man Tschuinis aus dem Kerker heraus, richtete ihm ein Bad, wusch ihn und geleitete ihn auf die weite Reise. Alle kehrten zurück, nur die Königstochter begleitete Tschuinis noch ein Stückchen und hängte ihm ein kleines Seidenbändchen um den Hals. Unterwegs traf Tschuinis zwei, die miteinander kämpften. »Weshalb liegt denn ihr einander so schändlich in den Haaren?«



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»Ja, mein Lieber, so streiten wir schon drei Jahre um unseres Großvaters Pantoffel. Wer in sie hineinschlüpft und nur einen Schritt tut, der kommt, wohin er will.«

»Deshalb lohnt es sich doch nicht zu streiten. Hört einmal, ich werde diese Scheibe werfen, und wer von euch beiden sie zuerst fängt, dem sollen die Pantoffel gehören.«

Gut. Während sie aber der Scheibe nachlaufen, ist Tschuinis schon in den Pantoffeln auf und davon. Nachdem er ein Stück gegangen ist, begegnet er abermals zweien, die miteinander kämpfen.

»Weshalb liegt denn ihr einander so schändlich in den Haaren?« »Ja, mein Lieber, so streiten wir schon sechs Jahre um unseres Großvaters Rock. Wenn man den Rock anzieht, wird man unsichtbar.«

»Deshalb lohnt es sich doch nicht zu streiten. Hört einmal, ich werde diese Scheibe werfen, und wer von euch beiden sie zuerst fängt, dem soll der Rock gehören.«

Gut. Während sie aber der Scheibe nachlaufen, hat Tschuinis schon den Rock angezogen und ist auf und davon. Nachdem er ein Stück gelaufen ist, begegnet er wieder zweien, die miteinander kämpfen. »Weshalb liegt denn ihr einander so schändlich in den Haaren?«

»Ja, mein Lieber, so streiten wir schon neun Jahre um unseres Großvaters Handmühle. Dreht man die Steine dieser Mühle ein klein wenig nach rechts, so fliegt die Mühle so schnell durch die Luft, daß man selbst eine Hexe einholen kann; dreht man aber die Steine nach links, so schrumpft die Mühle so zusammen, daß man sie in die Tasche stecken kann.«

»Deshalb lohnt es sich nicht zu streiten. Hört, ich werde diese Scheibe werfen, und wer von euch beiden sie zuerst fängt, dem soll die Mühle gehören.«

Gut. Aber während sie hinter der Scheibe her sind, dreht Tschuinis den Mühlstein nach links, steckt die Mühle in die Tasche und ist auf und davon.

Er eilt zu der Hexe, zieht den Rock an, um nicht gesehen zu werden, und geht hinein. Der Königssohn ißt mit der Hexe zu Mittag. Nach der Mahlzeit gehen beide in eine andere Stube. Tschuinis verspeist indessen die Reste der Mahlzeit und horcht, was die beiden sprechen.



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Was werden sie wohl sprechen? Sie sprechen von der Hochzeit. Sagt die Hexe: »Ich will das Geschirr und die Reste unserer Mahlzeit abtragen, und dann wollen wir Hochzeitsschuhe besorgen gehen. Wir gehen jeder einen anderen Weg, die Schuhe zu suchen: habe ich die hübscheren, so mußt du in meinem Lande wohnen bleiben; hast du die hübscheren, so folge ich dir in dein Land.«

Die Hexe nahm das Geschirr vom Tisch und war höchst erstaunt, wer wohl die Reste der Mahlzeit gegessen haben mochte. Dann gingen beide fort, die Schuhe zu suchen. Die Hexe lachte vor Vergnügen, jener war bis zu Tränen betrübt. Tschuinis folgte ungesehen der Hexe. Die Hexe verschafft sich wunderschön glänzendes Leder und gibt es einem Schuster, damit die Schuhe zum nächsten Mittag fertig wären. Gut. Danach begibt sich Tschuinis zum Königssohn, um zu sehen, was für ein Leder der sich besorgt hat. Das war ein Leder, schlimmer als eine alte Pferdehaut.

»O weh, Königssohn, du wirst wohl in diesem Lande hocken bleiben. Du ahnst nicht, was deine Hexe für ein prächtig glänzendes Leder hat, und wie sieht das deinige aus!«

»Was für eine Hexe, was für eine Hexe?«fragte der Königssohn.

Tschuinis gab sich nun zu erkennen und erzählte alles haargenau, indem er ihm einschärfte, nur ja der Hexe hier nichts zu sagen, sondern erst, wenn er daheim bei seinem Vater wäre. Dann nahm Tschuinis das alte Leder, zog den unsichtbar machenden Rock an und eilte zum Schuhmacher. Der Schuhmacher hatte die Prachtschuhe schon fertig. Aber während der Schuhmacher sich dort noch zu schaffen macht, stibitzt Tschuinis die Prachtschuhe fort, verbirgt sie unter seinem Rock und legt an ihre Stelle das Leder des Königssohnes.

Des Morgens übergibt Tschuinis dem Königssohn die Prachtschuhe und sagt: »Zeig der Hexe nicht zuerst deine Schuhe, sonst wird sie deren Glanz ihren Schuhen aus der Pferdehaut anzaubern, sie soll zuerst die ihrigen zeigen.«

Der Königssohn befolgte den Wink, der Hexe mißlang ihr Anschlag. Nach dem Mittagessen gehen beide abermals in ein anderes Zimmer. Tschuinis verspeist unterdessen die Reste der Mahlzeit und horcht, was sie sprechen. Wovon werden sie wohl sprechen? Sie sprechen wieder



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von der Hochzeit. Sagt die Hexe: »Ich werde das Geschirr und die Reste der Mahlzeit abtragen, und dann wollen wir ein Hochzeitskleid besorgen gehen. Wir gehen jeder seinen Weg: Wenn mein Kleid schöner sein sollte, so mußt du in meinem Lande wohnen bleiben. Ist das deinige schöner, so werde ich dir in dein Land folgen.«

Die Hexe nahm das Geschirr vom Tisch und war höchst erstaunt, wer wohl die Reste der Mahlzeit verzehrt haben mochte. Dann gingen beide, ein Kleid zu suchen: die Hexe lachte vor Vergnügen, er aber war bis zu Tränen betrübt. Tschuinis folgt ungesehen der Hexe. Die Hexe verschaffte sich einen prächtig glänzenden Stoff und übergibt ihn dem Schneider, morgen bis Mittag müsse das Kleid fertig sein. Gut. Nun geht Tschuinis zum Königssohn, um zu sehen, was für ein Kleid der sich besorgt habe. Oh, was für ein Kleid, schlimmer als eine alte Hirtenjoppe! Tschuinis nimmt die alte Joppe, zieht sich seinen Rock über und eilt zum Schneider. Der hat das Prachtkleid schon fertig. Während sich aber der Schneider noch dort zu schaffen machte, schob Tschuinis das Prachtkleid unter seinen Rock und legte an die Stelle die Joppe des Königssohnes. Am nächsten Morgen gab Tschuinis dem Königssohn das Prachtkleid und sagte: »Zeig der Hexe nicht zuerst dein Kleid, sonst wird sie dessen Glanz ihrer Joppe anzaubern, sie soll zuerst das ihrige zeigen. «

Der Königssohn befolgte den Wink, der Hexe mißlang ihr Anschlag. Nach dem Mittagessen gehen beide in ein anderes Zimmer; Tschuinis verspeist unterdessen die Reste der Mahlzeit und horcht, was jene sprechen. Wovon werden sie wohl sprechen? Sie sprechen wieder von der Hochzeit. Sagt die Hexe: »Ich werde das Geschirr und die Reste der Mahlzeit abtragen, und dann wollen wir für die Hochzeit silbernes Haar besorgen gehen. Wir gehen jeder seinen Weg. Wenn ich mehr silberne Haare haben sollte als du, so mußt du in meinem Lande wohnen bleiben. Hast du mehr, so werde ich dir in dein Land folgen.«

Die Hexe nahm das Geschirr vom Tisch und war höchst erstaunt, wer wohl die Reste der Mahlzeit verzehrt haben mochte. Dann gingen beide, Haare zu suchen. Die Hexe war froh, er war traurig. Tschuinis folgte unsichtbar der Hexe auf den Fersen. Da plötzlich setzte sich die Hexe auf einen Eichenstumpf und schwang sich in die Lüfte. Tschuinis



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zieht schnell die Mühle aus der Tasche, dreht den Mühlstein auf die rechte Seite, steigt auf die Mühle und fliegt hinter der Hexe drein. Diese sieht Tschuinis nicht, Tschuinis aber sieht alles. Der Eichenstumpf fliegt blitzschnell durch die Luft und macht endlich weit, weit, mitten auf dem Meere halt. Die Mühle hält auch an, aber niemand sieht sie. Plötzlich fängt das Meer an zu rauschen und Wellen zu schlagen, und der Meeresalte hebt sein Silberhaupt aus den Wogen. Graps! reißt ihm Tschuinis eine Locke seines Silberhaares heraus. Die Hexe will dasselbe tun, aber sie kriegt bloß noch ein einzelnes Härchen zu fassen, denn der Meeresalte wird plötzlich, wohl aus Schmerz, ungebärdig und taucht unter das Wasser. Das Meer beginnt zu toben und zu rasen, und die beiden sind froh, mit heuer Haut davonzukommen.

Am nächsten Morgen übergibt Tschuinis dem Königssohn die silbernen Haare und sagt: »Zeig du der Hexe die deinigen nicht zuerst, sonst wird sie sie dir aus den Händen hexen, sie soll die ihrigen zuerst zeigen.«

Der Königssohn befolgte den Wink, und nun mußte die Hexe ihm in sein Land folgen.

Tschuinis setzte sich auf seine Mühle und war schon längst zu Hause, jene kamen erst im folgenden Jahre an. Nun wurde Hochzeit gehalten, nun wollte man in Herrlichkeit und Freude leben. Tschuinis erschien auch auf der Hochzeit, aber als Bettler verkleidet. Auf der Hochzeit nahm der alte König eine Trinkschale und wollte Tschuinis, dem Bettler, einen Trunk reichen. Der trank jedoch nicht, die Braut solle ihm den Trunk darreichen. Sobald nun die Braut, die Hexe, ihm die Schale brachte, löste Tschuinis sich sein seidenes Band vom Halse, band es an die Schale der Hexe und sagte: »Wenn die Braut jetzt die Schale zurücktragen kann, so ist sie keine Hexe, kann sie es nicht, so ist sie eine Hexe.«

Kaum waren diese Worte gesprochen, so verwandelte sich die Braut in ein Aschenhäuflein.

Jetzt heiratete der Königssohn Tschuinis' Schwester, und Tschuinis heiratete die Schwester des Königssohnes. Der alte König teilte sein Reich in zwei Hälften, die eine gab er Tschuinis, die andere seinem Sohne.



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Nach einer guten Weile besuchte Tschuinis seinen Vater und seine Mutter. Am Abend wusch der König -Tschuinis -seine Füße und ließ das Fußwasser daselbst in der Stube stehen. In der Nacht aber bekamen die beiden Alten im Schlafe heftigen Durst. Sie tranken von demselben Wasser, in dem der Sohn seine Füße gewaschen hatte. Der Sohn erwachte und sagte: »Sieh Vater, sieh Mutter, das war der Traum, den ich damals hatte und euch nicht erzählen wollte: ihr würdet das Wasser trinken, das mir nicht einmal taugen würde, nochmals meine Füße darin zu waschen.«


Die Teufelskünste

Ein Bauer hatte einen einzigen Sohn, den schickte er auf die hohe Schule. Als nun einmal ein Rabe auf dem Dach krächzte, da fragte er seinen Sohn, was der Rabe da krächze, er sei doch auf der hohen Schule gewesen, da müsse er es wissen. Der Sohn erwiderte: »Wie soll ich das wissen, ich war ja in keiner Rabenschule.« Da schickte der Bauer seinen Sohn noch ein Jahr in die Rabenschule. Gut.

Gegen Ende des Jahres kam ganz unerwartet ein Rabe ins Haus des Vaters geflogen: »Ich bin dein Sohn aus der Rabenschule, morgen mußt du mich abholen. Wir sind dort viele Schüler, alle in Raben verwandelt — wirst du mich denn auch in dem ganzen Rabenschwarm erkennen können? Wenn nicht, so muß ich dort bleiben und darf nicht nach Hause. Doch ich will dich lehren, wie du mich erkennen kannst: wir werden uns alle auf eine lange Stange setzen müssen; das erstemal werde ich der dritte von diesem Ende sein, das zweitemal der fünfte, und beim drittenmal wird eine kleine Fliege über mein Gesicht fliegen.« Mit diesen Worten flog der Rabe wieder fort. Am nächsten Tage fuhr der Vater in die Rabenschule, die Raben saßen schon auf der Stange, und nun sollte er seinen Sohn herausfinden. Der Vater zeigte: »Dort, der dritte ist es.«Gut, erraten. Jetzt mußten sich die Raben zerstreuen, durcheinanderfliegen und sich wieder auf der Stange sammeln, dann sollte er raten. Der Vater wies auf den fünften. Gut, erraten. Und wieder mußten sich die Raben mischen, jetzt sollte er raten. »Der da!« zeigte der Vater, denn er hatte bemerkt, wie eine kleine Fliege über das



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Gesicht des Sohnes flog. Jetzt erhielt der Sohn wieder seine menschliche Gestalt, und beide, Vater und Sohn, fuhren übers Meer heimwärts.

Auf dem Meere aber begann ein Rabe abermals auf der Spitze des Mastes zu krächzen. Da fragte der Vater den Sohn: »Jetzt bist du in der Rabenschule gewesen; sag mir also, was der Rabe dort gekrächzt hat.«

»Ach, Vater, wenn ich dir sagte, was der Rabe gekrächzt hat, würdest du mich ins Meer werfen - ich kann es dir nicht sagen.«

Ober diese Antwort geriet der Vater in Zorn und warf in seiner Wut den Sohn nun doch ins Meer, einerlei, ob er es sagte oder nicht. Doch der Sohn ertrank nicht, er schwamm als Fisch an die entgegengesetzte Küste und nahm wieder Menschengestalt an. Dort traf er einen Alten und nahm bei ihm Wohnung. Als er eine Zeitlang dort gewohnt hatte, sagte er einmal dem Alten: »Morgen werde ich ein schöner Vogel werden; trag mich in die Stadt und verkauf mich, nur gib den Käfig nicht mit fort.«

Gut. Am nächsten Tage trug der Alte den Vogel in die Stadt und begegnete der Königstochter. Als sie den lieblichen Gesang des Vogels vernahm, kaufte sie ihn für teures Geld, aber den Käfig gab der Alte nicht fort. Die Königstochter nahm den Vogel und ging, sich einen anderen Käfig kaufen. Aber während sie mit dem Verkäufer sprach, huschte der Vogel davon und war noch eher zu Hause als der Alte. Wieder nach einiger Zeit sagte der Sohn zum Alten: »Morgen werde ich mich in einen großen Stier verwandeln; führ mich in die Stadt und verkauf mich, nur den Strick gib nicht weg.« Gut. Der Alte verkaufte den Stier, gab aber den Strick nicht her. Der Käufer nahm den Stier und kaufte sich einen anderen Strick. Unterdessen aber entwischte der Stier und kehrte nach Hause zurück.

Nach einiger Zeit sagte der Sohn zum drittenmal zum Alten: »Morgen werde ich mich in ein Pferd verwandeln; führ mich in die Stadt und verkauf mich; nur den goldenen Zaum gib nicht her.«

Gut, er führte ihn fort. In der Stadt aber überkam den Alten eine große Geldgier, und so verkaufte er auch den goldenen Zaum. Und der Käufer war der Lehrer an der Rabenschule selbst. Als er das Pferd gekauft



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hatte, ritt er sogleich auf ihm nach Hause, brachte es in den Pferdestall und befahl dem Stall jungen, dem Pferd recht wenig Futter zu geben. Zum Glück gehorchte der Junge nicht, er fütterte das Pferd gut und ließ es eines Tages sogar ganz in Freiheit. Das Pferd lief eiligst davon, aber der Rabenlehrer setzte hinterher. Sie liefen und liefen bis an den Meeresstrand. Am Meeresstrande verwandelte sich das Pferd in einen Fisch, sein Verfolger aber wurde auch zu einem Fisch, und beide schwammen auf das andere Ufer zu.

Auf dem andern Ufer stand ein Königsschloß, und vor dem Schloß waren drei Königstöchter mit Waschen beschäftigt. Der erste Fisch sprang eiligst vor den Königstöchtern ans Ufer und verwandelte sich in einen schönen Diamantring. Die jüngste Königstochter bemerkte zuerst den Ring, steckte ihn an ihren Finger und eilte in die Stube. In der Stube aber verwandelte sich der Ring in den Sohn, und der erzählte ihr alles von A bis Z, was sich mit ihm ereignet hätte und was sich noch ereignen würde. Am Abend würden feine Herren ins Schloß kommen und musizieren, und unter ihnen werde der Rabenlehrer selbst sein; der werde sich für sein Spiel den Diamantring ausbitten, aber die Königstochter solle ihm den nicht geben.

Ja, so war es: am Abend kamen feine Spielleute und spielten so schön, daß man sich gar nicht satt hören konnte. Als sie geendet hatten, fragte sie der König, was für einen Lohn sie begehrten. »Wir wollen nichts anderes als den Diamantring der jüngsten Königstochter.« —Sie sollten ihn haben, erlaubte der König.

Aber die Königstochter wollte sich lieber zerreißen lassen, als den Ring hergeben, und so mußten die Spielleute mit leeren Händen abziehen. Nun verwandelte sich der Ring wieder in den Königssohn und sprach: »Morgen werden die Spielleute nochmals kommen, und wenn sie zu Ende gespielt haben, den Diamantring fordern. Wenn du dich dann gar nicht vor ihnen retten kannst, so wirf den Ring unter den Stuhl.«

Wirklich, so war es: am Abend fanden sich die gestrigen Spielleute wieder ein und spielten noch schöner. Als sie zu Ende waren, erbaten sie sich den Ring. Das Mädchen gab ihn nicht her. Da sie ihn nicht gab, wollten sie Gewalt anwenden. Da zog die jüngste Königstochter den Ring vom Finger und warf ihn unter einen Stuhl. Sogleich verwandelten



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sich die Spielleute in Raben und suchten den Ring zu erhaschen. Aber der Ring wurde zu einem Habicht. Da gab es einen großen Kampf, aber der Habicht verjagte die Raben.

Da verwandelte sich der Ring wieder in den Sohn, der heiratete die jüngste Königstochter, erbte vom König das Reich und lebte glücklich.


Die Stieftochter und die echte Tochter

Eine Mutter hatte zwei Töchter, eine eigene und eine Stieftochter. Die eigene Tochter liebte sie, die Stieftochter aber mochte sie nicht leiden. Eines Tages schickte sie ihre Stieftochter in das Badehaus, den Flachs zu bewachen. Nun hatte die Stieftochter drei Tiere: einen Hund, eine Katze und einen Hahn, die nahm sie zur Gesellschaft mit. Sie ging also in das Badehaus, aß selbst zu Abend und fütterte ihre Tiere; dann bereitete sie sich ein Lager, ebenso ihren Tieren, und danach legten sie sich alle zur Ruhe. Sie schliefen und schliefen, da um Mitternacht erschien der Teufel mit solchem Getöse, daß die Erde zitterte und bebte; er polterte an der Tür und rief: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, laß mich ein!«

Sie aber fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihn einlassen?«Die antworteten: »Laß ihn nicht ein, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Nach einer Weile lärmte der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, laß mich ein!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihn einlassen?« Die antworteten: »Laß ihn nicht ein, es nimmt ein schlechtes Ende.

Nach einer Weile lärmte der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, laß mich ein!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihn jetzt einlassen?« Die antworteten: »Laß ihn ein!«

Gut, sie ließ ihn ein. Der Teufel trat in das Badehaus und befahl gleich wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, fach das Feuer an!«

Aber die Stieftochter fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnehen,



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soll ich das Feuer anfachen?« — »Fach es nicht an, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Nach einer Weile befahl der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, fach das Feuer an!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich es anfachen?« — »Fach es nicht an, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Wieder nach einer Weile befahl der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, fach das Feuer an!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich es jetzt anfachen?« — »Fach es an!«

Gut, sie fachte das Feuer an. Aber als sie das Feuer angefacht hatte, rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, gib mir zu essen!«

Die Stieftochter fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, soll ich ihm zu essen geben?« — »Gib nicht - es nimmt ein schlechtes Ende.«

Nach einer Weile rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, gib mir zu essen!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm zu essen geben?« — »Gib nicht - es nimmt ein schlechtes Ende.«

Wieder nach einer Weile rief der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, gib mir zu essen!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm jetzt geben?« — »Gib!«

Gut, sie gab ihm zu essen. Aber als sie ihm zu essen gegeben hatte, rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, zieh mir die Stiefel ab!«

Die Stieftochter fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm die Stiefel abziehen?« — »Zieh sie nicht ab, es nimmt ein schlechtes Ende!«

Nach einer Weile rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, zieh mir die Stiefel ab!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm die Stiefel abziehen?« — »Zieh sie nicht ab, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Wieder nach einer Weile rief der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, zieh mir die Stiefel ab!«



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Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich sie jetzt abziehen?« — »Zieh sie ab!«

Gut, sie zog die Stiefel ab. Aber als sie die Stiefel abgezogen hatte, rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, mach mir das Bett!«

Die Stieftochter fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich das Bett machen?« — »Mach es nicht, es nimmt ein schlechtes Ende.

Nach einem Weilchen rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, mach mir das Bett!«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich das Bett machen?« — »Mach es nicht, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Wieder nach einer Weile rief der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, mach mir das Bett.«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich es jetzt machen?« — »Mach es!«

Gut, sie machte das Bett. Als sie es gemacht hatte, rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, komm, bei mir schlafen!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich bei ihm schlafen gehen?« — »Geh nicht, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Nach einem Weilchen rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, komm, bei mir schlafen.«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich bei ihm schlafen gehen?« — »Geh nicht, es nimmt ein schlechtes Ende.«

Wieder nach einer Weile rief der Teufel zum drittenmal: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, komm, bei mir schlafen.«

Sie fragte: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich jetzt bei ihm schlafen gehen?« — »Geh!«

Gut, sie ging bei ihm schlafen. Aber da fing der Teufel an, die Stieftochter zu würgen und zu peinigen. Da schrie die Stieftochter: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen! Hündchen, Kätzchen, Hähnchen!«

Alsbald bellte das Hündchen, miaute das Kätzchen, krähte das Hähnchen, und der Teufel flog wie ein Bolzen davon und ließ seinen Wagen und ein Paar schwarze Rappen mit Geld, Gold und Silber im Stich. Morgens, als die Stieftochter erwachte, setzte sie sich mit allen drei Tieren



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in den Wagen und fuhr in eitel Glanz und Pracht zu ihrer Stiefmutter. Als die Stiefmutter all die Kostbarkeiten sah, empfing sie ihre Stieftochter freundlich und fand des Bewirtens und Ehrens kein Ende.

Am nächsten Tage aber schickte die Stiefmutter ihre eigene Tochter, den Flachs zu hüten, und gab ihr auch ein Hündchen, Kätzchen und Hähnchen mit. Im Badehause angekommen, aß sie selbst zu Abend, aber den Tieren warf sie nur eine Rinde hin. Nachdem sie gegessen hatte, machte sie sich selbst das Lager zurecht, nicht aber den Tieren. Dann ging sie zu Bett.

Sie schlief und schlief, da um Mitternacht erschien der Teufel mit solchem Getöse, daß die Erde erzitterte, polterte an der Tür und rief: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, laß mich ein!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihn einlassen?« Die antworteten: »Laß ihn ein, du hast uns nichts zu essen gegeben und hast uns kein weiches Lager gemacht.«

Sie öffnete. Der Teufel trat ein und rief wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, fach das Feuer an!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich das Feuer anfachen?« — »Fach es an, du hast uns nichts zu essen gegeben und kein weiches Lager gemacht.«

Sie fachte das Feuer an. Als sie es angefacht hatte, rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, gib mir zu essen.«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm zu essen geben?« — »Gib, du hast uns nichts zu essen gegeben und kein weiches Lager gemacht.«

Sie gab ihm zu essen. Als der Teufel sich satt gegessen hatte, rief er wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, zieh mir die Stiefel ab.«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm die Stiefel abziehen?« — »Zieh sie ab, du hast uns kein weiches Lager gemacht.«

Sie zog ihm die Stiefel ab. Aber kaum hatte sie sie abgezogen, da rief der Teufel wieder: »Mach mir das Bett!«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich ihm das Bett machen?« — »Mach es, du hast uns nichts zu essen gegeben und kein weiches Lager gemacht.«



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Sie machte das Bett. Aber kaum hatte sie es gemacht, da rief der Teufel wieder: »Mädchen, Mädchen, Mädchen, komm, bei mir schlafen.«

Sie fragte die Tiere: »Hündchen, Kätzchen, Hähnchen, soll ich bei ihm schlafen gehen?« —»Geh, du hast uns nichts zu essen gegeben und kein weiches Lager gemacht.«

Sie ging bei ihm schlafen. Aber kaum hatte sie sich recht hingelegt, da fing der Teufel sie zu würgen an. Jetzt schrie sie wohl aus vollem Halse:

»Hündchen, Kätzchen, Hähnchen! Hündchen, Kätzchen, Hähnchen!«

Aber die Tiere bellten, miauten und krähten nicht.

Und so lange peinigte der Teufel die Tochter der Bäuerin, bis die Arme zu einem Aschenhäuflein wurde. Aber die Haut hatte er ihr schon vorher abgezogen und zum Trocknen über den Zaun gelegt.

Als am Morgen die Bäuerin die Haut ihrer Tochter sah, sagte sie: »Schau, schau, wie hübsch mein Töchterchen dort ausschaut, ihre goldenen Tressen hat sie über den Zaun gelegt.«

Aber als sie dann hinging und das Gräßliche sah, da erschrak die Bäuerin so sehr, daß sie gleich an der Tür des Badehauses tot hinsank.


Die sieben Königssöhne

Ein König hatte sieben Söhne, von denen war der älteste fünfundzwanzig, der jüngste nur sieben Jahre alt. Aber trotz seines jugendlichen Alters hatte dieser allein mehr Mut als alle seine sechs Brüder miteinander. Einmal war der Vater auf den Gedanken gekommen, seine sechs ältesten Söhne in die Fremde zu schicken, den jüngsten jedoch seiner Jugend wegen zu Hause zu behalten. Aber der Jüngste war damit nicht einverstanden, er sagte: »Wenn du mich nicht mitläßt, Vater, so wirst du schon sehen, daß meine Brüder nicht mehr heimkommen. Wie soll denn ohne mich etwas Rechtes zustande kommen?«

Als der Vater das hörte, wurde er anderen Sinnes und ließ ihn mitziehen. Alle sieben Brüder rüsteten nun ein Schiff und fuhren über See in fremde Länder. Auf dem Meere steuerten die älteren Brüder das Schiff nach links, aber der jüngste sprach: »Nach links darf man nicht fahren,



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wir müssen rechts halten; wenn ihr nicht auf mich hört, so werdet ihr schon sehen, daß wir uns verirren.«

Aber die älteren Brüder werden wohl dem jüngsten folgen! Sie steuerten nach links. Jedoch der jüngste hatte recht: am dritten Tage war das Schiff so in der Irre, daß die Fahrer nicht mehr wußten, wo Morgen und wo Abend ist. Sie wandten das Schiff heute in diese Richtung, morgen in jene, es nützte alles nichts. So geht ein Tag und ein zweiter dahin, eine Woche und eine zweite, ein Jahr und ein zweites, bis sie sieben Jahre umhergeirrt waren. Im siebenten Jahr traf die Brüder ein neues Unglück: das Brot ging ihnen aus. Als der jüngste Bruder das merkte, rief er einem der älteren zu: »Steig doch auf den Schiffsmast und spähe, ob irgendwo Land zu sehen ist.«

Ein Bruder steigt hinauf und sperrt die Augen auf: es sei nichts zu sehen. Ein zweiter steigt hinauf und sperrt die Augen auf: es sei nichts zu sehen; alle sechs steigen hinauf, aber sehen konnte keiner was. »Das ist doch wunderbar!«ruft der jüngste, »ich muß wohl selbst hinauf und mich überzeugen.«Er steigt hinauf, schaut und späht, da auf einmal ruft er: »Ach, ihr Pfuscher, ihr seht und wißt nichts. Ich sehe natürlich etwas. Da ist ja Land. Freilich muß man scharf zusehen, denn im Augenblick erscheint es nicht größer als eine Fliege!«

Jetzt wendet er das Schiff nach jener Richtung, und siehe da! Nach drei Tagen erreichen die Brüder die Küste und finden eine wildfremde Stadt. Der König dieser Stadt kommt den Brüdern entgegen und nimmt sie freundlich auf, wie man eben Königssöhne aufnimmt. Der König ladet gleich alle sieben in sein Schloß, läßt ihnen gute Speisen und Getränke vorsetzen und nötigt sie zu essen. Er selbst aber hatte sich am Ende des Tisches niedergelassen und genoß kaum einen Bissen. Als der jüngste Bruder das bemerkte, fragte er: »Weshalb leistest du deinen Gästen nicht Gesellschaft? Du siehst doch, König, wie wir zugreifen; will es dir denn heute gar nicht schmecken?« — »Weder schmeckte es mir gestern, noch heute. Was soll ich darüber sagen, Brüderchen? Seit meine sieben Töchter verlorengegangen sind, will mir nichts mehr schmecken.«

»Ist es schon lange her, daß sie dir verlorengingen?« — »Sieben Jahre werden es sein. Die jüngste war damals sieben Jahre alt, und als sie um



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die Mittagszeit mit ihren Schwestern ins Freie ging, da verschwanden alle sieben. Ich habe zwar dem, der sie wiederfände, mein halbes Reich versprochen, aber alles umsonst.«

»Wenn nun wir sieben Brüder deine sieben Töchter wiederfänden, was würdest du uns dafür versprechen?«fragte der jüngste Bruder. »Liebe Brüder, ich würde sie euch gleich zu Frauen geben, dir als dem jüngsten die jüngste und so der Reihe nach, bis dem ältesten Bruder die älteste zufiele.«

»Gut, dann wollen wir sie suchen gehen. Gib uns nur für wenigstens sieben Jahre Nahrungsmittel auf den Weg.«

Am nächsten Morgen war das Schiff gerüstet. Die Brüder zogen die Segel auf und fuhren ab.

Auf dem Meere steuerten die älteren Brüder nach links, aber der jüngste sagte: »Nach links darf man nicht fahren, wir müssen nach rechts halten; wenn ihr nicht auf mich hört, werdet ihr schon sehen, daß wir uns verirren.»

Aber die älteren Brüder werden wohl dem jüngsten folgen! Sie steuerten nach links. Aber der jüngste hatte recht: am dritten Tage war das Schiff so in der Irre, daß die Fahrer nicht mehr wußten, wo Morgen und wo Abend ist.

Die älteren wollten das Schiff wieder drehen, aber der jüngste sagte: »Was dreht ihr, fahrt doch geradeaus, komme, was da wolle.« So vergeht ein Tag und ein zweiter, es vergeht eine Woche und eine zweite, ein Jahr und ein zweites, bis abermals sieben Jahre verstrichen sind. Im siebenten Jahre fängt das Brot an auf die Neige zu gehen. Was nun? Als der jüngste Bruder das merkt, ruft er einem der älteren zu: »Steig doch auf den Schiffsmast und spähe aus, ob denn nirgends Land zu sehen ist. Ein Bruder steigt hinauf und sperrt die Augen auf: es sei nichts zu sehen; ein zweiter steigt hinauf und sperrt die Augen auf: es sei nichts zu sehen. Alle sechs steigen hinauf, aber sehen konnte keiner was. »Das ist doch wunderbar!« ruft der jüngste; »ich muß wohl selbst hinauf und mich überzeugen.« Er steigt hinauf und späht, ja, in der Ferne sieht man Land, so groß wie eine gute Männerfaust anzusehen. Jetzt wendet er das Schiff nach jener Seite, und siehe da! Nach drei Tagen erreichen die Brüder mitten im Meer einen hohen, abschüssigen



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Felsen. Der jüngste Bruder machte eine lange Strickleiter, warf sie über eine Felszacke, und alle stiegen hinauf. Oben fanden die Brüder einen schönen Apfelgärten, und jenseits des Gartens sahen sie ein weites unbebautes Land. Sechs Brüder blieben im Garten, sich an den Früchten zu laben, aber der jüngste ging allein auf das unbebaute Land. Da tritt ihm, wie aus dem Boden gewachsen, ein gewaltiger Riese mit einer großen, balkendicken Keule entgegen und sagt: »Wie bist du, Knirps, hier in das Gebiet meines Herrn geraten? Hinaus mit dir, auf der Stelle hinaus!« Aber der jüngste Bruder geht nicht. Wie er nicht geht, stößt ihn der Riese bis an die Knie in den Boden. Da läuft dem jüngsten Bruder die Galle über; er zieht sein Schwert und haut dem Riesen ein Bein bis an die Knie ab. Der Riese stürzt in seinem Schmerz zu Boden und ruft: »Hau nicht mehr.«

»Gut«, antwortet der jüngste Bruder, »aber dann mußt du zweierlei versprechen: erstens meine sechs Brüder dort im Garten nicht anzurühren, sodann mir zu sagen, was weiterhin in diesem Lande zu sehen ist.«

»Deine Brüder werde ich nicht anrühren, was aber weiterhin in diesem Lande Gutes zu sehen ist, das wird dir mein zweiter Bruder sagen, dem du bald begegnen wirst.«

Der jüngste Bruder ging weiter. Da tritt ihm, wie aus dem Boden gewachsen, ein zweiter gewaltiger Riese mit einer großen, baumdicken Keule entgegen und sagt: »Wie bist du, Knirps, hier in das Gebiet meines Herrn geraten? Hinaus mit dir, auf der Stelle hinaus!« Aber der jüngste Bruder geht nicht. Wie er nicht geht, stößt ihn der Riese bis zum halben Leib in den Boden. Da wird es dem jüngsten Bruder heiß ums Herz: er zieht sein Schwert und haut dem Riesen ein Bein bis zur Hälfte ab. Der Riese stürzt in seinem Schmerz zu Boden und ruft: »Hau nicht mehr. «

»Gut«, antwortet der jüngste Bruder; »aber dann mußt du mir zweierlei versprechen: erstens meine sechs Brüder dort im Garten nicht anzurühren, sodann mir zu sagen, was weiterhin in diesem Lande zu sehen ist.« —»Deine Brüder werde ich nicht anrühren, aber was weiterhin in diesem Lande Gutes zu sehen ist, das wird dir mein dritter Bruder sagen, dem du bald begegnen wirst.«



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Der jüngste Bruder geht weiter. Da tritt ihm, wie aus dem Boden gewachsen, ein dritter gewaltiger Riese mit einer großen, baumdicken Keule entgegen und sagt: »Wie bist du, Knirps, hier in das Gebiet meines Herrn geraten? Hinaus mit dir, auf der Stelle hinaus!«

Aber der jüngste Bruder geht nicht. Wie er nicht geht, stößt ihn der Riese bis an die Achselhöhlen in den Boden. Jetzt kommt dem jüngsten Bruder das Blut ins Kochen; er zieht sein Schwert und haut dem Riesen das eine Bein gänzlich ab. Der Riese stürzt in seinem Schmerz zu Boden und ruft: »Hau nicht wieder!«

»Gut, aber dann mußt du mir zweierlei versprechen: erstens meine Brüder dort im Garten nicht anzurühren, sodann mir zu sagen, was weiterhin in diesem Lande zu sehen ist.«

»Deine Brüder werde ich nicht anrühren, und von diesem Lande kann ich dir so viel erzählen: »Das Land ist verzaubert, und sein Gebieter ist ebenfalls im Stall in einen Hengst verzaubert. Zu diesem Hengst mußt du zuallererst gehen, wenn du in diesem Lande etwas erreichen willst.

Wenn du in den Stall trittst, so wird sich zuerst der Hengst sehr wild gebärden. Aber sei nicht bange, geh durch den Stall bis ans andere Ende, dort wirst du drei Abteile sehen, ein eisernes, ein silbernes und ein goldenes. Alle drei Abteile sind voll Hafers. Nimmst du nun Hafer aus dem eisernen Abteil und schüttest ihn dem Hengste vor, so wird er gleich ein wenig ruhiger werden; nimmst du von dem Hafer aus dem silbernen Abteil und schüttest ihn hin, so wird er schon ganz zahm werden; nimmst du aber Hafer aus dem goldenen Abteil und schüttest ihn hin, so wird der Hengst frommer als ein Lamm werden. Er wird sogleich mit dir zu sprechen anfangen und dir alles sagen, was du zu tun hast. Weiter weiß ich dir nichts zu sagen.«

Der jüngste Bruder begab sich zum Hengst und tat alles aufs Haar, wie er belehrt worden war. Ja, genau; der Hengst fing zuletzt zu sprechen an und sagte: »Junge, du bist, wie ich sehe, stark und mutig. Bist du denn nicht drei starken Riesen begegnet?«

»Natürlich bin ich ihnen begegnet, aber die armen Tröpfe habe ich bezwungen. Der dritte hat mich zuletzt gelehrt, wohin ich gehen solle, was ich zu tun habe.«



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Hast du wirklich die Riesen bezwungen? Nun, dann wirst du den Drachen, der dies Land beherrscht, auch bezwingen. Der Drache wohnt in jener Burg. Er hat neun Köpfe und eine ungeheure Kraft. Der hat mich selbst in einen Hengst verzaubert und einem Könige sieben Töchter geraubt, die dort in der Burg gefangengehalten werden. In die Burg geh um die Mittagszeit, dann schläft der Drache. Schleich recht leise hinein und bewaffne dich mit meinem Schwert, das dort an der Wand hängen wird; mit deinem eigenen versuch es nicht. Außerdem wirst du neben dem Drachen zwei Gefäße sehen: in dem zur Rechten ist Kraftwasser enthalten, zur Linken Ohnmachtswasser. Die beiden Gefäße vertausche: das Kraftwasser stelle, nachdem du selbst einen Schluck getrunken hast, nach links, und das Ohnmachtswasser nach rechts. Ist das alles getan, so versetz mit meinem Schwert dem Drachen einen Streich, so kräftig du irgend kannst.«

Am nächsten Tage, genau um die Mittagszeit, begab sich der jüngste Bruder in die Burg, bewaffnete sich mit dem Schwert des Hengstes, vertauschte die beiden Gefäße und fiel dann über den Drachen her, indem er ihm mit einem Streich sechs Köpfe abhieb. Der Drache fuhr sofort mit Gebrüll auf, um mit seinen übrigen drei Köpfen noch rechtzeitig das Kraftwasser zu ergreifen und dann seinen Gegner zu verschlingen. Doch es mißlang ihm: in der Hitze ergriff er das Ohnmachtswasser. Zwar versuchte der Unhold das falsche Getränk wieder auszuspeien, aber es half ihm nichts; mit seiner Kraft war es zu Ende, und der jüngste Bruder raubte ihm auch seine letzten Köpfe wie Mützen. Und kaum war das Ungetüm zu Fall gebracht, da zeigte sich überall neues Leben: eine Stadt tauchte empor, es wimmelte von Menschen und Vieh. Bei diesem Anblick geriet er in Schreck und eilte in den Stall zum Hengste. Aber der Hengst war über die Maßen froh und sprach: »Du bist ein ganzer Mann! Ich danke dir, daß du mein Land, meine Stadt, mein Volk, meinen Besitz und mich selbst befreit hast. In dreimal neun Tagen werde ich wieder Menschengestalt und die Herrschaft über dies Land gewinnen. Geh jetzt in die Burg, Bruder, nimm mein Schwert zum Andenken, und dann tu, was dir selbst genehm ist, ob du nun bei mir wohnen bleiben oder dich in deine Heimat begeben willst.«

»Nein, Freund, ich werde lieber die sieben Königstöchter mit mir nehmen



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und in meine Heimat gehen, denn im Vaterhause ist es doch am besten.«

»Gut, gut, vergiß nur nicht mein Schwert.«

Der jüngste Bruder nahm nun die wiedergefundenen Königstöchter mit sich und eilte zu seinen Brüdern ans Meer. Die sieben Königstöchter waren über die Maßen froh, aber die Brüder zuckten nur die Achseln und wunderten sich. Gerade waren sie alle vom Felsen aufs Schiff hinabgestiegen, da fuhr sich der jüngste Bruder an den Kopf: »Wo habe ich das Drachenschwert? Daß ich das vergessen konnte! Verdammt, ich muß es holen gehen, das darf ich nicht dalassen.«

Der jüngste Bruder lief nach seinem Schwert, aber die übrigen Brüder warteten nicht auf ihn. Sie besprachen sich so: »Wollen wir nur fortfahren, mag er bleiben. Wollen wir unserem Schwiegervater sagen, daß wir seine Töchter gerettet haben; dann wird wenigstens einer von uns sechsen die jüngste Schwester zur Frau haben. Und soviel wir wissen, ist die jüngste die Erbin des Reiches. Tun wir nicht so, so nimmt sich der jüngste Bruder den Rahm, und uns bleiben nur die Molken. Und wie würde er sich noch brüsten; er allein habe sie gerettet, wir hätten im Garten gefaulenzt, Obst gegessen und uns vor den Riesen gefürchtet. Also so ist's recht, anders geht es nicht. Nur müssen wir der jüngsten Schwester einschärfen, daß sie dasselbe aussagt wie wir. Sie muß versprechen, zu schweigen.«

Gesagt, getan. Die Brüder fuhren fort, der jüngste ist betrogen. Der Arme kam wohl mit dem Drachenschwert zurück, aber von den Brüdern war nichts mehr zu hören, noch zu sehen. Was nun? Jetzt heißt es zum Hengste eilen. Er kommt hin, der Hengst sagt: »Ich sagte dir doch, du sollest nicht vergessen, gleich das Schwert zu nehmen. Geh jetzt hinaus, da wirst du linker Hand einen Apfelbaum mit goldenen Äpfeln sehen. Pflücke drei Äpfel und bringe sie mir; nur iß sie nicht selbst.«Der jüngste Bruder geht nach den Äpfeln. Aber die Äpfel sind gar so schön. Er denkt: >Wird der Hengst das wohl erfahren? Einen von den prächtigen Äpfeln muß ich versuchen.<

Drei Äpfel steckt er in die Tasche, den vierten pflückt er, um ihn zu verspeisen. Aber kaum hat er in den Apfel gebissen, da sind die Äpfel verschwunden und der Apfelbaum desgleichen. Ein neues Unglück. Er



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geht zum Hengst hinein, der Hengst sagt: »Weshalb hörst du nicht, was ich dir sage? So wirst du nicht nach Hause kommen. Geh wieder hinaus, rechter Hand wirst du einen anderen Apfelbaum mit ebensolchen Früchten sehen, aber jetzt iß nicht mehr von ihnen.«

Diesmal gehorcht der jüngste Bruder. Der Hengst nahm die Apfel und sprach: »Steig auf meinen Rücken, ich werde dich nach Hause tragen. Wir müssen sehr eilen, denn erstens ist die Zeit meiner Verzauberung bald um, und zweitens wäre es mir sehr lieb, wenn wir vor deinen verräterischen Brüdern nach Hause gelangen könnten.«

»In wieviel Tagen gedenkst du mich zum König, in das Schloß meines künftigen Schwiegervaters zu bringen?«

»In vier Tagen sind wir dort.« —»Nun, dann können wir nicht vor den Brüdern ankommen. Sie haben sehr günstigen Fahrwind; und wenn sie sich nicht verirren, sind sie in ein paar Tagen am Ziel. Das wäre sonst einerlei, nur fürchte ich, daß die Spitzbuben dem König seine jüngste Tochter wegschnappen. Das ist meine Sorge. Aber komme, was kommen soll.«

Mit diesen Worten bestieg der jüngste Bruder den Rücken des Hengstes und ritt durch die Luft wie der Wind. Unterwegs gab der Hengst die drei Äpfel dem jüngsten Bruder und sagte: »Wenn du müde bist, so wirf einen Apfel über die Schulter. Sogleich wird eine Königsstadt erscheinen, wo wir die Nacht über bleiben können. Nur auf eines gib acht: Am Morgen wird der König dir allerhand Schätze anbieten, aber nimm sie nicht, nimm ein altes Tuch, in das die Sachen eingebunden waren. Und noch eins: Wenn du den Apfel über die Schulter wirfst, vergiß nicht zu sagen: »Jetzt ist es Zeit, zur Ruhe zu gehen.«

Gegen Abend fühlte sich der jüngste Bruder müde. Er holte einen goldenen Apfel heraus, warf ihn sich über die Schulter und sagte: »Es ist Zeit, zur Ruhe zu gehen.«Sofort erschien eine große Stadt, und der König kam selbst dem Reiter entgegen, um ihn zu sich einzuladen. Am Morgen schenkte der König seinem Gast allerhand Sachen, aber der Gast bedankte sich und nahm nichts anderes an als ein altes, altes Tüchlein und ritt davon. Unterwegs fragte ihn der Hengst: »Hast du das Tüchlein bekommen?« —»Ja.« —»Nun, dann ist es gut. Verwahr es nur sorgfältig, zu seiner Zeit wirst du es brauchen. Und wenn du dich heute



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wieder müde fühlst, so wirf den zweiten Apfel über die Schulter und sprich: >Jetzt ist es Zeit, zur Ruhe zu gehen!< Sogleich wird eine Königsstadt erscheinen, wo wir über Nacht bleiben können. Nur auf eines gib acht: Am Morgen wird der König dir ebensolche Kostbarkeiten anbieten, aber nimm sie nicht, nimm einen alten Leuchter.«

Gegen Abend fühlte sich der Bruder müde. Er holte einen goldenen Apfel heraus, warf ihn über die Schulter und sagte: »Jetzt ist es Zeit, zur Ruhe zu gehen.«

Sofort erschien eine große Stadt, und der König kam selbst dem Reiter entgegen, um ihn zu sich einzuladen. Am Morgen schenkte ihm der König allerhand Sachen, aber der jüngste Bruder nahm nur einen alten Leuchter an und ritt dann dankend davon. Unterwegs fragte der Hengst: »Hast du den Leuchter bekommen?« —»Ja.« —»Nun, dann ist es gut. Verwahr ihn nur sorgfältig, du wirst ihn seinerzeit brauchen. Und wenn du dich heute wieder müde fühlst, so wirf den dritten Apfel über die Schulter, indem du dieselben Worte sprichst. Sogleich wird eine Königsstadt erscheinen, wo wir über Nacht bleiben können. Nur auf das eine gib acht: am Morgen wird dir der König ebensolche Kostbarkeiten zum Geschenk anbieten, aber die nimm nicht, nimm nur einen verschimmelten Kuchen.«

Gegen Abend fühlte sich der jüngste Bruder müde. Er holte einen goldenen Apfel heraus, warf ihn über die Schulter und sprach: »Jetzt ist es Zeit, zur Ruhe zu gehen.« Sofort erschien eine große Stadt, und der König kam selbst dem Reiter entgegen, um ihn zu sich einzuladen. Am Morgen schenkte ihm der König allerhand Sachen, aber der jüngste Bruder nahm nur einen verschimmelten Kuchen an und ritt dann dankend davon.

Unterwegs fragte der Hengst: »Hast du den Kuchen bekommen?« — »Ja.« —»Nun, dann ist es gut, verwahre ihn nur sorgfältig, du wirst ihn seinerzeit brauchen.«

Am vierten Tage gegen Abend traf der jüngste Bruder im Schloß seines künftigen Schwiegervaters ein. Der Hengst trennte sich jetzt von ihm, indem er sagte: »Lebe nun wohl, ich muß zurückeilen, denn in wenigen Tagen ist meine Zeit um.«Der jüngste Bruder dachte nun, seine verräterischen Brüder beim König zu finden, aber keineswegs. Die hatten



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dank dem günstigen Fahrtwinde schon längst die Rückfahrt vollendet und hatten dem Könige die Ohren vollgelogen von ihren gewaltigen Heldentaten. Der König hatte dann auch tags zuvor einem jeden eine seiner Töchter zur Frau gegeben, und alle waren noch an demselben Morgen zu ihrem Vater nach Hause gefahren. Einer wollte wohl mit aller Gewalt dem Könige seine jüngste Tochter entlocken, aber diese ging und ging nicht zu ihm. Als der König das hörte, sagte er selbst auch: »Die jüngste gehört dem jüngsten Bruder, und wenn der jüngste Bruder nach eurer Aussage verloren ist, dann mag meine jüngste Tochter lieber bei mir bleiben.«

So geschah es denn auch. Aber wie groß war das Erstaunen, als an demselben Tage gegen Abend der jüngste Bruder erschien und dem Könige alles erzählte, wie es sich wirklich begeben hatte. Der Alte sprang vor Zorn schier in die Luft. »Solch eine Niedertracht! Wie konnte ich nur solchen Schuften meine Tochter geben! Was wird künftig erst aus ihnen werden, wenn sie jetzt schon so sind! Dir aber, du ehrlicher Junge, gebe ich hiermit meine jüngste Tochter, und nach meinem Tode sollst du der König dieses Reiches werden.«

Der jüngste Bruder nahm also die jüngste Königstochter zur Frau und gedachte bei seinem Schwiegervater zu leben. Aber in der nächsten Woche kam ihm plötzlich der Gedanke: »So geht es nicht, ich muß doch zu meinem Vater heim. Meine Brüder werden ihm auch die Ohren vollgelogen haben, und dann wird mein Vater, weil er den Lügnern Glauben schenkt, sich unnütze Sorgen um mich machen! Mag mein Frauchen hier bleiben, ich will meinen Vater besuchen gehen.« Der jüngste Bruder machte sich auf den Weg.

Aber als die Brüder den Jüngsten kommen sahen, ergriffen sie ihn, führten ihn in den Wald und warfen ihn in eine tiefe, tiefe Bärengrube, damit er dort Hungers stürbe. Der Vater bekam von alledem nichts zu hören. Aber der jüngste Bruder starb nicht des Hungers. Er erinnerte sich seines Tuchs, seines Leuchters und seines Kuchens. Sobald er das Tuch auf den Boden warf, entstand in der Bärengrube ein prächtiges Schloß; sobald er den Leuchter auf den Tisch stellte, war das ganze Schloß hell erleuchtet, sobald er den Kuchen auf den Tisch legte, entstanden die köstlichsten Speisen und Getränke. So lebte er in der tiefen



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Grube einen Tag und noch einen, eine Woche und noch eine, einen Monat und noch einen: weder kam ihm irgendein Mensch zu Hilfe, noch konnte er selbst heraus. Seine junge Frau wartete einen Tag und noch einen, eine Woche und noch eine, einen Monat und noch einen: weder kam irgendeine Nachricht, noch kehrte ihr Mann selbst zurück. Wie lange sollte sie warten? Sie entschloß sich, ein Kriegsheer zu men und auf die Suche zu gehen. Sie zieht also mit dem Kriegsheer vor das Tor ihres Schwiegervaters und läßt den ältesten Sohn herauskommen.

Den fragte sie, wo er seinen jüngsten Bruder gelassen habe. Aber der zuckte die Achseln, er wisse gar nichts. Nun, wenn er nichts wisse, so solle der nächste Bruder herauskommen. Er kam und sagte dasselbe. Zuletzt rief sie alle sechs, auch sie wüßten gar nichts. Aber wer einmal lügt, dem glaubt man nicht; so war es auch hier. Die junge Verwandte erklärte jetzt kurz und bündig: »Damals habt ihr ebenso gesagt, ihr wüßtet nicht, wo der jüngste Bruder geblieben sei, und jetzt ist es das gleiche Unglück. Kriegsleute, nehmt sie fest und führt sie ins Gefängnis, dann wird es ihnen schon einfallen, wo ihr Bruder geblieben ist.«

Nun gab es einen Spaß. Kaum hatten die Frauen vernommen, daß ihre Männer ins Gefängnis müßten, da kamen alle sechs heraus und baten flehentlich, man möge sie gehenlassen, sie wollten sagen, wo der Bruder versteckt sei. Schön. Als nun alles erzählt war, da begaben sich das Kriegsheer, die sechs Betrüger mit ihren Frauen und der alte König selbst zur Bärengrube, um den jüngsten Bruder zu suchen. Keiner glaubte mehr, ihn am Leben zu finden. Aber dort angelangt, wunderten sich alle: in der Bärengrube stand ein Schloß, und im Schloß war der jüngste Bruder, frisch und gesund wie ein Rettich. Sein Frauchen vergoß, als sie ihn sah, Freudentränen, aber der alte Vater weinte bald aus Freude, bald aus Kummer. Wenn er seinen jüngsten Sohn ansah, überwältigte ihn die Freude, wenn er aber seine älteren Söhne, die Spitzbuben, anschaute, wußte er sich vor Kummer nicht zulassen. Zuletzt sagte der Alte: »Ihr sechs Taugenichtse, fort aus meinen Augen! Aber du, mein Söhnchen, sollst nach meinem Tode König werden. Du hast es verdient, daß es dir gutgehe.«

Als die sechs Brüder das hörten, wurden sie totenblaß. Sie umarmten



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den Vater und den jüngsten Bruder und baten sie um Vergebung. Der jüngste Bruder vergab ihnen gleich, aber der Vater wollte sich nicht erbitten lassen. Zuletzt trat auch der Jüngste für seine Brüder ein, und es gelang ihm mit Not und Mühe, den Vater zu versöhnen.

»Als Söhne«, sagte der Alte, »will ich euch wieder annehmen, aber mein Reich soll jedenfalls der Jüngste erben.«

So fielen dem Jüngsten zwei Reiche zu.


Wie der Bauer in die Hölle kam

Einmal, schau, hat sich folgendes ereignet: Ich kam recht gründlich bezecht aus dem Kruge und fiel in einen Graben. Dabei wäre nun nichts weiter gewesen - im Rausch kann man ja wohl in den Graben fallen, wenn der einem vor die Füße kommt -, wenn ich nur nicht immer hätte weiter fallen müssen. So fiel und fiel ich also, und wißt ihr, wohin ich fiel? —Wahrhaftig geradeswegs in die Hölle. Sollte der Böse selbst mich in seine Klauen bekommen haben, dann hole der Teufel die Sauferei, meiner Treu, so dachte ich in meiner Angst, und der ganze Rausch war verflogen.

Was jetzt tun? Entdeckt dich der Teufel, so wirft er dich gleich in den Höllenkessel!

Aber wie ich mich dort versteckt hielt und kein Teufel sich um mich zu kümmern schien, da wurde ich ganz allmählich dreister, bis zuletzt alle Furcht vergangen war und nur der eine Gedanke mein Herz bedrückte: Die Schande, daß du durch den Suff bei lebendigem Leibe in die Hölle geraten bist! Aber was war da zu machen, man erlebt halt bisweilen sonderbare Dinge. Schließlich zerbreche ich mir den Kopf: Sollte es denn keine Möglichkeit geben, wieder aus der Hölle herauszukommen? Ich überlege mir: Wer sollte dich wohl aus der Hölle herauslassen? Die Gedanken laß lieber beiseite. Ich fange also an, mich umzuschauen, ob sich nicht irgendwo etwas für mich zu tun findet, denn immer nur durch die Hölle zu schlendern, das wurde mir auf die Dauer auch zu langweilig. Aber wart einmal, denke ich, sag gar nichts, vielleicht kann ich mir doch aus der Patsche helfen: ich war doch da



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droben immer ein großer Baumeister, und als ich in den Krug ging, habe ich mir auch den Zollstock in die Tasche gesteckt - an all das erinnerte ich mich - und in der Hölle gibt es keine Kirche, die muß ich jedenfalls bauen.

Und hurtig hole ich den Zollstock aus der Tasche und fange gleich an zu zeichnen und zu messen, was das Zeug hält. Ich zeichne und zeichne, aber sieh da! Wie ich den Platz für die Kanzel abmessen will, da will es der Teufel nicht erlauben.

(Die Kanzel kam nach meinem Plan just da zu stehen, wo des Teufels großer eiserner Thron stand, und wie ich den auf die eine Seite schiebe, reißt ihn mir der Teufel auf die andere Seite zurück, ungefähr eine Stunde mögen wir uns da versteift und gezankt haben.) Schließlich behauptete der Teufel gar noch, in der Hölle brauche man überhaupt keine Kirche, aber ich trumpfte ihm auf: »Doch, man braucht durchaus eine.« Zu guter Letzt wurde der Teufel so zornig, daß er mich an der Gurgel packte (ich glaubte wahrhaftig, er wolle mich erwürgen) und mich durch dasselbe Loch, durch das ich hereingefallen war, wieder hinauswarf, meine Mütze flog noch ein gutes Stück weiter. Ich wischte mir also den Dreck ab und ging heim. Aber die Heide hatte mir beim Werfen den Kopf kaputtgeschlagen: eine große Beule hatte ich gerade hier auf der Stirn, wahrscheinlich war ich an einen Stein gestoßen. Das, beschloß ich, dem Teufel auf jeden Fall heimzuzahlen: ich dachte mir aus, ein Gelage zu veranstalten und bei der Gelegenheit es ihm einzutränken. Gut, ich besorgte mir Getränke, kochte dicke Grütze, tat Butter in die Mitte und lud den Teufel und mit ihm Pehrkons zu Gaste. Wir zechten und zechten und wurden allmählich recht lebendig, und Pehrkons zuckte es in den Fingern: er wollte schießen. Als der Teufel das merkte, erschrak er und verkroch sich in einen Winkel, er fürchtete, Pehrkons könnte ihm im Rausch ein Auge ausschießen. Aber Pehrkons griff nach Stahl und Feuerstein und fing an, Feuer zu schlagen, daß die Funken nur so stoben. Zuletzt -das war noch gar nichts - grapste er auch nach dem Pulverfaß, um richtig zu laden und loszufeuern, dann werde man einen Knall zu hören bekommen. »Ist der Kerl verrückt?« brummte der Teufel, zitterte und bebte und fragte mich heimlich, wohin er entwischen könne. Ich sagte: »Drück dich gleich hier in den



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Strohhaufen!«Und der Teufel stob auch schleunigst zum Haufen und verkroch sich hinter das Gerüst, so daß nur noch die Schwanzspitze herausragte.

Aber der Teufel war noch nicht ordentlich ins Stroh geschlüpft, als auch schon Pehrkons zur Stelle war: jetzt habe er einmal tüchtig geladen, das ganze Pulverfäßchen in den Lauf gejagt, wohin er nun schießen solle? Ich sagte: »Brenn gleich hier den Haufen!« —Wollte doch sehen, was daraus wird. — Krach! donnerte der Schuß los, und vom Teufel war keine Spur mehr vorhanden: er war mausetot und zu Asche verpulvert. Seit der Zeit gibt es keinen Teufel mehr auf der Welt.


Abenteuer eines Königssohnes

Ein Königssohn fuhr einst über See und verirrte sich. Die Stürme trieben sein Schiff bald hierhin, bald dahin, nirgend jedoch war eine Küste zu erblicken. Darüber vergingen Monate. Da, an einem heiteren Tage, schaut der Königssohn auf und gewahrt in der Ferne etwas wie eine Insel. Voller Freude gibt er sogleich den Befehl, das Schiff nach jener Richtung zu steuern. Aber welch ein Wunder! Je mehr er sich der Insel nähert, um so deutlicher vernimmt er ein wunderbares Getöne. Er fährt dicht an die Insel heran: das wunderbare Getöne verstummt, und an der Insel anzulegen scheint unmöglich, denn sie ist ringsum von hohen, hohen Mauern umgeben.

Nichts zu machen, er fährt weiter. Er fährt und fährt, aber -ein neues Ungemach -die Schiffer sind jetzt so verwirrt, daß sie weder von der Insel loskommen, noch auch das Schiff in die alte Fahrrichtung lenken können. So irren sie lange Zeit, bis sie sich endlich mit Mühe und Not doch ein Stück an der Insel vorbeischleppen. Aber jenseits der Insel begibt sich ein neues Wunder: eine hohe Brücke, höher als die Mauern selbst, erstreckt sich von dieser Insel bis zu einer zweiten, entfernteren. So wie die Schiffer die Brücke gewahren, fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen: jetzt wissen sie, was sie tun; sie wissen auch, wohin sie wohl fahren als einfach an der Brücke entlang bis zur zweiten Insel. Sie fahren also hin: die Brücke endet vor einem schönen Schlosse. Der



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Königssohn befiehlt allen, das Schiff zu verlassen und sich ins Schloß zu begeben. Aber kaum berühren ihre Füße die Schwelle des Schlosses, da läßt sich von der ersten Insel her dasselbe wunderbare Getöne vernehmen. Der Königssohn stellt einen Teil seiner Leute an den äußeren Eingang, den anderen an die innere Tür und betritt selbst das Schloß. Er tritt in ein Zimmer, das ist leer; er tritt in ein zweites, das ist voll mit Schafen, und in der Mitte ist ein großes Schaf; er tritt in ein drittes; fast das ganze Zimmer ist von einem einzigen Fisch ausgefüllt: der Schwanz ist an der einen Seite der Tür, der Kopf an der anderen Seite, der Leib erstreckt sich durch das ganze Zimmer, und Augen hat er so groß wie ein Sieb. Der Königssohn zieht hurtig sein Schwert und bohrt dem Fisch die Augen aus. Der Fisch verwandelt sich augenblicklich in einen gewaltigen eisernen Riesen, der tastet nach dem Königssohn, um ihn zu ergreifen; aber der Königssohn schlüpft unter die Schafe. Das große Schaf begegnet dem Flüchtenden freundlich und flüstert ihm zu: »Versteck dich unter meinem Bauch, dann wird der eiserne Riese dich nicht ergreifen können. Wir alle waren einmal Menschen, aber dort auf der anderen Insel sind wir zu Schafen geworden.«Da der Riese so den Königssohn nicht fassen kann, bricht er in die Tür ein so großes Loch, daß nur ein Schaf hindurchschlüpfen kann, und läßt danach ein Schaf nach dem andern ins Freie. Zuletzt kommt auch das große Schaf an die Reihe; das kann nicht hinaus, die öffnung ist zu klein. Der Riese bricht ein doppelt so großes Loch heraus und läßt dann das Schaf ins Freie, ohne zu ahnen, daß der Königssohn unter dem Bauch des Schafes sitzt.

Sobald der Königssohn ins Freie gelangt war, eilte er mit seinen Leuten auf das Schiff und machte sich davon. Der Riese durchtastete das Zimmer der Schafe: da war nichts zu finden. Er tastete nochmals sein Zimmer ab: da war auch nichts; er betastete den Vorraum: wieder nichts; er eilt hinaus, da hört er jene auf dem Schiffe lärmen. In seiner Wut ergreift er Steine und schleudert sie auf gut Glück nach dem Schiffe hin. Jeder Stein, der auf das Schiff fällt, wird zu einem Gold klumpen, aber wer von den Leuten das Gold in die Hände nehmen will, der wird stumm.

Sie fahren also immer an der Brücke entlang bis an die ummauerte Insel.



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Kaum sind sie dort, so verstummt das wunderbare Getöne. »Zum Henker!«ruft der Königssohn. »Einer soll die hohe Mauer ersteigen und nachsehen, was das für ein wunderbares Getöne ist.«

Mit großer Mühe klettert einer auch hinauf, aber kaum ist er oben, da klatscht er entzückt in die Hände, stößt einen hellen Jubelruf aus und springt auf der anderen Seite hinab. Da schickt er einen anderen, aber der klatscht ebenso in die Hände, stößt einen lauten Freudenruf aus und springt wie ein Schmetterling hinab.

Den dritten läßt er so nicht mehr fort, den knüpft er an einen Strick und läßt ihn dann hinaufklimmen. Der klimmt hinauf, will hinunterspringen, aber die anderen reißen ihn zurück auf das Schiff. Nun drängen sie alle um ihn, was er denn auf der anderen Seite Schönes gesehen habe. Aber er kann ihnen nichts erzählen, er ist vor Freude stumm geworden. Jetzt befiehlt der Königssohn weiterzufahren. Aber da fahre einer! Als die Brücke außer Sicht gekommen ist, da sind alle wieder wie von Sinnen. Die Ärmsten quälen sich drei Tage und drei Nächte ab, aber sie kommen nicht vom Fleck. Und als sich zuletzt zu aller übrigen Bedrängnis auch noch der Hunger einzustellen beginnt, da weiß der Königssohn keinen anderen Ausweg mehr als sein kostbarstes Kleinod, sein Schwert, dem Meere zu opfern und es um Hilfe anzuflehen. Er wirft sein Schwert in die Flut. Sogleich taucht aus der Meerestiefe ein würdiger Greis empor mit einem diamantenen Schwert in der Hand und sagt: »Nimm das Schwert und wirf es in die Luft!« Der Königssohn ergreift das Schwert und schleudert es in die Luft. Augenblicklich sind Schwert und Schiff von einem undurchdringlichen Nebel wie von einer Wolke umhüllt. Die Wogen heben sich, und das Schiff fliegt dahin, bis es vor dem Eingang zum Schlosse des Vaters anlegt.


Wie der Kuckuck entstand

Eine Mutter züchtete sich in der Badestube eine Laus, die war so groß, daß die Mutter aus der Haut der Laus ihrer Tochter ein ganzes Paar Schuhe machen lassen konnte. Einmal war die Mutter mit ihrer Tochter zu einer Hochzeit eingeladen. Auf dem Hochzeitsgelage versprach die



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Mutter, ihre Tochter dem zur Frau zu geben, der erraten würde, aus was für einer Haut ihre Schuhe gemacht seien. Der eine und andre versuchte es zu erraten, aber umsonst. Da plötzlich steckte ein Molch seinen Kopf durch eine Dielenritze hervor und rief: »Die Schuhe sind aus einer Lausehaut!«

Nichts zu machen, sie mußte das Mädchen dem Molch zur Frau geben. Der Molch führte seine Frau in sein Schloß im Meere. Dort lebten sie eine lange Zeit. Da bekam die Frau eines Tages Lust, ihre Eltern wiederzusehen. Aber der Molch erlaubte es nicht, sie solle erst ihre eisernen Schuhe vertragen, dann werde er es erlauben. Gut. Nach sieben Jahren waren die eisernen Schuhe zerfetzt, da nahm die Frau ihre drei Kinder an die Hand, um die Eltern zu besuchen. Der Molch führte alle vier an den Meeresstrand, dann sagte er: »Wenn du zurückkehrst, so tritt ganz nahe an den Meeresstrand und rufe: >Molch, bist du am Leben, so laß einen Milchwirbel steigen; bist du tot, so laß einen Blutwirbel steigen.< Wenn ich das höre, werde ich euch gleich entgegenkommen.«

So trennten sie sich. Nachdem die Molchsfrau einige Zeit bei ihren Eltern gewesen war, bekam sie Heimweh. Die Eltern wollten sie nicht ziehen lassen. Aber die Molchsfrau rühmte, ihr und ihren Kindern gehe es im Meeresschlosse sehr gut, sie sollten sie doch gehenlassen. Nun wollten die Eltern dahinterkommen, wie sie sich denn in dem großen Wasser mit dem Molch treffen, wie sie das Schloß finden könne, aber das sagte sie nicht. Nun, wenn sie es nicht sagte, so müßte man es den kleinen, dummen Kindern entlocken. Sie fragte das älteste; das sagte es nicht; sie fragten das mittlere, das sagte auch nichts; sie fragten das jüngste, das sagte es.

Sobald der Vater es erfahren hatte, ging er ans Meer und rief: »Molch, bist du am Leben, so laß einen Milchwirbel steigen; bist du tot, so laß einen Blutwirbel steigen!« Der Molch ließ Milch aufwirbeln und kam an den Strand heraus, aber der Vater nahm ihn aufs Korn und schoß ihn tot. Am nächsten Morgen ging die Tochter mit ihren Kindern an den Strand und rief: »Molch, bist du am Leben, so laß einen Milchwirbel aufsteigen: bist du tot, so laß einen Blutwirbel steigen.«

Der Molch ließ Blut aufwirbeln. Da erschrak die Mutter und fragte die



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Kinder, welches von ihnen des Vaters Geheimnis ausgeplaudert habe. Das jüngste bekannte seine Tat. Da sprach die Mutter jedem sein Urteil und sagte: »Du, ältester, mein Söhnchen, sollst zu einer Eiche werden, damit jeder dich bewundere. Du, mittlere, mein Töchterchen, sollst zu einer frischen Linde werden, damit die Mädchen sich mit deinen Zweigen schmücken. Du, jüngster, Plappermäulchen, sollst zu einem Hümpel werden, der sogar eine große Fuhre zu Fall bringt. Ich selbst will ein Kuckuck werden und immer und ewig meinen Molch rufen.« Und so geschah es.


Wie die Katze die Füchse tötete

Einst erwarben sich eine Katze und ein Hahn eine Badehütte zu erb und eigen. Unweit der Badehütte hatte auch Gevatter Fuchs seine Höhle. Eines Tages ging die Katze auf die Jagd, der Hahn blieb indes zu Hause. Das sah Gevatter Fuchs. Er kam hinkend zur Badehütte geschlichen und jammerte: »O weh, wie mir meine Füße frieren, wie mir meine Füße frieren, und wie schön warm es da drinnen ist!« Der Hahn wurde mitleidig gestimmt, er ließ den Gevatter ein, sich zu erwärmen. Der Gevatter tat, als fröstele ihn, und er fragte den Hahn: »Nachbar, was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.« — »Kannst du mir nicht auch ein wenig davon zu essen geben? Du weißt nicht, wie grimmig es mich friert.«

»Weshalb nicht«, sagte der Hahn und schickte sich an, ihm von der Suppe einzuschöpfen. Aber das hatte Gevatter Fuchs, der Schläuling, eben gewollt: sowie der Hahn sich niederbeugt, sitzt ihm der Gevatter graps! im Nacken. Gleich schleppt er ihn in seine Höhle. Zum Glück kam die Katze gerade von der Jagd nach Hause, die begegnete dem Gevatter und befreite den Hahn. Der Hahn schüttelte sich und wunderte sich: »Gott weiß, wohin er mich geschleppt hätte.«

»Geh, geh, du Leichtfuß! Wohin er dich geschleppt hätte? Das Fell hätte er dir über die Ohren gezogen. Daß du mir morgen niemanden hereinläßt!«

Am nächsten Morgen ging die Katze wieder auf die Jagd, während der



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Hahn zu Hause blieb. Da war der Gevatter wieder zur Stelle: »O weh, wie mir meine Füße frieren, wie mir meine Füße frieren, und wie schön warm es da drinnen ist!«

Der Hahn bekam Mitleid, und er ließ ihn wieder ein. Der Gevatter tat, als zitterte er vor Kälte, und fragte den Hahn: »Gevatter, was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.«

»Kannst du mir nicht auch ein wenig davon zu essen geben? Du weißt nicht, was für eine Gänsehaut mir über den Rücken läuft.« — »Weshalb nicht!« erwiderte der Hahn und schickte sich an, ihm von der Suppe einzuschöpfen. Darauf hatte der Gevatter nur gewartet. Sobald ihm der Hahn den Rücken drehte, saß ihm der Gevatter graps! im Nacken.

Gleich schleppt er den Armen in seine Höhle. Fast hatte er sie erreicht, da erschien die Katze. Die nahm dem Gevatter den Hahn fort. Auf dem Heimweg sagte der Hahn: »Gott weiß, wohin er mich geschleppt hätte!« —»Dummer Kerl, was schwatzt du noch viel! Das sage ich dir, wenn du morgen wieder jemand hineinläßt, meiner Treu, dann gibt es Prügel!«

Am nächsten Morgen ging die Katze wieder auf die Jagd, während der Hahn zu Hause blieb. Da war auch schon der Gevatter: »O weh, wie mir die Füße frieren, wie mir die Füße frieren, und wie schön warm ist es da drinnen!«

Der Hahn bekam Mitleid, er ließ trotz aller Warnungen den Gevatter ein. Der Gevatter tat, als zittere und bebe er wie Espenlaub, und fragte den Hahn: »Was tust du hier so allein?« — »Ich koche mir Kohl.«

»Hähnchen, Nachbar, gib mir doch ein klein wenig von deinem Kohl!« Das Hähnchen ging nach einem Töpfchen, um dort hineinzuschöpfen, da packte ihn der Gevatter im Genick und schleppte ihn in seine Höhle.

Die Katze kam nach Hause, der Kohl kochte, aber vom Hähnchen war nichts zu sehen. Sie begriff sofort, was mit dem Hähnchen geschehen war. Lange, lange überlegte sie, wie man es noch aus den Krallen des Fuchses retten könnte. Zuletzt kam ihr ein guter Einfall. Sie eilte in die Stadt und kaufte eine Harfe und ein Schwert. Dann ging sie zu der Höhle des Gevatters und fing so schön zu spielen an, daß man Tränen vergießen mußte.



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Die Töchter des Gevatters, Daria, Paria und Maria kamen gleich hervorgekrochen, um den lieblichen Klängen zu lauschen. Aber sobald eine sich vor der Höhle blicken ließ, hieb ihr die Katze mit dem Schwerte schwapp! den Kopf herunter. Dann spielte sie weiter. Nach einer Weile kam die alte Füchsin hervorgekrochen. Schwapp! hieb die Katze auch ihr den Kopf ab. Dann spielte sie weiter. Nach einer Weile kam Gevatter Fuchs selbst zum Vorschein. Da schwang die Katze ihr Schwert und hieb ihm auch den Kopf ab. Die lagen nun da wie gefällt; aber die Katze säumte nicht lange, sondern eilte in die Höhle. Welch schrecklicher Anblick! Das Hähnchen lag mit gebundenen Füßen auf dem Rücken und hatte eben geschlachtet werden sollen. Wäre die Katze nur ein klein wenig später gekommen, so wäre das Hähnchen schon im Jenseits gewesen.

Von jenem Tage an hatten die Katze und das Hähnchen zwei Wohnungen: im Winter wohnten sie in der Badehütte, im Sommer dagegen in der Höhle des Fuchses.


Warum die Spinne auf dem Rücken einen Buckel hat

Ein Mann bemerkte, während er seines Weges ging, einen Faden, der vom Himmel zur Erde niederhing und von unten bis oben voller Knoten war. Gleich kletterte er am Faden in die Höhe. Er kletterte einen Tag -noch immer war er nicht oben, denn es ging recht langsam vorwärts. Am zweiten Tag kam er jedoch über die Wolken, und da war es sehr kalt.

Was nun? Er mußte dort nächtigen, obwohl es so kalt war. Da fand er zum Glück eine hölzerne Nadel, die er sich vor die Brust gesteckt hatte. Die spaltete er sich zu Brennholz, zündete ein Feuer an und schlief sich über die Nacht gut aus. Am folgenden Tage gelangte er schon zeitig in den Himmel. Oben angekommen, trat er vor die Himmelstür und hörte dort, wie die Spinne dem lieben Gott erzählte, auf Erden ginge man mit Gottes Segen sehr nichtachtend um: wenn der Hirt Brot aus seinem Sack nehme, so streue er die Krümel auf die Erde.



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Und wenn erden Hund füttere, werfe er das Brot einfach auf die Erde; das sei doch nicht gut.

Als der Mann das gehört hatte, ging er schnurstracks zur Tür hinein, sich zu rechtfertigen. Er sagte, die Spinne habe leicht lügen; aber was solle der Hirt denn machen? Er habe doch keinen Tisch bei sich, und den Hund könne er auch nicht anders füttern, der fresse doch nur von der Erde.

Da schlug Gott die Spinne auf den Rücken, daß sie ihm ein andermal nicht mit solchen Lügen kommen möge. Die Spinne fiel auf die Erde und bekam vom Fall (oder vom Schlag) einen Buckel. Aber der Mann stieg wieder zur Erde nieder, sehr vergnügt, daß der Spinne ihre Tücke mißglückt war. Darum spinnt sie noch bis zum heutigen Tage ihre Fäden und Netze. Sie möchte gern noch einmal mit ihren Nichtsnutzigkeiten hinaufkommen, aber der Buckel macht es ihr unmöglich.


Weshalb die Menschen die Schwalbe lieben und die Schlange hassen

In dem Kasten, in dem bei der großen Wasserflut die Menschen sowie die zahmen und die wilden Tiere eine Zuflucht gefunden hatten, war unglücklicherweise ein kleines Loch. Alle überlegten, wie man das Loch verstopfen könnte. Da kam die Schlange herangekrochen und sagte: »Wenn man mir nach der Flut das Fleisch zu essen gibt, welches das süßeste Blut enthält, so würde ich das Loch mit meinem Körper verstopfen.« Man ging darauf ein. Nach der Flut übernahm es die Mücke, ausfindig zu machen, welches lebende Wesen das süßeste Blut habe. Nachdem sie den ganzen Tag gesucht hatte, entschied sie, der Mensch habe das süßeste Blut. Während die Mücke zurückflog, begegnete ihr die Schwalbe und fragte: »Nun, wessen Blut schmeckt am süßesten?« — »Keiner hat so süßes Blut wie der Mensch.« — »Wirst du so sagen?« —»Ja«, erwiderte die Mücke und wollte weiterfliegen. Aber der Schwalbe tat es leid um den Menschen; sie riß der Mücke eine halbe Kinnlade aus, damit sie nicht sagen könne, bei wem sie das süßeste Blut gefunden habe.



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Nun wollte die Mücke erzählen, aber sie brachte nicht mehr heraus als dzin, dzin! Alle wunderten sich, was das für eine Sprache wäre. Da erschien die Schwalbe und sagte: »Ich verstehe, was sie sagen will.«

»Nun, was denn?«fragte neugierig die Schlange. —»Sie will sagen, daß der Frosch das süßeste Blut habe.« Als die Schlange das hörte, geriet sie in Zorn und packte die Schwalbe; aber der Griff mißlang ihr: sie riß der Schwalbe nur die Mitte ihres Schwanzes heraus. Seit der Zeit lieben die Menschen die Schwalbe und beherbergen sie unter ihrem Vordach; aber die Schlange hassen und verfolgen sie.


Die fünf Katzen

Fünf Katzen fuhren in den Wald, um Holz zu fällen. Sie hackten und hackten, kriegten aber nichts zustande. Da fuhren sie alle mit erhobenen Schwänzen wieder heim. Heimgekehrt schauten sie sich um, da war kein Holz. Nun fuhren sie noch einmal, und jede brachte ein Scheit heim: das eine war kurz, das andere war knapp, das dritte war nicht gerade kurz und nicht gerade knapp. Zuletzt machten alle fünf ein Feuer an, sie machten sich ein Feuer und kochten Grütze. Als die Grütze fertig war, da fraßen sie wie Nimmersatte.

Als sie sich vollgefressen hatten, konnten sie sich nicht mehr bewegen und legten sich schlafen. Wollen wir mal nachsehen, ob sie noch eben schlafen?


Der Krebs, die Ratte und der Mistkäfer

Ein König hatte eine Prinzessin, die niemand zum Lachen bringen konnte. Da ließ er bekanntmachen: »Wer meine Tochter zum Lachen bringt, der soll sie zur Frau haben.« Diese Botschaft klang manchem sehr verführerisch, und schon am nächsten Tage wimmelte es im Schloß von vornehmen Männern aller Art. Aber alles war umsonst; macht, was ihr wollt, die Prinzessin zog nicht einmal die Lippen kraus. Jene Bekanntmachung drang indessen immer weiter, zuletzt gelangte sie auch in eine ärmliche Hütte, wo ein armer Greis mit seinem einzigen



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Sohne wohnte. Der Greis sagte: »Lieber Sohn, dir war von jeher die Glücksgöttin Leuna hold, geh und versuche dein Glück, vielleicht gelingt es dir, die Prinzessin zum Lachen zu bringen.«

»Väterchen, wenn du es sagst, gehe ich auf der Stelle.« Der Jüngling nahm seinen Lederranzen und machte sich auf den Weg.

Unterwegs stieß er auf einen Krebs. Der Krebs bat ihn: »Lieber Junge, zertritt mich nicht; wirf mich lieber in deinen Ranzen, vielleicht kann ich dir noch einmal aus der Not helfen.« Der Jüngling folgte dem Rat und zog weiter. Nach einer Weile stieß er auf eine Ratte. Die Ratte bat: »Lieber Junge, schlag mich nicht! Wirf mich lieber in deinen Ranzen, vielleicht kann ich dir noch einmal aus der Not helfen.« Der Jüngling folgte dem Rat. Nach einer Weile stieß er noch auf einen Mistkäfer. Der Mistkäfer bat: »Lieber Junge, zertritt mich nicht! Wirf mich lieber in deinen Ranzen, vielleicht kann ich dir noch einmal aus der Not helfen.« Der Jüngling befolgte den Rat.

Am nächsten Tag, um die Abendessenszeit, erreichte er mit seinen drei Gefährten das Königsschloß und meldete, er sei gekommen, die Prinzessin zum Lachen zu bringen. Der König sagte: »Sehr gut, aber erst leg deinen Ranzen ab und nimm einen Abendimbiß.«

»Einen Imbiß nehmen, das kann ich, aber von meinem Ranzen mag ich mich deshalb nicht trennen«, erwiderte der Jüngling und setzte sich an den Tisch neben die Prinzessin. Zum Abendessen gab es gekochte Erbsen. Alle aßen ganz leise. Plötzlich witterte die Ratte im Ranzen die Erbsen und fing an sich zu lecken: tjip, tjip! Als der Krebs das hörte, wurde er auch unruhig, er schlug mit seinem Schwanz an den eingetrockneten Ranzen: lijp, lijp! Und der Mistkäfer will auch nicht länger warten: bei ihm geht es nur so: bim bam, bim bam.

Die Prinzessin fragte: »Wer treibt denn da unter dem Tisch solche Possen?« — »Was für Possen! Die Erbsen können sich in meinem Bauch nicht vertragen und fangen sich zu prügeln an.«

Das hieß den Nagel auf den Kopf treffen, die Prinzessin brach in ein helles Gelächter aus, und der König erhob sich sogleich und sagte: »Dir gehört sie, du bist mein Schwiegersohn.«

Aber am anderen Ende des Tisches saß ein fremder Königssohn, der war auch gekommen, um die Prinzessin zum Lachen zu bringen. Dem



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wurmte es nun sehr, daß der Sohn des Armen die Prinzessin bekommen hatte.

Nach dem Abendessen gab der König seinem Schwiegersohn feine Kleider, die er am nächsten Tage anlegen sollte. Der fremde Königssohn aber versprach einem Diener viel Geld, wenn er jenem in der Nacht die feinen Kleider stibitzen könnte. Er wollte dann insgeheim die Kleider anziehen und sich für den Schwiegersohn des Königs ausgeben.

Um die Zeit des ersten Schlummers machte sich der Diener ans Werk, die Kleider zu stehlen. Aber kaum hatte er die Tür ein klein wenig geöffnet, da flog ihm der Mistkäfer bim! ins Auge. In seinem Schmerz griff er nach seinem Auge, ließ die Tür unverschlossen und machte schleunigst, daß er davonkam. Bei der zweiten Tür wollte sich der Diener noch eines besseren besinnen, da flog ihm der Mistkäfer bam! ins andere Auge. Der Diener ließ vor Schmerz auch diese Tür offen und verschwand. Jetzt war für die Ratte und den Krebs der Augenblick gekommen: der schurkische Königssohn war eingeschlafen, beide Türen standen offen, jetzt konnten sie ihm heimzahlen. Die Ratte machte sich daran, die Kleider des Spitzbuben in Fetzen zu zernagen, und der Krebs, die Fetzen hinauszuziehen. So arbeiteten sie bis Tagesanbruch, und bis dem Königssohne nur noch ein heiles Hemd geblieben war. Am Morgen gab es dann kurzen Prozeß: Der Königssohn, der so arg beschimpft war, zog ab wie ein begossener Pudel (wörtlich: wie ein Schmetterling), und der Sohn des Armen wurde des Königs Schwiegersohn. Er lud auch seinen alten Vater ins Schloß und lebte mit seiner Frau in Glück und Wonne.


Bauer, Bär, Wolf und Hase

Ein Mann zimmerte sich im Walde eine Mulde. Eben war die Mulde fertig, da sah er zu seinem Schrecken ganz nahe von sich einen Bären angestapft kommen. Wohin nun? Sollte er auf einen Baum klettern? Der Bär würde ihm nachklettern. Nein, lieber wirft er sich schnell auf die Erde, stülpt die Mulde über sich und rollte sich, so gut er kann, in



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ihrer Höhlung zusammen. Der Bär kommt, hockt sich auf die Mulde und bemerkt gar nicht, daß darunter ein Mensch steckt. Er hockt und hockt eine Weile, da trifft es sich, daß der Wolf vorübergeht. »Wohin läufst du? Es eilt ja nicht!« rief ihm der Bär zu, »komm etwas plaudern!« Gut. Nicht lange darauf hüpft der Hase vorbei.

»Wohin so eilig?«rief ihm der Bär zu, »komm, wir wollen plaudern!« Gut, sie plaudern also alle drei. Da kommt dem Wolf der Einfall: »Hört, was ich sage: wir müssen etwas zu beißen haben. Ich will aus dem Stall des Bauern ein Schaf stehlen; was könntest du, Bär, herbeischaffen?«

»Ich will einen Bienenstock mit Honig herschleppen; was kannst du, Häschen, besorgen?«

»Ich will einen Kohlkopf schaffen.«

Gesagt, getan. Der Wolf geht, ein Schaf zu erbeuten, der Bär nach dem Honig, der Hase nach dem Kohlkopf. Aber unterdessen kriecht mein Bauer hurtig unter der Mulde hervor und eilt auf Umwegen dem Wolf voraus. Er läßt die Bäuerin kochendes Wasser besorgen und stellt sich hinter der Stallecke auf die Lauer.

Es währte nicht lange, so ist der Wolf da und schleicht sofort in den Stall, das Schaf zu rauben. Aber kaum ist er drin, so schlägt der Bauer die Tür zu und schreit aus vollem Halse: »Frau, kochendes Wasser, kochendes Wasser her!« Die ist auch sofort mit einem vollen Eimer zur Stelle. Der Bauer öffnet die Tür, und sowie nun der Wolf hervorspringt, gießt er ihm einen tüchtigen Guß siedenden Wassers aufs Fell und verbrüht ihn so furchtbar, daß er fast auf dem Fleck geblieben wäre. Und während sich nun der arme Tropf langsam fortschieppt, läuft der Bauer wieder auf einem Umwege zurück und verkriecht sich unter der Mulde.

Es war auch die höchste Zeit, denn schon nach einer kleinen Weile schleppte der Bär den Bienenstock heran und der Hase den Kohlkopf; nur vom Wolf war noch keine Spur zu sehen. Zuletzt sah man ihn wohl in der Ferne langsam, langsam antrotten. Da sagte der Bär: »Sieh da, was der Wolf für eine Last schleppt, er kommt ja kaum vom Fleck. Wie er aber näher kommt, trägt er gar keine Last, nur die Füße gehorchen ihm nicht. Die beiden wundern sich, aber der Wolf beginnt seine



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Erzählung: »Ach, ihr Freunde, wie schnell kann man dort sein Leben verlieren, mit genauer Not bin ich entwischt. Besonders hat man sich zu hüten, wenn man die Worte hört: >Frau, kochendes Wasser!< Ich sage euch, wenn ihr das hört, dann fackelt nicht mehr, sondern lauft, was ihr könnt.«

Kaum war der Wolf zu Ende, als der Bauer unter der Mulde aus Leibeskräften schrie: »Frau, kochendes Wasser!« Kaum hörten der Wolf, der Bär und der Hase die Worte, da war es wie wenn Feuer ins Werg gerät: alle stoben davon in den Busch. Aber der Bauer nahm vergnügt den Honig, den Kohlkopf und seine Mulde und ging singend heim.


Das silberne, goldene und diamantene Roß

In uralten Zeiten hatte ein Mann drei Söhne, zwei von ihnen waren klug, der dritte dumm. Die klugen gingen täglich auf die Jagd, aber der Dumme lag zu Hause auf dem Ofen, wo ihn die Katze fütterte.

Und jedesmal, wenn die Klugen Jagdbeute heimbrachten, stibitzte sie die Katze und brachte sie dem Dummen auf den Ofen. Eines Tages aber gerieten die Brüder in Zorn und schlugen die Katze tot. Jetzt hätte der Dumme Hungers sterben müssen, hätte ihm der Vater nicht täglich ein Stückchen Brot hingeworfen. Aber auch dieses Glück genoß er nicht lange - der Vater starb.

Sterbend hatte er seinen Söhnen eingeschärft, daß ein jeder eine Nacht an seinem Grabe Wache halten sollte. Aber dem ältesten Bruder behagte es nicht zu wachen, er gab dem Dummen ein Stück Brot und schickte ihn hin. Der Dumme ging zum Grabe, setzte sich hin und fing an zu weinen. Da tat sich das Grab auf, der Vater kam heraus, tröstete seinen Dummen, schenkte ihm einen silbernen Apfel und sprach:

»Mein Sohn, wenn du einmal einen Wunsch hast, so schwenke diesen Apfel und sprich: >Ich brauche das und das!<Dann wirst du es sogleich bekommen, und zwar wird es aus reinem, feinem Silber sein. Aber ich bitte dich, zeig den Apfel nicht deinen Brüdern.«Danach ging der Vater wieder in sein Grab, das Grab schloß sich, und der Dumme kehrte nach Hause zurück und legte sich wieder auf den Ofen schlafen. In der nächsten



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Nacht schickten die klugen Brüder wieder den Dummen, um das Grab des Vaters zu bewachen, und gaben ihm ein noch kleines Stück Brot mit. Diesmal bekam der Dumme vom Vater einen goldenen Apfel. In der dritten Nacht gaben ihm die klugen Brüder überhaupt kein Brot mit, und der Dumme bekam einen diamantenen Apfel. Danach begab sich der Vater in sein Grab, und der Dumme eilte nach Hause, legte sich auf den Ofen und schnarchte, daß die Fensterscheiben klirrten und der Kalk von der Decke fiel.

Nach einiger Zeit ließ der König des Landes für seine schöne Tochter einen hohen Glasberg errichten. Als der Berg fertig war, setzte er seine Tochter auf die Spitze des Berges und ließ bekanntmachen, er wolle sie dem zur Frau geben, der dreimal zu ihr hinaufritte.

Nun versuchten diese und jene den Ritt; auch die Brüder des Dummen sattelten ihre Braunen. Als der Dumme das sah, wollte er mit ihnen hin, aber die Brüder schrien ihn an: »Was will solch ein Dummkopf dort machen? Geh lieber aufs Feld und lies Steine.« Er ging hin und las und las - bis die Klugen fort waren. Dann schwenkte er seinen silbernen Apfel und wünschte sich einen silbernen Anzug und ein Silberroß. Im Nu war alles zur Hand. Nun legte er sich die silberne Kleidung an und ritt los. Aber während er auf dem Silberroß ritt, ging Sonnenlicht vor ihm her und Nebel war hinter ihm. Als er seine Brüder einholte, zog er einem jeden von ihnen mit seiner silbernen Reitpeitsche einen tüchtigen Hieb über den Rücken, und dann galoppierte er auf den Berg zu. Um den Berg hatten sich unzählige Reiter eingefunden und bemühten sich, hinaufzukommen; einige von ihnen kamen zwar bis zur Hälfte, dann aber kollerten sie mitsamt ihren Pferden Hals über Kopf hinunter. Da auf einmal erstrahlte heller Sonnenglanz, und der Sonne folgte ein Silberroß mit einem silbernen Reiter, und dem Reiter folgte Nebel, der denen, die ihm nachschauen wollten, allen Glanz und alle Herrlichkeit verhüllte. Und der Dumme ritt wie der Blitz auf den Berg, küßte die Königstochter und ritt ebenso wieder zurück. Alle rissen vor Erstaunen den Mund so weit auf wie das Rigaer Stadttor, aber merkten nicht, konnten nicht klug daraus werden, was eigentlich geschehen war. Heimgekehrt, schwenkte der Dumme wieder den silbernen Apfel, und alsbald war das Silberroß und das silberne Gewand verschwunden, und



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er selbst ging wieder aufs Feld, Steine zu lesen. Als die klugen Brüder heimgeritten kamen, fragte sie der Dumme, sie möchten ihm auch etwas erzählen, wie sie dort geritten wären; aber sie antworteten: »Ein solcher Dummkopf wie du braucht das nicht zu wissen.« Der Dumme sprach: »Wie, meint ihr etwa, ich wisse nichts? Ich bin auf das Dach der Badstube gestiegen und habe alles gesehen. Ich sah einen silbernen Reiter, ich sah, wie er jedem von euch mit einer silbernen Reitgerte eins auf die Schultern brannte -, alles habe ich gesehen.«

Die Klugen gerieten darüber in argen Zorn und rissen die Badstube bis auf den Grund nieder.

(Am folgenden Tage wiederholte sich dasselbe mit dem Goldroß, und diesmal sagte der Dumme, er habe alles vom Dach des Viehstalls gesehen. Da rissen die Brüder den Viehstall nieder. Als der Dumme dann am dritten Tage mit seinem Diamantroß hinaufritt, drückte ihm die Königstochter ein Siegel auf die Stirn. Heimgekehrt, gaben die Klugen ihm gar kein Abendessen, so wütend waren sie.) Als dann mit Tagesanbruch die klugen Brüder sich noch reckten und gähnten und die blauen Striemen auf ihrem Rücken betasteten, die ihnen der glänzende Reiter auf gebrannt hatte, fuhr der König mit seiner Tochter bei der Tür vor und fragte die klugen Brüder, ob hier nicht jemand wohne, der mit dem Siegel des Königs bezeichnet sei. Nein, einen solchen gebe es nicht. — Nun, ob denn außer ihnen niemand dort wohne?

o ja, da wohne wohl noch so ein Halbnarr, aber der sei mit dem ersten Tageslicht aufs Feld gegangen, um Steine zu lesen. — Sie sollten ihn heimrufen! —Sie rufen ihn, und siehe da! er hat das Siegel auf der Stirn, und nun führte der König den Dummen aufs Schloß und richtete die Hochzeit aus.

Aber nach der Hochzeit lag der Dumme bloß in seiner Stube und war auf keine Weise herauszubringen, tu, was du willst! Und ein mächtiger König aus der Nachbarschaft, der beim Ritt auf den Glasberg alle seine Pferde zuschanden geritten und sich selbst beim Fallen die Nase gebrochen hatte, fing mit dem Schwiegervater des Dummen einen Krieg an und hatte schon in kurzer Zeit den dritten Teil seines Reiches erobert. Infolge dieser Not war der König ganz verzweifelt und spornte alle seine Untertanen an, sich zu halten und nicht nachzulassen. Da kam



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auch die Frau des Dummen in sein Zimmer gelaufen, er solle doch dem Vater zu Hilfe kommen. Der aber antwortete gähnend: »Was soll ich Dummkopf da machen?«

Mit diesen Worten legte er sich brummend wieder schlafen. Aber kaum war seine Frau aus dem Zimmer, da stieg er aus dem Bett, hob den Grundbalken des Schlosses auf, schlüpfte ungesehen in den Garten, schwenkte den silbernen Apfel und wünschte sich: »Hätte ich doch ein Silberroß, silberne Rüstung und ein silbernes Schwert!«

Im Augenblick war alles zur Stelle. Nun bestieg er das Silberroß und sprengte, vor sich die Sonne, hinter sich den Nebel, daß es nur so stäubte, zum Schlachtfeld, hieb dem feindlichen Könige den Kopf ab und zerstreute alle Gegner wie Spreu. Dann ritt er nach Hause, schwenkte den silbernen Apfel, damit Roß und Rüstung verschwänden, hob den Grundbalken auf und kroch wieder in sein Zimmer, um zu schlafen.

Bald trat seine Frau voller Freude ins Zimmer und erzählte, ihr Vater habe gesiegt, ein silberner Reiter habe ihm geholfen. Jener aber knurrte: »Was geht das mich an?« und schlief weiter. Jetzt überfielen aber den alten König zwei noch ergrimmtere Könige, das waren Freunde des erschlagenen Königs, und eroberten schon die Hälfte des Reiches. Diese bekämpfte der Dumme ebenso ganz allein, auf seinem Goldroß reitend. Zum drittenmal fielen drei Könige in das Reich des Schwiegervaters. Sie bekämpfte der Dumme, auf seinem Diamantroß reitend. Diesmal jedoch wurde er etwas am Fuße verwundet. Der Schwiegervater verband, ohne seinen Schwiegersohn zu erkennen, den verwundeten Fuß mit seinem Schnupftuch, der Dumme aber ritt wie der Blitz davon und schwenkte im Garten den diamantenen Apfel, worauf das Pferd verschwand; er selbst aber konnte, da er lahmte, den Grundbalken nicht mehr aufheben, sondern mußte sich daselbst im Garten im Gebüsch schlafen legen. Aber der Schwiegervater fand ihn am nächsten Tage, als er im Garten herumging, und war unendlich froh, daß er einen so mächtigen Schwiegersohn hatte, der ganz allein sechs Königreiche erobert hatte.

Dann veranstaltete der alte König ein großes Gelage und machte auf dem Gelage bekannt, daß er sein Reich seinem mächtigen Schwiegersohn



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abtreten werde, die sechs neuen Reiche aber, die sein Schwiegersohn erobert hatte, wolle er seinen drei Söhnen geben, jedem zwei. Aber die Söhne, große Starrköpfe, waren damit nicht zufrieden: lieber solle einer alle sechs Reiche haben und das des Vaters noch obendrein, und die anderen sollten gar nichts haben; man solle losen: wer gewinne, der gewinne.

»Gut«, sagte der Vater, »so will ich auf meine Art losen lassen: ich habe einen Schafbock, einen Stier und eine Stute; die will ich loslassen, und wer sie fängt, dem sollen die Reiche gehören.«

Am ersten Tage also ließ er den wilden Schafbock los. Die Königssöhne durften sich in seiner Nähe nicht sehen lassen, er hätte sie zu Tode getrampelt. Aber der Dumme ging gegen Abend zum Schafbock, packte ihn an den Hörnern und zog ihn ohne Mühe nach Hause. Da kam der älteste Königssohn voller Wut herausgelaufen: »Was will ein Dummkopf wie du mit dem Schafbock machen? Gib ihn lieber mir.« —»Gern, wenn du mir den kleinen Finger deiner rechten Hand gibst, so will ich dir den Schafbock geben.«Jener schnitt sich den Finger ab und gab ihn dem Dummen, der Dumme aber gab ihm den Schafbock.

Am nächsten Tage ließ der König den bösen Stier hinaus. Die Königssöhne durften dem Stier nicht zu nahe kommen, er hätte sie mit seinen langen Hörnern aufgespießt. Aber gegen Abend schwenkte der Dumme seinen goldenen Apfel und wünschte sich einen goldenen Strick; den warf er dem bösen Stier um den Hals und führte ihn wie einen Ziegenbock heim. Da kam der zweite Königssohn herausgelaufen: »Wo willst du Dummer mit einem so großen Stier hin? Gib ihn lieber mir!« —»Gern, gibst du mir den Daumen deiner rechten Hand, so gebe ich dir den Stier.«

Jener schnitt sich den Daumen ab und gab ihn dem Dummen, der Dumme aber gab ihm den Stier.

Am dritten Tage ließ der König die schreckliche Stute los. Die zerriß jeden Menschen mit ihren Zähnen. Die Königssöhne durften sich nicht in ihrer Nähe sehen lassen, sie feuerte und biß wie toll um sich. Aber am Abend schwenkte der Dumme seinen diamantenen Apfel und wünschte sich einen diamantenen Hengst: der Hengst erschien und bändigte die Stute so lange, bis der Dumme ihr den Zaum auflegte.



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Dann ritt er nach Hause und begegnete dem jüngsten Königssohn; der sagte: »Wo willst du Dummer mit der schrecklichen Stute hin, gib sie mir!« — »Gern, wenn du dir einen Streifen Haut aus dem Rücken schneiden läßt.«Jener ließ sich einen Streifen Haut aus dem Rücken schneiden und gab ihn dem Dummen, der Dumme aber überließ ihm die Stute.

Am vierten Tage rief der König alle seine Söhne und seinen Schwiegersohn zusammen und fragte, wie es ihnen gegangen sei.

Die Söhne zeigten ihm, der eine den Schafbock, der zweite den Stier, der dritte die Stute, die sie eingefangen hätten, ihnen zusammen gehöre das Reich. Aber der Dumme legte dem König den kleinen Finger des ältesten Sohnes, den Daumen des mittleren, den Streifen aus dem Rücken des jüngsten vor und berichtete ihm wahrheitsgemäß, daß seine Söhne keine Heuschrecke gefangen hätten, sondern der eine hätte den Schafbock gegen seinen kleinen Finger, der zweite den Stier gegen seinen Daumen, der dritte die Stute gegen einen Streifen aus seinem Rücken eingetauscht. Darauf übergab der König alle Reiche dem Dummen, seinen Söhnen aber nichts, und von nun an herrschte der Dumme sehr klug - er war kein Dummkopf mehr.



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MÄRCHEN AUS LITAUEN


Der alte Vater Frost und sein junger Sohn

Der alte Vater Frost hatte einen Sohn, den Jungfrost. Dieses Söhnchen war ein solcher Prahlhans, daß man's einfach nicht beschreiben kann, auch wenn man es möchte. Wer ihm so zuhörte, der mußte glauben, es gebe auf der Welt keinen Klügeren und Stärkeren als ihn. Und eines Tags kam diesem Söhnchen, dem Jungfrost, ein Gedanke:

»Mein Vater ist schon alt. Er macht seine Sache schlecht. Ich bin jung und stark und kann die Menschen viel besser erfrieren lassen. Vor mir rettet sich keiner. Und niemand kann's mit mir aufnehmen, ich kriege sie alle unter!<

So machte sich der Jungfrost auf und suchte sich ein Opfer. Und wie er so auf dem Weg herumflog, sah er einen Schlitten daherkommen, mit einem wohlgenährten Roß davor und einem reichen Pan darin. Der war wohlbeleibt, trug einen guten warmen Pelz, und seine Füße waren in eine Decke eingehüllt.

Der Jungfrost sieht den Pan an und lacht sich eins.

>Oho<, denkt er, >ob du dich einmummelst oder nicht, vor mir gibt's sowieso keine Rettung. Der Alte, mein Vater, hätte dich vielleicht nicht gepackt, aber ich nehme dich so in Arbeit, daß dir der Atem vergeht! Kein Pelz und keine Decke helfen dir!<

Der Jungfrost flog den Pan an und begann ihm zuzusetzen: unter die Decke kroch er, drang in die Ärmel, schob sich hinter den Kragen, zwickte ihn an der Nase. Der Pan befahl seinem Diener, schneller zu fahren. »Sonst erfriere ich ja!« schrie er.



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Der Jungfrost rückte dem Pan noch mehr zu Leibe, zwackte ihn noch schmerzhafter an der Nase, ließ Finger und Zehen erstarren, sperrte ihm den Atem.

Der Pan versuchte es auf jede Art: rollte sich wie ein Igel zusammen, zog Arme und Beine an den Leib und schubberte hin und her auf seinem Platz.

»Hau zu«, schrie er, »fahr schneller!«

Dann hörte er auf zu schreien, er hatte die Stimme verloren.

So gelangte der Pan zu seinem Haus. Halbtot wurde er aus dem Wagen getragen.

Drauf flog der Jungfrost zu seinem Vater, dem alten Frost, und prahlte, was das Zeug hielt:

»Was ich für einer bin! Was ich für einer bin! Wie kannst du, alter Vater, dich mit mir messen! Sieh nur mal an, was für einen Pan ich zum Erfrieren blies! Schau nur, unter welch warmen Pelz ich schlüpfte. Du wagst dich nicht unter einen solchen Pelz! Du kannst nicht einen solchen Pan zum Erfrieren bringen!«

Da lächelte der alte Frost und sprach:

»Na, du bist doch ein Aufschneider! Noch ist's zu früh, dich deiner Kräfte und deiner Verwegenheit zu rühmen. Na schön, du hast einen dicken Pan fast erfrieren lassen, hast ihm unter dem Pelz geblasen, das stimmt schon. Aber ist das denn wirklich so eine große Sache? Sieh mal hin, dort fährt ein abgehärmtes Bäuerlein in einem zerlöcherten, abgeschaften Pelz. Und den Karren zieht eine Schindmähre. Siehst du?«

»Ich sehe!«

»Das Bäuerlein fährt in den Wald Holz hacken. Versuche doch mal, ihn erfrieren zu lassen. Wenn du das fertigbringst, glaube ich dir, daß du tatsächlich ein starker Kerl bist!«

»Na, das ist doch eine Kleinigkeit«, antwortete der Jungfrost. »Den mache ich im Nu zu einem Eiszapfen!«

Gleich wirbelte der Jungfrost hoch und flog dem Bauer nach, holte ihn ein, warf sich mit aller Eiseskälte auf ihn und blies bald von der einen, bald von der andern Seite an. Aber der Bauer fuhr unverdrossen weiter. Der Jungfrost zwickte ihn in die Beine. Da sprang der Mann von der Fuhre und lief neben dem Pferdchen her.



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>Nanu<, denkt der Frost. >Wart mal! Im Wald mache ich dich schon zu Eis.<

Der Bauer kam in den Wald, holte sein Beil hervor und begann Tannen und Birken abzuschlagen, daß die Späne nur so nach allen Seiten flogen.

Aber der Jungf rost ließ ihm keine Ruhe. Er packte ihn an den Händen, an den Füßen, schlüpfte unter seinen Kragen

Und je mehr der Frost sich mühte, um so kräftiger schwang der Bauer sein Beil, um so stärker hieb er auf die Bäume ein. Dabei geriet er so in Hitze, daß er sogar die Fäustlinge abstreifte.

Lange versuchte es der Jungfrost mit dem Bauern, bis er schließlich müde war.

>Na schön<, denkt er, >sowieso mache ich dich kalt. Ich packe dich bis auf die Knochen, wenn du nach Haus fährst.<

Er lief zum Karren, wo die Fäustlinge lagen, und kroch hinein. Da saß er nun und lachte sich ins Fäustchen.

>Will doch mal sehen, wie der Bauer seine Fäustlinge anzieht. Sie sind steinhart, keinen Finger kann man hineinstecken!<

Der Jungfrost saß also in des Bauern Fäustlingen, der aber fuhr emsig fort, das Beil zu schwingen.

Und er arbeitete so lange, bis die Fuhre bis oben hin mit Holz beladen war.

»So«, sagte er, »jetzt kann ich nach Hause fahren.«

Der Bauer nahm seine Fäustlinge, wollte sie anziehen, aber sie waren wie aus Eisen.

>Na, was wirst du jetzt machen?< spottete der Jungfrost im stillen.

Der Bauer aber, als er sah, daß die Fäustlinge steinhart waren, nahm kurzerhand sein Beil und schlug auf sie ein.

Der Bauer hieb mit dem Beilrücken auf die Fäustlinge, bum, bum, der

Frost darin aber wimmerte: »O weh, o weh!«

Und so stark verbläute der Bauer den Frost, daß der sich mehr tot als lebendig davonschlich.

Der Bauer fuhr heim, den Karren voller Holz, und trieb sein Pferdchen an.

Der Jungfrost aber humpelte stöhnend zu seinem Vater.



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Als der alte Frost ihn sah, fragte er grinsend:

»Warum kannst du dich denn kaum auf den Füßen halten, Söhnchen ehen?«

»Hab' mich zu Tode gequält, bis ich den Bauer zum Frieren brachte.«

»Aber warum denn, Jungfrost, mein Söhnchen, stöhnst du so kläglich?«

»Der Bauer hat mir die Hüften durchgewalkt.«

»Das wird dir, Jungfrost, ein Denkzettel sein. Mit den Pans, den Müßiggängern, kann man leicht fertig werden, aber der Bauer ist nie und nimmer unterzukriegen. Merk dir das!«


Wie ein Mädchen als Hexe viele Jünglinge zu Tode quält

In einem Dorfe wohnte ein Bauer. Der hatte eine wunderhübsche Tochter. Jede Nacht suchte er einen Jüngling, der bei seiner Tochter schlafe, und er machte für die Nacht jedesmal dreihundert Dukaten aus. Aber wer auch zu ihr ging, am Morgen fand man ihn tot. Einst beschloß ein armer Knecht, drei Nächte bei dem Mädchen zu ruhen. Als es Abend war, ging er zur Tür des Schlafgemachs und klopfte an. Das Mädchen sprang aus dem Bett, öffnete die Tür und warf einen Zaum auf ihn. Sogleich wurde der Knecht ein Roß. Dann setzte sich das Mädchen auf ihn und ritt und ritt durch Felder, durch Wälder, immer dort, wo der Weg am schlechtesten war, oder durch sumpfiges Moor. Und solange ritt sie ihn, bis der Hahn krähte. Dann ritt sie zurück zur Tür ihres Schlafgemachs, streifte den Zaum ab, und er ward wieder ein Knecht wie vordem. Das Mädchen hatte den armen Knecht so sehr gepeinigt und gequält, daß er fast wie tot in das Schlafgemach hineinkroch. Er dachte bei sich: >Wie wird es dir in den beiden anderen Nächten ergehen? Aber du kannst nicht zurück.<Es nahte der zweite Abend. Der Knecht ging wieder zu dem Mädchen. Dabei mußte er durch ein Gebüsch und kam zu einer Hütte. Dort wohnte eine alte Frau. Die Leute erzählten sich von ihr, sie wäre eine Zauberin. Der Knecht sagte zu ihr, er habe sich verpflichtet, bei dem Mädchen drei Nächte zu ruhen.



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Aber in der vergangenen Nacht habe ihn das Mädchen so geritten, daß er kaum am Leben geblieben sei. Die Alte antwortete: »Ich kenne das Mädchen. Sie hat schon viele Burschen zu Tode gequält. Nur gut, daß du zu mir kommst. Ich will dir helfen.«Die Alte gab dem Burschen einen Zaum und befahl ihm, wenn das Mädchen die Tür öffnete, nicht zu warten, bis sie warf, sondern ihr sogleich den Zaum umzulegen; dann würde sie in eine Stute verwandelt werden. Der Bursche bedankte sich und ging zu dem Mädchen. Als sie die Tür öffnete, wollte sie sogleich den Zaum auf ihn werfen, er wartete es aber nicht ab, sondern warf ihr seinen Zaum um, und das Mädchen ward zu einer Stute.

Da setzte sich der Bursche auf sie und ritt auf ihr durch Gebüsche, Dornen, über Steinhaufen, und immer schlug er mit der Peitsche. So ging es die ganze Nacht. Schließlich ritt er gegen Morgen nach Hause zum Schlafgemach und nahm ihr den Zaum ab. Da ward sie wieder ein Mädchen und seufzte, und halbtot schlüpfte sie auf dem Bauche in ihre Schlafkammer und legte sich zu Bett. Der Vater des Mädchens kam in die Kammer und fragte: »Hast du gut geschlafen?« —»Gut!« antwortete fröhlich der Bursche. Der Vater sah, daß seine Tochter krank war, und schlich betrübt aus der Kammer.

Es kam der dritte Abend. Der Bursche kam und dachte: >Wie wird es heute gehen? Sie weiß, daß ich einen Zaum habe, heute kann ich sie nicht betrügen. Ich muß also wieder zu der Alten gehen.< Das tat er dann auch. Sie gab ihm einen anderen Zaum und sagte: »Sobald du zu ihr kommst, klopfe an die Tür und schmiege dich an die Türpfosten! Und wenn sie dann öffnet, wirf sogleich den Zaum auf sie! Triffst du, dann gut! Triffst du aber nicht, dann wehe dir!« Er dankte der Alten und ging von dannen. Sobald der Bursche angelangt war und an die Tür geklopft hatte, schrie das Mädchen: »Warte, ich finde meine Strümpfe nicht!« Im selben Augenblick öffnete sie jedoch die Tür und warf den Zaum, aber da sich der Bursche an den Türpfosten geschmiegt hatte, verfehlte ihn der Zaum und flog in den Hof. Sofort warf er seinen Zaum auf sie, und das Mädchen wurde wieder eine Stute. Der Bursche setzte sich auf sie, und wie der Wind ritt er hinaus. Er ließ die Stute laufen und hieb auf sie ein, daß sie sich am Morgen halbtot in ihre Kammer schleppte. Als der Bursche abstieg und ihr den Zaum abnahm, ward sie



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sogleich wieder ein Mädchen, aber es dauerte gar nicht lange, da sank sie zu Boden, schüttelte ihre Füße und erstarrte. Da kam der Vater aus der Hütte und sagte zu dem Burschen: »Du hast meine Tochter zu Tode gequält, nun begrab sie auch, dann will ich dir das ausbedungene Geld bezahlen.«

Als es Abend geworden war, wollte sich der Bursche daranmachen, das Mädchen zu begraben. Denn ein anderer tat es nicht. Er ging aber zuvor zu der Alten und sagte ihr, das Mädchen sei gestorben, und er müsse es jetzt begraben.

»Gut, mein Sohn!« antwortete die Alte, »ich will dir ein Buch und eine Kerze geben, und wenn du zu ihr kommst, steig sogleich auf den Ofensims, zieh mit der Kerze einen Kreis um dich, brenne sie an und lies laut Gebete aus dem Buch?« Der Bursche dankte der Alten und tat so, wie sie es ihm gesagt hatte. Als es dunkel geworden war, erhob sich das Mädchen aus dem Sarge und weinte, und die Teufel kamen von überall herbei. Es waren ihrer so viele, daß die Hütte gestopft voll war. Alle streckten die Nasen vor und schnüffelten. Das Mädchen aber sagte: »Sucht ihn! Er ist hier.«Überall suchten sie ihn. Sie krochen unter den Ofen, unter die Bänke und stachen mit Nadeln in die Spalten, aber sie fanden ihn nirgends. Auch das Mädchen taumelte und taumelte nach allen Seiten und schrie dabei. Als der Hahn krähte, fiel sie tot in den Sarg zurück, und alle Teufel verschwanden. Nur der Bursche blieb zurück. Am Morgen trat des Mädchens Vater ins Zimmer und fragte ihn: »Nun, hast du ausgehalten?« —»Ja, Väterchen, aber genügt nicht bloß diese Nacht? Denn es ist ganz schrecklich.« — »Nein, nein! Halte alle drei aus!« Der Alte ließ ihn nicht weiter sprechen und ging hinaus. Auch der Bursche lief nach Hause, wo er den Tag über blieb. Am Abend machte er sich wieder an die Beerdigung. Zuvor ging er aber zu der Alten. Die gab ihm die andere Kerze und hieß ihn zwei Kreise um sich ziehen. Er dankte ihr für den Rat, zog die zwei Kreise und begann zu beten. Als es dunkel geworden war, stand das Mädchen sogleich vom Totenbrett auf und weinte. Auf ihren Ruf brauste eine zahllose Menge von Teufeln herbei. Das Mädchen schrie mit unmenschlicher Stimme: »Sucht ihn! Hier ist er.« Die Teufel suchten und suchten. Als der Hahn krähte, fiel das Mädchen zur Erde, und die Teufel flogen



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durch die Bodenluke hinaus. Dann ging des Mädchens Vater in die Stube und sah, daß die Tote an der Erde lag. Er brüllte auf den Knecht ein und sagte: »Als sie noch lebte, hast du sie gequält, und jetzt gibst du der Toten keine Ruhe. Hüte dich und achte darauf, daß das nicht wieder geschieht!«


Hundert Hasen

Vor langen Zeiten lebte einmal ein König, der hatte nur eine einzige Tochter. Die wollte er nur dem zur Frau geben, der drei schwere Arbeiten verrichten würde, wäre er auch der elendste Bettler. Viele versuchten's, keiner konnte es ausführen.

Unweit wohnte ein armer Mann, der drei Söhne hatte. Der älteste und klügste sagte: »Ich werde gehen und die Prinzessin gewinnen.«

Auf dem Wege traf er einen alten Bettler, dem sagte er nicht einmal Guten Morgen! Der Bettler fragte ihn: »Wo willst du hin, mein Sohn?« —»Was kümmert's dich!«brummelte der Bursche im Weitergehen. Der Alte sagte: »Dein Gang wird umsonst sein«, und ging davon. So geschah es auch. Der älteste und klügste kehrte unverrichteter Sache wieder heim.

Da sagte der zweite kluge Sohn, er wolle nun gehen und die Tochter des Königs gewinnen. Aber ihm ging es wie dem ersten. Da sagte der dritte Sohn, den sie den Dummen nannten: »Nun werde auch ich gehen, vielleicht gelingt es mir.«

»Dein Weg wird vergeblich sein«, sagte der Vater, »wo es nicht einmal den Klugen gelungen ist.«

Aber der jüngste Sohn kümmerte sich nicht darum und ging zum König. Auf dem Wege traf er den alten Bettler -das war der liebe Gott selber, der durch die Welt ging, die Werke der Menschen zu prüfen -, vor dem nahm er, wie es sich gehört, die Mütze ab und wünschte ihm einen guten Morgen. Der Alte bedankte sich und fragte, wohin er gehe. Der jüngste erzählte ihm alles und verschwieg nichts. Da gab ihm der Bettler ein Pfeifchen und sagte: »Heute wirst du hundert Hasen zu hüten bekommen, dann pfeife nur zu, so werden sie gehorchen.« So geschah



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es auch. Als er zum König kam, war sein erstes Wort: »Wo ist deine Tochter? Ich will sie sehen, ob sie mir auch gefällt.« Als er sie erblickte, sagte er: »Sie gefällt mir, ihretwegen will ich die drei Arbeiten verrichten.

Der König gab ihm für den Tag auf, hundert Hasen zu hüten. Als man sie aufs Feld hinaustrug und losließ, liefen sie nach allen Seiten auseinander, es war auch kein Bein zu sehen. Der dumme Sohn ließ sie erst tun, was sie wollten, aber als alle fort waren, versuchte er, ob sie auch gehorchen würden. Er pfiff, und die Hasen waren wie der Blitz da; er zählte sie und vermißte nicht einen.

»Dann lauft wieder und freßt! Wenn's nötig ist, werde ich pfeifen!« sagte er zu den Hasen.

Ich weiß nicht, wer es gesehen hat und es dem Könige hinterbrachte. Der bekam Angst und sandte seine Frau, daß sie sich einen Hasen erbitte und erbettele'. Sie verkleidete sich als altes Weib, kam zu dem Jungen geschlichen und fragte, ob er ihr nicht einen einzigen Hasen geben wolle, sie brauche ihn nötig.

Er antwortete: »Weder verkaufen noch verschenken kann ich einen, sie gehören nicht mir.« Die Königin aber bettelte und bettelte: »Einen könntest du mir doch geben.«

Der Dumme hatte wohl gemerkt, wer sie war, und sagte endlich, er werde ihr einen Hasen geben, wenn sie ihn kräftig küssen werde. Sie sträubte sich und sträubte sich, aber als sie sah, daß sie anders nicht zu einem Hasen kam, küßte sie ihn. Den Hasen stopfte sie in den Kober und ging fröhlich davon, weil sie den Dummen betrogen glaubte. Der wartete, bis sie schon ganz nahe am Hause war, zog seine Pfeife und pfiff los, da sprang der Hase -bauz! — gegen den Deckel -hops! — aus dem Kober -heidi! zu seinem Herrn. Die Königin blieb mit offenem Munde stehen. Der Hase war weg.

Am Abend jagte der Dumme seine hundert Hasen heim und übergab sie dem König. Der bestellte ihn für morgen aufs Schloß. Auf dem Wege kam wieder der alte Bettler, gab ihm ein Trompetchen, um Pferde zusammenzutrompeten. Diesen Tag gab ihm der König auf, hundert Pferde zu hüten und abends in den Stall zu bringen. Als man sie auf dem Felde losließ, liefen die Pferde nach allen Seiten auseinander; niemand



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hätte vermocht, sie wieder zusammenzutreiben. Der Dumme aber versuchte seine Trompete, und alle kamen gelaufen. Nun wollte der König wieder seine Frau schicken, ein Pferd zu erbetteln; die wollte aber nicht und sagte, sie fürchte sich vor Pferden, er möge lieber selber gehen. Da verkleidete sich der König, damit man ihn nicht erkenne, ritt zu dem Burschen aufs Feld und fragte ihn, ob er nicht ein Pferd verkaufen wolle.

»Verkaufen kann ich keins«, antwortete der.

»Aber vielleicht borgen?«

»Auch borgen nicht.«

»Vielleicht schenken?«

»Vielleicht schenken, aber nur, wenn du deinem Esel den Schwanz aufhebst und ihm einen Kuß darunter gibst.«

Der König verzog den Mund, aber es half nichts, er mußte den Esel unterm Schwanz küssen, sonst hätte er kein Pferd bekommen. Als er es aber getan hatte, setzte er sich froh auf das Pferd, ritt heim und verschloß es im Stalle. >Heute habe ich ihn sicher betrogen<, dachte er, >ein Pferd wird ihm am Abend fehlen.<

Der jüngste Sohn aber wußte nicht, daß der König schon längst zu Hause war, und trompetete, als das Pferd schon ein Weilchen im Stalle stand. Als es das Trompeten hörte und gegen die Tür sprang, ging die Tür mit einem Rucke auf, und der König, der auf das Gepolter ans Fenster lief, sah nur noch das Schweifende wehen. Am Abend jagte der Bursche alle Pferde heim und trieb sie in den Stall.

Am dritten Tage befahl der König, einen Sack ganz voll zu lügen, bis er sage: >Bindet zu!< Der Bursche steckte den Mund in den Sack, log und schwindelte, was er konnte, immer blieb der Sack leer; die Lügen hatten nicht einmal den Wert der Spreu. Da dachte er, den Sack mit der Wahrheit zu füllen, und fing an zu erzählen, wie er Hasen gehütet habe, da wäre die Königin zum Kaufen gekommen, er habe aber keinen gegeben, bevor sie ihn nicht selbst geküßt hätte. Dem König kam großes Lachen an, und er freute sich über den Schaden seiner Frau. Der Bursche erzählte weiter, wie es ihm ergangen war, als er die Pferde gehütet habe. Da sei der König selbst nach einem Pferd gekommen, er habe ihm aber keins gegeben, bevor er nicht den Esel . .



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»Bindet den Sack nur zu, er ist schon voll!«schrie da der König, bevor er ausgeredet hatte. So gewann der jüngste Sohn die Prinzessin so leicht wie eine Mütze.


Die Frau, die böser war als der Teufel

In einem Dorfe lebte ein Mann mit seiner Frau, und beide vertrugen sich so gut, daß kein böses Wort bei ihnen zu hören war. Ein halbes Jahr arbeitete der Teufel dahin, sie irgendwie in Streit zu bringen, aber es gelang ihm nie, und er spie vor Ärger aus und ging aus ihrer Wohnung. Da begegnete ihm eine uralte Frau, die durch die Welt schweifte. Die fragte ihn: »Warum speist du so aus?« Der Teufel erzählte ihr sein Unglück. Da versprach die Alte für ein Paar neue Schuhe und Handschuhe, die Leute in Zwietracht zu bringen. Sie ging, um zu betteln, zu der Bäuerin gerade dann, als ihr Mann auf dem Felde pflügte, und bat anfänglich um eine milde Gabe. Als die Bäuerin ihr diese gegeben hatte, sagte sie: »Ach, meine liebe Wohltäterin, wie gut bist du doch! Ein Mann muß doch eine solche Frau von Herzen liebhaben. Ich weiß, ihr verträgt euch sehr gut wie niemand wieder auf der Welt. Aber, liebe Frau, ich will dich lehren, wie ihr euch noch mehr liebhaben könnt. Mitten auf dem Kopf von deinem Mann ist ein graues Haar. Das mußt du abschneiden, aber so, daß er es nicht sieht.« — »Wie könnte ich das tun?«fragte die Bäuerin. »Nun so«, antwortete die Alte, »wenn du deinem Mann das Mittagessen hinausträgst, dann sage ihm, er solle sich umlegen und auf deinen Knien sich ein wenig ausruhen, und sobald er einnicken will, nimm ein Messer aus der Tasche und schneide das graue Haar ab!«Die Bäuerin bedankte sich bei der Alten und gab ihr für die gute Lehre ein besonderes Geschenk. Dann ging die Alte aufs Feld und suchte den Bauern zu warnen, daß ihm kein Unglück geschehe. Denn seine geliebte Frau wollte ihn nach dem Mittagessen töten und danach einen Reicheren heiraten. Zur Mittagszeit brachte die Bäuerin ihm das Essen, und nach dem Mahl ließ sie ihn sich auf ihre Knie legen. Er stellte sich so, als ob er schliefe. Da nahm seine Frau ein Messer aus der Tasche, um das graue Haar abzuschneiden, wie es ihr die Alte gesagt hatte. Er



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aber, husch, sprang wütend auf sie los, faßte sie bei den Haaren und schlug sie unter lautem Fluchen.

Der Teufel hatte alles mit angesehen und traute seinen Augen kaum. Dann nahm er ein langes Scheit, hängte an das eine Ende die versprochenen Handschuhe und Schuhe, an dem andern Ende faßte er es an und reichte alles von ferne der Alten. Dabei sprach der Böse: »Um alles Geld in der Welt komme nicht näher heran, denn du bist viel klüger als ich.« Damit gab er ihr die Schuhe und die Handschuhe und verschwand schnell wie der Blitz.


Die Fliege und die Laus

Eines Tages trafen sich unterwegs eine Fliege und eine Laus. Die Fliege fragte die Laus: »Läuschen, wo willst du hin?« —»Ich will zu den Litauern.« — »Warum denn? Gefällt es dir nicht mehr bei den Zemaiten?« —»Ja«, antwortete die Laus, »das Leben ist für mich dort zu schlecht. Kaum hatte ich mich in dem Kragen eines Zemaiten eingenistet und es mir bequem gemacht, um meine Brut zur Welt zu bringen, so brauchte er es nur zu spüren und warf mich schon mitsamt dem Hemd in die Ecke. Dann kam eine alte Frau, nahm das Hemd und warf es ins Wasser, um mich zu ertränken. Aber nicht genug damit. Denn kaum war ich an die Oberfläche des Wasser emporgekrochen, da erschien ein kleines Mädchen und warf mich in einen Kessel. Dann mußte ich beinahe sterben, als sie Feuer darunter machten. Wenn ich aber bei den Litauern war, konnte ich mit der ganzen Familie ruhig leben. Keine tat mir was zuleide. Deshalb will ich wieder zu ihnen zurückkehren.« —»Mir aber«, entgegnete die Fliege, »gefällt es bei den Zemaiten besser. Denn dort konnte ich mich gut ernähren und auch meine Kinder und Kindeskinder großziehen. Ich ließ mich gewöhnlich in eine Schüssel fallen, dann nahm mich der Bauer oder sein Kind mit dem Löffel, der halb voll Speise war, heraus und warf mich mit der Speise auf den Fußboden. Davon konnte ich mich gut beköstigen und auch meine Kinder ernähren. Als ich aber zu den Litauern kam, mußte ich fast vor Hunger sterben. Dort pflegten sie Rüben zu essen, und ließ ich mich in die Schüssel



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fallen, nahm mich gleich ein Knabe mit dem Löffel heraus, leckte mich ab und warf mich auf den Fußboden, daß mir fast die Knochen zerbrachen. Darum kann ich es dort nicht länger ertragen und kehre wieder zu den Zemaiten zurück.«


Der Kampf mit dem Riesen

Es war einmal ein Junge, dem waren beide Eltern gestorben. Er hatte nicht einmal einen Platz zum Schlafen und wanderte darum in die weite Welt hinaus, vielleicht würde es irgendwo Unterkunft für sein Leben finden.

Für die Reise hatte er nichts weiter als einige runde Quarkkäslein und in der Hand einen kräftigen, eisenbeschlagenen Eichenstab. Auf seiner Reise fand er einen Vogel, der ermattet auf der Erde lag. Um ihn zu erwärmen, steckte er ihn in die Tasche. Da kam er an einen Berg und stieg hinauf, um sich umzusehen, wo er eigentlich sei. Oben begegnete er einem häßlichen Riesen, der ihn erschlagen wollte. Da stieß er rasch mit seinem Stöcklein auf eine Zehe des Fußes, daß jener vor Schmerz zu tanzen begann und um Hilfe schrie; er hatte ein Hühnerauge getroffen und sehr schmerzlich berührt.

»Na, na!« sagte dreist der Waisenknabe. »Was schreist du so gräßlich, ich habe noch kaum meinen Stock gebraucht! Was wird sein, wenn ich dir eins ordentlich über den Rücken ziehe?«und er hob schon drohend den Stock.

»Schlag nicht! Schlag nicht!«schrie der Riese. »Wir wollen miteinander reden wie Brüder. Dieser dein Knüppel ist so schmerzhaft, wenn er kaum berührt. Ich will sehen, ob du auch sonst Kraft hast. Wir wollen uns im Drücken versuchen.«

Er ergriff einen Holzklotz in der Mitte und drückte so fest, daß an beiden Enden der Saft zu fließen begann.

»Das ist nichts!« antwortete der Waisenknabe. »Ich werde einen Stein nehmen und drücken.«

Er ergriff einen Käse und drückte, daß das Wasser in Strömen zu Boden floß. »Das ist eine Kraft! —Nun wollen wir versuchen, wer am weite-



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sten wirft.« Der Riese ergriff einen Stein so groß wie eines Mannes Kopf und warf ihn ein gutes Ende; der Waisenknabe aber nahm den Vogel aus der Tasche, und als er ihn warf, flog dieser erschreckt weiter und weiter, bis er aus den Augen verschwand; keiner von beiden sah ihn fallen. »Das ist ein Werfen!« Der Riese erschrak, als er das sah, wollte ihn doch lieber als Freund haben und lud ihn sich in sein Haus zu seinen Brüdern, denen er alles erzählte. Diese erschraken und verabredeten, gemeinschaftlich in der Nacht ihn im Schlaf zu erschlagen.

Sie fühlten nach seinem Kopf, ergriffen eine dicke Eisenstange und hieben über das Kissen, daß auch das Bett zusammenfiel. So dachten sie, daß sie seinen Kopf zerschlagen hätten. Der Waisenknabe aber hatte sich wohlweislich aufs Fußende gelegt und an Stelle des Kopfes einen umwickelten Topf hingelegt. Als das Bett auseinanderbarst, sprang er auf und schrie: »Wer hat da mein Bettchen berührt, wo ist bloß mein Stöckchen?«Da liefen die Riesen erschrocken mit Gepolter hinaus und überließen ihm allein das Haus, wichen ihm auch wer weiß wie weit aus. Der Waisenknabe aber setzte sich in dem Hause fest und wohnte darin ohne alle Ängste, solange erlebte.


Von einem Soldaten, der vom General zum Ziegenhirten wurde

Der Sohn eines Hofbesitzers mit Namen Upeikas war als Soldat ausgehoben und sandte seinen Eltern einen Brief, er wäre schon General. Er bat seinen Vater, zu ihm zu kommen. Der Vater kam herbeigefahren, fand aber seinen Sohn nur als einfachen Soldaten vor.

Da ward der Vater wegen des Betrugs sehr zornig auf ihn und sagte: »Ich wünschte, du hättest keine Stiefel an, wenn du heimkehrst.«

Wie der Vater es gesagt hatte, so geschah es auch. Der Sohn aber wurde später richtig General, und er bat den Vater, wieder zu ihm zu kommen und ihn zu besuchen. Aber da der Vater einmal betrogen war, hörte er nicht weiter darauf. Upeikas war also General geworden und hatte sich mit einer sehr reichen und klugen Jungfrau verheiratet. Da er Sehnsucht nach seinen Eltern verspürte, beschloß er, sie zu besuchen



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und ihnen abzubitten, weil er sie einst gekränkt hatte. Als General hatte er viele Diener. Er hatte kaum seine Wünsche geäußert, da war schon alles für die Reise vorbereitet. Der erste reinigte die Stiefel, der zweite machte den Wagen fertig, der dritte spannte die Pferde an usw. Die Frau Generalin fragte Upeikas:

»Wenn du nicht bald wieder heimkehrst, wo finde ich dann deine Vaterstadt?« —»Ich werde bei meiner Fahrt am Wege Tafeln aufstellen mit der Aufschrift: >Hier ist der General Upeikas entlanggefahren.<«

Am Wege stand eine Hütte, in dieser sollte eine Hexe wohnen, die allerlei Zauberkünste verstand. Sooft nun einer vorbeifuhr oder vorüberging, setzte sie die Luft in solche Bewegung, daß niemand vorübergehen konnte, bevor er nicht in die Hütte getreten war. Jeder aber, der eintrat, mußte mit ihr Karten spielen. Es gab dort aber einen Platz, auf den sich die Hexe setzte, wenn sie Karten spielen wollte. Dadurch gewann sie alles. Wer aber verlor, kam kaum mit einem einzigen Hemde davon.

So geschah es auch mit Upeikas. Er fuhr gerade auf die Hütte los, da erhub sich ein Sturmwind, und es schien, als ob Himmel und Erde eins waren.

Wie viele andere mußte auch der General Upeikas einkehren, und so geriet er in die Klauen der Hexe. Die Alte trieb es mit dem General wie mit jedem andern Gast. Sofort legte sie Karten auf ein Tischlein und bat den General, mit ihr zu spielen. Der ahnte nichts von ihren Hexenkünsten und hörte mit dem Kartenspielen nicht auf; denn als Herr hatte er sich ja schließlich daran gewöhnt, Karten zu spielen.

Die Alte setzte sogleich sich auf ihren Platz und legte ein Fünfrubelstück auf den Tisch. Upeikas wollte ihr nicht nachstehen und legte ein anderes Fünfrubelstück neben das ihre. So verspielte Upeikas bei der Hexe nicht nur sein Geld, sondern auch seine Pferde, seinen Wagen, und schließlich mußte er auch seine Stiefel dalassen und zu Fuß und barfuß in seine Heimat wandern. Er kam zu seinem Vater, aber er schämte sich zu sagen, daß er sein Sohn Upeikas wäre, und verdang sich bei ihm als Ziegenhirt, und er hatte fünfzig Ziegen. Diese Ziegen übte er nun ein, wie wenn es Soldaten wären. Wenn er rief: »Richt euch!« so stellten sich alle Ziegen in ein Glied, nahmen die Bärte hoch und



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rührten sich nicht. Wenn er aber rief: »Das Ganze, marsch!« Dann machten alle Ziegen auf einmal »tripp, trapp«.

Da die Generalin auf die Rückkehr ihres Mannes vergeblich wartete, fuhr sie von dannen, um ihn auf demselben Wege zu suchen, wo die Tafeln mit der Aufschrift standen: »Hier ist General Upeikas entlanggefahren.« Auch sie kam zu der Hütte der Hexe und mußte dort haltmachen; denn es erhob sich ein Sturmwind wie bei jedem, der vorüberfahren wollte. Sie ging hinein und nahm Platz, um mit der Hexe Karten zu spielen. Beim Spielen merkte die Generalin, daß auch sie zu Fuß weggehen müßte. Daher zwang sie die Hexe, ihre Plätze zu vertauschen. Sie setzte sich also auf den Platz der Hexe und gewann nicht nur ihre eigenen Sachen, die sie verspielt hatte, wieder, sondern auch die ihres Mannes. Als die Generalin weiterfuhr, fand sie nur an einem Knüppelzaun die Aufschrift: »Der General Upeikas ist zu Fuß weitergegangen.« Sie kam dann in die Heimat ihres Mannes und bat um ein Nachtlager, sagte aber nicht, daß sie die Schwiegertochter sei, und erkundigte sich auch nicht nach Upeikas. Aber sie blickte sich um, wo sie jemand traf. Denn sie wollte wissen, was ihr Mann für eine Arbeit verrichtete. Obwohl die Eltern die Fremde nicht kannten, merkten sie doch, daß sie sehr reich war, und sie nahmen sie mit Ehrfurcht auf. Als sie aber am Abend Tee tranken, rühmte der Vater seinem Gast gegenüber, sie hätten einen solchen trefflichen Ziegenhirten, daß er allen Ziegen den russischen Soldatendienst beigebracht hätte. Am nächsten Morgen sah die Generalin durch das Fenster, wie der Hirt die Ziegen einübte. Upeikas ließ wie immer die Ziegen los, knallte dann aber mit der Peitsche und rief: »Richt euch!« da stellten sich alle Ziegen in ein Glied. Dann knallte er wieder mit der Peitsche und rief: »Alles marsch!« Da nahmen alle Ziegen die Bärte hoch und es ging »tripp, trapp«. Die Generalin erkannte ihren Mann, öffnete das Fenster und fragte: »Upeikas, was ist besser, General von Soldaten oder von Ziegen zu sein?« Da erkannte er seine Gemahlin, schämte sich, daß er Ziegenhirt war, und wußte nicht, wo er bleiben sollte. Danach erkannten auch die Eltern ihren Sohn wieder. Seit dieser Zeit hütete er keine Ziegen mehr. Der Vater veranstaltete einen großen Ball aus Freude darüber, daß er seinen Sohn wiedergefunden hatte: denn er glaubte ihn nicht



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wiederzusehen. Dazu luden sie viele Gäste ein, lange wurde gefeiert, und ich war auch dabei. Ich aß und trank zusammen mit allen Gästen, denn ich war Koch. Als ich nach Hause gehen wollte, schenkte mir der Herr einen Wagen aus Stroh, eine Stute aus Wachs, einen Hut aus Butter, ein Kleid aus Papier und Stiefel aus Glas. Als ich durch die Stadt fuhr, fielen die Ziegen der Juden über mich her und fraßen mir den Wagen auf. Ich setzte mich auf mein Pferd, um zu reiten. Mein Hinterer wurde warm, davon zerschmolz die Stute. Da kam ein Regen. Der leckte mir mein Kleid ab, und ich begann zu frieren. Ich ging in eine Schenke, um mich zu wärmen. Mein Hut zerschmolz mir dabei, es blieben mir allein die Stiefel noch. Als ich aber in Tilsit über die eiserne Brücke ging, brachen sie entzwei, und ich hatte nichts mehr. Und wie ich nichts hatte, so habe ich auch jetzt nichts.


Der Hund und die Ziege

Ein Hund kam auf den Einfall, sich zu schaukeln, die Ziege sollte ihm dabei helfen. Der Ziege kam das sehr gelegen. Der Hund stieg also auf die Schaukel, und die Ziege setzte sie mit den Hörnern in Bewegung, daß jenem der Wind nur so um die Ohren sauste. Aber nach einer Weile riß unglücklicherweise der Strick, und der Hund erdrosselte sich. Da lief die Ziege zu den anderen Ziegen, sie sollten zur Beerdigung des Hündchens kommen. Die Ziegen versammelten sich, nahmen den Toten auf ihre Hörner, trugen ihn auf einen hohen Berg, begruben ihn, und danach fingen alle Ziegen an, in der Ziegensprache zu singen:

»Meh, meh, meh!«

Jetzt müssen wir warten, bis sie zu Ende gesungen haben.


Von des Kaufmanns Sohn und dem Schwan

Es lebte einst ein Mann. Der war Kaufmann und pflegte in die fernsten Länder zu fahren, um etwas zu verdienen. Einstens hatte der Kaufmann sein Schiff mit allerlei Waren beladen und fuhr über das Meer in



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ein fernes Land, um seine Waren zu verkaufen und viel Geld zu verdienen. Bei dieser Fahrt stand das Schiff plötzlich still, und obwohl die Seeleute sich noch so anstrengten, es ging nicht weiter. Der Kaufmann betrachtete sein Schiff. Da sah er, daß ein roter Hahn es festhielt. »Hahn, was hältst du mir mein Schiff fest?« fragte der Kaufmann. »Weil ich es will«, erwiderte der Hahn. »So laß es los, roter Hahn, ich will weiterfahren!« — »Das werde ich tun, wenn du mir etwas gibst.« —»Was kann ich dir denn geben, da ich nichts habe?« — »Ich will nicht das von dir, was du nicht bei dir hast, sondern zurückließest!« Der Kaufmann dachte sich nichts dabei und versprach es, und weil der rote Hahn es verlangte, unterschrieb er zwei Blätter mit seinem Blut, von denen er das eine dem Hahn gab, das andere für sich behielt. Auf der Stelle ließ der Hahn das Schiff los, und der Kaufmann fuhr weiter. Er kam in ein fernes Land, verkaufte dort seine Waren und kehrte mit einem guten Stück Geld nach Hause zurück. Aber welcher Schmerz ergriff ihn, als er bei seiner Rückkehr sah, daß ihm ein Sohn geboren war, den er Jonas hieß! Da erkannte der Kaufmann, daß es sein Sohn war, den er zu Hause zurückgelassen hatte. Den hatte er jetzt aus Unbedacht dem roten Hahn versprochen und verschrieben. Auf das Blatt, das er von dem Hahn erhalten hatte, vergoß der manches Mal heiße Tränen. Dann steckte er es in der Stube unter einen Balken.

Der Sohn des Kaufmanns wurde gut erzogen und wuchs schön heran. Und nach einigen Jahren war er schon ein kluges Kind. Oft fiel ihm die große Trauer seines Vaters auf, und wiederholt fragte er ihn: »Lieber Vater, weshalb bist du immer so traurig?« —»Ach, mein Kind, das macht eben das Alter. Was soll ich hier noch fröhlich sein?«

Der Knabe lernte weiter. Er war aber wild und ausgelassen, und überall, wo nur eine kleine Spalte oder ein Loch war, stöberte er herum. Einmal kroch er auch unter dem Balken entlang und stieß dabei ein verstaubtes Papier mit hervor. Damit lief er zum Vater, zeigte es ihm und fragte: »Was ist das für ein Schriftstück?« Das ergriff den Kaufmann noch mehr, und er wurde immer trauriger, und auf die Frage des Knaben erzählte er ihm die ganze Wahrheit. Hierauf nahm der Sohn Abschied von allen seinen Angehörigen, ließ alles zurück und ging in die Welt hinaus, um seinen richtigen Vater zu suchen, dem er verschrieben



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war. Er wanderte und wanderte einige Tage und gelangte an den Strand eines Meeres. Hier wurde er müde, legte sich nieder und dachte darüber nach, was er tun sollte. Während er so ruhte, flogen drei Schwäne herbei, legten am Meeresgestade ihre Federn ab und verwandelten sich in Jungfrauen. Dann gingen sie in das Meer, um zu baden. Das sah des Kaufmanns Sohn. Er ging zu den Federn der Jüngsten und legte sich darauf. Da er weich lag, schlief er ein. Als die Jungfrauen gebadet hatten, kehrten sie zurück, legten ihre Federn an und flogen davon. Nur die Jüngste fand ihr Federgewand nirgends. Sie suchte überall und sah endlich einen Menschen liegen. Obwohl sie nackt war, zwang die Not sie doch, an ihn heranzugehen und ihn zu wecken. »Schöner Knabe«, fragte sie, »hast du hier kein Federkleid gesehen, das ich abgelegt habe?« — »Hier ist es«, antwortete er, »du kannst es nehmen und dich damit bekleiden.«

Als das die Jungfrau getan hatte, fragte sie: »Wie heißt du?« —»Jonas«, erwiderte er. »Und was hat dich in diese Ferne, in eine von niemand sonst betretene Gegend geführt?« — »Wie kann ich das wissen? Mein Vater hat mich, als ich noch nicht geboren war, einem roten Hahn versprochen, und die Zeit wird vielleicht bald kommen, daß ich ihm zufalle. Jetzt sorge ich mich, ob ich vielleicht noch erlöst werden kann.« Da antwortete sie: »Auch wir drei Jungfrauen sind verflucht und in der Gewalt der Teufel. Ich werde deine Freundin sein und dir überall beistehen. Jetzt, Jonas, geh an diesem Strand entlang! Dann wirst du eine Schlucht finden. Da geh hindurch, und du wirst zu einer Tür kommen! Wenn du dann gegen die Tür schlägst, wird sie dir der Wächter des Hofes öffnen und fragen: >Wie kommst du hierher, Jonas?<Dann antworte ihm: >Ach was! Soll etwa der Teufel kommen, so daß ich nicht kommen kann?< Sei überall klug, damit du nicht umkommst!« Nach diesen Worten verwandelte sich die Jungfrau in einen Schwan, breitete die Flügel aus und flog davon.

Wie es Jonas gesagt war, so tat er auch. Er fand den Hof. Als er anklopfte, öffnete ein Teufel die Tür, und als er Jonas sah, fragte er gleichsam verwundert: »Wie kommst du hierher, Jonas?« —»Ach was? Soll etwa der Teufel kommen, so daß ich nicht kommen kann?« Der Teufel führte Jonas zu Luzifer. Der führte Jonas in drei Kammern und



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hieß ihn fünf Tage ausruhen. Am sechsten zeigte er ihm einen nicht fernen Wald. Dort in diesem Walde sollte er an einem Tage die Bäume abhauen, die Stämme ausroden, den Acker pflügen, Weizen säen, ihn aufwachsen lassen, ihn abmähen, ausdreschen, mahlen und Kuchen backen, so daß sie beide am siebenten Tage ein Stück davon zum Tee essen könnten. Als Jonas das hörte, standen ihm gleichsam die Haare zu Berge, und traurig ging er in die bezeichneten Zimmer, von denen ihm das dritte am besten gefiel, und dort ruhte er aus. Dabei weinte er; denn er glaubte nicht, daß er das vollbringen könnte. Wenn es ihm aber nicht gelänge, wollte ihn Luzifer den Teufeln der Hölle geben, damit sie ihn quälten. In der einen Nacht, als alles still war, tat sich Jonas' Stubentür auf, und der Schwan kam herein. Er verwandelte sich sofort in eine Jungfrau, tröstete den weinenden Jonas und sagte, alles würde gutgehen, wenn er nur ihren Befehl ausführte. Jonas versprach das. Denn er wollte nicht in die Krallen der Teufel fallen. Fünf Tage waren vergangen, und der sechste war angebrochen. Da führte Luzifer Jonas in den Wald und drohte ihm an, er müsse an einem Tage bis zum Morgen aus dem Walde einen Kuchen zum Imbiß gebacken haben. Alle Teufel sahen zu, wie Jonas das anfangen würde, aber schließlich wurden sie es überdrüssig und schleppten sich davon. Denn Jonas tat nichts. Er hatte sich nur hingelegt und ruhte. Gegen Abend, als ringsherum kein Teufel mehr zu sehen war, nahm Jonas ein Horn aus der Tasche und blies.

Im Nu war alles fertig, und sogleich standen zwei zierliche Weizenkuchen da, die Jonas nach Hause brachte und auf den Tisch setzte. Dann schlief er. Am Morgen kam Luzifer und fragte: »Ist alles fertig?«Jonas gab ihm die Kuchen, die sie dann zum Tee aßen. Darauf begannen Luzifer und allen andern Teufel die Füße bis zu den Knien zu verdorren, weil sie Jonas nicht bezwingen konnten.

Nach dem Mittagessen ließ Luzifer sich Jonas wieder drei Tage in sein Zimmer einschließen und ausruhen. Und nach drei Tagen sollte er durch einen breiten Fluß einen Damm aufschütten, den Weg mit Bäumen und die Ränder des Dammes mit Erdbeeren bepflanzen, so daß es am fünften Tage möglich wäre, auf dem Wege zu wandeln und von den Rändern Beeren zu pflücken. Jonas ruhte sich aus und hatte große



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Sorge; denn er vertraute nicht auf das Horn. Es kam die Nacht. Als alles still war, nahte ganz langsam der Schwan und ging zu Jonas ins Zimmer. Hier verwandelte er sich in eine Jungfrau, tröstete den traurigen Jonas, gab ihm einen kleinen Knochen und sagte: »Wenn du mit dem Knochen durch die Luft schlägst, so geschieht alles, wie Luzifer es will.« Es gingen vier Tage vorüber, am fünften rief Luzifer Jonas, und beide gingen hinaus auf den Weg. Alles geschah so, wie es Luzifer wollte. Sie gingen auf dem Weg über den Fluß, hatten ihre Freude daran und pflückten vom Rande die Erdbeeren. Darauf verdorrten Luzifern und den andern Teufeln die Füße bis zum Hintern. Luzifer ließ Jonas zwei Tage ausruhen. Danach sagte er: »Du wirst eine hundertjährige Stute erhalten, die sollst du zureiten.« Jonas dachte bei sich: »Was kannst du schwacher Mensch hier tun? Er wird dir irgendeine Hexe geben, und wer weiß, wie das ablaufen kann?«

Aber während er noch so überlegte, kam der Schwan angeflogen, verwandelte sich in eine Jungfrau, kam herein, tröstete Jonas und gab ihm drei Ruten, eine aus Silber, eine aus Gold und eine aus Edelstein. Sie hieß ihn, sich auf die Stute setzen und sie zuerst tüchtig mit der Rute aus Silber schlagen, dann mit der aus Gold und schließlich mit der aus Edelstein. Es kam der dritte Tag. Luzifer rief Jonas. Die Teufel führten eine uralte, abgemagerte Stute herbei, die nur aus Haut und Knochen bestand. Aber sie war noch wütender als eine Hexe und noch nicht zugeritten. Jonas setzte sich darauf, zog aus dem Stiefelschaft die silberne Rute hervor und schlug darauf los. Die Teufel stellten sich rings im Kreise auf und sahen zu, wie Jonas sie zureiten würde.

Trotzdem die Stute geschlagen wurde, lief sie nicht, sondern ging mit den Vorderfüßen in die Höhe. Alle Teufel wälzten sich vor lauter Lachen, obwohl ihre Füße schon bis zum Hintern verdorrt waren. Aber sie hofften, sie würden sich wieder erholen, wenn sie Jonas bezwängen. Jonas versteckte die silberne Rute und zog die goldene hervor. Als er mit dieser die Stute schlug, ward sie noch viel wütender, und alle Teufel lachten immer lauter. Da Jonas die Hexenstute nicht bändigen konnte, verbarg er die Rute aus Gold und zog die aus Edelsteinen hervor. Aber als er mit dieser zuschlug, machte die Stute bisweilen noch dumme Sätze, aber darauf war sie bald gebändigt und ging gut. So ritt



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Jonas vor den Augen aller Teufel die Hexenstute zu. Alle Teufel wurden sehr traurig und verdorrten bis zum Nabel.

Alle standen wie auf Stelzen. So schlichen sie niedergeschlagen durch die Hölle und sagten: »Was sollen wir hier mit Jonas tun, daß es uns möglich wäre, ihn zu ergreifen?« Und alle ersannen noch eine Sache. Sie ließen ihn einen Tag ausruhen. Dann sagten sie, er solle raten, wer von den drei Schwänen der jüngste sei. Jonas ruhte sich aus. Des Nachts kam der Schwan herbeigeflogen, verwandelte sich in eine Jungfrau und sagte zu Jonas: »Wenn du raten sollst, dann geh durch die Tür, und ich werde mit dem Fuße am Kopfe kratzen. Dann sag, daß ich die jüngste bin; so wirst du es erraten.« Es dauerte nicht lange, da wurde es Morgen. Die drei Schwäne mußten gegenüber der Tür auf einem Wandbrett Platz nehmen. Alle Teufel mit den verdorrten Hinterteilen kamen herbei, das Schauspiel sich anzusehen. Luzifer führte Jonas herbei und stellte ihn mitten auf den Estrich.

Alle Teufel standen auf der Bank an der Wand um den Tisch auf Zehenspitzen und freuten sich, daß sie jetzt endlich Jonas bezwingen könnten. Jonas blickte eine Weile umher und sagte: »Ich muß hinausgehen und mir die Nase schnauben, darauf will ich es raten.«Jonas ging hinaus, und einige Teufel folgten. Die andern blieben in der Stube zurück und gaben acht, daß kein Betrug entstünde. Als Jonas von draußen in die Stube kam, kratzte sich der mittlere Schwan mit dem Fuß an dem Kopf. Jonas trat mitten auf den Estrich und zeigte auf den Schwan. Da merkten es auch die Teufel und sagten: »Ach, solche vertrauten Freunde seid ihr beide! Wartet, wir werden es euch zeigen!« Luzifer befahl sogleich den einen Teufel, ihn in sein Zimmer zu führen und ihn einzuschließen, die andern hieß er den großen Kessel, der voller Pech und Schwefel war, heizen und morgen Jonas und den jungen Schwan kochen. Um Mitternacht, als alle andern Teufel eingeschlafen waren, schlich der Schwan durch das Schlüsselloch, öffnete die Tür, beide gingen heraus und kamen in den Hof der Hölle. Dann öffneten sie einen Stall und zäumten ein Pferd auf, das mit einem Schritt fünfhundert Meilen zurücklegte. Der Schwan verwandelte sich wieder in eine Jungfrau und setzte sich mit Jonas auf das Roß. Um Mitternacht, als die ganze Hölle schlief, ritten sie davon.



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Früh am nächsten Morgen standen die Teufel auf, selbst Luzifer erwachte und heizte noch mehr unter dem Kessel an. Als Pech und Schwefel zu sieden begannen, gingen Luzifer und alle Teufel, die inzwischen bis zur Brust verdorrt waren, in das Zimmer, wo sie Jonas und den Schwan eingeschlossen hatten. Aber sie erstarrten fast, als sie die Tür öffneten und weder Jonas noch den Schwan fanden. Darauf suchten sie in allen Winkeln der Hölle, und ihr Schrecken ward noch größer, als sie im Staue das Pferd nicht mehr fanden, auf dem nur der Gehilfe Luzifers zu reiten pflegte. Aus Furcht verdorrten alle Teufel und selbst Luzifer bis zu den Achseln und wurden die reinsten Gespenster. Luzifer hatte ein Pferd, das mit einem Schritt tausend Meilen zurücklegen konnte. Das gab er einem der klügsten Teufel und hieß ihn beide verfolgen. Jonas und Gulbe hörten die Erde erzittern und spürten das Wehen eines kalten Windes. Da merkten sie, daß sie von den Verfolgern der Hölle eingeholt würden. Die Schwan-Jungfrau verwandelte das Roß in ein Kreuz, sie selbst verwandelte sich in ein Kruzifix und Jonas in einen zusammengefallenen Greis, der am Kreuze kniete und mit erhobenen Händen ein Vaterunser betete. Der Bote der Hölle sah das und sagte: »Alter, hast du niemand an dir vorbeireiten sehen?« —»Ja, es ritt einer vorbei, aber das ist schon fünf Jahre her.« Der Bote der Hölle wurde ärgerlich, machte kehrt und ritt nach Hause. Luzifer fragte ihn: »Warum bringst du nicht Jonas und Gulbe mit?« — »Wo kann ich die beiden finden? Ich sah nur einen Einsiedler an einem Kreuze ein Vaterunser beten. Den fragte ich, und der antwortete mir: >Vor fünf Jahren wären sie hier schon vorübergeritten.< Da habe ich die Verfolgung aufgegeben.« — »Du Maulaff, du hättest den Alten nehmen müssen. Das war wahrscheinlich Jonas«, schrie Luzifer, und er verdorrte bis zum Halse. »Reite so schnell wie möglich und verfolge beide Bösewichter! Entfliehen sie uns, so werden wir alle vertrocknen.« Luzifers Gehilfe ritt auf dem Pferde davon. Jonas und Gulbe hörten die Erde zittern, und ein kalter Wind wehte. Da merkten sie, daß ein anderer Höllenbote heranstob. Sie machten halt, verwandelten das Roß in Weizen, die Schwan-Jungfrau in einen Sperling und Jonas in einen Alten, der hin- und herlief und den Sperling schießen wollte.

Der Höllenbote ritt auf seinem Roß heran und fragte den Alten: »Lieber



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Alter, ritt hier nicht einer vorbei?« —»Ja, aber das wird schon zehn Jahre her sein.« Da wurde der Bote der Hölle böse, machte kehrt und ritt in die Hölle zurück. »Weshalb hast du sie nicht gebracht?«fragte Luzifer. Der Teufel erwiderte: »Ich fand nur einen Alten, der einen Sperling vom Weizen scheuchte. Den fragte ich, ob er keinen gesehen hatte, und er antwortete, der wäre schon vor zehn Jahren vorübergeritten.« «

»O du Maulaff, du Dummkopf, warum hast du den Alten nicht ergriffen? Denn das war sicher Jonas. Du hättest wenigstens von dem Weizen nehmen und davonlaufen sollen. Und jetzt, siehst du, verdorren schon unsere Ohren. Wie die Teufel sind wir schon geworden, und wir werden schließlich ganz verdorren. Dann können wir die Arbeiten der Hölle nicht mehr verrichten und können nicht mehr auf der Erde wandeln. Wie wird es uns armen Teufelsgeschöpfen dann ergehen?« Luzifer wartete nicht, er setzte sich selbst auf sein Roß, und wie ein Gespenst jagte er hinter Jonas und der Schwan-Jungfrau her. Sie waren beide schon nicht mehr weit von Jonas' Vaterhause. Da hörten sie ein furchtbares Erbeben der Erde, und ein heißer, stinkender Wind wehte. Jonas und die Schwan-Jungfrau fühlten richtig, daß wieder einer aus der Hölle sie einholte. Sie machten halt und verwandelten das Roß in einen Fluß. Die Schwan-Jungfrau selbst verwandelte sich in einen Kahn und Jonas in einen Fischer, der durch den Fluß fuhr, wie wenn er Fische finge.

Luzifer verstand alles, und ohne zu warten, legte er sich an die Erde, um das Wasser aus dem Fluß zu schlürfen. So lag er und schlürfte und schlürfte, und hatte bald das ganze Wasser ausgeschlürft. Nur der Kahn mit dem Alten blieb noch auf dem Grunde, und so gut er konnte, sperrte er seinen Mund auf, um den Kahn mit dem Alten zu verschlingen, ihn in die Hölle zu bringen und ihn in den Kessel zu speien, in dem Teer und Schwefel kochte. Aber sobald er den Mund einen Augenblick öffnete, um den Kahn mit dem Alten zu verschlingen, floß das ganze Wasser im Nu wieder heraus, und es entstand wieder ein breiter Fluß. Luzifer und alle anderen Teufel in der Hölle verdorrten wie Stroh.

Als er sah, daß er weder Jonas noch die Schwan-Jungfrau ergreifen



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könnte, ward er sehr böse und brach Schwefel. Dann setzte er sich auf sein Roß und ritt unter Dröhnen in die Hölle zurück. Dort kommt kein Teufel mehr heraus. Denn sie sind so furchtbar verdorrt und so schwach, daß sie nicht mehr imstande sind, aus der Hölle zu gehen. Jonas und die Schwan-Jungfrau kamen gesund und glücklich in Jonas' Vaterland. Was war das für den Vater und sie beide für eine Freude! Darauf hielten sie Hochzeit, und es fand ein großes Fest statt. Da bin ich auch dabei gewesen. Ich aß und trank. Das Fett troff mir durch den Bart. In dem Mund behielt ich nichts. Da ich ganz ausgehungert war, griff ich tüchtig zu, aß und trank mich satt. Trunken legte ich mich ins Werg und schlief ein. Es war Krieg. Sie probierten die Geschütze und stopften sie mit Werg. Dabei steckten sie auch mich mit hinein. Als sie schossen, flog ich hierher, und da habe ich euch jetzt diese Geschichte erzählt.


Von einem Königssohn und seinem ungetreuen Diener

Es war einmal ein Königssohn mit Namen Jonas. Der hatte sehr große Lust, in die Welt zu wandern, und er bat beständig seinen Vater um die Erlaubnis. Aber der Vater erlaubte es ihm nicht, bevor er zwanzig Jahre alt war. Dann segneten ihn die Eltern für seine große Reise und gaben ihm einen Diener als Begleiter. Der Königssohn sagte zu seinen Eltern: »Lebet wohl!«und ritt von dannen. Als er einige Meilen geritten war, sah er, wie ein Adler eine Taube fing. Er nahm sein Gewehr von der Schulter, zielte und schoß den Adler. Die Taube blieb leben und sagte: »Ich danke dir, mein lieber Freund, du hast mich von einem Zauberer errettet, der sich in einen Adler verwandelt hatte und mich greifen wollte. Denn ich bin die Tochter des Ritters >Unsichtbar<, die in eine Taube verwandelt ist. Mein Vater wird es dir lohnen. Wenn du in Not bist, rufe nur: >Ritter Unsichtbar, komm mir zur Hilfe!<Sofort wird er dann bei dir sein und wird tun, was du wünschst!«Nach diesen Worten verschwand die Taube, und der Königssohn ritt seines Wegs.

Als er lange Zeit durch die Welt geritten war, kam er an eine große Wüste. Da er nicht achtgab, ritt er immer tiefer hinein. Den ganzen Tag



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war der Königssohn schon durch die Wüste geritten. Da wollte er trinken. Es war aber nirgendwo Wasser zu sehen. Denn alle Niederungen waren infolge der Dürre ausgetrocknet und nur in den tiefen Gruben war feuchte Erde, aber Wasser nicht ein Tropfen. Lange Zeit suchte der Königssohn so nach Wasser. Schließlich fand er einen sehr tiefen Brunnen. Er rief seinen Diener und hieß ihn in den Brunnen steigen, um Wasser zu schöpfen. Der Diener aber erwiderte ihm: »Ich steige nicht hinein, denn du kannst mich nicht wieder herausziehen; besser du steigst hinein, dann ziehe ich dich heraus.« Der Königssohn hörte auf die Worte des Dieners, ließ sich in den Brunnen hinab und erquickte sich. Dann schöpfte er Wasser für seinen Diener und bewegte den Strick, damit er ihn wieder aus dem Brunnen zöge. Aber der Diener antwortete ihm: »Königssohn, von klein auf bis heute lebtest du in großem Glück und ich immer in Not. Jetzt sei du mein Diener, und ich bin an deiner Statt Königssohn! Sonst werde ich dich ertrinken lassen.« Der Königssohn dachte nach und sagte: »Ich werde dein Diener sein, zieh mich nur aus dem Brunnen!« Da der Diener den Worten des Königssohnes nicht traute, so ließ er in den Brunnen ein Stück Papier mit einem Bleistift hinab und ließ ihn die Worte schreiben: »Der den Brief vorzeigt, ist der richtige Königssohn namens Jonas mit seinem richtigen Diener, den ihm der König als Begleiter gab.« Der Diener warf einen flüchtigen Blick auf die Schrift und steckte sie in seinen Busen. Dann zog er den Königssohn aus dem Brunnen, vertauschte mit ihm Kleider und Pferd, und dann ritten sie immer weiter durch die Wüste. Schließlich kamen sie an einen Königshof.

Der angebliche Königssohn ging in den Palast, begrüßte den König und sagte: »Ich habe eine solche weite Reise nur deshalb unternommen, damit du mir deine Tochter zur Frau gibst. Sonst werde ich dir den Krieg erklären.« — »Lieber Freund«, sagte der König, »du weißt nicht, daß ich in großer Not bin. Meine Feinde haben mein Heer besiegt, und jetzt fordern sie von mir viel Geld. Besieg meine Feinde! Dann will ich dir gern meine Tochter zur Frau geben.«Der falsche Königssohn ging ganz heimlich in den Stall zu seinem Diener und bat ihn, er sollte hinreiten und das Heer bekriegen, das vor der Stadt stünde. Da zog dieser ritterliche Kleider an, setzte sich auf sein Pferd, ritt aus der Stadt und rief:



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>Ritter Unsichtbar, komm mir zur Hilfe!« — »Hier bin ich«, antwortete der Ritter und stand neben dem Königssohn. »Ich danke dir, lieber Freund, weil du meine Tochter von einem Zauberer befreit hast. Für diese Wohltat will ich dir helfen.«Nach diesen Worten gab der Königssohn ihm seinen Säbel, und er nahm den des Königssohns, und sogleich begann ein furchtbarer Kampf. Die Soldaten der Feinde fielen wie die Bäume, und nach einer Stunde war das ganze Heer erschlagen. Der Königssohn dankte dem Ritter und ritt in den Stall zurück, um sich auszuruhen.

Die Königstochter, die der Vater dem falschen Königssohn versprochen hatte, schlief die ganze Nacht nicht, sondern sie stand auf der Freitreppe und sah und hörte alles. Sie sah, wie der falsche Königssohn seinem Diener vor seinem Ausritt Ritterkleider anlegte, wie er dann wieder nach Hause kam und ihn wieder entkleidete. Sie hörte auch, wie sie über das Schriftstück sprachen, das er in dem Brunnen geschrieben hatte. Aber bisher hatte sie geschwiegen. Am nächsten Morgen ging der falsche Königssohn zum König und rühmte sich, er habe das ganze Heer der Feinde erschlagen. Der König reichte ihm vor Freude die Hand und versprach ihm die Hälfte seines Königreiches und seine einzige Tochter. Als die Königstochter eine solche Rede hörte, umarmte sie den Diener des angeblichen Königssohnes, führte ihn zum König und sagte: »Erlauchter König und Vater, der hat uns geholfen und ist der richtige Königssohn, und dieser Schelm hat den richtigen Königssohn belogen und betrogen. Ich habe heute nacht alles gehört und gesehen. — Der angebliche Königssohn soll das Beglaubigungsschreiben seines Königreiches zeigen!«

Der Königssohn aber zog sofort das in dem Brunnen geschriebene Schriftstück aus dem Busen und reichte es dem König.

Der König nahm es in seine Hand und las mit lauter Stimme: »Der den Brief vorzeigt, ist ein Schelm und Lügner. Der Diener des Königssohnes Jonas, der selbst ein Diener geworden ist. Dieser bittet in seiner Not den Leser, den Schelm und Betrüger gerecht zu bestrafen. Der Brief wurde von dem Königssohn Jonas im Brunnen geschrieben.«Als der falsche Königssohn diese Worte hörte, fiel er dem König zu Füßen und bat ihn um sein Leben. Aber die Diener des Königs ergriffen ihn



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und ließen ihn von Pferden zerreißen. Aber der wahre Königssohn Jonas heiratete die Tochter des Königs und erhielt das ganze Königreich.


Lügen geschichte

In einer Stadt bei einem Wirte blieben zwei reiche Barone und ein armer Adliger über Nacht. Sie hatten am Abend nichts zu tun und wollten Karten spielen. Aber im ganzen Hause gab es kein Kartenspiel. Da einigten sie sich folgendermaßen: »Wenn einer von uns dreien gut lügen kann und die andern ihn einen Lügner nennen, dann wird dieser gewinnen.« Nach kurzer Zeit setzten sich alle an den Tisch, ein jeder legte einen Haufen Geld vor sich hin, und sie fingen an zu lügen. Einer von den reichen Baronen sagte: »Bei uns wächst der Kohl so groß, daß unter einem Blatt ein ganzes Korps Soldaten stehen kann.« —»Das ist schon möglich«, sagte der andre Herr und der arme Adlige. Der andre Herr log weiter: »Bei uns wächst der Roggen derartig, daß drei Gespann Pferde kaum eine einzige Ähre fortfahren können.« — »Das stimmt«, entgegnete der arme Adlige. »Ich sah ja selbst, wie sich ein Roggenhalm vom Felde auf den Weg gelagert hatte. Er war so groß, daß ich nicht weiterfahren konnte. Ich mußte vom Wege abbiegen.« Nun kam die Reihe auch an den armen Adligen, daß er lügen sollte. »Als ich noch klein war«, hub er an, »pflegte ich zu Hause die Bienen zu hüten. Früh am Morgen trieb ich sie hinaus und am Abend wieder heimwärts. Immer zählte sie dann der Vater nach und sah, ob sie auch alle vollzählig waren. Einmal, als ich sie wieder heimwärts getrieben hatte, zählte der Vater die Bienen wieder nach, und zufällig fehlte eine. Da jagte er mich aus dem Hause, sie zu suchen. Ich streifte lange Zeit umher und konnte die Biene nicht finden. Schon wollte ich heimkehren, denn ich dachte, die Biene wäre nun auch schon nach Hause zurückgekehrt. Sieh! da hörte ich in einem Tale ein lautes Geschrei. Ich fliege einen Hügel hinauf und blicke mich um -fünf Wölfe zerreißen meine Biene. Ich laufe eiligst hinzu und verscheuche die Wölfe. Aber es ist schon zu spät. Meine Biene lebt nicht mehr. Was sollte ich jetzt tun? Ich fürchtete mich heimzukehren. Denn als mich mein Vater hinausjagte,



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die Biene zu suchen, hatte er mir angedroht: >Wenn du die Biene nicht findest, komm nicht nach Hause, sonst geht es dir schlecht!< Wohin sollte ich mich begeben? Ich hatte eine kleine Axt bei mir. Mit ihrer Hilfe baute ich mir einen kleinen Kahn und setzte mich hinein. Dann schwamm ich durch einen See und wußte selbst nicht, wohin. Ich fuhr nach dem andern Teil des Sees hinüber, da sah ich -meine kleine Axt war aus dem Kahn gefallen. Denn der Kahn hatte an dem einen Ende ein Loch, und an dem andern war er leck. Da konnte sie leicht herausfallen. Ich brannte sofort den See an. Und als er ausgebrannt war, fand ich in der Asche den Axtstiel. Die Axt selbst fand ich nicht mehr. Aus dem Axtstiel machte ich mir eine Leiter und stieg mit ihr nach dem Himmel hinauf. Dort ging ich spazieren und fand zwei prächtige Hüte, die wer weiß wer verloren hatte. Sie paßten mir so gut, daß ich es nicht lassen konnte, sie mit mir zu nehmen. Ich wollte nunmehr zur Erde herabklettern, da sah ich - meine Leiter war nicht mehr da. Von den Hirten, die ihre Herden auf die Weiden trieben, war sie eingerissen worden. Doch fand ich dort ein Fäßchen. Ich setzte mich darauf und ließ mich ganz langsam zur Erde hinabrollen.« Nach diesen Worten schwieg der verarmte Adlige.

Da erinnerten sich die reichen Barone, daß er aus dem Himmel zwei prächtige Hüte mitgebracht hätte, und sie fragten ihn, wo er sie hingelegt hätte. Da gab ihnen der arme Adlige folgende Antwort: »Als ich vom Himmel zur Erde hinabrollte, fand ich deine Eltern, wie sie am Rande eines Gebüsches die Schweine hüteten. Beide standen ohne Hüte ganz zusammengekauert unter einer Tanne. Denn es war sehr kalt, und es regnete heftig. Ich hatte solches Mitleid mit ihnen, daß ich ihnen sofort die Hüte gab.« Als die beiden reichen Barone diese Worte hörten, riefen sie aus: »Geh weg, du Lügner! Wir haben niemals Schweine gehütet, noch taten das unsere Eltern.« Der arme Adlige sagte kein Wort mehr dazu, er häufte das Geld der reichen Barone zusammen und steckte es in seine Tasche.



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Von einem Mann, der in einen Wolf verwandelt wurde

Es war einmal ein Bauer. Der führte seine Pferde auf die Weide, und als er abgestiegen war, band er sie an. Auf einmal begannen die Pferde mit den Nüstern zu schnauben und liefen davon. Er überlegte: »Wovor scheuen sie zurück?«Wie er sich aber ansieht, ist er ein Wolf. Was sollte er da tun? Der Arme lief nach Hause zu seiner Frau. Als sie den Wolf sah, verfolgte sie ihn und schrie: »Ein Wolf, ein Wolf!«Der Wolf wußte nicht mehr, wohin, und lief in den Wald. Hier fing er allerlei Tiere und lebte davon. Aber im Winter, als es nichts zu essen gab, mußte er den Pferden nachlaufen und ihren Mist oder die bastenen Steigbügel fressen. So lief er vier Jahre als Wolf umher. Währenddessen wartete und wartete seine Frau. Und da er nicht heimkehrte, beschloß sie, einen andern zu heiraten. Der Wolf war gerade eingeschlafen. Da hörte er im Traum wie einer sagte: »Geh nach Hause! Deine Frau heiratet einen andern.« Der Wolf lief nach Hause. Da sah er den Hof voller Pferde. Als diese den Wolf sahen, flüchteten sie alle mit den Wagen ins Freie. Die Hochzeitsgäste bemerkten, daß alle Pferde vom Hofe liefen, und sahen, was geschehen war. Da gewahrten sie einen Wolf. Sofort stürzten alle auf ihn. Der Wolf erkannte, es würde ihm schlechtgehen, und er sprang über den Lattenzaun. Dabei blieb sein Gürtel hängen, den er um hatte. Er zerriß, und hinter dem Zaun stand nunmehr ein Mensch. Da entfernten sich alle Hochzeitsgäste; denn der alte Bräutigam war wieder heimgekehrt. Er erzählte nun alles, was geschehen war. Den Gürtel hätte ihm eine alte Frau gegeben, und sobald er ihn umgelegt hätte, wäre er ein Wolf geworden.


Von einem Knecht. der den Farn blühen sehen wollte

Ein junger Knecht zog in seinem Garten einen Farnstrauch auf, und jedesmal in der Johannisnacht gab er acht, daß er blühen sollte. Aber niemals glückte es ihm. Immer ergriff ein Teufel vor ihm die Blüte. Ein



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altes Mütterchen gab ihm daher folgenden Rat: Er sollte am Abend ein weißes Tuch neben dem Farn ausbreiten, eine Kerze anzünden, sich daneben setzen und nach nichts anderm blicken als nach der Farnspitze. Als nun die Johannisnacht gekommen war, brannte der Bursche sogleich in einem Topfe eine Kerze an, breitete neben dem Farn ein weißes Tuch aus, setzte sich daneben und sah nur nach dem Farn. Dieser stand neben seiner Hütte. Sofort suchten ihn allerlei Gespenster zu schrecken. Hunde schlichen herbei und zeigten die Zähne, dann krochen Schlangen heran, allerlei Nattern drehten sich um ihn herum. Darauf erschien knurrend ein Bär vor ihm. Aber der Knecht dachte an den Rat des alten Mütterchens und warf auch nicht einen flüchtigen Blick darauf. Als aber die Gespenster sahen, daß er sich vor ihnen nicht fürchtete, verschwanden sie. Schließlich zeigte sich noch ein grausigeres Gespenst. Er sah nämlich, wie ein großer schwarzer Kater durch die schrägen Balken unter dem Dach hervorschlich und gerade in den Topf auf die Kerze lossprang. Der Knecht holte nach ihm aus und schrie: »Lauf weiter!« In demselben Augenblick, als er sich nach dem Kater hinwandte, blühte der Farn auf, und die Blüte rollte auf das ausgebreitete Tuch. Eine Eule aber flog herbei, ergriff sie und trug sie von dannen. Da lachte es laut in allen möglichen Stimmen, und in allen Winkeln schallte es wieder. Aber der Knecht blieb auch diesmal wieder ohne die Farnblüte.


Vom Leiden des Flachses

Es war einmal ein Bursche und ein Mädchen. Sie hießen Jonukas und Onute. Sie hatten sich beide so lieb, daß sie nicht ohne einander sein konnten. Aber nach einiger Zeit starb Jonukas, und Onute weinte und weinte. Und als sie ihm das letzte Geleit gegeben hatte, bat sie Gott, Jonukas möchte ihr wenigstens einst im Traum erscheinen.

Einmal erschien er ihr auch und sagte ihr im Traum: »Onute, morgen abend geh hinter die Scheune! Ich komme dann angeritten und nehme dich mit.« Am nächsten Abend machte sie sich fertig und ging hinaus, um auf ihn zu warten. Es dauerte nicht lange, da kam Jonukas angeritten: »Na, Onute, setz dich! Wir wollen fortreiten!« Onute gehorchte,



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setzte sich hinter ihn, und sie ritten fort. Sie ritten zu einem hohen Berg, und in dem Berg war ein Loch: »Onute, kriech in das Loch!« Onute erschrak sehr und zitterte: »Jonukas, du bist das hier gewöhnt, kriech du zuerst hinein!«

Als Jonukas hineingekrochen war, floh Onute. Jonukas setzte ihr nach. Onute flüchtete in eine Hütte. Dort schimmerte ein kleines Lichtchen. Mit Mühe war sie in den Vorraum gekommen und hatte die Tür verschlossen, ohne daß sie Jonukas erreicht hatte. Als sie in die Mitte des Zimmers kam, sah sie einen Toten auf einem Bette liegen, und eine alte Frau hielt die Totenwacht! »Mütterchen, hab Erbarmen«, schrie sie, »und verbirg mich!« Die Alte hieß sie hinter den Ofen kriechen. Dann setzte sie sich davor und schützte das Mädchen.

Jonukas aber stand am Fenster und rief: »Toter, gib die Lebende heraus!« Die Hände des Toten bewegten sich. Da schrie er wieder: »Toter, gib die Lebende heraus!« Die Beine des Toten bewegten sich. Schließlich rief er zum drittenmal: »Toter, gib die Lebende heraus!« Da richtete sich der Tote auf und kam herbei. Er ging zu der Alten und sagte: »Geh zur Seite, denn ich muß die Versteckte greifen und sie dem geben, der sie braucht.« Die Alte sagte: »Warte und dränge nicht so, höre zuerst des Flachses Qual! Dann kannst du ja . . .« —»Gut, Alte, aber erzähle schneller!« — »Hab ein wenig Geduld! Denn auch des Flachses Qual hört nicht auf einmal auf, sondern langsam quälen sie . . .« —»Ich sage, Alte, mach schneller!« — »Sofort, sofort! Also höre, wie sie den Flachs säten und ihn eggten, was erlitt er da für Qual! Wenn noch ein warmer Frühling kommt, geht es schneller, ist er aber kalt, so kriecht der Flachs mit der letzten Kraft aus der Erde, und kaum ist er aufgegangen, so bekommt er Stengel und Blätter, falls nicht eine Krankheit ihn erfassen sollte . . .« —»Alte, mach schneller!« —»Also, du Scheusal, sobald der Flachs aus der Erde hervorsieht, so hat es den Anschein, als könnte er wachsen. Sobald aber der Wind über ihn herfällt, schwankt er, biegt er sich und stößt die Köpfchen aneinander.« — »Schneller, Alte!« — »Wenn er also ein wenig gewachsen ist, findet sich allerlei Unkraut, und die Mädchen raufen den Flachs aus, treten und trampeln auf seinen Wurzeln herum und schleudern ihn nach allen Seiten.« — »Schneller, Alte!« —»Ist er dann mit Mühe und Not aufgewachsen, so



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wird er vom Winde umweht, von der Sonne bestrahlt und wird schließlich reif. Dann geht das ganze Gesinde des Bauern auf das Feld, rauft ihn aus der Erde, bindet ihn in Büschel und stellt ihn in Mandeln auf. Dann leidet er wieder viel, viel Qual, bis er ganz trocken wird, und wenn er trocken wird, fahren sie ihn nach Hause. Hier versammeln sich die Arbeiter, legen Bretter hin und schlagen, schlagen, schlagen das Gehirn heraus!« —»Schneller, Alte!« — »Ferner -sie fahren ihn auf das Feld und legen ihn auf den Wiesen auseinander. Dort peitscht ihn der Regen, quält ihn der Wind, und wenn er lange genug Qual geduldet, sammeln sie ihn auf der Wiese, heben ihn auf, binden ihn in Bündel und fahren ihn wieder in die Flachsstube. Dort legen sie ihn auf ein Stangengerüst und trocknen ihn, bis sogar alle seine Knöchlein zusammentrocknen. Dann versammeln sich wieder die Arbeiter und brechen die Knochen und brechen die Knochen. Darauf bleibt bei richtiger Bearbeitung allein nur noch die Haut zurück.« —»Schneller, Alte!« — »Nicht genug damit. Wenn sie ihn also nach Hause gefahren haben, dann schälen sie mit scharfen Brettern die Haut ab. Dann ziehen sie diese durch Drahtbürsten durch, so daß nicht ein Stückchen Körper gesund bleibt.« —»Schneller, Alte!« — »Dann drehen sie ihn wieder zu langen Fäden. Darauf spannen sie diese auf dem dazu verfertigten Webstuhl aus, die einen lang, die andern quer, schlagen sie dicht zusammen, schlagen sie dicht zusammen und machen ein Gewebe.« — »Schneller, Alte!« —»Nicht genug damit. Darauf breiten sie das Gewebe auf der Wiese aus, und es muß liegen bleiben, ob das Wetter so oder so ist. Es vermag kaum trocken zu werden, denn wieder gießen sie Wasser darauf und quälen es, wie sie können.« —»Schneller, Alte!« —»Oh, wenn das doch genug wäre! Dann nähen sie sich Kleider, tragen sie, bis sie zerreißen, und wenn sie zerrissen sind, verkaufen sie diese dem Juden. Der fährt sie in die Fabrik. Dort zermahlen sie die Knochen und Häute und machen Papier daraus. Darauf schreiben und schreiben die Schreiber allerlei Geschichten, und wenn sie es vollgeschrieben haben, zerreißen sie es und werfen es fort, und der Wind trägt es über alle Felder.« Da krähte der Hahn. Der Tote beschiß sich mit Teer, und Jonukas ging seines Wegs. Onute blieb leben, aber sie erschrak so, daß sie nach einigen Tagen starb.


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Vom Kater, dem Hahn und dem Fuchs

Es war einmal ein Kater und ein Hahn. Die verabredeten, beide in den Wald zu gehen und dort zu leben. Der Kater konnte aber auf der Geige spielen. Sie gingen also in den Wald und errichteten sich eine Hütte. Der Kater pflegte in den Wald zu gehen, um zu jagen, und er sagte dem Hahn: »Offne niemandem die Tür, wenn einer auch sonstwie ruft!« Der Kater brachte dann Braten herbei. Den brieten und aßen beide, und so lebten sie lange Zeit herrlich und in Freuden. Eines Tages ging der Kater wieder in den Wald, und der Fuchs hatte von ihrem schönen Leben erfahren. Der lief zu der Hütte und bat den Hahn, er solle die Tür öffnen. Der Hahn dachte: >Wer kann mir was tun? Ich fürchte mich vor keinem.<Er öffnete also die Tür. Aber der Fuchs packte den Hahn und trug ihn davon. Der Hahn schrie aber: »Katerchen, lieber Bruder, mich trägt der Fuchs über Hügel und durch Wacholdergebüsch in seinen Hof.«Der Kater hörte den Schrei und jagte hinterher. Er lief und lief, schon war er an dem Bau, da, husch! kroch der Fuchs hinein, und der Kater konnte nichts ausrichten. Er stellte sich daher an den Bau und spielte das folgende Lied: »Der eine war Lukosinkas, der andere Tamosiukas, die eine war Maziuliuke, die andre Diduliuke.« Ein kleiner Fuchs hörte das schöne Spiel und sagte: »Ich will hinauslaufen und sehen, wer hier so schön spielt.« Er hatte kaum den Kopf hinausgesteckt, da schlug ihm der Kater mit dem Geigenbogen den Kopf ab und spielte wieder: »Der eine war Lukosiukas, der andre Tamosiukas, die eine war Maziuliuke, die andre war Patuliuke.« Da sagte ein andrer kleiner Fuchs: »Ich will hinauskriechen und sehen.«Und er hatte kaum den Kopf hinausgesteckt, da schlug ihn der Kater wieder mit dem Geigenbogen den Kopf ab. Und soviele es waren, alle krochen heraus, und allen hieb der Kater mit dem Geigenbogen den Kopf ab und spielte immer weiter. Aber der Fuchs hatte sich inzwischen fertiggemacht, um den Hahn zu schlachten. Er stellte eine Mulde hin und wetzte das Messer; er konnte jedoch den Hahn allein nicht schlachten und wartete auf seine Jungen, daß sie kämen und ihn hielten. Als aber die Jungen nicht wiederkamen, nahm er eine Ofenschaufel und schlich hinaus, um die Jungen zu verprügeln, weil sie so lange blieben. Er hatte aber kaum den



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Kopf hinausgesteckt, da schlug der Kater auch ihm mit dem Geigenbogen den Kopf ab. Jetzt wußte der Kater, daß er allen die Köpfe abgehauen hatte, er schlich in den Bau und fand den Hahn schon fertig zum Schlachten. Er band ihn los und ließ ihn frei. Dann schlich der Kater in den Ofen und fand einen Braten. Den nahmen sie mit, verzehrten ihn, kehrten in ihre Hütte zurück und lebten dort weiter.


Von drei Königstöchtern, die zu Schwänen verwandelt wurden

Vor alten Zeiten lebte am Rande eines Waldes ein Waldwärter mit seiner Mutter. Dicht bei ihrer Hütte lag ein Teich; und es pflegten drei Schwäne ständig dorthin zu fliegen. Sobald sie ans Ufer kamen, legten sie sofort ihre Federn ab und wurden zu bildschönen Jungfrauen. Einmal kam der Waldwärter aus dem Walde und sah diese Jungfrauen, und die jüngste von ihnen gefiel ihm ganz besonders. Zu Hause erzählte er seiner Mutter davon und sagte, er möchte sich die jüngste zur Frau nehmen.

Die Mutter riet ihm, am Teichufer eine tiefe Grube zu graben, deren Oberfläche mit grünem Rasen zu bedecken und sich selber in die Grube zu setzen. Der Sohn tat das alles, grub sich eine Grube, setzte sich hinein und wartete, daß die Schwäne herbeiflögen. Die drei weißen Schwäne taten das auch und verwandelten sich in Jungfrauen. Die jüngste entfernte sich etwas von den andern, und als sie den Rasen betrat, fiel sie in die Grube. Der Waldwärter umarmte sie, ließ sie nicht los und sagte ihr, daß er sie heiraten wolle. Die Jungfrau sträubte sich nicht, bat ihn nur, daß er ihr Kleider bringe; denn sie war nackt. Der Waldwärter rief zu seiner Mutter, und diese brachte alsbald Kleider. Er zog sie ihr an und führte sie nach Hause. Ihre Federn aber band er in ein Tuch, legte sie in einen Schrank und schloß sie darin ein. Die Schrankschlüssel aber gab der Waldwärter seiner Mutter und wies diese an, sie niemals herauszugeben. Die Jungfrau erzählte, daß sie eine Königstochter sei, und die beiden andern Schwäne ihre Schwestern. Der Waldwärter hielt mit ihr Hochzeit, und sie lebten sehr glücklich.



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Die Königstochter besaß einen Ring. Den drehte sie herum, und alsbald stand an der Stelle der elenden Hütte der schönste Hof, und um ihn herum die schönsten Gärten. Nach einem Jahr wurde ihnen ein Sohn geboren. Der wuchs rasch heran. Als einmal der Waldwärter in den Wald gegangen war, bat die Frau ihre Schwiegermutter, sie möge ihr doch ihre Federn zeigen, denn sie spüre ein großes Verlangen danach und möchte sie sehen.

Die alte Frau dachte sich: »Sie hat ja schon einen Sohn und wird nicht wegfliegen. Sie gab ihr also die Federn. Die Königstochter nahm sie, verwandelte sich sogleich in einen Schwan, hob sich in die Lüfte und flog in das Reich ihres Vaters.

Als der Waldwärter nach Hause kam, fand er nichts mehr vor, weder seine Frau noch den Hof, noch auch die Gärten. Mit ihr zusammen war alles verschwunden. Da nahm er seinen Sohn und zog in die Welt, seine Gemahlin zu suchen. Er wanderte und wanderte und fand an einem Waldesrand ein totes Tier. Darum standen ein Löwe, ein Windhund, ein Greif und eine Ameise. Alle vier Tiere vermochten es nicht, dieses tote Tier unter sich zu teilen. Als sie nun den Waldwärter kommen sahen, baten sie ihn inständig, er möge es ihnen teilen. Er teilte der Ameise das Gehirn zu, dem Windhund Leber und Lunge, dem Löwen die Brust und dem Greifen den Rücken. Die Tiere freuten sich über diese Teilung sehr und versprachen ihm ihre Hilfe, wenn er sie mal brauchen werde. Da erzählte ihnen der Waldwärter, daß er nach seiner Gattin suche. Der Greif sagte ihm, sie befände sich sehr weit von hier hinter vielen Ländern und Meeren und lebte dort unter einem Glasberge. Sofort ließ der Löwe den Waldwärter sich auf seinen Rücken setzen, der Windhund lief voraus und suchte den Weg, und die Ameise hatte sich die ganze Zeit untern Schwanz des Löwen gehängt. Als sie über das Meer mußten, nahm der Greif sie alle auf seinen Rücken und flog mit ihnen hinüber.

So kamen sie in ein Königreich und fragten nach dem Glasberg, aber niemand hatte dort je davon gehört. Im zweiten Königreich erzählten die Leute, sie hätten wohl von einem solchen Berg gehört, wüßten aber nicht, wo er läge. Die Leute im dritten Königreich sagten, sie wüßten einen solchen Berg, aber er wäre so weit, daß weder sie noch ihre Kinder



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dahin kämen. Die Tiere aber trugen den Waldwärter abwechselnd weiter und weiter.

Am Ende erreichten sie auch den Berg, aber er war sehr glatt, und es war ganz unmöglich hinaufzukommen. Nur die Ameise fand beim Umherlaufen ein kleines Loch. Durch dieses Loch kroch sie in den Berg, um zu sehen, ob die Frau des Waldwärters dort wäre. Am Tor fand sie einen Hund mit neun Köpfen liegen, der aber sah die Ameise nicht. Sie lief nun mitten in den Berg, sah sich überall um, und als sie zurückkehrte, sagte sie allen Bescheid. Sogleich hieb der Greif mit seinem ehernen Schnabel ein größeres Loch in den Glasberg, und der Löwe riß es mit seinen Krallen so groß, daß sie alle hineinkriechen konnten. Der Löwe und der Windhund sprangen nun auf den neunköpfigen Hund los, zuallererst aber hackte der Greif ihm die Augen aus. Als sie den neunköpfigen Hund zerrissen hatten, gingen sie miteinander in den Hof des Schlosses. Dann schickte der Waldwärter die Ameise in dieses hinein, daß sie seine Frau herausriefe.

Die Ameise schlich hinein und fand das Gesinde des Königs beim Mittagsmahl. Sie kroch der Königstochter auf die Füße und bepißte sie. Diese lief hinaus, sah ihren Mann mit ihrem Sohne, verwunderte sich sehr und fragte, warum sie der neunköpfige Hund nicht zerrissen habe. Da führte sie der Waldwärter ans Tor und zeigte ihr den zerrissenen neunköpfigen Hund.

Die Königstochter kehrte zur Mitte des Berges zurück und sagte zu ihrem Vater: »Was würden wir mit meinem Manne tun, wenn er jetzt käme?«Da antwortete der König: »Wenn er so stark wäre, daß er hierherkommen könnte, würden wir ihn gerne aufnehmen. Aber er kann nicht hierherkommen; denn der neunköpfige Hund würde ihn sofort zerreißen.« Aber die Tochter wollte ihren Vater noch weiter auf die Probe stellen, wartete wieder ein Weilchen und fragte: »Lieber Vater, muß denn mein Mann wirklich getötet werden?«

Da antwortete der König wieder: »Wozu denn ihn töten? Wenn er käme, würden wir uns freuen, und du bliebest seine Gattin. Könnten wir nur auf irgendeine Art den neunköpfigen Hund erschlagen, der uns im Glasberge gefangenhält und dich und deine zwei Schwestern in Schwäne verwandelt hat!« Da öffnete die Königstochter die Tür und



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ließ ihren Mann mit seinem Sohn und den Tieren zusammen eintreten. Wie freuten sich alle, als sie erfuhren, daß der Neunköpfige tot wäre! Vor Freude tranken sie allerlei Getränke. Von da ab lebte der Waldwärter bei seinem Schwiegervater und blieb König.


Vom Dummling, dessen Freund der Wolf war

Es war ein König, der hatte drei Söhne und einen Apfelbaum. Dessen Stamm war von Silber, die Blätter aber von Gold und die Äpfel von Diamant. Jede Nacht kam aus einem andern Königreich ein Falke geflogen und stahl drei Äpfel. Da ging der älteste Sohn in den Garten, um die Nacht über bei dem Baum achtzugeben, aber er schlief ein; der Falke kam geflogen und trug die Äpfel davon. Die folgende Nacht sollte der zweite Sohn achtgeben. Aber auch der schlief ein. Der dritte Sohn aber war ein Dümmling, und er bat, man solle doch auch ihn hinlassen, um aufzupassen. Aber die andern zwei Brüder sagten: »Wenn wir, die Klugen, umsonst aufgepaßt haben, wird's dir Dümmling noch weniger glücken.«Der Dümmling jedoch bat so inständig darum, und da ließ man ihn denn die dritte Nacht achtgeben. Die Nacht durch schlief auch er, aber gegen Tag hin erhob er sich, stieg auf den Apfelbaum und sah da einen großen Lichtschein. Ein Falke kam geflogen, setzte sich auf den Baum und pflückte zwei Äpfel, und da fing ihn der Dümmling. Der Falke bat ihn, er möge ihn freilassen, und sprach: »Du darfst dir dafür auch eine von meinen Federn ausrupfen.« Das tat der Dümmling. Er nahm die Feder mit heim, zeigte sie seinen Brüdern und sprach: »Es kam ein Falke geflogen, ich konnte ihn aber nicht fangen; aber ich habe ihm eine Feder ausgerissen, ehe er davonflog.«Jetzt baten die beiden ältesten den Vater, er möge sie doch ausziehen lassen, um nachzuforschen, in welchem Königreich der Falke wäre. Der Dümmling wollte gern mit, und ob auch die Brüder wieder sagten: »Wo wirst du Dümmling schon was finden?« gab der König doch allen dreien Urlaub. So ritten sie aus und kamen an einen Kreuzweg. Da wollten sie sich trennen. Jeder steckte an den Weg, den er einzuschlagen dachte, ein blaues Fähnchen. Färbte sich das Fähnchen von einem rot, so sollten



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die andern, wenn sie wieder an den Kreuzweg kämen, daran erkennen, daß der Bruder tot wäre. Drauf ritt jeder seines Wegs.

Der Dümmling gelangte an eine Wiese und ließ sein Pferd grasen. Da kam ein Wolf daher und bat ihn, er möge ihm doch das Pferd schenken. Der Dümmling aber sprach, dann könnte er nicht die weite Reise machen, und da fragte ihn der Wolf: »Wohin geht denn die Reise?« Der Dümmling erzählte ihm alles, und der Wolf sprach: »Ich will dich hintragen, mit dem Pferde findest du dich doch nicht hin.« Da schenkte ihm denn der Dümmling das Pferd, und der Wolf fraß es auf. Danach setzte sich der Dümmling auf den Wolf und ritt von dannen, den Falken zu suchen. Sie kamen zu einem Königsschloß. Da sprach der Wolf: »Geh hinein! Da findest du viele Vögel, und darunter ist auch der Falke, aber nimm dir ja keinen andern Vogel, auch den schönsten nicht! Und des Vogels Käfig mußt du stehenlassen.« Aber der Falke bat den Dümmling, er solle doch auch den Käfig mitnehmen. »Denn«, sagte er, »einen so schönen Käfig für mich hast du nicht.« Und da nahm der Dümmling auch den Käfig mit. Wie er ihn aber zur Tür hinaustragen wollte, da klirrte der Käfig, und das hörte des Königs Sohn. Er kam herbeigelaufen, und so wurde der Dümmling erwischt. Der Königssohn nahm ihm den Käfig ab und sprach: »Wenn du so ein Schalk bist, so geh mir doch in das und das Königreich, dort findest du ein schönes Pferd! Das stiehl mir! Dann gebe ich dir dafür den Falken.« Der Dümmling kehrte zum Wolf zurück und weinte, daß ihm jener den Falken wieder abgenommen hatte. Und der Wolf sprach: »Ich sagte dir doch: Nimm den Käfig nicht! Wenn du mir nicht folgst, wird es dir überall so ergehen. Wir wollen uns jetzt nach dem Pferd aufmachen!« Der Dümmling setzte sich wieder auf den Wolf, und er trug ihn in das Königreich hinter dem Schloß, wo das Pferd stand. Der Wolf blieb am Hoftor zurück und sprach: »Nun geh und stiehl das Pferd! Aber rühre das Zaumzeug nicht an!«Der Dümmling ging hin und nahm das Pferd. Das Pferd aber bat ihn, er möge doch auch das Zaumzeug mitnehmen. »Denn«, sagte es, »so ein schönes Zaumzeug hast du doch nicht.« So packte er auch das auf.

Aber wie er jetzt zur Tür hinauswollte, klirrte das Zaumzeug, und da kam des Königs Sohn gelaufen und ertappte ihn, nahm ihm das Pferd



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wieder ab und sprach: »Wenn du so ein Schalk bist, so geh mir doch übers Meer! Da wohnt ein Fräulein von großer Schönheit. Die stiehl mir und bring sie her! Dann werde ich dir dafür das Pferd geben.« Der Dümmling kam zum Wolf zurück und weinte, und der Wolf sprach: »Wenn du klug wärest, so hattest du jetzt den Falken und das Pferd. So hast du nun gar nichts. Noch einmal will ich dich hintragen, wenn du mir dann aber wieder nicht folgst, sind wir geschiedene Leute.«Der Dümmling setzte sich auf den Wolf, und sie kamen zum Meer, hinter dem das Fräulein wohnte. Jetzt sprach der Wolf: »Schlachte mich! Dann wird sich mein Leib in einen Kahn, meine Zunge in ein Ruder und meine Eingeweide werden sich in drei Kleider, drei Paar Schuhe und drei Ringe verwandeln. Fahr dann hinüber ans Königsschloß! Dort steige aus und halte das schönste von den drei Kleidern feil, auf daß sie meinen, es wäre ein Kaufmann aus feinden Ländern angekommen.«Da schlachtete der Dümmling den Wolf und ruderte alsdann übers Meer. Drüben stieg er ans Land und bot das schönste Kleid aus. Die Königstochter aber erblickte ihn und sprach zum König: »Ein Kaufmann aus fremden Landen hat da gar schöne Kleider. Ich möchte hingehen und mir eins davon kaufen.« Der König antwortete: »Schick die Zofe hin!« Die Zofe ging, der gab aber der Dümmling nicht das schönste. Denn das hielt er gegen das Fenster hin, hinter dem die Prinzessin stand. Und die Prinzessin sagte zu ihrem Vater: »Ach, die Zofe bringt nicht das schönste. Ich will selber gehen.« Da ließ sie denn der König gehn, und wie sie zu des Dümmlings Kahn kam, stieg sie hinein, zog dort das Kleid und ein Paar von den Schuhen an und steckte einen von den Ringen an den Finger. Da ruderte der Dümmling davon und entführte das Fräulein. Der Wolf aber wurde drüben wieder lebendig und trug den Dümmling und das Fräulein zu dem Prinzen. Am Hoftor sagte der Wolf: »Jetzt werde ich mich in das schöne Fräulein verwandeln, führe du mich dann zum Prinzen! Er wird dir für mich das Pferd geben, und bitte ihn dann auch noch um eine Kutsche. In der müßt ihr beide davonfahren. Und sage ihm, daß er mich in einem Zimmer allein lassen müsse und mir nichts zu essen geben dürfe als frühmorgens ein Glas Tee.« Der Dummbart führte das falsche Fräulein zum Prinzen und sagte dem alles, wie es ihm der Wolf aufgetragen hatte. Der Prinz gab


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ihm das Pferd und die Kutsche und war froh, daß er jetzt ein so schönes Fräulein hatte. Der Dummbart aber fuhr mit der Kutsche vors Hoftor, ließ sein Fräulein einsteigen und fuhr nach Hause. Am nächsten Morgen wollte die Zofe dem Fräulein des Prinzen den Tee bringen, doch siehe: da knurrte in dem Zimmer ein Wolf. Schreiend lief sie davon und rief: »Ach, ein Wolf hat das Fräulein gefressen!« Der Wolf aber lief hinter ihr her aus dem Zimmer, lief dem Dümmling und seinem Fräulein nach und holte sie bald ein. Sie kamen nun an das Schloß, in dem der Falke stand. Da sagte der Wolf: »Ich will mich jetzt in das schöne Pferd verwandeln. Führe mich zum Prinzen! Er wird dir für mich den Falken geben. Sage ihm aber, er solle mich nicht mit alten Pferden zusammenstellen, sondern nur mit diesjährigen Füllen, und morgen früh soll er mir ein bißchen Heu bringen lassen.« Der Dümmling brachte dem Prinzen das Pferd. Der Prinz gab ihm dafür den Falken, und der Dümmling machte sich mit ihm davon. Am nächsten Morgen aber, als des Prinzen Kutscher das Heu bringen wollte, siehe, da waren alle Füllen aufgefressen, und ein Wolf kauerte im Stall. Der Kutscher lief davon und schrie: »Ach, ein Wolf hat das schöne Pferd und die Füllen gefressen.« Der Wolf aber rannte zur Tür hinaus und holte den Dümmling ein. Dann sprach er zu ihm: »Ich habe dich jetzt reich gemacht; du hast ein schönes Fräulein, ein schönes Pferd und einen schönen Falken. So fahre nun nach Hause, und wenn du an den Kreuzweg kommst, wirst du dort bei den Fähnchen zwei Bettler sitzen sehen. Gib ihnen selber kein Almosen, laß dein Fräulein es geben und zeige dich ihnen nicht!« Der Dümmling kam zum Kreuzwege, und siehe an: es sind seine beiden Brüder, die da sitzen. Sie taten ihm leid, er stieg aus und reichte dem einen ein Almosen und sagte zu ihnen: »Ihr habt nichts gefunden, und ich habe viel.« Und da beredeten sich die beiden, sie wollten den Dümmling totschlagen. Sie schlugen ihn tot und steckten ihn unter einen Busch, und jetzt ward seine Fahne rot. Alsdann fuhren die beiden mit dem Fräulein nach Hause und sprachen zum König: »Der Dümmling, den du damals mit ausgeschickt hast, ist tot; denn seine Fahne ist rot. Wir aber haben dir den Falken mitgebracht und haben auch ein Fräulein und ein Pferd.«

Es fuhr aber zu derselben Zeit ein Fürst den Weg, an dem der Dümm



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ling lag, und hörte etwas im Gebüsch wimmern. Er trat herzu, zog den Dümmling heraus und machte ihn wieder heil und gesund, und alsbald wurde das Fähnlein auch wieder blau. Als er dann heimkam, erschraken seine Brüder und sagten: »Wir haben ihn nicht ordentlich totgeschlagen, er ist wieder heil und gesund geworden.« Und als der Dümmling nun dem König erzählte, wie alles sein Werk wäre und jene nichts mitgebracht hätten, da ließ der König seine Senatoren zusammenberufen und die zwei zum Tode verurteilen, und sie wurden totgeschossen. Der Dümmling aber lebte fortan mit seiner Frau herrlich und in Freuden.


Die Geschichte eines Dummkopfes

Es war einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Die hatten einen Sohn. Der war ein Dummkopf. Die Mutter wollte, daß ihr Sohn wenigstens ein bißchen klüger werde, und sagte daher einmal zu ihm: »Lieber Sohn, du mußt in die Welt gehen und unter die Leute treten. Dadurch wirst du hoffentlich etwas verständiger.« Der Sohn gehorchte. Er kam durch ein Dorf und sah auf einer Tenne die Leute Erbsen dreschen. Er näherte sich ihnen und begann bald den einen, bald den andern zu treten. Zunächst baten sie ihn im Guten, er solle von seinem Tun ablassen. Wie sie aber sahen, daß er nicht hörte, schlugen sie mit den Dreschflegeln auf ihn los, und sie schlugen so derb, daß er kaum noch nach Hause kam. Die Mutter sah ihren Sohn weinen und fragte ihn sogleich nach der Ursache. Der Sohn erzählte ihr sein ganzes Leid. »Ach, was bist du auch für ein Dummkopf!« antwortete ihm die Mutter. »Du hättest sagen müssen: Gott lohn's euch! Ich wünsche euch so viel, daß ihr es tragen könnt und es niemals ein Ende nehme, daß ihr es fahren könnt und es niemals ein Ende nehme. Dann hättest du Erbsen erhalten. Die hätten wir gekocht und gegessen.« Am nächsten Tage ging der Dummkopf wieder durch ein Dorf und traf Leute, die einen Toten begruben. Da schrie der Dümmling laut, wie es ihn die Mutter gelehrt hatte: »Gott lohn's euch! Ich wünsche euch so viel, daß ihr's tragen könnt und es niemals ein Ende nehme, daß ihr's fahren könnt und es niemals ein Ende nehme.« Da schlugen sie wieder auf den Dummkopf los, und als



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er nach Hause kam, war er böse auf seine Mutter, weil sie ihn einen so schlimmen Spruch gelehrt hätte. Da entgegnete sie ihm: »Du hast wieder unrecht gehandelt. Du hättest hinknien, beten und heftig weinen müssen.«

>Jetzt<, dachte der Dummkopf, >werde ich mich nicht mehr täuschen lassen. Jetzt weiß ich genau, was ich in Zukunft tun muß.<Nach einigen Tagen ging der Dummkopf wieder in ein Dorf. Da hörte er, wie sie in einer Hütte spielten, tanzten und sangen. Es war da nämlich eine Hochzeit.

Er ging in das Gehöft, nahm seinen Hut ab, fiel auf die Knie, weinte und betete Vaterunser: »Gott der Herr gebe euch die ewige Ruhe! —

»Was ist das für ein Mensch?« riefen die trunkenen Hochzeitsleute.

»Wir sind alle fröhlich, und er weint, wie wenn er seinen Vater umgebracht hätte.«Sie sprangen auf den Dummkopf los und gaben ihm wieder tüchtige Rippenstöße. Seit der Zeit schwur sich die Mutter zu, ihren Sohn nicht mehr unter die Menschen zu lassen, und bis heute geht er nicht mehr aus seinem Hofe.


Vom liederlichen Sohn

Es war einmal ein Bauer. Der hatte einen Sohn, der sein einziger Erbe war. Der Sohn war so liederlich, daß aller Rat des Vaters umsonst war. Schließlich ließ er sich vom Bauer sein Erbteil geben und ging in die Welt. Er kam in eine Stadt und verpraßte dort all sein Geld. Nunmehr quälte ihn der Hunger. Er wußte nicht mehr, wo er hin sollte, und ging in einen Hof zu einem Herrn, um die Schweine zu füttern, und aß mit ihnen die Spreu.

Aber der König des Landes ließ aus Gold einen Ziegel herstellen und überall verkünden, wenn einer genau einen solchen Ziegel machen könne, dann solle er seine Tochter heiraten und des Königs Schwiegersohn sein. Der eine machte diesen, der andere jenen. Aber nie paßte er zu dem Ziegel des Königs. Da kam ein Greis zu dem Schweinehirten und sagte: »Gehst du nicht mit deinem Ziegel zum König?« —»Was soll ich hingehen und woher soll ich so viel Geld nehmen für solchen teuren



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Ziegel?«Der Alte sagte: »Hier hast du einen Ziegel, geh!«Er ging zum König und legte seinen Ziegel auf den des Königs. Er stimmte ganz und gar. Nunmehr hätte er Schwiegersohn des Königs werden müssen. Aber die Tochter wollte ihn schon von weitem nicht, denn er war ganz mit Spreu beklebt. Der König aber wollte sein Wort nicht brechen und ihn nicht verstoßen. Er gab ihm also fünfundzwanzig Dukaten, daß er darauf verzichte, sein Schwiegersohn zu werden. Er aber verzichtete nicht eher darauf, als bis er vom König hundert Dukaten erhalten hatte. Er dachte nun nicht mehr daran, daß er bisher gehungert hatte, sondern sobald er die hundert Dukaten empfangen hatte, eilte er gleich in die Stadt und trank solange, bis er alles vertrunken hatte. Danach wußte er wieder nicht, wo er sich hinbegeben solle. Er ging zu einem Schuster als Geselle. Der Schuster fragte ihn: »Kannst du ein bißchen nähen?« Er antwortete: »Ja, ein wenig.«Gegen Abend zog der Schuster auf den Jahrmarkt mit Schuhen, und er fragte: »Was soll ich morgen nähen?« — »Was dir zuerst zu Gesicht kommt, dafür nähe etwas!«

Am nächsten Morgen sah er zuerst einen Hund. Da nähte er Schuhe für den Hund.

Er nähte fünfundzwanzig Paar und fädelte sie auf einen Strick. Am Abend kam der Schuster nach Hause und erzählte, daß das Geschäft auf dem Jahrmarkt gut gewesen war und er ordentlich verkauft habe. »O auch ich habe tüchtig Stiefel genäht«, sagte der Geselle. »Wir wollen gehen, daß ich sie dir zeige!« — »Wir werden das morgen früh schon sehen.«Am nächsten Morgen brachte er den ganzen Strick herbei. Der Schuster sah, daß die Schuhe für Hundefüße genäht waren. Da schlug er ihm den Strick mit den Schuhen um den Kopf. Er begann von dannen zulaufen. Dabei schlang sich ihm der Strick um den Hals. Denn er hatte ihn den Händen des Schusters entrissen, und er kam an einen Waldesrand. Da fuhr ein Herr in den Wald, um mit Hunden zu jagen. Der sah, daß der Geselle Schuhe für Hunde bei sich trug, und fragte: »Was ist das hier?« —»Das sind Schuhe für Hunde. Wenn du deinen Hunden diese Schuhe anziehst, so sind sie sehr schnell.«Dem Herrn gefiel diese Fußbekleidung, und er zahlte ihm einige Dukaten. Er ging nun seines Wegs, aber der Herr zog seinen Hunden die Schuhe an. Doch die Hunde fraßen sogleich an den Schuhen herum und gingen nicht von der



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Stelle, bis sie die Schuhe aufgefressen hatten. Jetzt sandte der Herr seine Knechte hinterdrein, daß sie den Mann verfolgten und ihm das Geld wieder abnähmen. Aber wo sollten sie ihn finden? Der Geselle war nämlich mit dem Gelde in die Stadt gegangen und hatte wieder solange getrunken, bis er alles Geld vertrunken hatte. Dann war er davongegangen.

Er gelangte in einen Hof zu Bauersleuten und blieb dort über Nacht. Die fragten ihn: »Was bist du für einer?« Er sagte: »Ich brüte Küken aus.«Aber die Herrin des Hofes konnte keine Küken ausbrüten. Daher verkündigten die Dienstleute ihrer Herrin, es habe sich ein derartiger Meister gefunden. Die ließ ihn sogleich zu sich kommen und fragte: »Ist es wahr, daß du Küken ausbrüten kannst?« —»Ja, auf einmal brüte ich einen halben Scheffel Küken aus.« — »Wo willst du sie ausbrüten?« — »Ich brauche dazu eine warme Badestube«, erwiderte er, »und niemand darf während eines Monats zu mir kommen. Ich nehme aber für den halben Scheffel fünfzig Rubel.« — »Gut.« Das gefiel der Herrin. Sie gab ihm fünfzig Rubel, ließ die Badestube heizen, gab ihm die nötigen Eier, stattete ihn außerdem mit Speisen für einen Monat aus und schloß ihn ein. Er aß aber die Speisen und die Eier auf. Als nun der Tag gekommen war, wo er mit dem Brüten fertig sein sollte, schlich er sich durchs Fenster und ging in das Dorf. Dort fand er ein paar Küken, die eben ausgebrütet waren. Die kaufte er sich. Dann ging er wieder in die Badestube, brannte sie an und rief die beiden Küken zu sich: »Schip, schip, schip!« Da sah er, daß die Badestube brannte, lief dorthin und sagte: »Wer weiß, wer die Badestube angezündet hat? Kaum konnte ich aus dem Fenster mit zwei Küken entschlüpfen. Die andern blieben zurück.«Die Herrin hatte keine Freude an ihren Küken. Er aber kehrte in seine Heimat zurück.


Von den drei Brüdern und dem Frühling

In einem kleinen Häuschen wohnte eine alte Frau mit ihren drei Söhnen. Im Herbst schlachteten sie ein Schwein, dessen Fleisch sie einsalzten und räucherten. Die Söhne sagten nämlich zur Mutter: »Koch uns



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jetzt das Fleisch noch nicht, sondern laß es liegen bis zum Frühling!« Denn da hatten sie schwer zu arbeiten. Die Mutter kochte ihnen also nichts von dem Fleisch, und sie fasteten, damit sie nur Fleisch hätten, wenn sie pflügen müßten. Eines Morgens fuhren alle drei in den Wald, und die Mutter blieb allein zu Hause. Siehe, da kam zu ihr ein Mann, der war ganz abgebrannt. Der sagte, er sei Frühling - so war nämlich sein Name -, und bat sie, sie möge ihm was zu essen geben. Die Mutter hörte, daß er Frühling hieß, und gab ihm das ganze Fleisch. Der Abgebrannte dankte ihn und fuhr fröhlich von dannen.

Am Abend kamen die Söhne heim. Die Mutter rühmte sich sogleich vor ihnen, daß sie bereits das ganze Fleisch dem Frühling gegeben habe. Als die Söhne das gehört hatten, wurden sie sehr böse, und die beiden ältesten sagten: »Wir wollen unsre Mutter totschlagen! Denn durch ihre Schuld werden wir im Frühling, wo wir viel arbeiten müssen, vor Hunger verrecken.«Der jüngste aber sagte: »Nein, schlagt sie nicht tot! Wartet, ich will in der Welt umherwandeln, und nur wenn ich keine Dümmere finde als unsre Mutter, dann könnt ihr sie totschlagen.« Die beiden ältesten Brüder willigten ein und sagten: »Geh!« Er wanderte in die Welt hinaus.

Der jüngste Bruder ging also seines Wegs und kam in ein Dorf. Da gewahrte er, wie eine Frau ihr Huhn schlug. »Warum prügelst du denn das arme Hühnchen so durch?«fragte er sie. — »Siehst du denn nicht, sie hat so viele Küken ausgebrütet, und sie hat nicht eine einzige Zitze, womit sie diese nun ernähren kann?« schrie das böse Weib. Da lachte der Wandrer und schritt weiter, um noch Dümmere zu suchen. Als er einige Meilen gegangen war, gewahrte er, wie eine Alte ihre Kälber verprügelte. »Warum verprügelst du sie so?«fragte er sie. —»Sieh doch hin! Ich habe ihnen eine Leiter hingestellt. Sie sollen auf das Dach klettern und sich an dem Moos, was dort grünt, satt fressen. Aber die dummen Kälber wollen nicht gehen.«Da schüttelte er den Kopf und ging weiter. Er hatte nun Durst und trat in eine Hütte. Da mußte er sich wieder wundern. Eine Alte eilte fortgesetzt aus der Stube in den Flur, nahm in der Stube einen Löffel mit Brei und eilte in den Flur nach Milch, und so lief sie ohne Aufhören hin und her. »Weshalb, liebe Frau, bringst du denn die Milch nicht in die Stube und stellst sie auf den Tisch?« Die



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Alte gehorchte, trug die Milch herbei und stellte sie auf den Tisch. Aber den Brei brachte sie in den Flur, und wieder lief sie fortgesetzt hin und her. Da ließ er sie und ging in einen Hof. Er kam zuerst zu den Schweinekoben. Siehe, da lief ein Schwein an der Tür auf und ab und grunzte. Als er jetzt die Herrin aus dem Hause kommen sah, machte er dem Schwein eine Verbeugung bis zur Erde. Die Herrin sah ihn sich verbeugen und fragte: »Was willst du denn von dem Schwein?« —»Herrin«, erwiderte er, »ich bat es, es solle so gnädig sein, bei uns Trauzeuge zu sein.« Da fiel die Herrin vor lauter Lachen fast in Ohnmacht, weil bei einem Bauern Schweine Trauzeugen sein könnten. Die Herrin sagte, sie habe nichts dagegen, es solle nur gehen. »Du mußt ihm aber noch ein Pferd und einen Wagen geben; denn es ist nicht schön für einen Trauzeugen, zu Fuß zu gehen«, fiel der Wandrer ein. — »Schön!« sagte die Herrin, und sie ließ an den Wagen den allerschlechtesten Klepper anspannen. Er bat sie aber noch weiter: »Es ist nicht schön für einen Trauzeugen, allein zu fahren, er muß wenigstens noch vier Stiefbrüderchen bei sich haben.« — »Was für Stiefbrüderchen?«fragte die Herrin. —»Nun, kleine Schweinchen, so vom halben Jahr, oder auch noch größere.« Die Herrin lachte und ließ noch vier kleine Schweinchen als Stiefbrüderchen mitfahren. Der Wanderer dankte ihr und fuhr von dannen. Er war kaum vom Hofe, da kam der Herr nach Hause. Die Herrin erzählte ihm lachend, sie habe eben ein Schwein mit vier kleinen zu einem Bauern zur Hochzeit geschickt. Denn bei ihnen herrschte die Sitte, daß Schweine Trauzeugen sein könnten. Der Herr merkte sofort, daß der Fremde seine Frau betrogen hatte. Er ließ daher sein bestes Pferd satteln, um ihn zu verfolgen. Der Jüngling hatte inzwischen die Schweine in einen Wald gefahren und sie geschlachtet. Dann spannte er das Pferd aus und fuhr dem Herrn entgegen. Der Herr traf und fragte ihn: »Hast du nicht einen mit Schweinen fahren sehen?« —»Ja«, sagte der Jüngling. »Wenn du es wünschst, werde ich ihm nachsetzen. Aber gib mir dazu dein Roß! Denn mit meinem Klepper kann ich ihn nicht einholen. Und leih mir deinen Pelz! Denn mich friert.« Der Herr gab ihm alles. Er aber setzte sich auf das gute Roß, stob davon und kehrte nicht wieder. Der Herr wartete lange, aber umsonst. Dann kehrte er nach Hause zurück. Inzwischen war auch der jüngste Bruder heimgekehrt


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und hatte viel Fleisch mitgebracht, und er erzählte seinen Brüdern, daß es noch dümmere Leute gäbe als ihre Mutter. Die beiden freuten sich über das Fleisch, und der jüngste sagte zu ihnen: »Ihr seht doch beide, wie gut es uns geht. Wir haben jetzt mehr Fleisch und wissen, daß unsre Mutter nicht die Dümmste auf der Welt ist. Daher haben wir kein Recht, sie totzuschlagen.«


Von einem alten Mann und einer alten Frau

Es waren einmal ein alter Mann und eine alte Frau. Die lebten in großer Armut, und je älter sie wurden, um so schlechter ging es ihnen. Denn alle ihre Habe besaßen ihre Herren und die Armen mußten in Geduld alles tragen und auf Gottes Gnade warten. Wenn aber einer ganz ungeduldig seufzte oder etwas verschuldete, schon schlugen sie ihn, und das konnten sie tüchtig. Wenn aber einer Glück hatte, so freute sich nicht der, dem es zukam, sondern der Herr.

So lebte zur Zeit des Frondienstes - so erzählte unser Vater - am Waldesrande ein Gärtner, nicht weit vom Hofe und wie die Förster in der Nähe des Waldes und Flusses. Dieser Mann stellte im Walde Schlingen, und in das Wasser legte er Reusen, um auf diese Weise für seine schwere Arbeit einen Braten zu bekommen. Eines Tages fand er in der Erde unerwartet Geld versteckt, und es war so viel, daß er es nicht allein nach Hause tragen konnte. Er mußte es also seiner Frau sagen. So etwas kann aber nicht vom Glück sein. Drum dachte er nach, wie er seine Frau betrügen könnte. Er fand in der Schlinge einen Hasen, den nahm er und brachte ihn zu der Reuse. Dort fand er einen Hecht. Den nahm er heraus und steckte den Hasen hinein, und den Hecht legte er in die Schlinge. Dann kaufte er einen Sack voller Kringel, streute sie nachts im ganzen Hofe aus und steckte sie auf die Zaunpfähle. Als es ganz dunkel war, sagte der Mann zu seiner Frau, er habe Geld gefunden, und beide gingen hinaus, um das Geld nach Hause zu schleppen. Zunächst gingen sie zu der Schlinge. Da fanden sie einen Hecht. Dann gingen sie zu der Reuse. Da fanden sie einen Hasen. Danach gruben sie das Geld aus der Erde. Im Walde blökten aber die Kälber so sehr, daß es sich



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ganz furchtbar anhörte. Die Frau fragte: »Wer schreit da so? Ich fürchte, es kommt einer.« —»Du Dummkopf!« sagte der Alte. »Unsern Herrn haben die Leute an einen Baum gebunden und schlagen ihn, weil er nicht gut Gericht gehalten hat.«

Sie brachten das Geld nach Hause, versteckten es und legten sich dann schlafen.

Früh am Morgen stand der Alte zuerst auf, machte sich auf dem Felde zu schaffen, und als er zurückkam, schalt er seine Frau: »Weshalb schläfst du so lange? Weißt du nicht, daß es heute nacht Kringel geregnet hat. Andre haben schon gesammelt. Steh eilends auf und sammle auch!« Das tat die Alte und hatte einen ganzen Sack voll. Schließlich verbot der Alte seiner Frau, niemand davon zu sagen, daß sie Geld gefunden hätten. Und sie versprach es.

Sie lebten nun herrlich und kleideten sich hübsch. Da dachten die Nachbarinnen: >Wovon sind die so reich geworden?<Die eine und die andre fragte danach. Diesmal hielt sie es noch geheim, aber schließlich sagte sie: »Du Törin, du fragst, wovon wir so reich geworden sind! Weißt du denn nicht, daß mein Mann Geld gefunden hat? Warum sollten wir nicht in Freuden leben? Doch ich bitte dich, sprich zu niemand davon! Mein Mann schlägt mich sonst tot.« — »Aber wo werde ich denn?« Als sie nach Hause kam, erzählte sie es allen, und schließlich drang es bis zu den Ohren des Herrn.

Der Herr rief die Alte und fragte: »Hat dein Mann Geld gefunden?« —»Nein.« —»Aber du hast doch davon gesprochen?«Anfangs leugnete sie, aber als er mit der Hand nach den Ruten griff, bekannte sie. Der Herr rief den Mann und fragte ihn. Der antwortete: »Was könnt Ihr eine dumme Frau fragen? Wißt Ihr nicht, daß sie dumm ist? Sie soll sagen, wann das war!«Aber die Frau war böse auf ihren Mann und schrie: »Herr Richter, glaubt ihm nicht, er lügt! Wir haben das Geld in der Nacht gefunden, als es Kringel regnete.« — »Ihr seht ja, Herr, daß sie dumm ist«, erwiderte darauf der Alte. »Du Scheusal, weißt du nicht, daß es in der Nacht war, als wir einen Hecht in der Schlinge und einen Hasen in der Reuse fanden? Und da leugnet das Scheusal! Und auch Ihr, Herr Richter, könnt Euch daran noch erinnern. Es war jene Nacht, als Euch die Leute an den Baum banden und Euch schlugen, weil Ihr



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nicht gut Gericht gehalten habt.« Da ward der Herr sehr böse, gab ihr ein paar Faustschläge und warf sie aus dem Hause.


Von einem alten Mann und seinen drei Töchtern

Es war einmal ein Bauer. Der hatte eine einzige Tochter, die all sein Gut erben sollte. Einst ritten zu ihm, wer weiß von woher, drei Jünglinge. Die sagten zu dem Bauern: »Wenn wir das nächste Mal zu dir kommen, dann mußt du für uns alle drei eine Tochter haben, und wenn du keine hast, dann werden wir dich töten.« Was sollte er tun? Er hatte nur eine Tochter und wußte nicht, woher er noch zwei bekommen sollte. Der Bauer sorgte sich sehr, denn er war im Zweifel, was er anfangen sollte. Als er aber einmal in die Stadt fuhr, traf er einen alten Mann. Der sprach: »Nimm mich mit!« Der Bauer erwiderte: »Du kannst Platz nehmen«, und dann war er wieder still. Wie sie nun weiterfuhren, fragte der Greis: »Was bist du so traurig, und warum erzählst du dir nichts mit mir?« — »Weil ich vor Sorgen nichts erzählen kann.« — »Und was hast du für Sorgen, daß du mit mir nicht sprichst?« fragte der Alte. Da sagte der Bauer: »Es erschienen bei mir drei Jünglinge. Die wollten, ich sollte ihnen allen eine Tochter zur Frau geben. Ich habe aber nur eine, und sie sagten, morgen früh wollten sie wiederkommen. Wenn ich aber nicht für alle eine Tochter hätte, wollten sie mich töten.« — »Fürchte dich nur nicht! Ich will dir einen Rat geben. Sperr heute nacht in die Kammer eine Stute, ein Schwein und deine Tochter! Und am nächsten Morgen sollst du sehen, was du dort findest.« Der Bauer dankte dem Greis für seinen schönen Rat. Der Alte ging dann seines Wegs, und der Bauer fuhr in die Stadt, kaufte dort Getränke für die Hochzeit und fuhr wieder nach Hause. Am Abend sperrte er dann Stute, Schwein und Tochter in die Kammer. Als er am nächsten Morgen die Kammer wieder öffnete, sah er, daß drei Mädchen darinnen waren, eine sah so aus wie die andere. Niemand konnte sie unterscheiden, und alle drei nannten ihn Vater. —Die drei Jünglinge kamen herbeigeritten, und jeder führte eine Tochter heim, und dann fuhren sie von dannen. Wohin es ging, und wer sie waren, erfuhr er nicht.



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Als bereits einige Jahre verstrichen waren, bekam der Bauer Sehnsucht nach seiner Tochter. Er machte sich auf, sie zu suchen, wußte aber nicht, wohin er gehen sollte. Er hatte aber bemerkt, daß sie nach Norden gefahren waren. Daher suchte er auch in dieser Richtung. Er wanderte und wanderte, und schon war er sehr weit von seinem Hause entfernt, da fand er einen Mann, der Steine klopfte: »Gott grüß dich!« —»Danke. Wohin willst du?« — »Ich will meine Tochter suchen.« — »Nun, dann bin ich dein Schwiegersohn. Wir wollen zu mir gehen!«

Erging zu seinem Schwiegersohn. Alles war dort unsauber, alles besudelt, alle Töpfe und alle Tische. In der Stube lag lauter Mist. Dort gab sie ihm zu essen. Er wollte aber nichts, weil sie so unsauber war. Da dachte er bei sich: >Das ist hier meine Tochter, die das Schwein war.< Er nahm von ihnen Abschied und ging weiter, um die andere Tochter zu suchen. Da traf er auf seinem Wege einen Mann, der im Walde Baume fällte. Der sagte: »Wo willst du hin?« Er antwortete: »Ich will meine Tochter suchen«, und da erkannte er ihn. »Nur gut!« erwiderte er, »ich bin dein Schwiegersohn. Kennst du mich nicht mehr?« Er ging nun zu seiner Tochter. Wohin sich diese aber auch begab, überall lachte sie, überall wieherte sie. Da dachte er bei sich: >Das ist nicht meine Tochter, sondern die Stute.<

Er verabschiedete sich von ihnen und ging weiter. Da traf er auf einen Menschen, der pflügte. Sein Schwiegersohn erkannte ihn aber und fragte: »Wo willst du hin?« Er sagte: »Ich will meine Tochter suchen.« — »Nur gut!« erwiderte er, »ich bin dein Schwiegersohn. Wir wollen nach Hause gehen!« Als sie nun nach Hause kamen, begrüßte sie die Tochter gleich voller Freude. Denn dort war alles ruhig, schön und sauber. Dort blieb er gern zu Gaste. Dann kehrte er wieder heim, nahm seine Frau, und beide fuhren als Gäste zu ihrer Tochter.


Von einem Mann, der dem Teufel drei Jahre diente

Es war einmal ein ganz armer Mann. Der hatte den Acker eines bösen Herrn zur Pacht. Nun starb der Vater dieses armen Mannes. Er mußte



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ihn begraben lassen, hatte aber kein Geld. Während er noch überlegte, woher er das Geld nehmen solle, erhielt er von seinem Herrn den Bescheid, so schnell wie möglich sein Pachtgeld zu bezahlen. Der arme Mann übelegte und überlegte. Schließlich ging er zu seinem Herrn und wollte ihn bitten, mit dem Pachtgeld Geduld zu haben und ihm wenigstens etwas zur Beerdigung zu geben. Er fiel also seinem Herrn zu Füßen. Aber der ließ ihm fünfzehn Hiebe verabreichen und ihm sagen: »Wenn du morgen deine Pacht nicht gebracht hast, lasse ich dir fünfzig geben und dich aus der Hütte werfen.«

Der Arme ging nach Hause, kratzte sich am Kopf und dachte nach, wo er nun Geld herbekommen könne; denn sein Herr hatte kein Mitleid. Aus der Erde konnte er auch nichts graben, so wollte er wenigstens seine Seele dem Teufel verkaufen. Während er noch so überlegte, kam ihm ein junger Herr entgegen. Das war der Teufel. Der fragte ihn, warum er so traurig wäre. Der Arme erzählte ihm sein ganzes Leid von Anfang bis Ende. Da sprach der junge Herr zu ihm: »Wenn du das erfüllst, was ich dir befehle, will ich dir Geld geben, soviel du brauchst.« Der Arme überlegte und sah ein, er war völlig verloren. Denn er besaß nichts, wovon er den Vater begraben lassen konnte, außerdem warf ihn sein Herr aus der Hütte. So versprach er, alles zu tun, was er nur wünschte. Darauf befahl der junge Herr, er sollte dafür seine Unterschrift geben. Das tat er auch, aber nicht mit Tinte, sondern nur mit dem Blut seines kleinen Fingers. Dann gab der junge Herr ihm einen Sack mit Geld und sagte: »Jetzt bist du deiner Verpflichtungen ledig und wirst bei mir in Diensten stehen. Die Arbeit ist nicht schwer. Du wirst dich auf einen Baumstumpf setzen und dort drei Jahre lang sitzen bleiben, du wirst weder dein Haar schneiden, noch deinen Bart scheren, noch deine Nägel verschneiden, noch dein Hemd wechseln. Zu essen wirst du immer bekommen.«Nach diesen Worten ging der junge Herr seines Wegs.

Der Arme ging hierauf nach Hause, ließ seinen Vater begraben und bezahlte seine Pacht. Darauf setzte er sich auf einen Baumstumpf und diente dem Teufel. Drei Jahre lang saß er so. Er war ganz mit Haaren bewachsen und starrte überall von Schmutz. Seine Nägel waren so lang wie die eines wilden Tieres. Sein Anblick war furchtbar. Alle fürchteten



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sich vor ihm und gingen ihm schon von ferne aus dem Wege. Der böse Herr aber, dessen Land der Arme zur Pacht gehabt hatte, lebte sehr verschwenderisch. Er machte überall Schulden und wußte nicht, wovon er sie mal bezahlen sollte. Da erzählte ihm einer, daß der Mensch, den er hatte schlagen lassen, sehr viel Geld hätte. Der Herr rief ihn zu sich. Aber er kam nicht und ließ ihm sagen, er diene dem Teufel und habe keine Zeit zu kommen. So fuhr der Herr selber zu ihm und bat ihn, ihm Geld zu borgen. Der Teufel gebot seinem Diener, ihm erst dann Geld zu geben, wenn der Herr ihm seine Tochter zur Frau versprochen hätte. Der Herr überlegte und überlegte. Seine Tochter tat ihm leid, daß sie eine solche Vogelscheuche heiraten sollte. Aber auch Geld brauchte er sehr nötig. Er versprach ihm also seine Tochter zur Frau, und der Diener des Teufels gab ihm das Geld. Der Herr fuhr damit nach Hause. Aber der Teufel verwandelte sich in einen Freier, nahm den Armen mit sich, und sie fuhren beide als Freier zu der Tochter des Herrn. Der Herr, ob er wollte oder nicht, nahm die Gäste bei sich auf. Dann rief er seine älteste Tochter, zeigte ihr den Menschen und befahl ihr, ihn zu heiraten. Da die Tochter sah, daß dieser weit eher einer Vogelscheuche als einem Manne ähnlich sah, sprach sie zu ihrem Vater: »Lieber will ich mich aufhängen, ehe ich einen solchen Mann heirate.« Darauf lief sie in den Wald und erhängte sich. Da verlangten die Freier die zweite Tochter. Der Herr rief sie und befahl ihr, den Menschen zu heiraten. Die zweite Tochter aber sagte: »Lieber will ich mich ertränken, ehe ich einen solchen Mann heirate.« Darauf lief sie an einen See und ertränkte sich. Als er darauf die dritte Tochter rief, sagte die: »Oh, Väterchen, was hast du mir für einen schönen Mann ausgesucht! Ich danke dir recht schön.«


Von den drei Brüdern, die sich ganz ähnlich sahen

Ein Vater hatte drei Söhne, und alle waren untereinander so ähnlich, daß man sie auf keine Weise unterscheiden konnte. Ihr Vater hatte eine alte Stute, die schenkte ihm drei schwarzbraune Fohlen, die alle gleich



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aussahen. Als die Brüder erwachsen waren, beschlossen sie, in die Welt zu gehen, um ihr Glück zu suchen. Alle drei steckten ihre Messer in die Erde und schwuren einander, wenn eins von den Messern rot würde, so wollten sie nach dem suchen, dessen Messer rot geworden war. Also gut. Alle setzten sich auf ihre Pferde und ritten nach allen Seiten in die Ferne. Auf ihrem Wege begegneten alle einem Löwen, der sie hat, er wolle ihr Gefährte sein. Sie nahmen ihn mit. Darauf trafen sie einen Bären, den machten sie auch zu ihrem Gefährten. Sie ritten weiter und trafen einen Wolf; noch ein Stück weiter trafen sie einen Fuchs und schließlich einen Hasen, und alle machten sie zu ihren Gefährten. Lange Zeit waren sie so geritten, und jeder von ihnen dachte daran, bei der Rückkehr nachzusehen, ob alle Messer noch sauber wären.

Der Jüngste war nach Osten geritten. Der gelangte auf seinem Ritt in eine große Stadt. Dort standen alle Häuser in Trauer. Er fragte nun, weshalb hier alles so finster blicke. Da sagten sie ihm, der Königstochter drohe der Tod, denn ein Drache wolle sie verschlingen. Der jüngste Bruder hieß Jurgis. Dieser Jurgis brachte sein Gewehr gut instand und ritt mit allen seinen Tieren an den Meeresstrand, wo am nächsten Morgen die Königstochter erscheinen mußte, damit sie der Drache verschlingen könne. Schon dämmerte der Morgen. Viele Könige gaben der Königstochter das Geleit, die als erste allein in ihrem Wagen fuhr. Halben Wegs gingen alle diese Herren mit. Dann kehrten sie um, denn sie wollten den schrecklichen Tod nicht sehen. Die Königstochter fuhr also nach dem Meeresstrand, stieg aus dem Wagen und kniete nieder. Da schlich aus dem Meere ein Drache mit sechs Häuptern heraus. Jurgis schoß auf das Ungestüm. Einen Kopf schoß er ab. Er sah aber, daß er ihn nicht besiegen konnte, und daher rief er seine Tiere zu Hilfe. Die stürzten alle auf ihn los und zerrissen ihn. Da fiel die Königstochter ihm um den Hals und bat ihn, mit ihm zu ihren Eltern zu fahren. Jurgis schlug es aber ab und sagte, ein andermal würde er zu ihr kommen. Dann ritt er seines Wegs. Da sagte der Kutscher zur Königstochter: »Tu jetzt, was du willst! Sagst du nicht, daß ich dich errettet habe, so mußt du sterben: sagst du aber, ich habe dich errettet, dann will ich dein Mann sein.«Die Königstochter sah, daß sie in großer Not war. Daher



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versprach sie, das zu sagen, was der Kutscher wünschte. Also gut. Sie kehrten zu den Eltern heim. Die wußten nicht, was sie vor lauter Freude tun sollten. Sie veranstalteten einen großen Ball. Sie wußten ja nicht, wie sie dem Kutscher danken sollten. Schließlich mußte der König seine Tochter dem Kutscher zur Frau geben. Bald sollte auch die Hochzeit sein und kurz vor der Hochzeit ein Ball. Auf dem Ball erschien auch Jurgis. Der König wußte nicht, weshalb, und Jurgis sagte auch nichts darüber. Alle hatten sich zum Mahle niedergesetzt, ebenso die Königstochter, Jurgis und der Kutscher. Bei der Unterhaltung sprachen sie auch: »Wir wollen doch überlegen, wenn dieser, der sich mit der Königstochter vermählen will, sie nicht befreit hat, wie man ihn bestrafen muß!« Der zweite: »Man muß ihn totschießen.« Der dritte: »Man muß ihn ins Gefängnis sperren«, und der Kutscher sagte: »Das soll und darf alles nicht geschehen. Man soll ihn vielmehr zur Stadt hinausführen auf das Brachfeld und ihn mit zwölf Paar Rossen zerreißen lassen.« Da fiel die Königstochter Jurgis um den Hals und sagte: »Seht her, dieser hier hat mich befreit und nicht der Kutscher.« Der Kutscher hatte sich also selbst gerichtet und ward von den Rossen in Stücke gerissen. Jurgis vermählte sich aber mit der Königstochter.

Eine Nacht nach der Hochzeit schlief er bei der Königstochter. Da sah Jurgis in einem Walde einen hellen Feuerschein. Er sprang aus dem Bett und sagte, er wolle dorthin reiten. Seine Gattin aber wollte ihn nicht ziehen lassen. Er gehorchte ihr nicht, sondern ließ sein schwarzbraunes Roß satteln und ritt hinaus mit allen seinen Tieren. Er ritt an ein Feuer und sah dort eine alte Frau sitzen, die vor Kälte zitterte. Jurgis fragte sie: »Was wärmst du dich nicht am Feuer?« Die Alte antwortete: »Das ist mir verboten. Gib mir, mein Lieber, Haare von allen deinen Tieren und von dir. Dann wird es mir gestattet sein, mich am Feuer zu wärmen.« Jurgis gab sie ihr. Die Alte nahm die Haare und warf sie ins Feuer. Da begann ein warmer Regen zu fallen, und Jurgis mit allen seinen Tieren ward zu Stein. Auch seine anderen Brüder wanderten durch die Welt. Der zweite Bruder dachte bei sich: >Ich will nach Hause reiten und sehen, ob alle Messer noch rein sind.<Er ritt also zu den Messern, die in der Erde steckten. Da sah er, daß das Messer des jüngsten Bruders rot geworden war, und er sagte zu sich: >Vielleicht ist er noch in der



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Welt am Leben. Ich werde in die Ferne reiten und ihn suchen.< Und er ritt von dannen. Lange war er geritten und endlich zu einer großen Stadt gekommen. Die ganze Stadt hatte Trauer angelegt. Er traf aber einen Mann aus dieser Stadt. Den fragte er, was hier geschehen wäre. Da tat er ihm kund, hier habe ein König gelebt, der die Königstochter befreit hätte. »Gott weiß allein, wohin er verschwunden ist. Er ist schon länger als ein halbes Jahr fort.« Da ritt er zur Königin. Als sie ihn sah, fiel sie ihm um den Hals, küßte ihn und sprach: »Mein teurer Schatz, wo warst du so lange Zeit verschwunden?« Er war nämlich seinem Bruder so völlig ähnlich, daß die Königin ihn für ihren Mann hielt. Der wußte nicht, was er tun oder sagen sollte, und wollte wieder davonreiten. Die Königstochter aber ließ ihn nicht. Eines Abends aber schlief er bei ihr, da sah er im Walde ein Feuer. Plötzlich stand er auf und wollte zum Feuer reiten. Aber die Königstochter ließ ihn nicht. Trotzdem ritt er mit allen seinen Tieren von dannen. Er kam zu dem Feuer und fand dieselbe alte Frau dort. Und es geschah alles genau so wie beim ersten.

Inzwischen war der älteste Bruder zu den Messern zurückgekehrt und hatte gefunden, daß zwei davon rot geworden waren. Er ritt daher schnell von dannen, um seine Brüder zu suchen. Er ritt lange Zeit und kam endlich zu der Stadt, die in Trauer war. Er fragte: »Was ist hier in der Stadt geschehen?« Da taten sie ihm kund, es habe hier ein König gelebt, der hätte die Königstochter befreit, dann wäre er ein halbes Jahr verschwunden gewesen, dann aber wäre er wiedergekommen, und seitdem ist er wieder schon länger als ein Jahr fort.

Dem ältesten Bruder stieg eine Ahnung auf, und er ritt zu der Königstochter. Als diese ihn sah, fiel sie vor Freude fast in Ohnmacht.

»Wo bist du so lange gewesen, mein teurer Schatz?« Der Bruder antwortete: »Ich war hier und dort und besuchte meine Leute.« Und er schlief eine Nacht bei der Königin. Er nahm aber ein Schwert mit und legte es zwischen die Knie. Kaum aber hatte er das Feuer im Walde gesehen, da sprang er aus dem Bett, setzte sich schnell auf sein Roß und ritt wie der Wind nach dem Feuer. Er fand dort eine alte Frau sitzen, die vor Kälte zitterte. Der Bruder fragte: »Warum wärmst du dich nicht?« Sie erwiderte: »Mir ist es verboten. Wenn du mir aber von deinein



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und deiner Tiere Haar gibst, dann darf ich es.« Der Bruder sah bei der Hexe einen unscheinbaren Stock und sagte: »Ach, was hast du da für einen schönen Stock? Kannst du mir ihn denn nicht geben, damit ich ihn mir ansehen kann?«Da reichte ihm die Alte den Stock. Er schlug aber damit aus Leibeskräften auf die Hexe los und rief: »Wo sind meine Brüder?«Schließlich wies die Alte auf die Steine und sprach: »Sieh, das sind deine Brüder!« Da schlug sie der Bruder noch viel heftiger und verlangte, sie solle seine Brüder wieder lebendig machen. Da entgegnete die Alte: »Nimm hier das Gläschen, geh dorthin zu dem reißenden Flüßchen, schöpfe Wasser und besprenge damit die Steine!« Da sagte der Bruder: »Nein, geh du! Ich gehe nicht.« Und er gab ihr noch mehr mit dem Stock. Da machte die Alte seine Brüder und viele andere Menschen wieder lebendig. Der Bruder aber schlug die Alte, damit sie ihm auch das Gläschen gebe. Die Alte reichte es ihm. Der Bruder schöpfte Wasser damit, besprengte die Alte und schlug sie mit dem Stock. Da begann ein warmer Regen zu fallen, und die Alte ward zu Stein. Er selber aber schöpfte von dem Wasser und ritt mit seinen Brüdern in den Hof der Königstochter.

Als diese die drei Männer erblickte, von denen einer wie der andere aussah, wußte sie nicht, was sie tun sollte. Da ging der Jüngste, Jurgis, zu ihr heran, küßte sie und sagte: »Ich bin der Richtige.« Von da ab lebten alle Brüder lange in Eintracht. Jurgis ward König, und seine beiden Brüder hatten in seinem Reiche gleich die erste Stelle nach dem König. Als sie lange so gelebt hatten, kamen sie überein, ihre Eltern zu besuchen. Sie fuhren alle mit, auch die Königstochter und alle ihre Tiere. Auf dem halben Wege kamen sie zu einem Hof. Der stak ganz in der Erde. Nur ein einziges Dach war noch über der Erde. Sie gingen alle hinein und wollten um ein Nachtquartier bitten, aber sie fanden niemand. Alles war leer. Nur die schönsten Betten waren zurechtgemacht. Sie gaben auf nichts acht, legten sich hinein und schliefen. Nur der zweite Bruder schlief nicht. Er dachte bei sich: >Hier gibt es vielleicht nichts Gutes.<Und so gab er sich Mühe, die ganze Nacht über nicht einzuschlafen. Da hörte er, wie eine schöne Jungfrau in das Zimmer trat und sich mit einem Stein unterhielt, der unter dem Tisch lag: »Ach, wenn sie es wüßten, würden sie nicht hier schlafen! Denn heute



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nacht erscheint hier ein Gespenst. Das schleicht durchs Fenster und wird die Königstochter auffressen. Und weiter, wenn sie es wüßten, würden sie nach der Heimkehr zu ihren Eltern nichts von der ersten Mahlzeit essen, und wenn sie es wüßten, würden sie das Roß zureiten, und wenn es unvermutet alle Speisen umstürzt, dann würden sie glücklich sein.« Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, da nahm sie von dem Stein Abschied und verschwand. Der zweite Bruder sprang aber aus dem Bett, griff schnell zu seinem Schwerte und stellte sich ans Fenster. Es war nicht mehr weit von Mitternacht, da sah der zweite Bruder, wie ein ganz fürchterliches Gespenst seinen Kopf hineinsteckte. Er schlug ihm, krach, den Kopf ab. Ein Blutstropfen aber bespritzte die Hand der Königstochter. Der Bruder wollte ihn mit seinem Tuche abwischen. Das bemerkte aber im Schlaf der Mann der Königstochter. Er ergriff das Schwert und schlug seinem Bruder das Haupt ab. Als er am nächsten Morgen aufstand, sah er, daß der zweite Bruder mit abgeschlagenem Haupte in seinem Blute lag und ein Gespenst ohne Kopf am Fenster kauerte. Da fragte der älteste Bruder: »Was ist hier geschehen?« Jurgis erklärte: »Einer machte sich heute nacht bei meiner Frau zu schaffen, da ergriff ich das Schwert und hieb ihm den Kopf ab. Wer konnte wissen, daß das unser Bruder war?« Der älteste Bruder nahm sein Gläschen mit Wasser, rieb damit des Bruders Haupt ein, setzte es wieder auf den Nacken und schlug mit dem Stock der alten Hexe darauf. Da wurde er sogleich wieder gesund. Von diesem Hofe fuhren sie zu ihren Eltern. Schon fanden sie einen schönen Tisch gedeckt mit allerlei Weinen und den schönsten und allerschönsten Speisen. Der Tisch war aber draußen zwischen den vier Eichenbäumen gedeckt. Da ritt der Bruder nach den Worten der Jungfrau, die ihm in dem Hofe, der halbwegs zu seinen Eltern lag, erschienen war, das Roß zu, und unvermutet schlug es mit dem Hinterteil den Tisch um, und der ganze Tisch mit Speisen und Getränken fiel krachend zur Erde. So wurde - Gott sei Dank -alles zerschlagen. Darauf bereiteten sie andere Speisen und aßen sich satt. Sie nahmen dann ihre Eltern mit und kehrten in ihr Königreich zurück.


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Der Schuster und der Schneider

Es waren einmal zwei Brüder, der eine war Schuster, der andere war Schneider. Sie lebten einträchtig miteinander. Was jeder von ihnen verdiente, teilten sie immer zur Hälfte. Schließlich beschlossen sie, in die Welt zu gehen. Sie machten sich auf, wanderten und wanderten und gelangten an einen Kreuzweg. »Hier«, sprach der eine zum andern, »wollen wir uns trennen!« —»Ich«, sagte der Schneider, »gehe zur Rechten und du, Bruder, geh zur Linken! Nach zehn Jahren wollen wir uns hier wieder treffen und unsern ganzen Verdienst wiederum zur Hälfte teilen!« — »Gut!« Sie segneten und küßten sich, und der eine ging zur Rechten, der andere zur Linken. Der Schneider, der zur Rechten gegangen war, wanderte den ersten, zweiten und dritten Tag. Schließlich kam er zu einem Fluß. Er schritt weiter an dem Fluß entlang und gelangte zu einem See. Da sah er am Rande des Sees drei umgedrehte Kähne liegen, und es war schon Abend. Die Sonne war bereits untergegangen, und Menschen waren nirgends zu sehen.

>Wo kann ich hier übernachten?< dachte der Schneider bei sich. >Ich werde unter einen Kahn kriechen.< Und das tat er auch. Aber, siehe, um Mitternacht flogen drei Hexen herbei, setzten sich auf die Kähne und sprachen: »Was hast du zu sagen, was du und was du?«Da begann die erste: »Ich habe zu sagen: Es lebte ein Vater. Der hatte zwei Söhne. Der Vater starb und vergaß zu sagen, wo sein Geld verborgen sei. Da zankten die Söhne einander, schlugen und rauften sich. Zwietracht und unaussprechlicher Hader erhub sich, und alles um das Geld. Der eine sagte: >Der Vater hat es dir hinterlassen, und du willst es nicht bekennen.< Der andere sagte: >Dir hat es der Vater hinterlassen, und du willst es nicht bekennen.<« —»Und wo ist das Geld?«fragten die beiden andern Hexen. »Unter der Tür bei dem Pfosten. Wer dort nachgräbt, würde es rasch finden.« —»Und was hast du zu erzählen?«fragten sie die zweite. »Ich habe zu erzählen: Ein Zauberer hat aus Ärger durch seine Zauberkunst erreicht, daß in einem Kirchspiel überall das Wasser verschwunden ist. Brunnen, Teiche und Flüsse sind gänzlich ausgetrocknet, und jetzt kostet dort ein Mäßchen Wasser zehn Groschen.« —»Was muß da geschehen, daß sich dort wieder Wasser findet?«fragten



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die beiden andern. »Am Waldesrande liegt ein großer Stein, und wenn einer diesen Stein umdreht, findet sich dort überall wieder Wasser, wie es vordem war.« —»Und was hast du zu sagen?«fragten sie die dritte. »Ich habe etwas sehr Feines zu erzählen: Unsere Königstochter ist krank und ist schon ganz schwach. Die Ärzte fahren aus allen Gegenden hin und her. Aber sie können die Krankheit nicht verstehen.« — »Und was fehlt ihr?«fragten die beiden andern Hexen. »Das ist eine traurige Geschichte. Sobald die Königstochter einschlafen will, schleicht hinter der Wand eine Kröte hervor und saugt die Brust der Königstochter aus. Wenn einer die Kröte totschlüge, sie kochte, zerriebe und das Mehl der Königstochter reichte, dann wird sie nach acht Tagen wieder völlig gesund sein.«

Der Schneider, der unter den Kahn gekrochen war, hörte alles. Als die Hähne krähten, flogen die Hexen davon. Der Schneider aber kroch unter dem Kahn hervor und ging weiter seines Wegs. Er wanderte und wanderte. Gegen Abend kam er in ein Dorf. Da hörte er: »In einem Gehöft streiten sich zwei Brüder den ganzen Tag.« Er fragte sie: »Weshalb zankt ihr euch?«Da antworteten sie: »Wir zanken uns aus folgendem Grunde: Wir haben eine schöne Wirtschaft. Alles geht nach unserem Wunsche. Nur wissen wir nicht, wem der Vater bei seinem Tode das Geld hinterlassen hat. Ich sage ihm, und er sagt mir. Deshalb glauben wir einander nicht und zanken uns.« — »Still! Zankt euch darum nicht! Ich will euch zeigen, wo das Geld eures Vaters sich findet. Laßt mich nur heute nacht bei euch bleiben!« — »Sei so gut und sage uns die ganze Wahrheit. Dann geben wir dir dafür die Hälfte des Geldes.« — »Ich danke euch dafür«, entgegnete der Schneider, »aber ich brauche es nicht. Gebt mir nur zu essen!« Am nächsten Morgen hieß der Schneider die Brüder Schaufeln nehmen, führte sie zum Tor und befahl an dem Pfosten zu graben. Sie gingen sofort an die Arbeit, und horch! sie gruben einen Kessel mit Geld aus.

Die Brüder freuten sich unsagbar, vertrugen sich wieder und dankten dem Schneider aus vollem Herzen. Sie boten ihm die Hälfte des Geldes an, aber er nahm nichts davon und blieb nur drei Tage bei ihnen zu Gaste. Dann wanderte er wieder in die Welt hinaus.

Er wanderte und wanderte. Nach einigen Tagen kam er in ein Dorf,



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und er bat sich etwas zu trinken. »Was sollen wir dir geben? Wir möchten dir Bier geben, aber wir haben kein Geld, um was zu kaufen.« — »Was brauche ich Bier?« sagte der Schneider. »Für mich einfachen Mann ist auch Wasser gut genug.« — »Man sieht daraus«, erwiderten die Dorfbewohner, »du bist von weit her und weißt hier keinen Bescheid. Bier fahren sie uns wenigstens aus der Ferne her. Aber mit dem Wasser steht es sehr schlecht. Alle Brunnen, Teiche und Flüsse sind überall versiecht. Es ist die reinste Strafe Gottes!«

»Nun, dann will ich morgen früh versuchen, daß ihr wieder Wasser habt, wie ihr es wünscht.« — »Ist denn das möglich?«fragten sie. »Ja!« antwortete er. Sofort hinterbrachten sie es dem Herrn. Der rief den Schneider zu sich, ließ ihm gut zu essen und gut zu trinken geben und befahl allen, das auszuführen, was der Schneider ihnen gebieten werde. Am nächsten Morgen ließ der Schneider zwanzig und noch mehr Männer zusammenkommen und alle Stangen nehmen. Dann führte er sie nach dem Waldrand und ließ sie einen großen Stein umwälzen, der dort zur Hälfte in der Erde steckte. Sobald sie damit fertig waren, sprudelte sofort Wasser hervor, und alle Brunnen, Teiche und Flüsse füllten sich wieder. Der Herr wußte darauf nicht, wie er dem Schneider danken sollte. Er bewirtete ihn reichlich und wollte ihm Geld geben. Aber er nahm nichts und blieb nur einige Tage zu Gaste. Dann zog er wieder in die Ferne.

Er wanderte und wanderte und kam in eine Stadt. Da fragte er: »Was gibt es hier Neues?« —»Oh, Gott sei Dank, geht sonst alles gut, nur unsere junge Königstochter ist schwer erkrankt, und niemand kann sie heilen.« Der Schneider erwiderte: »Oh, es ist nur eine leichte Krankheit, ich kenne sie und könnte sie auch heilen.«

Sofort hinterbrachten sie das natürlich dem König. — »Was, du Zerlumpter und Zerrissener kannst meine Tochter heilen?« fragte der König. »Ärzte aus allen Gegenden kamen mit vier und sechs Rossen herbeigefahren und konnten sie nicht gesundmachen, und du versprichst, das zu tun? Ist das möglich?« —»Ja, Herr König, ich kann sie heilen. Gebt mir nur ein Zimmer und laßt mich mit ihr acht Tage allein!« —»Wenn du meine Tochter gesundmachst«, erwiderte der König, »gebe ich dir mein halbes Königreich.« — Gut. Er verschloß sofort das



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Zimmer, heizte den Ofen und wartete. Sieh, da kroch hinter der Wand eine häßliche Kröte hervor. Der Schneider wartete nicht lange, er griff nach dem Kohlenhaken, und krach! er schlug das Tier tot. Dann briet er es in einer Pfanne, zerrieb es und gab der Jungfrau nach und nach von dem Mehl. Der Jungfrau ging es sofort besser und immer besser. Nach zwei Tagen konnte sie sich schon hinsetzen, nach sechs Tagen ging sie schon spazieren, wobei sie sich auf die Arme des Schneiders stützte. Nach acht Tagen sandte der König Diener, die nachsehen sollten, ob die Jungfrau noch lebe. Die meldeten dem König, sie ginge mit dem Schneider spazieren. Der König glaubte das nicht und sandte andre Diener. Die meldeten ihm das Gleiche. Da kam der König selber herbeigeeilt, um nachzusehen. Da erkannte er die ganze Wahrheit. Die Jungfrau war gesund und voller Freude. Der König wußte nicht, wie er dem Schneider danken sollte. Er schenkte ihm sogleich das halbe Königreich. Auch die Jungfrau wollte sich nicht mehr vom Schneider trennen. »Ich werde ihn heiraten«, sagte sie. Und genug damit. Nichts war dagegen zu machen. Der König vermählte den Schneider mit seiner Tochter. Von nun an lebte der Schneider das erste, zweite und dritte Jahr voller Freuden und herrschte über sein halbes Königreich.

Während er so lebte, verstrichen die zehn Jahre, seitdem er sich von seinem Bruder getrennt hatte. Er dachte daran und erzählte es dem Könige, wie es ihm ginge und daß er seinen Bruder durchaus wiedersehen müsse.

Das erlaubte ihm der König, und der Schneider nahm zwei Abteilungen Soldaten und ritt von dannen. Er ritt und ritt, und nach einigen Wochen oder Monaten kam er zu einem Kreuzweg. Da wartete schon der Schuster auf ihn. Beide Brüder umarmten sich voller Liebe, und einer fragte den andern: »Was hast du verdient?« —»Ich«, sagte der Schuster, »habe wenig verdient, aber um so mehr Not gelitten.« —»Und ich«, sagte der Schneider, »habe ein halbes Königreich erhalten, außerdem habe ich zwei Abteilungen Soldaten und die Königstochter zur Frau. Komm mit mir! Du erhältst von mir die Hälfte meines Reiches, ferner gebe ich dir eine Abteilung Soldaten, und wir werden schön miteinander leben.« — »Wie hast du das alles erreicht?«fragte der Schuster. Da erzählte er, wie alles gekommen war. Der Schuster dachte bei sich: >Mein Bruder hat



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ein halbes Königreich erhalten. Am Ende bekomme ich ein ganzes. Ich muß es nur versuchen.<Darauf dankte er seinem Bruder und ging von dannen. Er fand den Fluß, den See und die drei umgedrehten Kähne, genau so, wie es sein Bruder gesagt hatte. Dann wartete er die Nacht ab und kroch unter einen Kahn. Um Mitternacht flogen die drei Hexen herbei und sprache unter sich: »Was hast du zu erzählen, was du und was du?« Die erste sagte: »Ganz wunderbar, bei mir ist alles in Ordnung!« —»Auch bei mir«, sagte die zweite. »Auch bei mir«, sagte die dritte. »Wer hat denn das getan? Ist nicht etwa ein Mensch hier?« Sie drehten den ersten Kahn um - nichts war zu sehen, sie drehten den zweiten um, auch da war nichts zu sehen, sie drehten den dritten um und fanden darunter den Schuster. Sogleich fielen sie über den Armen her und zerrissen ihn. Der Schneider aber wurde glücklich, herrschte über sein halbes Königreich und lebt noch heute.