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VOLKSDICHTUNGEN AUS OBERGUINEA
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Fada Gurina bidjaba, Moba =ndjab, Konkomba =bedjab, Natjako =bitjaba, Kumangu bidjab, |
einer Reihe, der sich sehr bequem die eigentlichen Mossidialekte anschließen hier heißt Männer:
Mossi Tenkodugu =dápa, Kussari =däpa, Mossi-Wagadugu =dópa, Dagomba =duo usw. |
Wir können also Mossi- und Gurmastämme zusammenfassen als Djaba-Djabastämme, deren einer Teil - die Mossigruppe, das Substantivum -, nur durch Suffixe, deren anderer aber durch Präfixe und Suffixe behandelt wird. Zu der letzteren Gurmagruppe zählt unbedingt die Bassarisprache, wie sich nachfolgend aus vielen Beispielen erklären lassen wird. Indem wir die zusammenfassende Bezeichnung Djabavölker wählen, eröffnen wir folgende Perspektive:
In Krause "Die fulische Sprache"findet sich 5. 13 ein sehr wichtiger Hinweis auf die Überreste der von den Tuarek verjagten Ureinwohner. Diese Einwohner sollen Dschabbaren oder Kel Jeru geheißen haben. Aber Dschabbaren soll noch heute im Tamaschek = Riesen heißen. (Viele Völker bezeichnen die vorhergehenden Menschen als Riesen.) —Nicht nur, daß ich in dem Worte Dschabbaren unser Djaba wiederfinde -nein, wir wissen, daß die Mumien dieser Ureinwohner in Rindenhäute gewickelt heute noch im Wüstensande gefunden werden. — Dazu der Bericht über die Bestattung des ersten Obato (Fürst in Bingo, entspricht dem Umbotte-Fürst in Bassari) Djaba: (Geschichtsüberlieferung Atlantis Bd. V). Der erste Mensch war in Fada Gurina, und zwar am Niger in Rindenhaut gehüllt in eine Höhle gebracht.
Aber auch nach einer andern Richtung gibt der Name Djaba einen Anhaltepunkt und Ausblicke. Djaba ist Plural; das Pluralsuffix ist ba, der Singular also dia. Dia ist in dieser Gegend nur bekannt als erster Jäger aus dem Bussalande (Geschichtsüberlieferungen Atlantis Bd. V), aber welch enorme Bedeutung das Dia, das Ort und Name für die alten Songhaireiche und Mandereiche
hatte, jene Länder, in denen der König in Dia gekrönt wurde und in denen eine ganze Dynastie von 32 Herrschern sich mit dem Ruhmesnamen Dia benannte. Sollten wir in den Königen der Diabastämme, deren letzte reine Dynastie heute in Fada Gurina Hof hält, Verwandte der alten Za oder Dia vor uns sehen, die von 800 bis 1330 in Kukia und Gaö herrschten?Doch kehren wir zurück zu jenem Splitter, dessen ethnographischer Analyse dieses Kapitel gewidmet ist, zu den Bassariten. — Die einzelnen Gurmastämme haben außer andern Eigenarten auch in wirtschaftlicher Hinsicht Sonderentwicklungen durchgemacht. So sind die Tamberma und andere fast reine Ackerbauer, die Konkomba halbnomadische Farm- und Viehbauern, die Bassari aber sind zu Industriellen geworden. Die Banjelli sind die großen Eisenhütter, die Bassariten selbst die großen Schmiede, die Tschamba aber die Kalebassenschnitzer Nordtogos. Dadurch und durch Beeinflussung seitens der Nachbarn haben sie vor allem verschiedene Charaktere angenommen. Die Bassariten haben doch heute sogar einen Kotokollihäuptling. Dazu kommt noch, daß eine verschiedene Mischung mit alteingesessenen Stämmen vor sich ging. In Ländern wie dem eisenreichen Bassarigebiet ist die Industrie bodenständig, auch wenn die Völkerwellen darüber hin-Wogen. Und an den bodenständigen Industrien haften stets ältere Bevölkerungsteile.
Übrigens wissen die Bassariten etwas von ihrer Vergangenheit, wenn es auch wenig ist. Sie sagen: sie seien nicht immer am Bassariberge ansässig gewesen. Sie kamen von weither, zuletzt durch große, große Wälder, die im Nordwesten Bassaris liegen und vorher aus einem fernen Heimatlande (wohl auch im NW oder im N), in dem war keinerlei fließendes Wasser; man schöpfte Wasser aus Brunnen. Dies, ihr Heimatland, nennen sie Beden-zaw. Heute nennen sie sich Bassar nach dem großen Berg, an dessen Fuß ihre Dörfer liegen. Sie sprechen übrigens (nach eigener Angabe) mit einigen Stämmen den gleichen Dialekt, so mit den Bitschamba (vgl. Utohambaritja, bei Sokodd), dann mit den Banjerre (vgl. Bandjerritja) und andern nach Osten zu ansässigen Stämmchen. Sie nennen sich selbst Bassar (vgl. Bassaritja). Als Beteiligte an der Sprachgemeinsamkeit reden sie von Tessau-nubande (vgl. Bokouo tessari-nu-bande). Das sind die, die den gleichen Dialekt sprechen, während Bene-Schambe Freunde heißt und man darunter im weiteren Sinne Gleichsprachige versteht.
Die politische Organisation der Bassari ist ungemein schwach, immerhin ist eine solche vorhanden. Es ist also nicht jener Zustand wie bei Kipirsi und Lobi, wo Gehöft gegen Gehöft steht, Familie gegen Familie, oder wie bei Transkarajern, bei denen sich
aus solchem Zerfall zuletzt eine republikanische Ordnung ohne Staatsvertreter herausbildet. Die Bassari haben vielmehr Häuptlinge, und zwar wird ein solcher Obote (Plural Ubotiwe) genannt. Es ist das gleiche Wort wie Obato =König in Fada Gurina; also haben wir es mit einer sehr alten Einrichtung der Gurmavölker zu tun. — Der vorige Häuptling von Bassari stammte aus Tokotequande. Es war ein reiner Bassarit. Der jetzige dagegen, der Uro (=Häuptling, ein Timwort) Tagba ist mütterlicherseits ein Tim. Früher setzte man die Obotes nach Wahl der Alten ein — aber auch ab, wenn der Herr nicht mehr konvenierte. Die Obotewürde war nie erblich, und die Charaktereigenschaften der Bassariten sind so, daß eine Erblichkeit kaum aufkommen oder sich erhalten konnte.Die Charaktereigenschaften der Bassariten - ein etwas trauriger Absatz. Selten, daß ich eine solche Sammlung schlechter Typen zusammen sah wie hier. Keine Spur von Treue! Egoisten schlimmster Sorte; diebisch und großmäulig, klatschsüchtig, lügnerisch, feige -ach, die Liste läßt sich noch bedeutend verlängern! Als ich im Sinnhof wohnte, verging nicht ein Tag, der nicht mehrere schöne Eigenschaften zutage gefördert hätte. Ich bemühte mich studienhalber, die Leute dazu zu bewegen, das kleine Nest, in dem ich wohnte, in Ordnung zu bringen. Ich werde im Reisebericht erzählen, daß ich das studienhalber tat, und wie die Leute mir das mit ihrem, jedem Gemeinsinn zum Trotz wirkenden Egoismus erschwerten. Ich vertiefte mich in ihre Dorfgeschichten, um auch diese Seite des Negercharakters einmal wieder zu studieren, und ich fand Haus für Haus, Gehöft für Gehöft einen inneren Schmutz, dem gegenüber der Schmutz und Zerfall, der dem äußeren Auge schon unangenehm auffiel, einem noch als himmlische Ordnungsliebe und Reinheit vorkam. Es ist nicht nötig, daß ich das alles an dieser Stelle noch einmal wiederhole.
Der äußeren Erscheinung nach bieten die Bassariten nichts Auffallendes. Es gibt sehr helle Familien. Aber die Mehrzahl des Volkes ist dunkel. Der Profilbau des Schädels schien nur bei den Banjelliweibern gewissermaßen charakteristisch und ließ ich deswegen Herrn Nansen einige Porträtaufnahmen herstellen. — Vertiefen wir uns nun in den Lebenslauf dieser Leute.
b) Liebe und Ehe, Brautraub usw.Wenn der Bassaritenbube das Alter von etwa 8 Jahren erreicht hat, bringt er den Alten Wasser auf das Feld heraus, röstet ihnen über Mittag auch den Jams. Mit 10 Jahren führt er die Hacke und wirkt kräftig mit, und mit 15 Jahren schon heiratet der
Bursche. Denn schon, wenn er noch sehr jung und sehr unentwickelt ist, sieht der Vater sich nach einer Braut (=Mbua, Pl. Mbuombo, mit dem gleichen Worte bezeichnet man auch den Bräutigam) für seinen Sprossen um. Sowie die Vereinbarung getroffen ist, beginnt der Schwiegervater sogleich seinen zukünftigen Eidam gründlich auf seinen Feldern zu beschäftigen. Und da auch der Vater von seinem Sohne kräftige Knechtsdienste fordert, so bleibt dem Burschen nichts anderes übrig, als den zweiseitigen Ansprüchen entsprechend seine Zeit auf des Vaters und Schwiegervaters Gütern zu verarbeiten. So ein Junge greift gut zu, wie überhaupt das Sympathischste an den Bassariten der Fleiß ist, mit dem sie ihre Felder bearbeiten-wohlgemerkt, "ihre", denn nur für sich selbst strengt der Bassarit sich an, wenn nicht eine ermahnende Macht hinter ihm droht. — Für seine Arbeit auf des Schwiegervaters Acker hat der Bursche zunächst nur eine Entschädigung. Wenn nämlich die Schwiegermutter Bier gekocht hat, so läßt sie ihm das mitteilen - dann kommt er herüber und trinkt solange, bis er umfällt. Er kehrt an solchen Tagen nicht zum eigenen Dorfe zurück, sondern bleibt bei den Eltern der Braut zu Nacht. Es kommt aber zu keinerlei Unordnung zwischen ihm und dem Mädchen, denn die Leute schlafen getrennt und an verschiedenen Stellen des Gehöftes.Überhaupt habe ich bei allen Gurmavölkern gefunden, daß überall der Bräutigam sein Mädchen durch Dienstleistung gewinnt, daß beide Teile des Brautpaares nach Gefallen geschlechtlichen Genüssen nachgehen, daß keiner von beiden dem andern nachstrebt (oder auch daß beide von den Brauteltern auseinander gehalten werden) und daß endlich der Bursch das Mädchen "raubt". — Alles das stimmt auch hier. Das Mädchen mag gehen, mit wem es will. Und der Wille scheint im allgemeinen nicht sehr eingeschränkt zu sein. Aber mit dem Bräutigam gibt sich die Braut nicht ab, und von ihren Liebschaften hört er auch erst, wenn sie als Gattin sein Lager zu teilen gewohnt ist. — Also schläft das Mädchen zunächst heimlich mit andern. Bedenklich wird die Sache nur, wenn eine Schwangerschaft folgt. An sich ist das auch nicht weiter schlimm, aber immerhin erhält der Bräutigam dann das Recht, sich von der Braut loszusagen, und der Schwiegervater muß dem Eidam dann für die geleistete Arbeit eine Kuh oder den Wert von 120000 Kauri (= Dene mirre, Plural: anne mirre) zurückerstatten. Viele Bräutigams fassen die Sache aber nicht tragisch auf und nehmen die fruchtbare Braut ins väterliche Haus - womit dann natürlich dem Schwiegervater eine Arbeitskraft, die ihm sonst wohl noch einige Jahre zur Verfügung gestanden hätte, entrückt wird.
Doch das sind Ausnahmen. Auch hier geht es mit der Verführung und dem Leichtsinn schneller als mit der Befruchtung. Der regelmäßige Verlauf ist folgender: Wenn ein Mädchen nach äußerer Formentwicklung und nicht mißzuverstehenden organischen Funktionserscheinungen reif und erwachsen ist, läßt sie sich durch einen darin geübten Mann, einen Tätowierer (= Unmanmalle, Plural: Unmalmalibe) auf Nacken (=Usserebo) und Bauch (=Upore) mit Marken zeichnen. Die Marke heißt Bitjateingui. Es kommen zwei Typen vor. Beide stellen Idjo quarre (Plural: Adjequalla), die Eidechse vor. Bekannt und beliebt ist noch die Marke: Betjetessi-angele-ingmi (angele Hand, ingmi Strich), das sind drei lange nebeneinander laufende Schnitte. Bemerkenswert ist, daß auch bei den Männern die Eidechsendarstellungen sehr beliebt sind und daß man sie sehr häufig auf dem Bauche sieht. Als einzige Antwort auf die häufigen Fragen nach Sinn und Sittenursprung verzeichnete ich die allzuhäufige Antwort: "Das ist schön."
Die Brauteinholung erfolgt bald nach der Tätowierung der Maid, aber nie in der Regenzeit (=Kuisseum), stets in der Trockenzeit (=Depaere). Die Form ist auch hier die des Brautraubes. Der Bräutigam steckt sich hinter eine Frau, die Dorfgenossin seiner Braut ist. Sie muß es ihm mitteilen, sobald das Mädchen einmal allein in den Busch ging, um Feuerholz zu holen oder Kräuter zu sammeln. Dann kommt er sogleich mit einigen Freunden herüber und legt sich auf die Lauer. Er sucht das Mädchen zu fangen und in sein Dorf zu schleppen. Es wird ihm auch meist gelingen, und das Ganze ist auch hier eine Farce. Stets wird der Brautfang im Busch, draußen am Bach, außerhalb des Dorfes vorgenommen. Nie wird ein Mädchen etwa aus dem Hause weggefangen. Alle Welt würde Protest dagegen einlegen und würde sagen: "Das Mädchen hat doch nicht gestohlen!"
Das eingeheimste Mädchen wird auf dem Wege zum Hause des Bräutigams nicht gerade allzusanft angefaßt. Auch die älteren Vertreterinnen dieses Geschlechtes, die doch sonst ganz gern Lärm schlagen, sagen nichts dazu, sondern sehen still zu, wie die Geraubte durch die Straßen gezogen, gezerrt, gestoßen und geschleppt wird. Wehrt sie sich zu sehr, so nehmen die Burschen sie hoch und tragen sie, so gut das zappelnde Wesen es zuläßt. Ich sah solche Brauteinholungen, die letzten der Trockenzeit, aber es scheint mir recht beachtenswert, daß mir auch hierbei wieder der natürliche Anstand der Neger auffiel. Ich kann nicht oft genug betonen, daß diese Leute bei aller ihrer Primitivität - oder vielmehr gerade wegen ihrer Primitivität - von einer Harmlosigkeit und Anständigkeit sind, die uns Europäer, wenn wir ehrlich sind, oftmals
in Erstaunen setzen und beschämen muß. Bei solchen Anlässen würde es bei uns die junge Männerschaft sicherlich nicht an plumpen Witzen und Sticheleien, und wenn sie auch nur gegen den Bräutigam gerichtet wären, fehlen lassen. Nichts dergleichen bei diesen Menschen. Und doch müßte nach unsern Begriffen das Gebaren der strampelnden Braut (die auf diesem komischen Brautgange gar bald alle Kleider verloren hat), ihre Bloßstellung alles dessen, was die Weiblichkeit sonst zu verbergen sucht, sowie die unwillkürlichen Griffe der packenden Männerschaft, die das kräftige, strampelnde Wesen zu fassen sucht, wo sie kann, zu allerhand lüsternen Scherzen Veranlassung geben. — Die Burschen trugen aber ihre holde Last mit wunderbarem Ernste und mit harmlosestem Dreinschauen. — Bemerkenswert ist, daß das Gehaben der Braut lokaler Gesittung unterworfen ist. In einigen Dörfern müssen sie sehr strampeln, in einigen weniger und in einigen sollen sie, einmal ergriffen, sich ohne Widerstand, aber unter Tränen ins "Brautgemach" führen lassen.Dies Brautgemach ist ein kleines Wohnhäuschen im Gehöft des Bräutigams. Eine Freundin begleitet sie dahin und bleibt auch zunächst bei ihr, während nachts, um ein Entweichen der Braut zu verhindern, die Männer des Gehöftes Wache haltend liegen. Während sieben Tagen sitzt das Mädchen so in der Klause und verbringt ihre Stunden abwechselnd mit Heulen und Biertrinken. Man sagt, die in der Klausur befindlichen Mädchen tränken sehr viel Bier. Soweit geht es der Braut ganz gut.
Aber sie muß jammern und plärren. Vollführt sie das nicht ordentlich, so wird sie gründlich verspottet, und dann kommt es zu recht kräftigen, sexuellen, aber immerhin natürlichen Zurufen; ich hörte selbst einmal den schönen Zuruf einer älteren Frau: "Die kann den Penis nicht schnell genug essen!"Das galt einem Mädchen aus Wodande, das gerade einmal zehn Minuten im Heulen pausierte. Weiterhin ist bemerkenswert, daß die Mutter der Braut nicht in die Brautkammer gehen darf, da sie sonst verlacht wird. Mir wurde gesagt, daß sie überhaupt der Tochter nicht näherkommen dürfe. Aber viele dieser alten verschrobenen (weil nicht mehr in die heutigen Verhältnisse passenden und nicht mehr verstandenen) Sitten sind noch bekannt und im Volksmunde üblich, ohne ausgeübt zu werden. Wie dem auch sei, an der Tür der Brautkammer, in der ein Mädchen aus Biquassibe saß und weinte, sah ich einmal deren Mutter stehen, und was sie sagte, ward mir übersetzt wie folgt: "Du weinst doch? Und dein Mann hat viel Arbeit für dich geleistet! Er ist ein anständiger Mann! Er ist ein starker Mann. Er trinkt auch nicht. Laß also das Weinen!"
Übrigens halte ich es für richtig, an dieser Stelle den Eindruck wiederzugeben, den ich mitten im betr. Sittengebiet von der Bedeutung des Brautraubes und seiner Entstehung gewann. Nach der Legende vom Raub der Sabinerinnen hat man die wohl allgemein gültige Theorie betreffend die Entstehung dieser Sitte geschaffen, die mir aber für die Gurmavölker nicht ganz zu passen scheint. — Hier hatte ich - und ich habe mich öfters mit Weibern darüber unterhalten, um ihre Stimme in dieser Sache nicht zu überhören - den Eindruck, daß der Brautraub eine unbedingte Folge der jugendlichen Verlobung und der Brautwerbung durch langjährige Arbeit sein müsse. Diese Form der Aneinanderbindung schließt jede Neigungsehe (als allgemein üblich) so gut wie aus. Es ist, eben die ursprünglichste Konvenzienzehe, bei deren Abschluß gar nicht nach Neigung gefragt wird, da beide Teile bei dem Kontraktschluß, der durch die Eltern erfolgt, viel zu jung sind, ja sich oft gar nicht einmal kennenlernen. — Bis zur Ehe aber üben Bursch und Mädchen die Hingabe nach Neigung. Ich kann hier nicht weitschweifig über die Empfindungen reden, die ich männlichen und weiblichen Vertretern der Negerrasse abgelauscht habe, will aber betonen, daß für die Negerin auf jeden Fall zur Wahl und Zulassung zu geschlechtlichem Genuß mehr Zuneigung notwendig ist als für den Neger. Der übliche Schwarze läßt sich fast ausnahmslos mit jedem weiblichen Wesen ein, das ihm in den Weg kommt, Weib ist Weib - wenn ich auch nicht gesagt haben will, daß er nicht etwa persönlicher Leidenschaften und Zuneigung fähig wäre. Aber der Neger ist wohl stets bereit, sich mit jedem geschlechtsfähigen Weibe einzulassen, während die Negerin unbedingt von Natur und nicht nach Drill der Neigung zu folgen stets bereit ist. An anderer Stelle darüber mehr mit Einzelheiten. Der Brautraub selbst nun macht unbedingt den Eindruck der symbolischen Loslösung des Weibes aus ihrer Schutzsippe.
Dies vorausgesetzt, muß es verständlich werden, daß diese jungen Weiber, die sich mehrere Jahre in Neigungshingabe geübt, ja wohl sicherlich auch schon in ein Gewohnheitsverhältnis gekommen sind, beim Zerreißen dieser Beziehung sich zunächst sträuben, dem gleichgültigen Eheherrn auf das Lager zu folgen. Ich glaube, daß wir für diese Sitte der Gurmastämme solchen Gedankengang entschieden berücksichtigen müssen. Wenigstens für die Sitten- und Anschauungsbeziehungen und -entstehungen.
Heute ist das oftmals anders. Wenigstens bei den Bassariten. Es gibt bei den Bassariten Verhältnisse und Vorkommnisse, für die diese Analyse noch stimmt. Es gibt auch wohl noch abgeschlossene, seitwärts der großen Straßen wohnende Gurmavölker, bei denen wir solche Konfliktsaktivität noch als vorwiegend bezeichnen kön
nen. Die Bassariten zeigen aber wie in vielem auch hierin einen häßlichen Allgemeintyp. Die Bassariten sind lax und in den geschlechtlichen Instinktäußerungen der Weiber verroht. Das Bassaritenweib ist geneigt, dem zuzulaufen, der am wohlhabendsten ist, und es ist ein alltägliches Vorkommnis im Soldatenlager, daß die Weiber den biederen Kriegern truppweise zulaufen, weil sie bei diesen am wenigsten Arbeit haben. Nun, da ist im besten Falle allerdings nebenbei noch von der Anziehungskraft des bunten Rockes, sicherlich aber nicht von eruptiv und impulsiv auftretenden Neigungsäußerungen zu reden, und wer etwa die Bassaritenweiber nach den Erscheinungen dieses Milieus abschätzen will, der wird für meine Erklärungen des Brautraubes kein Verständnis finden.Beendigen wir aber die Schilderung der Brautraubsitten. —Nach siebentägigem Jammern legt sich der Schmerz der Jungfrau und die Freundin verläßt sie. Der Bräutigam betritt nun das Brautgemach und vollzieht das erstemal seine eheliche Rechtsvollstreckung. Am andern Tage hat er dann vier Töpfe Bier und 2000 Kaurimuscheln dem schwiegerelterlichen Hause zu übersenden. Die Schwiegermutter verteilt das Bier und der Schwiegervater kauft Hühner. Er ruft alsdann die jungverheiratete Tochter. Er schlachtet die Hühner. Er bindet der jungen Frau Hühnerfedern um Arm- und Fußgelenke. Das geschieht, damit sie fruchtbar und bald schwanger werde.
Hier sei gleich angefügt, daß die junge Frau nicht ununterbrochen bei ihrem Manne bleibt, daß sie vielmehr unbedingt noch eine Zeremonie zu erfüllen hat: sie muß anstandshalber noch einmal fortlaufen. Das geschieht zwischen dem dritten und siebenten Tage nach der Verehelichung, und es ist unschicklich von einem jungen Ehemanne und wurde ihm früher als eine unanständige Taktlosigkeit ausgelegt, wenn er durch allzu scharfe Kontrolle der Frau die Erfüllung dieser Anstandssitte unmöglich machte. Heute wird der Brauch nicht mehr so streng gefordert. Die Jungverheiratete lief also noch einmal fort und zum heimatlichen Dorfe zurück. Im Hause der Mutter blieb sie ein bis zwei Tage und ließ sich von der Mutter dann überreden, zum Gatten zurückzukehren. Vollführte das Mädchen diese Weglauferei nicht, so kam sie bei ihren Freundinnen ins Gespött und es ward ihr nachgesagt, sie sei allzu geil und könne nicht eine Nacht mehr ohne Beischlaf verbringen. Und in der Tat scheint mir heutzutage ein unbedingter Zusammenhang zu bestehen zwischen der tatsächlich bedeutenden Kohabitationslust der Bassariweiber und dem Bedürfnis, sie zu verbergen, wie es eben aus dem von Freundinnenseite erhobenen Ausspruch zu erkennen ist. Aber die Geilheit der Bassariweiber ist eine Folge neuerer Verderbtheit, die zum Beispiel den Konkombafrauen nicht eigen ist (siehe später). Die Wirkungen derartiger Verschiebung
sind natürlich durchaus danach angetan, die alte Sittenentwicklung zu verschleiern, indem sie für alte Sitten Beweggründe sucht, die der neuen Gesittung entsprechen. — Unter Anwendung rückschließend komme ich zu dem Ergebnis, daß in einer keuscheren Zeit, als man noch nicht Veranlassung hatte, das Geschlechtsverlangen zu verbergen, und in der die Mädchen noch treuer an ihren Geliebten hingen - daß in dieser Zeit die gegen ihre Neigung verehelichte junge Frau jede Gelegenheit wahrnahm, den Armen des ungeliebten Mannes zu entlaufen, um daheim eine Zuflucht zu suchen.Gesagt muß werden, daß die Sittenausübung des Wiederweglaufens in den verschiedenen Dörfern recht verschiedenartig ist. Sehr oft soll es vorkommen, daß die junge Frau zu dem bestimmten Manne nicht wieder zurückkehren will. Sie wird vielleicht mit Gewalt zurückgeschleppt, muß vom Gatten (vorausgesetzt, daß er über die genügenden physischen Kräfte verfügt!) zur Erfüllung seiner Eherechte vergewaltigt werden, und läuft doch wieder fort. Oftmals soll in einigen Ortschaften das Weib nicht wieder zurückzubringen sein, und das sind dann die Fälle, in denen sie fest an dem Geliebten hängt und hält. Es soll vorkommen, daß dem Gatten von diesem Geliebten, bei dem die Frau dann bleibt, nicht einmal der Wert der für das Weib geleisteten jahrelang ausgeführten Arbeit zurückerstattet wird, weil derselbe einfach nichts hat, und daß trotzdem das Weib bei ihm, dem Geliebten, bleibt. Das ist dann ein Sichbeugen vor der Macht der edleren Natur.
In andern Dörfern wieder laufen die Frauen ihren Männern mehrfach fort und schlüpfen bei ihren Müttern unter. Die Mütter schützen sie dann. Die jungen Frauen geben aber an: "sie seien weggelaufen, weil es ihnen zu langweilig geworden sei." In solchen Fällen ist es nicht schwer, die jungen Frauen zurückzuschleppen - angenommen, daß in der mehrfach wochenlang währenden Zwischenzeit die junge Frau nicht von einem Liebhaber gefesselt wird. Auch das ist nicht selten. Die Sache ist dann kompliziert. Der junge Mann hat es nun um so schwerer, wieder in den Besitz der Frau zu kommen, aber abgesehen von der Abneigung derselben, kommt noch die Indifferenz der Verwandtschaft und Freundschaft jenes Dorfes hinzu, in dem sie beheimatet ist und jetzt ihren Liebhaber gefunden hat.
Die Bassarifrauen sind nicht treu, solange sie nicht Mütter sind oder sich nicht Mutter fühlen. Dann erst ist eine Ehe leidlich haltbar und darum wünscht der Mann sich möglichst baldiges Erscheinen von Nachwuchs.
Bleibt noch das entsprechende Verhältnis bei den Vettern der Bassariten, den Konkomba, zu erwähnen. Hauptmann Mellin erzählte
mir von den Erfahrungen, die er mit den Konkombaburschen und -mädchen gemacht hat, als er die große Brücke über den Konkombafluß bei Jogu schlagen ließ. Zur Ausführung dieser Arbeit hatte er Konkomba ausheben lassen. Als Steinarbeiter traten zumeist Burschen in den besten Jahren an, die noch nicht verheiratet waren, die aber zum größten Teil von Mädchen begleitet waren. Diese Mädchen bereiteten für die Burschen das Essen und verrichteten alle den Weibern zukommenden Arbeiten. so daß für die Burschen ausgezeichnet gesorgt war. Wieweit die wirtschaftliche Fürsorge der jungen, unverehelichten Mädchen für ihre Liebhaber ging, ist daraus zu ersehen, daß sie bald mit wirtschaftlichem Scharfblick eine ausgezeichnete Einnahmequelle entdeckten. Beim Freilegen des Flußtales und dem Dammbau wurde viel abgestorbenes Holz weggeräumt. In Magnu war seit alters her Mangel an Brennholz und einige alte Weiber in Mangu verkauften Brennholz zu hohen Preisen auf dem Markte. Die jungen Konkombaweiber ersahen ihren Vorteil und brachten das von den Burschen beiseite geräumte Altholz zu Markte. Sie verkauften es (zum Ärger der alten Manguhökerinnen) und erzielten durch den Erlös die Möglichkeit, ihren Liebhabern gutes Essen vorzusetzen. Wir sehen also eine voreheliche, enge Wirtschaftsgenossenschaft.Der Fall interessierte mich natürlich außerordentlich, und ich ging der Frage nach, in welchem Verhältnis diese Mädchen zu den Burschen standen. Zunächst ward die Ansicht vorgebracht, daß die Mädchen die Bräute der Burschen seien, für die die Burschen auf den schwiegerväterlichen Feldern arbeiteten. Als ich der Sache dann aber energisch nachging und besonders die halbnomadischen südlichen Konkomba fragte, in welchem Verhältnis solche unverheiratete Begleiterinnen zu den unverheirateten Burschen stünden, wurde aus allen Angaben sicher, daß dies nicht die Br&ute, sondern die Geliebten der Burschen seien, daß also genau der gleiche Ritus bei Konkomba und Bassari ist.
Bei den Konkomba ging - denn es ist damit infolge des Regierungsverbotes, eine Braut zu erarbeiten, vorbei -also das Verhältnis der Neigungsbeziehung vor der Ehe noch weiter als bei den Bassari. Bei den Konkomba begleiteten die Mädchen die Burschen, schliefen nicht nur mit ihnen, sondern bildeten auch mit ihnen wirtschaftliche Einheiten, die erst mit der zwangsweisen (Brautraub) Verehelichung des Mädchens aufgelöst wurden. Da aber die Konkomba ihrer wirtschaftlichen Lebensform nach dem älteren Typus der Gurmavölker viel näher stehen als die "industriellen" Bassari, so erscheint mir für die Beurteilung der Sittenentwicklung dieser Völker - in diesem Punkte - die Konkombagewohnheit recht wichtig.
Zum Abschluß sei betont, daß ich bei der Nachforschung auf diesem Gebiete vielen und heftigen Widerstand fand, daß mir viel vorgelogen wurde und daß ich nur durch immer wiederholte Kreuzverhöre und peinlichst genaue Beobachtungen während der Zeit im Sinnhofe das hier Zusammengestellte erkunden konnte. Der Grund liegt darin, daß die Deutsche Regierung entsprechend den Erfahrungen der Bezirksleiter das Erarbeiten der als Kind angelobten Braut hinfällig gemacht hat. Ein Mädchen braucht gegen seine Neigung dem aufgezwungenen Manne nicht zu folgen, wenn es auch bei seiner Gattenwahl den Rat der Eltern berücksichtigen muß. Diese Anordnung, die von Regierungsrat Kersting und Hauptmann Mellin bei allen Streitschlichtungen aufrecht erhalten wurde, hat naturgemäß zur Folge, daß nun alles, was mit der Kinderverlobung, Brauterarbeitung und dergleichen zusammenhängt, mühsam verborgen wurde, daß diese Sitten der geschäftlichen Konvenienzehe aber immer mehr verschwinden und der Neigungsehe Raum gegeben wird und daß es dem Völkerkundler immer schwerer werden wird, auf diesem Gebiete Material über diese archaistischen Ehegesittungsformen zu sammeln.
c) Hausbau, Gehöft, BrautausstattungDas jung verheiratete Ehepaar löst sich als neue, selbständige Wirtschaftszelle aus väterlicher und mütterlicher Familienzugehörigkeit ab. Der junge Mann verläßt das väterliche Geschäft. Er gründet eine eigene Wohnstätte. Das erste, was er zu diesem Endzwecke tut, ist, daß er auf die Jagd geht und ihr solange obliegt, bis er ein großes Stück Wild zur Strecke gebracht hat. Das Wildbret dient ihm zum Anwerben freundlicher Mitarbeiter beim Gehöftbau. Die junge Frau kocht Speisen, große Schüsseln voll, oben darauf liegt ein lockender Fleischbrocken. Der Vater des jungen Ehemanns muß einmal seinen Geiz überwinden und anstandshalber Guineakorn herausrücken, aus dem die junge Frau große Töpfe voll braut. Darauf kommen dann Freunde und Freundinnen herbei und helfen beim Bau.
Die Ortschaften der Bassari liegen - im Gegensatze zur Ortsanlage bei Konkomba, Moba, Tschekossi usw. —geschlossen und nicht in weiter Zerstreuung zwischen den zugehörigen Farmen. In oder an das geschlossene Dorf klebt der junge Ehemann nun sein neues Gehöft. Man findet, seitdem in vergangener Zeit Krankheiten die Bewohnerschaft am Bassariberge arg dezimiert haben, allenthalben eingefallene Gehöfte. Mauern sind eingestürzt, der Boden ist hügelig und man braucht nur die höheren Stellen wegzuräumen, um genug Material zum neuen Bau zu gewinnen.
Kornstampfende Frauen (Banjeli, Nord-Togo, Bassari)Das ist die Arbeit halbwüchsiger Jungen. Sie hacken mit der Bassarihacke die aus "zerflossenen" Mauern entstandenen Unebenheiten des Bodens ab und auf, werfen zuweilen die alten Mauerreste um - zuweilen ist man faul genug, sie zu erhalten und von ihnen aus das Abgestürzte durch neues Mauerwerk zu ergänzen - und stellen jedenfalls auf einer verhältnismäßig planen Fläche ein Trümmerfeld von lehmigen Erdklößen her. Danach werden die Hacken weggelegt und die Burschen nehmen ordentliche Holzknüppel zur Hand, mit denen sie die Erdklöße gründlich zerschlagen. Ein muffiger Staub erfüllt die Luft.
Die erste Arbeit der Jungen ist damit vollendet. Nun kommen Mädchen und Frauen und schleppen Wasser herbei. Das Wasser wird kübeiweise auf die zermalmte Erde gegossen, und dann ein teigiger Brei durch Treten angerührt. Dabei sind dann schon die Männer beteiligt, indem der eine oder andere durch Mittreten gutes Beispiel gibt, die meisten aber, indem sie beobachten und prüfen, ob der Lehm auch gut gemengt ist. Denn es muß ein gleichmäßig gemischter Teig sein, sonst hält das Mauerwerk nicht.
Am gleichen Tage noch beginnt der eigentliche Hausbau. Ein darin geübter Mann zieht mit einem Stock im Boden einen Kreis, den Grundriß der Hütte. Dann packen mehrere Männer an. Die Jungen reißen aus dem Lehmbrei tüchtige Fetzen los und formen sie mit den Händen zu Ballen von etwa Vierfauststärke. Die fast kugeligen Ballen werden von den Männern übernommen. Meist knetet der Mann den Ballen noch einmal durch, und wenn er ihm zu feucht scheint, wälzt er ihn auch wohl erst über den trockenen, staubigen Boden. Dann "kleben" die Männer die Mauer auf - erst im Ring auf dem vorgezeichneten Kreise und dann höher. Jeder steht an seiner Stelle, es geht nicht etwa jeder rund herum. Um eine Hüttenmauer herum arbeiten ungefähr fünf bis sechs Männer.
Die Bassariten kennen also den lufttrockenen Ziegel nicht. Sie kleben in der primitivsten Weise gleich den afrikanischen Wespen aus feuchten Ballen die Mauern zurecht. — Das Mauerwerk ist zunächst schwarz. Wenn man ein ca. zwei Fuß hohes Stück fertig hat, wartet man ein wenig, vielleicht einen, höchstens zwei Tage und klebt dann weiter, bis man die bis zwei Meter hohen Wände fertig hat. Gleichzeitig mit der Klebarbeit verrichten die Männer das Abrunden und Glätten der Mauern.
Bei der üblichen Wohnhütte wird eine Tür nicht ausgespart. Wenn die Mauer hochgeführt ist, nimmt ein geschickter Mann die Hacke und kratzt und hackt die Linie in die Wand, die die Türöffnung darstellen soll. Dann wird die Öffnung herausgeschlagen und der Rand geglättet.
Das übliche Bassaritengehöft besteht gleich dem Konkombagehöft zumeist aus einer Eingangshütte, zwei bis vier Wohnhütten, einem Stall und eventuell noch einigen in die Mauer eingelassenen Kegelpfeilern, deren hohles Innere als Stall dient. Diese Kegelpfeiler sind besonders in Kabu häufig in den Mauern zu beobachten, während sie bei den Konkomba und den eigentlichen Bergbassariten als Türpfeiler der Durchgangshütte errichtet sind und hier ein konstruktives, die Mauer abschließendes und somit haltendes Glied repräsentieren. Indem ich auf die entsprechenden Zeichnungen eines Konkombagehöftes verweise, glaube ich im allgemeinen der näheren Schilderungen überhoben zu sein.
Nun sei einer Variante der Bassariten gedacht, die interessant genug ist, um erwähnt zu werden. Ich fand diese Kegeipfeiler nicht als Türpfeiler, sondern als stützendes Glied in der Mitte einer längeren Mauer eingelassen. Bei dieser war nämlich die "Kuppelspitze" durch einen umgekehrten Kochtopf gebildet, eine ebenso einfache wie glückliche Lösung des Problems des Abschlusses. — Auf diese Kegel- und Säulenpfeiler kam ich schon bei Behandlung der Transkarabauten zu sprechen. Die kümmerlichen Anfänge sah ich seinerseits gelegentlich der Uolosso-bugu-Reise - die gewaltigste Ausgestaltung beobachtete Hugershoff bei den Karborro.
Nach Herstellung der Hütten- und Verbindungsmauern gehen die Leute an die Herstellung der Dächer. Zur Aufrichtung der Mauern benötigt man etwa vier bis sechs Tage, dann kommt ein Ruhetag, an dem die Sonne das letzte Trockenverfahren zu erledigen hat und in dessen Verlauf die Burschen durch den Busch ziehen, um Bambus zu schlagen. Strohbündel sind schon im Frühling geschnitten und seit jener Zeit in der Sonne ausgedörrt. — Das wird nun zusammengebracht. Die Bambusse werden untereinander verbunden, dann werden die Grasbündel darüber auseinandergerollt. Die drei bis vier Dächer des Gehöftes sind in nicht mehr als zwei Tagen fertiggestellt, so daß die Errichtung der neuen Behausung kaum mehr als eine Woche beansprucht.
Wenn nun alles vollendet ist und die Leute heimgehen, so schlachten die abziehenden Mädchen am ersten Kreuzwege einen Hahn. Das soll Glück bringen.— Nun bleibt nur noch eines: der Wandschmuck. Die älteren. schön erhaltenen Konkomba- und Bassarigehöfte sind nach der Hofseite mit hübscher Strichornamentierung der Hütteneingänge versehen. Die Muster sind eingekratzt. Die Kehlen sind mit Farbe ausgemalt. Die Oberfläche aber ist glattgerieben, und diese Arbeit verrichten die beiden Mütter (die des Ehemannes und die seiner jungen Frau).
Ein neues Bassarigehöft sieht schmuck und sauber aus. Aber
dieser Zustand währt nur bei den Einzelhöflern lange. Es ist fast so, als vertrügen diese Einrichtungen nicht eine gruppenweise Vereinigung, als trage das Beispiel eines einzigen, unordentlichen Baues die Spuren der Vernachlässigung und des Zerfalles über das ganze Gemeindewesen.Das Stück eines Bassariweilers habe ich aufgenommen, aber ich fürchte fast, daß ich ein falsches Bild gebe, denn ich habe eine möglichst gut erhaltene Ecke, und zwar die, nachdem sie repariert war, ausgewählt. In den Vordergrund muß ich die Angabe stellen, daß der Stoffwechsel der Bassariniederlassungen ein außerordentlich schneller ist und daß zweitens die meisten Leute zur Erhaltung nicht viel tun. Oben wurde die Bauweise in Klebmanier ohne Verwendung von Trockenziegeln erwähnt. Das Mauerwerk zerschmilzt ebenso schnell, wie es aufgerichtet ist. Sobald das Dach an einer Ecke schadhaft ist und der Regen Eintritt erhält, beginnt er sein Zerstörungswerk und beeilt sich eine Rinne zu schaffen, hie und da die löslichen Bestandteile herausschälend. Weiterhin zeigen die die Hütten verbindenden Mauern eine entschiedene Neigung, nach außen umzufallen, und wenn dann nicht beizeiten ein mit einem Stein beschwerter Gabelbalken als Stütze aufgerichtet wird, so ist das Unglück geschehen. Wo das Rindvieh durch die Torhütten einund auszugehen die Gewohnheit hat, da werden die Kegeipfeiler durchgescheuert und stürzen ein. Wenn in zwei benachbarten Gehöften zwei Freundinnen sind, so wird ihnen der Umweg durch die Tore bei den häufigen Besuchen bald zu dumm. Sie steigen über ein verbindendes niedriges Mauerstück, brechen wohl auch ein wenig ab, und so liegt es bald als zusammengetretener Erdhaufen am Boden, als letzter Rest des Weilers.
Und niemand tut etwas zur Erhaltung. Oft sterben auch alte Leute, deren Nachkommen schon längst eigene Gehöfte gebaut haben. Man läßt ihre Wohnungen einfallen, wann und wie sie wollen, und es ist durchaus üblich, daß der Nachbar auf dem Trümmerhaufen, nachdem er ein wenig behackt ist, seine Tabakspflanzungen setzt. Und so zerfällt das Ganze immer weiter. Je mehr alte Leute, desto schlimmer der Zustand.
Im Fortspinnen unseres Fadens sei bei Aufzählung des üblichen Gerätes zunächst das erwähnt, was die junge Frau als Ausstattung von der Mutter mit in die Ehe bekommt:
i. vier tellam (große Töpfe, Singular: Kellam), 2. vier allambille (kleine Töpfe, Singular: Dellambirre), 3. einen dukumburre (Eßkochtopf, Plural: Akumbu), 4. einen kokumboge (Soßentopf, Plural: Nkunbobeam), 5. einen dissambirri (Teller, Plural: Assambirre), 6. einen mpugele (Kalebassenlöffel, Plural: epugele), |
Der Vater der Braut schlachtet außerdem am Einzugstage, wenn möglich, einen Ochsen und gibt der Tochter eine Keule mit in den Haushalt. Dagegen erhält der junge Ehemann außer dem oben erwähnten Guineakorn, das für Bier beim Hausbau dient, nichts, angeblich gar nichts, so daß der junge Mann sich sein Saatkorn erst selbst verdienen muß, das Ackerland selbst aufwerfen muß, die Viehzucht von Anfang an selbst beginnen muß. Wie der junge Mann zu den ersten grundlegenden Schätzen kommt, ist mir schleierhaft geblieben.
In den Haushalt hat der Mann noch zu liefern:
Ehe wir den geschlechtlichen Entwicklungsphasen des Ehelebens unser Augenmerk zuwenden, wird es wünschenswert sein, daß wir dem Wirtschaftsleben der Bassariten, das doch natürlich den Lebenswandel beider Geschlechter weitgehend beeinflußt und das Lebensrevier der Gatten umschreibt, genügende Aufmerksamkeit widmen. Zwei Pole sind es, um die das Wirtschaftsgetriebe der Bassariten rotiert: Ackerbau und Eisenindustrie. Die Konkomba, die dagegen mehr dem Ackerbau zuneigen und keinerlei Schmiederei haben, beschäftigen sich daneben mit Viehzucht. Das Vieh macht ihnen nicht viel Sorge. Es läuft halb wild draußen umher. Die Konkomba sind als Fischer geschickt im Wehrbau, in Korbauslegung und mit dem Netz. Die Bassariten rühmen sich bessere Jäger zu sein, und die Tschamba oder Geselinn, denen Schmiederei, Fischfang und Jagd im großen und ganzen fast untersagt ist, üben dafür die Industrie der Kalebassenschnitzerei, sind die energisch-
sten Konkurrenten von Sugu, Ssemere, und lassen ihre Ware auch nach Süden wandern, so daß sie mit den Atakpame-Kalebassen konkurriert.In der Feldwirtschaft besteht der große Unterschied zwischen Konkombas und Bassariten in der Lagerung der Ortschaft. Der Konkomba legt sein Gehöft mitten zwischen seinen Farmen an. Ist der Boden ausgenutzt, hat sein Vieh die Weiden abgegrast, so verlegt er sein Heim. Im Konkomba steckt noch ein gut Teil Nomadenart. Die Bassariten kleben dagegen fest an ihren Bergen. Die Berge bieten ihnen als Zufluchtsorte immer guten Schutz und noch heute fliehen sie, wenn sie die allergeringste Schererei haben (zum Beispiel Träger) stellen sollen, aber nicht wollen, in die Berge. Da nun aber das Land gerade am Bergfuße nicht das allerbeste, natürlich gründlich ausgenutzt und endlich bei der starken Bevölkerung nicht geräumig genug ist, so verlegen die Bauern ihre Pflanzungen gern in die entlegenen und recht fruchtbaren Flußund Bachtäler. In der Tat liegen die Farmgüter oft fünf und mehr Stunden vom Wohnorte des Gutsbesitzers entfernt.
Selbstverständlich fällt der größere Teil der Ackerarbeiten den Männern zu. Bei Neuanlage der Farmen sind sie es, die die Rodungen vorzunehmen haben. Die Hacke ist ein Männergerät, das hier - man kann sagen: fast ausschließlich-in der Männerhand wirkt. Den Frauen fällt die Aufgabe zu, in das vorbereitete Feld das Korn auszulegen, den Jams zu stecken usw. Man unterscheidet zwei Anbauformen: i. Anbau in langen Beeten (=m'pon, Plural: ipon), dies ist die für das Korn übliche Form; 2. das Haufenbeet (=dinnapore, Plural: anna-po), ein kegelförmiger, anfangs oft über einen Meter hoher Haufen, in dessen Spitze der Jams gesteckt wird. Mit fortschreitender Regenzeit nimmt durch Abschwemmung diese Farmart ein immer planeres Aussehen an. Die erste Farmarbeit vor der Regenzeit ist das Umschlagen des Grases. Das Gras wird als natürliches Düngemittel untergehackt. Alle Farmländer werden geebnet. Sobald aber die ersten stärkeren Regen fallen und das Gras unter der Erde zu verrotten beginnt, häufelt der Bauer seine Jamskegel auf.
Danach erst geht er an die Durcharbeitung der Langbeete, in die zunächst Itjande, das sind Bohnen, kommen. Einige Tage nachher wird derselbe Acker mit idi, dem Guineakorn, Sorghum, besteckt. Weiter folgt die Arbeit des Aussteckens von ijo (gleich Adalla) zwischen den Jamshaufen und endlich des Itallende, des Maises. Panicum und Reis werden von den Bassariten nicht angebaut. Die Reihenfolge der Ernte ist dann: i. Mais und Bohnen, 2. Jams, 3. Adalla und endlich 4. Sorghum.
Mistgruben sind den Bassariten unbekannte Dinge. Es wird
überhaupt nicht anders als durch Unterhacken von Kraut gedüngt. Der Fruchtwechsel wird sehr sorgfältig beobachtet. Eine viel geübte Kurve ist i. Jahr: Sorghum, 2. Jahr: Assillim =Erdnüsse, 3. Jahr: Nussudum (Timwort), von dem hier die beiden Arten Mpogo und Ndjondum gehegt werden. Danach wird das Kraut ausgerissen und beiseite geworfen. Will man dagegen im dritten Jahre schon das Feld schonen, so baut man das Soßenkraut nicht an, läßt vielmehr im zweiten Jahre das Erdnußkraut liegen und verrotten und den Acker brach ruhen. Die gute Wirkung des verrottenden Erdnußkrautes ist den Leuten wohl bekannt. — Für den Jams werden im allgemeinen alljährlich neue Rodungen vorgenommen und auf die alten Jamsfelder wird dann Sorghum geworfen.Der Reichtum der Bassariten an Feldfrüchten ist enorm, wenn sie auch ständig über Nahrungsmangel klagen. Sie sind aber klug genug, ihre Kornvorräte nicht mit ins Dorf zu bringen, sondern sie in den versteckt im Busch liegenden Farmgütern aufzuspeichern. In solchen Farmgütern entdeckte ich gelegentlich eines kleinen Jagdausfluges ganze Reihen bis obenhin angefüllter Speicher. Die Menge des Kornes, das nur zum Bierbrauen verwendet wird, ist ganz enorm. Denn wenn man einige Monate mit angesehen hat, was hier anläßlich von Toten- und Totenerinnerungsfesten gewirtschaftet wird, welche Mengen von Bier in deren Verlauf vertrunken werden, so muß man sich sagen, daß, immer Eingeborenenwerte gerechnet, allein in dieser Form gewaltige Kapitalien verkonsumiert werden. — Aber der Bassarit ist als Bauer fleißig, sein Land nicht arm - also kann er sich den Luxus gestatten.
Das zweite der beiden wirtschaftlichen Hauptmomente des Bassaritendaseins entspringt dem Eisenreichtum des Landes. Heutzutage wird im großen nur im Banjellibezirk Eisen gewonnen, früher aber auch in Bassari und Kabu. — So erzählen die Leute. Aber man mag das Land durchqueren, nach welcher Richtung man will, auf jeder Linie wird man einmal an Schlacken oder Trümmern alter Hochöfen vorbeikommen. Aber wenn von allen diesen kleinen Distriktchen heute auch nur das einzige Banjelli übrig geblieben ist, so bedeutet doch dieser Produktionsplatz einen mächtigen Mittelpunkt im Wirtschaftsleben Nordtogos.
In Banjelli, wird das Eisen in Hochöfen (Singular: Kapai, Plural: Mpam) gewonnen. Dr. Koert hat hierüber in den Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten nähere Angaben gemacht. Die dort gewonnenen Luppen (Singular: Kukulu, Plural: Tukute) kommen auf die Märkte und werden von den Schmieden selbst oder aber auch von Agenten verhandelt. Der Preis ist schwankend. Münze ist auch im Eisenhandel die Kaurimuschel Denembirre
(Plural: Ane-mòille). Früher erzielte man, natürlich je nach Größe, zwischen 2000 bis 4000 Kauri, heute sogar 6000 bis 10000 Kauri. Der heutige Wert beträgt aber ca. 2000 Kauri = eine Mark, während man in alter Zeit wohl nur 1000 Kauri für eine Mark erhalten hätte. Der Wert der Kauri ist im Sinken begriffen, während nach allem, was ich hörte, der Wert des Eisens der gleiche geblieben ist. Die wichtigsten Eisenmärkte (Markt =Kaeniong, Plural: Niomm) waren in alter Zeit für Luppen Panjelli, für Schmiedeeisen Bassari. Der Bassarimarkt hatte den Namen Quanja, und zwar lag er zwischen der heutigen Station und dem Häuptlingsgehöft, am Bergfuße nahe der alten Massowstation. Dort wurden Luppen und Schmiedeeisen frei gehandelt, auch nach Kabu wurden Luppen gebracht (oder auch wohl von den Kabuleuten selbst gewonnen). Hier kamen sie aber nicht öffentlich auf dem Markte zum Verkauf, sondern hier ging man in die Häuser "nachfragen". Und nur in den Häusern wurden Eisengeschäfte umgesetzt.Das Verfahren des Ausschmiedens ist das gleiche wie bei den Losso und Kabre. Die Luppe wird mit Steinhämmern zerschlagen. Von den mehr oder weniger grobkörnigen und schlackigen Eisenbrocken wird dann immer soviel zusammengefaßt, als man zu dem Gegenstand benötigt, den man herzustellen beabsichtigt. Diese Eisenbrocken häuft man zusammen und wickelt sie in ein feines Gras, das hierzu besonders geeignet und an einzelnen Stellen ausdrücklich gepflegt wird. Sein Name ist Tagomore. Nachdem das grobe Eisen so gewickelt ist, ballt man das gefüllte Grasbündel in eine Schicht des Detam genannten Lehmes. Es wird eine möglichst ebenmäßige, meist auch gut gelungene Lehmkugel hergestellt, die den Namen Tankonde oder Tankunde führt. In dieser Gestalt in einer "Schweißkugel" kommt dann die Eisenmasse unter das Schmiedefeuer.
Das Gerät, das der Schmied nun verwendet, besteht aus:
i. Steinhammer: sanquasanka oder Taquasanka, dient zum Zertrümmern der Luppe. Mit großer runder Schlagfläche.
2. Steinhammer: Tepoqua. Mit mittelgroßer runder Schlagfläche.
3. Steinhammer: Nguenga. Mit ganz kleiner runder Schlagfläche. Diese drei Steinhämmer dienen schon zum Ausklopfen des glühenden Eisens, zum Durchhämmern, aber auch zum Formhämmern.
4. Steinhammer: Tambe oder Tamme mit handförmig gerader Schlagfläche.
5. Eiserner Feinhammer: Sillem.
6. Eisenzange: Kubao. In der Form einer Pinzette, womit das
Eisenstück ins Feuer gelegt, herausgenommen und beim Schmieden gehalten wird.
7. Schüreisen: Iilo. Mit dem das Eisenstück auch unter die glühenden Kohlen gut plaziert wird.
8. Der Blasebalg: Imfugung, das wichtigste Gerät des Ganzen. Es ist dies die Harmonikastempeiform. Sie war noch gebräuchlich bei allen Timm, bei den Sokodestämmen früher in kleinerer Ausgabe, bei den Kabre in gröberer Form. Im Taminagebiet ist heute noch ein kleiner Typ gleicher Verwandtschaft üblich. Bei den Losso herrscht er ebenfalls, dagegen regiert in Tamberma schon das eingemauerte Mandingogebläse, aber mit langen Führungsstangen. Heute ist das Harmonikagebläse auch in Sokode verdrängt und durch das ventilierende Sackgebläse ersetzt, das wir ja von unsern Zigeunern kennen, das bei allen maurischen Stämmen regiert und auch bei den östlichen und nordöstlichen Nachbarn der Bassari, bei den Konkomba, Dagomba und Tschokossi allein in Anwendung ist.
Auf jeden Fall muß das Harmonikagebläse als ein wunderliches Relikt aus älterer Zeit angesehen werden. Es ist überall im Rückgange begriffen, so ist es z. B. in Sokode unter den Augen des heutigen Regierungsleiters Dr. Kersting durch den ventilierenden Schlitzblasebalg verdrängt. Dem von Norden erfolgten Vordringen des letztgenannten weicht er überall aus, aber bei den Ewe und Joruba, also nach Süden und Südosten hin, finden wir ihn noch in seiner Verwandtschaft gut erhalten.
Hauptsächlich die Industriellen an den Abhängen und am Fuße der Bassari haben nun seit alters her das Luppeneisen in handliche Form gebracht, in Scheiben- und Hackenblätter. Die Bitjabaleute stellten die Scheiben her, die Diaparra (Plural: Eiakpalle) genannt werden.
Ihr Preis betrug früher 500 bis 600 Kauri das Stück. Sie kamen in Bündeln von 15, 20, 30 oder 40 auf den Markt, wurden aber einzeln verhandelt. Die Benaparbaleute fabrizierten dagegen die Form des Dornblattes, die den Namen Nkuntanju (Plural: Jkuntanju) hatte und deren Preis etwa 800 bis 2000 Kauri per Stück im Durchschnitt betrug. Die Jkuntanju kamen gebündelt zu etwa 10 bis 15 auf den Markt, wurden aber ebenfalls einzeln abgegeben. Die Bena Tjamba endlich hatten eine gewisse Mittelform, die Scheibe der Bitjaba, die aber mit einem kleinen Dorn versehen war. Die letztgenannten Dörfler waren übrigens die einzigen, die sich ausnahmslos mit dem Schmiedegewerbe abgaben und keinerlei Ackerbau trieben. Diese reinen Industriellen kauften ihre Nahrungsmittel auf den Märkten. Sie wurden dabei außerordentlich wohlhabend und hatten ein eigenes Kapitalisationsverfahren. Sie legten ihre Kauri nämlich in Rindvieh an, das sie von den Manguleuten erwarben. — Heute sind ihre Viehbesitztümer aber bei weitem
nicht so bedeutend wie in alter Zeit, und seitdem Dr. Kersting auch den Kabre, Losso usw. den Zugang zum Luppenmarkt verschafft hat, geht die Wohihabenheit dieser Industriellen zurück, und somit greifen sie wieder gleich den andern zum Ackergerät und legen ihre Pflanzungen an wie ihre Nachbarn.In Banjelli war früher alle sieben Tage Eisenmarkt. In Bassari wird jeden Tag Eisen ge- und verkauft.
Die Schmiedegehöfte zeichnen sich vor den andern durch Vernachlässigung der Umfassungsmauern und durch hohe Verandabildung der Schmiede aus. Die Schmiede hat oft genau so große Vorhallen wie die Hütte der Bosso von Sama, nur daß sie nicht mit Sekko geschlossen, sondern offen sind.
"Der Schmied" heißt utja, Plural: Bitjabe. Gerade hier bei dem ausgesprochenen Schmiedevolke, das zudem noch so viele Eigentümlichkeiten hat, als da sind Präfixsprache, archaistischer Blasebalg, archaistische Familienform usw. einem Volke, das infolge seiner bodenständigen, an den Ort gefesselten Industrieführung die Garantie guter Kulturerhaltung auch alter Güter bietet -gerade hier muß uns linguistische Vergleichung interessieren. Das Wort utja, der Stamm tja, ist uns schon als wichtiges Relikt im Anfange dieses Kapitels aufgefallen. Also tja hat dem Radixsinne nach nicht nur die Bedeutung von Mann, sondern auch die von Schmied. Vergleichen wir nun das Wort für Schmied (das Wort stammt von "Feuer"):
Bassari: utja, Plural: bitjab, Kumangu: utja, Plural: bitjab, Konkomba: udja, Plural: bitjab, Kussari: sanja, Plural: Saba, Bussangsi: sagh, Gurunsi: ija-rro, Moba: sa, Plural: saw, Mossi (Wag.): seidja, Plural: seijeba, Mossi (Penk): saba, Djenna am Niger: sam oder sim, Plural: simba, Soninke-Marka: Tage, Plural: Tagu, Wolof: Tage, Plural: Tageja. |
Wie ich an anderer Stelle zeigen werde, sind noch mehrere andere Radices für das Wort "Schmied"vorhanden, die entschieden entwicklungsgeschichtlichen Verbreitungsflächen entsprechen. In dem Gebiet, in welchem das Wort Dja oder Sa oder Za für Schmied in Anwendung ist, repräsentiert die Schmiedegenossenschaft im Gegensatz zu den im Westen herrschenden Zuständen, nicht eine Kaste und auch nicht etwa einen weniger geachteten Beruf. Im Gegenteil. Die Djaschmiede sind hoch angesehen, gelten als Leitende,
als politisch Lenkende und mehrfach als Häuptlinge. — Daß Wolof und Garrakole die Bezeichnung Tage führen, die aus den Reihen der Westländer herausfällt und nach Osten weist, ist für die Beurteilung dieser Dinge im höchsten Grade wichtig.Nach dieser Abschweifung wende ich mich der Schilderung der Märkte zu, auf denen das Eisen und andere Produkte des Bassaritenfleißes und der Bassarierde feilgehalten wurden.
Zu Markte gingen die Bassariten auch in früheren Zeiten, in denen man sonst nicht von Sicherheit der Straßen reden konnte, waffenlos, wenn auch truppweise. Hierin äußert sich der große, soziale Unterschied gegenüber den Transkarajern und benachbarten Gebirgsstämmen, bei denen die Märkte nur in Bewaffnung besucht wurden, da sie willkommenen Anlaß zu Reibereien und Raufereien boten. Auch gab schon in älteren Zeiten der Mann seiner Frau die Erlaubnis, ohne ihn, im Anschluß an Freundinnen, die Wanderung zum Markte anzutreten, woraus erhellt, daß für sie nichts zu befürchten war. Der Handel bedeutete eben für sie eine mächtige, alle sonstigen Widersächlichkeiten ausgleichende Macht. Und das Lebenselement dieser Macht, der Wächter des Marktfriedens, war das Eisen, zu dem die niederen Völker sich ärger drängten als heutige Völker nach Silber und Gold. Es war nicht das Metall, aus dem man die Waffen herstellte, sondern das Metall für das Ackerwerkzeug, welches solche Wirkung hatte. Das geht nicht nur daraus hervor, daß das Eisen in Form der Hackenblätter in den Handel kam und Geldessinn annahm, sondern das geht auch aus den Angaben der Völker hervor. Die Bassariten haben mir in abendlicher Plauderstunde genau das gleiche gesagt, was mir die Mandingo berichteten - nämlich daß der Bauer dem Schmied danke - nur daß das Verhältnis bei den Bassariten natürlicher ist. Die Bassariten achten den Schmied, während die Mande ihn als Kaste niedergedrückt haben und ihn nur fürchten. Wunderliches Produkt historischer Entwicklung!
Von weither kamen die Leute zum Quanja, zum Eisenmarkte von Bassari, um das wertvolle Material zu erwerben. Da waren zuerst die Binambe (Singular: Unanja), die Timleute aus Paratau, Tabailo und der Timebene, aus Bafilo und Dako, dann die Binangbambe (Singular: Unangbanja), das sind die Kabre, dann die Bidigbambi (Singular: Udugbanja oder Uduguanja), das sind die Dagomba. Nach unsern Begriffen ist das kein so sehr großer Umkreis, immer maß der Durchmesser des Landes, das von den Quanja sein Eisen bezog, auf dem Breitengrade ca. 200 Kilometer, das aber ist für die Bassariten schon "weither".
Im allgemeinen wurde das Eisen gegen Kauri gehandelt. Die Timleute brachten aber andere Artikel auf den Markt, von denen
besonders folgende häufig gegen Eisen eingetauscht wurden: i. die großen Frauenpanjen, die Satawe (Singular: Sata oder Sa[ga]ta), die einen Wert von etwa 1500 Kauri hatten; 2. die Männerschurze, die zum Durchziehen eingerichtet waren, genannt Abandirre (Singular: Ibintirri), dem Werte nach 600 bis 1000 Kauri entsprechend; 3. Kalebassen, Tüjüte (Singular: Kuju), von denen die kleinen Deckelkalebassen für 500, die großen Tragkalebassen für 300 bis 500 Kauri abgegeben wurden. Das Merkwürdige an diesem Kalebassenhandel war, daß früher just wie heute nicht die Tim, sondern ein Bassaritenstamm, die Tschamba, diese Gefäße herstellten und daß so die Tim zwischen zwei Bassaritenstämmen den Zwischenhandel vermittelten. Auch einen andern Gegenstand haben die Tim angeblich eingeführt, die Tragbretter, bei Tim Fata, bei Bassari Kiplingo genannt. Im allgemeinen sind die Tragbretter der Tim scheibenförmig und rund, leicht konvex. Es fehlt ihnen der Tragrand, den die Bobosplitterstämme haben, und die Kassenabteilung, die bei den besseren Timstücken auffällt. Ich glaube also nicht so recht daran, daß die Bassariten das interessante Gerät erst durch die Tim kennengelernt haben.Des weiteren wurden auf dem Markte Töpfe zum Verkauf gebracht. Die Töpferei besorgen im Bassarigebiet die Frauen des Moandeweilers. Der allgemeine Name für Topf ist Kumburru, Plural: Akumbo. Die üblichen Preise waren: ein Kochtopf ca. 100 Kauri, ein Soßentopf ca. 20 Kauri, ein Wassertopf ca. 150 Kauri. Die umwohnenden Bäuerinnen brachten: Guineakorn, die Last zu 500 Kauri, Jams, je 3 Stück 100 Kauri, Erdnüsse, je ein Handgriffhäufchen 5 Kauri. Natürlich fehlten auch nicht die auf allen Sudanmärkten üblichen Küchenbäckereien. Zwei Arten von Gebäck fand und findet man noch heute in Bassari auf dem Markte: i. die länglichen Kuchen aus Bohnenmehl, genannt Kalabondia (Plural: Akalaben), das Stück 5 Kauri; 2. die runden, kleinen Adallamehikrapfen, genannt Magasa (Plural: Magasebe), das Stück 5 Kauri, dem Ansehen und Geschmack nach genau dem gleichen Mandingoprodukt entsprechend; 3. runde Bohnenmehikrapfen, genannt Kalaman (Plural: Kalambe), das Stück 5 Kauri; Palmöl brachten wieder die Timleute, mit denen überhaupt ein reger, wechselseitiger Verkehr bestand.
Vieh wurde durch die Männer verkauft, und zwar das Huhn etwa 300, das Perlhuhn ca. 500, eine kleine Ziege etwa iooo, eine große etwa 2000, ein Schaf ca. 600 Kauri.
Die Marktplätze lagen früher und liegen heute noch unter großen, meist schattigen Bäumen, zumeist Baobabs. Die kleinen Steinhäufchen, die sich bei den Konkomba, Timleuten und nordöstlichen Gebirgsbewohnern die Marktweiber als Sitze zurechtlegen
lassen oder legen, fehlen. Die Frauen sitzen auf kleinen Holzhockerchen, genannt Didjerre (Plural: Adjelle), die eine jede mitbringt. Jede Art von Marktaufseher fehlt stets, auch wurde weder an den Häuptling noch an sonst jemand irgendeine Marktabgabe gezahlt.Endlich ist noch das beizufügen, was hinsichtlich der Arbeitsteilung unter die Geschlechter und einiger Industrien zu sagen ist. —Den Frauen fällt zu das Wassertragen, Feuerholzholen, Essenbereitung, Kinderfürsorge, Samenauslegung und endlich die Töpferei. Die Töpferei ist insofern interessant, als die Formmethode von der der meisten nordöstlichen Stämme abweicht. Der Kloß wird auch hier auf einen Topfscherben gelegt, der zu drehen ist und als primitive Töpferscheibe dient. Durch Eindrücken und Formen aus dem ursprünglichen Kloß heraus wird die Topfform herausgemodelt. Das "Wursteln" kommt so gut wie nicht vor. Durchaus eigenartig ist die Weise, wie bei enghalsigen Töpfen der Oberteil hergestellt wird, nämlich über einem Formholz. Das Verfahren wird von den Leuten selbst als altertümlich bezeichnet und ist nur noch wenigen bekannt.
Die Männer haben außer Hausbau, Feldarbeit und Schmiederei noch Holzschnitzerei und Flechterei. Körbe (Kakabogo, Plural: Takade) wissen viele herzustellen, ebenso die häufig getragenen riesigen Krempenhüte. Matten (Singular: Kakampego, Plural: Takampati) werden aus Streifen der Weinpalme in einfacher, diagonaler Flechtweise hergestellt. Die Mattenflechterei geht von Jahr zu Jahr zurück, ist jetzt schon selten und geht als Industrieoder Handelszweig mehr und mehr in die Hände der Tim von Bafilo über. Man zahlt für die feinen Bafilomatten ca. 1000, für die gröberen Bassarimatten etwa 500 Kauri pro Stück. Weberei fehlt.
e) Geschlechtsleben. Familienzweck. Entbindung. Kindernamen. Exogamie. KinderlebenAus dem vorhergehenden ist die wirtschaftliche Seite des Ehelebens leicht übersichtlich. In Anbetracht des Fleißes, den man den Bassariten, sobald es sich um ihre Gewohnheiten, gewohnte Arbeit für sich selbst und Sättigung der egoistischen Eigenschaften handelt, durchaus nicht absprechen kann, bringen es die jungen Menschen anscheinend ziemlich schnell zu etwas. Aber ein glückliches Arbeits- und Familienleben ist durchaus nicht der Gipfelpunkt bassaritischer Ideale und Wünsche. Vielmehr zielt des echten Bassan Lebenssehnsucht auf bequeme Rentierwirtschaft. Die wurde nun allerdings keinem Bassariten (und wird heute auch noch nicht) in die Wiege gelegt, und in typischer Negerweise kommt es auch nicht
etwa auf dem Wege der Arbeit, sondern auf dem der Vermehrung dazu.Von diesem Standpunkt aus wolle man das bassaritische Heiraten und Eheleben ansehen, und danach wird man auch die wunderlichen Konvenienzformen verstehen. Nicht aus Liebe, aus Neigung heiraten diese Völker, sondern um Nachkommen als Arbeitskräfte zu erzielen. Die Ehe ist insofern eine Art Kapitalanlage, eine Geschäftssache, eine Spekulation. Die Neigung und die Leidenschaft haben in der Berechnung als Hauptfaktoren keinen Raum. Geschlechtsgenuß ist ganz angenehm und insofern ist die ganze Sache obendrein noch hübsch. — Es ist nach unsern Begriffen eine niedrige Lebensauffassung, aber sie klingt in Worte gefaßt viel abstoßender, als sie in Wirklichkeit ist. Denn der Bassarit folgt darin einer halb unbewußten und außerdem der ganzen Männerschaft dieses Volkes seit Urzeiten so vertrauten Anschauung, daß dort die Härte nicht so bewußt werden kann als bei uns, die wir erstens überhaupt nicht anders können, als solche Dinge mit eigenem Lebensinhalt zu vergleichen, und die wir mit so groben Maßen überhaupt nicht vertraut sind.
Das Werkzeug des Geschlechtslebens wird von den Bassariten in Abwesenheit oder Anwesenheit der Frauen mit gleicher Gleichgültigkeit behandelt, aber ich nahm bei Bassariten nie die wollüstige Behaglichkeit wahr, die so auffallend bei den Sokodefrauen zutage trat, wenn sie eine der bei den Tim recht häufigen Sexualgeschichten erzählen durften. (Siehe im zweiten Teil.) Die Bassarinamen für die Geschlechtsteile sind:
Penis: Lokundi, Skrotum: Tukunta-tjagara, Hoden (Singular: Tukunta-tjarra-birre oder bille), weib!. Scham: Diakpurre, Schamlippen: Eiakpobande, Klitoris: Digimbirre. |
Eine Beeinflussung der Geschlechtsteile durch Zirkum- oder Inzision oder Infibulation ist gänzlich unbekannt, und die Bassariten spotten über alle Stämme, die solche Sitten haben.
Beschlafen, respektive koitieren wird als udo-tondampiu bezeichnet. Die Stellung der Koitierenden entspricht der, die die Transkarajer anwenden. Die Frau legt sich auf den Rücken und spreizt die Beine in nordischer Form, ohne sie emporzuziehen. Der Mann hockt in tiefer Kniebeugestellung zwischen den geöffneten Beinen nieder, zieht den Frauenleib mit den Armen etwas empor und beeilt sich, möglichst schnell die Ejakulation zu erzielen. Meine Bemerkung (zu der entsprechenden Darlegung und panto
mimischen Vorführung durch ein paar alte Männer), daß diese Stellung doch wohl unnatürlich und anstrengend sei, ward mit höhnischem Lächeln zurückgewiesen.Als Schwangerschaftsperiode rechnen die Bassariten neun bis elf Mondmonate und bemerken dazu, es sei sehr verschieden. Dies Schwanken ändert sich von Fall zu Fall. Bis etwa zwei Monate vor der Geburt übt der Gatte seinen regelmäßigen Beischlaf - wenn er nicht etwa inzwischen eine weitere Gattin geehelicht hat, die ihn ihrerseits energisch in Anspruch nimmt. Die junge Mutter geht ihren Angelegenheiten nach und arbeitet bis zum letzten Augenblick, so daß es auch hier wieder nicht so gar selten ist, daß die Frau während der Arbeit, beim Wasserholen oder Holzsammeln oder auf dem Markte oder Marktgang von den Wehen überfallen wird. Dann vollzieht sie die Operation allein, nimmt das Kind und trägt es nach Haus, und weder sie noch sonst jemand findet etwas Besonderes darin. Während meines Lebens auf dem Sinnhofe ereigneten sich zwei solcher Fälle, und ich fand beide Male die nicht einmal sehr kräftigen Frauen (die Mehrzahl der Bassariten läßt an Strammheit des Körperbaues nichts zu wünschen übrig) gar nicht besonders erschöpft. Die eine von ihnen war erst noch eine Viertelstunde weit zum Bach gelaufen, um sich zu reinigen.
Normalem Verlaufe gemäß ist aber der in jedem Hofe zu beobachtende, mit einem Ausfluß nach außen versehene Pißwinkel (Kugotuum genannt) die Geburtsstelle. Einige alte Frauen, und zwar drei bis fünf, je nach Schwierigkeit der Verhältnisse, beteiligen sich durch Handreichungen und Hilfen, die sie der Kreißenden zuteil werden lassen. Die Gebärende liegt mit dem Rücken der Erde zu gegen eine sitzende alte Frau gelehnt und zieht die Beine hoch. Die alte Frau umschlingt sie und preßt ihr die Beine noch stärker zurück, als die Gebärende es von Natur kann. Eine Leibpressung oder massierende Hilfe scheint nicht üblich. Eine zweite Alte hockt vor dem zuckenden Körper und erwartet die Frucht, eine dritte kocht Wasser.
Die Nabelschnur (mpulleng-mui) wird möglichst lang abgeschnitten, und zwar nicht mit einem Messer, sondern mit einem scharfen Splitter von Sorghum (kekaja-djege). Diborra, die Nachgeburt, wird aufgefangen und außerhalb des Gehöftes, da, wo die Pißrinne ausmündet, in die Erde vergraben, so wie sie ist, ohne daß ein Topf sie umschließt, wie dies doch sonst üblich ist.
Nach vollendeter Entbindung erfolgt sogleich auf dem Geburtsplatze eine gründliche Säuberung mit warmem Wasser, dann werden Mutter und Kind in das Haus gebracht. Inzwischen ist Schibutter (Mquam) mit Butumbu (Butumbu ist rote Baumrindenfarbe, die zu diesem Zwecke pulverisiert ist) verrührt. Damit wird
der Leib des Kindes eingerieben. Sogleich auch beginnt man mit der Behandlung der Nabelschnur. Eine Frau kaut Salz (ijam) und spuckt das auf die Nabeiwurzel, dann wird in massierender und rundum eindrückender Weise die Umgebung behandelt. Man wiederholt das während der nächsten Tage und sagt, daß dann bei Knaben in drei, bei Mädchen in vier Tagen die Nabelschnur abfalle. Für die Mpullengmui wird inseits des Wohnhauses in der Mauer etwa mannshoch über dem Boden ein markstückgroßes Loch gemacht. Dahinein kommt die Nabelschnur, und dann wird das Loch wieder mit Lehm verstrichen. — Also haben wir hier wieder die Dreizahl für das Männliche, die Vierzahl für das Weibliche - ein offenbar wesentliches Zahlenspiel, das uns aus den Tätowierungsmustern anderer Gurmastämme und auch gewisser Mande schon bekannt genug ist.Die weitere Behandlung der Kinder betreffend, behaupten die Bassariten steif und fest, die neugeborenen Kinder bekämen während der ersten drei Tage ihres irdischen Daseins keine andere Nahrung als - Wasser! Die Männer blieben steif und fest bei dieser Behauptung, so daß ich mich zuletzt an ältere Frauen wandte und von diesen dann folgenden Bescheid erhielt: Die Männer behaupten zwar, die kleinen Kinder dürfen erst an die Mutterbrust gelegt werden, wenn die Nabelschnur abgefallen ist, dies sei nicht wahr. Es schade den Kindern gar nichts, wenn man sie schon 24 Stunden nach der Geburt zu stillen versuche -richtig sei es aber, daß die meisten Frauen, die zum ersten Male Mutter seien, in den ersten Tagen nicht zu stillen vermöchten, weil sie noch keine Milch hätten; dann müßte man die Kinder allerdings erhalten, indem man Wasser mit der Hand schöpfe und es ihnen einträufele, bei dem ersten Kinde müsse man das einige Tage fortsetzen, und bei nachfolgenden Kindern trete aber schon innerhalb 24 Stunden Milch in die Mutterbrust. Soweit eine Mutter selbst über diese Sache.
Die entbundene Frau erhält bald nach der vollzogenen Geburt einen sogenannten Jellijellibrei, das ist eine Speise, die aus Sorghummehl bereitet und der eine starke Dosis Jellijellipfeffer (im Tim: Kalangmau oder Kakangmaung genannt) beigesetzt ist; es fehlt ihm aber alles Salz. Diesem Gericht spricht man eine besondere Einwirkung auf das Blutkreisen zu. Zweimal täglich erhält die junge Mutter diesen Brei, und er bildet während der nächsten sechs Tage ihre einzige Nahrung. Drei Tage lang bleibt die Mutter unbedingt daheim. Am siebenten Tage darf sie mit dem Kinde das Haus verlassen. Gleich nach der Geburt bringt der Mann aus dem Busch drei starke Baumstämme herbei und in das Wochenzimmer. Sie werden mit den Köpfen zusammengeschoben und sollen ein wäh
rend der Wochenbettzeit ununterbrochenes Feuer unterhalten. Der Mutter des Mannes liegt die Pflicht ob, alles Essen in der Wirtschaft zu kochen, der Mutter der Frau aber, das Geschirr abzuwaschen und das Kind mit Schibutter und roter Farbe einzureiben.Am siebenten Tage erfolgt die Namengebung, und zwar bei Mädchen durch die Großmutter mütterlicherseits, bei einem Knaben durch den Vater. Die Form und Wahl der Benennung des Kindes ist eine Sache, die mir nicht ganz klar geworden ist, oder sie repräsentierte eine Sitte, die sehr vereinzelt auf der Erde dasteht. Die Kinder bekommen nämlich angeblich ihren Namen entsprechend der Sitte der Ortschaft, aus der die Mütter stammen, angeblich der Reihe ihres Erscheinens nach. Wenn zum Beispiel eine Frau aus Biquassibe gebürtig und zu ihrem in Ukontjibe geborenen und ansässigen Mann gezogen ist, so werden genannt:
wenn Knabe: wenn Mädchen: das erste Kind: Dessao Jete das zweite Kind: Napo Equende das dritte Kind: Tirrim Adja das vierte Kind: Lantam Maffai das fünfte Kind: Poquaja Kutjui |
Die gleiche Benennung findet statt, wenn die Mutter statt aus Biquassibe aus Wodande, Kubedipo oder Nanquani stammt. Es entsprechen anscheinend immer einer Gruppe von Dörfern die gleichen Namensreihen. Nur eine Ausnahme soll einzig dastehen, und die folgende Reihe soll lediglich den von Nkontjibefrauen geborenen Kindern zuteil werden. Also: nur wenn eine Frau aus Nkontjibe gebürtig und zu ihrem in Biquassibe geborenen und ansässigen Mann gezogen ist, werden genannt:
wenn Knabe: wenn Mädchen: das erste Kind: Tjapo Kumbong das zweite Kind: Uji Ubuong das dritte Kind: Uake Uapong das vierte Kind: Quare Kangmof |
Des weiteren wurde mir auf den Einwurf, daß demnach doch in jedem Dorfe eine ganze Reihe gleichnamiger Männer und Weiber herumlaufen müßten, die Auskunft zuteil: wenn in einem Weiler drei Burschen gleichen Namens sind, z. B. wenn alle Tjapo heißen, so nennt man den ältesten Tjapo-okpulle, den zweiten Tjapo-uai - des weiteren gewinnt man ein Unterscheidungsmittel, indem man einem jeden solchen Tjapo den Vatersnamen vorsetzt und z. B. sagt: Lantam-Tjapo-jao Lantarn sein Tjapo, alias Tjapo, der Sohn des Lantam. — Scherz- und Übernamen scheinen selten zu
sein, wie ich denn überhaupt die Bassariten oft genug ausgelassen und heiter sah, aber sehr selten Äußerungen des Humors an ihnen wahrnahm. Wie anders die Tim!Soweit das, was ich über die Namengebung zu erfahren vermochte. Wieweit die Angaben richtig verstanden und erschöpfend sind, weiß ich nicht. Trotz aller Mühe, die ich mir gegeben habe, vermag ich mich nicht dem Eindruck zu entziehen, daß mein hier wiedergegebenes Material sehr mangelhaft ist.
Immerhin spricht etwas Wahres aus diesen Ausführungen, der Beleg einer Tatsache, die mir bedeutsam genug erscheint, um sie als eine der seltsamsten und wichtigsten (wenn auch nicht alleinstehende) sozialen Erscheinungen des Westsudans hinzustellen: Die Bassariten lebten früher in streng innegehaltener kommunaler Exogamie! Niemand heiratete früher im gleichen Dorfe. Das ging soweit, daß nach verschiedentlich erfolgter Aussage sogar der außereheliche sexuelle Verkehr zwischen Kindern der gleichen Gemeinde ausgeschlossen war. Gleich, ob man eine Geliebte aufsuchte oder eine Frau heiraten wollte - Mann und Weib mußten aus anderm Dorfe sein, und z. B. ein Wodandemann durfte wer weiß wo seine Gattin suchen und herholen, auf keinen Fall durfte sie ein Wodandekind sein.
Mit Recht wittert der Völkerkundler irgendwelche Reste eines alten Totemismus. Speiseverbote bestehen in reichlicher Menge. Das Speiseverbot heißt Dekobre. In den Ortschaften Biquassibe, Wodande, Kubedipo und Nanquani ißt man nicht: i. Obui, Plural: Ibui, den Leoparden, 2. Ditjiporra, Plural: Atjiporra, eine nicht beißende, angeblich häufige Schlange, die ich nicht anzugeben vermag. In den Ortschaften Kabu, Binaualibe und Quamburre werden folgende Affenarten nicht gegessen: i. Toquaterre, der Hundskopfaffe, 2. Ulantam, der Husarenaffe, 3. Bompi, der Guerezza. Die Leute aus Okors essen nicht das Ketjinkingvögelchen,die aus Tokodoquande nicht die Ussiboaratte. Die Geschlechtsverbindung anbelangend, erklärten die Bassariten: "Das Dekobre (totemistisches Speiseverbot, Plur.: Akobelle)schließt den Geschlechtsverkehr nur bei kommunaler Übereinstimmung aus." Ich verstand das so, daß auf Verschiedenheit des kommunalen Ursprunges strenger geachtet wird als auf Verschiedenheit der Speiseverbote. Aber die Sache ist heute recht verwirrt, und ich hatte mit den Fragen auf diesem Gebiete bei den Bassariten kein weiteres Glück.
Soviel ist sicher, daß die Kinder im Dekobre dem Vater folgen und daß die verheiratete Frau außer dem vom Vater ererbten Speiseverbot noch dem Dekobre des Gatten zu folgen hat. —Doch zurück zum Kind.
Das erste Wort des kleinen Geschöpfes ist: una Mutter, klar
und deutlich wird es ausgesprochen im zweiten Lebensjahre. Nach drei Jahren etwa vermögen nicht nur die Mütter, sondern auch schon Freunde das kindliche Geplapper zu verstehen. Mit einem Jahre rutscht das Würmchen allein auf den Knien herum. Gestillt werden die kleinen Wesen etwa zwei Jahre lang. Während der Nährzeit dürfen die Mütter keinen Geschlechtsverkehr üben, und man sagt, daß, wenn sie diesem Gebote nicht Folge leisten, das Kind sterben würde. Nach Beendigung der Ernährung durch die natürliche Quelle wird das Kind täglich mehrmals mit Wasser, in dem Sorghummehl verrührt ist, "aufgefüllt". Ich kann diese Methode der Nahrungsweise nicht besser charakterisieren als mit diesem Ausdruck. Die Mutter nimmt auf einem Stühlchen oder Stein oder irgendwelchem Holzblock Platz. Sie hat neben sich das Gefäß mit dem schleimigen Aufguß stehen. Sie legt das Kind quer über den Schoß, macht mit der eigenen Hand eine Art Trichter und gießt dem strampelnden Säugling den Mund voll. Es ist eine absolute Unmöglichkeit für den minimalen Weltbürger, das Zeug in der Geschwindigkeit herunterzuschlucken, in der die Stoffzufuhr erfolgt. Also geht nach jedem neuen Aufgießen ein Gekeuche, Gesprudel, Gegurgel, dazu Strampeln und nach Vollendung Gequäke los, das genau den Maßstab der Sympathiegefühle ausdrückt, welche das Kind diesem Verfahren gegenüber hegt. Man behauptet, daß nie eine Erstickung hierbei vorkomme. Ich habe mich über die Angabe gewundert. Der Kunstgriff, bei allzugroßer Anfüllung der Luftröhre das Kind herumzudrehen und auf den Rücken zu klopfen, ist bekannt. Immerhin: die Kehlenschleusen der jungen Bassariten müssen wunderbar ordentlich funktionieren. Ist das Kleine noch einige Monate derart aufgefüllt, so darf es zum Jamsbrei = Futter übergehen und lernt dann außerordentlich schnell essen.Ich habe mich oben über die wenig schönen Beweggründe, nach denen der Bassarit seine Ehe anknüpft, aufgehalten und darauf hingewiesen, wie wenig edel die Anschauungen sind, die er vom Zweck der Ehe hat: Kindersegen, damit der Bassarit im Alter Rentier spielen kann. Danach könnte man annehmen, daß die Kinder und Frauen unter diesem egoistischen Zweckstreben leiden und es unangenehme Nebenerscheinungen zeitigt. Das ist aber nicht der Fall. Das Familienleben der Bassariten wirkt nach außen durchaus sympathisch. Frauen und Kinder machen fast stets einen vergnügten Eindruck. Wenn man des öfteren eheliche Szenen miterlebt, es über die Gehöfte hinschauen hört, wenn zwischen weiblicher Wange und männlicher Handfläche die Luft allzu großem Druck ausgesetzt wird - wenn man hie und da auf den Wegen junge Frauen trifft, die offenkundig gegen ihren Willen und ohne
das geeignete Symptom schicklicher Sitteneinhaltung strampelnd von Männerhänden heimspediert werden in den allermeisten derartigen Fällen sind die Spedierten und Gemaßregelten junge Frauen, die noch keine Kinder haben und wohl noch allzusehr mit dem Kopf und Herzen an Neigungsbeziehungen denken, die nicht mehr herrschen dürfen.Im übrigen aber kann man sagen, daß auch bei diesen Konvenienzehen der Kindersegen ausgleichendes, sonniges Licht verbreitet, in dessen Wärme und Schein das hartgedachte Zweckgefühl schwindet. Viel offensichtliche Mimik treibt der Neger ja überhaupt nicht mit dem Weib, mit dem er geschlechtlich verkehrt. Aber am ganzen Gebahren erkennt man doch zur Genüge, daß der vom Felde heimkehrende Bauer seine Frau nicht nur ihrer Sprossen wegen gern sieht.
Die kleinen Kinder sind das "Spielzeug" des ganzen Dorfes. Sie sind tagsüber ständig unterwegs, haben stets jemand, der mit ihnen spielt. Sie wandern von Arm zu Arm. Besonders junge Mädchen und junge Frauen, die noch nicht eigene Kinder haben, tändeln in jeder Pause, die ihnen die Arbeit läßt, mit den Kleinen nach Herzenslust umher. Dabei nimmt man interessante Unterschiede wahr, die wohl genau gleichen Erscheinungen in Europa entsprechen. Mädchen und junge, noch nicht besproßte Frauen spielen kindisch mit ihnen. Junge Mütter sind entsetzlich ernst bei allen Handlungen, nehmen alles sehr wichtig und geben die Kleinen sehr ungern fort. Mütter, die schon mehrere Kinder hatten, hantieren fast ausschließlich sachlich, machen oft den Eindruck der Gleichgültigkeit, ohne es zu sein, und geben gern einmal das kleine Geschöpfchen aus der Hand. — Genau wie bei uns. Es war auch wohl bei den Tertiärmenschen nicht anders!
f) Das Alter. Regierung. Schamaneneinfluß. RechtssätzeBleibt uns in der Schilderung des rein weltlichen Lebens der guten Bassariten, nun noch die Betrachtung ihres Lebenswerkes, ihres Alters und Zusammenwirkens im Staatsorganismus zu skizzieren.
Solange die jungen Sprossen noch arbeitsunerfahren sind, begleitet der Familienvater sie hinaus auf das Feld und wirkt an ihrer Spitze mit der Hacke. Sobald sie aber gut eingelebt sind, bleibt er daheim und überläßt die Stellung eines Vorarbeiters seinem ältesten Sohne oder seinem angehenden Schwiegersohne, oder nach älterem Modus auch wohl einem älteren Sklaven, den er entweder selbst erwarb oder ererbte. Er selbst kümmert sich dann um so mehr um die Hauswirtschaft, versorgt Hühner, Perihühner und Schafe oder er geht nur noch dem Schmiedehandwerk nach und sitzt auch wohl
nur noch herum, sonnt sich, reibt sich ein wenig Tabak, plaudert, klatscht, geht einmal auf den Markt, kurz - seine Sehnsucht ist erfüllt, er sieht das Ideal eines Bassariten verwirklicht, verbringt die goldene Zeit seines Lebens durch Nichtstun, selbst zwar noch kräftig, aber doch andere für sich arbeiten lassend!Aber in diesem goldenen Lebenszustande entwickelt sich doch auch schon der Wurm, der sein morschendes Alter zernagt. Solange er selbst kräftig ist und die Zügel der Familienverwaltung in der Hand hält, geht alles ganz schön. Solange braucht er nicht zu arbeiten, und es wird doch niemand über seine Tatenlosigkeit murren. Aber dann wird er hinfälliger. — Die Faulheit beschleunigt das - im Gegensatz zu ihm wächst die nächste Generation heran zu voller Kraftentfaltung -dann fallen in seiner Abwesenheit schon häßliche Bemerkungen über überflüssige Futtergänger. Der Mann, der nichts tut und ernährt werden muß, verliert auch bei den Bassariten leicht die Achtung, und mir will scheinen, als ginge solcher Prozeß bei den Bassariten recht schnell vor sich.
Bei steigendem Mannesalter und beginnender Greisenhaftigkeit des Vaters schwillt das Murren der die Ernährung schaffenden Jugend an. Aber praktisch und egoistisch, wie die Bassariten sind, verbinden sie mit diesem lauten Gemurr einen Zweck. Sie erwecken dadurch den Anschein, als ob ihnen durch den Lebensanspruch des Alten unberechtigte Arbeitsaufbürdung zuteil würde, für die einen gewissen Entgelt sich selbst zu schaffen sie berechtigt seien. Diese Politik führt dazu, daß das Besitztum der alternden Leute langsam, aber desto sicherer abbröckelt und gegen das sogenannte "Herkommen" schon bei Lebzeiten eine Aufteilung unter die Söhne stattfindet. Es ist also noch nicht so sehr lange mit der patriarchalischen Tyrannis des Vaters zu Ende, da ist auch sein Besitz meist schon aufgelöst und seine Ernährung und Unterhaltung hängt von der Gnade seiner Sprossen ab -wenigstens bei Bauern-, bei Schmieden liegt die Sache besser. Nun kann man ja sicherlich nicht sagen, daß die jungen Leute ihre Eltern verhungern lassen. Nein, die Schwiegertochter bringt ziemlich regelmäßig die Speisetöpfchen in die Gehöfte der Alten. Und doch kann wohl kaum eine andere Rasse solchen Alterszustand derart fatalistisch ertragen wie die indifferente, gleichgültige Negerrasse. Unbeachtet und stumpfsinnig liegen die Alten in oder vor ihrem Gehöft. Niemand kümmert sich eigentlich um sie. Werden sie zu gebrechlich, um selbst gehen zu können, dann kommt morgens eine Schwiegertochter oder eine Enkelin und führt den Alten herauf auf das Feld, damit er sein Bedürfnis erledigen kann - das ist außer der Nahrungszulieferung die einzige Fürsorge, die den Alten zuteil wird. Sonst stumpfsinnen sie unbeachtet dem Tode entgegen, oft Jahre, ja Jahrzehnte lang.
Niemand achtet während dieser Zeit auf einen Defekt m Hause, eine einstürzende Mauer. Das Gehöft zerfällt. Mögen die Alten sehen, wie sie sich helfen und schützen! Wenn wir im folgenden Kapitel über die Totenfeste sprechen, wird der Leser mit Erstaunen hören, wie brutal egoistisch der Bassarit über das Wünschenswerte des Greisentodes im Interesse der Familie spricht.Solange der Familienvater noch nicht dem Verfalle überliefert ist, spielt er aber als älterer Mann im Gemeindewesen eine erkleckliche Rolle. Verwaltungsangelegenheiten werden angeblich durch drei Organe geregelt: 1. den Häuptling, 2. die Versammlung der Alten, 3. den Familienältesten. Man wird den bassaritischen Verwaltungsleistungen wohl am ehesten gerecht, wenn man sagt, daß der Häuptling wenig, die Altenversammlung wenig mehr und die Familienältesten am wenigsten zu sagen haben - wenigstens in den Ortschaften am Bassariberge. In Kabu soll der Häuptling weit mehr Gewicht haben, bei den Tschamba-Geselinn im Osten gibt es sogar ein ziemlich einflußreiches Häuptlingsgeschlecht - was auf das gute Beispiel der umwohnenden Tim zurückzuführen ist - und bei den Konkomba sollen die Verhältnisse durchaus gesund sein und alle drei Faktoren genügende und entsprechende Kompetenzen, allgemeines Ansehen und soziale Würdigung genießen.
Bei den Bergbassariten geht es aber ganz merkwürdig zu. Man würde in verwaltungstechnischer Hinsicht entschieden sagen können, daß hier jeder nach seiner Fasson selig werde und daß somit das große soziale Problem gelöst wäre, wenn nicht einmal die etwas dunkle Tätigkeit der Schamanen etwas energisch, wenn auch nicht allzu laut in die individuellen Seligkeitsbegriffe hineinspräche, und wenn nicht gerade bei den Bassariten deswegen alles so glatt ohne Verwaltungsbehörde vor sich ginge, weil das Volk stilischwiegend zugibt, daß die größten Lumpen obenaufsitzen, und weil die Anständigen als dumm gelten. Und wirklich sind bei den Bassariten nur ganz Dumme anständig. Über die Macht der Schamanen, die nach berühmtem Rezept um so bedeutender ist, je stiller sie wirkt, werde ich im nächsten Kapitel zu reden haben. Hier nur einige Beispiele der Rechtspflege - d. h. vom Recht, wie es angeblich nach Bassaritentradition gepflegt werden soll, aber kaum wird.
i. Ein Fall von Diebstahl. Ein Mann ist angeklagt, etwas gestohlen zu haben. Die Sache wird vor die Versammlung der Alten gebracht. (Buquillip, Singular: Uquille.) Erst wird von seiten des Anklägers, dann von seiten des Angeklagten sehr viel hin und her gesprochen. Behauptung, Entrüstung, Aufzählung alter Geschichten, Hineinreden anderer. Es ist eine unglaubliche Schwatzerei.
Wenn der Dieb seine Schuld zugibt, dann ist die Sache schnell erledigt. Er gibt das Gestohlene zurück und geht dann - ohne Strafe fort. Wird der Angeklagte durch irgendwelche Zeugenaussagen arg belastet, so bestimmt die Altenversammlung eine Entscheidung, nicht durch den Häuptling, sondern durch ein Orakel. Alles zieht zum Kupullu (Plural: Pipulle), d. i. eine Art Priester. Hier findet das Dissambirreorakel statt. Es wird in einem Topfe Buom, d. i. Schibutter heiß gemacht. Der Angeklagte muß seinen Dikimbere, d. i. der Bogonschellenring, der auf dem Daumen getragen wird, hineinwerfen und ihn dann mit der Hand wieder herausnehmen. Dem Unschuldigen schadet der Griff in das heiße Fett nichts, der Schuldige verbrennt sich die Hand, er muß Strafgeld zahlen. Den Betrag teilen der Bestohlene und der Kupullu untereinander.2. Ein Fall von Farmraub. Solcher wird ohne Inanspruchnahme einer Behörde durch Selbsthilfe geregelt. Hat A auf dem Acker, der B gehört, sein Korn gebaut, so gibt es gewöhnlich eine persönliche Auseinandersetzung und Regelung. Oder aber A — das ist bei so unverschämter Handlung anzunehmen - ist soviel angesehener und machtvoller als B, daß B nicht aufzubegehren wagt, so steckt der B dem A einen Djona-na-burr (Plural: Anna-bu: Djona hat gesteckt) in das Feld. Das ist ein armlanger Pfahl aus dem Holz des Burrbusches. Das hat zur Folge, daß dem A die Ernte auf dem unrechtmäßig beschlagnahmten Acker mißrät.
3. Ein Fall von Mädchenraub. Der junge Mann A hat schon längere Zeit auf dem Acker des X gearbeitet, damit ihm dessen Tochter zufalle, d. h. er sie als Frau erhalte. Der böse B aber macht ihm das Mädchen abspenstig und entführt es. Also kommt es zur Gerichtsversammlung vor den Alten. Man bemüht sich, das Mädchen, das natürlich mit in Bs Dorf gelaufen ist, zurückzubringen. Es gelingt nicht. Richterspruch: die Eltern des Mädchens müssen dem A an Stelle der Braut und als Vergütung für die abgediente Arbeitszeit 40000 Kauri zahlen. Der schlimme B hat aber der Schwiegermutter 100000 und dem Schwiegervater 16000 Kauri zu zahlen und behält die Frau. —Also die Alten machen das Geschäft.
4. Ein Fall von Totschlag. Wenn ein junger Mann einen andern im Streite erschlagen hatte, so floh er in ein anderes Bassaridorf. Die Familie des Erschlagenen und auch die zugehörige Altersversammlung vermochte dann nichts gegen ihn zu machen. Es wurde ihm in dem Dorfe, in das er geflohen war, Asylrecht zuteil, und er wurde nicht ausgeliefert. Auch in diesem Falle wandte man sich nicht an den Häuptling, weil es - nichts genutzt hätte.
5. Erbschaftsteilung. War angeblich nach folgendem Modus geregelt: Der jüngere Bruder beerbte stets den älteren, und zwar war
der älteste der überlebenden Brüder Alleinerbe und nahm alles Besitztum, Mobilien und Immobilien in Beschlag. Von den Frauen heiratete er meist nur eine, die andern wurden frei und konnten anderweitig wieder heiraten oder in die Gehöfte der jüngeren Brüder übergehen. Die Söhne des Toten arbeiteten nun für den Onkel, der Erbe war. Dabei blieb aber das, was die Söhne sich schon selbst erworben hatten, deren Privateigentum. Wenn nun dieser jüngere Bruder auch starb und kein jüngerer mehr vorhanden war, so wurde der älteste Sohn der Familie, alias der Familienälteste (Ukulle-qui, Plural: Bukullequi), der Rechtsnachfolger und in obigem Sinne Gesamterbe. Die andern wurden nur mit einem Legat, das zur Anschaffung einer Frau genügte, beglückt (was aber meist unterschlagen wurde). Dabei war es ganz gleich, ob dieser Älteste der älteste Sohn des Toten oder eines jungen oder älteren Bruders desselben war. —Im übrigen hatte in die Erbschaftsteilung weder die Altenversammlung noch der Häuptling etwas mitzureden. Die Leute betrogen und betrügen sich heute noch absolut privatim. — War der Tote ein Alter, so war nach oben geschildertem Modus meist nichts mehr zu betrügen, da die erwachsenen Söhne in diesem Falle schon alles beiseite gebracht hatten.Mit gerechtem Erstaunen sieht man sich nach den Machtkompetenzen der Häuptlinge um. Auch ich habe energisch danach gefragt. Eine Abgabe ward dem Häuptling in alter Zeit offiziell nicht zuteil. Man sagte mir als Antwort auf meine eindringlichen Forschungen, daß seine Macht eine politische gewesen sei und in die Wagschale geworfen ward, wenn zwei Gemeinden miteinander Krieg führten. Wenn die Kämpfenden dann einander gegenüberstanden, so steckte er den oben erwähnten Bürr Pfahl zwischen sie. Dann war unbedingt Dorffriede.
Aber war das alles? Man erzählte mir Wunderdinge von dem Reichtum, den besonders in älterer Zeit die Häuptlinge von Bassari zusammengescharrt hatten. Aber wie? Durch Handel? Nein! Durch Krieg? Nein! Einige Alte, mit denen ich mehrfach über diese Sache sprach, sahen sich gegenseitig verständnisinnig an und lächelten verschmitzt. Es war mir klar, daß offenbar auch in diesem Falle der allergrößte Lump im Mastkorb segelte. Aber welche Gemeinheiten ihn so hoch und reich machten, das blieb mir ein Rätsel.
g) Allgemeines über das religiöse Leben. Das FehlendeWie in ihrem gesamten Wesen allgemein genommen, so gehören auch ihrem religiösen Leben, Empfinden und Treiben nach die Bassariten in die große Gruppe der Diabastämme im Gurmagebiet. Demnach fallen dem westlichen Mallinke-Mande-tume
gegenüber einige Einrichtungen fort, weil die sozialen Verhältnisse sie weder zur Einbürgerung noch zum Verständnis überhaupt kommen lassen konnten. Die Feststellung negativer Tatsachen ist eine sehr wichtige Vornahme.Vor allen Dingen fehlt den Bassariten wie auch allen Diabastämmen von Yagha bis Kebu jegliches Bundwesen. Naina und Komma wären bei diesen Völkern ausgeschlossen, denn einmal mangelt jede scharfe Begrenzung des Altersklassensystemes, dazu die feierliche Form der Beschneidungsinstitution, dann der Männerbund, vor allem die scharfe soziale Trennungslinie zwischen weiblichen und männlichen Standesgliedern. Ohne diese kann es aber keinen Geheimbund geben. Wenn es Masken gäbe, so wären sie nur im Sinne der Mossi und Habe möglich, d. h. als Scherzkobolde, als Feldwächter, als Arbeitsvortänzer, wohl auch als Zeremonialleiter und so weiter - nie aber würden sie unter Ausschluß der Weiberschaft auftreten können. Die Vorbedingung der zurückgedrängten Frau fehlt. Aber nicht nur das. Die "Maske"ist überhaupt im Bassarilande ein unbekannter Gegenstand. Das entspricht außerdem dem Fehlen des "Kasten-"—und Diamugewerbes.
Ebenso bestimmt glaube ich behaupten zu können, daß dem Bassariten die Herstellung menschlicher Figuren aus Holz zu religiösen Zwecken unbekannt ist. Nicht eimal die Holzpuppen für Kinder sieht man. Ob die Diabakultur in Gesamtheit a priori, d. h. ohne jüngere Einführung, die religiöse Holzschnitzerei nicht gekannt hatte, kann ich heute noch nicht sagen. Bei dem Gurmavolke der Moba war sie früher lebendig. Sonst konnte bis heute noch wenig davon nachgewiesen werden, so daß die religiöse Holzschnitzerei da, wo wir sie in diesem Kreise finden, sehr leicht als "Import" durch die Namostämme gedacht werden kann. Denn allen Nu ist sie gang und gäbe. —Ebensowenig sah oder hörte ich je etwas von dem Vorkommen der Schreckinstrumente, der Schwirrhölzer und Rommelpötte.
Fehlt demnach diese Seite der religiösen Industrie und des religiösen Schrecklebens, so sind anderseits große Gebiete sudanischen Religionslebens in reicher und wohigegliederter Weise gerade bei den Bassariten zu betrachten. Zunächst hat auch der Manismus, der Ahnendienst, mit verschiedenen Anschauungsformen allerhand Gebräuche gezeitigt, die recht wertvoll sind. Viele kleine Glaubensdrucke wuchsen hie und da auf. Vor allem aber ist als wesentlichster Teil bassaritischer "Religion"das Schamanentum zu nennen, das so klar entwickelt ist wie nur denkbar. Mancherlei, was hierzu gehört, habe ich bei den Bassariten zuerst beobachtet, und gerade das scheint religiöses Gut zu sein, das bei den Ewe-Joruben noch weiter entwickelt ist. Manches gemahnt an Habe-
Tombo-Kultur, so "Berufung" der Schamanen. Aber die eisernen Symbole dieser Macht, deren Typen ganz markant sind, finden ihre Parallelen in dem Uassar Atakpames, der Dahomey,~ den Schangosymbolen Jorubas und in den gegossenen "Fetischbäumen" der Beninkunst. Diesen Fingerzeig wird der vergleichende Völkerkundler um so weniger aus dem Auge lassen können, als wir allerhand davon schon im Besitz der einflußreichen Nachbarschaft Bassaris, bei den Tim, finden konnten, und als jede Variante der interessanten Jorubakultur von vornherein unser Interesse voll und ganz in Anspruch nehmen kann und muß.h) Bestattung. Totenfeste. AhnendienstWenn ein alter Mann erkrankt, wendet der Sohn sich an einen Unjogo-da (Plural: Injogo-dambe). Das ist ein Arzt, allerdings ein Arzt von jenem Typus, die man bei uns wohl als Kurpfuscher bezeichnen könnte. Der Unjogo-da geht nicht zum Kranken und läßt noch weniger den Kranken zu sich kommen. Er läßt sich ein wenig schildern, was für Symptome vorhanden sind; darauf verabfolgt er ein Medikament. Als Vergütung erhält dieser Herr Doktor sogleich ein Huhn und einen Lohn von 600 oder 800 Kauri, erstere Summe, wenn der Kranke ein Mann, letztere wenn er ein Weib ist. Auch hier also wieder die eigenartige Zahl 3 für Männer und 4 für Weiber.
Von irgendwelchen wesentlichen Arzneimitteln konnte ich auch hier nichts bemerken. Es muß sich der Eindruck aufdrängen, als ob die Westsudanstämme kaum mehr als einige Abführungs-, Stopf- und vor allen Dingen Schwitzmedikamente besitzen, die immer wiederkehren und nur verschieden gemengt, dosiert und benannt sind. — Mit solchen Medikamenten werden nun auch die Kranken behandelt. Schlagen sie ein und führen zur Besserung, so fährt man in der Anwendung des gleichen Arzneimittels fort. Ist aber kein nennenswerter Erfolg zu sehen, so wechselt man den Arzt. Anscheinend geht Änderung der Behandlungsweise immer mit einem Arztwechsel vor sich. Kaum wird ein Bassaritenarzt zu der Offenherzigkeit kommen zu sagen: "Das erste Medikament war wohl nicht das richtige. Versuchen wir es mit einem andern."
Nützt die neue Kur auch nichts und geht es mit dem Kranken bergab, so macht man, besonders wenn der Kranke ein älterer Mensch ist, keine besonderen Umstände mehr, sondern man läßt ihn ungeschoren. Man gibt in diesem Falle die Sache sogar recht schnell auf, so schnell, daß der Eindruck nicht zu verwischen ist, die Familie lege absichtlich dem räuberischen Tode keine besonderen Hindernisse in den Weg. Diesem Gedankengange kann man sich um so
weniger entziehen, wenn man hört, daß die Familie stets geneigt ist, einem solchen Alten auch die gesundheitswidrigsten Wünsche nicht abzuschlagen. Im folgenden werde ich zu berichten haben, wie sorgfältig im Gegensatz hierzu die Alten für Erhaltung ihrer jungen Nachkommenschaft bedacht sind. Alte Leute sind eben unnütze Brotesser. Die Jungen sind die Familienerhalter. Es ist recht merkwürdig, wie kraß in allen Sitten und Gepflogenheiten diese Anschauung durchgeführt ist.Der sehnlichste Wunsch der Alten ist auf Ndam, auf Sorghumbier gerichtet. Das ist auch der "letzte Wille" der kranken Alten, und wenn die ersten Medikamente nicht sehr bald eine günstige Wendung des Zustandes herbeiführen, kommt man ihm auch gern nach. Um das ganz zu verstehen, muß man die Bassariten längere Zeit beobachtet haben. Morgens um 9 oder 10 Uhr gehen in jedem großen Ort schon einige würdige Greise über die Straße und vereinigen sich bei einem Freunde, dessen Frau oder Tochter Ndam bereitet hat. Der Humpen kreist. Mittags wandern die gleichen oder andere alte Männer in ein zweites Gehöft. Das Geschäft, was sie dahin zieht, ist das gleiche: Biertrinken! Am Abend kann man sicher sein, an einem andern Orte zu gleichem Zwecke ein Konzilium vereinigt zu finden. Mittlerweile arbeiten die "Jungen" in den Feldern und Schmieden. Man kann sagen, daß im Biertrinken und Geschwätz das Tagesleben der Alten seinen wichtigsten Ausdruck findet. Und darum: Wenn es zum Sterben geht, folgt die alte Seele auch dem Biergedanken, der sie ins Jenseits leitet. Der Alte verlangt im letzten Augenblick Bier, und es ist wohl nicht nur Gutmütigkeit, wenn die Jungen dem Wunsche nachkommen, denn sie wissen, welche Gefahr mit der Gewährung verbunden ist. Also der Alte labt sich noch einmal gründlich und dann stirbt er —oft, wie behauptet wird, mit dem letzten Schluck.
Die Bestattung erfolgt am gleichen Tage. Der Leichnam wird sogleich nach dem Tode gewaschen, rasiert und mit einem roten Creme eingerieben, der aus einer Mischung von Schibutter und zermalmter Baumrinde besteht. Inzwischen eilen Boten in die umgebenden Dörfer, und von da aus verbreitet sich die Nachricht über das Land, weit hinaus, so daß auch entfernt wohnende Verwandte und Freunde in Bälde unterrichtet sind. Die Folge ist, daß am gleichen Tage noch von allen Seiten Menschen herbeiströmen, truppweise, Männlein und Weiblein. Aber die gleichen Gruppierungen wiederholen sich immer wieder: vorn der Hausherr, hinter ihm Tochter oder Sohn, die Donnerbüchse tragend - ein altes Weib, das einen Topf mit Bier auf dem Kopfe hat, noch ein Weiblein, ein ärmerer Alter, der nicht allein gehen mag, oder eine Freundin der Familie.
Inzwischen heben jüngere Leute das Grab aus. Andere flechten die Tragbahre, Ulünde (Plural: lilundo) genannt. Sie besteht im wesentlichen aus vier Bambusstangen. Der Tote wird gestreckt daraufgelegt. Zwei Leute tragen die beladene Bahre zu Grabe. Es gibt Kirchhöfe draußen, nicht weiter als eine Viertelstunde von der Ortschaft entfernt, wenn nicht näher. Da ist Grab neben Grab angelegt. Es sind einfach senkrechte Schächte.
Die Leiche wird ausgestreckt auf der Seite liegend niedergelegt. Eine Hand ruht unter dem Kopfe, die andere zwischen den Beinen. Männer- und Frauenleichen ruhen verschieden. Zur Erklärung hierfür sagte ein Alter recht hübsch: "Wenn die Sonne aufgeht, geht der Mann zur Farmarbeit. Wenn die Sonne untergeht, geht die Frau zum Markte." Ein zweiter Alter sagte: "Wenn die Sonne da (ca. 4 Uhr) steht, nimmt die Frau ihre Last auf und sagt: ,Ich will zum Markte gehen.' Wenn die Sonne aufgeht, nimmt der Mann seine Hacke und sagt: ,Ich will nun zur Farmarbeit gehen!" — Demnach ist die Lage der Toten also folgende: Frauen mit der rechten Hand unter dem Kopfe nach Sonnenuntergang gewendet - Männer mit der linken Hand unter dem Kopfe nach Sonnenaufgang sehend. Bei beiden aber der Kopf nach Norden, die Beine nach Süden.
Man deckt die Leichen nur mit einem Blatte zu. Das ist vom Baume Ngallende genommen, der kleine, schwarze Beeren hat. Dies Blatt deckt merkwürdigerweise die nach oben gerichtete Ohröffnung, "damit keine Erde hineinkommt". Im übrigen wird sogleich nach der Bettung die Erde über den Leichnam geworfen, der nur durch das Blatt auf dem Ohr von ihr getrennt ist. Ich sah und hörte nichts von irgendeiner Grabbeigabe. Die Grube wird bis oben hin mit Erde und Steinen gefüllt.
Auf das Grab kommen zunächst einmal drei Steine. Dann noch ein Gerät. Die Grabgrube wurde mit einem Kenjanguiu (Plural: Tinganguidi) ausgeholt. Wenn nach der Beisetzung unter Zuhilfenahme des gleichen Werkzeuges, das nichts anderes als ein Erdbeil, ein Knieholz mit darübergeschobenem Eisenkeil ist, das Grab wieder zugeworfen ist, so ziehen die jungen Leute das Eisen vom Kenjanguiu und werfen das Griff- oder Knieholz hin. Das Eisenblatt nimmt man heim. Das Griffholz des Erdbeiles kommt aber auf das Grab zu den drei Steinen und wird auch mit Sträuchern, die über dem Grabe aufgeschichtet werden, bedeckt.
Dieses Griffholz auf dem Grabe der Bassari erinnert mich an einige analoge Vorkommnisse, die mir im Sudan auffielen. Da ist zunächst das Mobagebiet. Direkt neben "Dapong", dem ersten Rathause, das wir in Togo kennenlernten, fand ich fünf Gräber. Auf dreien fand ich solche Kniehölzer. Dann in Kani-Bonso, oben
im Totental, in einer Grabhöhle, fand ich gleichfalls ein Holz, das aussieht wie ein Griff. Fernerhin erzählten mir einige Diarra im Kankangebiet, daß ihnen die Gräber der "alten"Bamanakönige im Segusprengel wohl bekannt seien. Sie wollten mir nicht mit Angaben über den "heiligen" Platz der Gräber dienen, gaben aber an, daß auf jedem eine Hacke läge. Wenn, was die Zeit mit sich bringt, der Hackengriff abgewittert sei, erneuere man ihn durch einen andern; das Eisen sei aber von alters her immer das gleiche.Zu den Vornahmen beim Begräbnis gehört vor allen Dingen "Schießen". Auf dem Wege vom Wohndorfe zum Grabe wird ordentlich geschossen. Auf der Rückkehr nach Hause wird wieder geknallt, was die alten Donnerbüchsen nur aushalten. Geknallt wird dann wieder abends beim "Totenumtrunk". Wenn dann später noch die Söhne und Schwiegersöhne als verspätete Gäste erscheinen, ziehen sie knallend zum Grabe, kehren knallend wieder ins Dorf zurück. — Diese echt negerhafte Vorliebe fürs Knallen habe ich oftmals beobachtet, und zwar beobachtet mit dem Bestreben die Freude daran zu verstehen.
Die Büchsenknallerei gehört zum Festtrubel bei mancherlei Gelegenheit, bei Totenfest, Beschneidungsfest, bei Hochzeit, bei "Empfängen" hoher Herrschaften usw. Zunächst ist deutlich wahrnehmbar das protzenhafte Gefühl des Individuums, das die allgemeine Aufmerksamkeit auf seinen Flintenbesitz nicht schöner konzentrieren kann, als indem er schießt. Zum zweiten ist die afrikanische Negerrasse mit der Büchsenmusik sehr zufrieden, denn laut sind ihre Lärminstrumente, Trommel, Horn, Glocke. Endlich aber kommt das noch dazu, was mich zu dieser Reflektion veranlaßt: die Furcht. Bei Beschneidungsfesten wird ausgesprochenermaßen deswegen so geknallt, weil die Geister ferngehalten werden sollen, die sonst so frech den beschnittenen Knaben auflauern. Und bei den Totenfesten?
Wenn man von jenen Leuten absieht, die durch ihr Handwerk mit Toten in häufige Berührung kommen, und einigen ganz besonders robust veranlagten Menschen, wird man sagen können, daß die Hantierung mit einem Leichnam für niemand eine gleichgültige Sache ist. Ebenso sicher aber kann man sagen, daß die allermeisten, zumal die Neger, bestrebt sind, ein möglichst gleichgültiges Gesicht dazu zu machen, um das ungemütliche Gefühl nicht merken zu lassen, das einen befällt. Gleichmütig zu erscheinen, gehört beim Neger an sich schon zum Zeichen guter Erziehung und unbeeinflußbarer Männlichkeit. Aber gerade bei den Grabgeleiten der Bassariten konnte ich wahrnehmen, daß der Neger sehr zufrieden ist, wenn er durch die Knallerei einerseits sein eigenes Empfinden betäuben und anderseits die Aufmerksamkeit anderer ablenken kann.
Der Neger, und zumal der Bassarit, ist dem Leichnam gegenüber ganz und gar nicht gleichgültig. Er hat unbedingt das Grauengefühl. Und darüber hinweg hilft die Knallerei.Eine andere Frage ist es, ob der Bassarit damit eine besondere Vorstellung verbindet, ob er zum Beispiel mit dem Geknalle die Geister im allgemeinen oder den Geist des Toten, den er da fortbegleitet, fernhalten will. Einer so klaren Herauskristallisierung einer Idee aus dem ganz allgemeinen, dem Bewußtsein mit Absicht möglichst ferngehaltenen Gefühl des Grauens, der Gespensterfurcht, halte ich den Bassariten im allgemeinen nicht für fähig. Ich habe bei meinen Unterhaltungen über diesen Punkt keine Andeutung von irgendeinem auch noch so keimhaft ausgebildeten Gedanken, der in diese Richtung zielen könnte, gehört.
Aber ganz dem wirtschaftlich-egoistischen Geiste der Bassariten entspricht es, wenn auch hier wieder der Satz Geltung gewinnt: Ist der Tote ein junger Mensch gewesen, dann wird geheult und nicht getanzt - war es ein altes Individuum, so wird getanzt und nicht geheult! Aber so roh wie hier habe ich das niemals aussprechen gehört. Klipp und klar, ohne Scheu, wurde mir von Jungen in Anwesenheit von Alten und unter selbstverständlicher Zustimmung seitens der Alten angegeben: "Wenn ein alter Mann stirbt, so ist das gleichgültig. Der alte Mann ist nur zum Biertrinken gut. Er kann nicht mehr arbeiten und nützt nichts. Er ißt und will auch nur Gutes essen. Der junge Mann aber arbeitet. Er verlangt nicht viel für sein Leben. Er arbeitet auf der Farm. Er nützt also sehr. Deshalb muß man tanzen und froh sein, wenn ein Alter stirbt. Weinen muß man, wenn ein junger Mensch stirbt." In ganz gleich roher Weise äußerten sich die Leute über den Unterschied, der den Todesfall eines jungen, arbeitsamen und fortpflanzungsfähigen Weibes von dem einer alten, müden und sterilen Frau scheidet. — Aber bei den Frauen werden sowieso weniger Umstände gemacht als bei den Männern, und so verschwindet die Differenzierung in der Sittenausübung bei ihnen mehr als bei den Männer begräbnissen.
Totenfeste für alte Leute währen bei leidlich angesehener und wohlhabender Familienzugehörigkeit oft tagelang. Das Normale scheint eine Festzeit von sieben Tagen zu sein. Solche Totenfeste sind Volksfeste, an denen sich die ganze Gegend mit aller Hingabe beteiligt. Eigentlich gefeiert wird nur gegen Abend, den Abend hin, und dann in die Nacht hinein. Von allen Seiten strömen gegen 4 oder 5 Uhr die Leute im Trauerdorfe zusammen. Immer truppweise mit Gewehr und Biertopf, Männer und Weiber. Ich wohnte einer solchen Festversammlung bei, deren Gedrängtheit die enge Fassung der Dörfer nicht bergen konnte. Die Leute saßen noch vor den Toren. Besondere Zeremonien scheinen mit den Totenfesten
nicht verbunden zu sein. Ich sah und hörte nichts davon. Also müßte mir etwas versteckt oder verschwiegen sein. Aber das glaube ich nicht. Es handelt sich nur um ein Freudenfest. Ein unnützer Brotesser ist tot. Also wird gejubelt, getanzt, geknallt. Auch hier fordert man von lachenden Erben ein "standesgemäßes" Fest. Es gehört zum guten Ton, ordentlich etwas daraufgehen zu lassen, und ist eine Gelegenheit, die Achtbarkeit und Ansehnlichkeit der Familie einmal recht zum Ausdruck zu bringen. Auch ist für würdigen Verlauf der Festlickkeit schon vorher gesorgt worden. Sehr oft kaufen gute Söhne schon bei Lebzeiten des Vaters einen kleinen soliden Pulvervorrat, denn im Geknalle äußert sich die Vornehmheit.Übrigens beziehen die Erben gleich nach des Vaters Tode sein Haus.
Dann haben die Bassariten in ihrem Sittenkodex noch eine sehr interessante Einrichtung, die den Namen "Binja-titu-piti" führt. Das ist die Überführung "der Seele des Toten" zu jener Stätte, an der der Gestorbene seinerzeit geboren wurde. Diese Zeremonie findet statt am vierten Tage nach dem Ableben. Bei der Zurichtung der Leiche hat man einige Haarbüschel aufgehoben (ganz ähnlich in Nupe). Am vierten Tage nun nimmt man sie und außerdem eine Handvoll Erde vom Grabe des Bestatteten. Die Erde wird mit den Haaren gemischt und in eine Tonschale gefüllt. Weiterhin wird eine neue Tragbahre hergestellt. Man nimmt nie die alte, auf der der Leichnam fortgeschafft wurde, sondern fertigt, wie ausdrücklich betont wird, eine neue an, und zwar ebenfalls aus Bambus und tragbar von zwei Männern. Auf der Bahre werden zunächst einige Stoffe ausgebreitet, die dem Alten gehörten. Auf sie stellt man die Tonschüssel mit den Haaren und der Graberde. Hierüber deckt man abermals Tücher.
Zwei Männer nehmen die Bahre auf den Kopf. Sie tragen sie dem Dorfe zu, in dem der Tote bestattet wurde. Viele Menschen schließen sich der Bahre an, Männer und Weiber. Die Donnerbüchsen werden mitgeführt. Weiber haben ihre kleinen Kinder auf den Rücken gebunden. Es ist ein langer Zug, der sich in der Richtung auf das Geburtsdorf des Toten in Bewegung setzt. Aber vor dem Eintritt in dies Dorf, am letzten Kreuzwege, macht das Ganze halt. Am Kreuzweg ist ein kleines Grab, ein Miniaturgräblein, ausgehoben. Dort hinein wirft man den Topf mit den Haaren und der Erde. Gleichzeitig wird geschossen, was die Rohre nur aushalten. Darauf setzt sich der Zug wieder in Bewegung. Nun walifahrtet die ganze Gesellschaft bis zu dem Hause oder Gehöft oder der Stelle, an der der Verstorbene seinerzeit geboren wurde. Dort werden feierlich Hühner geschlachtet und deren Blut umher-
gespritzt. Ob dabei irgend etwas gebetet oder aus der Lage der sterbenden Hühner irgendein Orakel gelesen wird, vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß nur, daß hinterher abgekocht und geschmaust wird, und zwar die gleichen Hühner, die soeben "geopfert" wurden. Ich brauche nicht besonders zu betonen, daß man die ausgezeichnete Gelegenheit, ein Bierfest zu feiern, nicht ungenutzt verstreichen läßt, daß man trommelt und tanzt, vor allem aber heftig knallt. Erst gegen Morgen nimmt die nächtliche Veranstaltung ihr Ende. Da wandert alles heim, und die wichtigste Zeremonie des Totenfestes ist erfüllt.Die Seele (Kenang, Plural: N'nam) gibt den Bassariten keine besonderen Probleme auf. Er nimmt an, daß, wenn der Mensch schliefe, sie ihn verließe. Dann ginge die Seele umher und sähe sich alles an. So entstünde der Traum (Kedamtiu). Dagegen soll die Seele mit dem Körper gemeinsam absterben. Wie so häufig muß man sich aber auch hier wieder die Wertlosigkeit und das Zustandekommen solcher Angaben klarmachen. Beharren wir also einen Augenblick bei diesem Punkte.
Der Bassarit, ja mehrere Bassariten versicherten mir auf meine Frage: "Was wird denn aus der Kenang, wenn der Mensch stirbt?" auf das bestimmteste: "Sie stirbt auch!" Gleich darauf schildern sie mir, wie den Seelen der Toten geopfert werde. — Ich habe solchen Widerspruch so oft gehört, daß ich nicht umhin konnte, seiner Entstehung nachzugehen. Im vorliegenden Falle ist die Sache sehr einfach. Die regelmäßigen, den Jahreszeiten entsprechenden Opfer an die Toten sind fest gegliedert und entsprechen ganz genau den Totenopfern, die bei fast sämtlichen Diabastämmen gefeiert werden. Es liegt ein alter, wohlausgebauter Kultus, der einer vollwertigen, auch wohlgeordneten Anschauung entspricht, als gemeinsames Religionsgut vor. Die meisten Diabastämme können genaue Angaben machen, so die Mossifürsten, die Gurmafamilie vor allen Dingen. Nun aber sehen wir - was sogleich zu berichten sein wird -, daß die Bassariten genau den gleichen jahreszeitlich geordneten Opferdienst haben, aber sie sagen: "Die Seele ist gestorben." Wir haben also die Kultushandlung noch erhalten, aber die zugehörige Anschauungssache fehlt. Also ist die Anschauung ausgestorben. Auch der Neger verrichtet seinen Opferdienst mehr oder weniger mechanisch. Alle Menschengruppen zeigen die Erscheinung, daß der Mensch seine religiösen Bedürfnisse stets gern durch Innehaltung der Form, Absolvierung des Kultus befriedigt. Nur dann, wenn religiöse Probleme Tagesprobleme werden, kümmert sich der Mensch, der nicht religiöser Fachmann ist, um den Sinn der Handlung. Der Bassarit aber führt ein durch und durch egoistisches Wirtschaftsleben. Das ist sein Interessengebiet. Über Familienzucht und Hackbau
und Handel und Wohlleben usw. denkt er nach. Im "Religiösen" genügt ihm die Kultushandlung. —Nun kommt der Weiße und verlangt Aufklärung über sein religiöses Denken. Das religiöse Denken ist gar nicht vorhanden, und ohne den Widerspruch selbst zu verstehen, ohne lügen zu wollen, sagt er in der Tat die Wahrheit, wenn er seinen Glauben mit der Mitteilung schildert: "Die Seele stirbt mit dem Körper ab." Der Neger ist zu dieser Behauptung stets um so mehr geneigt, als er in der Tat zu beständiger Gespensterfurcht bereit ist, diese aber natürlich immer leugnen will. Dieses Leugnen der Gespensterfurcht ist ihm das wichtige. Die Inkonsequenz,die in der Wegleugnung hier und der Seelenübertragungszeremonie sowie dem jahreszeitlichen Totenopfer liegt, die empfindet er nicht.Ebenso ablehnend verhielten sich die Bassariten hinsichtlich der Fragen über die Neubildung von Kindern. Das Körperliche wird auch hier sachgemäß, realistisch abgehandelt: der Mann beschläft die Frau, damit führt er ihr den Samen zu, aus dem im Weib das Kind erwächst. Also sudanische Allgemeinweisheit, Naturerkenntnis. Dann aber die Frage: "Wie kommt denn nun aber die Seele in das Kind?" Antwort: Ja, das könne man nicht wissen, das wisse eben nur Gott. Gott aber müsse das wissen. Ablehnung, Gedankenfaulheit. Nicht eine Spur jener klaren Aussage wie bei den Kabre oder den Tschamba, welch letztere doch Verwandte der Bassariten sind. Aber die Tschamba wohnen im Kabre-Timgebiet, in dem in allen diesen Fragen das bewußte Glauben noch den Kultus lebendig erhält.
Nun das, was ich von Totenopfern hörte oder wahrnahm. In jedem Gehöfte opfert man den Betanquibe (Singular: utonquile), das sind die Toten. Das geschieht auf einem kleinen phallitischen Tonaltar, Dukumpore (Plural: Akumpo) benannt, der im Winkel rechts oder links neben der Ausgangshütte im Mauerwinkel errichtet ist. Das Opfer selbst verrichtet der Familienälteste zweimal im Jahre, das erste am Eingang der Regenzeit, wenn die Felder zur Saat hergestellt werden, das zweite nach dem Ende der Regenzeit und Einbringung der Ernte. Beide Male schlachtet der Alte ein Huhn über dem Altar. Das erstemal betet er, daß den jungen Leuten draußen im Busch kein Unglück widerfahren möge, daß beim Ackerbau kein Skorpion sie steche, daß beim Aufgraben der Rattenlöcher keine Schlange sie beiße, daß bei der Jagd auf Antilopen der Leopard sie nicht überfalle. —Merkwürdigerweise wird ausdrücklich versichert, daß einerseits das Gebet an die Toten gerichtet wird, wobei einige Alte auch die Namen bestimmter abgeschiedener Angehöriger ausrufen, und daß anderseits niemals eine Bitte um gute Ernte eingeflochten werde.
Das zweite Totenfest wird nach Einbringung des Sorghum abgehalten. Sobald das erste Sorghumbier bereitet ist, bringt der Alte am Dukumpore, am Phallusaltar einen kleinen Topf davon dar und schlachtet zudem ein Huhn. Er betet einen Dankspruch, der etwa lautet: "Das bringe ich euch (den Verstorbenen), weil ihr gut auf das Wohlergehen meiner Kinder geachtet habt. Es ist keinem ein Unglück geschehen." — Außer diesen Zeremonien konnte ich Totenopfer nicht nachweisen. Es verlautet, daß die Bassariten ihre Totenfeste mehrmals wiederholen, aber das wurde von ihnen selbst auf das energischste bestritten. Eine generelle Gleichgültigkeit den Toten gegenüber scheint mir auch vielmehr ihrem egoistisch-wirtschaftlichen Gedanken- und Werktagsieben zu entsprechen.
Wohl aber fand ich recht häufig noch eine andere Art gleichgeformter Phallusaltäre, nicht in den Häusern oder Gehöften, sondern an den Felsrändern, die den Dörfern zugewendet waren. Sie wurden titanquande (Plural: itanquan) genannt und waren etwa lendenhoch. Der Durchmesser der Basis betrug etwa 6o bis 70 cm, der der Kuppe ca. 15 cm. Zuweilen liegen alte Steinbeile, die auch hier als Donnerkeile gelten, an dem Sockel. Der Name dieser Blitzsteine ist ata-quan (Singular: deta-quandi). Wir können nicht umhin, den Namen dieser Steinwerkzeuge mit dem der Phallusaltäre in Zusammenhang zu bringen. Die Bassariten bestreiten die linguistische und sinngemäße Beziehung ganz energisch und behaupten, daß es zwei verschiedene Worte seien. Tatsächlich ist die Aussprache und die Pluralbildung abweichend. — Auf diesen Altären bringen die Kranken sowohl im Beginn der Krankheit als nach der Genesung Bitt- und Dankopfer, also Hühner dar, und unterlassen, zumal nach der Heilung, nicht ein Gebet, in dem sie darum bitten, daß sie die Krankheit nicht wieder befallen möge. —Angeblich bleiben aber die Opfer auf diesen Altar ohne Einfluss auf die Medikamente der Arzte, über deren Verabfolgung oben gesprochen ward.
i) Der Uboa (Schamane) und sein WerdegangEine weitere Art kleiner Opferplätzchen sah ich mehrfach an der Außenwand der Durchgangshäuser an der Straßenfront, und zwar direkt über der Tür. Unwillkürlich erinnert das an die allerhand Opfer enthaltenden Nischen an den Tombo-Habehäusern in Korn oder die zwei Phallusse an der Front des Djennehauses oder an ähnliche Vorkommnisse an den Stirnen der Tambermaburgen. An den Bassarihäusern ist es meist eine Ausschälung, eine ausgesparte Lücke in der Lehmwand, in der meistenteils einige Hühnerfedern angeklebt sind. Die Stelle heißt umbote (Plural:
inumbote), trägt also den Bassarinamen für Gott. Zu diesen Opferplätzen ward mir folgende Erklärung geboten:Wenn ein Kind krank wird, so geht der besorgte Vater sogleich zu dem Uboa (Plural: Biboabe) genannten Priester. Er bringt ihm fünf Kaurimuscheln dar. Vater und Uboa hocken nun einander gegenüber nieder und fassen beide einen Stock, jeder an einem Ende. Die fünf Kaurimuscheln liegen zwischen beiden am Boden. Der Stock beginnt nun sich zu bewegen, und zwar mit dem vom Vater erfaßten Ende. Das in den Händen des Uboa liegende Ende ruht fest. Die Bewegung des Stockes geht anscheinend automatisch vor sich, und zwar bezieht sie sich auf die Gestalt des Vaters. Das Stockende tanzt erst um die fünf Kaurimuscheln, dann huscht es um den Vater herum, ihn bald berührend, ihn oder einzelne seiner Körperteile umkreisend, dann wieder zu den Kaurischnecken zurückkehrend, um den Weg von vorn zu beginnen.
Dabei sprechen Vater und Uboa miteinander. Den Anfang der Unterhaltung macht niemals der Vater, sondern stets der Priester. Der Uboa sagt bald nach dem Erfassen des Stockes: "Du brauchst mir nicht zu sagen, was dir fehlt. Gott hat es mir schon gesagt. Er hat mir gesagt, daß du gekommen bist, weil dein Kind krank geworden ist." Darauf der Vater: "Was fehlt meinem Kinde? Ist es hier?" Dabei führt er die ihm zugewendete Spitze des Stabes z. B. an den Bauch. Die Spitze kehrt automatisch zurück zu den Kauri, tanzt darüber und darum herum. Der Uboa sagt: "Das ist es nicht." Darauf führt der Alte sein Stabende an eine andere Stelle seines Körpers und sagt: "Ist es hier?" Der Stock kehrt automatisch zu den Kauri zurück und so fort, bis endlich die richtige Körperstelle gefunden ist. Dann weiß es mit einem Male der Uboa und er sagt: "Ja, an der Stelle ist dein Kind krank." Nach dieser Feststellung fügt der Uboa noch hinzu: "Du mußt nun Umbote (Gott) das und das Tier opfern."
Damit ist die Konsultation abgeschlossen. Der Vater geht. Die fünf Kauri bleiben beim Uboa. Eine eigentliche Bezahlung erhält der Priester nicht. Der Vater aber geht vom Priester direkt zu einem vertrauenswürdigen Arzte und kauft bei ihm in der oben geschilderten Weise die für den kranken Körperteil geeignete Arzenei. Außerdem und vor allen Dingen aber wird das vom Priester geforderte Opfer an der vom Umbote genannten Stelle an seinem Hause vom Vater für Gott dargebracht.
Damit sind wir sogleich in das Wesen des Biboabe genannten Schamanen eingeführt, und wir wollen sogleich den interessanten Weg verfolgen, auf dem ein Mensch zum Uboa wird. Der Uboa ist der typische sudanische Schamane, und als solcher ist er mit seiner schamanistischen und prophetischen Veranlagung geboren, gewisser-
maßen von Gott für seinen Priesterberuf von vornherein auserkoren. Er ist genau vom Schlage jener Schamanen, die als Lagam bei den Tombo-Habe eine so eminente Rolle spielen, der Djeggu-tu der Bosso-Soroko usw. Es wird niemand schwer werden, die Parallelen sogleich zu erkennen, die sich auf die kleinsten Kleinigkeiten wie auf diffizile und alles erklärende Hauptsachen erstrecken.Den zukünftigen Uboa erkennt man schon im neugeborenen Kinde. Ein solches Wesen sieht nicht rund und gesund in die Welt. Vielmehr ist es ganz mager, dürr, die Haut liegt auf den Knochen auf. Also ein jämmerliches Geschöpfchen. —Es drängt sich uns die Frage auf, ob ein Volk vom Schlage der Bassariten auf die tiefe Idee gekommen sein könne, daß der zukünftige Prophet, das Werkzeug der hohen Macht, so recht jämmerlich in die Welt einziehe, just als solle der Gegensatz dieser kümmerlichen Körperbildung zu der zukünftigen Geistesgröße besonders scharf betont werden. Die Betonung solcher Gegensätzlichkeit ist wohl nicht zu bestreiten, aber daß sie vom Geistestum des Bassaritenschlages geschaffen sei, möchte ich doch ablehnen. — Der Vater, der solch kümmerlichen Sproß in seinem Hause einziehen sieht, erschrickt. Der Mann will hier kräftige, gesunde Kinder haben, ordentliche Nachkommenschaft tüchtigen Bauerntumes. Der entsetzte Vater geht also sogleich zu einem besonders angesehenen Uboa und unterwirft sich dem Stockorakel. Das Stockorakel aber sagt ihm, daß das Kind so elend und mager aussehe, weil die Dubaure (Singular: abaure) beschlossen hätten, daß es einmal ein Uboa werden solle. Dann läßt der Uboa den besorgten Vater heimkehren und gibt ihm den Auftrag, auf die Umbotestelle, die Opferschale über der Haustür, Wasser zu gießen. Sowie der Vater diesem Befehle nachkommt, zeigt das Kind sogleich eine Neigung zu gesunderer Entwicklung und kommt dann auch bald zu guten Kräften. Erkrankt das Kind dann später nochmals, so hilft das Opfer eines Perlhuhnes über der gleichen Stelle und einer Ziege mitsamt einer Henne unter der Umboteopferausschalung unbedingt. — Von vornherein möchte ich auf die kleine, anscheinend nicht unwesentliche Differenzierung aufmerksam machen. Der Umboa behauptet, daß die Dubaure den zukünftigen Uboa erkoren hätten, aber ein Opfer auf der Umbote, der Gottesschale, hilft ihm, und daß das Wasser dabei eine so große rettende Rolle spielt, erinnert uns daran, daß die Taufe als religiöse Reinigungszeremonie auch bei vielen Völkern in Ubung gefunden wurde, ehe noch eine Beziehung zum Christentume eingetreten sein konnte. Jedenfalls verdienen diese Züge unsere vollste Aufmerksamkeit. Sie bestärken mich unbedingt in der Überzeugung, daß diese Diabastämme Träger einer außerordentlich alten Kultusform sind.
Das aufwachsende Kind scheint zunächst nicht durch irgendwelche Symptome seiner prophetischen Veranlagung ausgezeichnet zu sein. Erst wenn der Bursch erwachsen ist, wird er hellseherisch und pflegt dann und wann Dinge zu sehen, die andern Sterblichen unsichtbar bleiben, und damit beginnt seine Schamanenlaufbahn, in die er nun mit oder gegen seinen Willen auf folgende Weise hineingedrängt wird: Eines Tages sieht er z. B. ein kleines, etwa T-förmiges oder wie ein T oder ein doppelter Angelhaken geformtes, Agema genanntes Eisen in der Erde am Wege liegen. Wenn ein anderer den Weg gehen würde, könnte er es nicht wahrnehmen, denn das Eisen zeigt sich nur dem zum Uboa Vorbestimmten. Der aber mag das Ding wohl sehen, aber keinerlei Interesse dafür an den Tag legen. Das Agemaeisen läßt sich durch diese Gleichgültigkeit aber nicht im geringsten stören. Nach einiger Zeit legt es sich irgendwoanders so hin, daß der Bursch, des Weges kommend, es sieht -während es jedem andern auf jeden Fall unsichtbar bleiben würde. Und so zeigt sich das kleine Eisen dem jungen Manne bald hier, bald dort, bis er sich dem direkten Einfluß nicht mehr entziehen kann, bis die Neugier ihn überwältigt, bis die Macht des Eisenagema ihn gefangengenommen hat - oder ähnlich. Meine Berichterstatter ließen die Kräfte des Widerstandes seinerseits und die Überwältigung durch das Agema nicht so deutlich werden, daß ich eine Analyse geben kann.
Jedenfalls, der junge Mann hebt nach längerem Zögern widerstrebend das Agema auf und fragt es: "Was bist du?" Das Agema sagt dann: "Ich bin ein Abaure (Plural: dubaure)." Der Bursch dann wieder: "Was willst du?" Das Agema: "Du sollst mich mitnehmen. Du sollst mich in dein Gehöft tragen. Du sollst mir ein Koadi geben. Du sollst mir ein Huhn schlachten usw". Vielleicht ist der Mann immer noch nicht bereit, den neuen Beruf zu beginnen, und wirft das Agema nochmals fort. Aber es hilft ihm nichts. Das Agema läßt die Berufsflucht nicht zu. Es zeigt sich ihm immer wieder, bis er es eines Tages wieder auf- und mit nach Hause nimmt. In seinem Gehöft stellt der angehende Schamane nun irgendeine Hütte in den Dienst der neuen großen Sache. Sie wird von jetzt an zu nichts anderm mehr verwendet und führt den Namen: Koadi. Im Koadi lehnt er das Agemaeisen als ersten, heiligen Gegenstand an die Wand. Kaum ist es aber an diesem Orte angelangt, so beginnt das Agema heftig zu wachsen, bis es so groß und größer als ein Mensch ist.
Wieder ein anderes Mal trifft der angehende Schamane irgendwo einen sogenannten Diffankugerestein (Plural: affankuku). Das sind bald runde, bald längliche Stücke des Latteritterzes. Die Diffankugere drängen sich dem Uboanovizen in ähnlichem Spiel auf
wie die Agemaeisen. Nur zeigen sie sich nicht hie und da am Wege, sondern sie laufen dem Mann überall hin nach. Andere Leute sehen das nicht, aber der Uboa sieht solchen Stein bald hier, bald dort ihm entgegenlaufen, bis er ihn aufnimmt und ihn fragt: "Wer bist du ?" und: "Was willst du?" Dann nimmt er ihn heim. Er wird in das Koadi zu dem Agema gestellt. Der Uboa findet nicht nur einen, sondern mehrere solcher Steine und legt sie alle in das Koadi.Unwillkürlich erinnert das an die Art und Weise, wie bei den Tombo-Habe der Lagam durch Auffindung der heiligen Perlen zum Lagam wird. Auch den heiligen Stab solcher Priester werden wir gleich kennenlernen. Wenn der junge Uboa nämlich die Dubaure im Koadi gesammelt hat, fertigt er sich einen Stab, den sogenannten "Uboapondo" an. Das ist ein etwa 1,20 m langer Stab, in dessen Rinde der Uboa drei Ringe hineinschneidet. Danach tötet er ein Huhn. Er bindet einige Federn an das Stabende und bestreicht es zudem mit Blut, worauf der "Uboapondo" fertiggestellt ist. Sobald der Uboa ihn nun zur Hand nimmt, zieht sogleich unbegrenztes Wissen in ihn ein. Der Uboa kann mit seinem Stabe in der Hand alle Fragen beantworten, die ein zu ihm Kommender in Gedanken hat -noch ehe sie ausgesprochen sind. Kommt jemand zur Konsultation, so ruft der Uboa den Namen Gottes, dann den seiner Mutter, dann den seines Vaters. Darauf kommen die Dubaure zu ihm, und die können ihm alles sagen. Aber nur der Uboa selbst sieht seine Dubaure kommen. Ein anderer sieht sie nicht. —Jedenfalls haben wir mit alledem das Werkzeug und den Werdegang des Schamanen kennengelernt, über dessen Tätigkeit noch mancherlei zu sagen sein wird.
Sehr wesentlich ist mir hier festzustellen, daß diese ganze Glaubensgruppe bei Bassariten und Konkomba genau übereinstimmt - bis in die kleinen Details hinein wie Aussprache der Namen, usw.
k) Uboa (Schamane) und Usopu (Subache)Von den Bestätigungen des Uboa, von seinem Beruf als Schamane und Prophet haben wir uns im vorhergehenden schon einen allgemeinen Überblick gemacht. Nun kommt es darauf an, charakteristische Einzelzüge aufzufinden, die uns die inneren Beziehungen dieser Priesterschaft in ethnologischer Verwandtschaft einerseits und in ihrem Wirkungskreise anderseits verständlich machen. In diesem Sinne Umschau haltend, entdecken wir zunächst einmal wieder das Zeremonial des Schamanentanzes, der auch hier wie bei Bosso und Tombo, bei Mahnke und dem Lo-Kultus der Nonostämme die Unverletzlichkeit des Priesters andeutet, dann
aber auch zur Entdeckung des in Funkenform sich manifestierenden kannibalischen Vampyrs, der mandeschen Subaga, überleitet. Also, daß wir auch hier wieder in einen uns in mehrfachen Varianten entgegentretenden wichtigen und uralten Kulturbereich gelangen.Der prophetische Feuertanz der Uboa gilt als deren großartigste und feierlichste Zeremonie, die nach den Beschreibungen der Leute einen eminenten Eindruck auf die Masse machen muß. Hier wie anderweitig ist es mir nicht gelungen, selbst eine solche Vorführung mit zu erleben, und ich muß mich darauf beschränken, die Berichte der Eingeborenen hier zusammenzufassen. Immerhin sind sie so übereinstimmend, daß an der Richtigkeit nicht zu zweifeln ist. Bemerkenswert ist, daß dieser Vorgang offenbar im Verschwinden begriffen ist, und zwar geschieht dies einerseits unter dem Einflusse des Islam, anderseits und ganz besonders aber unter dem des modernen, auch hier mächtig fortschreitenden kolonialen Wirtschaftslebens. Das Interesse am Alten erstirbt. Beide Einflüsse wirken überall gleich nivellierend.
Eines Morgens also sagt ein Umboa zu den Bauern, sie sollten ihm Feuerholz zusammentragen, denn er habe ihnen etwas Wichtiges zu sagen. Darauf schleppt dann alle Welt sowohl altes und trockenes, als junges und frisches Holz herbei. Das wird auf einem großen Dorfplätze aufgeschichtet, und zwar so, daß das trockene Holz zu unterst, das frische obenauf zu liegen kommt.
Gegen Abend versammeln sich alle Dörfler, alt und jung, und auch das Frauenvolk ist nicht ausgeschlossen. Dann erst tritt der Uboa herzu. Er hat einen langen Stoff um die Lenden geschlungen. Der wird zusammengehalten durch einen weißen Schal, der zusammengedreht und wie ein Gürtel umgelegt ist. In jeder Hand hält er ein eisernes Klapperinstrument. In der Linken das Kuboataung (Plural: Teboatan), in der Rechten das Uboadjilam (Plural: Iboadjilam). Ersteres ist ein rundes Eisenblatt, das in der Mitte zur Aufnahme des nach oben ragenden, aus starkem Eisendraht geschmiedeten Handgriffes am Rande mehrfach durchbohrt ist zur Einbäugung des eisernen Klöppels. Das Uboadjilam hat die Form eines eisernen Keitschuhes, wie er häufig an afrikanischen Speerenden befestigt ist. Nur ist in der Tülle, die sonst das Holz des Speerschaftes aufnimmt, ein Glockenklöppel befestigt.
Das Feuer wird angezündet. Der Uboa beginnt zu tanzen. Die Leute rühren emsig die Trommeln. Die Zuschauenden singen den auffallenden Text: "Das Wasser ist kalt! Das Wasser ist kalt!" Erst singt das der Uboa, dann wiederholt es ein Vortänzer, die Korona fällt ein, die ganze Gemeinde singt mit. Der Uboa tanzt mehrmals um den Feuerstoß. Er klappert mit Kuboataung und Uboadjilam. Von Zeit zu Zeit bückt er sich und blickt in den
brennenden Scheiterhaufen. Tanzend zieht er sich nach vorn. Wenn er mehrmals das "Uboamui", das heilige Feuer, umtanzt hat, unterbricht er den "Ngo-tu-boale" genannten Tanz und setzt sich mit einem Ruck in das Feuer. Seine Kleider brennen nicht. Er selbst verbrennt sich nicht. Das Feuer kann ihm nichts anhaben. Er ist eben Uboa.Wenn der Uboa nun im Feuer sitzt, beginnt er zu weinen, zu jammern. Er klagt lange und Tränen rollen ihm über die Backen. Wenn er lange geweint hat, steigt er wieder herab. Er tanzt noch einige Male um das Feuer. Dann verkündet er das, was er den Leuten zu sagen hat, daß nämlich der junge Mann X im Dorfe sehr krank sei. Er sei so krank, weil es im Dorfe schlimme Vampyre gebe (Singular: usopu, Plural: bussopobe), die den jungen Mann fressen wollten. Das wäre sehr schlecht. Endlich wendet sich der Uboa an den Vater des jungen X, der natürlich unter den Anwesenden ist, und sagt ihm, er solle Hühner, Perlhühner, Ziege und Schaf bringen als Opfer.
Damit ist der Feuertanz beendet. Der Vater des X bringt das geforderte Opfergetier. Der Uboa führt es in seine Koadi und tötet es da über den magischen Mitteln, den Dubaure, so daß das Blut über sie hinrinnt. Andere Leute können die Schlachtopfer genießen, der Uboa aber darf es nicht. Wenn der Uboa davon genießen würde, würde er sogleich sterben. Der junge Mann wird aber sofort genesen. Dazu ist noch zu bemerken, daß der Uboa an diesem Abend nach dem Feuertanz die Bussopobe würde fassen können - wenn er es wollte. — Wenden wir uns aber zunächst einmal diesen Geschöpfen zu.
Auch bei den Bassariten gehen die Vampyrungeheuer auf Seelenraub aus. Auch hier kann es Mann und Weib sein. So ein Kerl vampyrischer Eigenart kann nachts neben seinem Ehegesponst liegen, ohne daß dies es merkt, wie der Böse aus seiner Haut herausfährt und durch die Dachspitze die Hütte verläßt. Wenn das Ehegespann erwacht, sieht es die Haut des Menschenräubers liegen und kommt dann gar nicht auf den Gedanken, daß etwas in Unordnung ist und jener zu so schrecklicher Tat fortgegangen ist. Man kann die zum Seelenraub ausgezogene Usopa nicht anders sehen als gelegentlich des Nachts, wenn er als Feuerfunke durch die Luft fliegt. In dieser Gestalt segelt er von dem eigenen Hause, das er durch die Dachspitze verlassen hat, zum Heim seines Opfers, in das er wieder durch die Dachspitze gelangt.
Drinnen läßt er sich nieder und zieht die Seele aus dessen Leib. Die Bussopobe erwählen sich nie alte, magere Menschen, sondern immer kräftige, wohlbeleibte, junge Leute, die gute Schlachttiere abgeben. Genau wie bei Mahnke, Tombo usw. verwandelt der
Vampyr die herausgezogene Seele seines Opfers in ein vierfüßiges Tier, etwa in eine Antilope oder einen Ochsen. Dieses Seelentier wird alsdann auf den großen Marktplatz des Ortes geschleppt. Der Usopu hat Messer und Kalebasse bei sich und schlachtet auf dem Marktplatze. Auf dem Platze versammeln sich viele Vampyre, Männer und Weiber. Und nach dem Schlachten hebt sogleich ein allgemeiner Fleischhandel an. Danach kochen die Bussopobe auch gleich ab, speisen und trinken dazu viel Bier. Dagegen tanzen die Vampyre der Bassariten nicht. Alles Fleisch wird sogleich verzehrt. Es wird nichts aufgehoben, denn man könnte die Speisereste der Orgie finden und das könnte zur Entdeckung der Unholde führen.Anderseits aber scheint es fast so, als ob entweder die Seelenaussaugung nicht immer so schnell vor sich ginge oder die Seelentiere nicht immer sogleich geschlachtet würden - als ob vielmehr noch eine Leidens- und Wartezeit gelassen würde. Das geht aus der Möglichkeit hervor, daß die Uboa in der Zwischenzeit eingreifen und den armen Teufel noch retten können. Ist dagegen das Seelentier sogleich geschlachtet und verspeist, so erwacht der seines Innenlebens beraubte junge Mann am andern Tage krank und schwach und stirbt meistenteils sehr schnell.
Usopu ist man von Geburt, von Kindheit an. Man ist genau so, wie es Umbote, wie es Gott gab. Also gibt es hier anscheinend einen Kauf solcher Eigenschaften nicht. Der Uboa erkennt derart veranlagte Menschen und warnt sie auch. Weiterhin treffen wir hier wieder die Anschauung, daß jeder Usopu nur Mitglieder der eigenen Familie fangen kann, also ein Besitzrecht nur über die, die ihm "zugehören", ausüben kann. Also aneignen kann nur der Verwandte sich eine Seele, während sich am Schlachten auch andere, nicht mit der betreffenden "Seele" verwandte Vampyre beteiligen können. Auch hier wieder bilden alle Vampyre eine Genossenschaft, in der jedes Mitglied die Pflicht hat, aus dem eigenen Verwandtenkreise in entsprechenden Zwischenräumen eine Seele zu liefern, so daß also die Ausnutzung der einzelnen Familienbestände eine gut ausgeglichene, abgemessene, wohigeregelte im Sinne der sauberen Genossenschaft ist.
Der einzige durchgreifende Schutz gegen die Vampyrgeister liegt in dem Schamanentum der Uboa. Einen Zug der Anwendung lernten wir schon oben gelegentlich der Schilderung des Feuertanzes kennen. Aber ausgesprochenermaßen kann der Uboa nur dann helfen, wenn die herausgezogene und zum Tier verwandelte Seele noch nicht getötet ist. Sobald das Tier getötet ist, kann auch der begabteste Uboa mit allen seinen Kräften nicht mehr nützen. — Der Uboa übernimmt nicht immer aus eigenem Antriebe die Anklage oder den Tanz um das heilige Feuer, wie es oben beschrieben
wurde. Oft muß erst ein Verwandter des unter dem Angriff des Vampyrs leidenden Mannes zum Uboa gehen und ihn fragen, was es mit dem schlechten Befinden des Kranken für eine Bewandtnis habe. Daraufhin stellt der Uboa die Beziehung zu den Dubaure her und danach kann er die Diagnose auf "Vampyrfraß" stellen, und zu entscheiden wäre dann noch, ob es zu spät oder noch Zeit zur Hilfsaktion ist. Jedenfalls muß nach solcher Feststellung gegen das gemeingefährliche Individuum und sein Unwesen vorgegangen werden.Fernerhin ist es recht interessant, daß der Uboa, auch wenn er den "fast schon verlorenen" Mann retten will und kann, auf keinen Fall den Namen des Übeltäters nennen darf. Er muß sich darauf beschränken, die Tatsachen im allgemeinen festzustellen und kann dann eventuell noch hinzufügen: "Ich weiß, wer der Usopu ist. Ich kenne den Usopu." Er selbst nennt den Namen nicht. Will die Familie des Kranken den nach Bassaritenansicht sehr wohl auch für die andern Familienmitglieder gefährlichen Usopu fassen, um weitere Verluste zu verhindern (man bedenke, daß jeder Usopu den Genossen von Zeit zu Zeit aus seiner Verwandtschaft ein Opfer liefern muß), so wendet sie sich an den Uboa eines Nachbarortes und bittet ihn, er möchte zur Feststellung herüberkommen. Der kommt dann solchem Wunsche meistens nach und tritt den Weg mit den beiden zeremoniellen Eisenschellen und mit seinem Uboastabe an.
Die Feststellung erfolgt nach prophetischem Tanze, der den Usopu in einen exaltierten Zustand versetzt. Anscheinend spielt auch in diesem Falle ein Feuer eine Rolle, doch kann das auch auf Mißverständnis beruhen. Den Racheakt, die Vernichtung der Vampyrmenschen, übernimmt nicht der Vater des Angegriffenen, noch gerade Geretteten oder schon verfallenen Opfers, sondern die Familie seiner Mutter. Der erkannte Usopu wird ergriffen, abgefangen und am Wege hingeschlachtet. Die Rächer lassen den Leichnam liegen. Die Sippe des Toten mag kommen und ihn zum Begräbnis fortschaffen. Seine Leute bestatten ihn dann und feiern das übliche Totenfest. Der Uboa, der zur Feststellung aus dem Nachbardorfe herübergekommen ist, erhält ein Geschenk von 1000 Kauri.
l) Allerhand ZaubermittelAuch der Uboa, der Schamane, ist nicht ganz gefeit oder jeder Gefahr, die von diesen Nachtgeschöpfen ausgeht, überhoben. Auch die Seele des Uboa kann von einem rachegierigen Usopu eingefangen, verwandelt, fortgeschafft, geschlachtet und verzehrt
werden. Deshalb wenden sich die jungen Schamanen an die Alten und bitten sie um "magische Mittel", die gegen die Vampyre stark machen. Erst wenn sie genug von diesen "Mitteln" zu sich genommen haben, sind sie sicher. Es versteht sich von selbst, daß diese magischen Mittel Geheimmittel sind, von denen etwas Näheres zu erfahren mir nicht gelungen ist. — Nicht unmöglich, daß sie mit dem gleich näher zu fixierenden Zeremonial in Beziehung stehen.Jeden Morgen verrichtet nämlich jeder Uboa eine doppelte "heilige" Waschung, und zwar dies in der ersten Morgenstunde, in der der Hahn schreit. Eine große Kalebasse steht im Koadihause. Der darin befindliche Medizininhalt heißt "Nuajogo". Eine mit ähnlicher Medizin, die Mboa-jogo heißt, gefüllte Kalebasse steht auf der Veranda seines Wohnhauses. Das Wort "jogo" für Medizin, Zaubermittel, das wir nachher noch häufiger treffen werden, erinnert an das dem Sinn nach ähnliche Wort juhu gewisser Guineasprachen. Mit der Nua-jogo und der Mboa-jogo wäscht sich der Uboa alltäglich zur Sonnenaufgangszeit Gesicht, Leib und alle Glieder. Niemals aber gibt er andern Leuten davon ab.
Holzfiguren und eiserne Schlangen, die bei Tim- und Ewestämmen eine so große Rolle im Haushalte der Schamanen spielen, fehlen den Uboa der Bassariten und Konkomba vollständig. Jene Tanzzeremonien, zu deren Begehung die Jünglinge und jungen Männer, wie wir bei den Moba fanden, so reiche Kaurikleidung, Kauribehänge und Kaurikappen tragen, kommen bei den Konkomba vor, nicht aber bei den Bassariten. Nur Hörnerkalebassen werden im Kriegsfalle von diesen getragen und sind dann eine Art Amulett, denn sie schützen gegen Pfeile und Flintenkugeln. Man sieht sie bei den Bassariten ebenso wie bei den Tim dann und wann. Es ist schmuckhafter, früher wohl mehr beliebt gewesener Tand. Aber jedesmal, wenn ich dem nachspürte, erfuhr ich, daß es Konkomba gewesen waren, die ihn auf Bestellung hergestellt hatten. Überhaupt sieht man so zierliche Kaurischmucke und Kaurigürtel wie bei den Busangsi nirgends in diesen Ländern. Sicherlich aber sind es keine Zaubermittel.
Nicht als ob die Bassariten arm wären an solchen Dingen. Im folgenden kann ich eine ganze Reihe von amulett- und zaubermittelartigen Gegenständen und Machwerken anführen, die mehr oder weniger gebräuchlich sind - eine Reihe, die aber sicherlich bei weitem nicht Anspruch auf Vollständigkeit machen kann.
Da ist zunächst ein Zaubermittel gegen Schlangenbiß. Es heißt Dina-djure und besteht aus einem Kuhschwanz, der mit einem Griffstiel versehen ist. Der ist umwickelt und in die Umwicklung sind Zauberingredienzien eingebunden. Wenn einer draußen gebissen
ist, eilt er heim. Er juckt oder kratzt die Stelle nicht mit der Hand, sondern mit dem Kuhschwanz, der sonst auch als Fliegenwedel dient, darüber hin und her, und das hat dann eine schnelle Heilung zur Folge.Ein Kriegsamulett der älteren Zeit ist das Tuffadjoande. In eine etwa zwei Fuß im Durchschnitt messende Tonschüssel wurden Teile von den beiden Bäumen Unabau und Utumbu, dann noch das Kraut Kite-dju getan. Darüber wurden Huhn und Perlhuhn als Opfer geschlachtet, so daß deren Blut auf die vegetarischen Substanzen träufelte. Hiernach goß man Wasser darüber und stellte die Schüssel beiseite, um sie im Falle eines kriegerischen Ausbruches gleich zur Hand zu haben. Zog man in den Kampf, so wusch sich der Krieger mit dem Inhalte der Schüssel und war nun überzeugt, gegen Pfeilschüsse gefeit zu sein.
Besonders für kriegerische Vorgänge scheinen die alten Bassariten sich emsig mit amulettartigen Vornahmen gerüstet zu haben. Eine recht eigenartige Sache in diesem Sinne ist das "Kidjiginjogo", wörtlich: "Wassermedizin". Wer sie gewinnen wollte, mußte sich an einen alten, sehr beschlagenen "Unjogo-dinda", d. h. Medizinmann wenden. Diese Medizinmänner pflegten ihren Beruf in der Jugend im Nebenamte, waren Bauern und konnten sich erst im Alter, wenn sie genug erworben hatten, ganz auf solche "Njogopräparation" beschränken. Der um Rat gefragte Unjogo-dinda gab dann an, welche Baumblätter, Wurzeln, Rinden, Hölzer usw. man herbeibringen solle. Nachdem man sie herbeigeschafft hatte, vereinigte man alles auf einem Haufen und gab dazu ein Huhn, das obendrauf zu liegen kam. Dieses Huhn ward nicht geschlachtet. Das Unjogo-dinda hatte nur nötig, den Namen des Medikamentes, also "Kidjigi-njogo" zu rufen, und sogleich war es tot. Der Medizinmann kochte nun das Opferhuhn und bereitete dazu aus den beigebrachten Blättern, Wurzeln, Rinden usw. eine Soße. Und dies Gericht muß der Mann, der das Kidjigi-njogo und seine Kraft gewinnen will, verzehren. Bei der Mahlzeit darf er auf keinen Fall etwas auf die Erde tropfen lassen, sondern er muß stets vorsichtig beim Überführen aus der Schüssel in den Mund die Hand darunter halten, damit kein Soßentröpfchen zu Boden falle und ihm so etwas von der vollen Kraft verlorengehe. — Darauf bezahlt der Mann dem Unjogo-dinda 4000 bis 6000 Kauri und geht mit außerordentlichem Sicherheitsgefühl im Busen heim. Er hat mehr gewonnen als Unverwundbarkeit. Er hat die Fähigkeit, alle Wunden, die ihm zuteil wurden, sogleich zu heilen. Er kann in dem Gefühl dieser Überzeugtheit sich sogar allerhand barbarische Scherze erlauben, wie z. B. den folgenden: Ein junges Paar hat Hochzeit. Alle Welt protzt im Festjubel mit Kraft und Tüchtigkeit. Der In-
haber des Kidjigi-njogo kann nun sein Messer oder ein anderes Instrument nehmen und sich vor aller Welt in das Dickbein eine klaffende Wunde schlagen, so daß alle von einem ordentlichen Schrecken befallen werden. Er braucht dann nur in die Hand zu spucken und sich mit der so angefeuchteten Fläche über die Wunde zu fahren. Sogleich schließt sich die Wunde und er ist geheilt. Das ist eine phantastische Idee, die so recht geeignet ist, die brutale Phantasie dieser Menschen zu befriedigen, und sie illustriert recht gut die bassaritische Geistestiefe. — Oder aber der Inhaber der Kidjiginjogo geht in ein anderes Dorf, in dem er, wie er weiß, so recht verhaßt ist und man sogleich über ihn herfällt, um ihn mit allerhand Waffen zu zerfetzen und zerhacken. Der derart Zugerichtete schleppt sich dann heim, behandelt sich dort wieder mit dem eigenen heilkräftigen Speichel, der ihn sogleich wiederherstellt. Das ist eine Illustration zu den unsicheren Verhältnissen, die vor Ankunft der Europäer im Bassaritenlande herrschten. — Der Inhaber des Kidjigi-njogo ist im Kriege für Pfeilschüsse unverwundbar. In der Fehde empfangene Schlagwunden heut er immer in gleicher Weise. Anderseits scheint aber auch im gewissen Sinne die Eigenart der Tarnkappe mit dem Medikamente auf den Inhaber des Kidjigi-njogo überzugehen. Wenn nämlich jemand einen Pfeil auf ihn anlegt, um ihn in den Rücken zu schießen, ist er mit einem Male verschwunden und an einen andern Platz gerückt.Weiterhin ein verwandtes Medikament, das ähnliche Kraft verleiht, das ebenfalls bei einem Unjogo-dinda, und zwar für die unglaubliche Summe von 80000 bis 120000 Kauri erworben werden mußte, also nur recht wohlhabenden Leuten zugänglich war. Es heißt Lerre-ku. Über seine Herstellung konnte ich nichts erfahren. Es ist ein sagenhaftes Zaubermittel, das möglicherweise gar nicht bassaritischen Ursprungs ist, von dem man mir aber nichtsdestoweniger die erstaunlichsten Dinge erzählt hat. Daß es Leute gibt, die sich "noch erinnern", Inhaber dieser Kraft gekannt zu haben, besagt dabei nichts. Die Bassariten pflegten früher die liebenswürdige Sitte, die erschlagenen Feinde in der Weise zu zerstückeln, daß ihnen auf der Wahlstatt sogleich der Kopf und die Beine an den Knien abgeschnitten wurden. Die derart verunglimpften und zugerichteten Leichen ließ man dann unbekümmert und gleichgültig liegen, wo sie lagen. Das Lerra-ku hatte nun den Zweck, solche häufig geübte Zerstücklung wirkungslos zu machen, und nach der Bassaritenansicht brauchte sein Inhaber solche Mißhandlung seines Leibes nicht zu fürchten. Die Hände seines kopfund beinlosen Körpers griffen nach einem Diffan-kugure, wie sie überall im Bassaritenlande herumliegen. Das sind die Konglomeratballen der Laterittstufen, die bröcklich und an den Stellen, wo die
Kiesel herausgefallen sind, mit Löchern versehen sind. (Diese Löcher nennen die Bassariten "Augen" und "Ohren" der Diffankugure.) Einen solchen Ballen legten die Hände des Zerstückelten nun an die Stelle des Halses, wo der Kopf abgeschlagen wurde. Der Erfolg war der, daß der Kopf sogleich wieder am Rumpfe saß. Ob damit gemeint ist, daß der alte Kopf wieder an seine Stelle sprang oder daß aus dem Laterittballen ein neuer Kopf, wenn auch von der alten Art, erstand, konnte ich nicht verstehen. Dann steckte der Mann zwei Stöcke dahin, wo die abgeschnittenen Unterschenkel hingehörten, und sogleich war auch der Unterteil der Beine wieder hübsch in Ordnung. Auf solche Weise wiederhergestellt, ging der Zerstückelte in alter Kraft und Gesundheit unverändert heim.Von solchen eigenartigen Zaubermitteln kannten die alten Bassariten eine ganze Menge. Es versteht sich von selbst, daß sie nicht gern davon sprachen. Ihre Kenntnis hat für uns den Zweck, in das Phantasieleben dieser Leute und ihre alte Gesittung eindringen zu können. Für den Vergleich mit parallelen und analogen Sitten anderer Völker sind die Gepflogenheiten entschieden von größerem Interesse, die sich auf Liebes- und Familienleben beziehen.
Wenn ein Mann in eine Frau verliebt ist und ohne Erfolg nach ihrem Besitz strebt, weil seine Neigung nicht erwidert wird, so wendet er sich an einen Freund, läßt sich das Unum-pu-mo-njogo genannte Medikament, eine Medizin zur Erweckung der Liebe, von ihm geben. Der Freund erhält als Gegengabe dafür einen Topf mit Bier. Das erwähnte Medikament ist ein Pulver, das aus der Rinde zweier Bäume hergestellt ist, die nebeneinander hochstreben und oben mit den Zweigen ineinander verflochten oder verwachsen sind. Um nun dieses Mixtum seiner geliebten Spröden beizubringen und bei ihr damit Neigungserwiderung zu erwecken, schafft der Verliebte einen weiteren Topf Bier an, den er in das Haus der Frau trägt. Man tut von dem Unum-pu-mo-njogo-Pulver unter den Daumennagel. Darauf setzt man den Biertopf mit der Frau gemeinsam an die Lippen. Diese Art, zu zweien aus einem Topfe oder aus einer Kalebasse zu trinken, heißt hier Bebaga-ndam. Es ist die gleiche Weise, die ich auch bei Tamberma und Moba kennenlernte. Man lehnt die Wangen aneinander, bringt die Münder so nahe zusammen, daß die Lippen aneinander fest anschließen und nichts zwischen ihnen heruntertropfen kann. Jeder der beiden "Brüderschaftstrinker" hält mit einer, und zwar der dem Wangenanschluß entgegengesetzten Hand die Trinkschale, den Daumen an die Innenwand, die andern vier Finger an die Außenwandung lehnend. Es ist also recht bequem, bei dieser Gelegenheit den Daumen, unter dessen Nagel das Pulver ruht, in das Bier zu tauchen, so daß das Unum-pu-mo-njogo unbemerkt in die Flüssigkeit gleitet. Um
den vollen Effekt zu erzielen, läßt der Verliebte das Weib ordentlich trinken, markiert aber solches für sich selbst, nimmt also von dem Getränk nicht viel zu sich. —Quibus rebus perfectis kann man getrost nach Hause gehen und versichert sein, daß die Frau nun sehr schnell zu ihm schicken wird, denn mit "diesem Trank im Leibe" ist sie gar bald in ihn arg verliebt. Ich erinnere daran, daß diese Methode, mit dem Daumen einzutauchen und ein unter dem Nagel verborgenes Medikament in ein dem andern kredenztes Getränk zu bringen, auch den Mande bekannt ist.Folgenderweise verfährt man im Falle der Kinderlosigkeit. Der Mann macht sich mit der sterilen Gattin auf den Weg nach dem Koadi eines Uboa. Drinnen wendet er sich mit einem Gebet an ein Dubaure. Er sagt: "Ich bin mit meiner Frau hierhergekommen. Schon seit langer Zeit beschlafe ich meine Frau. Sie wird und wird aber nicht schwanger. Darum bin ich hierhergekommen und bitte, mir für Kinder zu sorgen. Ich will dann auch eine Ziege hierherbringen."
Nach diesem Bittgänge geht der Mann mit seiner Frau nach Hause zurück und kann nun überzeugt sein, daß der nächste Beischlaf von Erfolg gekrönt sein wird. Das nach solcher Pilgerfahrt geborene Kindchen nennt man Songoi. (Alle Kinder, die als Folgeerscheinung solcher Bittgänge das Licht der Welt erblicken, faßt man unter dem Namen Songoi-ua zusammen.) Der also beglückte Vater begibt sich bald darauf mit Weib und Kind wieder in das gleiche Koadi. Er bringt ein Huhn und einen Topf Bier mit. Der Uboa schlachtet die Henne über den Dubaure. Dann wird sie von der inzwischen eingetroffenen Verwandtenversammlung gekocht und gegessen, wozu außerdem reichlich Bier genossen wird. Der Uboa darf aber auch in diesem Falle niemals von dem Opferfleische mitgenießen. Darf er doch auch niemals von dem Biere trinken, das ihm auf seiner Veranda oder in seinem Gehöft dargebracht wird. Geschenktes Bier darf er nur dann genießen, wenn es ihm unter fremdem Dache kredenzt wird. Um das Einnahmenrecht des Herrn Uboa noch weiter zu beschreiben, sei erwähnt, daß er auch niemals aus eigenem Antriebe Zahlungen fordern darf, daß die Herren Schamanen hierfür aber folgenden schönen Ausweg gefunden: die Dubaure fordern von Zeit zu Zeit dann und wann für sich einmal einige tausend Kauri. Also wohlgemerkt, für seine Tasche kassiert der Uboa nicht ein, sondern nur für Rechnung der Dubaure, und das gilt dann als etwas ganz anderes! — Sehr erstaunt war ich, zu hören, daß, nachdem der bedrängte Familienvater bei seinem Bittgänge den Dubaure eine Ziege versprochen hatte, er jetzt nach dem Erscheinen des Songoikindchens nur mit einer Henne kommt. Eine Erklärung für diese eigenartige Dissonanz erheischend,
ward ich folgendermaßen aufgeklärt: "Bringt man den Dubaure sogleich nach dem ersten Songoi eine Ziege dar, so lassen sie es bei dem einen Kinde bewenden. Wenn man aber die Ziege nicht gleich gibt, so sorgen sie für viele Kinder und sind emsig dabei, für weitere zu sorgen, bis sie ihre Ziege bekommen." Aus dieser hübschen Erklärung ersieht man, daß auch die Bassariten ihre Götter ganz nach ihrem Bilde machen!Um zum letzten der mir bekanntgewordenen Zaubermittel der Bassariten überzugehen, die das Verhältnis zur umgebenden großen Natur, zu den Kräften, die zwischen Himmel und Erde spielen, regeln sollen, sei zunächst einmal auf die Regenmacherei eingegangen. Wenn es lange Zeit nicht geregnet hat, so daß mit der Feldarbeit nicht begonnen werden kann und so für die diesjährige Ernte Gefahr im Verzuge ist, so pflegt sich meist ein einzelner wohlhabender Mann dazu zu entschließen, die Sache zu regeln und seinem eigenen wie dem allgemeinen Bauernbedürfnis abzuhelfen. Es wird dann aber ein solcher Mann nicht im geringsten durch Gutmütigkeit und edlere Herzensgefühle zu solcher Opferbereitwilligkeit bewogen, sondern außer dem eigenen, egoistischen Bedürfnis treibt ihn noch besonders die Freude, vor den andern mit dem schönen "ich kann mir das leisten" protzen zu können. Der gute Mann nimmt also ein Huhn, einen Topf Bier und 6000 Kauri, und mit diesem Geschenk macht er sich auf den Weg zu einem Uta-da (Plural: Bita-dambe), einem Regenmacher. Viele solcher Regenmacher scheint es derzeit im Bassarigebiete nicht zu geben. Ich hörte meinerseits nur von einem einzigen, der beim Uro Tagba wohnte. Der wohlhabende Bauer wendet sich sodann mit folgenden Worten an den Regenmacher: "Hier bringe ich ein Huhn, einen Topf Bier und 6000 Kauri. Die Leute wollen, aber es gibt kein Wasser. (Weil alle Rinnsale und Sammelstellen ausgetrocknet sind.) Die Leute wollen die Acker bestellen, aber es fehlt an Regen. Nun sollen die Leute sehen, daß ich reich bin. Hier ist ein Huhn, ein Topf Bier und 6000 Kauri. Sorge, daß es sogleich regnet." — Der Regenmacher hat unter der weit vorspringenden Veranda seines Hauses einen tüchtigen Topf stehen, der heißt Deta-burr (Plural: Ata-bon). Wenn es nicht regnen soll, wird der Topf leer gehalten. Wenn nun aber, wie im geschilderten Falle, ein wohlhabender Mann mit dieser Gabe und dem erwähnten Sprüchlein kommt - wenn dann auf die Verbreitung dieser Nachricht hin die Leute von allen Seiten zusammengekommen sind, so daß ein rechter Volkshaufe gaffend umhersteht, so verrichtet der Regenmacher an dem leeren Riesentopfe folgende Zeremonie: Erst gießt er Wasser in den Topf. Dann klopft er mit einem Raffiastengel gegen den Rand des Gefäßes und ruft: i. den Namen des
Vaters, 2. den Namen seiner Mutter, 3. den Namen Gottes (Umbotes). Dann beginnt er seine Rede: "Mein Vater und meine Mutter! Als ihr noch lebtet, habt ihr den Regen gemacht. Jetzt aber sind die Alten gestorben, jetzt will ich den Regen machen!" Nach dieser Ausrufung tötet er das Huhn und spritzt Blut gegen den Topf und klebt von den Federn daran. Das Huhn wird darauf zubereitet und danach ein kleines Gelage abgehalten. Endlich begibt sich der reiche, gönnerhafte Bauer auf den Heimweg. Sobald er aufbricht, beginnt es zu regnen. Solange er auf dem Heimweg begriffen ist, regnet es. Es regnet, bis er nach Hause kommt - und nachher noch solange, als es nötig ist-so behaupten die Bassariten.Den größeren Naturvorgängen gegenüber findet das Bassaritenvolk sich mit dem einfachen Satze ab: "Das macht Gott. Wie es kommt, das kann kein Mensch wissen." Der Wechsel der Jahreszeiten, Sonnenauf- und -untergang, Mondbewegung, Sternenhimmel, alles, alles wird in der gleichen, gleichgültigen Art und Weise als das Selbstverständliche und darum Uninteressante behandelt. Kein Bassarit scheint eine Erklärung für solche Vorgänge zu haben. Die Phantasie findet keinerlei Betätigung in diesen Regionen, die in gar keinem Zusammenhange mit den materiellen Interessen dieser Menschen zu bringen sind.
Interesse, aber auch nur ein sehr primitives, erweckt nur das Einschlagen des Blitzes, der Räume spaltet und Menschen tötet. Man nimmt an, daß die Donnerkeile das machen. Aber erst wenn ein Schaden auf solche Weise entstanden ist, suchen die Bassariten nach einer Schutzwehr in Medizinform. Dagegen scheinen Vorbeugungsmittel für Gewitterunglück unbekannt zu sein. Wenn ein Mensch vom Blitz erschlagen ist, bespritzen sie die aufgebahrte Leiche mit Medizinwasser, vom gleichen Medizinwasser gießen sie auf den Toten, wenn er ins Grab gelegt ist, und nachher waschen sie sich selbst noch damit, damit die "Krankheit" nicht auf sie übergehe. Dieses Medizinwasser heißt Bija-njogo-njim. Es wird unter Verwendung gewisser Baumblätter hergestellt. Durch Blitzschlag entzündete Häuser läßt man ohne zeremonielle oder praktische Zaubermittel einfach herabbrennen. Auch legt man dem Blitzfeuer keinerlei besondere Beachtung bei. — Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, daß Feuerentzünden durch Schlagen von Stein und Eisen erfolgt und daß das alte Bohrfeuerzeug in diesem Teile Togos verschwunden zu sein scheint.
Eine eigenartige Vorrichtung sieht man nicht selten in den Bassaritenhütten. Sie besteht in einer Schnur, die vom Dachsparren senkrecht zum Boden geführt und hier an ein Holzkeilchen gebunden ist, das mit Blut und Federn beklebt und in den Fußboden gestoßen wurde. Ich konnte nichts Genaueres über diese Vorrichtung
erfahren. Die Annahme, daß es ein Gewitterschutz ist, widerspricht der allgemeinen Angabe, daß es ein "Weg für das Leben" ist. Ob damit aber abgeschiedene Seelen oder was sonst gemeint ist, wurde nicht gesagt. Das Interessante daran ist, daß solche fraglos mit religiösen Ideen zusammenhängende Strickverbindungen zwischen Dach sparren und Fußboden auch in den Hütten der Bobo vorkommen.Zum Schluß noch eine hübsche Anschauung. Wenn ein Dugurre, d. i. ein Mann mit einem Buckel, stirbt, so binden sich alle Leute der Nachbarschaft, ja wohl des ganzen Dorfes, einen aus Palmenfasern geflochtenen, mit Kauri geschmückten Strick um den Hals, der kekalang-mio genannt wird. Die Enden läßt man herunterhängen. Diese Maßnahme hat den Zweck, es zu verhindern, daß etwa der Buckel auf den Träger des kekalang-mio übergehe. Es ist also ein Schutzmittel gegen den Buckel, von dem man annimmt, daß er von einem toten Menschen auf andere Lebende übergehe, wenn der Buckelträger stirbt. Nicht so ist es mit Kenne-bo, dem Kropf. Vom Kropf glaubt man, daß er mit dem Kinde geboren werde und mit dem Tode des von ihm Behafteten auch vergehe. Dagegen darf niemand, der einen Kropf hat, mit einem ganz kleinen Kinde neben sich essen. Er muß abseits gehen, sonst stirbt das Kind. — Solche Glaubensformen findet man bei jedem dieser Völker in reicher Menge.
"Alloa"(siehe Tim!) gibt es bei den Bassariten nicht. Auch fehlt ihnen angeblich folgende bei den Konkomba recht häufige Sitte: Die Konkomba bezeichnen ältere Frauen, die steril blieben und keine Kinder hervorbringen, als Ussobo (Plural: bussombe). Sie werfen den Bussombe vor, daß sie schlechte Menschen seien und entweder selbst Vampirmenschen oder mit Vampirmenschen Umgang gepflogen hätten. Solche Weiber werden dann in den Busch verjagt, in dem sie sich in Altweiberdörfern ansiedeln. Diese Altweiberdörfer sollen im Konkombaland ziemlich häufig sein, im Bassarigebiete aber fehlen.
Das Trauerzeichen der Bassariten ist einfach. Kinder schneiden sich nach dem Tode des Vaters das Haar ab. Sie kennen folgende Sitte der Kabre, üben sie aber angeblich nicht: Das Trauerzeichen der Kabre besteht bei Gatten in Stricken um Stirn und um Hals, bei allen andern in einem Strick um den Hals und einem solchen um die Lenden. Bei den Mossistämmen ist meist Schwarzfärben Trauerzeichen, doch kommt auch Tragen primitiver Blätterkleidung vor.
Die Volksdichtung der Bassari
1. Jäger und "Vater der Tiere"Ein Jäger hatte stets große Erfolge. Sooft er mit Bogen und Pfeil fortging, erlegte er Wasserböcke, Kuhantilopen, Pferdeantilopen, Riedböcke, Büffel oder andere Tiere. Eines Tages waren alle Tiere überall entflohen. Sie waren alle in einen großen Wald entronnen. Der Jäger konnte hingehen, wohin er wollte, überall waren die Antilopen fortgelaufen. Der Jäger suchte. Zuletzt kam er an einen großen Wald. Da sah er viele, viele Spuren auf der Erde. Wohin er sah, waren Spuren. Er stieg auf einen Baum und sagte: "Hier oben will ich warten. Es sind hier so viele Spuren, daß sicher Antilopen kommen werden, ehe es Nacht ist." Der Jäger wartete auf dem Baume.
Nach einiger Zeit kam aus dem Busch eine kleine Antilope. Die legte sich nieder und sagte: "Ich will hier warten, bis Teba, mein Vater, kommt." Der Jäger sagte (für sich): "Es wird noch ein großes Tier kommen, ich will warten."
Nach einiger Zeit kam ein Riedbock aus dem Busch. Der Jäger sagte: "Das wird wohl Teba, der Vater der kleinen Antilope sein." Der Riedbock legte sich nieder, wälzte sich auf der Erde und sagte: "Ich will warten, bis Teba, mein Vater, kommt." Der Jäger sagte: "Das ist also noch nicht der Vater der Antilopen. Ich will warten." Dann kamen noch andere Antilopen und legten sich unter dem Baum nieder.
Nach einiger Zeit kam eine Pferdeantilope aus dem Busch. Der Jäger sagte: "Das wird wohl Teba, der Vater der Antilopen sein." Die Pferdeantilope legte sich nieder, wälzte sich auf der Erde und sagte: "Ich will warten, bis Teba, mein Vater, kommt." Der Jäger sagte: "Das ist also noch nicht der Vater der Antilopen. Ich will warten." Dann kamen noch andere Antilopen und legten sich unter dem Baum nieder.
Nach einiger Zeit kam ein Büffel aus dem Busch. Der Jäger sagte: "Das wird wohl Teba, der Vater der Antilopen sein." Der Büffel legte sich nieder, wälzte sich auf der Erde und sagte: "Ich will warten, bis Teba, mein Vater kommt." Der Jäger sagte: "Das ist also noch nicht der Vater der Antilopen! Ich will warten." Dann kamen noch andere Büffel und legten sich unter dem Baum nieder.
Nach einiger Zeit kam ein Elefant aus dem Busch. Der Jäger
sagte: "Dies wird wohl Teba, der Vater der Tiere sein." Der Elefant legte sich nieder, wälzte sich auf der Erde und sagte: "Ich will warten, bis Teba, mein Vater kommt." Der Jäger sagte: "Das ist also noch nicht der Vater der Tiere. Was muß der Vater der Tiere für ein mächtiges Geschöpf sein. Ich will warten." Dann kamen noch andere Elefanten und legten sich unter den Baum.Dann wurde es oben und unten rot.
Aus dem Busch kam ein ganz großer Mensch, der war von oben bis unten rot. Wenn der Jäger nach oben sah, sah er nur Rotes. Wenn der Jäger nach unten sah, sah er nur Rotes. Das war Teba, der Vater der Antilopen und Tiere. Der Jäger sagte: "Das muß Teba, der Vater der Antilopen und Tiere sein!" — Teba setzte sich. Alle Antilopen und Tiere drängten sich zu ihm und schmiegten sich an ihn. Alle lagen unter dem großen Baum, auf dem oben der Jäger saß.
Die Ukoni (das ist eine kleine, angeblich nur einen Fuß hohe Antilope, die bei den Tim den Namen Quellure führt. Sie soll immer an Flußläufen wohnen und eine außerordentliche zauberkräftige Antilope sein, von der angeblich sehr viele Geschichten kursieren, von denen ich aber leider nichts Bestimmtes hörte. Die ins Gespräch gezogenen Mandingo behaupten, daß diese Antilope ihrer mystischen Klein-Nangarni entspreche (vgl. Atlantis, Bd. VII), schnupperte in der Luft und sagte: "Ich rieche einen Menschen!" Die andern Tiere und Antilopen schlugen die Ukoni und sagten: "Du lügst! Das ist nicht wahr! Draußen hat der Jäger viele von uns geschossen. Hier gibt es aber nicht solche Menschen. Du willst aber immer alles besser wissen, als wir andern." Die Ukoni sagte: "Ich sage die Wahrheit. Es muß ein Mensch in der Nähe sein!" Die andern Tiere schlugen die Ukoni noch einmal und sagten: "Du lügst!"
Nach einiger Zeit sagte die Ukoni nochmals: "Ich habe recht. Ich rieche einen Menschen. Ich sehe jetzt auch den Menschen. Er sitzt dort oben auf dem Baum." Die Tiere sahen nun auf den Baum. Sie sahen den Jäger. Teba sah auf den Baum. Teba sah den Jäger.
Teba sagte zu dem Jäger: "Komm herunter, oder ich töte dich." Der Jäger sagte: "Nein, ich komme nicht." Teba sagte: "Ich werde dich töten, ob du kommst oder nicht kommst. Es ist besser, du kommst herab." Der Jäger sagte: "Ich werde kommen." Der Jäger stieg vom Baume herab und trat mitten zwischen die Tiere. Er ging zu Teba hin, der unter den Tieren saß.
Teba sagte: "Was willst du denn hier?" Der Jäger sagte: "Ich bin hier, um Antilopen und andere Tiere zu jagen." Teba sagte: "Welche Tiere willst du denn jagen?" Der Jäger sagte: "Ich will kleine Antilopen, Riedböcke, Wasserböcke, Schirrantilopen, Kuhantilopen, Waldantilopen, Pferdeantilopen, Büffel, Elefanten jagen." Teba sagte: "Es ist gut! Merke auf!" Teba schlug ein Horn der Ukoni ab. Er gab das dem Jäger und sagte: "Ich will dich nicht töten. Nimm dies Horn. Wenn du in Zukunft eine Antilope, oder einen Büffel oder einen Elefanten tötest, so tue von ihm immer ein wenig Blut in dieses Horn. Versäume das nie und es wird nicht dein Schaden sein." Der Jäger nahm das Horn. Er sagte: "Es ist gut." Er ging mit dem Horn nach Hause.
Am andern Tag ging der Jäger mit Pfeil und Bogen auf die Jagd. Er sah eine Antilope, schoß und traf. Als er sie aufbrach, füllte er etwas von dem Blute in das Ukonihorn. Er traf nun alle Tage auf Antilopen und andere Tiere, erlegte sie und füllte von ihrem Blute in das Ukonihorn. Er erlegte allerhand Tiere, und von allen tat er Blut in das Ukonihorn.
Eines Tages ging der Jäger in seine Farm. Aus der Ferne sah er in seiner Farm einen Elefanten. Er pirschte sich ganz dicht an den Elefanten heran. Er zog einen Pfeil heraus. Er schoß. Der Elefant fiel. Sogleich eilte der Jäger hin. Er fing von dem heraustropfenden Blut in dem Ukonihorn auf. Er gab es seinem Burschen und sagte: "Nimm das Horn, laufe nach Haus und stelle das Horn vorsichtig in eine Ecke, damit mir nichts von dem Blute verschüttet wird. Dann rufe andere Leute, sage ihnen, daß ich einen Elefanten erlegt habe und daß sie kommen sollten, mir beim Aufteilen zu helfen." Der Bursche nahm das mit Blut gefüllte Horn. Er sagte: "Es ist gut." Er lief mit dem Horn von dannen.
Im Hause des Jägers stellte der Bursche das Horn in eine Ecke. Dann lief er durch das Dorf und rief: "Der Jäger hat in der Farm einen Elefanten getötet. Kommt und helft ihm aufteilen." Die Männer nahmen ihre Messer und folgten dem Burschen hinaus. Inzwischen wollte die Frau des Jägers das Haus reinigen. Sie fegte den Boden. Dabei stieß sie gegen das Horn. Das Horn fiel um und das Blut floß heraus. Die Frau begann zu weinen. Sie weinte in einem fort. Der Jäger kam heim. Er sah seine Frau weinen. Er sagte: "Was weinst du denn?" Die Frau sagte: "Ich habe das Horn umgestoßen, und dabei ist alles Blut herausgeflossen." Der Jäger sagte: "Deshalb brauchst du nicht so zu weinen. Das ist nicht so
schlimm. Morgen gehen wir zusammen zum Vater der Tiere und erzählen ihm die Sache." Inzwischen kamen die Leute und luden das Elefantenfleisch ab.Am andern Morgen sagte der Jäger zu seiner Frau: "Mach dich bereit! Wir wollen zu Teba, dem Vater der Tiere gehen." Die Frau machte sich bereit. Sie machten sich beide auf den Weg. Gegen Mittag kamen sie in den Wald. Der Jäger stieg mit seiner Frau auf den Baum. Als sie auf dem Baum saßen, kam die kleine Antilope, legte sich hin und sagte: "Ich warte auf Teba, meinen Vater." Dann kamen andere Antilopen, legten sich nieder und sagten: "Ich warte auf Teba, meinen Vater." Es kamen die Büffel und Elefanten. Jeder sagte: "Ich warte auf Teba, meinen Vater."
Endlich ward es unten und oben rot. Teba, der Vater der Tiere kam. Er ließ sich zwischen den Tieren nieder. Alle Tiere drängten sich an ihn. Ukoni schnupperte in der Luft und sagte: "Ich rieche einen Menschen!" Die andern Antilopen und Tiere schlugen Ukoni und sagten: "Du lügst! Das ist nicht wahr!" Die Ukoni sagte: "Ich sage die Wahrheit; es muß ein Mensch in der Nähe sein!" Die andern Tiere schlugen die Ukoni noch einmal und sagten: "Du lügst!"
Nach einiger Zeit sagte Ukoni nochmals: "Ich habe recht. Ich rieche einen Menschen. Ich sehe jetzt auch einen Menschen. Er sitzt dort oben auf dem Baum. Es sind sogar zwei Menschen." Die Tiere sahen auf den Baum. Sie sahen den Jäger und seine Frau. Teba sah auf den Baum. Teba sah den Jäger und seine Frau.
Teba sagte zu dem Jäger: "Ich kenne dich von früher; komm herunter!" Der Jäger stieg herab. Teba fragte den Jäger: "Hast du das Blut von allen Tieren in das Horn getan, wie ich dir sagte?" Der Jäger sagte: "Ja, ich habe das Blut von allen Tieren hineingetan." Teba sagte: "So zeige das Horn her!" Der Jäger gab dem Teba das Horn, Teba sagte nach einiger Zeit: "Wo ist das Blut vom Elefanten?" Der Jäger sagte: "Ich habe den Elefanten getötet und von seinem Blute, wie du wolltest, in dem Horn aufgefangen. Nachher hat aber meine Frau das Horn umgestoßen und ausgegossen."
Teba rief die Frau und sagte zu ihr: "Was hast du mit dem Blute gemacht?" Die Frau sagte: "Ich habe im Haus gefegt und sah das Horn nicht gleich. Da stieß ich es um und das Blut floß heraus." Als die Frau das gesagt hatte, nahm Teba das Blut aus dem Horn und warf es gegen die Beine der Frau.
Seitdem haben die Frauen die monatliche Reinigung. Teba hatte aus dem Blute dem Jäger ein Amulett herrichten wollen. Nun ward aber dieses Blut zum Merkzeichen des weiblichen Körpers, der damit angeben will, daß er bereit ist, schwanger zu werden.
2. Jäger und JwaquilleEin Jäger machte sich mit Pfeil und Bogen auf den Weg zur Jagd. Er pirschte sich bis an einen Fluß heran und sah da eine Antilope. Er verwundete die Antilope am Fuß. Die Antilope flüchtete. Der Jäger folgte der Schweißspur. Er folgte ihr weiter und immer weiter fort. Endlich kam er an eine Stelle, wo zwei alte Uaquille (Plural: Jwaquille, im Tim Aboninga, Plural: Abonissi. Die Jwaquille sind Wesen mit ungleichen Seiten. Die eine Hälfte hat alle Organe lang und kräftig ausgebildet, die andere nur kurz und verkümmert), ein Mann und ein Weib waren. Die verwundete Antilope stürzte vor den Uaquille nieder. Sie brach zusammen.
Der Jäger stand vor der Antilope und den beiden Uaquille. Die Uaquile sagten: "Willst du dich haben oder willst du die Antilope haben?" Der Jäger sagte: "Ich will mich haben." Die Uaquille sagten: "Dann zieh deinen Pfeil heraus und geh. Geh nach Hause!" Der Jäger nahm sein Messer, erweiterte die Schußwunde, zog den Pfeil heraus und ging von dannen. Die beiden Uaquille aber verzehrten die Antilope.
Am andern Tage machte sich der Jäger wieder auf den Weg. Er traf eine Antilope, schoß, traf. Er folgte der Schweißspur weit fort und kam zu den Uaquille. Die verfolgte Antilope stürzte nieder. Die Uaquille sagten: "Willst du dich haben oder willst du die Antilope haben?" Der Jäger sagte: "Ich will mich haben." Die Uaquille sagten: "Dann zieh deinen Pfeil heraus und geh! Geh nach Hause!" Der Jäger nahm sein Messer, erweiterte die Schußwunde, zog den Pfeil heraus und ging von dannen. Die beiden Uaquille aber verzehrten die Antilope.
Am dritten Tage machte sich der Jäger wieder auf den Weg. Er traf eine Antilope, schoß, traf. Er folgte der Schweißspur weit fort und kam zu den Uaquille. Die verfolgte Antilope stürzte nieder. Die Uaquille fragten: "Willst du dich haben oder willst du die Antilope haben?" Der Jäger sagte: "Ich will mich haben." Die Uaquille sagten: "Dann zieh deinen Pfeil heraus und geh! Geh nach Hause!" Der Jäger nahm sein Messer, erweiterte die Schußwunde,
zog den Pfeil heraus und ging von dannen. Die beiden Uaquille aber verzehrten die Antilope.Am vierten Tage machte der Jäger sich wieder auf den Weg. Er traf einen Elefanten, schoß, traf. Er verfolgte die Schweißspur weit fort und kam zu den Uaquille. Der verfolgte Elefant stürzte nieder. Die Uaquille fragten: "Willst du dich haben oder willst du den Elefanten haben?" Der Jäger sagte: "Ich will mich haben." Die Uaquille sagten: "Dann zieh deinen Pfeil heraus und geh! Geh nach Hause!" Der Jäger nahm sein Messer heraus, erweiterte die Schußwunde, zog den Pfeil heraus und ging. Die beiden Uaquille aber verzehrten den Elefant.
Der Jäger war auf dem Heimweg. Er kam an eine Stelle, da lag noch eine Uaquille. Diese Uaquille hatte ihr Bein ausgestreckt. Es reichte weit, sehr weit, so weit, wie von Bassari bis nach Kabu. Das Bein war so dick und hoch, daß der Jäger nicht darüber hinweggehen konnte. Der Jäger sagte (bescheiden) zu der Uaquille: "Laß nur, ich kann ja darum herumgehen, wenn es auch ein kleiner Umweg ist."
Die Uaquille aber zog ihr Bein in die Höhe. Ihr Knie war viel, viel höher als ein Haus. Als der Jäger nun vorbeiging, sagte die Uaquille: "Du hast jeden Tag deine Beute bei den beiden Uaquillle verloren. Wenn du morgen wieder auf die Jagd gehst, ein Stück Wild anschießt, ihm folgst, es bei den Uaquille findest, so erweitere nicht nur die Wunde, um deinen Pfeil herauszuziehen, sondern schneide rund herum ein Stück Fleisch mit dem Pfeile heraus. Hast du verstanden?" Der Jäger sagte: "Ja, ich habe verstanden; ich werde es so machen." Dann ging der Jäger weiter. Der Jäger ging nach Hause.
Am andern Morgen machte der Jäger sich wieder mit Bogen und Pfeil auf den Weg. Er traf wieder einen Elefanten, schoß und traf ihn. Der Elefant floh. Der Jäger verfolgte die Schweißspur weit fort und kam zu den Uaquille. Der verfolgte Elefant stürzte bei den Uaquille nieder. Die Uaquille fragten: "Willst du dich haben oder willst du den Elefanten haben?" Der Jäger sagte: "Ich will mich haben." Die Uaquille sagten: "Dann zieh deinen Pfeil heraus und geh! Geh nach Hause!" Der Jäger nahm sein Messer, erweiterte die Wunde um den Pfeil herum aber nicht, sondern schnitt den Pfeil mit einem Stück Fleisch rund herum heraus. Er nahm den Pfeil mit dem Fleisch und ging damit von dannen.
Nach einiger Zeit kam der Jäger wieder an die Stelle, an der die
alte (freundliche) Uaquille lag. Der Jäger sagte: "Ich habe es so gemacht, wie du mir geraten hast." Die alte Uaquille sagte: "Es ist gut. Nun mach ein Feuer, röste das Fleisch und lege es dann mit dem Pfeil auf meinen Oberschenkel!" Der Jäger machte ein Feuer. Er röstete das am Pfeil steckende Fleisch über dem Feuer. Als das Fleisch geröstet war, legte er es, wie es am Pfeil steckte, auf den Oberschenkel der alten Uaquille.Kaum lag das Fleisch auf dem Oberschenkel der Uaquille, so begann der Schenkel an der Stelle zu schwellen. Er schwoll und schwoll. Als die Schwellung ganz hoch war, platzte sie. Und nun war da ein Kind. Die alte Uaquille sagte: "Dies Kind ist Quampumba. Nimm Quampumba mit dir. Es soll dich begleiten. Geh mit Quampumba nach deinem Hause." Der Jäger sagte: "Es ist gut." Er nahm Quampumba und ging mit ihm von dannen.
Der Jäger ging mit Quampumba auf dem Wege nach seinem Dorfe. Unterwegs trafen sie auf einen Husarenaffen. Der Husarenaffe blies auf einer Flöte. Da kam Brei und Fleisch und Bier heraus. Der Jäger und Quampumba aßen und tranken sich satt. Dann gingen sie weiter. Nach einer Weile sagte Quampumba zu seinem Vater (dem Jäger): "Ich will eben einmal austreten." Der Bursche ging seitwärts in den Busch. Er schlich sich vorsichtig zu dem Husarenaffen hin und schlug dem Affen mit schnellem Hiebe den Kopf ab. Dann nahm er die Pfeife, auf welcher der Affe geblasen hatte und steckte sie zu sich.
Er lief hinter dem Jäger her und kam mit ihm in dessen Haus. Daheim begann Quampumba mit aller Macht auf der dem Affen entrissenen Pfeife zu pfeifen. Da kamen Kühe, Pferde, Schafe, allerhand Kleider, Korn, Eisen, Gold in großen Mengen heraus.
So ward durch das Pfeifen Quampumbas dessen Vater, der Jäger, ein sehr reicher Mann und ein großer Häuptling.
3. Jägerlegende. NjimdaEin Jäger (Oquan, Plural: Oquambi) nahm eines Tages seine Waffe und machte sich auf den Weg. Er kam durch den Busch an ein Wasser. Es waren da viele Antilopenspuren. Der Jäger sagte sich: "Das ist eine gute Stelle." Es war da ein großer überhängender Baum, der war vertrocknet. Der Jäger kletterte hinauf und versteckte sich im Geäst. Er wartete. Nach einiger Zeit kam ein Antilopenbock von kleiner Art mit seinem Tier vorbei. Der
Bock sagte zu dem Tier: "Mach schnell! Njimda (der Wassermann) kommt." Darauf liefen alle beiden Tiere fort. — Nach einiger Zeit kam die Pferdeantilope mit seinem Weib. Die (männliche) Antilope sagte: "Mach schnell. Njimda kommt!" Darauf liefen alle beide fort. —Nach einiger Zeit kam der Büffel mit seiner Kuh. Der Büffel sagte: "Mach schnell! Njimda kommt!" Darauf liefen alle beide fort. — Nach einiger Zeit kam der Elefant mit seinem Weibe. Der männliche Elefant sagte zu dem weiblichen: "Mach schnell! Njimda kommt!" Darauf liefen alle beide fort.Nach einiger Zeit kam Njimda. Er fiel vom Baum herunter. Njimda sagte: "Ich bin krank." Er nahm ein Messer und schnitt sich den Kopf ab. Dann schnitt er sich die Arme ab. Dann schnitt er sich die Beine ab. Dann schnitt er sich den Rumpf auf. Er nahm die Gedärme heraus und wusch sie gründlich im Wasser. Als er die Gedärme gewaschen hatte, tat er sie wieder in den Rumpf und setzte sich wieder alles zusammen. Als Njimda sich alles wieder zusammengesetzt hatte und um sich blickte, sah er oben den Jäger sitzen und er sagte: "Der Jäger muß alles gesehen haben." Er rief: "Jäger, komm herunter!" Der Jäger stieg herab. Njimda sagte zu ihm: "Sage nie jemand etwas davon, was du heute hier gesehen hast. Wenn du davon sprichst, wirst du es schwer büßen." Der Jäger sagte: "Ich will nichts sagen."
Der Jäger ging nach Hause. Njimda folgte ihm und versteckte sich hinter der Hütte. Der Jäger setzte sich nieder. Seine Frau trat zu ihm. Sie brachte ihm Essen. Der Jäger sagte: "Ich habe heute keinen Hunger." Die Frau sagte: "Was ist dir?" Der Jäger sagte: "Mir ist nichts."Die Frau sagte (zu sich): "Mein Mann hat etwas, was er mir nicht sagen will."Die Frau sagte: "Wenn du nicht essen willst, was ich dir bereitet habe, so schlafe ich heute nacht nicht mit dir. Denn du hast etwas."In der Hütte, dicht beim Jäger saß eine Maus. Die Maus sagte leise zum Jäger: "Erzähle es nur. Gegen Njimda will ich dir nachher schon helfen." Als der Jäger das gehört hatte, erzählte er seiner Frau, was er erlebt hatte (d. h. der Bassarierzähler findet sich nicht so schnell ab; er wiederholt das ganze Erlebnis ziemlich wörtlich).
Njimda hatte alles gehört. Er sagte: "Ich will diesen Jäger töten. Ich will sehen, ob ich nicht stärker bin als er." Der Jäger traf Njimda. Njimda sagte: "Wir wollen Pfeile aufeinanderschießen, bereite dich vor!" Der Jäger sagte: "Wir wollen aufeinanderschießen." Er ging nach Hause. In seinem Hause sagte die Maus
zu ihm: "Njimda macht Tellure (d. i. Pfeilmedizin). Sie ist sehr stark. Ich werde davon von dem Njimda für dich stehlen." Die Maus lief hin. Sie stahl Njimda von dem Tellure und brachte es dem Jäger.Der Jäger nahm das Tellure. Er ging in den Busch. Er schoß einen Pfeil auf einen Baum ab. Er traf den Baum. Der Baum begann zu rauchen. Der Jäger sagte zur Maus: "Der Baum raucht nur; er brennt nicht. Das Tellure ist nicht stark genug. Hole mir anderes Tellure. Das Tellure muß so sein, daß der Baum hell in Flammen brennt, wenn ich auf ihn schieße." Die Maus lief wieder fort. Sie kam zu Njimda. Njimda hatte noch anderes Tellure. Die Maus stahl davon und brachte es zu dem Jäger.
Die Maus brachte von dem Tellure zum Jäger. Der Jäger nahm das (neue) Tellure, ging in den Wald, schoß nach einem Baum. Der Baum brannte in Flammen. Der Jäger sagte: "Das ist jetzt gut." Er ging wieder heim. Der Jäger und Njimda kamen zusammen. Der Jäger sagte: "Nun wollen wir aufeinander schießen." Njimda sagte: "Es ist gut." Der Jäger sagte: "Jeder soll nur halb brennen." Njimda sagte: "Ja, jeder soll nur halb brennen." Dann schossen sie aufeinander. Der Jäger brannte halb. Njimda brannte halb.
Wenn zwei hohe Bäume beim Steppenbrand in Brand geraten, brennt nur das Unterteil, nicht die Krone.
4. Erste GescizlechtsverbindungAnfangs hatte Unumbotte (Gott) für Männer und Frauen je ein Dorf gemacht, die lagen getrennt voneinander, und im Männerdorfe waren nur Männer, im Frauendorfe nur Frauen. Zwischen beiden Dörfern war ein Weg, den hatte Unumbotte aber mit trockenen Blättern bestreut, damit man es knistern hörte, wenn jemand darüber hinging, und am Wege waren die Unumbotte biam (Kinder) aufgestellt; die sollten, sobald das Knistern einen darüber hingehenden Menschen verriet, denselben festhalten.
Der erste Mensch, der es wagte, den Weg zu nutzen, um zum Dorfe des andern Geschlechts zu gelangen, war eine Frau und die Frau war klug genug, Wasser mitzunehmen und das Wasser auf die trockenen Blätter zu spritzen. So wurden sie feucht, und niemand konnte es hören, als sie in das Dorf der Männer und später aus dem Männer- ins Frauendorf zurückging. Darauf wollte nun
auch ein Mann einmal die Wanderung unternehmen, denn der hatte nun den Beischlaf kennen gelernt und sehnte sich nach weiterem Genusse. In seiner Begierde vergaß der Mann aber die trockenen Blätter anzufeuchten. Als er daher über die trockenen Blätter ging, knisterten sie, und das hörten natürlich die Gotteskinder und also faßten die Unumbotte biam den Mann ab.Die Gotteskinder packten ihn und schleppten ihn zu Unumbotte. Unumbotte fragte den Mann: "Wo willst du denn hin?" Der Mann sagte: "Ich wollte hierhin!" Unumbotte fragte: "Wo führt das denn hin?" Der Mann sagte: "Zu den Frauen." Darauf bestimmte Unumbotte, daß die Männer in Zukunft den Frauen zahlen sollten, wenn sie mit ihnen schlafen wollten.
Und so kommt es, daß der Mann der Frau Geschenke geben muß, nicht aber die Frau dem Manne.
5. Der Sündenfall*Unumbotte (Gott) hatte einen Menschen gemacht. Der Mensch war Unele (Mann). Dann machte Unumbotte Opel (Antilope, Plural: Jpel, womit jede Antilope bezeichnet wird). Dann machte Unumbotte Ukow (Plural: Jkow, d. h. Schlange; es wird damit jede Schlange bezeichnet). Es waren, als diese drei gemacht waren, erst keine andern Bäume da, als ein einziger Bubauw (Plural: Jbafe, d. i. eine Ölpalme). Damals war die Erde noch nicht geklopft. (Damit ist die Art des Lehmschlagens gemeint, in der die Bassaritenweiber den Boden der Hütte und um die Hütte schlagen.) Die drei (Geschöpfe) saßen auf der rohen Erde. Unumbotte sagte zu den drei: "Der Boden ist noch nicht geklopft. Ihr sollt da, wo ihr sitzt, den Boden klopfen." Dann gab Unumbotte den dreien allerhand Samen und sagte: "Pflanzt das!" Unumbotte ging.
Unumbotte kam wieder. Er sah, daß die Leute noch nicht den Boden geklopft, wohl aber den Samen gepflanzt hatten. Ein Same hatte gekeimt und war aufgewachsen. Es war ein Baum, der hoch aufgewachsen war und Früchte trug. Die Früchte waren rot. (Die Bassariten geben an, den Baum nicht mehr zu kennen.) Unumbotte kam nun jeden siebenten Tag und pflückte von den roten Früchten.
Die Schlange sagte eines Tages: "Wir wollen auch von den roten
Unumbotte fragte die Antilope: "Hast du auch Hunger?" Die Antilope sagte: "Ja, ich habe auch Hunger; ich möchte Gras fressen." Seitdem lebt die Antilope im Busch und frißt Gras.
Unumbotte gab den Menschen aber Idi (Mela der Tim, Guineakorn), Demure (Jams) und Jjo (das Adalla der Tim, eine Penisetumart). Nachher bildeten die Menschen immer verschiedene Speisegenossenschaften (das wird in Bassari ausgedrückt durch die Worte: "Tokokoa-koafe-kadjiu to-bo-bantir) und aßen immer zusammen aus derselben Schüssel, nicht aber aus der anderer Leute. Daraus entstand die Verschiedenartigkeit der Sprachen. Seitdem bebauen die Leute das Land. Die Schlange aber bekam von Gott eine Medizin (Njojo), damit sie den Menschen beiße.
(NB.: Ich habe mich schwer abgemüht, dem Ursprung dieser Legende nachzugehen. Mehrere Bassariten aus den, den Sinnhof umgebenden Weilern, kannten diese Geschichte, und sie wurde mir immer als altes Stammeseigentum bezeichnet. Ich habe mir die Geschichte von mehreren Leuten zu verschiedenen Zeiten erzählen lassen und niemals wesentliche Unterschiede feststellen können. Deshalb muß ich den Gedanken, daß hier etwa ein moderner oder älterer Missionseinfluß vorliegen könne, mit Entschiedenheit ablehnen. Auch von einem Nachbarvolke scheint sie nicht zu stammen.
Wohl aber sagte mir Nege Dambele, daß diese Geschichte auch den Soninke bekannt sei, und der uns begleitende Marka bestätigte das. Leider kannten beide nur die allgemeinen Umrisse, nicht aber die Details. Vgl. auch Binger II (da wo er von dem Fofana spricht.)
6. NjitekoEin Häuptling heiratete hintereinander zehn Frauen. Die erste Frau gebar dem Häuptling ein Kind. Es war ein Knabe, der hieß Njiteko. Dann gebar eine der Frauen nach der andern ein Kind. Dann gebar die erste Frau wieder ein Kind. Alle Kinder wuchsen heran. Nur Njiteko blieb in seiner Kleinheit und wuchs nicht weiter. Njiteko wurde nie größer.
Der Häuptling hatte alle seine Frauen sehr gerne; aber die Mutter Njitekos konnte er nicht leiden. Der Häuptling zog überall alle andern Frauen der Mutter Njitekos vor. Einmal ließ der Häuptling alle andern Frauen zusammenkommen. Er rief die Mutter Njitekos nicht. Aber die Mutter Njitekos kam doch. Sie sagte vor allen andern Frauen zu dem Häuptling: "Was soll ich machen. Du ziehst alle andern Frauen mir vor. Du liebst mich und meine zwei Kinder nicht. Was soll ich machen?" Der Häuptling sagte: "Ich mag dich nicht, weil du eine schlechte Frau, eine Asuboa bist." (Eine Asuboa ist eine schmutzige Frau, die nichts auf reine Kleidung hält, eine Frau, die schlecht kocht. Es ist ein böses Schimpfwort für eine Frau. Soweit die ausdrückliche Erklärung. Es scheint aber noch ein anderer Vorwurf darin enthalten zu sein, nämlich der einer gewissen bösartigen Hexenhaftigkeit.)
Einmal rief der Häuptling alle zehn Frauen zusammen und sagte zu ihnen: "Morgen früh sollen alle meine Frauen mit mir in die Felder kommen. Ich will Jams und Sorghum herausgeben." — Am andern Morgen fanden sich alle Frauen des Häuptlings mit seinen Kindern auf den Farmen bei den Speichern ein. Der Häuptling ging zu dem Jams und fragte: "Wie heißt der Jams ?" (Der Sinn dieser Frage ist mir nicht ganz klar geworden. Daß jede Frau und jedes Kind bei den Bassari weiß, wie der Jams wirklich heißt, versteht sich von selbst. Es muß sich bei den nachfolgend angegebenen Namen um irgendeine besondere Art oder einen besonderen Sinn handeln.) Keine der Frauen vermochte eine Antwort zu geben. Endlich kam Njiteko. Er sagte: "Wie der Jams hier heißt? Er heißt Katafai ni'nquem." Der Häuptling sagte (spöttisch): "Njiteko weiß so gut mit dem Jams Bescheid, daß seine Mutter bei dem Jams bleiben kann und kein Sorghum braucht." So bekam die Mutter Njitekos Jams. Den sämtlichen anderen Frauen aber gab der Häuptling Sorghum und sagte dann zu allen zehn Frauen: "Nun mache jede aus dem, was ich ihr gegeben habe, Bier! Ich werde sehen, wer
das beste Bier zu machen versteht!" — Die Mutter Njitekos hatte aber nur Jams und kein Korn bekommen.Alle Frauen gingen mit dem, was sie bekommen hatten, nach Hause. Die Mutter Njitekos legte ihren Jams daheim hin und begann zu weinen. Nach einiger Zeit kam Njiteko dazu. Er sah seine Mutter weinen und sagte: "Weshalb weinst du?" Die Mutter Njitekos sagte: "Wir sollen alle zehn Bier machen. Der Häuptling will sehen, wer von uns das beste Bier zu machen versteht. Alle Frauen haben Korn bekommen. Mir hat er aber kein Korn, sondern nur Jams gegeben. Wie soll ich nun aus Jams Bier machen?" Njiteko sagte: "Deshalb weine nicht. Bis wann soll denn das Bier bereitet sein?" Die Frau sagte: "Bis übermorgen!" Njiteko sagte: "Das ist noch vollkommen Zeit. Bis dahin wollen wir ein schönes Bier machen. Schäle nur erst einmal den Jams!" Njitekos Mutter sagte: "Ich kann doch aber aus Jams kein Bier machen! Das kann doch kein Mensch." Njiteko sagte: "Das laß nur meine Sorge sein! Schäle den Jams." Die Mutter Njitekos schälte den Jams. Als der Jams geschält war, sagte Njiteko: "Nun stampfe den Jams!" Die Mutter Njitekos stampfte den Jams. Inzwischen ging Njiteko in den Busch und holte aus den Bienenwaben Honig. Den Bienenhonig brachte er heimlich heim.
Abends ging Njiteko zu dem Häuptling. Er fragte den Häuptling: "Nicht wahr, du hast gesagt, daß morgen alle deine Frauen Bier fertig haben sollen?" Der Häuptling sagte: "Ja, so habe ich gesagt." Njiteko sagte: "Nun, dann werden ja alle deine Frauen Bier fertig haben?" Der Häuptling sagte: "Ja, die guten Frauen werden alle ihr Bier haben. Ich werde es versuchen lassen."Njiteko ging. Njiteko machte Nachts ein Loch. Dann kam er zu seiner Mutter und sagte: "Nun wirf allen Jams in dieses Loch!" Die Mutter sagte: "Ich werde es machen, wie du angibst." Sie warf allen Jams in das Loch. Njiteko aber hatte aus dem Honig ein Getränk hergestellt, das brachte er seiner Mutter.
Am andern Tage sandte der Häuptling seine Sobabe (Pagen) aus. Er sagte ihnen: "Geht bei den Frauen herum und versucht, welche Frau das beste Bier gebraut hat." Die Sobabe gingen herum von einer Frau zur andern und versuchten das Bier. Sie gingen von einer der neun Frauen zur andern. Einer von ihnen kam auch zu Njitekos Mutter und sagte (spöttisch): "Hast du auch Bier bereitet?" Njitekos Mutter sagte: "Hier, versuche, ob das Bier ist!" Der Sobabe schöpfte und versuchte von dem Getränk Njitekos.
Er sagte: "Das Bier ist gut; es ist süß. Gib mir noch mehr!"Njitekos Mutter fuhr den Sobabe aber an und sagte: "Mach, daß du fortkommst! Ihr meint ja, die Asuboa könne kein Bier machen!"Njiteko aber beruhigte seine Mutter und sagte: "Laß ihn doch nur trinken, meine Mutter! So sehen sie doch, was wir können!" Der Sobabe schöpfte nochmals und trank nochmals.Dann sandte der Sobabe eine Botschaft an den Häuptling und ließ ihm sagen: "Wir haben das Bier von allen Frauen versucht. Das Bier der Asuboa ist aber weitaus das beste." Der Bursche mit der Botschaft kam zum Häuptling und richtete aus, was er zu sagen hatte. Als der Häuptling das hörte, sagte er: "Ihr lügt ja! Sorghumbier ist gut. Aber Jamsbier ist schlecht." Der Bote sagte: "Ich habe trotzdem die Wahrheit gesagt. Das Bier der Asuboa ist das beste. Willst du es selber versuchen?" Der Häuptling sagte: "Es ist gut, ich will es dann also versuchen!" Der Häuptling machte sich auf.
Der Häuptling kam zu der Mutter Njitekos. Er trat ein. Er ergriff den Schöpflöffel, schöpfte und trank. Der Häuptling sagte: "Das Bier hier ist ausgezeichnet. Bring' mir sogleich meine Sachen hierher; ich will hier bleiben." Die Mutter Njitekos (brauste auf) wurde böse und sagte: "Früher hast du mich nicht geliebt; früher hast du mich Asuboa genannt. Nun haben wir hier ein Bier gemacht, das dir schmeckt. Da willst du zu mir kommen und bei mir bleiben, weil mein Bier gut ist. Nein, jetzt will ich dich nicht haben." Njiteko aber sagte (beiseite) zu seiner Mutter: "Laß ihn nur. Er will ja nur dein Bier hier trinken und zu diesem Zwecke zu dir ziehen. So laß ihn doch nur. Sei zufrieden und still!"
Der Häuptling sandte Leute fort, die seine Sachen holen sollten. Die Leute brachten seine Sitzleder, seinen Sessel, seine Decken und legten alles in das Haus der Mutter Njitekos nieder. Der Häuptling machte es sich bequem. Er trank und trank. Als der Häuptling aber alles Bier im Hause der Mutter Njitekos getrunken hatte, sagte die Mutter Njitekos: "Früher hast du mich nicht gemocht, mich beschimpft und mir nur Jams zum Biermachen gegeben (soll heißen "mich verspottet"). Nun dir mein Bier schmeckt, willst du bei mir bleiben. Geh' doch zu den andern Weibern, die Sorghumbier gemacht haben!" Die Mutter Njitekos warf des Häuptlings Sitzleder und alle seine Sachen zur Türe hinaus. — Der Häuptling ging. Er ging zu den andern neun Frauen, zu einer nach der andern und versuchte deren Bier. Er schalt sie. Er sagte: "Ihr seid liederliche
Frauenzimmer. Ich habe euch Korn für das Bier gegeben und der Asuboa nur Jams. Aber das Jamsbier der Asuboa ist viel besser als euer Kornbier. Früher hat die Asuboa aus Korn das schlechteste, jetzt hat sie aus Jams das beste Bier gemacht. Schämt euch!" — Der Häuptling ging nach Hause. Er sandte einen Boten an die Mutter Njitekos und ließ sagen: "Mache sogleich wieder von diesem ausgezeichneten Bier!"
II
Der Häuptling ließ in seinem Hause eine tiefe Grube ausheben. Njitekos kam aber eines Tages unbemerkt hin und nahm die Grube wahr. Njitekos ging unbemerkt wieder nach Hause zurück und machte im Hause seiner Mutter ebenfalls eine Grube. Als die Grube tief genug war, begann er einen Seitengraben auszuheben, den führte er auf die Grube zu, die der Häuptling in seinem Gehöft angelegt hatte. Als die Verbindung hergestellt war, legte er in den Kanal, da, wo er in seines Vaters Grube mündete, Eier. Dann kehrte er nach Hause zurück. Im Hause seiner Mutter setzte er sich hin und spielte die Kebeju (Kalebassensaiteninstrument).
Eines Tages sandte der Häuptling eine Botschaft in das Haus der Mutter Njitekos und ließ sagen: "Njiteko soll kommen." Als Njiteko die Botschaft vernahm, antwortete er: "Ich komme nicht." Seine Mutter aber sagte zu ihm: "Geh' hin zu ihm. Weshalb willst du nicht hingehen?!" Njiteko sagte: "Ich will nicht hingehen." Seine Mutter sagte: "Weshalb willst du nicht hingehen?" Njiteko sagte: "Früher hat mein Vater dich nicht geliebt, sondern beschimpft." Die Mutter sagte: "Es ist dein Vater, der dich geboren (gezeugt) hat. Du mußt seinem Gebot folgen!" Njiteko sagte: "Gut, ich will hingehen." Die Boten gingen zurück zum Häuptling und sagten: "Njiteko wird kommen."
Der Häuptling sagte: "Legt ein Sitzleder über die Grube!" Die Leute taten es. Der Häuptling sagte: "Bringt das Bier, das die andern neun Frauen gebraut haben." Die Leute sagten: "Es ist noch heiß!" Der Häuptling sagte: "Das ist gerade gut." Die Leute brachten die großen Töpfe mit dem Bier. Der Häuptling ließ sie in das Haus setzen, in dem er die Grube gegraben hatte, die mit dem Sitzleder bedeckt war. Njiteko kam.
Der Häuptling ließ Njiteko in das Haus rufen, in dem die Grube war und die Biertöpfe standen. Der Häuptling sagte zu Njiteko: "Setze dich auf das Sitzleder hier!" Njiteko sagte: "Nicht doch!
Das ist der Platz, der dem Häuptling zukommt!" Der Häuptling sagte: "Setze dich nur auf das Sitzleder; ich will dich ehren!" Njiteko setzte sich darauf. Das Leder gab nach. Njiteko stürzte herab in die Grube. Sobald er unten angekommen war, sprang Njiteko sogleich in den Seitenkanal, den er von der Grube im Hause seiner Mutter herübergeleitet hatte. Als Njiteko herunterstürzte, ließ der Häuptling sogleich das heiße Bier der neun Frauen heruntergießen. Das heiße Bier kam unten auf die Eier. Die Eier platzten mit lautem Knallen. Als der Häuptling das Knallen hörte, sagte er: "Ich habe den Burschen getötet! Habt ihr es gehört?" Die Burschen sagten: "Ja, wir haben es gehört."Njiteko war aber durch den Kanal in die Grube gelaufen, die im Hause seiner Mutter war. Er war hinaufgestiegen und saß im Hause seiner Mutter. Er spielte die Kebeju. Ein Sobabe ging vorbei. Er hörte Njiteko auf der Kebeju spielen. Er ging zum Häuptling und sagte: "Njiteko ist nicht tot. Wir haben uns geirrt. Njiteko ist daheim und spielt die Kebeju und singt." Der Häuptling sagte: "Ihr lügt. Ich habe ihn selbst unten im Loch sterben hören." Die Sobabe sagten: "Alle Leute sagen, daß er nicht tot ist." Alle Leute kamen zum Häuptling und sagten: "Njiteko ist nicht tot. Njiteko lebt. Wir haben Njiteko spielen gehört. Er spielt auf seiner Kebeju und singt."
Alle Leute sagten es dem Häuptling. Der Häuptling sagte nichts mehr. Endlich sagte der Häuptling zu den Sobabe und zu den andern Leuten: "Mein Sohn ist klüger geworden als ich, sein Vater, es bin. Ich will meinem Sohne Njiteko nun nichts mehr tun."
III
Drei Tage nachher gingen alle andern zehn Söhne des Häuptlings hinaus zur Farmarbeit. Aber Njiteko (einmal wurde mir für diese Sage des Njiteko-Zyklus anstatt Njiteko der Name Njitikoa oder Njitiquoa gegeben) war nicht mit hinausgegangen. Er saß daheim und spielte die Gitarre (Kebeju) und sang dazu.
Die zehn Brüder waren auf dem Felde und arbeiteten. Da kam Jquite-bo (Plur.: Jquite-bobe. Eine nähere Beschreibung dieses Wesens und seiner Art vermochte ich nicht zu erlangen. Es scheint aber eine ganze Art von Geschöpfen und nicht nur ein Individuum dieses Typs in der Bassaritenanschauung zu geben). Jquite-bo kam aus dem wilden Busch in die Farm, auf der die Brüder arbeiteten. Jquite-bo hatte ganz lange Haare. Die Brüder aßen gerade Jams.
Sie erschraken, als Jquite-bo kam. Sie sagten: "Willst du mit uns Jams essen?" Sie gaben Jquite-bo von ihrem Jams ab. Jquite-bo aß mit den zehn Brüdern Jams. Dann gaben die Brüder dem Jquite-bo Wasser zu trinken.Als sie zusammen gegessen und getrunken hatten, sagte Jquite-bo zu den Brüdern: "Ich habe lange Haare. Schneidet mir die Haare ab!" Die Brüder fürchteten sich. Sie sagten: "Wir haben nichts zum Schneiden." Jquite-bo sagte: "Was, ihr habt kein Schneidemesser hier?" Die Brüder sagten: "Nein, wir haben nichts zum Schneiden hier." Darauf zog sich Jquite-bo einen Nagel aus dem Finger und sagte zu den Brüdern: "Schneidet mir die Haare mit diesem Fingernagel ab!" Darauf begannen die Brüder die Arbeit. Sie schnitten die Haare Jquite-bos mit dem Fingernagel ab. Es war ein großer, großer Haufen von Haaren.
Als die Brüder damit fertig waren, sagte Jquite-bo: "Ihr habt mir meine Haare abgeschnitten: Ich verlange, daß ihr sie mir nun auch wieder ansetzt." Die zehn Brüder erschraken. Sie sagten: "Das können wir nicht." Jquite-bo sagte: "Ihr habt mir meine Haare abgeschnitten. Ich verlange, daß ihr sie mir nun auch wieder ansetzt. Wenn ihr es nicht tut, werde ich euch alle fressen." Die Brüder wußten nicht, was sie machen sollten. Da sandten sie eine Botschaft an Njiteko und ließen ihm sagen: "Komm schnell und hilf uns. Jquite-bo ist hier und will uns fressen."
Als Njiteko die Nachricht erhielt, machte er sich mit seiner Kebeju auf den Weg. Er kam auf die Farm als die Sonne da (i Uhr) stand, dahin, wo die Brüder mit Jquite-bo waren. Er setzte sich (gelassen) hin und begann die Kebeju zu spielen. Dann fragte er (so oben hin): "Nun, Jquite-bo, was wollen die Leute dir denn machen?"Jquite-bo sagte: "Diese Burschen haben mir die Haare abgeschnitten. Nun verlange ich, daß sie sie mir wieder ansetzen." Njiteko sagte: "Was? Das ist alles? Das ist leichter, wie manches andere."Jquite-bo sagte: "Was, du kleiner Kerl willst etwas können, was nicht einmal die großen Leute hier können?!"
Njiteko spielt (gleichgültig) die Gitarre. Dann sagte er: "Ja, es ist leichter, als manches andere." Jquite-bo sagte: "So sage mir etwas, was schwerer ist." Njiteko sagte: "Von wo bist du gekommen?" Jquite-bo sagte: "Ich komme so weit her, wie Paratau entfernt liegt." Njiteko sagte: "Nun gut, so wische alle Spuren aus, so daß man nicht sieht, woher du gekommen bist."Jquite-bo sagte: "Weshalb das?" Njiteko sagte: "Weil das für dich schwerer
ist, wie für mich deine Haare wieder anzusetzen." Jquite-bo sagte: "Es ist mir recht. Wir wollen sehen, ob du die Wahrheit sprichst."Jquite-bo begann die Fußspuren auszuwischen, die er hinterlassen hatte, als er gekommen war. Als er am andern Ende angekommen war, machte er kehrt und kam laufend wieder zurück. Als er zurückkam, sagte er: "Ich habe nun die Spuren ausgewischt, die ich auf den Weg gemacht habe, auf dem ich gekommen bin. Nun setze du mir meine Haare wieder an." Njiteko sagte: "So, du hast alle deine Fußspuren auf dem Wege hierher ausgewischt?" Jquite-bo sagte: "Ja, das habe ich getan!" Njiteko sagte: "Dann sieh nur hinter dich! Da sind ja deine Spuren!" Jquite-bo sah zurück und sah die Spuren, die er gemacht hatte, als er wieder zurückgelaufen war. Er begann sogleich die Spuren wieder auszulöschen. Als er sich umsah, sah er wieder Spuren. Er begann wieder. Aber jedesmal, wenn er wieder zurücksah, sah er wieder Spuren. Da bekam Jquite-bo große Angst. Jquite-bo lief fort. Aber Njiteko rief seinen Brüdern zu: "Lauft ihm nach! Fangt ihn!" Die zehn Brüder stürzten hinter ihm her. Sie vermochten aber Jquite-bo nicht mehr einzuholen (resp. fanden ihn nicht).
So hat Njiteko die Leute verjagt, die im Busch die Menschen fingen.
7. Das bestrafte KindEs ward ein Knabe geboren. Der Knabe wuchs heran. Er ward groß. Er ward ein Mann, der heiratete eine Frau. Mit der Frau zeugte der Mann einen Knaben. Das Kind sah alles, was Vater und Mutter machten. Das Kind wollte (wie alle Kinder) alles gleich Vater und Mutter machen.
Das Kind wollte auch mit dem Bogen schießen wie der Vater. Das Kind sagte: "Vater, mach mir einen Bogen!" Der Vater machte dem Kind einen Bogen aus Bambus. Das Kind sagte: "Ich will nicht einen Bambusbogen haben. Ich will einen andern Bogen haben." Der Vater fragte: "Was für einen Bogen willst du denn haben." Das Kind sagte: "Ich will einen Bogen aus Holz haben." Der Vater machte dem Kinde einen Bogen aus Holz und gab ihn dem Kinde. Das Kind sagte: "Ich will nicht diesen Bogen haben. Ich will einen andern Bogen haben." Der Vater fragte: "Was für einen Bogen willst du denn nun (eigentlich) haben?" Das Kind
sagte: "Warte! Wenn ich das Geeignete sehe, dann werde ich es dir sagen."Der Knabe ward größer. Zwei Jahre nachher sagte er zu seinem Vater: "Nimm dein Schienbein heraus, gib es mir, dann werde ich mir einen Bogen daraus machen." Der Vater sagte: "Du willst mich (also) tot machen?" Der Junge sagte: "Du wirst nicht davon sterben. So schlimm ist das nicht." Der Vater sagte: "Ich kann mir mein Schienbein nicht herausnehmen. Wenn ich aber gestorben bin, dann kannst du mir das Schienbein herausnehmen und dir so einen Bogen aus deines Vaters Schienbein machen."
Das Kind sagte: "Es ist nicht so. Ich werde dir das Schienbein herausnehmen, und du wirst doch am Leben bleiben." Der Vater sagte: "Wenn du mich tot machen willst, so nimm es heraus." Das Kind sagte: "Ich kann das machen, ohne dir zu schaden." Der Vater sagte: "So tue es schon, wenn du durchaus willst."
Der Vater hob das Bein hoch. Das Kind nahm das Schienbein heraus und machte daraus einen Bogen.
Am andern Morgen begab sich das Kind mit dem neuen Bogen und Pfeilen auf die Jagd. Nach einer Weile traf er eine Pferdeantilope. Das Kind schoß. Der Pfeil schlug richtig ein. Aber die ganze Antilope verbrannte. Das Kind kam nach Hause. Der Vater fragte das Kind: "Nun, wo hast du denn das Fleisch?" Das Kind sagte: "Warte bis morgen. Morgen werde ich dir ein seltenes Stück Wild heimbringen."
Am andern Morgen machte sich das Kind wieder auf den Weg zur Jagd im Busche. Das Kind kam an kleinen Antilopen vorbei. Das Kind sagte: "Das ist nicht das Rechte." Das Kind kam an Kuhantilopen vorbei. Das Kind sagte: "Das ist nicht das Rechte." Das Kind kam an Pferdeantilopen vorbei. Das Kind sagte: "Das ist nicht das Rechte." Das Kind kam an Büffeln vorbei. Das Kind sagte: "Das ist nicht das Rechte." Das Kind kam an Elefanten vorbei. Das Kind sagte: "Das ist nicht das Rechte." Das Kind sah zwei Löwen. Das Kind sagte: "Das ist das Rechte. Das wird dem Vater gefallen (imponieren) !"
Das Kind nahm einen Pfeil heraus und schoß auf den einen Löwen. Der Löwe fiel. Der andere Löwe duckte sich seitwärts im Grase. Das Kind nahm den getöteten Löwen auf den Kopf, um ihn mit nach Hause zu nehmen. Der andere Löwe aber folgte brüllend in einiger Entfernung. Je näher das Kind mit seiner Beute dem Gehöfte des Vaters kam, desto näher kam der andere Löwe.
Der Löwe brüllte. Das Kind bekam Angst. Das Kind begann zu laufen. Je näher das Kind aber dem Gehöft des Vaters kam, desto näher kam auch der andere Löwe.Das Kind war dem Gehöft des Vaters ganz nahe. Der Löwe war dem Kind nahe. Das Kind sah den Vater am Gehöft stehen. Das Kind schrie: "Vater, hilf mir! Der Löwe will mich packen!" Als der Vater das sah, duckte er sich hinter die Mauer des Gehöftes. Der Vater sagte: "Dies Kind hat seine Sache alleine angefangen; nun mag das Kind es auch alleine beenden!" Dann lief der Vater fort auf den Berg und versteckte sich da.
Das Kind kam in das Gehöft. Der Löwe sprang gleich hinterher. Das Kind fand das Gehöft verlassen. Der Löwe sprang auf das Kind. Der Löwe tötete das Kind. Der Löwe fraß das Kind.
Das kam daher, daß das Kind den Bogen aus seines Vaters Bein gemacht haben wollte (will sagen: war eine Folge ungezogenen Eigensinnes!).
8. Des Häuptlings SöhneEin großer und sehr reicher Häuptling hatte sechs Frauen, von denen er je einen Sohn hatte, und eine ganz junge Frau, die sehr schön war. Die sechs Söhne des Häuptlings waren erwachsen. Sie hüteten jeden Tag die Ochsen und Kühe des Häuptlings. Eines Tages hüteten sie draußen bei den Farmen die Kühe. Sie hatten Jams gegessen. Sie sprachen miteinander.
Der älteste Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen alle Kühe meines Vaters haben. Ich würde sie mir dann alle jeden Tag vorführen lassen, würde täglich einige schlachten, würde das Fleisch verteilen und alles verbrauchen. Am siebenten Tage würde ich dann meinetwegen mich selber töten. Aber während der sechs Tage möchte ich das einmal ganz nach meinem Kopfe betreiben."
Der zweite Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen alles Korn und allen Jams meines Vaters haben. Ich würde mir dann alle Tage alle Frauen der Dörfer zusammenkommen lassen, würde jeden Tag viel, sehr viel Speise machen und Bier brauen lassen, und so alles in sechs Tagen verbrauchen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das einmal ganz nach meinem Kopfe betreiben."
Der dritte Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen
auf dem Ledersitz meines Vaters sitzen. Ich würde alle Leute zu mir kommen lassen, würde Geschenke verteilen, würde mir alle Angelegenheiten vortragen lassen, würde Menschen töten und einmal alles so ordnen, wie es nach meinem Kopf einem großen Häuptling geziemt. Ich würde reiten und Krieg führen und Gefangene machen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopfe betreiben."Der vierte Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen alles Fleisch haben, das in meines Vaters Dorf zu schlachten ist. Ich würde während der sechs Tage alles schlachten, kochen lassen und verteilen. Ich würde essen, was mir schmeckt und alles vertun. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopfe betreiben."
Der fünfte Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen über alle jungen Leute meines Vaters gebieten. Einige würde ich um mich versammeln und tanzen lassen. Einige würde ich auf die Jagd senden. Einige würde ich auf die Felder schicken. Einige würde ich in den Krieg schicken. Einige würde ich verkaufen und jeden, der mir nicht paßt, würde ich töten lassen. Am siebenten Tage würde ich mich dann meinetwegen selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich es einmal ganz nach meinem Kopfe betreiben."
Der sechste Sohn sagte: "Ich möchte einmal während sechs Tagen mit der jungen Frau meines Vaters in einer Hütte leben. Ich würde morgens mit ihr schlafen, mittags mit ihr schlafen, nachts mit ihr schlafen. Ich würde sie nicht aus den Armen lassen, und wenn sie darüber stürbe. Am siebenten Tage würde ich dann meinetwegen mich selbst töten. Aber während sechs Tagen möchte ich das Weib so beschlafen, daß ich darüber alle meine Kraft verlöre!"
Ein Mann (es liegen drei Versionen vor, nach der einen ist er ein fremder Mann, nach der andern ein siebenter Sohn, nach des dritten der Vater selbst, der es hörte) belauschte das Gespräch der sechs Brüder. Er ging hin und sagte dem Häuptling, was er gehört hatte. Der Häuptling ließ seine Söhne zu sich kommen und sagte zum ersten: "Nimm du alle meine Kühe." Er sagte zum zweiten: "Nimm du all mein Korn und meinen Jams!" Er sagte zum dritten: "Nimm du Platz auf meinem Ledersitz!" Er sagte zum vierten: "Nimm du alles Fleisch!" Er sagte zum fünften: "Nimm du alle
jungen Leute!" Er sagte zum sechsten: "Nimm du das junge Weib hin!"Die sechs Söhne nahmen alles an sich, so wie der Vater es nach ihren Wünschen erlaubt hatte. Während sechs Tagen lebte jeder nach seinem Sinne. Alle Kühe und Ochsen des Häuptlings wurden getötet, alles Korn und Jams verbraucht, alles Fleisch gekocht und geröstet, alles Bier getrunken. Alle Leute zogen aus und ein, in Krieg, auf Jagd, zum Tanz. Viele Leute wurden getötet, verkauft, verjagt. Es wurde alles durcheinander gebracht. Der sechste Sohn aber hatte sich mit der jungen Frau des Häuptlings eingeschlossen und hielt sie ständig umschlungen, und die junge Frau sagte: "Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß! Dein Penis ist süß!"
Nach sechs Tagen war aller Besitz des Häuptlings zerstört, alle Mannschaft versprengt und der Friede mit den Nachbarn beendet. Der Häuptling aber holte inzwischen sechs Löwen. Die stellte er vor den Gehöften der Söhne auf. Die sechs Löwen sollten die sechs Söhne, wenn sie am siebenten Tage herauskommen, verschlingen. Nach sechs Tagen kam der erste Sohn heraus; er ward verschlungen. Nach sechs Tagen kam der zweite Sohn heraus; er ward verschlungen. Nach sechs Tagen kam der dritte Sohn heraus; er ward verschlungen. Nach sechs Tagen kam der vierte Sohn heraus; er ward verschlungen. Nach sechs Tagen kam der fünfte Sohn heraus; er ward verschlungen.
Am siebenten Tage sagte (auch) der sechste Sohn: "Heute ist der siebente Tag. Heute will ich sterben." Die junge Frau sagte: "Nein, du sollst nicht sterben. Wir werden entfliehen. Ich werde dir den Weg zeigen." Die junge Frau hob an der Hinterseite der Hütte die Grasdecke (die Dachkappe) vom Mauerwerk empor. Sie sagte: "Komm mit mir hier heraus." Der junge Mann stieg mit der jungen Frau heraus. Der junge Mann ging mit der jungen Frau ein Stück weit. Die junge Frau sagte: "Wir wollen hier eine Kuh töten und die vier Beine mitnehmen. Wir werden die Beine gebrauchen." Der junge Mann tötete die Kuh. Sie schnitten die Beine ab und nahmen sie mit sich.
Als sie ein Stück weit gegangen waren, kam der Löwe hinter ihnen her. (So weit ich verstehen konnte, wurden sie nur von einem Löwen verfolgt. Es muß aber erwähnt werden, daß ein in Sokode nachträglich nochmals interpellierter Bassarimann behauptete, "Löwen" hätten sie verfolgt. Es wurde aber widersprochen und wieder "der" Löwe als Verfolger betont.) Er kam
ganz dicht bis an die Flüchtlinge. Da warfen sie ihm einen Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber nach einiger Zeit hatte der Löwe seinen Kuh fuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm einen zweiten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber nach einiger Zeit hatte der Löwe den zweiten Kuhfuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm den dritten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen. Inzwischen liefen die Flüchtlinge weiter. Aber der Löwe hatte nach einiger Zeit auch den dritten Kuhfuß verzehrt und kam wieder ganz dicht hinter ihnen angejagt. Da warfen sie ihm den vierten Kuhfuß hin. Der Löwe stürzte sich auf den vierten Kuhfuß und begann ihn zu zermalmen.Inzwischen kamen die Flüchtlinge an einen Fluß, über den konnte man nicht hinüber, denn er war breit und tief, und es gab da keine Boote. Auf der andern Seite ging aber ein junges Mädchen, das war die Tochter Unji-bugaras. Das Mädchen rief über den Fluß zu dem jungen Mann hinüber: "So kommt ihr nicht auf diese Seite. Wenn du mich aber heiraten willst, so will ich euch helfen." Der junge Mann sagte: "Ja, ich will dich heiraten." Das Mädchen lief fort. Es holte seinen Vater, der hatte einen langen, langen Bart. Der Mann warf den Bart hinüber. Das Ende des Bartes ward von dem jungen Manne aufgefangen. Der junge Mann und die junge Frau, die er aus seines Vaters Haus entführt hatte, kamen auf die andere Seite hinüber. Kaum waren sie drüben angelangt, so kam auch der Vater des jungen Mannes mit seinen Leuten an. Er hatte sich selbst aufgemacht, als er gehört hatte, daß sein Sohn mit seiner Tochter (jungen Frau!) dem Löwen entronnen. Aber nun war der junge Mann mit seiner Frau auf der andern Seite, und sein Vater konnte mit seinen Leuten nichts anfangen.
Das junge Mädchen sagte zu dem jungen Manne (als er an dem Barte des Alten hinübergekommen war): "Du hast also versprochen, mich zu heiraten." Der junge Mann sagte: "Ich will es sehr gerne tun." Das Mädchen sagte: "Dann will ich euch in das Gehöft meines Vaters bringen. Mein Vater ist ein großer Häuptling. Er bringt oft Menschen um. Du mußt dir also folgendes merken. Mein Vater heißt Unji-bugara. Er hat zehn Frauen, von denen neun gut sind. Unjankann aber ist schlecht. Mein Vater fragt jeden, welche Frau
schlecht ist. Wenn du sie ihm nun nennen und zeigen kannst, so bist du der Gefahr entronnen." Der junge Mann kam in das Gehöft. Das junge Mädchen zeigte auf eine Frau und sagte: "Siehst du, das ist Unjankann, die schlechte, zehnte Frau meines Vaters!"Sie kamen zu Unji-bugara. Unji-bugara gab den Auftrag, ihnen eine Hütte bereiten zu lassen, Speise und Trank zu machen. Nachher sandte er zu dem jungen Manne und ließ ihm sagen: "Wir wollen zusammen auf dem Jworra (Brettspiel) spielen." Der junge Mann kam und spielte mit Unji-bugara. Unji-bugara sagte: "Ich habe zehn Frauen. Eine davon ist schlecht. Wenn du mir die nicht herausfindest, schneide ich dir den Kopf ab. Findest du sie aber heraus, so schneide du mir den Hals durch." Der junge Mann sagte: "Es ist gut." Unji-bugara sagte: "Alle meine Frauen sollen kommen." Die zehn Frauen kamen. Unji-bugara sagte: "Welche ist es?" Der junge Mann betrachtete sie der Reihe nach; dann zeigte er auf die zehnte und sagte: "Das ist Unjankann, die schlechte unter deinen Frauen." Unji-bugara sagte: "Du hast es getroffen. Schneide mir den Hals ab." Der junge Mann schnitt Unji-bugara den Hals ab.
Der junge Mann heiratete, wie er versprochen hatte, die Tochter Unji-bugaras. Er erbte außerdem alle Frauen und die tausend Kühe Unji-bugaras. Er war nun ein reicher Mann und ein sehr großer Häuptling. Seine Kühe waren sehr groß und weiß. Es war eine Kuh darunter, die war so groß wie ein Berg und ganz, ganz weiß.
Die Tochter Unji-bugaras ward schwanger und gebar ihrem Mann ein Kind. Die erste Frau des jungen Mannes ward auch schwanger und gebar ein Kind. Beide Kinder wuchsen heran. Sie konnten laufen. Sie spielten miteinander. Das Kind der Tochter Unjibugaras sagte: "Der Schwanz der weißen Kuh gehört mir." Das andere Kind sagte: "Wie kommst du dazu! Ich will den Schwanz haben." Das erste Kind sagte: "Nein, der Schwanz ist mein." Das andere Kind sagte: "Nein, der Schwanz gehört mir."
Der Vater der Kinder hörte das. Er gab Auftrag, die weiße, große Kuh zu schlachten. Er ließ den Schwanz abschneiden. Er ließ den Schwanz auf der der Quaste entgegengesetzten Seite mit buntem Leder umfiechten (nach Art der Dagombalederarbeiten). Dann nahm er ihn und rief die beiden Kinder. Er sagte zu ihnen: "Ihr habt euch um den Schwanz dieser weißen Kuh gestritten. Ihr
sollt euch nicht streiten. Nun werde ich den Schwanz in die Luft werfen. Wer ihn auffängt, der kann ihn behalten." Die beiden Kinder stellten sich sprung- und laufbereit hin. Der Vater warf den Schwanz der großen, ganz, ganz weißen Kuh in die Luft. Der Schwanz flog hoch und höher. Aus dem Schwanz ward der Mond und aus den Haaren wurden die Sterne. Seitdem sind die Kühe nicht mehr so groß wie früher.9. Das HyänenopferUnumbotte (Gott) machte einen Menschen, der ward sehr einflußreich. Der Mann ward sehr alt und als er dem Tode nahe war, hatte er 130 Söhne. Er ward alt und schwach und als er nahe dem Tode war, ließ er alle seine Söhne zusammenkommen und sagte zu ihnen: "Jeder von euch soll mir sagen, was er mir opfern wird, wenn ich gestorben sein werde." Der Älteste sagte: "Ich werde einen Ochsen für dich töten." Der zweite sagte: "Ich werde ein Perlhuhn für dich töten." Ein anderer sagte: "Ich werde ein Huhn für dich töten." So sagte ein jeder, was er tun wolle. Der jüngste aber sagte: "Ich werde eine Hyäne für dich töten." Drei Tage danach starb der Alte. Da tötete der Älteste einen Ochsen, ein anderer ein Perlhuhn, ein anderer ein Huhn und so fort, jeder das, was er versprochen hatte. Nur der Jüngling hatte sein Versprechen noch nicht erfüllen können.
Dem Jüngsten, der die Hyäne versprochen, sie aber noch nicht geopfert hatte, erschien nun der verstorbene Vater allnächtlich im Traume, so daß er arg gequält wurde und nicht zu schlafen vermochte. Er machte sich auf den Weg und suchte einen Oboa (Schamanen) auf. Den fragte er. "Seitdem mein Vater gestorben ist, kann ich nicht mehr ruhig schlafen. Allnächtlich erscheint mir mein Vater im Traum und quält mich, so daß ich krank werde." Der Oboa sagte: "Du hast deinem Vater versprochen, ihm nach seinem Tode eine Hyäne zu töten. Du hast das noch nicht getan. Wenn du dein Versprechen erfüllt haben wirst, wird dein Vater deine Ruhe nicht mehr stören."
Als der Mann das gehört hatte, nahm er eine Kuh an eine Leine, zog sie hinter sich her, lief durch Dörfer, Busch und Äcker und rief: "Wer mir meines Vaters Grab zeigen kann, dem teile ich die Hälfte dieses Rindes zu." Als er eine Weile so herumgezogen war, kam die Hyäne angelaufen und sagte: "Ich weiß, wo das Grab deines
Vaters ist. Wenn du mir die Hälfte dieses Rindes wirklich abgeben willst, werde ich es dir zeigen." Der Mann sagte: "Ich werde dir die Hälfte geben." Die Hyäne sagte: "So komm mit." Die Hyäne führte den Mann in eine dichte Stelle im Busch und sagte: "Hier ist das Grab deines Vaters."Der junge Mann sagte: "Es ist gut; wir wollen hier sogleich die Kuh schlachten und du sollst sogleich deine Hälfte abhaben. Wie wollen wir nun das Fleisch zubereiten? Wollen wir es kochen oder braten?" Die Hyäne sagte: "Wir wollen es braten." Der Mann sagte: "Gut, dann laufe hin und hole Feuerholz." Die Hyäne lief fort, um Feuerholz herbeizutragen. Mittlerweile schlug der Mann die Kuh tot und begann sie aufzuteilen. Aus der Kuhhaut machte er einen Sack. Nach einiger Zeit kam die Hyäne wieder mit dem Feuerholz. Der Mann sagte zu der Hyäne: "Hole doch Feuer, damit wir gleich braten können." Die Hyäne lief sogleich von dannen und in das nächste Dorf. Sie stahl ein glimmendes Scheit und brachte es dem Manne.
Der Mann sagte: "Es ist gut; nun können wir gleich zu braten beginnen. Aber ich möchte dich bitten, mir vorher noch den einen Fuß aus dem Fell zu holen, der darin steckengeblieben ist." Die Hyäne sagte: "Wenn es weiter nichts ist, will ich es gern tun." Damit kroch die Hyäne in den Fellsack, um das Beinstück herauszulösen. Kaum war die Hyäne aber im Fellsack, so band der Mann den Sack zu.
Als der Mann die Hyäne glücklich im Sack hatte, nahm er ihn auf und trug ihn heim in das Dorf. Er brachte den mit der Hyäne angefüllten Fellsack an das Grab seines Vaters und sagte: "Hier, mein Vater, bringe ich dir die Hyäne, die ich dir seinerzeit versprochen habe. Nun will ich sie aber nicht mit dem Messer schlachten, sondern mit einem Stock totprügeln." Der Mann ergriff einen Knüppel und schlug auf den Fellsack los, bis die Hyäne im Innern tot war.
Daher kommt es, daß die Hyäne heute gestreift ist. Das sind die Striemen, die durch den Knüppel des Mannes geschlagen sind. Früher lebte die Hyäne mit den andern im Dorfe. Seit damals aber ist sie in den Busch entflohen. Zur Rache, was der Mann ihr angetan hat, frißt sie Ziegen, Schafe, Ochsen. Wenn sie die Tiere gefressen hat, läßt sie aber die Köpfe liegen, damit die Menschen sehen, wer das tat.
10. Der entlaufene KnabeEin Knabe saß neben einem Stampfmörser. Ein Aasgeier (Kadjigo, Plural: Kadjigobe) kam herangeflogen, ließ sich daneben nieder und begann aus dem Abwurf Nahrung zusammenzupicken. Das Kind fragte den Aasgeier: "Warum hast du denn keine Haare auf dem Kopf?"(Meint damit die Federnlosigkeit.) Der Aasgeier sagte: "Weil ich ein armer Mann bin." Das Kind fragte: "Was ist das: ein armer Mann? Was ist das: arm?" Der Aasgeier sagte: "Warte bis morgen, dann will es dir zeigen, was arm ist." Dann erhob sich der Aasgeier und flog von dannen. Der Junge lief nach Haus. Er sagte nichts von der Unterhaltung.
Am andern Morgen saß das Kind wieder neben dem Stampftrog. Nach einiger Zeit kam der Aasgeier angeflogen. Er ließ sich neben dem Jungen nieder und sagte: "Setze dich auf meine Schulter; ich will dich dahin bringen, wo du kennenlernen wirst, was arm ist." Der Junge setzte sich auf die Schulter des Vogels, und der hob sich hoch und flog mit dem Jungen auf dem Rücken von dannen; er flog weit fort. Über einem Flusse ließ er sich wieder herab. In dem Flusse war eine felsige Insel, die ständig von Wasser umgeben war. Man konnte von der Insel nicht an die Ufer des Flusses gehen. Auf der Insel setzte der Aasgeier den Knaben ab. Er sagte: "Nun wirst du erfahren, was ein armer Mann ist."Dann flog der Aasgeier von dannen.
Das Kind saß nun allein auf der Felseninsel. Alle Tage kam der Aasgeier über ihm vorbeigeflogen, ließ etwas Scheiße auf des Knaben Kopf herunterfallen und fragte: "Weißt du nun, was arm ist?" Das tat er so sieben Tage lang, einen wie den andern, und der Knabe wußte nicht, wie er von der Felseninsel fortkommen sollte.
Eines Tages stritten sich dicht neben der Felseninsel zwei Krokodile (Upoanjaga, Plural: Iponjaga). Sie stritten sich um eine Frau. Erst merkten sie nicht, daß der Knabe ihnen zusah. Der Stärkere nahm dann dem Schwächeren die Frau fort. Dann gewahrten die Krokodile den Knaben. Die Krokodile fragten: "Hast du uns gesehen?" Der Knabe sagte: "Nein, ich habe nichts gesehen." Die beiden Krokodile schwammen fort. — Nach einiger Zeit kam aber das schwächere der beiden Krokodile wieder und fragte den Knaben: "Was hast du da über Schulter und Nacken hängen?" Der Knabe sagte: "Das sind Bogen und Pfeile." Das Krokodil fragte: "Was machst du damit?" Der Knabe sagte:
"Damit kann ich töten." Das Krokodil fragte: "Kannst du damit auch das andere, stärkere Krokodil töten?" Der Knabe sagte: "Gewiß kann ich das!" Das Krokodil sagte: "So tue es morgen, und ich werde es dir reichlich lohnen. Ich werde morgen mit ihm hierherkommen, damit du den Rechtsstreit entscheidest. Dabei werde ich vorangehen. Schieße also auf das zweite Krokodil." Der Knabe sagte: "Ich werde es tun." Das Krokodil ging.Am andern Tage kamen die beiden Krokodile auf die Felseninsel gekrochen. Das schwächere war voran. Das stärkere kam hinterher. Als sie beide nahe genug waren, legte der Knabe einen Pfeil auf den Bogen und schoß nach dem Krokodil. Er schoß es mitten durch das Herz. Das größere Krokodil schlug einmal mit dem Schweif um sich; dann lag es still. Das schwächere Krokodil sah von der Seite aus hin. Es sagte: "Ist der andere tot?" Der Knabe sagte: "Geh' hin und lege deine Hand darauf: du wirst sehen, es rührt sich nicht."Das schwächere Krokodil ging hin. Es legte seine Hand auf den Körper des stärkeren Tieres. Das Tier rührte sich nicht. Das stärkere Krokodil war tot.
Das schwächere Krokodil kam von nun an jeden Tag und brachte dem Knaben frische Nahrung. Drei Jahre lang kam das Krokodil Tag für Tag. Die Haare des Knaben wuchsen. Niemand war da, sie mit einem Messer abzuschneiden. Sie wurden länger und länger. Einmal fragte das Krokodil den Knaben: "Wo bist du denn zu Hause?" Der Knabe sagte: "Auf jener Seite dort drüben liegt mein Dorf." Das Krokodil sagte: "Ich werde dich hinübertragen." Das Krokodil nahm den Knaben auf den Rücken und schwamm mit ihm über das Wasser. Das Krokodil sagte: "Steige hier an das Land. Du wirst oben zwei Wege sehen, einen breiten und einen schmalen. Gehe ja nicht den breiten Weg! Gehe auf dem schmalen Wege!"
Der Knabe stieg am Ufer empor. Er sah da oben die beiden Wege. Er sagte: "Ich werde den schmalen Weg nicht gehen, denn auf dem würde ich mich verlaufen. Ich werde auf dem breiten Wege gehen, den kann ich nicht verfehlen." Der Bursche ging auf dem breiten Wege. Nach einiger Zeit kam er dahin, wo die Hyäne (Usaquan; Plural: Isaquan), der Leopard (Ubuij; Plural: Ibuij) und der Löwe (Biginte; Plural: Igbiginti) zu Hause waren. Er traf die Hyäne. Die Hyäne sagte: "Du bist fremd hier?" Der Bursche sagte: "Ja, ich bin fremd hier." Die Hyäne sagte: "Komm mit mir. Ich werde dir zu essen geben." Der Knabe ging mit der
Hyäne. Die Hyäne zeigte ihm den Weg. Die Hyäne, der Leopard und der Löwe nahmen den Burschen freundlich auf.Sobald der Bursche sich niedergelassen hatte, setzten die drei ihm eine gut zubereitete Antilope vor. Am nächsten Tage ward ihm wieder reichlich Antilopenfleisch angeboten, und alle drei waren freundlich zu ihm. Drei Tage lang waren sie freundlich und gaben ihm reichlich zu essen. Am vierten Tage sagten aber die drei zu ihm. "Wir sind drei und haben dir drei Tage lang reichlich zu essen gegeben. Heute ist es nun an dir, eine Antilope zu erlegen, sonst müssen wir uns an dich halten und dich verzehren." Der Bursche sagte: "Ich bin gerne bereit dazu." Der Bursche machte sich auf den Weg. Er schoß nach einer kleinen Antilope. Sie fiel. Er ging mit den Beil hin, gab ihr den Gnadenschlag. Er zog den Pfeil heraus. Er ging weiter. Er schoß nach einer zweiten kleinen Antilope. Sie fiel. Er ging mit dem Beil hin, gab ihr den Gnadenschlag. Er zog den Pfeil heraus. Er ging dann heim. Er brachte den Tieren die zwei Antilopen.
Am andern Tage sagten die Hyäne, der Leopard und der Löwe zu dem Burschen: "Heute mußt du uns wieder eine Antilope bringen, sonst müssen wir dich töten und als Nahrung verzehren."Der Bursche sagte: "Ich bin gerne bereit dazu." Der Bursche machte sich auf den Weg. Er erlegte zwei große Antilopen. Er brachte sie heim. Am andern Tage sagten die drei Tiere wieder: "Heute mußt du uns wieder eine Antilope bringen, sonst müssen wir dich töten und als Nahrung verzehren." Der Bursche sagte: "Ich will es gerne tun." Er ging fort, erlegte einige große Antilopen und brachte sie nach Hause.
Hyäne, Leopard und Löwe sagten: "Wir möchten wissen, wie der Bursche es anfängt, die Tiere so zu töten!" Der Affe (Ulantann, Plural: Ilantann) sagte: "Ich bin bereit, den Burschen einmal zu beobachten." Die Tiere sagten: "Es ist gut; wenn du es siehst und uns dann berichtest, wollen wir dir etwas schenken." Am nächsten Tage sagten die Tiere wieder zu dem Burschen: "Du mußt heute wieder hingehen und sehen, wie du eine Antilope zur Stelle schaffst. Gelingt es dir nicht, so müssen wir dich töten und dich als Nahrung verzehren." Der Bursche sagte: "Ich will es gerne tun." Der Bursche ging fort. Der Affe folgte ihm. Nach einiger Zeit sah der Bursche eine große Antilope. Er griff mit der Hand an den Nacken (die Bassari legen die Köcher direkt an den Hals, so daß mit einem Griff unter das Ohr die Hand die Pfeile erreicht), zog einen Pfeil
aus dem Köcher, legte ihn auf den Bogen, schoß. Die Antilope fiel tot zur Erde.Der Affe sah es. So schnell er konnte, lief er fort und zurück in das Haus der Hyäne, des Leoparden und Löwen. Er sagte: "Ich habe gesehen, wie der Bursche die Tiere tötet. Der Bursche zieht den Tod aus dem eigenen Nacken. Wenn er den rechten Arm hebt, zieht er jedesmal mit der rechten Hand einen Tod aus dem Nacken." Hyäne, Leopard und Löwe sagten: "Nun wissen wir, wie er zu der vielen Beute kommt."
Nach einiger Zeit kam der Bursche heim. Er brachte zwei große Antilopen mit. Als er bei den Tieren eintrat, lief gerade eine Eidechse an ihm vorbei. Er hob die rechte Hand, um sie noch schneller zu verscheuchen. Die Hyäne, der Leopard und der Löwe riefen: "Jetzt zieht er einen Tod aus dem Nacken." Dann liefen sie schnell zur Türe hinaus und stürzten Hals über Kopf in den Busch.
Der Bursche nahm Bogen und Pfeil und ging seinen Weg weiter. Als er eine Weile gegangen war, traf er eine Katze (Tonto, Plural: Tontobe), die trug ein gestohlenes Huhn im Maul. Der Bursche griff sie. Er sagte ihr: "Zeige mir den Weg in das Gehöft meines Vaters oder ich töte dich." Die Katze sagte: "Ich will dir den Weg zeigen." Die Katze ging voran. So kam der Bursche heim. Vor dem Gehöft stand der Vater des Burschen. Der Bursche sagte: "Guten Tag, mein Vater." Der Vater sagte: "Wer bist du, ich kenne dich nicht. Ich habe noch nie einen Menschen mit so langen Haaren gesehen." Der Bursche erzählte (der Erzähler wiederholt die ganze Geschichte). Darauf erkannte der Vater seinen Sohn und nahm ihn mit zu sich hinein. Der Vater sagte: "Warum hast du mich damals nicht gefragt? Ich hätte dir gesagt, was ein armer Mann ist, und du hättest dann nicht so lange herumzulaufen brauchen."
Seitdem sagen die Jungens immer alles ihren Eltern und laufen nicht mehr so im Busch herum.
11. NingaIn einem Dorfe waren elf Mädchen. Die Leute sagten: "Zehn lyon unsern Mädchen sind schlecht. Ninga (die elfte) ist aber gut." Die zehn Mädchen hörten das. Sie sagten untereinander: "Weshalb soll eine besser sein als wir andern? Wir wollen es Ninga besorgen." Sie gingen alle zehn zusammen zum Holzschlagen in den Busch. Die Mädchen sagten untereinander: "Morgen wollen
wir Ninga zeigen, daß sie besser sein soll als wir." Sie kamen in das Dorf zurück. Sie sagten zur Ninga: "Morgen wollen wir wieder Feuerholz schlagen gehen. Du mußt mit uns kommen."Ninga sagte: "Es ist gut."Am andern Morgen gingen alle elf in den Busch, um Feuerholz zu schlagen. Sie sammelten und packten zusammen. Die zehn schlechten Mädchen machten sich jede eine kleine, leichte Last. Ninga band aber eine schwere Last zusammen. Die zehn Mädchen konnten sehr schnell vorwärts laufen und kamen bald in das Dorf. Ninga aber blieb immer mehr zurück, denn ihre Last war sehr schwer.
Nach einiger Zeit kamen die Hyäne (Usaquam, Plural: Isaquami) und Uaquuli (Plural: Jiquuli, ein Wesen, dessen linke Hand und linker Fuß kurz, linke Auge zu, linke Ohr halb, dessen rechte Seite aber normal gebildet ist) des Weges. Die Hyäne und Uaquuli sagten: "Das Mädchen wollen wir mitnehmen." Sie packten Ninga und schleppten sie mit sich fort. Sie wollten das Mädchen essen. Nach einiger Zeit kamen sie an einen Kreuzweg.
Sie kamen an den Kreuzweg. Ninga sagte zu der Hyäne und Uaquuli: "Ich will euch etwas singen, damit ihr tanzen könnt." Die beiden sagten: "Es ist gut."Ninga band das Gras am Kreuzweg zusammen. Dann sang sie. Die Hyäne und Uaquuli begannen zu tanzen. Als sie beim besten Tanzen waren, sprang Ninga fort und lief, so schnell sie laufen konnte, den Weg ihrem Dorfe zu. Als sie wieder an einem Kreuzweg angekommen war, blieb sie stehen und band das Gras zusammen. Die Hyäne und Uaquuli kamen hinter ihr her. Als sie nahe bei ihr waren, sagte Ninga: "Ich will euch etwas singen, damit ihr tanzen könnt." Die beiden sagten: "Es ist gut."Ninga sang. Die Hyäne und Uaquuli begannen zu tanzen. Als sie beim besten Tanzen waren, sprang Ninga fort und lief, so schnell sie konnte, den Weg ihrem Dorfe zu. Als sie wieder an einem Kreuzweg angekommen war, blieb sie stehen und band das Gras zusammen. Die Hyäne und Uaquuli kamen hinter ihr her. Als sie nahe bei ihr waren, sagte Ninga: "Ich will euch etwas singen, damit ihr tanzen könnt." Die beiden sagten: "Es ist gut." Ninga sang. Als die beiden beim besten Tanzen waren, sprang Ninga auf und lief, so schnell sie laufen konnte, den Weg ihrem Dorfe zu.
Ninga lief. Die Hyäne und Uaquuli liefen hinter ihr her. Die Hütten des Dorfes tauchten auf. Die Hyäne rief: "Da sind die Hütten
des Dorfes."Uaquuli sagte: "Nein, das sind nur rote Termitenhaufen." Ninga sah die Dorfhütten. Sie lief nun schnell von dannen. Da merkten die Hyäne und Uaquuli, daß Ninga sie immer weiter gelockt hatte und daß ihnen das Mädchen entwischen wollte. Sie sahen jetzt, daß das geknüpfte Gras am letzten Kreuzweg nicht das am ersten Kreuzweg war. Ninga lief schnell von dannen. Uaquuli jagte hinterher. Ninga erreichte das Dorf. Uaquuli sprang hinter ihr herein. Ninga sprang durch die Tür der väterlichen Hütte. Just kam Uaquu lian. Ninga war in der Hütte. Uaquuli hatte aber Ningas Fuß erwischt und hielt ihn fest. Ninga rief von innen: "Weshalb packst du das Holz an der Tür meines Vaters und quetschst meinen Fuß?" Da meinte Uaquuli, er habe das falsche ergriffen und packte das daneben befindliche Holz. Ninga konnte nun den Fuß hineinziehen. Sie rief von innen: "Halte das Holz nicht zu fest; es könnte dem armen Holz weh tun. Und wenn du das Holz frißt, paß auf, daß es dir nicht im Halse stecken bleibt." Ninga aber war damit gerettet.12. TauschenEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar dann ein Kind. Das Kind wuchs ein wenig heran. Das Kind lag erst noch bei der Mutter. Dann lernte das Kind laufen. Das Kind schlief (einmal) im Hause. Die Mutter ging baden. Die Mutter kam wieder heim. Die Mutter kehrte das Haus. Sie fegte den Kehricht zusammen und füllte ihn in eine alte Kalebassenscherbe. Sie gab dem Kinde die Kalebassenscherbe und sagte: "Bring das hinaus und wirf es auf den Kehrichthaufen!" Das Kind nahm den Kehricht, trug ihn heraus und warf ihn fort. Es spielte draußen. Das Kind fing draußen einige Tiere (Insekten). Es brachte die kleinen Tierchen mit herein und sagte zu seiner Mutter: "Mutter, röste mir meine Tierchen am Feuer!" Die Mutter sagte: "Das will ich gerne tun!" Die Mutter legte die kleinen Tierchen ans Feuer. Sie ging dann wieder ihrer Arbeit nach. Über der Arbeit vergaß die Mutter die kleinen Tierchen. Die Tierchen verkohlten am Feuer. Nach einiger Zeit kam das Kind zu seiner Mutter und sagte: "Mutter, nun möchte ich meine kleinen Tierchen essen. Sind sie fertig geröstet?" Die Mutter ging zum Feuer und sah nach. Sie sah, daß die Tierchen verkohlt waren. Sie sagte: "Mein Kind, die Tierchen sind verkohlt." Das Kind sagte: "Dann
gib mir andere Tierchen." Die Mutter ging hinaus und holte andere Tierchen. Sie gab sie dem Kinde und sagte: "Hier hast du andere Tierchen." Das Kind sagte: "Nein, diese Tierchen will ich nicht. Ich will meine eigenen Tierchen wieder haben." Die Mutter nahm darauf die verkohlten Tierchen, gab sie dem Kinde und sagte: "Nun laß mich aber mit deinen Tierchen in Ruhe." Das Kind nahm die verkohlten Tierchen und lief damit hinaus.Das Kind lief mit den verkohlten Tierchen zum Schmiede und hockte neben dem Feuer des Schmiedes nieder. Das Kind fragte den Schmied: "Arbeitest du heute nicht?" Der Schmied sagte: "Nein, ich arbeite heute nicht, denn ich habe keine Kohlen." Das Kind zeigte dem Schmied die verkohlten Tierchen und sagte: "Willst du meine Kohlen nehmen?" Der Schmied sagte: "Es ist, gut; gib sie her!" Das Kind gab die Kohlen. Der Schmied warf sie vor den Blasebalg und begann zu arbeiten. Der Schmied arbeitete, bis die Kohlen verbrannt waren. Das Kind sah zu. Als die Kohlen verbrannt waren, stand das Kind auf. Das Kind dehnte sich (gelangweilt und wie ermüdet), es gähnte und sagte: "Ich will jetzt nach Hause gehen." Der Schmied sagte: "Es ist gut; so geh!" Das Kind sagte: "Gib mir wieder, was ich dir geliehen habe." Der Schmied sagte: "Ich habe die Kohlen verbrannt." Das Kind sagte: "Dann bezahle mich!" Der Schmied nahm ein Hackeneisen, gab es dem Kinde und sagte: "So nimm das!" Das Kind nahm das Hackeneisen. Das Kind ging fort.
Das Kind wollte mit seinem Hackeneisen nach Hause gehen. Auf dem Wege nach Hause kam das Kind an einem Acker vorbei, auf dem arbeitete ein Bauer. Der Bauer hatte eine Hacke, deren Blatt stark abgenutzt war, so daß es ganz kurz war. Das Kind sah dem Bauer eine Weile zu; dann sagte das Kind: "Deine Hacke ist ganz abgenutzt. Deine Hacke ist schlecht." Der Bauer sagte: "Ich habe keine andere." Das Kind sagte: "Ich habe ein neues Hackeneisen, nimm es!" Der Bauer nahm das neue Hackeneisen, zog das alte aus dem Stiel und schob das neue hinein. Dann arbeitete der Bauer mit seiner neuen Hacke. Das Kind sah ihm zu. Nach einiger Zeit sagte das Kind: "Ich will jetzt nach Hause gehen." Der Bauer sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir meine Hacke wieder." Der Bauer sagte: "Ich bin mit meiner Arbeit noch nicht fertig." Das Kind sagte: "Es ist mir gleich, gib mir mein Hackeneisen wieder." Der Bauer zog das Hackeneisen aus dem Stiel und reichte es dem Kinde hin. Das Kind sagte: "Das Hackeneisen will ich nicht
mehr. Ich habe dir ein neues Hackeneisen gegeben, und dies ist jetzt abgenutzt. Dies Hackeneisen ist nicht mehr schön." Der Bauer nahm darauf einen Arm voll Jams, gab es dem Kinde hin und sagte: "Dann nimm dies hier dafür." Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm seinen Jams und machte sich damit auf den Weg.Das Kind wollte mit seinem Jams nach Hause gehen. Das Kind kam an einer Schar Kinder vorbei, die hüteten die Kühe. Die Kinder sagten: "Wir haben Hunger; aber wir haben keinen Jams. Was machen wir jetzt?" Das Kind gab den Kindern seinen Jams hin und sagte: "Nehmt meinen Jams hin und röstet ihn euch!" Die Kinder nahmen den Jams und rösteten ihn über dem Feuer. Dann aßen die Kinder den Jams. Das Kind sah zu. Als die Kinder den Jams gegessen hatten, sagte das Kind: "Ich will nach Hause gehen." Die Kinder sagten: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gebt mir den Jams wieder, den ich euch geliehen habe." Die Kinder sagten: "Den haben wir gegessen." Das Kind sagte: "Ich will aber meinen Jams wiederhaben."Die Kinder sagten: "Deinen Jams haben wir geröstet und gegessen. Wir haben hier aber Kühe. Wir wollen dir für den Jams Milch geben." Die Kinder molken die Kühe und gaben dem Kinde Milch. Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm seine Milch und machte sich damit auf den Weg.
Das Kind wollte mit seiner Milch nach Hause gehen. Das Kind kam an einer Frau vorbei, die hatte soeben ein Kind geboren. Die Frau weinte. Das Kind blieb stehen und fragte: "Was ist dir?" Die Frau sagte: "Ich habe soeben ein kleines Kind geboren, aber nun habe ich keine Milch in der Brust und kann dem Kinde nicht zu trinken geben. Und Milch von den Kühen habe ich auch nicht." Das Kind sagte: "Ich habe hier Milch bei mir. Die kannst du deinem Kindchen geben, damit es etwas hat." Die Mutter nahm die Milch. Die Mutter gab die Milch ihrem Kindchen. Als das Kindchen alle Milch getrunken hatte, sagte das Kind: "Ich will nach Hause gehen!" Die Frau sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir die Milch wieder, die ich dir geliehen habe."Die Frau sagte: "Die kann ich dir nicht wiedergeben, denn die hat mein Kindchen getrunken." Das Kind sagte: "Ich will aber die Milch wiederhaben." Die Frau sagte: "Ich will dir für die Milch Schibutter geben."Die Frau nahm ein Paket Schibutter und gab es dem Kinde. Das Kind sagte: "Es ist gut."Das Kind nahm seine Schibutter und machte sich damit auf den Weg.
Das Kind wollte mit seiner Schibutter nach Hause gehen. Das Kind kam an einem Tenantan-kurre (Stein, auf dem Medikamente verrieben werden) vorbei. Das Kind sah den Tenantan-kurre. Er war trocken. Das Kind nahm seine Schibutter und sagte: "Du bist trocken. Ich will dich ein wenig einfetten, damit du etwas zu tun hast." Das Kind rieb seine Schibutter auf den Stein. Die Sonne strahlte sehr stark vom Himmel. Der Reibstein wurde heiß. Die Schibutter zerfloß. Nach einiger Zeit sagte das Kind zu dem Tenantan-kurre: "Gib mir meine Schibutter wieder." Der Stein sagte nichts. Das Kind sagte: "Gib mir meine Schibutter wieder." Der Stein sagte wieder nichts. Darauf nahm das Kind einfach den Tenantan-kurre und sagte: "Es ist gut." Das Kind machte sich mit dem Tenantan-kurre auf den Weg.
Das Kind wollte mit seinem Tenantan-kurre nach Hause gehen. Das Kind kam an einem Manne vorbei, der die Pocken hatte. Der Mann sagte: "Ich habe keinen Mahlstein, auf dem ich meine Medizin reiben könnte." Das Kind sagte: "Ich habe hier einen Tenantankurre. Willst du ihn benutzen?" Der Pockenkranke sagte: "Ja! gib ihn her!" Der Mann rieb auf dem Stein seine Medizin und rieb mit der Medizin dann seinen Körper ein. Das Kind sagte: "Ich will nach Hause gehen." Der Pockenkranke sagte: "Es ist gut." Das Kind sagte: "Gib mir meinen Tenantan-kurre, ich will ihn mit mir nehmen." Der Pockenkranke sagte: "So nimm ihn." Das Kind brachte ihn und sagte: "Der Stein ist mein Eigentum. Er war ganz neu und noch nicht benutzt." Der Pockenkranke sagte: "Wo hast du deinen Tenantan-kurre denn herbekommen?" Das Kind sagte: "Ich will meinen neuen Tenantan-kurre wieder zurückhaben." Der Mann gab dem Kinde darauf die Pocken. Das Kind sagte: "Es ist gut." Das Kind nahm die Pocken und ging.
Das Kind brachte die Pocken mit heim. So kamen die Pocken überallhin. Früher waren die Pocken nur im Busch.
13. Goldeselein, Knüppel aus dem SackEs war eine große Hungersnot. Niemand wußte recht, was er essen sollte. Der Häuptling ließ die Trommel schlagen. Alle Leute kamen zusammen. Der Häuptling sagte: "Jeder, der etwas zu essen findet, soll es mit den andern teilen." Die Leute sagten: "Ja, so ist es gut."
Ein Mann machte sich mit seinem Beil auf den Weg, Holz zu
schlagen. Er kam an ein Wasser, und da stand ein überhängender Baum. Der Mann stieg hinauf, seine Arbeit zu beginnen. Er schlug. Das Beil glitt aus und fiel in das Wasser. Der Mann stieg herab und begann im Wasser zu suchen. Er ging umher und suchte. Aber er fand sein Beil nicht. Der Mann fand ein Jotum (d. i. ein handflächengroßes, tellerartiges, flach gewölbtes, rund umschnittenes Kalebassenstück, mit dem die Frauen den Brei aus den Kochtöpfen kratzen). Der Mann fragte: "Wer bist du?" Die Kalebassenscherbe sagte: "Ich bin Jotum." Der Mann fragte: "Bist du mein Vater oder meine Mutter?"Die Kalebassenscherbe sagte: "Ich bin Jotum, deine Mutter." Der Mann sagte: "Was machst du? Ich möchte das gerne sehen!"Sogleich strömte aus dem Jotum viele gute Speise, große Mengen guten Essens. Sogleich stürzte sich der Mann darüber und aß und aß, bis er satt war, bis er keinen Bissen mehr hinunterzwingen konnte.Der Mann nahm dann das Jotum, steckte es in seinen Schultersack und ging damit heim. Als er in sein Gehöft kam, sagte er zu seiner Frau: "Nun brauchen wir nicht mehr zu hungern. Ich habe etwas gefunden, das uns alle Tage satt machen kann." Die Frau sagte: "Zeig doch, was ist es?" Der Mann zog das Jotum aus dem Beutel, legte es auf den Boden und sagte: "Nun paß auf, Frau!" Der Mann sagte zu dem Jotum: "Was machst du? Ich möchte es gerne sehen." Sogleich strömte aus dem Jotum viele gute Speise, große Mengen guten Essens! Die Frau und der Mann und die Kinder konnten essen, soviel sie wollten.
Die Frau Spinnes schickte ihren kleinen Sohn, daß er bei dem Manne nebenan ein Feuerscheit hole. Der kleine Junge lief hinüber. Er sagte: "Gebt mir doch ein Feuerscheit." Der Junge sah, daß Essen im Überfluß vorhanden war. Die Frau brachte dem Jungen das Feuerscheit. Der junge Spinne lief nach Hause und rief: "Bei den Leuten nebenan ist Speise im Überfluß, alle essen und haben so viel, daß sie gar nicht alles hinunterschlucken können!" Spinne sagte: "Das möchte ich doch einmal sehen. Paß auf, mein Sohn, wie wir es anstellen wollen, auch etwas zu essen zu bekommen. Morgen früh werde ich dich schlagen. Du läufst dann, so schnell du laufen kannst, heulend in das Gehöft des Nachbars, versteckst dich hinter dem Mann und schreist: "Mein Vater schlägt mich so! Laß mich hierbleiben! Mein Vater schlägt mich so!" So machst du es. Das andere wird sich finden. Hast du mich verstanden?" Der Junge sagte: "Ja, so werde ich es machen."
Am andern Morgen schlug Spinne nach seinem Sohn. Spinnenjunge lief heulend davon. Er lief in das Gehöft des Mannes. Er lief auf den Mann zu und versteckte sich hinter ihm. Heulend schrie er: "Mein Vater schlägt mich so! Laß mich hierbleiben! Mein Vater schlägt mich so!" Spinne kam hinterher in das Gehöft des Nachbars und sagte: "Hat mein Sohn sich vielleicht hier versteckt? Der ungezogene Junge hat so schlimm getan, daß er geschlagen werden muß!"Spinne sah umher. Er sah das viele Essen. Der Mann sagte: "Ja, dein Junge ist hier. Schlage ihn nur nicht so arg. Wenn du übrigens etwas Essen mitnehmen willst, so greif zu. Gerade heute haben wir genug."Spinne bedankte sich, nahm das Essen und den Jungen und ging heim.
Spinne sagte: "Es ist wahr, der Mann hat Essen im Überfluß." Spinne ging zum Häuptling und sagte: "Hast du nicht gesagt, daß jeder, der Essen hat, mit dem andern teilen soll?" Der Häuptling sagte: "Ja, so habe ich gesagt."Spinne sagte: "Da ist ein Mann, der hat Essen im Überflusse, in großen Mengen. Er gibt aber nur dem, den er zufällig sieht." Der Häuptling sandte sogleich zu dem Manne. Er ließ sagen, er solle sein Essen mitbringen. Dann ließ er trommeln, daß alle Leute zusammenkommen sollten.
Alle Leute kamen zusammen. Der Mann kam mit dem Jotum. Der Häuptling sagte: "Habe ich nicht gesagt, daß jeder, der Essen hat, dem andern abgeben soll?" Der Mann sagte: "So ist es." Der Häuptling fragte: "Du hast Essen?" Der Mann sagte: "Ich will es euch zeigen." Der Mann zog das Jotum heraus und sagte: "Was machst du? Ich möchte es gern sehen."Sogleich strömten aus dem Jotum viele gute Speisen, große Mengen guten Essens. Kaum sahen es die hungernden Leute, die rund herum saßen, so stürzten sie auch alle auf einmal auf das Essen zu. Jeder wollte soviel wie möglich davon für sich zur Seite bringen. Sie schlugen um sich, um Platz zu gewinnen. Sie schlugen aufeinander. Sie trafen auch auf das Jotum.
Das Jotum zerbrach. Nun gab es kein Essen mehr.
Spinne sagte: "Ich werde das auch versuchen. Spinne nahm ein Beil und ging zu dem Baum, der über dem Wasser hing. Er kletterte hinauf. Spinne schlug mit dem Beil auf das Holz zu. Spinne machte es möglichst ungeschickt. Das Beil glitt aber nicht ab. Da warf Spinne das Beil hinunter in das Wasser. Dann stieg Spinne herab und versuchte etwas im Wasser zu finden.
Spinne stieß mit dem Fuß gegen etwas, das war Baratju (Peitsche;
Plural: Baratjube). Spinne fragte: "Wer bist du, mein Vater oder meine Mutter?"Baratju sagte: "Ich bin Baratju, dein Vater!" Spinne fragte: "Was machst du? Ich möchte es gerne sehen!" Da fuhr Baratju auf Spinne zu und schlug auf Spinne ein, daß er über und über mit Schlägen bedeckt war und nicht wußte, wohin er sich retten sollte. Endlich ergriff er Baratju, nahm ihn unter den Arm und ging damit heim.Daheim rief Spinne seine Frau und seine Kinder: Er sagte zu ihnen: "Ich habe etwas Schönes mitgebracht, das ist ganz ähnlich dem Jotum. Ich will eben fortgehen; wenn ich weg bin, könnt ihr mal zudem Baratju sagen: "Was machst du? Ich möchte es gerne sehen!" Dann ging Spinne fort. Er ging aber nur um die Mauer und versteckte sich hinter der Tür. Kaum war er fort, so sagte die Frau Spinnes zu dem Baratju: "Was machst du? Ich möchte es gerne sehen!" Da fuhr Baratju auf Frau Spinne und ihre Kinder zu und schlug auf die ein, daß sie über und über mit Schlägen bedeckt waren und nicht wußten, wohin sie sich retten sollten. Endlich kam Spinne aus seinem Versteck hervor, griff den Baratju und nahm ihn unter den Arm.
Spinne ging mit dem Baratju zum Häuptling und sagte: "Ich habe etwas ganz Ähnliches wie das Jotum. Es ist das Baratju. Trommle nun, laß alle Leute zusammenkommen und sage zum Baratju: ,Was machst du? Ich möchte es gerne sehen!' Hier hast du ihn. Ich selbst bin satt und will mich (bescheiden) zurückziehen!" Der Häuptling nahm den Baratju an sich. Er ließ trommeln. Er ließ alle Leute zusammenkommen. Als die ganze Einwohnerschaft sich versammelt hatte, trat der Häuptling in die Mitte, legte den Baratju auf die Erde und sagte: "Es ist uns wieder etwas gebracht worden, das ist ganz ähnlich dem Jotum. Unsere Hungersnot wird also aufhören. Aber es darf nicht wieder jeder darauf losstürzen wie beim Jotum, das wir durch die allgemeine Hast verloren haben. Jeder soll auf seinem Platz bleiben." Die Leute sagten: "Ja, jeder soll auf seinem Platz bleiben." Der Häuptling sagte dann zu dem Baratju: "Was machst du? Ich möchte es gerne sehen!"
Der Häuptling sprach noch das letzte Wort, da sprangen auch schon alle Leute auf das Baratju zu. Gleichzeitig aber fuhr Baratju auf den Häuptling und die herandrängenden Leute und bedeckte alles mit Schlägen. Die Leute erschraken. Sie fielen übereinander. Sie wußten nicht, was ihnen geschah. Baratju schlug und schlug
und schlug. Spinne saß hinter einer Tür und sah zu. Endlich gelang es dem Häuptling, den Baratju zu ergreifen. Früher war zwar das Essen im Wasser, die Peitsche aber auch.14. Spinne, Kalebassen, WindEin Mann fand im Busch ein Samenkorn. Er kannte weder das Samenkorn noch die Pflanze. Er nahm das Samenkorn mit nach Hause und pflanzte es. Nach einiger Zeit keimte das Samenkorn. Die junge Pflanze wuchs. Der Mann sah von Zeit zu Zeit nach der Pflanze. Er kam zu ihr, betrachtete sie und ging wieder fort.
Eines Tages kam Spinne zu der aus dem Samenkorn aufgegangenen Pflanze. Es hing ein Kürbis daran. Spinne betrachtete den Kürbis. Spinne klopfte daran und legte das Ohr an den Kürbis. Spinne sagte: "Der Kürbis ist noch nicht reif." Dann ging Spinne weiter. Nach einiger Zeit kam der Mann wieder und betrachtete die Pflanze. Dann kam Spinne wieder, klopfte an den Kürbis und sagte: "Der Kürbis ist noch nicht reif." Spinne ging weiter. Dann kam der Mann wieder, dann Spinne und klopfte an den Kürbis; dann kam der Mann wieder.
Eines Tages kam Spinne wieder, klopfte an den Kürbis und horchte. Aber aus dem Kürbis kam keine Antwort. Anstatt dessen erhob sich der Kürbis hoch in die Luft und stürzte sich dann wieder auf Spinne herab, um Spinne zu zerquetschen. Spinne sprang aber, so weit er konnte, beiseite. Spinne entging dem herabstürzenden Kürbis gerade noch. Dann stürzte Spinne eiligst in den Busch und lief, um sich zu verstecken.
Im Busch traf Spinne die kleine Antilope. Die kleine Antilope fragte: "Vor wem läufst du denn weg, Spinne?"Spinne sagte: "Ich laufe vor dem Kürbis weg. Der Kürbis läuft hinter mir her." Die kleine Antilope sagte: "Du lügst!" Spinne sagte: "Nein, es ist so." Die kleine Antilope sagte: "So bleibe bei mir! Ich will dich schützen; ich bin stärker als der Kürbis."Spinne setzte sich bei der kleinen Antilope hin und sagte: "Es ist gut." Nach einiger Zeit kam der Windhauch des Kürbis. Die kleine Antilope sagte: "Was ist das?" Spinne sagte: "Das ist der Wind, der vor dem Kürbis herfegt." Die kleine Antilope sagte: "So lauf! Lauf weiter! Das ist so stark, daß ich dich davor nicht schützen kann."Spinne lief weiter.
Nach einiger Zeit traf Spinne die Pferdeantilope. Die Pferdeantilope fragte: "Vor wem läufst du denn weg, Spinne?"Spinne sagte: "Ich laufe vor dem Kürbis weg. Der Kürbis läuft hinter mir her." Die Pferdeantilope sagte: "Du lügst!"Spinne sagte: "Nein, es ist so." Die Pferdeantilope sagte: "So bleibe bei mir! Ich will dich schützen; ich bin stärker als der Kürbis."Spinne setzte sich bei der Pferdeantilope hin und sagte: "Es ist gut." Nach einiger Zeit kam der Windhauch des Kürbis. Die Pferdeantilope sagte: "Was ist das?"Spinne sagte: "Das ist der Wind, der vor dem Kürbis herfegt!" Die Pferdeantilope sagte: "So lauf! Lauf weiter! Das ist so stark, daß ich dich davor nicht schützen kann."Spinne lief weiter.
Nach einiger Zeit traf Spinne den Büffel. Der Büffel fragte: "Vor wem läufst du denn weg, Spinne?"Spinne sagte: "Ich laufe vor dem Kürbis weg. Der Kürbis läuft hinter mir her." Der Büffel sagte: "Du lügst."Spinne sagte: "Nein, es ist so." Der Büffel sagte: "So bleibe bei mir! Ich will dich schützen; ich bin stärker als der Kürbis." Spinne setzte sich bei dem Büffel hin und sagte: "Es ist gut."Nach einiger Zeit kam der Windhauch des Kürbis. Der Büffel sagte: "Was ist das?"Spinne sagte: "Das ist der Wind, der vor dem Kürbis herfegt." Der Büffel sagte: "So lauf! Lauf weiter! Das ist so stark, daß ich dich davor nicht schützen kann." Spinne lief weiter.
Nach einiger Zeit traf Spinne den Elefanten. Der Elefant fragte: "Vor wem läufst du denn weg, Spinne?" Spinne sagte: "Ich laufe vor dem Kürbis weg. Der Kürbis läuft hinter mir her." Der Elefant sagte: "Du lügst." Spinne sagte: "Nein, es ist so." Der Elefant sagte: "So bleibe bei mir. Ich will dich schützen und will den Kürbis zertreten."Spinne setzte sich bei dem Elefanten hin und sagte: "Es ist gut." Nach einiger Zeit kam der Windhauch des Kürbis. Der Elefant fragte: "Was ist das?"Spinne sagte: "Das istder Wind, der vor dem Kürbis herfegt." Der Elefant sagte: "Das macht nichts." Der Elefant wollte standhalten. Nach einiger Zeit ward der Wind aber so stark, daß der Elefant zur Seite gedrückt ward. Der Elefant sagte: "So lauf! Lauf weiter! Das ist so stark, daß ich dich davor nicht schützen kann."Spinne lief weiter.
Nach einiger Zeit traf Spinne den Ullabella (das ist ein ganz kleiner, sehr dreister Vogel, der dadurch berühmt ist, daß er auch dann, wenn man ihn scheucht und nach ihm wirft, immer nur ein Stück weit fliegt). Das Vögelchen Ullabella rief: "Vor wem läufst
du denn weg, Spinne?"Spinne lief weiter und rief: "Halt du doch nur dein Maul!"Ullabella sagte: "Weshalb bist du so grob zu mir, wo sogar die Großen zu mir freundlich sind!"Spinne rief: "Du kannst mir doch nicht helfen, da sogar deine Freunde, die Großen, mich nicht vor dem Kürbis schützen konnten." Ullabella fragte: "Vor wem ?"Spinne sagte: "Vordem Kürbis! Keines der großen Tiere konnte mich vor ihm schützen. Sogar der Elefant ward von dem Winde, der vor ihm hergeht, zur Seite gedrückt. Der Kürbis verfolgt mich aber." Ullabella sagte: "Komm nur und setze dich unter meine Flügel. Vielleicht kann ich dich doch schützen."Spinne schlüpfte unter die Flügel Ullabellas.Nach einiger Zeit kam ein Windzug. Ullabella fragte: "Was ist das?"Spinne sagte: "Das ist der Windzug, der vor dem Kürbis herfegt." Ullabella sagte: "Halte dich nur fest!" — Der Kürbis kam rauschend und brausend und mit Gepolter durch die Luft. Der Kürbis wollte sich auf das Vögelchen Ullabella stürzen. Ullabella wich aber dem Kürbis im letzten Augenblick zur Seite aus. Der Kürbis schoß nun mit aller Gewalt herab. Da er nun aber nicht auf den weichen Vogel, sondern auf harte, spitze Steine aufschlug, so zertrümmerte er in tausend Stücke. Der Samen spritzte aber nach allen Seiten auseinander.
So kamen die Kalebassen (Kürbisse) und der Wind zu den Menschen dadurch, daß Spinne den Kürbis hatte haben wollen. Früher war aber der Wind in dem Kürbis.
15. Spinne und Chamäleons AckerDas Chamäleon (Kunato; Plural: Tinatote) richtete sich einen sehr großen Acker her. Aber das Chamäleon baute keinen Weg zu dem Acker, damit niemand ihn finde und von der Frucht stehle. Das Chamäleon ging also stets über das Gras zu dem Acker. Eines Tages aber ging Spinne durch das Gras und trat auf das Chamäleon. Spinne fragte: "Was machst du denn hier im Grase? Wo gehst du denn hin? Das Chamäleon wußte nichts anderes zu sagen und sagte daher: "Ich gehe zu meinem Acker."Spinne ging mit dem Chamäleon.
Als beide vor dem Acker standen, sagte Spinne: "Aber Chamäleon, das ist ja gar nicht dein Acker! Das ist ja mein Acker!" Chamäleon sagte: "Was? Das ist dein Acker?"Spinne sagte: "Ja natürlich ist das mein Acker!"Chamäleon sagte: "Den Acker habe
ich doch aber angelegt! Ich habe doch den Boden gereinigt! Ich habe die Erde gehackt. Ich habe mein Korn gesät! Das ist doch mein Acker!"Spinne sagte: "Das ist alles gelogen. Das ist mein Acker. Und wenn du es mir nicht glauben willst, so komm nur morgen früh wieder hierher, und ich will es dir beweisen."Spinne wandte sich um und ging weg. Chamäleon blieb an dem Acker stehen und sagte: "Natürlich, das ist mein Acker!"In der Nacht ging Spinne hin und machte einen Weg von seinem Gehöft zu dem Acker. Gegen Morgen nahm er allerhand Töpfe und Kochgerät, lud einen Teil selbst auf, gab einen Teil seinem Sohne zu tragen und brachte so alles auf den Acker Chamäleons. Er stellte es in eine Ecke, so daß es aussah, als ob hier schon lange Zeit hindurch alltäglich Essen bereitet worden wäre. Danach ging Spinne dem Chamäleon entgegen. Das Chamäleon sagte: "Du bist sehr früh auf meinem Acker." Spinne sagte: "Nein, es ist mein Acker." Chamäleon sagte: "Ich habe doch den Acker bestellt! Dann ist es doch mein Acker!" Spinne sagte: "Wenn du den Acker hergerichtet und bestellt hast, so zeige mir doch auch den Weg, auf dem du hin und her gegangen bist!" Chamäleon sagte: "Den Weg kann ich nicht zeigen, denn ich bin immer durch das Gras gegangen!" Spinne sagte: "So, so! Also deinen Weg kannst du nicht zeigen. Nun, so zeige mir doch die Stelle, an der du gekocht hast, an der du deine Nahrung bereitet hast, wenn du den Tag über auf dem Felde gearbeitet hast!" Chamäleon sagte: "Eine solche Stelle kann ich dir nicht zeigen, denn ich habe stets rohes Essen mit auf das Feld genommen und habe das Essen dann ungekocht während des Mittags gegessen!"Spinne sagte: "Daran kannst du zum zweiten sehen, wie du lügst, denn ich kann dir auf diesem Acker die Stelle zeigen, an der ich habe kochen lassen und an der ich gegessen habe. Ich will mich nun nicht länger mit dir herumstreiten, sondern werde meinen Acker einfach weiter bearbeiten, und wenn du etwas dagegen einzuwenden hast, so geh' zum Häuptling und fordere getrost deinen Acker zurück!" Damit ging Spinne auf das Feld und bearbeitete das Feld.
Das Chamäleon lief sogleich zum Häuptling und sagte: "Gaffara (d. i. ehrerbietiger Gruß)! Ich habe einen Acker angelegt und gesät; nun kommt Spinne und behauptet, es wäre sein Feld. Er hat mir das Feld fortgenommen." Der Häuptling sandte zu Spinne und ließ ihn kommen. Als beide da waren, sagte der Häuptling: "Wem von euch beiden gehört denn nun der Acker?" Chamäleon sagte:
"Der Acker gehört mir." Spinne sagte: "Der Acker gehört mir." Der Häuptling sagte: "Wer hat denn den Acker bestellt?" Chamäleon sagte: "Ich habe den Acker bestellt!"Spinne sagte: "Ich habe den Acker bestellt." Der Häuptling sagte: "Das ist mir unverständlich!" Spinne sagte: "Können wir nicht zu dem Acker gehen?" Der Häuptling sagte: "Ja, wir wollen zu dem Acker gehen."Der Häuptling mit seinen Leuten, Spinne und Chamäleon gingen zu dem Acker. Als sie an den Weg kamen, sagte Spinne: "Das ist der Weg, den ich zu dem Acker angelegt habe." Der Häuptling fragte das Chamäleon: "Ist das wahr, daß das der Weg ist, den Spinne angelegt hat?" Chamäleon sagte: "Ja, das ist wahr!" Der Häuptling sagte: "Wo ist denn der Weg, den du angelegt hast?" Chamäleon sagte: "Ich habe keinen Weg angelegt. Ich bin immer durch das Gras gegangen." Der Häuptling sagte: "Das ist ja sehr merkwürdig." Sie kamen auf den Acker. Spinne sagte: "Da ist die Stelle, an der ich immer mein Essen koche, wenn ich auf dem Felde tagsüber arbeite!" Der Häuptling fragte das Chamäleon: "Wo ist denn deine Eßstelle ?" Das Chamäleon sagte: "Ich esse nie Gekochtes auf dem Felde. Ich nehme mein rohes Essen mit und esse es ungekocht so nebenbei." Der Häuptling sagte: "Spinne hat einen Weg zu dem Acker angelegt. Chamäleon kann keinen Weg zeigen. Spinne hat eine Stelle, an der er immer kocht und ißt. Chamäleon aber hat nichts Derartiges aufzuweisen. Der Acker gehört also Spinne und nicht dem Chamäleon!" Damit war der Rechtsstreit entschieden. Spinne nahm seinen Acker in Besitz.
Nach einiger Zeit bereitete Chamäleon sich ein schönes Kleid. Es bestand nur aus Jamsfasern. Auf die hatten sich allerlei bunte Fliegen gesetzt, so daß es in allerhand Farben schillerte. Als das Kleid fertig war, ging Chamäleon zum Häuptling und sagte: "Laß trommeln und alle Leute in den schönsten Kleidern zusammenkommen, damit man sehe, wer das schönste Kleid hat." Der Häuptling sagte: "Es ist gut; ich werde es tun." Es wurde getrommelt. Alle Leute kamen in ihren schönsten Kleidern zusammen. Endlich kam auch Chamäleon in seinem neuen Kleid aus Jamsfasern, auf denen die schimmernden Fliegen saßen. Als Chamäleon in diesem Kleide kam, wandten sich alle zu ihm und alle sagten: "Das ist das schönste Kleid. Das ist bei weitem das schönste Kleid."Die Leute gingen nach Hause. Jeder sagte daheim: "Das schönste Kleid war das, das Chamäleon hatte."
Spinne wollte das Kleid gerne haben, damit er sagen könne, er habe das schönste Kleid. Spinne ging zu Chamäleon und sagte: "Ich möchte das Kleid gerne kaufen. Was willst du dafür haben?" Chamäleon sagte: "Das Kleid ist mir nicht verkäuflich!"Spinne sagte: "Verkaufe es mir nur. Ich will dir viel dafür geben." Chamäleon sagte: "Gut, so komme morgen früh wieder; dann können wir darüber reden."
Am andern Morgen kam Spinne ganz früh zu Chamäleon und sagte: "Ich möchte nun das Kleid kaufen; was willst du dafür haben?" Chamäleon sagte: "Ich will das Kleid überhaupt nicht gegen Geld verkaufen. Wenn ich es weggebe, so gebe ich es nur gegen Korn." Spinne sagte: "Wieviel Korn willst du dafür haben?" Chamäleon sagte: "Ach, gar nicht so sehr viel: nur einen großen Topf voll. Der Topf, der dort in der Ecke steht. Er muß aber bis an den Rand gefüllt sein."Spinne sagte: "Es ist gut."Spinne ging. Chamäleon machte in den Topf boden ein Loch. Unter dem Topfe machte er eine tiefe Aushöhlung im Boden.
Nach einiger Zeit kam Spinne mit einer Last Korn, die er auf dem Acker Chamäleons geerntet hatte, und leerte sie in den Topf aus. Das Korn rann unten durch das Loch im Boden hinaus in die Aushöhlung in der Erde. Spinne lief zurück und schleppte eine zweite Last Korn herbei. Auch die verschwand im Topfe. Spinne brachte eine Last Korn nach der andern. Er schüttete alles in den Topf. Aber der Topf wollte nicht voll werden. Endlich war alles Sorghum von dem gestohlenen Acker abgeerntet und in den Topf geschüttet. Aber der Topf war noch nicht voll und Spinne mußte hingehen und noch Korn dazukaufen. Spinne verkaufte alles, was er besaß, für Korn und schüttete alles Korn in den Topf. Als Spinne nichts mehr besaß, war der Speichertopf gefüllt.
Chamäleon gab nun Spinne das Kleid. Chamäleon sagte dazu: "Nun merke dir aber: Wer das Kleid anhat, darf nicht scheißen. Vergiß es nicht."Spinne sagte: "Es ist gut." Dann lief Spinne zum Häuptling und sagte: "Nun trommle und laß alle Leute in ihren besten Kleidern zusammenkommen. Wir wollen sehen, wer das schönste Kleid hat." Der Häuptling sagte: "Es ist gut." Er ließ trommeln. Von allen Seiten kamen die Leute in den besten Kleidern zusammen. Endlich kam auch Spinne. Spinne hatte sich auf einen Ziegenbock gesetzt; der war sein Pferd. Auf seinen Rücken hatte er einen Topf gebunden. Das war der Sattel. Er hatte das Kleid Chamäleons angelegt.
Als Spinne angekommen war, stieg Spinne ab und ging stolz im Kreise umher. Alle Leute sagten: "Spinne hat das schönste Kleid." Spinne ließ sich erst unter den andern nieder. Nach einiger Zeit stand er aber auf, ging mit langen Schritten aus dem Kreise und hockte nebenan im Grase nieder, als wenn er sein Wasser abschlagen wollte. Er wollte aber gar nicht sein Wasser abschlagen, sondern er wollte sich nur zeigen. Dann ging er wieder in den Kreis zurück. — Nach einiger Zeit wiederholte er das noch einmal, damit ja alle Leute sein schönes Kleid sahen, und kehrte wieder an seinen Platz zurück. — Nach einiger Zeit wiederholte er es zum drittenmal. Infolge des langen, mühsamen Verhaltens (einer wirklichen Entleerung) und infolge der bockenden Stellung trat aber eine Entleerung nach hinten ein. Es entstand an der Stelle, wo Spinne hockte, ein fürchterlicher Gestank. Die Fliegen aber, die auf dem Jamsfasernrocke saßen, hoben infolge des Gestankes alle gemeinsam sogleich die Flügel und flogen von dannen. Alle Leute sahen nun, woraus das schillernde Kleid Spinnes bestand und daß Spinne nichts anderes anhatte als ein einfaches Jamsfaserkleid. Alle Leute lachten Spinne aus.
Auf solche Weise erhielt Chamäleon sein Korn wieder und hatte es nicht einmal selbst zu ernten brauchen. Spinne schämte sich darüber und daß er so ausgelacht worden war derart, daß er sich in eine Mauerritze verkroch. Und deshalb sitzen bis heute die Spinnen sehr gerne und vorzugsweise versteckt in Mauerritzen.
16. Spinne und ChamäleonSpinne (Nate) forderte das Chamäleon (Kinato; Plural: Kinatote) auf, mit ihm gemeinsam einen ihm befreundeten Häuptling zu besuchen. Das Chamäleon sagte: "Es ist mir recht; ich habe nichts anderes vor und komme sehr gerne mit." Sie machten sich beide auf den Weg. Als sie die Straße hinwanderten, sagte Spinne: "Wir wollen uns so verabreden, daß, wenn die Leute etwas für Tjamsi bringen, so ist es für dich bestimmt, und wenn sie etwas für Benentjambe bringen, so fällt es mir zu. Bist du damit einverstanden?" Das Chamäleon sagte: "Es ist mir ganz recht so, wie du eben bestimmt hast. So wird es dann schon recht sein, und so kann kein Streit entstehen."
Die beiden wanderten und kamen glücklich an. Sie wurden von dem Häuptling mit aller Freundlichkeit aufgenommen. Man
breitete ihnen sogleich eine Matte aus. Als sie sich niedergelassen hatten, brachte man Essen und Bier. Es war alles in großer Menge da. Jedesmal aber, wenn etwas kam, fragte Spinne: "Es ist doch wohl für Bene-ntjambe bestimmt?" Die Leute sagten dann: "Wir sollen es dir bringen." Dann fraß Spinne alles auf; dann soff Spinne alles aus. Es blieb nichts für das Chamäleon über. Das Chamäleon hatte, trotzdem reichlich für zwei gebracht war, nichts abbekommen und litt an Hunger und Durst.Das hungernde Chamäleon ging endlich heraus aus dem Gehöft, um zu sehen, ob es nicht draußen etwas zu essen finde. Es kam dahin, wo die Frauen den Jams in Mörsern zermalt hatten und wo noch Spritzer und kleine Flocken sowie andere Abfälle herumlagen und an den Wänden und den Geräten klebten. Das Chamäleon sammelte diese kleinen Abfälle, Spritzflocken und Reste auf, um nun damit den Hunger zu stillen. Inzwischen hatte der Häuptling, bei dem Spinne mit seinem Freunde, dem Chamäleon, zu Gaste war, einen Spaziergang durch die Felder gemacht. Er kam zurück und traf das Chamäleon, das gerade dabei war, den Boden des Stampftroges auszukratzen. Der Häuptling sah eine Weile aus der Entfernung zu, dann kam er näher und sagte: "Was soll denn das sein? Haben meine Frauen euch denn nicht genug zu essen gebracht, daß du dich hier mit Trogkratzen füttern mußt?" Das Chamäleon sagte: "Deine Frauen haben schon genug gebracht, aber Spinne hat mit mir verabredet, daß alles, was für Bene-ntjambe gebracht wird, von ihm - alles was für Tjamsi gebracht wird, von mir verzehrt werde. Nun fragt Spinne immer, ob es nicht für Benentjambe bestimmt sei; die Leute sagen dann ja, und er nimmt es für sich. So komme ich zu meinem Hunger." Der Häuptling sagte: "Es ist gut, daß ich es weiß! Nun gehe nur wieder hinein ins Gehöft!" Das Chamäleon ging hinein.
Der Häuptling ging hinein und gab seine Anordnungen. Er sagte zu seinen Frauen: "Macht sogleich noch einmal Brei und gute Soße und legt ein großes Stück Fleisch darauf. Das bringt mir dann zu den Freunden hinein. Wenn sie fragen, für wen es bestimmt sei, so sagt, es sei für Tjamsi!"Die Frauen machten sich sogleich daran. Sie bereiteten guten Brei und eine ausgezeichnete Soße, und oben auf das Gericht legten sie ein schönes Stück Fleisch. Sie brachten den Brei und die Soße und das Fleisch in das Haus, in dem Spinne und das Chamäleon waren. Spinne fragte sogleich: "Ist das für Bene-ntjambe?" Die Frauen sagten sogleich: "Nein, das ist für
Tjamsi bestimmt!" Darauf nahm das Chamäleon alles an sich und begann zu essen. Spinne saß böse in einer Ecke, während das Chamäleon alles zu sich nahm, den Brei, die gute Soße und das Fleisch. Das Chamäleon aß alles allein, und Spinne mußte zusehen.Spinne war darüber böse. Spinne ging zum Häuptling und sagte (übelgelaunt): "Ich will noch heute abend mit meinem Freunde zurückkehren!" Der Häuptling sagte: "So warte doch bis morgen früh. Bis morgen früh werde ich ein Geschenk für jeden von euch vorbereiten, das könnt ihr dann nehmen und damit könnt ihr gleich nach Hause gehen." Spinne sagte: "Dann will ich bis morgen früh bleiben." — Inzwischen band der Häuptling eine dünne Schnur an die Hörner einer großen Kuh und eine dicke an das Bein eines kleinen Ochsen. Mit den andern Enden der beiden Schnüre trat der Häuptling am andern Morgen bei den beiden Gästen ein. Er zeigte die beiden Schnurenden und sagte: "Am andern Ende jeder dieser beiden Schnüre ist ein Stück Rindvieh angebunden, die draußen im Hofe stehen. Es ist eine große Kuh und ein kleiner Ochse. Nun wähle jeder eine Schnur. Das daran angebundene Rindvieh gehört dann ihm." Die beiden Freunde sahen nur die Schnüre. Die Tiere selbst konnten sie nicht sehen. Spinne ergriff sogleich die starke Schnur, denn er dachte: "An der starken Schnur ist die große Kuh, an dem dünnen Strick der kleine Ochse angebunden." Spinne sagte: "Ich wähle das Tier, das an dieser Schnur angebunden ist." Der Häuptling sagte: "Es ist gut! Ganz nach deinem Willen."
Spinne ergiff die starke Schnur, ging hinaus und sah, daß an der starken Schnur der kleine Ochse und an der dünnen Schnur die große Kuh angebunden sei. Spinne sah, daß er hineingefallen sei. Spinne schrie sogleich: "Ach, ich habe plötzlich so starke Bauchkrämpfe! Ach, ich habe solche Schmerzen! Ach, ich kann noch nicht heimgehen!" Der Häuptling sagte: "Gut, so bleibe doch noch einen Tag hier!" Dann sagte der Häuptling zu seinen Leuten: "Bringt die Rinder wieder fort. Morgen früh führt sie wieder her." Die Leute brachten die Rinder fort. Spinne ging mit dem Chamäleon wieder in die Hütte.
In der Nacht wechselte der Häuptling die Schnüre um. Er band die starke Schnur an die Hörner der großen Kuh, die schwache an den Fuß des kleinen Ochsen. Am andern Morgen kam er mit den Schnurenden in die Hütte, in der Spinne und das Chamäleon waren. Er fragte Spinne: "Wie geht es dir heute?"Spinne sagte: "Es geht
mir wieder sehr gut. Ich bin gesund und kann heute heimkehren. Gib nur die Schnüre her, damit jeder sein Vieh auswählen und heimkehren kann! Der Häuptling reichte die Schnüre. Spinne griff sogleich nach der dünnen Schnur und überließ dem Chamäleon die dicke. Beide gingen, jeder mit seinem Schnurende in der Hand, hinaus. Der Häuptling ging mit ihnen. Draußen sah Spinne, daß heute der kleine Ochse an der dünnen Schnur angebunden war. Spinne sah, daß er wieder hereingefallen war. Spinne schrie sogleich: "O weh! Meine Bauchkrämpfe beginnen schon wieder! O weh! Was habe ich für Schmerzen! O weh! Ich kann heute nicht nach Hause gehen." Der Häuptling sagte aber: "Spinne, du wirst gehen! Du wirst deinen kleinen Ochsen und das Chamäleon wird seine große Kuh nehmen und dann werdet ihr sogleich in euer Dorf gehen." So mußte Spinne mit dem Chamäleon und mit dem kleinen Ochsen, der ihm gehörte, und der großen Kuh, die das Eigentum des Chamäleon war, von dannen gehen.Spinne und Chamäleon zogen den Weg hin. Spinne führte den kleinen Ochsen, das Chamäleon die große Kuh. Nach einiger Zeit empfand das Chamäleon ein Bedürfnis. Es sagte zu Spinne: "Halte doch eben einmal meine Kuh ein wenig; ich muß einmal austreten. Spinne sagte: "Das will ich gerne tun." Das Chamäleon ging beiseite. Spinne aber hielt am Wege Ochse und Kuh. Während nun das Chamäleon beiseite getreten war, ward seine Kuh plötzlich von den Wehen ergriffen und warf ein Kalb. Sogleich fing Spinne allen Mist, alles Blut und allen Unrat auf und warf alles seinem kleinen Ochsen an den Hintern und sagte zu dem zurückkehrenden Chamäleon: "Während du fort warst, hat mein Ochse ein Kalb geworfen." Das Chamäleon sagte: "Ei, das ist ja gut für dich!"
Als sie nahe am Dorfe und am Kreuzwege angekommen waren, an dem ihre Wege sich trennten, trieb jeder sein Viehstück nach seiner Seite. Das Kälbchen aber wollte mit der Kuh Chamäleons laufen. Da wurde Spinne böse. Er sagte zu dem Chamäleon: "Ich sehe, du hast dem Kalb eine Medizin gemacht, so daß es mit deiner Kuh laufen will, trotzdem es zu meinem Ochsen gehört." Spinne schlug auf das Chamäleon. Spinne gab dem Chamäleon Ohrfeigen. Das Chamäleon rief: "Töte mich nicht! Töte mich nicht! Binde doch nur das Kalb an, damit es nicht zu mir laufen kann. Ich will doch wirklich das Kalb nicht stehlen, da du sagst, dein Ochse habe es geworfen." Darauf band Spinne das Kalb an seinen
Ochsen und trieb es mit dem Ochsen zu sich. Das Chamäleon ging aber mit seiner Kuh heim.Eines Tages saß Spinne unter einem Baume. Spinne hörte oben im Baume etwas. Spinne sah empor. Spinne sah, daß oben im Baume das Chamäleon saß und Holz schlug. Spinne rief hinauf: "Wer ist da oben?" Das Chamäleon antwortete: "Ich bin es, dein Freund, das Chamäleon."Spinne sagte: "Und was machst du da oben?" Das Chamäleon sagte: "Ach, nichts weiter! Aber der Häuptling hat ein Kind geboren und da soll ich Holz schlagen." Spinne sagte: "Wer hat das Kind geboren, der Häuptling oder seine Frau?" Das Chamäleon sagte: "Nun, der Häuptling!" Spinne sagte: "Du lügst! Kinder werden von Frauen geboren, nicht von Männern." Das Chamäleon sagte: "Es ist doch nicht immer so, denn dein Ochse hat doch neulich auch geboren!"
Spinne sagte: "Du hast recht." Spinne gab dem Chamäleon das Kalb zurück. — Daraus haben alle Leute die Lehre gezogen, daß Freunde ehrlich teilen sollen.
17. Kinderraub (Bruchstück)Die Hyäne stahl eines Tages dem Spinne seine vier Kinder. Spinne begann nun umherzuziehen und zu suchen. Dann fand Spinne, wo die Kinder waren. Einmal waren nun alle Leute beim Zerlegen eines Elefanten vereinigt; Hyäne war auch da. Spinne bestieg den Körper des Elefanten und begann zu singen, daß die Hyäne seine Kinder gestohlen hätte. Die Hyäne schämte sich nun sehr. Sie gab Spinne so schnell als möglich seine Kinder zurück, damit sie nicht in den Ruf der Kinderräuberei komme.
Von der Hyäne aber haben die Kabre die Sitte gelernt, ihre Neffen zu verkaufen.
18. Spinne und VogelDer Vogel Kanaduge (im Tim Odu genannt, ein Stelzvogel mit mächtigem Schnabel und großen Ohrlöchern) forderte Nate (Spinne) auf, ihn mit zu dem Dorfe seiner demnächstigen Schwiegermutter zu geleiten, deren Tochter Kanaduge als Frau einzuholen gedachte. Spinne antwortete: "Da ist Unum (Plural: Inum; in Tim: Tschallia, Plural: Tjallesse, der Skorpion), das ist mein Freund. Ich habe mich mit ihm für die nächsten Tage verabredet,
und nun mag ich ihn nicht so plötzlich vernachlässigen." Kanaduge sagte: "Das ist doch aber ganz einfach! Da nehmen wir eben deinen Freund auch mit." Spinne sagte: "Sehr schön; so nimmst du ihn also unter deine Flügel?" Der Vogel Kanaduge sagte: "Das geht nicht; denn wenn ich ihn unter die Flügel nehmen und die Flügel zum Fliegen ausbreiten würde, so müßte er herunterfallen." Spinne sagte: "Das ist wahr! Nun, so nimm ihn doch in die Ohrlöcher." Kanaduge sagte: "Ja, siehst du, das kann ich sehr leicht machen." Darauf nahm Kanaduge den Skorpion in das Ohrloch.So reisten sie zusammen in das Dorf der Frau, deren Tochter Kanaduge heiraten wollte. In dem Dorfe wurden sie sogleich sehr freundlich empfangen. Es wurde ihnen ein großer Topf Bier noch am gleichen Abend herbeigebracht. Sie aßen. Sie schliefen. Am andern Morgen brachte man einen weiteren Topf, gefüllt mit gutem Bier. Sie tranken sich satt. Dann hatten sie Hunger. Man brachte Töpfe mit ausgezeichnetem Essen. Hühner waren geschlachtet und zum Brei eine ausgezeichnete Soße gegeben.
Kaum sah Spinne die Soße, so machte er sich eilends daran und schlürfte sie ohne viel Bedenken. Als die Soßenschale leer war, sagte er zu Kanaduge: "Geh hin, verlange von deiner Schwiegermutter mehr Soße. Es war viel zu wenig." Kanaduge sagte: "Wenn ich das tue, so wird womöglich die Frau, die ich heiraten möchte, böse, und ich könnte eine Unannehmlichkeit davon haben."Spinne sagte: "Wenn du nicht willst, so soll dich der Skorpion ein wenig in das Ohr stechen!" Kanaduge sagte: "Ich möchte wirklich nicht noch mehr erbitten, denn ich werde sicherlich Unannehmlichkeiten davon haben." Spinne sagte zum Skorpion: "Stich den Kanaduge in das Ohr!" Der Skorpion stach. Kanaduge schrie auf vor Schmerz und rief laut: "Meine Mutter, bringe schnell noch Soße!" Als die Frau das hörte, brachte sie wirklich noch eine Schüssel voll der ausgezeichneten Soße herbei. Kaum war die Frau fort, so setzte Spinne wieder die Schüssel an den Mund und schlürfte die Soße hinunter. Als er damit fertig war, sagte er zu Kanaduge: "Sage doch deiner Mutter, daß sie noch mehr Soße bringe: du siehst, es war nicht genug." Kanaduge sagte: "Aber Spinne, wie könnte ich das! Ich habe nun schon einmal von der Soße nachgefordert! Ich würde ja die allerschlimmsten Unannehmlichkeiten haben." Spinne sagte: "Das ist mir gleich! Du hast mich eingeladen, dich in das Dorf deiner künftigen Schwiegermutter zu begleiten, und nun mußt du mich natürlich auch so gut ernähren, wie ich es gewohnt bin."
Kanaduge sagte: "Es geht wirklich nicht. Ich werde noch um meine Frau kommen!" Spinne sagte: "Wenn du es nicht tust, so soll dich der Skorpion einmal gründlich stechen." Kanaduge sagte: "Es geht nicht." Spinne sagte zum Skorpion: "Nun stich einmal ordentlich!" Der Skorpion stach. Er stach mit aller Kraft. Der Vogel litt solchen Schmerz, daß er hinfiel. In seiner Angst rief der gequälte Kanaduge: "Mutter, Mutter, bring nur schnell noch von der Soße!"Als die Frau das hörte, ward sie über die Maßen zornig und sagte: "Ich habe diesem Kanaduge nun schon zweimal von der ausgezeichneten Soße gegeben. Das ist ja ein ganz Unersättlicher. Dem werde ich meine Tochter nicht zur Frau geben. Der stille und bescheidene Spinne sagt mir doch weit mehr zu." Die Frau warf den Vogel Kanaduge heraus. Ihre Tochter aber gab sie Spinne zur Frau.
Seitdem wohnt Spinne in den Häusern, während Kanaduge im Lande, im Busch, im Walde herumstreifen muß. Wo Kanaduge aber einen Skorpion sieht, da hackt und tötet er ihn, darum, daß er Spinne seinerzeit geholfen hat.
19. Spinne und HäuptlingstochterEin Obote (Häuptling; Plural: Bubotiw) hatte eine kleine Tochter, die hieß Anima. Als Anima herangewachsen war, war sie ein sehr hübsches Mädchen. Viele wollten Anima heiraten. Der Häuptling rief alle Leute zusammen und sagte zu ihnen: "Meine Tochter Anima ist reif zum Heiraten. Ich werde sie dem zum Manne geben, der mir das Krokodil (Upoanja; Plural: Ipoanja) lebendig fängt und hierher bringt." Viele Leute gaben darauf den Gedanken an Anima auf. Einige sannen darüber nach, wie das zu machen sei. Keiner aber wagte die Sache zu versuchen.
Auch Spinne (Nati; Plural: Natewe) hatte davon gehört und beschloß den Versuch, das Krokodil zu fangen. Spinne nahm einen Sack, ging an das Flußufer herunter, dahin, wo das Krokodil lag, und sagte: "Der Häuptling hat gesagt, wir sollten miteinander spielen." Das Krokodil sagte: "Es ist gut. Wir wollen miteinander spielen. Aber was wollen wir denn miteinander spielen?" Spinne sagte: "Hier habe ich einen Sack mitgebracht. Einmal kriecht der eine hinein und der andere macht zu; dann kriecht er wieder heraus und die Reihe hineinzukriechen kommt an den andern. Gefällt dir das?" Das Krokodil sagte: "Ja, das sagt mir zu. Wer
soll zuerst hineinkriechen?"Spinne sagte: "Mach du den Anfang." Das Krokodil sagte: "Gut!"Spinne hielt den Sack auf. Das Krokodil kroch hinein. Spinne machte den Sack zu. Nach einiger Zeit machte Spinne den Sack auf, das Krokodil schlüpfte heraus und Spinne hinein. Nachher wurde Spinne wieder herausgelassen und das Krokodil kam hinein. Diesmal band Spinne den Sack ganz fest zu, machte auch nicht wieder auf, sondern nahm ihn samt seinem Inhalt auf den Kopf und trug ihn von dannen.
Als Spinne den Sack mit dem Krokodil ein Stück weit getragen hatte, kam er an einer Stelle vorbei, da lag ein Mann auf den Knien und tastete mit den Händen umher. Der Mann war blind und suchte auf dem Boden. Spinne fragte: "Was machst du denn da?" Der blinde Mann antwortete: "Der Obote hat gesagt, er wolle seine Tochter Anima dem zum Manne geben, der ihm ein lebendes Krokodil bringe. Nun suche ich hier ein Krokodil!" Spinne hatte den Sack auf die Erde gelegt. Spinne sagte zu dem blinden Manne: "Du suchst vergebens; ich habe schon ein Krokodil." Als Spinne das gesagt hatte, stürzte der blinde Mann unversehens auf den Sack, in dem das Krokodil war, und riß ihn an sich. Spinne sagte: "Was willst du? Das ist mein Krokodil!" Der blinde Mann sagte: "Das ist mir gleich, was du sagst. Jetzt ist es mein Krokodil." Spinne sagte: "Ich habe das Krokodil gefangen. Deshalb will ich jetzt Anima dafür haben." Der blinde Mann sagte: "Wolle, was du willst. Ich werde mir jetzt Anima holen."
Der blinde Mann nahm den Sack, in dem das Krokodil war, ging zu dem Obote und sagte: "Du wolltest deine Tochter Anima dem zur Frau geben, der dir ein lebendiges Krokodil bringe. Hier ist es." Darauf erhielt der blinde Mann Anima zur Frau.
Spinne überlegte, wie er sich an dem Häuptling dafür rächen könne, daß er ihm nicht seine Tochter Anima zur Frau gegeben habe. Endlich ging Spinne in den Wald und holte dort flüssigen Gummi (Tekanquinn). Den goß Spinne auf den Stuhl des Häuptlings.
Als der Häuptling nun darauf Platz nahm, drang der Saft in seinen Hintern und verschloß dessen Öffnung. Diese war verklebt. Der Häuptling war krank. Er konnte essen, so viel er wollte, er vermochte sich nicht zu entleeren. Er aß und aß, ward dicker und dicker und wurde zuletzt über die Maßen elend.
In seiner Not rief der Obote alle Leute zusammen und sagte: "Ich
bin sehr krank! Wer von euch guten Leuten kann mir helfen?" Von allen Seiten kamen die Leute an und ließen sich die Krankheit erklären. Sie versuchten dies und jenes Medikament. Aber nichts half; keiner konnte helfen. Jeder ging unverrichteter Sache wieder von dannen. Endlich sagte einer: "Wenn da einer helfen kann, so ist es nur Spinne."Der Obote ließ zu Spinne senden; der Bote kam zu Spinne und sagte: "Der Obote ist krank. Er läßt dich fragen, ob du helfen kannst?" Spinne sagte: "Was fehlt denn dem Obote?" Der Bote sagte: "Er ißt, aber er kann nicht scheißen. Alles bleibt in ihm." Spinne sagte: "Ich werde kommen." Spinne ging zu Obote. Er betrachtete den Obote. Der Obote sagte: "Kannst du mir helfen?" Spinne sagte: "Ja, ich kann dir helfen; es ist eine sehr einfache Sache. Nur brauche ich die Zunge jenes Blinden dazu. Gebt mir die Zunge jenes Blinden, dem Obote seine Tochter Anima zur Frau gegeben hat, und ich werde den Obote sogleich heilen."
Die Leute sagten zu dem Blinden: "Spinne braucht deine Zunge, um die Krankheit des Obote zu heilen." Der Blinde sagte: "Brauchst du sie trocken oder naß?" Spinne sagte: "Ich brauche sie naß." Dann schnitten die Leute dem Blinden die Zunge heraus. Spinne nahm die Zunge, spießte sie auf ein spitzes, längeres Stäbchen und bohrte dann die Spitze dieses Stäbchens dem Obote in sein Arschloch. Durch diesen Stoß ward der Gummi beiseite gedrückt. Die Folge davon war, daß Obote wieder scheißen konnte. — Darauf nahm der Obote dem Blinden seine Tochter Anima fort und gab sie Spinne zur Frau.
Seitdem läßt man die Spinnen im Haus und tötet sie nicht, denn sie bringen gute Medizin.
20. Spinne und die KlugheitDie Leute saßen da. Unter den Leuten war kein Kluger. Spinne ging umher und fragte: "Wer von euch ist klug?" Die Leute sagten: "Keiner von uns ist klug." Spinne fragte alle Leute: "Ist denn kein Kluger unter euch ?" Alle Leute sagten: "Es ist kein Kluger auf der Erde."
Darauf machte Spinne sich auf den Weg und stieg zu Unumbotte (Gott) hinauf. Spinne ging zu Unumbotte und sagte: "Unumbotte, es ist kein Kluger da. Mache mich klug, damit wenigstens einer da ist, der klug ist." Unumbotte sagte: "Ich will es tun." Unumbotte
machte Spinne klug. Unumbotte füllte nämlich die Klugheit in einen Flaschenkürbis und gab Spinne diesen Flaschenkürbis. Spinne nahm den Kürbis mit der Klugheit und kehrte zurück.Darauf ging Spinne mit dem Flaschenkürbis, der die Klugheit enthielt, umher und fragte alle Leute: "Wer ist klug?"Alle Leute sagten: "Wir sind alle nicht klug." Spinne sagte: "Ich habe jetzt aber viel Klugheit." Und Spinne hing die Kalebasse, die die Klugheit enthielt, an einer Schnur um den Hals, so daß der Kürbis ihm auf die Brust hing.
So wollte Spinne nun auf einen Baum klettern. Er wollte den Kürbis mit der Klugheit oben zwischen den Blättern verstecken, damit niemand sie ihm stehlen könne. Er kam aber nicht sehr weit, weil die auf der Brust hängende Kalebasse ihn hinderte. Es kam eine Taube (Unandjira; Plural: Inangille) vorbeigeflogen. Die Taube sagte: "Was machst du da?" Spinne sagte: "Ich wollte mit der Kalebasse auf den Baum klettern. Es geht aber nicht, denn sie hindert mich zu sehr." Die Taube sagte: "Das ist doch aber sehr einfach. Du mußt den Kürbis nicht auf die Brust, sondern auf den Rücken hängen!"
Spinne sagte (zu sich): "Jetzt bin ich bei Unumbotte gewesen, um die Klugheit zu holen, und nun muß ich erleben, daß die Taube klüger ist als ich!" Spinne sagte zu der Taube: "Wo hast du die Klugheit her?" Die Taube sagte: "Die Klugheit habe ich von mir selbst." Darauf kam Spinne wieder herunter. Er zerwarf die Kalebasse. Alle Klugheit kam heraus und verteilte sich unter den Leuten. —Seitdem sind die Leute klug*.
21. Spinne und die Gestirne**Der (oder ein) Häuptling versammelte einmal alle seine Leute. Er legte acht Hackeneisen hin und fragte: "Wer von euch kann etwas Ordentliches und das, was ich meine, daraus machen?"Alle Leute sahen sich an. Jeder dachte darüber nach. Einer nach dem andern sagte: "Ich kann es nicht sagen."Alle sagten: "Wir können
Danach hüllte Spinne sich in das Kleid eines Vogels und flog auf ein hohes Dach. Die Kinder sahen ihn und schrien: "Seht den Vogel! Was ist das für ein Vogel?" Die Alten sahen den Vogel. Sie sagten: "Was ist das? Seht den Vogel! Was ist das für ein Vogel?" Der Häuptling sah den Vogel. Er sagte: "Seht! Was ist das für ein Vogel? Seht den Vogel! Was ist das für ein Vogel ?" Niemand kannte den Vogel. Einige Leute sagten: "Wir kennen den Vogel alle nicht. Wenn ihn jemand kennt, so ist es Spinne. Spinne kennt alles!" Man suchte Spinne. Man fand Spinne nicht. Der Häuptling sagte: "Spinne ist nicht da; ich weiß es, denn ich habe ihn fortgesandt, die Sonne und den Mond machen zu lassen."
Der Vogel auf dem Baume oben sagte darauf: "So will ich es euch denn sagen: Ich bin es selbst. Ich bin Spinne. Ich dachte, der Häuptling wolle mich mit seinem Auftrage nur anführen. Jetzt will ich aber machen, daß ich fortkomme und meinen Auftrag ausführe."
Spinne flog fort. Spinne legte das Vogelkleid ab. Dann langte Spinne aus dem Versteck die acht Hackeneisen hervor und begab sich auf die Wanderung zu Unumbotte (Gott). Als Spinne mit den acht Hackeneisen zu Unumbotte kam, sagte er: "Ich habe den Auftrag, aus diesen acht Hackeneisen Sonne und Mond schmieden zu lassen. Ein anderer kann es nicht. Willst du es aber tun?" Unumbotte sagte: "Zeig' die acht Hackeneisen her." Spinne gab sie hin. Unumbotte begann die Arbeit. Unumbotte fertigte aus den acht Hackeneisen Sonne und Mond. Er gab sie dann Spinne.
Spinne nahm Sonne und Mond, um sie zur Erde zu tragen. Sonne und Mond waren aber heiß. Spinnes Finger konnten die Hitze nicht lange aushalten. Spinne lief ein Stückchen, dann legte er Sonne und Mond ein wenig hin und wartete, bis die Finger sich ein wenig abgekühlt hatten. Sobald er es vermochte, nahm er Sonne und Mond wieder auf und lief damit ein Stück weiter, bis die Finger wieder zu schmerzen begannen. Da er also immer von Zeit zu Zeit anhalten mußte, kam er nicht schnell von der Stelle.
Endlich kam Spinne mit der Sonne und dem Mond auf der Erde an. Er warf den Mond zunächst in das Wasser. Da kühlte er ab. Die Sonne warf er auf die Erde, da ging sie unter. Der Mond aber
ging auf. Nachher warf er die Sonne an den Himmel (?).Wie es aber zu heiß war, lief er in das Haus. Seitdem gehen Sonne und Mond regelmäßig auf und unter. Mittags ist die Sonne heiß. Spinne aber ist seitdem in den Häusern.22. Sonne, Mond, Kälte, WärmeDer Ziegenbock (Ungudja; Plural: Ingodja) kam mit Eisen zum Schmiede und sagte zu ihm: "Mach' mir doch Sonne (Unguje), Mond (Ungmala), Kälte (Tuol) und Wärme (Kuntentung)." Der Schmied sagte: "Ich will es tun." Der Ziegenbock ging von dannen. Am andern Tage kam die Hyäne (Usaquan; Plural: Isaquan), brachte Eisen und sagte zum Schmiede: "Mach' mir doch Sonne, Mond, Kälte und Wärme."Der Schmied sagte: "Ich will es tun." Die Hyäne ging von dannen.
Der Schmied überlegte. Er wußte nun nicht, was er tun und wem er die Arbeit machen sollte. Und weil er sich nicht entscheiden konnte, wem er die Sache zuerst machen sollte, tat er zunächst gar nichts. Nach einigen Tagen kam der Ziegenbock wieder zum Schmiede und sagte: "Ich möchte gerne sehen, wieweit du mit der Arbeit bist." Der Schmied sagte: "Ich habe noch gar nichts gemacht, denn außer dir war noch die Hyäne da und hat bei mir die gleiche Arbeit bestellt, und nun weiß ich nicht, wen ich zuerst befriedigen soll." Der Ziegenbock sagte: "Ich kenne die Hyäne nicht; ist die groß oder klein?" Der Schmied sagte: "Die Hyäne ist so groß wie du." Der Ziegenbock fragte: "Und wann kommt die Hyäne wieder?" Der Schmied sagte: "Morgen kommt die Hyäne wieder." Der Ziegenbock sagte: "Es ist gut." Der Ziegenbock ging heim.
Am andern Tage rief der Bock seine Frau und sagte: "Du wirst heute mein Pferd sein." Er bestieg sie. Der Ziegenbock rief seinen Sohn. Sein Sohn mußte nebenherlaufen. Er blies das Horn und rief: "Agua kanite fau (entspricht dem "uaderma!" im Tim und ist eine Anrede, Aufruf beim Singen). Gestern hast du am Berge fünf Hyänen getötet. Heute ist beim Schmied eine Hyäne. Töte sie, damit es ihrer sechs sind, die dir erlagen!" In solchem Aufzuge und unter solchem Gerufe kam der Ziegenbock den Weg zum Schmiede her. Der Sohn des Ziegenbockes blies und sang.
Die Hyäne war zum Schmiede gekommen. Sie stand in der Schmiede und sah der Arbeit des Schmiedes zu. Vom Berge her
kam der Zug des Ziegenbockes. Die Hyäne glaubte etwas zu hören. Sie sagte zum Schmiede: "Schmied, unterlaß einmal das (geräuschvolle) Blasebalgstoßen. Es bläst und ruft jemand meinen Namen." Der Schmied sagte: "Ach was! Ich höre nichts! Weshalb soll ich meine Arbeit unterbrechen!" Der Schmied stieß weiter den Blasebalg. Nach einiger Zeit aber sagte die Hyäne abermals: "Schmied, unterlaß das Blasebalgstoßen. Es ruft jemand meinen Namen. Ich höre es ganz deutlich!"Der Schmied ließ von der Arbeit. Sie hörten, wie der junge Ziegenbock sang: "Agua kanite fau! Gestern hast du am Berge fünf Hyänen getötet. Heute ist beim Schmied eine Hyäne! Töte sie, damit es ihrer sechs sind, die dir erlagen!" Die Hyäne hörte es. Sie erschrak. Sie sagte zum Schmiede: "Verstecke mich! Das ist ein Feind, der mich töten will!" Der Schmied sagte: "So krieche in meinen Fellsack (Schultersack) !" Die Hyäne kroch in den Fellsack des Schmiedes. Draußen stieg der Ziegenbock von seinem Pferde.
Der Ziegenbock trat in die Hütte des Schmiedes. Der Ziegenbock sagte zum Schmiede: "Wo ist die Hyäne ?"Der Schmied sagte: "Die Hyäne ist fort." Der Ziegenbock sagte: "Schmied, gib mir etwas Schnupftabak!" Der Schmied sagte: "Ich habe zur Zeit keinen Schnupftabak!" Der Ziegenbock sagte: "So leihe mir vier Kaurimuscheln, damit ich meinen Sohn damit fortsenden kann, mir Schnupftabak zu kaufen." Der Schmied sagte: "Ich habe zur Zeit keine Kaurimuscheln!" Der Ziegenbock sagte: "Ach! Ihr Schmiede verdient so viel, daß doch sicherlich Kauris in jeder Schmiedehütte sind!" Der Schmied sagte: "Es sind keine in meiner Hütte." Der Ziegenbock sagte: "Sieh, da liegt ein dick gefüllter Fellsack. Da sollten doch Kauri darin sein!" Der Schmied sagte: "Nein, es sind keine Kauri darin!"
Der Ziegenbock sagte: "Nun, so sieh nur einmal in dem Fellsack nach, ob nicht die paar Kauri darin sind!" Der Schmied nahm zuletzt den Fellsack ein wenig empor und griff mit der Hand hinein. Da sprang die geängstigte Hyäne heraus, warf im Vorbeieilen den Schmied um, stürzte zur Tür und raste ins Freie. Der Ziegenbock aber rief hinter ihr her: "Lauf' in die Berge! In den Bergen habe ich gestern fünf Hyänen getötet; lauf' auch dahin, damit ich dich als sechste dort treffe!" Die Hyäne lief, so schnell sie konnte, von dannen.
Danach stellte der Schmied für den Ziegenbock Sonne, Mond,
Wärme und Kälte her. Aber die Ziege und Hyäne, die vordem gute Freunde waren und miteinander aßen, sind seitdem Todfeinde, und die Hyäne lebt seitdem im Busch und nicht mehr im Dorfe.23. Ziegenbock und SchafbockGott stellte den Menschen auf die Erde. Der Mensch baute sich ein Haus. Gott stellte die Ziegen auf die Erde. Es wurden bald viele. Sie hatten ihre Wohnung. Gott stellte die Schafe auf die Erde. Es wurden bald viele. Sie hatten ihre Wohnung. Gott stellte die Leoparden, die Hyänen, die Löwen auf die Erde und jeder hatte seine eigene Wohnung. Die wilden Tiere aber fraßen alle Abende Ziegen und Schafe.
Eines Tages kam der Ziegenbock zum Schafbock und sagte: "Was sollen wir machen? Jeden Tag rauben die wilden Tiere einen oder mehrere von uns! Was sollen wir dagegen machen?" Der Schafbock sagte: "Dagegen können wir nichts machen. Man soll das gehen lassen, wie es geht. Wenn wir etwas dagegen tun, geht es uns womöglich noch viel schlechter." Der Ziegenbock sagte: "Doch, wir wollen etwas dagegen tun. Ich werde gegen die wilden Tiere in den Krieg ziehen!" Der Schafbock sagte: "Aber was denkst du! Die wilden Tiere sind ja viel zu stark!" Der Ziegenbock sagte: "Das ist mir ganz gleich! Ich werde genau nach meinem Kopf machen. Und wenn ich allein Krieg führen muß, so werde ich es eben ganz allein tun. Du wirst aber sehen, daß es mir gelingt." Der Schafbock sagte: "Sei vorsichtig! Es wird dir schlecht dabei gehen." Der Ziegenbock sagte: "Ich werde es genau so machen, wie ich denke." Der Schafbock ging und ließ den Ziegenbock allein.
Der Ziegenbock sagte zu seiner Frau: "Mach' bis morgen früh schöne frische Kuchen!" Dann holte der Ziegenbock ein langes Haussaschwert mit einem schönen dicken Bandelier. Von dem Menschen lieh er sich getrocknete Felle vom Leoparden, von der Hyäne, vom Löwen. Zwischendurch flocht er sich eine Tasche. Abends spät sagte er zu seiner Frau: "Halte dich mit deiner Last morgen früh bereit. Wir werden ein gutes Stück weit gehen." Die Frau packte abends schon alle Sachen zusammen und zog das Netz darüber.
Am andern Morgen früh ging der Ziegenbock den Weg auf das Gehöft des Leoparden zu. Seine Frau ging mit der Last auf dem
Kopfe hinter ihm her, die, oben aufgepackt, die Kuchen enthielt. Sie kamen ganz dicht zu des Leoparden Haus. Der Leopard lag gerade im Hintergrunde des Hauses auf seinem Lager. Die Leopardin aber schaute die Straße entlang. Die Leopardin rief: "Mann! Da kommen die Ziegen an, die wir immer essen; sie gehen gerade auf uns zu." Der Leopard sagte: "Das ist ja gar nicht möglich. So dumm sind die Ziegen nicht!" Die Leopardin sah noch einmal scharf hin und rief dann: "Doch! Es sind die Ziegen." Der Leopard erhob sich und sagte: "Das sind nicht die, die wir immer essen, das sind andere. Die wir essen, die schreien und laufen fort. Die hier kommen aber ganz unbekümmert auf uns zu. Geh' hin und bring' dem Bock eine Schale Wasser!" (Wasserbringen ist eine übliche Begrüßungsform dem durstigen Wanderer gegenüber.)Die Leopardin holte eine Schale mit Wasser, um sie dem Ziegenbock entgegenzubringen. Der Leopard versteckte sich hinter der Tür und schaute (gespannt) zu. Die Leopardin ging dem Ziegenbock mit der Schale voll Wasser entgegen. Sie kniete vor dem Ziegenbock nieder. Derweilen setzte die Ziege ihre Last zu Boden. Der Ziegenbock sah die Leopardin grimmig an und sagte grob: "Habe ich vielleicht schon gegessen! ?" Er gab der Schale mit Wasser einen Tritt, daß sie umschlug. Der Ziegenbock sagte: "Ich habe die Gewohnheit, immer erst zu trinken, nachdem ich meine übliche Leopardenleber gegessen habe. Ich nähre mich am liebsten mit Leopardenleber. Frau, gib mir aus deinem Korbe von der Leber zu essen. Ich hoffe, daß die von gestern noch gut ist, sonst kann ich ja auch aus diesem Leoparden die Leber herausschneiden!"
Frau Ziege nahm oben von ihrer Last einen Kuchen, kniete nieder und reichte ihn dem Ziegenbock. Der Ziegenbock nahm, biß ab, spie aber das Abgebissene sogleich wieder aus und rief: "Pfui, das ist ja trocken geworden! Ich werde mir eine frische Leber herausschneiden." Er griff an sein Haussaschwert, er zog das Haussaschwert aus der Scheide und schlug gegen den Sack und die trockenen Felle, so daß es knallte. Als die Leopardin und der hinter der Tür versteckte Leopard das sahen und hörten, ergriff sie die Furcht und sie liefen mit ihren Jungen von dannen, so schnell sie konnten. Der Ziegenbock aber zündetete das Haus hinter ihnen an und sagte: "Da sieht man, was ein Ziegenbock kann!"
Der Ziegenbock sagte zu seiner Frau: "Packe deine Last zusammen. Wir wollen weitergehen." Die Ziege packte ihre Sachen zusammen und nahm die Last auf den Kopf. Der Bock ging voran
auf der Spur des Leoparden. Die Ziege folgte ihm. Sie gingen auf das Haus der Hyäne zu.Hyäne lag gerade im Hintergrunde seines Hauses auf seinem Lager. Die Hyänin aber schaute die Straße entlang. Die Hyänin rief: "Mann, da kommen die Ziegen, die wir immer essen, an; sie gehen gerade auf uns zu." Hyäne sagte: "Das ist ja gar nicht möglich. So dumm sind die Ziegen nicht." Die Hyänin sah noch einmal scharf hin und rief dann: "Doch! Es sind die Ziegen." Hyäne erhob sich und sagte: "Das sind nicht die, die wir immer essen, das sind andere. Die wir immer essen, die schreien und laufen fort. Die hier kommen aber ganz unbekümmert auf uns zu. Geh' hin und bring' dem Bock eine Schale Wasser!"
Die Hyänin holte eine Schale mit Wasser, um sie dem Ziegenbock entgegenzubringen. Hyäne versteckte sich hinter der Tür und schaute (gespannt) zu. Die Hyäne ging dem Ziegenbock mit der Schale voll Wasser entgegen. Sie kniete vor dem Ziegenbock nieder. Derweilen setzte die Ziege ihre Last zu Boden. Der Ziegenbock sah die Hyänin grimmig an und sagte grob: "Habe ich vielleicht schon gegessen! ?" Er gab der Schale mit Wasser einen Tritt, daß sie umschlug. Der Ziegenbock sagte: "Ich habe die Gewohnheit, immer erst zu trinken, nachdem ich meine übliche Hyänenleber gegessen habe. Ich nähre mich am liebsten von Hyänenleber. Frau, gib mir aus deinem Korbe von der Leber zu essen. Ich hoffe, daß die von gestern noch gut ist, sonst kann ich ja auch aus dieser Hyäne die Leber herausschneiden!"
Frau Ziege nahm von oben von ihrer Last einen Kuchen, kniete nieder und reichte ihn dem Ziegenböcke. Der Ziegenbock nahm, biß ab, spie aber das Abgebissene sogleich wieder aus und rief: "Pfui, das ist ja trocken geworden! Ich werde mir eine frische Leber herausschneiden." Er griff an sein Haussaschwert. Er zog das Haussaschwert aus der Scheide und schlug gegen den Sack und die trockenen Felle, so daß es knallte. Als die Hyänin und der hinter der Tür versteckte Hyäne das sahen und hörten, ergriff sie Furcht und sie liefen mit ihren Jungen von dannen, so schnell sie konnten. Der Ziegenbock aber zündete das Haus hinter ihnen an und sagte: "Da sieht man, was ein Ziegenbock kann!"
Der Ziegenbock sagte zu seiner Frau: "Pack' deine Last zusammen. Wir wollen weitergehen." Die Ziege packte ihre Sachen zusammen und nahm die Last auf den Kopf. Der Bock ging voran auf der Spur der Hyänen. Die Ziege folgte ihm. Sie gingen auf
das Haus des Löwen zu. Der Löwe lag gerade im Hintergrunde seines Hauses auf seinem Lager. Die Löwin aber schaute die Straße entlang. Die Löwin rief: "Mann! Da kommen die Ziegen an, die wir immer essen; sie gehen gerade auf uns zu." Der Löwe sagte: "Das ist ja gar nicht möglich. So dumm sind die Ziegen nicht!" Die Löwin sah noch einmal scharf hin und rief dann: "Doch! Es sind die Ziegen."Der Löwe erhob sich und sagte: "Das sind nicht die, die wir immer essen, das sind andere. Die wir essen, die schreien und laufen fort. Die hier kommen aber ganz unbekümmert auf uns zu. Geh' hin und bring' dem Bock eine Schale Wasser!"Die Löwin holte eine Schale mit Wasser, um sie dem Ziegenbock entgegenzubringen. Der Löwe versteckte sich hinter der Tür und schaute (gespannt) zu. Die Löwin ging dem Ziegenbock mit der Schale Wasser entgegen. Sie kniete vor dem Ziegenbock nieder. Derweilen setzte die Ziege ihre Last zu Boden. Der Ziegenbock sah die Löwin grimmig an und sagte grob: "Habe ich vielleicht schon gegessen! ?" Er gab der Schale mit Wasser einen Tritt, daß sie umschlug. Der Ziegenbock sagte: "Ich habe die Gewohnheit, immer erst zu trinken, nachdem ich meine übliche Löwenleber gegessen habe. Ich nähre mich am liebsten mit Löwenleber. Frau, gib mir aus deinem Korbe von der Leber zu essen. Ich hoffe, daß die von gestern noch gut ist, sonst kann ich auch aus diesem Löwen die Leber herausschneiden!"
Frau Ziege nahm oben von ihrer Last einen Kuchen, kniete nieder und reichte ihn den Ziegenbock. Der Ziegenbock nahm, biß ab, spie aber das Abgebissene sogleich wieder aus und rief: "Pfui, das ist ja trocken geworden! Ich werde mir eine frische Leber herausschneiden." Er griff an sein Haussaschwert. Er zog das Haussaschwert aus der Scheide und schlug gegen den Sack und die trockenen Felle, so daß es knallte. Als die Löwin und der hinter der Tür versteckte Löwe das sahen und hörten, ergriff sie Furcht und sie liefen mit ihren Jungen von dannen, so schnell sie konnten. Der Ziegenbock aber zündete das Haus hinter ihnen an und sagte: "Da sieht man, was ein Ziegenbock kann!"
Der Ziegenbock sagte zu seiner Frau: "Pack' deine Last zusammen. Wir wollen heimgehen." Die Ziege packte ihre Sachen zusammen und nahm die Last auf den Kopf. Der Bock ging voran auf dem Wege nach seinem Gehöft. Als der Ziegenbock heimkam, veranstalteten alle Ziegen und Schafe ein Fest und sangen dem Ziegenbock ein (Ruhmes-) Lied. Der Schafbock ging zum Ziegenbock
und fragte ihn: "Erzähle mir, wie du es gemacht hast, daß du die Leoparden, Hyänen und Löwen vertrieben hast." Der Ziegenbock sagte: "Es war sehr einfach." Der Ziegenbock erzählte es (der Erzähler wiederholt wörtlich). Der Schafbock sagte: "Das ist ja sehr einfach, das kann ich auch."Der Schafbock sagte zu seiner Frau: "Mach' bis morgen früh schöne frische Kuchen." Dann holte der Schafbock ein langes Haussaschwert mit einem schönen, dicken Bandelier. Von den Menschen lieh er sich getrocknete Felle von Leoparden, von der Hyäne, vom Löwen. Zwischendurch flocht er sich eine Tasche. Abends spät sagte er zu seiner Frau: "Halte dich mit deiner Last morgen früh bereit. Wir werden ein gutes Stück weit gehen." Die Frau packte abends schon ihre Last zusammen und zog das Netz darüber.
Am andern Morgen früh ging der Schafbock den Weg auf das Gehöft des Leoparden zu. Seine Frau ging mit der Last auf dem Kopfe, auf der oben die Kuchen aufgepackt waren, hinter ihm her; sie kamen ganz dicht zu des Leoparden Haus. Der Leopard war mit der Leopardin und den Jungen zurückgekehrt und hatte sein Haus, das der Ziegenbock niedergebrannt hatte, wieder aufgebaut. Als der Schafbock mit seiner Frau näher kam, lag der Leopard gerade im Hintergrunde seines Hauses auf seinem Lager. Die Leopardin aber schaute die Straße entlang.
Die Leopardin rief: "Mann, da kommen die Schafe, die wir immer essen; sie gehen gerade auf uns zu." Der Leopard sagte: "Sie werden es ebenso machen wollen wie die Ziegen. Wir müssen also wohl auf unserer Hut sein, damit sie uns nicht erwischen." Die Leopardin sagte: "Ja, der Schafbock hat auch ein Schwert und tritt stark auf den Boden." Der Leopard sagte: "So gehe ihm mit einer Schale Wasser entgegen."
Die Leopardin holte eine Schale mit Wasser, um sie dem Schafbock entgegenzubringen. Der Leopard versteckte sich hinter der Tür und schaute zu. Die Leopardin ging dem Schafbock mit der Schale voll Wasser entgegen. Sie kniete vor dem Schafbock nieder. Derweilen setzte die Frau des Schafbocks ihre Last zu Boden. Der Schafbock sah die Leopardin grimmig an und sagte: "Hab' ich vielleicht schon gegessen?!" Der Schafbock gab der Schale mit Wasser aber nicht wie der Ziegenbock einen Tritt, sondern er sagte: "Setze zunächst die Schale mit Wasser zur Seite, damit ich erst esse. Erst esse ich, dann erst trinke ich. Ich habe die Gewohnheit, des Morgens eine Leopardenleber zu verzehren. Leopardenleber ist meine
liebste Speise. Frau, gib mir mal aus dem Korbe von der Leber. Ich hoffe, daß wir noch davon haben und daß sie noch gut ist; sonst müssen wir den Leoparden bitten, uns eine andere zu besorgen."Die Frau des Schaf bocks nahm oben von ihrer Last einen Kuchen, kniete nieder und reichte ihn dem Schafbock. Der Schafbock nahm, biß ab, spie aber das Abgebissene nicht wieder aus wie der Ziegenbock, sondern kaute es, schluckte es hinter und sagte: "Ach, das schmeckt gut!" Der Leopard hinter der Tür gab wohl acht. Als der Schafbock sich niederbeugte, um noch einmal abzubeißen, sprang er ihm in den Nacken und biß ihn tot. Die Leopardin aber sprang auf die Frau des Schafbocks und tötete sie.
Seitdem ist es so geblieben. Leoparden, Hyänen und Löwen rauben Ziegen und Schafe. Was der Ziegenbock erreicht hat, hat der Schafbock wieder verdorben. Aber wenn Leopard, Hyäne oder Löwe Ziegen überfallen, so schreien die Ziegen. Überfallen sie Schafe, so gibt es kein Geräusch, denn Schafe lassen sich lautlos niederschlagen und wehren sich niemals gegen die Räuber.
24. Der Krieg der TiereEin Hahn kam zu einer Frau. Er sagte: "Ich möchte dich heiraten. Willst du mit mir kommen?" Die Frau sagte: "Ich bin wohl bereit." Die Frau sprach mit dem Hahn. Beide hörten draußen den Elefanten kommen. Die Frau sagte zum Hahn: "Schlüpfe schnell in einen Korb. So bist du gut geborgen und der Elefant tut dir nichts." Der Hahn schlüpfte in den Korb. Der Elefant kam herein. Der Elefant sagte zu der Frau: "Ich möchte dich heiraten. Willst du mit mir kommen?" In dem Augenblick flatterte der Hahn im Korbe. Der Elefant sagte: "Was ist das?" Die Frau sagte: "Das ist der Wind, der vor dem Hahne herfährt, wenn er kommt!" Der Elefant sagte: "Nun, das macht nichts, ich fürchte mich nicht vor dem Wind des Hahnes." Der Elefant wollte bleiben. Aber der Hahn flatterte wieder auf. Da befiel den Elefant ein Schrecken. Der Elefant schrie: "Ich will alle meine Leute zusammenrufen, um gegen den Hahn und seinen Wind Krieg zu führen." Dann lief der Elefant in wilder Angst von dannen.
Darauf versammelte der Elefant alle Löwen, Leoparden, Hyänen, Nilpferde, Affen, Antilopen, Katzen, Ratten, Mäuse und alles, was auf der Erde läuft. Der Hahn aber versammelte alle Vögel, alle Adler, Weihen, Reiher, Marabus, Singevögel, dann aber auch alle
Fledermäuse, Fliegen, Mücken, Bienen, Wespen, Motten und alles, was in der Luft fliegt. Alle laufenden Tiere versammelten sich auf der einen Seite um den Elefanten. Alle fliegenden Tiere versammelten sich auf der andern Seite um den Hahn.Der Elefant sagte: "Es muß jemand hingehen und sehen, wo die Feinde sind und was sie vorhaben." Der schwarze Affe sagte: "Das will ich tun." Die andern sagten: "Es ist gut." Der schwarze Affe machte sich darauf auf den Weg und kletterte heimlich durch die Räume nach dem Lager der fliegenden Tiere hin. Kaum aber war er ein Stück weit fort, noch nicht so weit, daß es die eigenen Freunde nicht hätten beobachten können, da schoß aus der Luft ein Adler herab und hackte ihn mit einem scharfen Schlage den Kopf ab. Die Tiere um den Elefanten sahen es. Der Elefant sagte: "Es muß ein anderer gehen und sehen, wo die Feinde sind und was sie vorhaben." Der rote Affe sagte: "Das will ich tun."Die andern sagten: "Es ist gut." Daraufhin machte sich der rote Affe auf den Weg und kletterte heimlich durch die Bäume nach dem Lager der fliegenden Tiere hin. Kaum aber war er ein Stück weit fort, noch nicht so weit, daß ihn die eigenen Freunde nicht hätten sehen können, da schoß aus der Luft eine Weihe herab und hackte ihm mit einem scharfen Schlage den Kopf ab. Die Tiere um den Elefanten sahen das.
Der Elefant und seine Tiere bekamen einen Schrecken. Der Elefant sagte: "Ich kann meine Freunde nicht mehr einzeln dieser Gefahr aussetzen. Wir wollen alle gemeinsam angreifen." Die laufenden Tiere versammelten sich. Inzwischen tat der Hahn alle Bienen in eine Kalebasse und schloß sie. Der Adler mußte sie mit in die Luft nehmen. Nach einiger Zeit kamen alle Elefanten, Löwen, Leoparden, Hyänen, Flußpferde, Antilopen usw. angestürmt. Als sie aber ganz dicht beim Lager der fliegenden Tiere angekommen waren, ließ der Adler aus der Luft die mit Bienen angefüllte Kalebasse herabfallen. Sie stürzte auf den Kopf des Elefanten herab und zerschellte an ihm. Alle Bienen schwärmten in voller Wut auseinander. Die Vögel krähten, kreischten, schrien. Bienen, Mücken und Wespen flogen um Augen, Ohren, Nasen und Mäuler der laufenden Tiere. Sie stachen überall. Die Tiere wehrten sich eine Zeitlang, dann machten sie kehrt und jagten in wilder Flucht angstvoll von dannen.
Das ist der Grund dafür, daß der Hahn im Hause bei den Frauen, Elefant und Antilope aber im Busch leben.
ANHANG
25. LiedIch sah ein Huhn, das hatte Federn, die nur aus Kielen bestanden, aber keine Fahnen hatten. Ich sah einen Leprakranken. Das Huhn sagte zu dem Leprakranken: "Ich verspreche dich zu heilen, wenn du mir versprichst, mich nie zu essen." Der Leprakranke sagte: "Ich verspreche es dir." Das Huhn bereitete Medikamente und die Medikamente machten den Mann gesund.
Einmal war das Huhn auf den Markt gegangen. Daheim sagten die Kinder von dem Leprageheilten zu ihrem Vater: "Gib uns die kleinen Kücken des Huhnes zu essen, das zum Markt gegangen ist!" Der Vater gab die Kücken. Die Kinder töteten die Kücken, bereiteten sie und verspeisten sie!
Das Huhn, das den Leprakranken geheilt hatte, kam vom Markte zurück. Das Huhn suchte seine Kücken. Das Huhn fand die Kücken nicht. Das Huhn fand die Knochen. Das Huhn sah, daß die Söhne des von der Lepra Geheilten seine Kücken gegessen hatten. Das Huhn ging zu dem Manne, den es von der Lepra geheilt hatte, und sagte: "Ich habe dich von der Lepra geheilt, weil du mir versprochen hast, mich nie zu essen. Nun haben Kinder, die Teile von dir sind, Kinder, die Teile von mir sind, gegessen. Du hast dein Versprechen gebrochen. Dafür will ich dich nun wieder krank machen."
Der Mann ward darauf wieder leprakrank. Die Krankheit fraß seine Finger ab.
26. LiedIch sah eine Büffelkuh. Ich sah einen Löwen. Die Kuh hatte Kinder. Die Löwin hatte Kinder. Die Kinder der Kuh und die Kinder der Löwin spielten miteinander. Ein Kalb warf im Spiel ein Löwenkind in die Luft. Das Kalb hatte so fest mit den Hörnern zugepackt, daß das Löwenkind unten tot ankam. Die Büffelkuh kam dazu. Die Büffelkuh sah das Unglück. Sie sagte: "Wie ist das gekommen?" Das Büffelkalb sagte: "Ich spielte mit dem Löwenkind und warf es ein wenig in die Luft. Ich habe aber wohl etwas zu fest zugepackt. Das Löwenkind kam tot auf die Erde." Die Büffelkuh sagte: "Komm, wir wollen schnell fliehen!" Die Büffelkuh und das Büffelkalb flohen.
Nach einiger Zeit kam die Löwin. Sie sah ihr totes Kind. Sie sah die Spuren der Büffelkuh. Die Löwin folgte den Spuren. Sie kam endlich an ein Haus. In dem Hause hatten sich Kuh und Kalb eingeschlossen.
Seitdem sind die Kühe in den Häusern geborgen. Wenn sie aber draußen, im Freien, im Busch weiden, sind sie dem Schlage der Löwen ausgesetzt!
II
DIE TIM
EIN POLITISCHES VOLK IM ZENTRALEN TOGO
Das Volksleben der Tim
a) Allgemeines. SprachverwandtschaftDie Leute, die im Südosten der Bassariten, im Süden des Kabrelandes und nordwestlich der Waldstädtler wohnen, werden im allgemeinen Kotokolli genannt. Sie selbst aber bezeichnen sich als Sing. Timnu, Plural: Tim. Wir würden die Pluralbildung richtiger Timm, also mit zwei m schreiben, denn dem Singular suf fix nu entspricht der Plural suf fix ma. Häufig wird der a-Laut verschluckt, und so entstand auch hier aus Timma einfach Timm. Dies Wort Tim führt uns direkt in das Problem der Zugehörigkeit der Völkergruppe, die der von Norden kommende Forscher mit den Tim erreicht, hinein. Tim ist nämlich das Wort eines Mossidialektes, das soviel bedeutet wie "Heide"!
Die Frage der Zugehörigkeit der Tim ist schwer zu beantworten. Ihre wesentlichen Wohnsitze sind Tschautscho, die Timebene, das Sudo-Dako-Plateau und dann wohl noch das Ssemeregebiet auf französischer Seite. Aber ihre Sprache, das Kotokolli, greift viel weiter aus.
Die Kabre sprechen eine klare Kotokolli ohne wesentliche Dialektverschiedenheiten. Dr. Kersting hält sogar die Kabre für primitivere, will sagen reiner erhaltene Tim, denen gegenüber die Stämme vom Sudo -Dako -Plateau bis über Tschautscho eine durch islamischen und vielleicht noch anderweitigen Kulturzutrieb beeinflußte und entwickeltere Form gleich primitiven Ursprungs darstellen. Dieser mit den Landesverhältnissen so außerordentlich erfahrene Forscher stützt sich bei dieser Annahme zumal auf einen Fund, den der kaiserliche Stationsassistent Juriscka vor einigen Jahren im Tschautschogebiet machte. Im Boden fand er ein Hackenblatt, das genau dem heute noch im Kabregebiet üblichen Typus entsprach, der aber heute in den Timländern nicht mehr lebt. Wir werden im folgenden diesen Fingerzeig nicht übergehen dürfen, müssen aber einerseits auf die Unsicherheit solcher Einzelfunde, die noch mehr Lösungen zuläßt, und anderseits auf die ungemein energische und siegreich vordringende Kraft der Timsprache hinweisen, die z. B. im Lossogebiet in allen Dörfern mit einer einzigen Ausnahme die früher bei diesen Leuten gepflogene Mossisprache verdrängt hat.
Diese Timsprache nun - um deren Verwandtschaft nur einige Worte zu widmen -scheint mir Anknüpfungen nach den verschiedensten Richtungen zu bieten. Zunächst sticht die wesentliche Verwandtschaft mit der Mossisprache in die Augen. Das Pluralsuffix "si" ist beiden gemeinsam. Das Wort Kissi als "Verbot", das die Mossi im Sinne des Tannä (der Mande) anwenden, wird in dem
Kotokolli durch "Makissi" "Ich will nicht" (ma im Kotokolli und Mossi = ich) gut erklärt.Eine weitere Linie der Beziehung führt uns zu den Joruba-Evhe Sprachen. Schon das einfache Wort der Selbstbezeichnung im Singular = Timnu deutet in dieser Richtung. Nu geboren. Die Bezeichnung der Holzfiguren Lissa entspricht dem Jorubawort O-rissa usw.
Endlich möchte ich drittens auf die sehr eigenartige Verwandtschaft mit einem Mandedialekt hinweisen, nicht jenen, den die Wangara-Wattarawanderung vom Norden der Elfenbeinküste nach Mangu und Sugu trug, sondern mit dem Satakolli-Maskadialekt. Man scheut sich zunächst, über so große Strecken hinweg Verwandtschaft anzunehmen, aber besteht nicht die viel eigenartigere Beziehung zwischen Wolof und Mossi?
Soviel ist also sicher, daß das Kotokolli, die Timsprache, uns zunächst eine große Zahl von Rätseln aufgibt, daß aber anderseits dementsprechend ebenso viele Anhaltspunkte für Lösung von allerhand heute noch nicht zu übersehenden Verwandtschaftsproblemen gerade hier zu finden sein werden. Sicher ist, daß wir mit den Tim den sich von Nord nach Süd langhin erstreckenden Streifen der Diabasprachverbreitung verlassen und ein neues Territorium erreicht haben. Wesentlich wird es nun sein, aus dem allgemeinen Kulturgut heute schon allerhand Klarstellung gewinnen zu können.
b) Abstammungsnadzriclzten. Genealogien. Die TscizambaDie Tim sind wieder ein historisch denkendes Volk, außer den Dagomba und den kümmerlichen Gurmafamilien das einzige in Nordtogo. Ehe wir aber diesen historischen Traditionen und Legenden nachgehen, sei derer gedacht, die als "Nichtkotokolli"diese Provinzen bewohnen. Zunächst sind die Fulbe zu erwähnen, die heute noch in das Land einsickern, aber keinerlei Erinnerung an ihr erstes Auftreten bewahrt haben. Wie alle Fulbe in Togo haben sie ihren ursprünglichen Baustil, den wir noch wenig nördlich der Grenze bei Natjundi und im Mossi-Bobo- und Gurunsi-Bussangsigebiet feststellen konnten, aufgegeben, sie bauen hier wie die Kotokolli. Ihre Frauen stellen hübsche Töpfereien her, eine Kunstfertigkeit, die wohl mit der Wanderung aus den östlichen Gebieten und der dort entwickelten Töpferei zusammenhängt. Übrigens sind reine Fulbefrauen hier wie im benachbarten französichen Gebiet Seltenheiten. Die meisten Kotokolli heiraten eingeborene Frauen, während von den Tamberma bis hier herunter nie ein Tamberma, Kabre oder Kotokolli ein Fulbeweib ehelichen wird.
Eine sehr alte Einwanderungsgeschichte werden wir weiter unten
kennenlernen in den sogenannten Tschallama (Singular: Tschallanu), die in alter Zeit aus dem Adeleland einwanderten und heute noch als Fremdlin e angesehen werden. (Siehe unten unter Totendienst.) Als ganz junger Zuzug sind dagegen die Yoruba und Haussa zu bezeichnen, die in einigen Städten eigene Viertel einnehmen und als Händler und vor allem als Industrielle sich emsig an dem Aufschwung der materiellen Kultur im Lande beteiligen. Sie heiraten vielfach eingeborene Frauen, stehen aber doch dem Volkswesen so fremd gegenüber, daß sie sich sehr merklich von den Tim unterscheiden. Die Haussa und auch ein großer Teil der Yoruba sind Mohammedaner. Zu der Religion des Propheten hat sich auch ein beträchtlicher Teil der städtischen Tim bekehrt, aber in einigen Landesteilen ist eine gewisse Scheidung eingetreten. Im Hauptgebiet herrscht zum Beispiel in Sokode der Imam, im benachbarten Königsstädtlein Paratau dagegen der mehr weltliche, altreligiöse Geist des Timvolkes.Die Tim werden von erblichen Fürsten, von Uros, regiert, und an diese Tatsache knüpft die legendäre Tradition an. Der größte Teil der Tim stammt angeblich aus Tabailo, einem Städtchen, das zwischen Bassari und Sokode auf einem Berge liegt. Die Sage vermeidet, daß die alten Tim-uros von einem Uro abstammten, der auf dem Berge und in Tabailo lebte, ehe noch Mohammedaner ins Land kamen. Eines Tages nun drängten von Westen her die Tscherkossi mit den Wangara nach sich in das Land, und darauf ward das Taballovolk auseinandergedrängt. Nun breiteten sie sich nach allen Richtungen hin aus, ins Tschautscho, nach Paratau, nach Bafilo und Dako, nach Adjede, Augullu, Ameide usw. So kamen alle Timstädte zur Entstehung. In Erinnerung hieran besteht heute noch die Sitte, daß, wenn ein Häuptling in einer Timstadt erwählt wird, ein großer Topf mit Wasser aus Tabailo, dem Ursitze, geholt wird und der neue Fürst in dieser "Kauraga-Tim" genannten Flüssigkeit gebadet werden muß. Weiterhin heißt es, daß vor der Besitzergreifung des Landes, die Dr. Kersting zum Abschluß brachte, die Timhäuptlinge einander nicht sehen durften. Daher kamen sie nie zusammen in dem Glauben, daß sie beim gegenseitigen Erblicken sogleich sterben müßten. Somit verkehrten sie untereinander nur durch Boten, die die Nachrichten und gegenseitigen Geschenke überbrachten. Daraus geht hervor, daß die Leute nicht durch einen kriegerischen Geist, sondern durch religiöse Anschauungen voneinander ferngehalten wurden.
Übrigens glaube ich nicht, daß alle Gobirris (Klane, siehe weiter unten) einmal zusammengesessen haben, sondern daß die Sache hauptsächlich auf die Verheiratung der ersten Geschlechter, der Gobirri Molla oder Mala sich bezieht. Von einem der Gobirri geben
die Tim selbst und außerdem die Sitten der Urowahl es zu. Es ist das die Gobirri Dare, die früher in Tschallo und nicht in Tabailo wohnte und deren Mitglieder sich vielleicht mit einem gewissen Recht als älteste Tim bezeichnen, der dann erst als Einwanderung in Tschautscho dem Zuzug der Molla-Gobirri folgte. Heute sind die Molla die Herrschenden. Wenn aber unter den Molla Streitigkeiten betreffend die Häuptlingsnachfolge entstehen, so werden die Dschallo- oder Tschalloleute, also die Dare, als entscheidende Kurfürsten herbeigerufen.Die Genealogie dieser Timfürsten ist mehr oder weniger zerstückelt erhalten. Leider fehlt der wichtigste Teil, die Reihe der Taballoherren, die vor und nach dem allgemeinen Exodus auf dem Bergnest saßen, und jener, die die Herrschaft in den Städten des Plateaus und der Ebene gründeten, vollkommen. Nur neuere Fürstengruppen sind zu gewinnen gewesen. Hier das in solchem Sinne gesammelte Material:
a) in Tabailo:
i. Uro Kontolomm 2. " Katau 3. " Akonto 4. " Djobo 5. " Kura 6. " Konto, heute Herr in Taballo |
b) in Dako:
i. Uro Aosi 2. " Bodi 3. " Dokora 4. " Kora 5. " Bodi, heute Herr in Dako |
c) in Bafilo:
i. Uro Bellung (soll der Sohn des Gründers der Stadt gewesen sein, eine recht unglaubwürdige Angabe) 2. " Undi 3. " Djobo 4. " Korra 5. " Bangna oder Banna 6. " Bossi 7. " Kondo 8. " Bodi 9. " Sama 10. " Banna 11. " Djobo, heute Herr in Bafilo |
d) in Beiaku, einer alten Hauptstadt der Timebene. In dieser Stadt sammelte Dr.-Ing. Hugershoff zwei abweichende Stammbäume ein, nämlich:
1.i. Uro Bedow II. i. Uro Bedow 2. " Jale 2. " Jale 3. " Abo 3. " Abo 4. " Musa 4. " Musa 5. " Njao 5. " Njao 6. " Akonto 6. " Kura 7. " Tagna 7. " Sama 8. " Sama 8. " Akonto 9. " Tagua 9. " Sama-adjoante 10. " Bangana 10. " Bangana 11. " Gafo i i. " Taqua 12. " Quelle 12. " Gafo 13. " Kakaraka 13. " Quelle 14. " Akonto 14. " Iao (heute herrschend) 15. " Kura (der Kleine) 16. " Sama 17. " Kakaraka 18. " Akonto |
Die in Beiaku anscheinend etwas schüchtern vorgebrachte Angabe, daß Uro Bedow Städtegründer in der Timebene gewesen sei, wird nicht nur durch die Länge des für Beiaku erhaltenen Stammbaumes etwas wahrscheinlicher gemacht, sondern erhält auch dadurch eine Stütze, daß in Paratasu als einziger Städtegründer oder aus Taballo ausführender Fürst nur Uro Bedow bekannt war.
Im Anschluß an diese geschichtlichen Überlieferungen müßten wir nun einer Volksenklave Erwähnung tun, die bis an das äußerste Ende des Timbereiches zwischen die Kotokolli und die Kurrastämme verschoben worden ist. Es sind das die Geselimm oder Tschamba, die nichts anderes sind als ein Diabastamm engster Bassaritenverwandtschaft. In Sprache, in der Industrie (z. B. und vor allen Dingen ist der Blasebalg der gleiche, nur daß der der Tschamba größer und plumper ist) und auch in mancherlei Gesittungsausdruck haben diese Leute ihre alten Stammeseigentümlichkeiten behalten. In anderer Hinsicht haben sie wieder vieles von den Kotokolli angenommen, so z. B. in der Flechterei der großen bunten Matten, die den gleichen Erzeugnissen der Kotokolli der Ebene entsprechen, ebenso in Bogen und Pfeil. In wieder anderem, vor allem in der sehr eigentümlichen Kalebassenornamentierung die ihre reinste Spezialität heute in Nordtogo hat, dann in dem merkwürdigen Trauertanzschurz der Alibi haben sie ein ganz eigenes und eigenartiges Kulturzentrum geschaffen. Alle ornamentierten Kalebassen in Nordtogo stammen von Tschamba, und um eine Parallele zu finden, müssen wir schon die Grenze verlassen und bis nach Ssemere auf französischen Boden oder nach Süden bis zu den Dahomeverwandten
Atakpames gehen. Der Seelenwanderungsglaube der Tschamba, der weiter unten zu besprechen sein wird und von großer ethnographischer Wichtigkeit ist, wurde mir in dieser Form von diesem Völkchen bekannt. Dagegen weist der viereckige Grundriß der Tschambahütten, der so gänzlich vom Rundbau der Tim abweicht, zu den Kurrastämmen. Die Schmalbandweberei in der üblichen Sudanform wird von Männern betrieben.Die Wanderung dieses interessanten kleinen Völkchens wird mit einem großen Kriege in Zusammenhang gebracht, den die westlichen Bassariten einstmals mit den nach Sklaven jagenden Dagomba hatten. Doch verwischt sich hierin die Volkserinnerung und in verworrener Weise wird in diese Berichte die Wanderung der Tscherkossi hineingemischt. Einmal im Timgebiet angesiedelt, haben sie unter andern Eigentümlichkeiten auch das genealogische Gedächtnis der Kotokolli angenommen. Möglich auch, daß ihre Fürsten, die "Obo", Tim sind. Die Tim vergeben so viele Herrscher an die Nachbarstämme (Timursprunges ist im Süden z. B. der heutige Stadtherr der Kurra von Bagu und im Norden der Uro Taqua oder Tagba, Herrscher in Bassari), daß sich uns diese Annahme unwillkürlich aufdrängt. — Nun die gewonnenen Genealogien:
a) in Tschamba:
i. Obo Djedere 2. Oboi Dore 3. Obo Abere 4. Oboi Djobo 5. " Dedji 6. " Kurra 7. " Ko 8. " Dore 9. Obo Bere, der heute in Tschamba herrscht; |
b) in Alibi:
i. Obo Kurgo, der der Gründer Alibis war 2. " Kuddi 3. Oboi Njo 4. " Djeri 5. " Djobo 6. " Kubau 7. " Kura 8. " Njenni |
Nachdem wir damit das, was wir von äußerer Zusammenfassung und historischer Tiefe der Stämme im Timgebiet wissen, zusammengefaßt haben, wollen wir nun zur Besprechung der ethnischen inneren Gliederung der Tim übergehen.
c) Sippen und Staatswesen. Uro und BeamteDas, was mich an den aus dem Westen, aus den Senegal-Nigerländern Kommenden am meisten in Erstaunen setzte, das war die Tatsache, bei den Tim eine gleiche innere Organisation anzutreffen, wie sie mir von den Mande her so vertraut war. Die Tim zerfallen in Stämme, die genau den Diamu der Mande entsprechen (vgl. Atlantisausgabe Bd. V; dort auch das Wort Kafila, für Kaste allerdings!) und mit dem Namen Gobirre bezeichnet werden, ein Wort, das uns unwillkürlich an das Berberwort und den Berbersinn der Kabylen und auch an den Kastennamen der Mande, an die Kafila erinnert. Diese Gobirri haben Namen und mit diesen Namen stellen die Tim sich ebenso vor wie die Mande mit ihrem "Keita", "Diarra", "Traore" usw. Sehr eigentümlich berührt es, daß der Name eines dieser Gobirri, der Ennitje, genau dem beliebtesten aller Mandegrüße entspricht. — Die Zahl der Tim-Gobirri muß eine recht große sein. Aber es gelang mir nicht, ihrer aller habhaft zu werden, und von einem dieser, nämlich dem Nauwa-Gobirri, konnte ich nicht einmal das Totem erfahren.
Genau den Diamus der Mande hat jede Gobirri der Tim ihr Speiseverbot; dasselbe heißt hier Mososi. Die Zugehörigkeit zur Gobirri erfolgt auch hier nach Vaterrechtssystem, so also, daß das Mososi sich vom Vater auf den Sohn fortpflanzt. Aber auch hier —genau wieder der Entwicklungszustand, auf dem die Mande angekommen sind - ist der wesentliche Charakterzug der Exogamie verschwunden. Also Leute vom gleichen Gobirri können sich heiraten. Aber immer nehmen Kinder das Speiseverbot und die Sippenzugehörigkeit vom Vater an. Für das Totem gibt es bei den Tim statt des Wortes "Mososi" noch die Bezeichnung "Makissi", und zwar heißt das wörtlich "Ich (=ma) will nicht." Ich wies schon oben auf die Verwandtschaft zu dem Totemwort Kissi der Mossisprache hin. An Gobirris und ihren Totems brachte ich in Erfahrung:
Name der Gobirri: Totemtier: Dessen Name im Tim: i. Mala oder Molla Löwe = Guni Schwein =Affo-kundji Riesenschlange = Adeno 2. Koli Varanus = Kalako 3. Sando Kukuk = Mututu 4. Dare Ratte =Ju 5. Dekaenae Buschmaus =Palanga 6. Takobia Heuschrecke =Tjebau od. Kalefa 7. Laumbu ein Baum = Fulla 8. Nauwa -?— — 9. Nitje od. Ennitje Leopard Mare |
Im inneren Bau scheinen die totemistischen Gruppen fast noch besser erhalten als bei den Mande. So findet sich z. B. noch die Einrichtung eines gewissen Familienherrn des ganzen Gobirri, soweit sie im gleichen Wirtschafts-, Stadt- oder Dorfverband lebt. Es ist das stets der Älteste der Gobirri und man bezeichnet ihn als Dedaualu Kubon, d. h. "Bruder Älteste". Er hat im Stamme Vorrechte, z. B. ganz besondere Arbeitsansprüche.
Nun das, was fehlt. Vor allem habe ich keinerlei Spur eines bedeutsameren Kastenwesens im Bau der Timorganisationen finden können. Weiterhin aber mangelt eine Einteilung nach Altersklassen, eine Einrichtung, die bei den Kabre so ungemein ausgesprochen das gesamte Volksleben beherrscht. Gerade dann, wenn man nach den verwandtschaftlichen Beziehungen dieser Stämme Ausschau hält, wird man dieses Faktum besonders im Auge behalten müssen. Dagegen besitzen die Timstaaten eine Institution, die mir in den Nordwestländern entweder entgangen ist oder die wir hier zum erstenmal antreffen. Es sind das Vorsteher der Jugend. Aber ehe wir diesen Dingen nähertreten, müssen wohl der Zentralleitung der Timstaaten einige Worte gewidmet werden.
An der Spitze der Timstädte stehen die "Uro". An diesem Namen muß auffallen, daß er dem Worte der Fulbesprache, Urodorf, entspricht. Daß Ortsbezeichnungen des einen Volkes Würdetitel bei einem andern werden, ist nicht so ganz selten. Ich mache auf das Wort Ma-dugu aufmerksam, das im Mande "Schloß", "Kastell", "Burg", "Hofburg"und bei den Haussa einen "Führer", "Herrn", "Karawanenfüher" bedeutet. — Im allgemeinen hat jede Timstadt ihren Uro, aber die Landschaft Tschautscho oder Tjautjo, deren Bewohner die Tschautscho-ma (Singular: Tschautscho-nu) sind, hatte noch einen Oberherrn, der über den andern Tschautscho-uro stand und so als "Uro-Iso", als Oberhäuptling (iso =oben) bezeichnet wurde. Da er im Paratau regierte, so nannten sich die Eingeborenen dieser Stadt: "Uro-iso-te-ma". Die Erbschaftsfolge der Timuro ist eine verschiedene. In den Städten scheint im allgemeinen dem Vater der Sohn gefolgt zu sein. Nicht so ist es in der Oberleitung. Angeblich haben früher in abwechselnder Reihenfolge folgende Städte der Landschaft Tschautscho den Oberherrn gegeben: Paratau, Tabailo (oder Tjawalo), Kumma, Katambara, Pangala, Birini Jalifa, Dubuide. Aus den Mollamitgliedern dieser Städte wurde der Uro-Iso gewählt. Daß bei Uneinigkeit der Molla die Dare aus Dschallo ein besonderes Kürrecht hatten, ward schon erwähnt. Anderseits wurde mir gesagt, daß im Streitfälle ein Altenrat oder eine Häuptlingsversammlung aus den Städten Dschallo (oder Tjallo), Kullungete, Salunde und Lungade zusammengetreten sei, um die Sache zu entscheiden.
Der Oberherr von Tschautscho repräsentierte zumal zur Zeit der Besitzergreifung des Landes eine durchaus imponierende Macht. Es ist als einer der schönsten diplomatischen Erfolge Dr. Kerstings anzusehen, daß es ihm gelang, mit diesem Manne in ein gutes Verhältnis zu kommen und dessen prächtige Reiterschar so zu Hufskräften zu gewinnen. In seiner Glanzperiode stellt der Uro-iso seine 500 Reiter. Seine Hofhaltung hat heute noch etwas Imponierendes, und ein Besuch in einer Residenz ließ mich unwillkürlich einen Vergleich zu dem Königstyp einer Fama von Sansanding anstellen, wobei der Uro-iso durchaus nicht schlecht fuhr. Große schöne Häuser, viele Frauen und Dienerschaft, vor allem aber ein königlicher Verkehrston, der den Dekadenztypus des letzten Mossikaisers entschieden weit übertraf. —So kann ich mir recht wohl vorstellen, daß in Anbetracht der hohen Intelligenz dieses Volkes, des siegreichen Vordringens ihrer Sprache und ihres Handels, des kriegerischen klugen Sinnes der Tim sich von Paratau aus sehr wohl die Erscheinung der Neugründung eines mächtigen Reiches im Sinne des Mossistaates hätte weithin ausdehnen können, wenn die deutsche Verwaltung solchem Werdegang nicht einen Riegel vorgeschoben hätte.
An der Spitze des königlichen Hofes von Paratau stand der Uro-Donde, der Minister und Sprecher des Uro-Iso, der in seinem Amt genau dem haussanischen Abokin-Serki entspricht. Im Innern war er als Minister und Hofmarschall, nach außen als erster Gesandter tätig. Der Uro-Donde war lebenslänglich angestellter Hofbeamter, der auch dann nicht zurücktrat, wenn infolge des Verscheidens des Uro-Iso ein anderer Oberherr an die Spitze des Reiches trat. Nur Tod oder Altersschwäche oder eine verfassungswidrige Absetzung durch den Uro-Iso konnte ihn von seiner Stelle entheben. —Weiterhin gab es am Hofe die Sebaboa (Singular: Sobabe), die den Pagen des Mossilandes genau entsprechen. Sie bekleiden ihre Stellung mit den gleichen Rechtsansprüchen wie der Uro-Donde, also lebenslänglich und über den Tod des Uro-Iso, unter dem sie einrückten, hinaus. Nur daß ein neuer Oberherr sich einige weitere Sebaboa nach seinem Geschmack dazu wählt. Diese Leute werden im Frieden vom Herrscher als Boten und Geschäftsträger, im Kriege als Haufenführer oder Generale je nach Alter und Geschicklichkeit verwendet.
Fernerhin setzte der Uro in jedem Dorfe je eine Konjau (Plural: Konjauwa) ein, das ist stets eine alte Frau, deren Aufgabe es ist, die Schwierigkeiten der Weiber zu regeln, d. h. Schwierigkeiten, die die Weiber untereinander haben. Bricht irgendeine solche Zwistigkeit aus, so haben die Uneinigen, Streitenden und Keifenden sich sogleich an die Konjau zu wenden. Diese hat die Sache zu untersuchen, zu regeln und von jeder solchen Rechtsprechung dem Uro
Mitteilung zu machen. Die Konjau hatte eine Einnahme von 1000 Kauri aus jeder Entscheidung. Diese Zahlung hatte die verurteilte Partei zu leisten und die Richterin hatte hiervon nichts an den Uro abzugeben. — Es ist dies das erstemal, daß mir in diesem Teil Afrikas von einer solchen weiblichen Beamtin Kenntnis ward, und da es sich in folgenden beiden Ämtern um das gleiche handelt, so treten wir hiermit einer ganzen Gruppe neuer Tatsachen an der Südostgrenze des Westsudan entgegen.Jedes Dorf der Tim, respektive jede Kotokollistadt hat einen Serki Samare (Plural: Serki Samaroa). Serki, bekanntlich das Haussawort für "Herr über" oder "König von", deutet nach Osten. Das ist der Führer der jungen Leute. Er wird aber nicht vom Uro, sondern von der jungen Mannschaft selbst gewählt und dann dem Uro als ihr Vertreter vorgestellt. Wenn nun der Häuptling eine Aufforderung an die Männer der Dörfer richten will, daß sie zur Arbeit oder zum Kriege kommen sollen, so sendet er eine Nachricht entsprechenden Sinnes an den Serki Samare, und der versammelt dann die gewünschte Zahl und führt sie zum Uro. Im Kreise seiner Mannschaft selbst schlichtet er kleine Schwierigkeiten, hört dagegen größere Angelegenheiten und alles Wichtigere nur an, um dann dem Uro Vortrag zu halten und seine Entscheidung einzuholen. Zum Serki Samare wird gewöhnlich ein jüngerer Mann gewählt, der aber recht wohl verheiratet sein kann. Auch kann er sehr lange in seinem Amte bleiben und hat erst dann sein Amt niederzulegen, wenn die Anzeichen des Alters allzu drohende werden, d. h. also, wenn er seine Geschäfte nicht mehr ordentlich führen kann, weil körperliche oder geistige Erschlaffung seine Spannkraft weichen lassen. Körperliche Beweglichkeit und Überlegenheit muß er aber schon insofern besitzen, als er auch die Tänze der jungen Männer zu führen und zu leiten hat. Diese bestehen im Reihenreigen, der um die Trommel aufgeführt wird und den Namen Mballa führt.
Dem Serki Samare der jungen Männer entspricht für die Mädchen die Uoque (Plural: Uoquewa). Jedes Dorf der Tim hat seine Uoque. Der Unterschied dieser Gruppe gegenüber der Männergruppe besteht in der bei weiblichen Wesen natürlich viel mehr dominierenden Differenzierung geschlechtlicher Gebundenheit oder Ungebundenheit. Im Gegensatz zur Männergruppe gehören nur Mädchen in die von den Uoque geleiteten Vergeselischaftungen, und jedes sich verheiratende Mitglied scheidet aus und entzieht sich somit dem Einfluß der Uoque. Die Mädchengenossenschaft wählt sich ihre Uoque aus ihrem Kreise, und die Uoque kürt sich dann ihrerseits aus ihrem Machtbereich eine Gehilfin, die den Namen Jerimea (Plural: Jerimauwa) führt. Die Funktionen dieser Mädchenherrinnen
Gehöft in Tamberma (Nord-Togo)Fernerhin haben beide, Serki Samare und Uoque, ausgesprochene Repräsentations- und zivile Zeremonialverpflichtungen. Wenn aus einem andern Orte angesehene Leute zu Besuch kommen, so haben beide, Männer- und Mädchenführer, dafür zu sorgen und dafür einzutreten, daß ihre Genossenschaften sich in guter Kleidung versammeln. Danach eilen die jungen Männer unter dem Serki Samare und die Mädchen unter der Uoque und der Jerimea den Fremdlingen entgegen. Dabei tanzen und singen sie. Und wenn abends dann der festliche Biertopf umgeht und der Mondschein lockt, so führt der Serki Samare seine Männer im Mballa vor, während die Uoque ihre Mädchen zum Tore (Plural: Toroa) in einem eigenen Kreise versammelt. Dieser Tore entspricht dem Tanze der Mossiund Djabavölker, bei dem alle in die Hände klatschen und immer zwei umeinander tanzen und dann prompt mit der Stelle gegeneinanderstoßen, die sonst nur zum Sitzen verwendet wird. Dieser Tanz wurde bei Gurunsi, Moba, Tamberma und Bassariten schon erwähnt.
So bietet uns das Wesen dieser Timorganisationen einige hochinteressante Parallelen, die unbedingt nicht nach dem Westen, sondern nach dem Osten weisen.
d) Das Recht und Schiedsgericht der UroNun einiges über die Rechtspflege, wie sie früher gehandhabt wurde, ehe die deutsche Verwaltung eine Anpassung an die Anforderungen der europäischen Gesittung herbeiführte. Die eigentliche Leitung in Zivil-, Straf- und Staatsrechtsangelegenheiten der Landschaft Tschautscho lag früher in den Händen des mit unumschränkter Macht ausgestatteten Uro-Iso, des Uro-Tschoba von Paratau, der ein gar mächtiger und einflußreicher Herr war. Wie schon erwähnt, verfügt er über Hunderte von Reitern und viele Fußtruppen, so daß er imstande war, das, was nicht auf friedlichem Wege zu regeln war, mit Kraftmitteln zu erzwingen.
Entstand irgendwo Streit, gab es eine unehrliche Sache, etwa gar Diebstahl oder Raub usw., so gingen die Alten mit dem Ankläger und evtl. auch gleich mit dem Angeklagten zu dem Uro-Iso von Paratau. Da vereinigten die Alten sich dann zu einer Gerichtssitzung, hockten rund herum am Boden nieder und standen abwechselnd
auf, um klagend oder verteidigend ihre Ansicht zu äußern. Jedenfalls wurde ein regelmäßiges Verfahren eingeleitet und durchgeführt, und nach allem, was ich davon hörte, scheint die Gerichtsbarkeit wenigstens im Sinne der Innerafrikaner gar keine so üble gewesen zu sein. Zur Erläuterung hier einige typische Fälle, wie sie die alten Männer berichteten.i. Wenn eine Frau in den Verdacht kam, mit einem andern als ihrem Gatten den Beischlaf ausgeübt und somit von den Rechten des Eheherrn etwas vergeben zu haben, so wurden die angeklagte Frau sowie der des Ehebruches angeklagte Mann vor den Uro und die Altenversammlung berufen. Im Verlaufe der Verhandlung wurde nicht nur der Kläger, der klagende Ehemann also, sondern auch ein jedes der beiden Angeklagten gehört und jede Einzelheit der Beweisführung gründlich erwogen. Fand man, daß das Vergehen an sich begangen war, so trat man erst in die Hauptverhandlung, die zu erkennen suchte, ob der männliche oder der weibliche Teil der Urheber, Anreger zum Vergehen war. In dieser Unterscheidung äußert sich eine Feinheit des Rechtsgefühles, wie ich sie sonst in Afrika nicht fand. Fand man den Mann als den Hauptschuldigen, so ward er festgenommen und dazu verurteilt, die enorme Summe von 120000 Kauri zu zahlen. War er hierzu nicht imstande, so ward umhergefragt, ob sich etwa ein Mann fände, der bereit sei, diese Summe zu erlegen. Es ist wiederum bezeichnend für das entwickelte Wirtschaftsleben und die Hochschätzung, die die Leute für die Arbeit hatten, daß solche Umfrage meist sehr schnell von Erfolg gekrönt war. Es fand sich wohl bald ein Reicher, der nach Erlegung der Summe den Sünder dann mit sich auf seine Farm nahm und ihn dort arbeiten ließ. Der Mann verlor also seine Freiheit. Der Behauptung, daß er sich durch eine gewisse Arbeitsleistung wieder frei machen konnte, schenke ich keinen Glauben. — Erwies sich dagegen, daß die Frau die Verführerin gewesen war und daß diese durch ständiges Nachlaufen oder gar Geschenkzusteckung den Mann verführt hatte, so war der hintergangene Gatte und ein Bund seiner Freunde vor der Klageanstrengung sicher so aufmerksam gewesen, der Buhlerin aufzupassen, sie abzufangen, ihr die Kleider vom Leibe zu reißen und sie gehörig durchzubläuen. Der betreffende Mann ward übrigens trotzdem zur Verantwortung gezogen, kam aber mit einer viel geringeren Strafe davon. — Das Merkwürdigste an der Sache ist aber, daß nicht nur der Ehebrecher bestraft wurde, sondern daß auch dessen jüngere und ältere Brüder und Schwestern einer Zahlung, nämlich der Tragung der Gerichtskosten, unterworfen wurden. Jeder Bruder hatte dem Uro zirka 24000 Kauri zu zahlen. Hatte der Ehebrecher zwei Schwestern oder mehr, so nahm der Uro nunmehr eine für sich als Privatbesitz
in Beschlag. Sie ward seine Frau und Arbeiterin ein hübscher Entgelt für seine Bemühungen in richterlicher Funktion. Die dem Ehebrecher abgenommenen Kaurimuscheln wurden zwischen dem entscheidenden Häuptling und dem betrogenen Ehemann geteilt.2. Bei der Anklage auf Diebstahl wurde in der gleichen genauen Verhandlungsweise sehr exakt vorgegangen - zumal natürlich, wenn es sich um ein Mitglied der herrschenden oder angesehenen Familien handelte; denn auch hier spielt die Wucht einer Familie und deren Einfluß bis in den Gerichtssaal hinein. Man unterschied auch nach der Verhandlung bei der Strafzuweisung sehr genau, ob man es mit einem Mitbürger oder mit einem Fremden zu tun hatte. War der Dieb ein Fremder, so ward er unbedingt, und wenn es sich um weiter nichts als den Diebstahl eines elenden Huhnes handelte, als Sklave verkauft. War er ein Einheimischer, so entschied man die Strafe nach dem Wert des Objektes und ließ ihn z. B. für ein Huhn 8000, für eine Ziege aber 24000 Kauri zahlen. Ganz gleiche Unterschiedlichkeit hielt man auch beim einfachsten Mundraub aufrecht. Der sträfliche Dorfgenosse kaufte sich mit 8000 Kauri frei, der Fremde dagegen mit der Freiheit. — Eigentlicher Farmraub in dem Sinne, daß B auf dem dem A gehörigen und von ihm als Brache liegengelassenen Schlage sein Korn baute, kam nicht vor, da jedes brache Feld als frei galt.
3. Wäre also endlich der Totschlag zu behandeln. Hierin unterschied man nach bestimmten Kategorien, die mir aber nicht ganz verständlich geworden sind. Im allgemeinen übte man wohl einfach das Blutrecht. Man schlug den, der getötet hatte, tot. Es scheinen aber doch Fälle vorgekommen zu sein, in denen statt mit Tod auf Bußzahlung entschieden wurde, und zwar hatte der Verurteilte dann an 180000 oder 200000 Kauri zu bezahlen. Endlich stand auf versehentlichen Totschlag, also fahrlässige Tötung, nur eine Bußzahlung von 24000 Kauri. Doch hatte der Mann außer dieser Zahlung noch die Verpflichtung, für ein würdiges Begräbnisfest, das dem von ihm Getöteten gefeiert wurde, zu sorgen, d. h. er hatte zu dieser Veranstaltung Stoffe, Pulver und Bier zu liefern.
Mit zu der wesentlichsten Tätigkeit der großen Häuptlinge von Tschautscho gehörte die Regelung der Kriegs- und Friedensangelegenheiten, die unter den Timgemeinden oft eine recht eigenartige Behandlung erfahren zu haben scheinen. War irgendeine Zwistigkeit unter zwei Gemeinden ausgebrochen - es war dazu kein sehr wichtiger oder bedeutsamer "Zwischenfall" nötig -, so p legte die eine der andern eine Botschaft mit der Mitteilung zukommen zu lassen, daß die beleidigte Gemeinde die Sache kriegerisch zu erledigen wünsche. Also eine Kriegserklärung, der dann alsbald ein frischer fröhlicher Krieg folgte. Sicherlich waren diese
Kriege noch nicht von der modernen ernsten Art, sondern spielten sich in Geplänkeln, Überfällen, Raubzügen und summa summarum in einer echt afrikanisch vergnüglichen Weise ab, in der das Wesentliche ist, daß kein strammes Pflichtgebot oder Pflichtgefühl einen jeden mehr oder weniger zu blutigen Entscheidungen treibt und zwingt, als ihm gerade in der Laune liegt und dem Stande seiner momentanen Exaltation entspricht.War nun eine der beiden Parteien ermüdet, so steckte diese einen Pfahl auf die Straße. An diesem waren oben Mimosenblüten befestigt, und man nannte ihn Seidani. Die Errichtung dieses Seidani hatte unbedingten Landfrieden zur Folge. Die Fehde war damit abgebrochen. Hielt die andere Partei dieses Gesetz nicht ein, so hatte sie vor dem nun folgenden Schiedsgericht von vornherein verloren. Nach Aufstellung des Seidani begaben sich dann beide Parteien zum Uro-Iso von Paratau. Der hörte beide Teile an. Dann fällte er sein Urteil. Im allgemeinen hatte die im Unrecht befundene Gemeinde an die andere eine Entschädigungssumme zu zahlen. Diese wiederum gab eine "freiwillige" Gabe von 4000 Kauri an die Söhne des Uro-Iso ab, damit sie sich dafür Bier kaufen konnten. Im übrigen war die Poena im allgemeinen folgendermaßen verteilt: Die Gemeinde, die im Unrecht war, erlegte etwa 140000 Kauri. Hiervon erhielten 24000 der Uro-Iso und 40000 derjenige, dessen Rechtsverletzung zu der ganzen Fehde Anlaß gab. Die 24000 Kauri behielt der Uro nicht vollkommen, vielmehr gab er 14000 an die beisitzenden Räte ab.
Fanden die beiden kriegerischen Parteien keinen rechten Abschluß, indem keine an die Aufrichtung des Seidani gehen wollte, währte die "Rempelei" dem Uro-Iso wiederum zu lange, so machte er ihr ein Ende, indem er seinerseits einen Stock an sie sandte, an dem die Seidanblätter (Mimosenblätter) befestigt waren und den man dann Kadjifassa nannte. Das bedingte sofortigen Fehdeschluß und bedeutete gleichzeitig eine Vorladung vor das Schiedsgericht des Uro-Iso.
e) Erwerbsleben. Landbau. Handel. GewerbeDas Wirtschaftsleben der Tim spielt ziemlich gleichmäßig zwischen Bauernerfahrung, Gewerbefleiß und Handelsgeschick hin und her. Dem entspricht auch die Siedlungsform, die im ganzen Gebiet eine ziemlich gleichmäßige zu sein scheint. Bafilo, Dako, Tabailo Beiaku und wie sie alle heißen mögen, sind mehr oder weniger große Landstädtchen; keine von allen dominiert besonders, will sagen in dem absorbierenden Sinne, indem einst Metropolen wie die Malihauptstadt, Kano, Timbuktu oder eine andere Großstadt
des Sudan die kleineren Gemeindewesen aufsaugte und die nahrungschaffenden Bauern in wandernde und in die Stadt siedelnde Händler verwandelte.In dem Städtchen leben zum größten Teil Bauern; aber die Berufe sind nicht so getrennt, daß der Bauer nicht auch ein Handwerk triebe oder sich an einem erträglichen Handel beteiligte.
Der Landbau blüht; doch glaube ich nicht solche reiche Ackererträge bemerkt zu haben wie im Bassarilande, und das hat wohl seinen Grund einmal darin, daß das Wirtschaftsleben des fruchtbaren Bassarilandes, das weniger bevölkert ist, nur durch "Eisengewerbe" eingeschränkt wird, während bei den Tim daneben noch vielerlei andere Industrie und ein sehr reger Handel vom Landbau ablenken. — Die Feldbestellung erfolgt in mehreren Etappen. Erst Jams (Fudu), dann schwarze Bohnen (Kadje), Mais (Uamela) und Erdnüsse (Keke oder Akua). Hierauf kam dann früher Missi, deren Anbau aber jetzt abgenommen hat, ferner Erderbsen (Sue), Sorghum (Mela) und Reis (Mao), weiße Bohnen (Sona), hochwachsende Bohnen (Kudunusu) und eine kleine Passiflore (Kere). Die Reihenfolge der Ernte war: Kadje, Uamela, Akua, Missi, Fudu; dann eine Pause und hernach Sona, Kudunusu, Kere, und nachdem die Regenzeit lange zu Ende war, Adalla, Mela und Mao. Kaffega fehlt. Dagegen haben die Tim eine kleine und eine große Adalla, letztere die gleiche wie in Sugu. Die kleine Adalla wird auf die Fudufelder gehackt, wenn Fudu gehoben ist, und mit dem Mela zusammen geerntet. Die große Adalla wird gleichzeitig mit Mela, und zwar zwischen die Melareihen ausgeworfen und auch mit Mela zusammen geerntet.
Es wird alles auf lange Beete gebracht, die hier Kalega, Plural: Kalegassi genannt werden, mit Ausnahme von Jams, der auf Kegelbeete, also Haufenbeete, hier als Fele (Plural: Fela) bezeichnet, gebracht wird. Auf das gleiche Beet kommen oft Mela, Sona und Adalla. Die Melafelder werden dreimal gehackt. Das Sonakraut reißt man nach dem Abpflücken der Schoten aus und es wird als Dung wieder ausgeworfen. Auch Erdnußkraut wird als Düngemittel untergehackt. Dagegen fehlt jede systematische Dungansammlung und deren Verwendung. Nie sah ich im Timgebiet eine Dunggrube, wie sie jedes Kabregehöft besitzt. Als Fruchtwechsel auf gleichem Schlage ist üblich: erstes Jahr Jams, zweites Jahr Mela, drittes Jahr Jams, viertes Jahr Mela, dann Brache. Wenn diese Angabe der Wahrheit entspricht, so kann man dem Boden eine gewisse Fruchtbarkeit nicht absprechen.
Die Ergebnisse des Landbaues werden zumeist im eigenen Gehöft verbraucht und aufgespeichert, aber das Quantum entsprach doch wohl im allgemeinen nicht der enormen Produktivität der Bassari
farmen. Trotz der geringeren Erzeugnismengen wurde aber doch anscheinend mehr zu Markte gebracht als im Bassariland, und das hat seinen Grund darin, daß eben mehr Gewerbetreibende in den Städtchen wohnten, die auf Überproduktion auf dem Lande angewiesen waren, und daß eine fluktuierende Händlerwelt im Lande einherzog, die den Bassariten ganz unbekannt war. Dagegen war anderseits - angeblich auch vor dem Eindringen des Islam - im Timgebiet, zumal in der Landschaft Tschautscho, nie der Konsum an Korn so enorm wie bei den Bassariten; nicht als ob die Tim weniger gegessen hätten; nein, sie waren nur eben nie so enragierte Biertrinker wie die Bassariten, bei denen der größte Teil des Sorghum in die Bierbrauerei wanderte.Die Märkte wurden sehr regelmäßig abgehalten. Jeder Markt oder Markttag hatte seinen Namen. Im Sokodebezirk unterschied man den großen Markt in Didaure, der jeden Tag abgehalten ward, und sechs andere, die in kleineren Orten sich abspielten. Die Reihenfolge ist:
i. Der Kutunguli in Paratau, 2. Der Kalamessi in Katambara, 3. Der Soquadai in Jalifa, 4. Der Soum in Uassarade, 5. Der Bare in Birimi, 6. Der Kadjiga in Didaure. |
Auf den Märkten sind zunächst allerhand auswärtige Händler vertreten. Viele Fremde sind in eigenen Stadtvierteln angesiedelt, so die Joruba, die zumal Schmiedeerzeugnisse, wie Scheren und Messer, feilhalten -, dann Haussa, die mit tonigem Steinsalz, mit Webstoffen und ganzen Kleidern, mit Flechtereien, mit Messingschmuck aus Aschanti, mit europäischem Kram usw. handeln -, dann Fulbe, die Milch verkaufen und deren Frauen in Bafilo z. B. Töpfereiprodukte ausbieten.
Der weniger auffallende, aber integrierende Bestandteil der Händlerinnen ist natürlich vom einheimischen und altansässigen Timvolke. Einige Frauen sitzen auf Stühlchen, andere auf Steinen. Es gibt einen Marktaufseher, den Kia-Konto, der vom Uro eingesetzt wird, hier aber nichts mit den Steinsitzen zu tun hat. Der Mann nimmt von allen zu Markte gebrachten Feldfrüchten eine kleine Naturalabgabe, die er dann später mit dem Häuptling teilt. Er hält dafür den Markt und den Marktverkehr in Ordnung, trennt zum Beispiel Streitende und nimmt Diebe gefangen. Die Sicherheit der Märkte scheint übrigens stets eine befriedigende gewesen zu sein, so daß man Frauen allein hinwandern ließ. Dagegen nahmen die Männer gewohnheitsmäßig ihre Waffen, Bogen und Pfeil, auf den Marktwegen mit.
Die eigentliche Währung der alten Zeit bot die Kauri, hier Lida, Plural: Lide, genannt. Ich gebe im folgenden eine Preisliste, die nach Angaben älterer Leute die Werte älterer Zeit widerspiegeln soll:
ein kleines Huhn ca. 500 Kauri ein altes Huhn " 700 ein kleiner Ziegenbock " 1500 ein großer Ziegenbock " 8000 eine kleine Ziege " 4000 eine große Ziege " 8000 ein kleiner Ochse " 60000 ein großer Ochse " 80000 ein Pferd " 200000-400000 Kauri ein Sklave " 200000 Kann eine Last Mela " 1000 eine Last Fudu " 1000 ein kleiner Kochtopf " 50 ein kleiner Soßentopf " 30 ein großer Wassertopf " 350 ein kleines Hackeneisen " 1500-2000 Kauri ein großes Beileisen " 600 Kauri ein kleines Beileisen " 500 |
Nun das Gewerbeleben, in dem wir uns zunächst wieder nach der üblichen Trennung in Männer- und Frauenarbeit umsehen müssen. Selbstverständlich fällt auch hier den Männern alle Jagd und der Krieg, den Frauen Haushalt, Kinderüberwachung, Speisebereitung, Bierbrauerei, Brennholzsammeln, Wassertragen zu. Bei komplizierteren Arbeiten teilte sich der Anteil. Für den Hausbau trugen die Männer Bambus, Stricke, Stroh, Lehm und Holz herbei. Sie mischten, kneteten den Lehm und richteten die Häuser auf. Die Frauen schleppten das Wasser herbei und klopften nach der Vollendung den Boden. Beim Ackerbau fällt den Männern die Rodung, Urbarmachung des Landes, Bestellung des Bodens, Umschlagen des Sorghums und die ganze Jamswirtschaft zu. Die Frauen dagegen legen den Samen aus, schneiden die Kolben von den umgeschlagenen Kornstauden und tragen die Frucht nach Hause. Matten (Kuquallo; Plural: Kuqualla) und Körbe (Dogo; Plural: Dokn) verfertigen die Männer. Auch sie sind es, die schnitzen, doch setzt hier wie in Matten- und Korbflechterei schon eine Spezialisierung im Berufe ein, da hierin nicht alle Männer gleich erfahren sind und auch nicht alle solche Tätigkeit ausüben. Es ist ebenso wie in der Töpferei, die der Theorie nach jede Frau beherrscht, die aber doch nur von wenigen geübt wird, unter denen dann besonders Geschickte sich eines besonderen Rufes erfreuen. — Die Weberei liegt im allgemeinen
in den Händen der Männer, die den üblichen Bandwebstuhl des Sudan benutzen. In einigen Städten, zumal dem Kabregebiet zu, dann aber auch in der Nachbarschaft der Kurrama, der Waldstädtier, wird aber auch am stehenden Deckenwebstuhl und dann von Frauen gearbeitet. Schmiede (Kolu; Plural: Kolin) sind Vertreter eines eigenen Berufes; doch pflegen diese Leute nebenbei auch noch den Landbau, so daß sie ihre eigenen Lebensbedürfnisse selbst befriedigen können.Wie schon die Verbreitung des breiten, stehenden Stoffwebstuhles zeigt, sind einige Industriezweige auf einige Gegenden beschränkt. Hugershoff notiert für Dako, daß für den dortigen Markt alle breiten Stoffe, Töpferei-, Schmiederei- und Flechtereierzeugnisse sowie die Leibschnüre aus Palmkernschalen aus Bafilo zum Markte herbeigeschafft würden, daß er in Dako dagegen Färberei beobachtet habe. Erst in der Timebene, also im Einflußgebiet der Ekurrama, traf er dann wieder den breiten, stehenden Stoffwebstuhl.
Wenden wir uns nun der Terminologie einiger besonders wichtiger Industriezweige zu. An der Spitze mag die Arbeit des Schmiedes marschieren. Er heißt Kolu (Plural: Kolin). Es wird ihm aber im Anruf auch die höfliche Bezeichnung Atafakama zuteil. Sein Gebläse besteht in dem bekannten einfachen Balg aus Ziegenfell. Zeichnungen einiger Instrumente folgen bei. Diese Schmiede fertigen auch die Gelbgußfabrikate in der bekannten Weise an, d. h. ein in Lehmform verpacktes Wachsmodell wird mit dem im Gießtiegel flüssig gemachten Messing ausgegossen, danach die Lehmverkleidung zerschlagen und dann der Guß ausgeputzt.
a) Einige Bezeichnungen aus Hammer madarka Hammer ganz aus Eisen sille Zange bau Meißel masari Formmeißel jimre Gußform (z. Barren) -— fodoto Gußtigel aus Pferdemist und Lehm niverr Steinambos ure Kleiner eiserner Ambos baura Blasebalg (Ziegenfellsack) furu-ke-feto Wassergefäß = nambo Holzkohle ---gefinga Silber dielle Kupfer = enneno Eisen njero Beil djeo Gegossener Armring = bara |
b) Einige Bezeichnungen aus Beiaku: Blasebaig = furu oder kolu-nde-furu Blasebalgvorsatz =kefinga Messer = sa Zange =bau Meißelhammer = seile Normalhammer =materaga Feile =leretu Holzkohle =angmalla Amboßstein = ogu |
c) Einige Bezeichnungen der Schmalbandweberei aus Bafilo: Der Weber =loro Der Webstuhl = lotasi (Bandwebstuhl) Schlitten =kukusu Horizontaler Balken für die Auflagerung an der Stelle vor dem Durchschuß = tade Die zwei durch Fußtretung regulierten Trennvorrichtungen = dasiga Fußhölzer =dagambundu Sammler = summu Schiff = kanda Horizontaler Spannbalken (a); zum Aufrollen des fertigen Bandes =kugullugundu Horizontaler Balken zum Aufhängen der Spann- und Trennvorrichtungen =bele bunnu Der Faden =jodo Das fertige Stoffband =suggulugu Der genähte Stoff = bussao Blaue Farbe =jolluqueto (vgl. Haussa!) Weiße Farbe =kufurrumu Rote Farbe (aus Latent hergestellt und nicht wasserbeständig =kisemu Eisen zum Nachspannen von a =gurumalike |
d) Einige Bezeichnungen der Breitstoflweberei aus Bafilo: Die Weberin =loru Der Webstuhl = lodasi, genau wie bei den Kabre in Tschätschau konstruiert Die zwei horizontalen Hauptbalken = tara Die vertikalen Hauptbalken = dasi Der Sammler =akbassa Der Trenner = arno Das Spannholz = sesse |
Die Holznadel logu Der Faden =jologo Fertiger Stoff sada Baumwolle =joto |
Genau der gleiche Webstuhl ward in der Timebene von den Frauen gehandhabt. Hier wurden aber die wunderschönen unterbrochenen Stoffe hergestellt, die dreimal so teuer sind wie die gleichmäßigen. Die unterbrochenen Stoffe werden als sata-fofo, die gewöhnlichen als sata-tatu bezeichnet.
e) Einige Bezeichnungen der Lederarbeiterei in Bafilo: Das Fell wird zum Gerben in Seifenwasser (Seife =fofo) gelegt und darin zwei Tage gelassen. Danach können die Haare abgekratzt werden. Während des nun folgenden Lufttrockenprozesses wird das Fell zwischen den Händen gewalkt. Viele Ausdrücke der Lederindustrie scheinen aus der Yoruba- oder Haussasprache zu stammen.
Der Lederarbeiter njerreru Tranchirmesser borrofo Große gerade Ahle njimmre Kleine Ahle njimmre Leder (im allgemeinen) tonde Rote Farbe kessemde Weißes Leder tonde kurfurmde Schafleder = fo-tonde Ziegenleder = namtonde Rindsleder = notonde |
Während die oben erwähnten Werkzeuge altes Timgerät darstellen, sollen die nachfolgenden von Yoruba oder Haussa eingeführt sein.
Schere kibanga Messer in Taschenmesserform borrofo Ovales Schustermesser sia Arbeitsholz (halbrund) njerdanni |
f) Einige Bemerkungen über Indigoherstellung in Dako:
Die Blaufärberei wird als So bezeichnet, und zwar nach der gleichnamigen Liane, die man an allen Bachläufen zwischen Bassari und Dako findet und deren Blätter, gepflückt, der Gewinnung des Farbstoffes dienen. (Den Baum, der an der Grenze Liberias vielfach zu gleichem Zwecke sein Blattwerk hergeben mußte, habe ich hier nicht wahrgenommen.) Die Soblätter werden im Mörser gestampft und dann in der Sonne getrocknet. Hernach werden sie in einem Topfe unter Zuschüttung kalten Wassers mit weißer Asche verrührt. In diese Brühe werden dann die Kleider, die man färben will, eingetaucht, getrocknet, wieder eingetaucht und dieses etwa sechsmal wiederholt.
Zum Rotfärben von Stoffen und auch von Kalebassen verwandte man früher lediglich die Blätter des Sorghum, heute dagegen schon häufig Permangansaures Kali, das im benachbarten französischen Gebiet in größerer Menge auf den Markt kommt.
g) Einige Bemerkungen zur Mattenfiechterei in Bafilo: Die Timstämme wissen zwei Formen von Matten zu flechten. Zunächst sind da jene gröberen, einförmigen, die mir beim Verpacken meiner Sammlungen so hervorragende Dienste leisteten. Ich bezog sie aus Bafilo und mußte ca. 50 Pfennig per Stück bezahlen. — In Sokode auf dem Markte sah ich eine Stabmatte, und zwar von der durchbohrten Form, ziemlich häufig; aber ich habe vergessen, mich danach zu erkundigen, wo sie hergestellt werden. — Endlich gibt es noch eine dritte, diagonal und sehr schön gefärbte Matte, auf welche sich die nachstehenden Notizen beziehen. Der Mattenflechter (=keballin-lulu) schneidet sich sein Material von der Raphiapalme. Dieses Flechtmaterial heißt ballafulunga. Die zugeschnittenen Flechtstreifen werden gefärbt, und zwar: schwarz mit Humusboden, rot mit dem Gulombugu genannten Wurzelextrakt, gelb mit dem Ballan-gjinga-gras, das aus Kabre bezogen wird.
Diese sehr schönen Matten gleichen genau jenen, die in Sugu und auch am Niger bei Niamey und so weiter bis nach Faraka hinauf hergestellt werden und die in jenen Ländern aus den Blätterscheiden der Borassus verfertigt werden.
h) Einige Bemerkungen zur Perlengurtbereitung in Bafilo: Diese Fabrikation scheint eine Spezialität des Bafilogebietes zu sein. Sie wird deshalb als Hausindustrie betrieben. Der äußeren Erscheinung nach gleichen die Perlenschnüre ganz dem Diwarrageld der Südsee, den Scheibenperischnüren, die in Südafrika aus Straußeneiern und den gleichen, die im Kongoreiche aus Muschelschalen gefertigt werden. Die flachen, kreisrunden, scheibenförmigen Perlen (=ketjie) werden bei den Tim aus Stücken der Ölpalmfruchtschalen (=didjimbora) hergestellt. Die Bruchstücke der Schalen werden zunächst in ein faustgroßes Stück weichen Palmholzes (=dofola) eingepreßt und auf einem großen flachen Reibstein (=namre) mit einem Brei aus Wasser und Sand (= kanjinga) geschliffen. Dieses Schleifen ergibt flache, kreisrunde Scheiben, in die nun mit einem spitzen, nadelförmigen Eisen (=edjo) Mittellöcher eingebohrt werden. Danach werden die Scheiben zusammen auf eine Schnur aufgereiht; und damit diese nun recht ebenmäßig wird, schleift man die gespannte Schnur auf einem langen Brett. Die Frauen lieben es, diese Perischnüre um die Lenden zu tragen.
i) Einige Bemerkungen über den Barbier von Beiaku: Auf allen größeren Kotokollimärkten sieht man Barbiere, denen sich Wohlhabende gern anvertrauen, da sie während der Prozedur beliebte Objekte der allgemeinen Neugier werden, die sich überall gern da konzentriert, wo jemand unnützerweise Geld ausgibt. Der Mann hat im allgemeinen kein so reichhaltiges Necessaire wie Hugershoffs Studienobjekt in Beiaku.
Schleifstein hure Abziehriemen tonde Feile für die Schere njimre Schaumbecken tassaya (vgl. Haussa) Schere alma kassi (vgl. Haussa) Rasiermesser = barafo |
Der Barbier von Beiaku hatte eine ganze Reihe von Rasiermessern, für verschiedene Alters- und Berufsklassen verschiedene, z. B. besondere für den Häuptling und ganz besonders gut geschliffene für die, die gut bezahlen. Barbier heißt wansamm.
Die Berufsausübung führt uns nun zur Töpferin, deren Handwerk an zwei Orten beobachtet wurde, in Bafilo und in Paratau, beide Male von daselbst seit alters ansässigen Frauen.
k) Einige Notizen über das Töpferinnengewerbe in Bafilo: Töpferin nivenimaro Gestampfter Glimmerschiefer fatedo Tonerde tjo
Töpferscheibe igjelera, bestehend aus zwei Teilen, nämlich erstens einem alten Topfboden, auf dem der Topf aufgeformt wird, und zweitens einem tönernen Ring, der auf dem eben erwähnten alten Topfboden ruht und auf dem er gedreht wird. Wir werden gleich sehen, daß an Stelle des Bafiloer Tonringes in Paratau ein Strohring als Unterlage auftritt. Das Material wird aus Tonboden hergestellt, dem gestoßener Glimmerschiefer in gründlicher Anrührung mit Wasser zugefügt ist. Der fertige Materialkloß heißt tjugumau. Der Kloß wird dann zwischen den Händen zu einer dicken zylindrischen Walze gepreßt, deren Dimensionen 20 mal 15 cm betragen. Mit der Hand wird in die Mitte ein Loch gestoßen und dann folgt allmähliches Formen zu Konusformen mit den Händen und unter Zuhilfenahme einer Akazienschotenhälfte, mit der gestrichen wird. — Dabei immer wiederholtes Befeuchten mit Wasser. — Die Muster werden nachher durch Aufrollen eines aus Bastfäden gedrehten Strickendes (=mbija) auf der Oberfläche des Topfes hervorgerufen.
Topf niven Trocken =welo Topfbrennen =niven-kogu |
1) Einige Notizen über das i'öpferinnenyewerbe in Paratau: Töpferlehm = tscho Scherbenscheibe itchaelaga Der Strohring als Unterlage duborre Grundwalze kullekulle Töpfern =simana nu fen Halbe Schale der Akazienschale kukonde Maiskolbenrest = namele-dani Stöckchen aus Rohr zum Mustereindrücken kasi Fruchtschalen zum Glattstreichen manun (oder manung) Schneckenschale zum Auskratzen kittili Blätter zum Abreiben tjutjude Messer zum Bodenabschneiden = sa |
Reihenfolge der Arbeiten; am ersten Tage:
i. Lehmkneten.
2. Aufbau des Zylinders, der erst zwischen den Händen gewurstelt und dann senkrecht auf die Itchaelaga gestellt wird.
3. Die linke Hand fährt von oben spitz in die Mitte des Zylinders hinein und drückt die Masse bauchig nach außen. Die Itchaelaga wird dabei im Duborre gedreht. Die Linke drückt nach außen. Die Rechte formt von außen her.
4. Es wird ein dünnerer Streifen gewurstelt und dieser als Material zur Randausgestaltung oben rund herum aufgeklebt. Der Rand wird dann geformt durch Streichen, Drücken, Drehen und Gegenhalten.
5. Mit dem Kasi werden dann Muster eingedrückt und der ganze Oberteil mit dem Uamele-dani ebnend abgewälzt. — Nun ist der Oberteil ganz fertig, auch geglättet und gemustert, während der plumpe Unterteil noch fest im Itchaelaga klebt. In diesem Stadium läßt man den Topf einen Tag lang sonnentrocknen und setzt erst am darauffolgenden die Arbeit fort.
6. Am andern Morgen wird der Boden mit der Muschelschale innen ausgekratzt und mit Kukonde und Manun geglättet.
7. Am Nachmittage wird er dann vom Itchaelaga herabgenommen, umgedreht (so daß er auf den Hals zu stehen kommt) und mit dem Messer (sa) abgekratzt, bis eine schöne Rundung erzielt ist. Dann wird er geglättet.
Die Töpferin fertigt anscheinend immer mehrere Geschirre gleicher Form gleichzeitig an, läßt sie dann alle zusammen trocknen und brennt sie dann gemeinsam.
Ich möchte das Gebiet der industriellen und gewerblichen Tätigkeiten nicht verlassen, ohne noch einige Bemerkungen zur Architektur dieser Stämme gemacht zu haben. — Die Gehöfte sind in den Städten recht eng ineinander gebaut. Bei den Tim ist der
Rundbau allein herrschend. In das Gehöft führt der Weg meist durch ein sehr geräumiges Torhaus, in dem dann gewöhnlich auch die Pferde stehen. Das Wohnhaus des Hausherrn dagegen ist nicht selten gleich wie bei den Tscherkessi, bei denen das aber Regel ist, viereckig. Wenigstens fiel es mir mehrere Male auf. — Auf den Straßen sieht man häufig vor den Eingängen zum Gehöft eine Art Steinpflasterung, die an die monolitischen Kreisbauten in Nordliberia und bei den Evhe erinnern.Sowie wir das Timgebiet nach der Richtung von Alibi verlassen, betreten wir aber das Bereich des quadratischen Lehmbaues. Im Tschambagebiet treten die gewöhnlichen Rundhütten zurück; es überwiegen rechteckige, nahezu quadratische Grundrisse. Das aufgesetzte Strohdach ist gewöhnlich rundhüttenähnlich konisch. Es gibt daneben aber auch rechteckige Hütten mit Satteldach. Nach Angabe der Tschamba ist dieser letzte Typ modern und soll erst seit den intimen Handelsbeziehungen zu den Atakpameleuten bestehen. Dagegen deutet der quadratische Grundriß mit dem Spitzdach mehr auf eine längere und naheliegende Beziehung zu den Kurra-ma hin. Die Mauerhöhle beträgt im Durchschnitt 1,60 m.
f) Lebenslauf FamilienlebenDer Lebenslauf der Timleute wird durch eine behagliche, patriarchalische Gleichmäßigkeit gekennzeichnet. Ich bin mit den Kotokolli weniger vertraut geworden als mit den Bassariten und habe im wesentlichen immer nur einzelne Individuen kennengelernt und aus ihren Berichten mit dem Hintergrunde dessen, was der Reisende im Vorbeiziehen sieht, erlebt und erfährt, ein Bild dieser Stammesart gewonnen. Ich habe aber nicht jenen egoistisch materiellen Grundcharakter gefunden, der mir bei den Bassariten stets wieder ungemein unangenehm auffiel und der deren ganzem Lebenslauf den Stempel aufdrückt: egoistische Ausnützung der jugendlichen Nachkommenschaft seitens der Eltern, dann Vernachlässigung des greisen Alters durch die zweckbewußte Jugend. Die Tim haben im Gegensatz hierzu in mir die Vorstellung eines glücklicher veranlagten Volkes hervorgerufen, und ihren Lebenslauf regiert ein tiefer organisiertes Staatsieben, womit von vornherein eine Zügelung und Mäßigung, ein Ausgleich aller Kräfte geboten ist. Verfolgen wir die einzelnen Stadien.
Als Schwangerschaftsperiode, als Zeitraum, den der männliche Same im Mutterleibe von der Konzeption bis zur Geburt benötigt, rechnen die Tim neun Mondmonate. Einige Männer schlafen nur bis zum dritten, andere bis zum sechsten Monat der Schwangerschaft mit ihrer Frau, doch gilt letzteres als unersprießlich für die
Frucht. Die Schwangerschaftsbeschwerden werden nicht sonderlich beachtet oder als etwas Wesentliches berücksichtigt, man sieht es vielmehr als etwas ganz Selbstverständliches an, daß die angehende Mutter bis zum letzten Augenblick bei allen Beschäftigungen, die der Haushalt mit sich bringt, kräftig mit Hand anlege. So treten die Wehen nicht gar so selten ein, wenn die Frau im Busch beim Einsammeln von Feuerholz oder am Bach beim Wasserschöpfen beschäftigt ist.Im allgemeinen aber sorgt man, daß die Geburt im Hause in Gegenwart mehrerer alter Frauen vonstatten gehe. Die Haltung und Stellung der Kreißenden ist eine sehr verschiedene. Die meisten liegen wohl auf dem Rücken, ziehen die Beine hoch und lassen sich in der üblichen Weise von vorn und hinten halten. Andere dagegen ergreifen einen Balken des Daches und ziehen sich daran empor, strecken wieder die Arme und krampfen die gespreizten Beine nach oben zusammen. Die austretende Frucht wird dann von einer davorstehenden Frau in Empfang genommen. Die Tim geben an, nicht zu wissen, daß dies die typische Geburtsstellung der Fulbe ist. Daß die Tim die Sitte in der Verbindung mit Fulbefrauen kennengelernt haben, ist kaum anzunehmen, da die Kotokolli nie ihre Frauen aus diesem Volke nehmen. Anderseits berührt die Kenntnis dieser Methode hier um so eigenartiger, als die Hausbauform der Tim eigentlich gar keine Dachsparren bietet, die hierzu besonders geeignet sind, als diese Bauform eigentlich also gar nicht zu dieser Methode herausfordert. — Die Nachgeburt, deren Vollständigkeit man überwacht, wird, ohne irgendwie in einem Gefäße besondere Verwahrung zu finden, an der Pißstelle vergraben.
Die Wöchnerin erhält sogleich Speise und trinkt dazu den Extrakt von Konosurublättern, "damit das Blut schnell ablaufe". Das Kind erhält angeblich während dreier Tage nichts als Wasser und wird dann erst an die Brust gelegt. Es wird gleich nach der Geburt mit Quaquanniga eingefettet, das ist eine Masse, die aus dem zerriebenen Inhalt der Palmkerne hergestellt wird. Bao, der Nabelstrang, wird mit dem mit Salz gemischten Pulver aus Blättern des Kaedobusches eingerieben. Andere ziehen hierfür ein Salbe vor, die aus zerriebenen Termiten und Salz bereitet wird. Die nach solcher Behandlung innerhalb fünf bis sieben Tagen abfallende Schnur wird an der Sounda, der Pßstelle, vergraben.
Am siebenten Tage erhält das Kind seinen Namen, dessen Feststellung durch den Priester wir in dem Abschnitt über die religiösen Gebräuche und den Seelenwanderungsglauben kennenlernen werden. — Nur bei den Mohammedanern werden die Knaben beschnitten, bei den heidnischen Kotokolli nicht. Den Mädchen dagegen - um hier gleich aller Stammesoperationen zu gedenken -
wird im Beginne der Busenentwicklung die Spitze der Klitoris (=tjibire) abgeschnitten. Diese Operation vollzieht eine alte Frau, die darin erfahren ist. Die Behandlung der Wunde erfolgt mit Schibutter (ningide) und Palmöl (nisam). Eine besondere Zeremonie ist damit nicht verbunden. — Ebenfalls in jugendlichem Alter erfolgt die Gesichtstätowierung, die bei männlichen und weiblichen Wesen gleichermaßen genau der Mossitätowierung entspricht und aus drei Längsschnitten und einem Nasenwangenquerschnitt besteht. Leibverschönerungen sind nicht nur bei Timfrauen üblich, die zumal durch eine kreuzartige Ausstrahlung in der Nabelgegend von je nach einer Richtung auslaufenden drei Parallellinien charakterisiert sind, sondern auch bei Männern, die mit Kümmergestalten der Eidechse geziert sind, wie wir sie schon bei den Bassariten kennenlernten.Die Entwicklung der Kinder ist eine normale. Die Eltern rechnen sieben Monate, bis das Kleine auf den Knien rutschen, und zwölf, bis es auf den Beinen balancieren und schwankend laufen kann. Im Alter von einem Jahre kann es auch das erste Wort "Mango", d.h. "meine Mutter" aussprechen, ein auch Fremden verständliches Geplapper aber erst mit drei Jahren ausüben. Bis zum siebenten Jahre gleiten die Kinder tändelnd und spielend, also unmerklich in das Arbeitsleben hinein, und dann wird ihre kleine Arbeitskraft auch schon zu allerhand Hilfeleistungen herangezogen, die der Mädelchen zur Speisebereitung, zum Fegen, Waschen, Warten der jungen Geschwister, beim Marktverkehr usw., die der Knaben zu Ackerbetrieb und als Lehrlingsmaterial bei allerhand industrieller Tätigkeit, die auch hier zumeist in der Jugend schon gelernt sein will. In früheren Jahren waren Jugendverlobungen das durchaus Übliche und Normale. Wenn ein etwa zwölfjähriger, also durchaus schon arbeitskräftiger Bursche ein Mädchen sah, das seinem Geschmacke nicht nur zusagte, sondern auch seiner Familienzugehörigkeit nach in den Kreis seiner eigenen Sippe paßte, so erwog er die Sache wohl eine Zeitlang und trug dann seine Entscheidung, daß er dieses Kind einst ehelichen wolle, dem Vater vor. Der nahm dann mit dem Vater des Mädchens Rücksprache. Wurden sich im Verlaufe derselben die beiden Väter einig, so begann die Dienstzeit des jungen Burschen. Er machte nun dem künftigen Schwiegervater zunächst einmal Geschenke in Bier und andern Genußmitteln.
Dann aber trat er mit energischer Betätigung in seine neue Stellung ein. Von nun ab teilte er seine Arbeitszeit in Dienstleistungen, die bald auf den väterlichen Farmen, bald auf denen des Schwiegervaters, hier nach einer Angabe nur sieben Tage im Monat, abgetragen wurden. Von Zeit zu Zeit rief er auch wohl seine Freunde herbei und arbeitete an ihrer Spitze auf den schwieger
väterlichen Äckern. Das dauerte seine fünf bis sechs Jahre, nach welcher Frist das Mädchen etwa zu einer I4jährigen Jungfrau herangereift und für sie der Zeitpunkt gekommen war, in dem sie ihrer Klitoris beraubt wurde. Sobald das geschehen und die daraus resultierende Wunde geheilt war, wurde dem Bräutigam die Mitteilung, daß er nun seine Braut "einfangen" könne.Den Brautfang vollführte der Bräutigam nicht selbst, sondern er beauftragte mit dessen Ausführung seine Freunde; die suchten das Mädchen nun bei der ersten besten Gelegenheit zu erhaschen, sei es beim Tanze, beim Wasserholen am Bach oder beim Feuerholzsammeln im Busch. In üblicher Weise vollzieht sich das, worauf die Braut in das Haus ihres zukünftigen Schwiegervaters gebracht wird. Da sitzt sie dann und heult einen Tag lang. Der Bräutigam aber sendet seinem Schwiegervater ein Geschenk, in 10000 Kauri und einem Topf Bier bestehend.
Nun folgt der erste Beischlaf, der sowohl in der Hockstellung wie bei den Kabre als in der üblichen europäischen Streckstellung über der auf dem Rücken liegenden Neuvermählten ausgeführt wird. Es wird bei den Tim darauf geachtet, daß das Mädchen noch Jungfrau sei. Wir sehen also, daß wir das Sittengebiet der Diabastämme verlassen haben und uns in einer der dagombischen ähnlichen Anschauungssphäre befinden. Die Lakenprobe kommt nur bei den Mohammedanern vor. Aber die Tim sagen, sie hätten auch schon vor der Kenntnis dieser mehr öffentlichen Zertifikation streng darauf geachtet, daß die Mädchen keusch und unberührt in die Ehe kämen.
Wenn der Bräutigam mit dem Ergebnis, dem Befund der Brautnacht, zufrieden ist, so kauft er am andern Tage sogleich große Mengen Bier auf. Und wenn dann im Verlauf desselben die Freundinnen der jungen Frau zu Besuch kommen, so gießt er alles Bier in einen riesigen Topf, so viel, daß er zuletzt überläuft bis heraus auf die Straße. Das ist gewissermaßen der symbolische Ausdruck für überströmende Glücksgefühle. Sehen das die Freundinnen, so gratulieren sie stürmisch und herzlich der jungen Frau und sagen ihr: "Du hast dich gut gehalten!" Und alle mehr oder weniger beteiligte Verwandte und befreundete Nachbarschaft und Außenwelt beeilt sich, sich ein wenig mitzuberauschen.
Der Vater des jungen Ehemannes sendet seinerseits Bier an den Brautvater und dankt für die gute Erhaltung der Tochter. Andernfalls, d. h. wenn das Mädchen schon berührt war, bekommt der Brautvater einen nur zur Hälfte mit Bier gefüllten Topf. Der bedrückte Brautvater sagt dann zu seiner Frau: "Unsere Tochter ist schon lange beschlafen worden." — Der nur halb gefüllte Biertopf der Tim entspricht der im gleichen Falle bei den Dagomba dem
Brautvater übersandten halben Kolanus. — Zurückgesandt wird übrigens auch im schlimmsten Falle die Braut nicht. Wohl aber verlangt der Anstand, daß die junge Frau nach sieben Tagen noch einmal zu ihrer Mutter zurückkehre. Tut sie das nicht, so beschuldigt die Klatschsucht der Freundinnen sie übermäßiger Geilheit.Im allgemeinen zieht das junge Ehepaar in das Gehöft des Vaters des Gatten ein. Die Timordnung des Zusammenhaltens der Familie repräsentiert eine patriarchalische Form, die dem Mandetypus recht nahesteht. Dem Prinzip nach bleibt die ganze Familie stets gemeinsam seßhaft in einem Gehöft oder einem Gehöftzyklus. Das älteste Glied der ältesten Generation leitet dann die Wirtschaftsführung, so daß oftmals nicht der Vater, sondern der Großvater Oberherr des nun neu eintretenden jungen Paares wird. Aber da die Tim in recht eng ineinander geschachtelten Städtchen wohnen, da bei ihnen infolgedessen leicht und bald eine Überfüllung des Gehöftraumes eintritt, so versteht es sich von selbst, daß bei dem Anwachsen des Nachwuchses die älteren der jungen Ehepaare bald jüngeren Platz machen, ausziehen, eigene Gehöfte gründen und damit auch in die Wirtschaftsgemeinschaft eine Lücke schlagen. Sie machen sich selbständig, legen eigene Farmen an. Wohl bleiben sie noch in einem gewissen Sinne arbeitspflichtig (siehe, was oben über den Dedaualu Kubon der Gobirri gesagt ist), sondern sich aber doch als selbständige Wirtschaftszellen immer mehr und mehr ab, so daß die engeren Zusammenhänge nur noch schwer zu erkennen sind.
Hier nun eine Aufzählung dessen, was die junge Frau als Aussteuer mit in die Ehe bekommt:
i. Stoff = bissao 2. Kalebassen jika; Plural: jissi 3. Kalebassenlöffel = senunga; Plural: senussi 4. Kochtopf = mutu-ni-feu 5. Wassertopf = lum bae(g)a 6. ein Korb für Stoffe =bonjon; Plural: bonjoni 7. Besen = sane; Plural: sassi 8. Mörser =soja; Plural: soisi 9. Mörserkeule =sujembu; Plural: sojembia 10. Matte =kuquallo; Plural: kuqualla 11. Seife fofo 12. Salz ==dom 13. Pfeffer =djangai 14. Palmöl =nisam 15. Soßenfrüchte =kutjotu 16. Gewürzkraut =tjotu |
Damit beginnt die junge Frau einen eigenen Küchenbetrieb, hat aber von ihren Produktionen den älteren Herrschaften im Bedürfnisfalleabzugeben,
wofür ihr dann anderseits das Recht zusteht, Korn, Jams usw. aus den Speichern des Familienverbandes zu entnehmen.Zunächst bleibt der junge Mann wie gesagt vollkommen Hausund Arbeitshöriger der älteren Generation, also wahrscheinlich des Vaters. Nur während kurzer Zeitspannen kann er im Anfange für sich und seine Hausstandzelle arbeiten. Nach und nach aber gewinnt er mehr freie Zeit. Während ihm in der ersten Zeit seiner jungen Ehe seine Freunde und Altersgenossen bei der Arbeit auf väterlicher Farm helfen, treten sie später zusammen, ihm das eigene Feld herzurichten. — Es ist hochinteressant, die Altersgenossenschaft und ihre Tätigkeit bei den Tim zu beobachten und dieser fast naturgeborenen und anscheinend in keiner Weise durch Zwang herbeigeführten Genossenschaft nachzugehen. Die Entstehung der einzelnen Gruppen ist nicht äußerlich erkennbar. Bei den Mande, bei denen die Altersgenossenschaft doch durch gemeinsame Beschneidungsperiode, durch gleichzeitige Bundbildung (z. B. Tombokung usw.) und eine viel strammere Organisation herbeigeführt scheinen, verstehen wir solche Entstehung. Dort hat sie einen Ausgangspunkt in den erwähnten Beschneidungsperioden usw. Aber bei den Tim habe ich nichts dergleichen wahrnehmen können. Wie aus atmosphärischer Nebelschicht taucht die Altersgenossenschaft auf; die Burschen arbeiten erst gemeinsam auf dem Acker der verschiedenen Schwiegerväter - um den einzelnen zur Frau zu verhelfen -, dann auf den Feldern der Väter, um den einzelnen freie Arbeitszeit erkämpfen zu helfen und zuletzt, wenn der einzelne nun zum eigenen Wirtschaftszellchen gekräftigt ist, helfen sie ihm eigenes Farmland durch Rodung gründen. Das Ganze ist wie etwas sehr Natürliches. Ich habe bei den Tombo der Homburiberge und auch sonst gleiches gefunden; nie aber habe ich die Naturgeborenheit dieser Erscheinung als etwas so Selbständiges empfunden als bei den Tim.
Jedenfalls kommt der junge Mann so zu einem eigenen Landbesitze. Er verdient etwas. Er kann durch Kaufschillung weitere Weiber erwerben, die aber nie die Stellung einnehmen werden wie die erste Frau. Somit kann man hier von einer Art Monogamie reden, die nur Beischläferinnen zuläßt. Es ist ein beinahe alttestamentarischer Zustand. Mit solchem Besitzwachstum wird er freier und selbständiger. Und so tritt die Separation unmerklich ein.
Aber erst, wenn der Vater oder ältere Bruder gestorben ist, kommt der Mann in den Besitz der Familienoberherrschaft und von Vieh und sonstigen größeren Schätzen. Zu Lebzeiten scheint der alte Vater nichts abzugeben. Die Erbschaftsteilung scheint in alten Zeiten eine sehr einfache gewesen zu sein. Der alte Ritus war: der
älteste Bruder des Toten übernahm alles: Weiber, Kinder, Gehöft, Vieh, Geld, Ackerland usw. Aber er behält nicht alles, sondern gibt seinen jüngeren Geschwistern etwas ab. Die Kinder des Verstorbenen leben und bleiben auch in seinem Haushalte, bis sie ehereif sind, dann verheiratet er sie. — Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß bei den Tim auch eine Frau sich ein eigenes kleines Besitztum erhalten und erwerben kann. Dasselbe besteht zunächst aus dem, was sie von den eigenen Eltern zur Aussteuer erhielt, dann, was sie im Laufe der Ehe aus Bierbrauerei und Bierverkauf (auf dem Markte), dann, was sie etwa aus der Töpferei, wenn sie solche betreibt, erwirbt usw. Diese Möglichkeit eines Frauenbesitzes ist ein äußeres Zeichen einer gewissen Selbständigkeit, die man überhaupt den Kotokollifrauen nicht absprechen kann. Ja, man muß vielleicht den Timfrauen eine gewisse übermäßige Selbständigkeit vorwerfen. — Das Besitztum einer Frau geht mit ihrem Tode an deren Eltern, und wenn solche nicht mehr leben, an ihre Kinder über.Nun das Lebensende, das Sterben, womit wir in das Gebiet des religiösen Kultus übertreten.
g) Manismus. Totendienst. SeelenwanderungDie Tim haben Priester der Schamanen- und Prophetenart, die Teoa (Singular: Teu). Medizinmänner, die in Krankheitsfällen ärztlich helfen, gibt es dem Anschein nach nicht. Erkrankt jemand, so wendet man sich an den Teu. Der betrachtet dann das Kanjinga, das Sandorakel. Danach weiß er Bescheid und gibt nun seine Ratschläge in bezug auf Arzneimittel. Schlagen diese an und kommt der Kranke mit dem Leben davon, so erhält der Teu ein Geschenk von 20 bis 100 Kauri. Bleibt der Kranke dagegen unter der Behandlung dieses ersten Ratgebers in gleich schlechtem Zustande, so wendet die Familie sich an einen zweiten Teu und versucht, ob seine Ratschläge einen besseren Erfolg haben. War die Sache eine sehr schwierige, so gibt man dem letzten, der geholfen hat, außer den üblichen 20 bis 100 noch ein Extrageschenk bis gegen ioooo Kauri nebst Huhn oder Ziege, die andern gehen aber leer aus; und wenn der Kranke trotz aller Mühe stirbt, so erhält überhaupt keiner von ihnen etwas.
Nach dem Verscheiden wird die Leiche sogleich hergerichtet, rasiert, mit Wasser gewaschen, in blau und weiß gestreifte Laken - die in Sugu und Semere oder von wandernden Jorubaleuten gekauft werden -gehüllt und zu Grabe getragen. Es ist aber bei den Tim nicht üblich, die Leichen zu ölen. Der Zeitpunkt der Bestattung richtet sich danach, wann die Verwandten anlangen. Denn diese
bringen die Totengeschenke mit. Solange liegt die Leiche mit Stoffen und Matten bedeckt im Hause. Inzwischen wird aber das Grab hergerichtet. Ein vertikal geführtes kreisrundes Loch, das recht eng ist, führt in einen ca. 130 cm tiefen, seitwärts breit ausgeschachteten Gang. Hugershoff fand, daß die Grabform genau dem bei den Turka beobachteten Typ entsprach. Häufig, zumal in Häuptlingsfamilien, wird es wie bei den zentralen Mande inmitten des Gehöfts, das weiter bewohnt wird, angelegt.Sind die schleunigst benachrichtigten Verwandten angelangt, so erfolgt auch gleich die Überführung aus dem Hause in das Grab. Anscheinend erfolgte früher auch dann, wenn der Tote im eigenen Gehöft beigesetzt ward, erst ein möglichst glanzvoller Umzug durch das Städtlein, wobei nach Möglichkeit geknallt und verpulvert wurde. Dabei wird eine eigenartige Opfersitte geübt. Die Leute werfen Kauri auf die bedeckte Leiche. Was davon liegen bleibt, läßt man darauf und versenkt es mit dem Toten in die Grube, was aber abgleitet und herunterfällt, sammeln kleine Buben auf, die sich diese Gelegenheit, einen kleinen Verdienst zu erhaschen, nicht entgehen lassen. Sie dürfen die Kauri als ihr Eigentum ansehen. Nachher wird dann die Leiche in das im Hofe und noch häufiger im eigenen Hause angelegte Grab versenkt, was die Angehörigen aber nicht hindert, noch weiter in dieser Behausung zu wohnen. Die Achse des Grabkanals verläuft von Nord nach Süd. Alle Toten werden mit dem Kopf nach Norden, den Beinen nach Süden, in der Stellung des Schlafes, also auf der Seite, mit hochgezogenen Beinen hingelegt. Die eine Hand ruht unter der Backe. Aber die Männer begräbt man mit dem Gesicht nach Osten, also auf die linke, die Frauen mit dem Gesicht nach Westen, also auf die rechte Seite, wofür hier kein besonderer Grund angegeben wird.
Für unverheiratete Tote wird kein Totenfest veranstaltet, wohl aber für alle verheirateten. Dieses Fest währt sieben Tage und wird mit Schießen, Biertrinken, großem Trommeln und allabendlichen Tänzen gefeiert. Gerade die mit dem Manismus verbundenen Sitten zeigen uns übrigens an, daß wir uns in der Nähe des dahomeyischen Kulturkreises befinden. Nämlich noch zweimal, je nach Verlauf eines Jahres, wird das Lia genannte Totenfest begangen. Es ist eine Ehrensache für die Familie, daß es möglichst glänzend verlaufe. Man schlachtet bei dieser Gelegenheit Tiere, arme Leute Hühner, wohlhabendere Ziegen und reiche Ochsen, bis drei an der Zahl. Das Bier fließt dann in Strömen und manches Tönnchen Pulver wird verknallt. Es erfolgt noch ein direktes Opfer, das in der Hütte, in der der Tote gebettet liegt, und über dem Grabe geschlachtet wird. Es besteht in einem Huhn. Fernerhin schlachtet man in dem Torhaus ein Tier, und zwar, was hochinteressant ist, wenn es einem Manne
gilt, eine Ziege, wenn es einer Frau gilt, einen Hund. In diesem Hundeopfer ist ein hochinteressantes Vergleichsobjekt gegeben. Ich erinnere an das Kissibo und die Boasage bei den Bakuba, die Hundebrautgabe der Samoko usw. — Nachher werden dann Huhn und Hund resp. Ziege verspeist.Als Trauerzeichen tragen die Blutsverwandten einen blauen Schal um den Kopf geschlungen. Männer haben diesen ein Jahr lang beizubehalten und können dann wieder zu der üblichen Mütze übergehen. Die Witwe hat während dreier Monate das Kataeka genannte Frauenkopftuch anzulegen. Nachher kann sie es gegen ein beliebig andersfarbiges, buntes umtauschen. Während des gleichen Zeitraumes trägt sie am linken Arm über dem Handgelenk ein weißes, Kodunga genanntes Fadengehänge.
Hat der Tod (=sim) in unerklärlicher Weise einen Menschen weggerissen, so begeben sich die Verwandten zum Teu(bei den Haussa =Alfa) und fragen ihn nach der Todesart. Der wirft Kaurimuscheln und erklärt die Todesursache. Er sagt dann etwa: der längst verstorbene Vater habe den Toten gerufen, um ihn zu fragen, warum er so wenig auf dem Grabe geopfert habe. Oder: Der Verstorbene habe zu wenig Essen für seine Lisassi (siehe unten), die heiligen Holzfiguren, gemacht. Oder: ein Vampirmensch habe ihn um das Leben gebracht, und im letzteren Falle erfolgt dann schwere Anklage und Gottesgericht. Darüber haben wir weiter unten zu handeln.
Im allgemeinen sagen die Tim, die Uessu, die Seele, das Leben der Sterbenden gehe zu Esso (Gott, von iso-oben), um später im Leib eines Kindes wiedergeboren zu werden. Aber das ist nur eine kurze Abspeisung. In Wahrheit treffen wir bei den Tim eine recht komplizierte Anschauungsform. Über die Kasena (Plural: Kasevi), die Totenseele, ihre Wanderungen und ihre Existenzform hegen sie eine Menge von Ansichten, über ihre Wandelformen eine große Reihe von Vorstellungen, deren wichtigste hoffentlich gefunden wurden und im nachfolgenden angeordnet werden mögen.
Danach geht die vom Körper losgelöste Kasena zunächst zu der Stelle, an der der Verstorbene zu Lebzeiten zumeist gewirkt und gearbeitet hat, d. h. die Mannesseele auf die Farmen, die Frauenseele zur Braustelle, an der die Abgelebte meist ihr Bier kochte. Gemeiniglich arbeiten die Totenseelen dort. Wenn ihnen aber das Totenfest gefeiert wird, so schwirren sie überall umher. Danach begeben sie sich auf die Wanderung und ziehen nach Süden, in das Adeleland. Dort unten ist die große heilige Sache, die Diaburrunda genannt wird und die mir nicht ganz klar geworden ist. Bei der Diaburrunda (oder Djaburrunda) weilen die Totenseelen. Dort unten begrüßen sie sich als Lumbu (lum =Wald, bu (Plural: bie) =
Kind, Lumbia oder Laumbia =Waldkinder), Waldkinder sollen sie sich nennen, weil sie dort im Walde leben. Aber das ist nicht ganz sicher.Wollen die Tim nun mit ihrem im Adeleland weilenden Seelen in Verkehr treten, so senden sie eine Art Leute dorthin, die als Tchallama (oder Djallama, Singular: Tchallanu oder Djallanu) bezeichnet werden. Diese Tchallama sollen ursprünglich in uralter Zeit aus dem Adeleland gekommen sein und früher neben den Kotokolli eine eigene Sprache gesprochen haben. Es ist mir persönlich nicht gelungen, Reste dieser archaistischen Sprache aufzutreiben, halte es aber doch nach allem recht wohl für möglich, daß ein anderer mehr Glück hat. Die Tchallama vermitteln den Verkehr mit den "Lumbia". Sie bringen, wenn es sich um irgendwelche drohende Not, Epidemien oder schlechte Ernten usw. handelt, Opfer und Geschenke zu Djaburrunda. Das hat dann immer sehr guten Erfolg. —Im übrigen sind die Tchallama heute in keiner Weise besonders angesehen oder irgendwie aus Glaubensgründen gefürchtet. Sie gehören zu keiner Gobirri, sind über das ganze Land hin zerstreut und bebauen wie jeder andere die Felder. Nur eines wird noch als besonderer Kultusakt (?), als ihr Vorrecht oder ihre Verpflichtung (?) bezeichnet: sie binden in kriegerischer Zeit, wenn Landfrieden verkündet werden soll, die Zweige an die Baumstange und stecken diese auch zwischen den Streitenden in den Boden.
Wenn die Kasena, die Totenseele, nun eine Zeitlang als Lumbu, als Waldkind, im Adeleland gelebt hat, kehrt sie zurück und führt nun ihr Dasein in eine neue Form, sie inkarniert sich in einem neugeborenen Kinde oder vielmehr im Embryo einer Frau, nachdem ein männlicher Nachkomme ihrer letzten Menschengestalt mit dieser geschlafen hat. Also eine klar ausgesprochene Seelenwanderung. Die Reinkarnation erfolgt aber stets in der Vaterlinie. — Wenn darum in einem Hause ein Kindlein geboren ist, so geht der Vater am siebenten Tage zu einem Teu und fragt diesen nach dem Namen des Kindes. Es bekommt den gleichen Namen, den jener führte, in dem die Seele früher lebte, und das war unbedingt ein Verwandter des Vaters. Der Teu schlachtet dann Hühner, läutet mit der heiligen Glocke, gerät in Inspiration und kann nun den Namen nennen: man weiß, welche Seele in diesem Kind wiedergekehrt ist.
Man opfert den Ahnen. — Tritt man durch das Torhaus in ein altes Timgehöft, dessen Inhaber noch nicht modernen und islamitischen Einflüssen verfallen sind, so sieht man links - in der Mauernische einen flach geklopften Lehmkegel, der häufig mit Kaurimuscheln geschmückt ist, der heißt Katelia (Plural: Katerissi). Ich betone die Anlage links von dem Torhause, denn bei den Tamberma
ist die Ornamentwand und die Opfernische im selben Sinne rechts gelegen. — Der Lehmhügel Katelia ist die Stelle, an der für die Ahnen geopfert wird. Man bringt da schon in guten Zeiten Hühner, Ziegen, Jams, Sorghum, Bier, selbst Stoffe dar. Wenn aber Träume drohen oder Krankheiten oder sonst irgendeine Not die Familien bedroht, so wendet sich der Familienälteste an dieser Stelle an die Totenseelen. Alle Familienmitglieder sind versammelt, der Alte opfert und betet. Aber eine genaue Angabe dessen, was hier zu verrichten ist, erfolgt wiederum durch den Teu, der durch seine Orakelei feststellt, welcher unter den Toten der Familie es ist, der, sei es infolge gelangweilter Mißlaunigkeit oder infolge Vernachlässigung entstandenen Zornes, das Unglück herbeigeführt hat.Dann verfügen die Tim über eine zweite Anschauung und entsprechend Sittenübung, die in hohem Grade interessieren muß, da sie zur Parallelstellung mit modernem und auch veraltetem Spiritismus herausfordert, Häufig kehrt ein verstorbener Mensch zwar in das Heimatgelände zurück, läßt sich aber nicht in einem Kindlein seines Familienkreises wiedergebären, sondern inkarniert sich in einer meist schon bejahrten Frau. Solchen mit einer zweiten, einer Totenseele besessenen Menschen nennt man Kessensi-tena (Singular: Kessinga-nto). Diese zweite Seele weilt nicht ständig in der in Besitz genommenen Frau, sondern immer nur von Zeit zu Zeit. Dann ändert sich aber plötzlich das übliche Gebaren der Frau. Die Kessinga-nto bewegt und gebärdet sich mit einem Male just so wie der Mensch, in dem die Totenseele vor seinem Absterben lebte, und zwar so deutlich, daß ihn jeder, der ihn bei Lebzeiten kannte, unbedingt wieder erkennen muß. Die Kessinga-nto hat dann seine Hand- und Beinbewegungen. Sie hat sein Mienenspiel, sie zeigt die gleichen kleinen Angewohnheiten, die man an jenem beobachten konnte - alles bis in das kleinste Detail hinein. Aber nicht nur, daß die Frau solche Nachahmung durchführen kann - nein, sie erhält auch dadurch das Recht, sich äußerlich genau nach dem verstorbenen Vorbilde zu gebaren. Sie zieht dann die Kleider des Verstorbenen an, nimmt seine Waffen zur Hand, steigt auf sein Pferd und reitet - kurz und gut, repräsentiert also in jeder Weise den Toten.
Ein gutes Beispiel solcher Art repräsentiert in Sokode die Frau Nasarra, in der sich von Zeit zu Zeit die Seele des verstorbenen Häuptlings, des großen Uro-iso Jabo Bukari, niederlassen, und die dann von ihm ganz erfüllt sein soll. Ich selbst war leider nie Zeuge einer solchen Produktion, aber die Schilderung eines klassischen Augenzeugen, wie Dr. Kersting, der auch den Verstorbenen wie keinen zweiten kannte, garantiert mir dafür, daß die Frau ihre Sache vorzüglich versteht, wollte sagen, daß sich der Verstorbene durch sie
in überzeugendster Weise wieder darzustellen vermag. Angeblich sind derartige Inkarnationen an bestimmte Grade der Familienzugehörigkeit gebunden. Vor allen Dingen wählen die Totenseelen zu solchen zeitweiligen Reinkarnationen gern eine Schwägerin, d. h. also eine Frau des richtigen Bruders. Hat die Seele einmal ein solches Objekt zur Besitzergreifung gewählt, so kehrt sie häufig in ihm wieder, niemals aber in einer andern Person. Solange sie in solchen Besessenheiten sich manifestiert, kann sie nicht als Kind wiedergeboren werden. Ich brauche wohl nicht besonders zu betonen, daß für die Besessene damit keinerlei Schädigung geistiger Eigenart oder materieller Interessen verbunden ist.Ich möchte nun noch die Seelenwanderungsanschauung des ins Timgebiet verschlagenen und heute an die Grenze der Kurramia verdrängten Diabastammes, der Tschamba, erwähnen, die nach innerem Sinn und geographischer Verbreitung interessante Anhaltspunkte bietet. — Stirbt ein Mensch, so geht die hier "bifa" genannte Seele ins Wasser. Im Wasser lebt der Manatus, den die Diaba als odje bezeichnen, worin wir das Aju der Haussa und Songai wiedererkennen, so daß wir an den Zyklus der Ma-Sagen des westlichen Sudan erinnert werden. Zu diesem odje gehen die Totenseelen. Früher waren alle Menschen Manatus. Heute aber noch gibt er dem Embryo das Leben, die Seele, er befruchtet oder belebt also die Frau, ohne daß die Mutter es weiß. Deshalb gehen die Frauen beim Ausbleiben des Kindersegens ans Wasser, opfern dort und bitten um Kinder.
Die Gräber der Tschamba gleichen genau denen der Tim.
h) Schamane. Subachen. ZaubermittelWir haben nun schon gar mancherlei von den Schamanenpriestern, den Teu der Tim gehört. Wir haben gesehen, daß diese Priester hier in mancherlei Lebenslagen zu Rate gezogen werden. Sie treten bei den Tim häufig mit manistischen Anschauungen und Kultussitten in Beziehung, was bei den Diabastämmen nicht so der Fall war. — Es wird Zeit, ihren Werdegang und ihr Wesen zu betrachten.
Wenn ein Kind ganz mager und dünn geboren wird, so daß es als ein fast hoffnungsloses Wesen erscheint, so wendet sich der Vater mit der Frage an einen alten Teu, was mit dem Kinde zu tun sei, damit es am Leben bleibe, und wie dieser traurige und unschöne Zustand eigentlich zu deuten sei. Der alte Schamane pflegt zu antworten, daß dies Kind offensichtlich zum Teu prädestiniert sei und daß man es demgemäß sogleich mit der nur den Teu bekannten Teumedizin behandeln müsse. — Also, daß wir die kleinen Scha
manen bei den Tim sich ebenso einbürgern sehen wie bei den benachbarten Bassariten.Wächst das Knäblein heran, so beginnen sich prophetische Träume einzustellen. Er spricht über sie wohl zu den Eltern, nicht aber zu dem alten Teu, dem sein Vater ihn einst vorstellte und der ihm einst die Medizin verabfolgte. Dieser alte Herr erfährt von solchen inneren Erlebnissen seines heransprossenden Schützlings nur ganz im allgemeinen. Solche Kenntnisnahme genügt ihm aber, seine Ansicht als bestätigt zu betrachten. Er beginnt auf dieser Grundlage den Burschen wieder einen Schritt weiter in seine Prophetenlaufbahn einzuführen, indem er ihm abermals ein Elixier verabfolgt. Das macht den Jüngling hellseherisch. Hie und da kann er gelegentlich von dieser Eigenschaft Zeugnis ablegen. Man spricht davon, man erkennt ihn an, beginnt ihn als aufgehende geistige Größe zu betrachten. Es finden sich Leute, die ein Geschenk von 20 bis 100 Kauri wagen, womit sie ihn bestimmen wollen, in irgendeiner Angelegenheit seine Hellsichtigkeit in ihren Dienst zu stellen. Solche Experimente mögen einige Male von Erfolg gekrönt sein, und somit breitet sich sein Ruf aus und er wächst nach außen unmerklich, aber sicher, als kommender Teu in die Volksüberzeugung hinein.
Wenn der junge Mann das Alter erreicht hat, in dem andere heiraten, so erfolgt die eigentliche Einführungszeremonie, die im Lisassi-Dang, im Heiligtume oder Tempel des alten Teu stattfindet. Hierin treffen wir alle Religionssymbole der Tim.
Da steht zunächst ein kleiner runder Sessel, der den Namen Lisassi-dequule hat, daneben ein paar Holzfiguren, die Lisassi oder Lesassi (Singular: Lisa oder Leso). Diese Figuren sind stets paarweise vorhanden, und zwar führt die weibliche den Namen Tjettere, die männliche den Namen Djere oder Tjeri. Die Ausdeutung dieser Figuren hat mir viel Mühe gemacht, ohne daß ich ein ausschlaggebendes Resultat erzielt hätte. Ich will das negativ abgrenzende in den Vordergrund stellen. Die Haussadolmetscher übersetzten mir diese Bedeutung mit iblis =Teufel, böser Geist, in Haussa. Wir hörten das mehrfach, ich kann aber nach gründlicher Erkundung feststellen, daß das eine irrtümliche Erklärung ist. Weiterhin stellen diese Holzfiguren auf keinen Fall Ahnenbilder dar. Die Tim erklären selbst: "Wir sind keine Kabreleute, die sich einen Großvater aus Lehm machen." Diese Figuren repräsentieren keine Ahnen, haben keine Namen und scheinen niemals vererbt zu werden. Sie repräsentieren überhaupt keine Menschen.
Mehrere Tatsachen bieten dagegen doch einige Anhaltspunkte für Schlußfolgerungen im positiven Sinne. Wir hören mehrfach, daß im Falle des Ausbleibens von Kindersegen und im Falle von Krank-
heiten Profane und Priester sich solche Gestalten aus Holz und Lehm hinstellten, denen man dann reichlich Hühnerblut und anderes opfere. Also nicht nur im Priestertempel, sondern auch in privaten Verehrungstätten treffen wir diese Figuren. —Zum zweiten ist hoch bemerkenswert, daß stets Mann und Weib, also zwei Figuren hergestellt und derart verehrt werden. Genau das gleiche finden wir bei den Habe. Auch da immer zwei, männlich und weiblich. Auch da so unklare Mitteilung über die Gobuna (die Mann und Weib darstellt) und über die Hamba oder Amba (vgl. Atlantis Band VI). Auch dort werden die Holzfiguren ebenso leicht fortgegeben wie bei den Tim. Auch dort die energische Ablehnung eines Ahnenfigurenbegriffes. Damit kommen wir aber zu der Eigentümlichkeit, die ich so häufig bei Bammana, Tombo-Habe, Senufo usw. sah und auf die ich zuerst in Kumi aufmerksam wurde, daß nämlich von zwei tragenden Pfeilern in den Torgebäuden der Vornehmen, den Privatgebäuden der Priester und in den Männerklubhäusern, der eine mit einer weiblichen Figur (oder zwei Busen) und der andere mit einer männlichen (oder auch einem Phallus) geschmückt war. Immer war das ein Hinweis auf die Geschlechtstätigkeit im Sinne der Fruchtbarkeit.Noch eins sei dazwischengeworfen. Das Wort lisa erinnert ungemein stark an Orissa =Gott bei den Joroubastämmen. Lisa, Risa, Resa usw. wird als Gott ziemlich weit nach Süden zu verfolgen sein. Und auch das Amba der Tombo wurde mir, was ich damals für falsch hielt, als Gott übersetzt.
Wenn diese göttliche Kraft der Fruchtbarkeit hierin schon geboten ist, so weist eine andere Beziehung in der gleichen Richtung. In Dako erwarb Dr. Hugershoff ein ähnliches Paar Figuren, welches hier als su (Plural: sea) bezeichnet wurde. Die männliche trägt vorn eine Eidechse, hinten ein Kind oder eine weibliche Gestalt, eine Frau (??). Dazu gehörte eine eiserne Opferschlange, die ebenfalls su genannt wurde. Diese Figuren und Eisenschlangen scheinen aber einen sehr engen Zusammenhang zu haben. Am Ogonghause im Kani Kombole war die Schlange mit den beiden in eifriger Begattung begriffenen Figuren abgebildet. Und die Sage von Adam und Eva, der sehr wohl noch ein anderer als der biblische Sinn zugrunde liegen kann, die sogar, soviel können wir heute mit Bestimmtheit sagen, sicherlich einen tiefen kosmogonischen Sinn hatte -ist auch den Sudanvölkern bekannt. Siehe Bassaritenlegenden.
Und so finden wir denn im Lisassi-Dang, im Tempel der Teu neben den Lisassi stets zwei eiserne Schlangen, gar deutlich erkennbar. Sie heißen beide Songori (Plural: Songoiwa) und eine von ihnen gilt als ein Mann, die andere als Weib. Ich muß daran erinnern, daß bei den Bassariten die Kinder, die die Frau nicht nach
gewöhnlichem Beischlaf, sondern nach längerer Zeremonie geboren hat, ebenfalls den Namen Songoi führen, daß in Dako Holzfiguren und Eisenschlangen gleichnamig als su bezeichnet wurden. Die Idee der Fruchtbarkeitsförderung, die hier auch ausgesprochen wird, führt dazu, daß die eiserne Schlange dann und wann auf Veranlassung der Teu für Privatgehöfte angefertigt wird. Begründet wird das damit, daß die Schlange selbst, die im Wasser lebt, nicht mit ins Haus genommen werden kann. Man pflegt den Eisenschlangen, wenn die Ernte eingebracht ist, etwas vom jungen Reichtum zu geben, ehe man selbst davon genießt. Versäumt man das, so bekommt einem das erste Gericht nicht oder aber die nächste Ernte fällt schlecht aus. — Die Gestalt der Schlange ist hier genau die gleiche wie auf den eisernen hohen "Fetischbäumen", deren einen ich aus Atakpama erhielt, und die auch unter den Beninwerken an Größe auffallen. Somit schließt sich diese Erscheinung bequem der tönernen und lebendigen Schlange an, die an und in den Speichern der Mossi, Transkarajer, Bobostämme usw. verzeichnet wurde und leitet unsere Aufmerksamkeit anderseits zu dem Dienst, der sich nach dem alten Bosmann und anderen Schriftstellern früher im Schlangentempel zu Wida abspielte.Außer diesen Schlangen gehört zum Lisafigurenpaar noch das T-Eisen, das hier fälschlich Lisa und richtig Dasongi genannt wird. Über dies Eisen, das Agema der Bassari, habe ich schon oben gesprochen. Bei den Tim schneidet man auf dem dasongi den Hühnern den Hals durch, die man den Aboninga opfert, gewissen, in den Legenden mehrfach erwähnten Waldkobolden (vgl. die Volkserzählungen), die zwergartig, mit langen Haaren versehen sind, und die den sie erblickenden Menschen den Tod bringen. Auch sie sind nicht nur im Teutempel, sondern auch anderweitig als in heiligen Häusern zu finden. In Bafilo befindet sich auch eine Kangara-Einrichtung (über die weiter unten mehr zu sprechen sein wird) vor dem Häuptlingsgehöft. Sie bestand aus einem 15 cm hohen Holzblock, der in den Boden eingelassen war. In seiner Mitte war das Dasongieisen eingelassen. Als Erklärung ward angegeben, daß, wenn ein Hund an diesem Gehöft vorbeilaufe, er dann halt mache und den Platz verunreinige, daß dann der Häuptling das Recht habe, den unsauberen Gast einzufangen, ihn auf dem Eisen zu schlachten und ihn zu verspeisen. Dies Eisen nimmt hier also angeblich nur die Stelle einer Unterlage beim Opfer ein. Daß diese Erklärung nicht erschöpfend ist, beweist die Verwendung bei den Bassariten. Aber nicht nur bei diesen, sondern auch im Süden und Südosten bei den Dahome-Fung Atakpames und den Joruba kehrt das Gerät wieder, und zwar abermals bei den Bassari und in den Tempelschnitzereien und Metallembiemen der Joruba-Beninkultur. Bald
hat es die Gestalt eines Rasiermessers, bald die eines Angelhakens.Dann finden wir im gleichen Tempel das Tjaburru oder Djaburru, das ist ein mehr oder weniger hohes und phallusartiges Lehmaltärchen, das mit Warzen aus Ton bedeckt ist. Damit werden wir zurückgeführt zu den Ideen der Seelenwanderung, die 5. 167 (oben) behandelt wurden. Es wurde dort von der Diaburrunda gesprochen, die im Adeleland geglaubt wird. Hier treffen wir nun den gleichen Namen und dürfen somit wohl annehmen, daß dies der Ort ist, an dem der Teu mit den Seelen der Verstorbenen spricht, daß also nicht nur die Diallama eine Beziehung zu dieser Sache haben.
Fernerhin ist in dem Tempelchen Tjorru, das Horn einer Pferdeantilope, in das Gewürzbaumblätter und Opferblut der Hühner geschmiert ist. Dann steht da eine Kalebasse mit Quoba, den Blitzsteinen, über die Wasser gegossen ist. Darein ist Kaff a (Mehlspeise) gemischt, und die Küchlein, Donu und Fura, Milch, eine Hausmaus und allerhand Medizinkräuter sind hineingeworfen. Es ist eine wunderliche Brühe. Auch heilige Töpfe finden sich wohl hier doch scheinen die Mehrzahl derselben in Privathäusern Aufstellung zu finden.
In das derart ausgestattete Tempelchen wird der Novize nun zur letzten Zeremonie von seinem Lehrmeister, dem alten Teu, eingeführt. Zunächst erhält er eine Speise, die von den Weibern des Alten in besonderer Weise hergerichtet wird. Nach deren Vertilgung spritzt ihm der Priester noch eine besondere Medizin in die Nase und danach endlich setzt er ihn auf den Lisassi-Dequule-Stuhl. — Er hat die beiden Aguangama(Sing.: Duquengede)-Glocken von der Uboa-Djilam-Form in Händen. Er schellt. Er beginnt am ganzen Leibe zu zittern. Danach steht er auf. Der Geist des Lisassi ist offenbar in ihn übergegangen.
Ist der Zustand der Exstase erreicht, so opfert der alte Teu noch fünf Hühner über dem Lisassistuhl und führt den jungen Schamanen in die Geheimnisse des Sandorakels ein. Weiterhin wird über der oben erwähnten Kalebasse, die die Blitzsteine enthält, geopfert. Das Blut der Opfertiere läßt man darauf tropfen und die Federchen klebt man dann an die Außenseite. Anscheinend ist das der Abschluß der Einführungszeremonie.
Der so eingeweihte junge Teu macht sich nun ein Lisassi-Dang, ein Tempelchen ganz nach der Art, die er bei seinem Lehrherrn kennen gelernt hat. Da er noch nicht sachkundig und ohne Erfahrung ist, geht er oftmals zu dem alten Teu, sieht dessen Manipulationen zu, hilft ihm auch als echter Zauberlehrling und jüngerer Genosse und lernt derart so emsig wie nur möglich. Im übrigen bleibt er aber das, was alle Tim sind: ein Bauer.
Bei den Tim gilt "Teu-sein" nicht als ein alles ausfüllender Beruf. Der Teu ist von den Lisassi berufen. Er ist ein Prophet. Aber das hindert ihn absolut nicht an der Ausführung sonst von ihm geübten Gewerbes. Wie die alten Propheten und die Jünger "Des Nazareners", so sind die Priester dieser Art einfache Landleute, die nur eben durch eine Veranlagung ausgezeichnet sind, die übersinnlicher Natur ist. Ihre absolute Spezialität ist das Weissagen aus dem Sande und außerdem ist diese Wahrsagetätigkeit noch gegen die Vampire oder Subachen im speziellen gerichtet -hier, wie bei Bassariten und wie bei vielen andern Völkern.
Der Vampir heißt bei den Tim Ivellu oder Fellu resp. Fello (Plural: ifella). Er speist die Seelen der Lebenden, und zwar nachts. Bevorzugt als Objekte sind entschieden wohigekleidete und angesehene, während auf die Fetten hier weniger Gewicht gelegt wird. Angefressene sterben sogleich. Es scheint hier eine Anschauungsweise vorzuliegen, die gegenüber allem, was wir früher hörten, abweicht. Ich hörte zunächst auch hier, daß die Ivellu als Feuerfunken durch die Luft fliegen, wenn sie auf Raub ausgehen. Dann wurde mir später folgende Ansicht mehrfach bestätigt: Die Ivellu ziehen nachts als Hyänen verwandelt umher. Daß diese Hyänen keine gewöhnlichen sind, kann man daran erkennen, daß, wenn man im Busch eine solche Subachenhyäne erschlägt, im Dorf gleichzeitig der zugehörige Mensch stirbt. Dann weiß man, daß der gestorbene Mann ein Ivellu war. Von den Ivelluhyänen sagt man, daß sie besonders gern kleine Kinder fressen. Also der Werwolf! —Auch sonst hört man, daß die fliegenden Ivellu zwei Augen im Hinterkopf hätten, daß sie auf allen vieren durch den Busch zögen, mit Feuerbränden, die aus den Achselhöhlen und aus dem Hinterteil herausströmen. Somit ist wohl sicher, daß die bei den Bamana noch getrennten Typen von Subache und Werwolf bei den Tim durcheinanderfljeßen.
Oben schon ward gesagt, daß nach plötzlichem oder irgendwie ungewöhnlichem Tode ein Teu gefragt werde, welches die Ursache sei und daß er dann zuweilen auf einen Vampirmord hinweise. Man ist in solchem Falle bei den Kotokolli ungemein vorsichtig und läßt sich den Verdacht mehrseitig bestätigen, ehe man zu ernsten Maßnahmen greift. Die Familie eines unter solchen Verdachtmomenten verstorbenen Menschen sendet einen Bruder oder sonstigen Verwandetn bei drei Teu herum und läßt ihn überall fragen, wer der Mörder sei. Im klaren Falle sagen alle drei Schamanen nach Orakelbefragung einstimmig aus. Der Sendling kehrt dann heim und meldet seinen Befund nicht nur der Familie, sondern auch dem Häuptling.
Früher wurde daraufhin im Dorf Sada dem Angeklagten der
Trank Tchalanu direkt gereicht. Nur wenn er das Gift erbrach, ward er als unschuldig freigesagt, sonst richtete ihn der Orakeltod. Daran starben aber dann sehr viele Menschen, und deshalb wurde die gleich zu erwähnende Sittenänderung eingeführt. Vorher nur eines. In Sokode schrieb ich den Namen Tchalanu für den Gifttrank auf. Jetzt fällt mir auf, daß Tchalanu (Plural: Tchalama) auch die aus dem Adeleland eingewanderten Vermittler heißen, die die Beziehung zum Djaburunda aufrechterhalten (siehe oben S. 167). Da nun Nu (Plural: ma) =Person, Leute aus bedeutet, so steigen mir Bedenken diesen Namens betreffend auf.Die Orakeifrage geschieht heute so, daß man den Gifttrank nicht dem Angeklagten, sondern einem Hahn vorsetzt, der in einen Korb gesperrt ist. Man bevorzugt dazu die Tjanqualle genannte Hühnerart, die schwarz und weiß gesprenkelt ist. Fernerhin ist in den Korb Sorghum gestreut. Man beobachtet das Tier. Stirbt der Hahn direkt, so ist die Schuld des Angeklagten erwiesen. Wenn der Hahn aber durch den Gifttrank gar nicht geschädigt wird und gleich zum Aufpicken des Kornes übergeht, so ist des Mannes Unschuld erwiesen. — Der solcher Weise überwiesene Mörder wird heute seines gesamten Besitzes beraubt und aus dem Lande vertrieben oder als Sklave verkauft.
Zu dem Ordal habe ich zu bemerken, daß hier der wichtige Beweis einer Beziehung zu einem südöstlichen Kulturkreise vorliegt. — Ich habe die vorkommenden Literaturangaben in einer kleinen Abhandlung: "Hühner im Kult" seiner Zeit in den Mitteilungen aus den Deutschen Schutzgebieten veröffentlicht - z. B. das Baenge der Sande usw.
Nun noch einige Worte über verschiedene Zaubermittel.
Zunächst sind da allerhand heilige Töpfe höherer oder niederer Heiligkeit zu verzeichnen. Sie interessieren insofern als sie die gleichen "Warzen"buckel haben, die wir bei den Bosso und nachher verschiedentlich bei Bobo und Djabavölkern sahen. — Ein "Esso-bru" ist z. B. ein Gottestopf dieser Art mit Deckel der unter einem alten Baum steht. Wenn Krankheiten in benachbarten Dörfern auftreten, wird unter den Gemeinden eine gemeinsame Sammlung veranstaltet und für das Ergebnis eine Reihe von Hühnern gekauft, die dann über dem Esso-bru geopfert werden - "Idja-bru" sind dagegen Großvatertöpfe, die bei Geburt eines Kindes angeschafft und über denen dann von Zeit zu Zeit geopfert wird, damit das Kind gesund und kräftig aufwachse. — Ich greife nun auf die Stelle zurück, an der wir das Altärchen Dja-burru erwähnten, das dem Ahnendienst gewidmet ist. — Hier haben wir eine linguistische Erklärung.
Im allgemeinen erhält man bei den Tim die geistigen Angriffs-
und Verteidigungswaffen durch den Fate-do oder Fade-do (Plural: Fate-dinna) genannten Medizinmann, der gar nichts mit dem Teu zu tun hat, sondern nur allerhand Art Zaubermittel herstellt. Man nennt ein solches Instrument Fadin (Plural: Fadinoa) und unterscheidet zum Beispiel:Mare-fadin gegen Kriegsverwundung und Kriegertod. Equam-fadin für Jagdglück. Masolei-fadin für Liebeseroberung. Duma-fadin gegen Schlangenbiß. Koasuto-fadin für Gesundheit im allgemeinen. Lotu-fadin gegen Bauchkrankheiten. Busu-fadin gegen Haisleiden. Kudju-fadin gegen Kopfleiden usw. |
Viele von diesen sind einfache Medikamente, Arzneimittel, andere Amulette. Es gibt eine Unmenge von ihnen. Viele sind aus Kaurimuscheln zusammengesetzt und werden auf den Körperteilen getragen, die geschützt werden sollen.
Unter den den Jägerhäusern vorgebauten Veranden sieht man häufig große Lehmfiguren, große Tiergestalten, die als Femandokutjun (Singular: Feman-kutjo) bezeichnet werden. Die einen sagen, das seien nur Embleme großen Jägertums. Andere behaupten, diese Bildnisse sollten Glück bringen. — Vor den Torhäusern der Häuptlingsgehöfte stehen oft Holzfiguren: Kangara (Plural: Kangaraba). Man sagt, sie sollen den Zweck haben, diejenigen, die hineingegangen sind, davon abzuhalten, Streit und Schwierigkeiten zu bereiten.
Die Volksdichtung der Tim
1. Der Jäger und der Vater der TiereEin Jäger, der immer viel Jagderfolg hatte, heiratete. Er bekam ein Kind. Das Kind wuchs heran. Der Jäger nahm den Knaben dann und wann mit auf die Jagd. Der Bursche ward groß. Der Jäger ließ den Sohn allein auf die Jagd gehen. Der Jäger sagte zu dem jungen Jäger: "Du kannst überall jagen, wo es dir zusagt. Nur in dem Walde dort drüben darfst du nicht jagen. Hast du mich gehört: Du darfst nicht in den Wald dort drüben gehen!" Der junge Jäger sagte: "Es ist gut."
Nach einiger Zeit starb der alte Jäger. Sein Sohn, der junge Jäger, nahm seinen Bogen und seine Pfeile. Er ging auf die Jagd. Er jagte allenthalben; nur in den Wald, den zu betreten sein Vater untersagt hatte, ging er nicht. Eines Tages aber verfolgte er eine
Spur, die führte in den verbotenen Wald. Er betrat ihn. Er sah überall Spuren. Der junge Jäger sagte: "So viele Spuren sah ich noch nie zusammen. Ich werde mich einmal ansetzen." Der junge Jäger stieg auf einen Baum.Der junge Jäger saß noch nicht lange auf dem Baume, da kamen unten einige Antilopen, die sagten: "Wir wollen uns niederlegen und auf unseren Vater warten." Die Antilopen legten sich nieder. Der Jäger sagte: "Ich muß auch den Vater der Tiere sehen." Der Jäger wartete. Nach einiger Zeit kam der Elefant. Der Jäger sagte: "Das muß der Vater der Tiere sein." Der Elefant sagte: "Ich will mich niederlegen und auf meinen Vater warten." Der Jäger sagte: "Was mag das für ein Geschöpf sein, wenn das noch nicht einmal der Vater der Tiere ist!" Der Elefant legte sich nieder. Es kamen viele Antilopen, kleine und große, und Büffel, und alle sagten: "Wir wollen auf unseren Vater warten."
Es wurde ringsum hell. Die Tiere riefen: "Das ist unser Vater." Dann kam Usse, die Sonne. Usse sagte: "Steige von dem Baume herab!" Darauf stieg der Jäger von dem Baume herab. Usse fragte den Jäger: "Was willst du denn hier?" Der Jäger sagte: "Ich bin ein Jäger und möchte Antilopen schießen." Usse sagte: ,Ich bin Usse, der Vater der Tiere; aber ich will es dir erlauben, in Zukunft Tiere zu schießen, nur mußt du eines tun. Ich werde dir ein Horn geben. Jedesmal, wenn du ein Tier erlegst, mußt du von seinem Blute in dieses Horn füllen." Usse gab dem Jäger ein Horn und sagte: "Hier hast du das Horn. Hast du mich nun wohl verstanden?" Der Jäger sagte: "Ich werde es tun, wie du mir gesagt hast, werde von dem Blute jedes Tieres, das ich erlege, in dieses Horn tun." Usse sagte: "Es ist gut!"
Der Jäger ging mit dem Horn nach Hause. Von nun an ging er alle Tage auf die Jagd. Jeden Tag erlegte er eine Antilope, und jeden Tag füllte er von dem Blute der erlegten Tiere in das Horn, das ihm Usse, der Vater der Tiere, gegeben hatte. Eines Tages erlegte er wieder eine Antilope. Er füllte sogleich von ihrem Blute in das Horn, das Usse ihm gegeben hatte. Dann stellte er das Horn beiseite. Nach einiger Zeit kam die Frau des Jägers herein. Sie streifte (aus Versehen) an dem Horn vorbei. Das Horn fiel um und das Blut floß heraus. Als der Jäger heimkam, war das Blut aus gelaufen. Der Jäger schimpfte seine Frau und sagte: "Du magst das selbst mit Usse, dem Vater der Tiere, abmachen. Morgen wirst du mit mir in den Wald kommen."
Am andern Tage rief der Jäger seine Frau. Sie kam. Er ging voraus in den Wald, den sein Vater ihm zu betreten verboten hatte. Seine Frau folgte ihm. In dem Walde stieg der Jäger auf den Baum und sagte zu seiner Frau: "Komm auch herauf!" Die Frau stieg auch auf den Baum. Nach einiger Zeit kamen alle Antilopen, Büffel, Elefanten. Alle sagten: "Wir wollen uns niederlegen und auf unseren Vater warten." Alle Antilopen und Tiere legten sich nieder und warteten.
Nach einiger Zeit ward es hell. Dann kam Usse, die Sonne, der Vater der Tiere. Usse sagte zum Jäger: "Du bist wieder da! Steige herunter!" Der Jäger stieg mit seiner Frau vom Baume herunter. Usse sagte: "Was willst du?" Der Jäger sagte: "Du hast mir ein Horn gegeben. Ich sollte von jedem Tiere, das ich erlegte, etwas Blut hineintun. Ich habe es immer getan. Auch gestern hatte ich es getan und hatte das Horn mit dem Blute in das Haus gestellt. Da kam aber meine Frau vorbei, streifte an dem Horn entlang, warf das Horn um. Und so ist das Blut herausgelaufen." Usse nahm das Horn. Usse betrachtete das Horn. Dann spritzte Usse das Blut, das noch in dem Horn war, dem Weibe von hinten zwischen die Beine.
Seitdem haben die Frauen die monatliche Reinigung.
2. SündflutIm Anfange waren die Tiere immer mit Gott (Esso) zusammen und tranken immer an der gleichen Stelle Wasser. Eines Tages hatte aber Gott mit dem Elefanten Streit. Darauf ging Gott in den Himmel und nun regnete es nicht mehr. Es trat eine große Trockenheit ein. Es wuchs nichts mehr. Es gab kaum noch etwas zu trinken. Es war eine große Not. Alle Tiere kamen zusammen. Sie sagten: "Es muß etwas geschehen, wir werden sonst alle sterben."Sie sagten: "Wir müssen Esso bitten, seinen Zorn zulassen und uns wieder Regen zu spenden." Sie sandten Esso-quellia (die Schwalbe; Plural: Essoquellesi) zu Gott hinauf. Die Schwalbe kam zu Esso und sagte: "Es regnet nicht mehr. Die Felder vertrocknen. Es gibt kein Essen mehr. Viele sterben an Hungersnot. Es gibt nichts mehr zu trinken. Viele verdursten." Esso sagte: "Es ist gut." Die Schwalbe kehrte zurück.
Esso ließ regnen. Es regnete so, daß die Bäche schwollen. Es regnete, daß die Flüsse schwollen. Alle Wiesen standen unter Wasser. Viele ertranken. Es regnete, es regnete, es regnete. Viele,
viele starben. Alle Tiere kamen zusammen. Sie sagten: "Es muß etwas geschehen. Wir werden alle sterben." Sie sagten: "Wir müssen Esso bitten, seinen Zorn zu lassen und mit dem Regen aufzuhören." Sie sandten Esso-quellia, die Schwalbe, zu Esso hinauf. Die Schwalbe kam zu Esso und sagte: "Es regnet zuviel. Alle Wiesen sind überschwemmt. Viele, viele sind schon ertrunken. Laß es aufhören zu regnen." Esso sagte: "Es ist gut." Die Schwalbe kehrte zurück.Esso ließ den Regen aufhören. — Als die Schwalbe zurückkam, wollte sie im Ohr des Elefanten ihr Nest bauen. Der Elefant schüttelte aber den Kopf und sagte: "Laß das!" Darum bauen die Schwalben heute in den Häusern ihre Nester.
3. Die KumelentiEine Frau hatte einen kleinen Sohn, der lief immer mit ihr. Der Bursche verstand ausgezeichnet die Pfeife (Foja; Plural: Foisi) zu blasen. Die Frau ernährte sich durch Gewürzbereitung. Sie ging alle Tage zum Fluß herab und wusch da ihre Gefäße und Kräuter. Der Bursche begleitete sie stets und pfiff immer seine Lieder. So war das alle Tage.
Eines Tages war die Frau wieder mit ihrem Gerät zum Fluß hinabgegangen. Der Bursche hatte sie pfeifend begleitet. Dann hatte der Bursche sich zwischen den Bäumen (des Galeriewaldes) herum getrieben. Die Mutter sagte: "Es wird bald dunkel werden. Komm, wir wollen machen, daß wir vor Beginn der Nacht nach Hause kommen!" Der Bursche kam. Die Mutter nahm ihre Geräte zusammen und auf den Kopf. Sie ging den Weg zum Dorfe zu. Der Bursche lief mit ihr.
Nachdem sie ein Stück Weg gegangen waren, rief der Bursche: "Mutter, ich habe meine Pfeife vergessen. Mutter, ich muß meine Pfeife holen." Die Mutter sagte: "Es wird dunkel. Du kannst bis morgen warten." Der Bursche sagte: "Nein, ich will gleich meine Pfeife holen." Die Mutter sagte: "Nein, du sollst nicht." Der Bursche sagte: "Nein, ich will gleich meine Pfeife holen." Die Mutter sagte: "Nein, du sollst nicht." Der Bursche sagte: "Doch, ich muß meine Pfeife haben." Der Bursche lief weg.
Der Bursche lief den Weg zurück zu der Stelle, an der die Mutter ihre Wäscherei betrieben hatte. Dort hatte er die Pfeife auf einen Stein gelegt. Der Bursche ging zwischen den Bäumen hin auf den
Stein zu. Als er nicht mehr weit war und um die letzten Bäume herumblickte, gewahrte der Bursche, daß die Kumelenti, die Buschleute (Singular: Kumeleng; Plural: Kumelenti, eine sagenhafte Faunenart von Menschen, wahre Buschleute, Nachtgelichter, etwas dumm, halb verspottet, halb gefürchtet), dort waren, wo er die Pfeife hatte liegen lassen. Die Kumelenti hatten seine Pfeife und versuchten darauf zu flöten. Einer nach dem andern nahm die Pfeife und spielte darauf. Aber keiner vermochte darauf rechte Töne hervorzubringen. Einer gab sie immer dem andern. Der Bursche hielt sich verborgen und schaute dem Treiben der Kumelenti zu. Bei den Kumelenti war auch ein Kumelentikind. Die alten Kumelenti standen zusammen und versuchten die Pfeife. Das Kind spielte zwischen den Bäumen. Das Kind entdeckte den Burschen. Es lief zu den alten Kumelenti und sagte: "Gebt mir die Pfeife; ich will sie einmal dem Burschen zeigen, der dort hinter dem Baum steht." Die alten Kumelenti sahen in die Richtung, auf die das Kind deutete. Sie sahen den Burschen zwischen den Bäumen.Die Kumelenti sagten: "Das trifft sich ausgezeichnet. Hier ist eine Pfeife, die wir nicht zu benützen wissen. Der Junge kann sicher pfeifen. Der Junge soll pfeifen. Wenn der Junge pfeifen kann und uns vorpfeift, so daß wir danach tanzen können, so wollen wir ihn leben lassen. Wenn der Junge das aber nicht will, oder nicht kann, dann wollen wir ihn töten." Die Kumelenti sagten: "Ja, so ist es gut." Die Kumelenti winkten dem Burschen und sagten: "Komm her, steig auf den Stein und pfeife. Wenn du es gut machst, wollen wir dir nichts tun."
Die Kumelenti gaben dem Burschen seine Pfeife zurück. Der Bursche stieg auf den Stein. Er begann zu pfeifen. Die Kumelenti hörten zu. Die Kumelenti sagten: "Der Bursche kann gut pfeifen." Dann begannen die Kumelenti zu tanzen. Die Kumelenti tanzten bald ein wenig näher, bald ein wenig weiter. Als die Kumelenti einmal ein wenig entfernt tanzten, sprang der Bursche von seinem Stein, schob den Stein ein gut Stück auf dem Wege nach dem Dorfe seiner Mutter hin, sprang wieder darauf und pfiff weiter. Die Kumelenti tanzten näher und dann wieder weiter. Als die Kumelenti wieder ein wenig entfernter tanzten, sprang der Bursche von seinem Stein, schob den Stein ein gut Stück auf dem Wege nach dem Dorfe seiner Mutter hin, sprang wieder darauf und pfiff weiter. Die Kumelenti tanzten näher und dann wieder weiter. Als die Kumelenti wieder ein wenig entfernter tanzten, sprang der Bursche von seinem
Stein, schob den Stein ein gut Stück auf dem Wege nach dem Dorfe seiner Mutter hin, sprang wieder darauf und pfiff weiter. Die Kumelenti tanzten näher und dann wieder weiter.Zuletzt hatte der Bursche den Stein schon ganz nahe zum Dorfe seiner Mutter hingeschoben. Als er ganz dicht bei dem Gehöft seiner Mutter war, rief er: "Mutter, mach die Türe auf! Die Kumelenti sind hinter mir!" Dann sprang er vom Steine und auf die Hütte zu. Er dachte, seine Mutter würde die Tür aufmachen, so daß er schnell hereinschlüpfen könne und so entweichen würde. Es war aber inzwischen Nacht geworden und die Mutter schlief schon ganz fest.
Der Bursche kam an die Tür. Sie war fest zugeschoben. Die Kumelenti waren dicht hinter ihm. Da sprang er zur Seite und lief um die Hütte herum. Die Kumelenti liefen hinter ihm her. Der Bursche sprang um die Hütte herum. Als er wieder an der Tür angekommen war, riß er sie auf. Dadurch aber verlor er ein wenig Zeit und die Kumelenti konnten, gerade als er hineinsprang, ihre kralligen Hände nach ihm ausstrecken. Er kam lebend in die Hütte, aber die Kumelenti hatten ihm zwischen den Schulterblättern einen Streifen und aus dem Kreuz ein gut Stück Fleisch herausgerissen.
Seitdem haben alle Menschen eine Vertiefung zwischen den Schulterblättern und eine Einsenkung im Kreuz.
4. Das Mädchen und AboningaEin Mann ging in ein anderes Dorf, ein Mädchen zu heiraten. Er führte das Mädchen dann in sein Dorf. Beide Dörfer waren benachbart und nicht weit voneinander entfernt.
Die jungen Mädchen sagten: "Wir wollen alle zusammen in das andere Dorf gehen und für die verheiratete Freundin und ihren Mann singen und tanzen." — Im Dorfe war auch ein junges Mädchen, das wußte schöner zu singen als alle andern. Die andern Mädchen gingen zu ihm und sagten: "Wir wollen alle zusammen in das andere Dorf gehen und für die verheiratete Freundin und ihren Mann singen und tanzen. Du kommst doch mit uns ?" Das Mädchen sagte: "Ich möchte schon mitkommen, aber ich muß für meine Mutter noch einen Topf voll Palmöl verkaufen!" Die andern Mädchen sagten: "Es ist gut. Jedes von uns wird etwas davon kaufen und dann können wir gehen!" Jede Freundin kaufte etwas Palmöl. Als das fertig war, sagten die Mädchen: "Jetzt komm; wir wollen gehen!" Das junge Mädchen aber sagte: "Nein, ich kann noch nicht gehen.
Meine Mutter verlangt von mir, daß ich erst noch einen Sack voll Salz verkaufe!" Die andern Mädchen sagten: "Solange können wir nicht warten. Bis dahin wird es dunkel. Wir gehen voran. Verkauf dein Salz und dann komme nur nach!" Die andern Mädchen gingen.Das junge Mädchen blieb und verkaufte das Salz. Bis das erledigt war, war es Nacht geworden. Das junge Mädchen machte sich in der Nacht auf den Weg, seinen Freundinnen zu folgen. Es war ganz dunkel geworden und nichts mehr zu sehen. Das junge Mädchen fand zuerst den Weg nicht.
Dann kamen aber die Leuchtkäferchen (Nimitusa) und zeigten dem Mädchen den Weg. So fand sie sich zurecht. Während das Mädchen ging, sang sie. Sie sang: "Die Mädchen aus unserem Dorfe singen schön. Die Mädchen aus dem andern Dorfe können nichts! Die Mädchen aus unserem Dorfe singen schön. Die Mädchen aus dem andern Dorfe können nichts!"
Aboninga hörte das. Aboninga kam auf das Mädchen zu und sagte: "Du hast schön gesungen." Dann spuckte Aboninga dem jungen Mädchen auf den Hals. Sogleich hatte das junge Mädchen den Mund voller Speichel. Als es weitersingen wollte, war es kein schöner Gesang mehr, sondern es klang sehr häßlich.
Sie kam in dem andern Dorf an. Sie wollte singen. Sie konnte aber nicht mehr singen. Alle Leute standen herum und waren darüber erstaunt, daß sie nicht singen konnte. Der junge Mann fragte sie: "Wie kommt es, daß du mit einem Male nicht mehr singen kannst!" Das junge Mädchen sagte: "Während ich durch den dunklen Wald ging und sang, kam mir ein Aboninga entgegen. Er sagte: "Du hast schön gesungen! — Dann spuckte er mir auf den Hals. Gleich hatte ich den Mund voller Speichel, und nun kann ich nicht mehr singen."
Als der junge Mann das hörte, rief er sogleich alle seine Freunde zusammen. Er sagte: "Kommt, wir wollen unsere Bogen und Pfeile und Haumesser mitnehmen und wollen den Aboninga im Walde suchen." Die jungen Männer holten sogleich alle ihre Waffen herbei und begaben sich dann mit dem jungen Ehemann in den Wald, um den Aboninga zu suchen.
Nachdem sie eine Weile gesucht hatten, fanden sie Aboninga. Sie schossen auf den Aboninga. Aboninga fiel. Die Freunde schnitten ihm alles Fleisch vom Leibe. Dann fuhr das Leben aus seinem Leibe.
Seitdem ist der Aboninga in die Menschen gefahren und macht sie verrückt. (Der Verrückte, Tobsüchtige =diginde; der Blödsinnige, Blöde =gimmele.)
5. Aboninga und das MädchenEines Abends sagten die jungen Mädchen eines Dorfes: "Wir wollen wollen auf den Tanzplatz gehen und tanzen." Es war schon dunkel. Die alten Leute sagten: "Es ist schon dunkel geworden. Geht heute nicht mehr." Die Mädchen sagten: "Es ist gut." Sie gingen in die Häuser. Ein Mädchen aber sagte: "Ich werde doch auf den Tanzplatz gehen. Es ist mir gleich, ob es dunkel ist." Das Mädchen ging.
An dem Tage war Aboningas Sohn gestorben. Aboninga hatte auf dem Tanzplatz ein Loch gegraben. Er hatte seinen Sohn in das Loch gelegt. Aboninga (selbst) saß unter dem großen Baum des Tanzplatzes. Er weinte. Er sang: "Ach, mein Sohn ist tot! Ach, mein Sohn ist tot!"
Das junge Mädchen kam auf den Tanzplatz. Das junge Mädchen sah den Aboninga nicht. Das junge Mädchen hörte aber den Gesang: "Ach, mein Sohn ist tot! Ach, mein Sohn ist tot!" Als das junge Mädchen das hörte, sang es auch mit (als Refrain): "Ach, mein Sohn ist tot! Ach, mein Sohn ist tot!" Aboninga hörte das Mädchen singen. Er wurde zornig darüber, daß das Mädchen mitsang. Er nahm ein Stück Holz und steckte es dem Mädchen in den Mund. Am andern Morgen fanden die Leute das Mädchen tot auf dem Tanzplatze.
Jedes Kind soll auf das hören, was die Alten sagen, und soll nicht seinem eigenen Willen folgen.
6. Wadaja*Eine Frau war verheiratet. Ihr Mann schlief bei ihr. Aber sie nicht schwanger. Die Frau weinte. Die Frau ließ sich von ward ward ihrem Manne beschlafen. Sie ward nicht schwanger. Endlich machte sie sich auf den Weg zu einem Teu. Der Teu sagte ihr: "Ich weiß, weswegen du kommst. Du bist verheiratet. Dein Mann schläft mit dir. Du willst gern schwanger werden, aber du bekommst kein Kind."
Die Frau ging zu dem Baume im Busche. Sie sagte zu dein Baume: "Ich bin seit langen Jahren verheiratet. Mein Mann schläft bei mir, aber ich bekomme kein Kind. Ich möchte schwanger werden und ein Kind gebären." Der Baum sagte: "Ich will dir ein Kind geben. Merke dir aber, daß dein Kind nie in den Busch gehen darf." Die Frau sagte: "Es ist gut." Die Frau kehrte nach Hause zurück.
Nach einiger Zeit fühlte sich die Frau schwanger. Dann gebar sie ein Kind, einen Knaben. Der ward Wadaja genannt. Wadaja wuchs heran. Eines Tages war die Mutter fortgegangen. Andere Knaben kamen an dem Gehöft vorbei, in dem Wadaja war. Die Knaben sagten: "Wir gehen in den Busch. Kommst du nicht mit?" Der Knabe sagte: "Ja, ich komme mit." Wadaja ging mit den Knaben in den Busch.
Im Busch kletterten die Knaben auf den Bäumen herum. Nach einiger Zeit sagten die Knaben: "Wir wollen nach Hause laufen." Die andern Knaben liefen von dannen. Wadaja wollte von seinem Baume herabsteigen. Da sah er unten einen Löwen. Wadaja sagte: "Unten wartet ein Löwe auf mich."Wadaja traute sich nicht, vom Baume herabzuklettern. Er blieb auf dem Baume sitzen.
(Von nun an ist die Übersetzung nicht mehr sicher.)
Die Taube (kufujo; Plural: kufuissi) flog zur Mutter Wadajas und sagte ihr :"Dein Sohn Wadaja sitzt im Busch auf einem Baum und kann nicht heruntersteigen und heimkommen, weil ein Löwe am Baume sitzt und auf ihn wartet." Dann verwandelte sich Wadaja auch in eine Taube. Der Goldschmuck, den er am Halse trug, verwandelte sich in schwarze Flecke. Die Kufujo hat heute noch die schwarzen Flecke am Halse. (Hierzu ist zu bemerken, daß ich bei den Tim immer nur Mädchen, nie Knaben, mit solchem Goldschmuck gesehen habe.) Die Taube flog heim. Daheim ward aus der Taube wieder der Knabe Wadaja.
7. Die Gute und die SchlechteEin Mann hatte zwei Frauen. Jede von den beiden hatte ein kleines Mädchen. Die eine der beiden Frauen ging eines Tages
mit einem Beil und ihrem Kinde in den Wald, um Feuerholz zu schlagen. Die Frau stieg auf einen Baum, um oben trockene Äste abzuschlagen. Sie schlug einige Äste ab. Dann aber stürzte der Baum um. Der Baum stand am Rande eines Flusses. Die Frau stürzte mit dem Baum in den Fluß.Als die Mutter im Wasser lag, rief sie ihrem kleinen Mädchen zu: "Laufe schnell nach Hause zu Vater. Sage Vater, daß ich in den Fluß gefallen bin und daß ich ihn bitte, er möchte dir rote Farbe (die sehr geschätzte Rotholzfarbe) geben, damit du sie in den Fluß wirfst. Dann wird der Fluß mich wohl wieder herauslassen." Das Kind lief fort und zu seinem Vater. Der Vater war gerade auf dem Missifelde mit Ackerbau beschäftigt. Das Kind sagte: "Mutter ist in den Fluß gefallen und bittet dich, ihr rote Farbe zu schicken, damit der Fluß sie wieder frei läßt." Der Vater gab dem Kinde die rote Farbe. Das Kind lief zurück. Es warf die rote Farbe in den Fluß. Der Fluß ließ darauf die Frau frei. Als die Frau ging, gab er ihr noch viele schöne Stoffe mit. Die Frau ging mit den Stoffen und mit ihrem kleinen Mädchen wieder nach Hause.
Die andere Frau des Mannes sah die schönen Stoffe. Sie sagte zu ihrem kleinen Mädchen: "Ich will auch so schöne Stoffe haben." Die Frau nahm ein Beil und ihr Mädchen und ging mit ihm in den Wald an den Fluß. Die Frau hackte eine Zeitlang ein wenig Holz. Aber sie fiel nicht in das Wasser. Sie sagte: "Das währt mir zu lange!" Dann ließ sie sich in den Fluß fallen. Sobald die Frau im Wasser lag, rief sie ihrem kleinen Mädchen zu: "Laufe sogleich nach Hause zu deinem Vater und sage ihm, daß ich ins Wasser gefallen bin. Sage ihm, er soll dir sogleich viel rote Farbe geben. Die bringst du her und wirfst sie in den Fluß. Lauf aber schnell, damit ich bald wieder aus diesem gräßlichen Wasser herauskomme. Und wenn du dann meinen Kopf oder mein Bein oder meine Hand auftauchen siehst, so zieh mich schnell heraus. Paß auf, daß du dabei die Stoffe nicht zerreißt."
Das Kind lief sogleich zu seinem Vater. Es traf den Vater auf dem Missifelde bei der Farmarbeit. Das Kind sagte: "Meine Mutter ist auch in den Fluß gesprungen; gib schnell rote Farbe, aber recht viel, damit der Fluß ihr recht viel schöne Stoffe mitgibt." Der Vater gab dem kleinen Mädchen rote Farbe. Das kleine Mädchen lief zurück und warf die rote Farbe in den Fluß. Nach einiger Zeit kam der Kopf der Mutter zum Vorschein. Das Kind zog den Kopf heraus. Er war abgeschnitten. Nach einiger Zeit kam ein Arm zum
Vorschein. Das Kind zog ihn heraus. Er war abgeschnitten. Nach einiger Zeit kam ein Bein zum Vorschein. Das Kind zog es heraus. Es war abgeschnitten. Der Leib der Frau war vollständig zerschnitten.8. Eisenkugel und TonkugelEs war eine große Hungersnot. Nur in einem sehr weit entlegenen Dorfe gab es Essen. Aber über dem Wege dahin flog ein großer Vogel in der Luft, der stieß auf jeden Menschen herab, der den Weg entlang kam, tötete ihn und fraß ihn. Der Vogel hieß Quellu (Plural: Quellin). Der Vogel machte es den Menschen unmöglich, in dem andern Dorfe Essen zu holen. Alle Menschen in dem Lande hungerten.
Endlich ging eine Frau zu einem Schmiede und sagte zu ihm: "Schmiede mir eine eiserne, hohle Kugel, die so groß ist, daß ich darin liegen kann. Auf der einen Seite mache kleine Löcher, durch die ich sehen kann. Auf der andern laß ein großes Loch, durch das ich hineinkriechen kann. Wenn ich dann darin bin, schmiede mir das große Loch zu!" Der Schmied sagte: "Es ist gut!" Er schmiedete die große, hohle Kugel. Die Frau kroch hinein. Dann schmiedete der Schmied sie zu.
Als die Frau in der eisernen Kugel eingeschlossen war, rollte sie in ihr von dannen in der Richtung auf das Dorf, in dem es soviel zu essen gab. Der Vogel Quellu sah die Kugel auf dem Wege dahinrollen. Er stieß herab. Er packte die Kugel mit den Fängen und hob sie empor in die Luft. Als er ganz oben war, ließ er sie vom Himmel herab auf die Erde fallen. Die Kugel schlug hart auf der Erde auf. Aber sie war aus Eisen und zerbrach nicht. Der Vogel stieß nochmals herab, packte die Kugel, nahm sie empor in die Luft und ließ sie herab zur Erde fallen. Die Kugel schlug wieder hart auf den Boden, aber sie zerbrach nicht. Der Vogel stieß zum drittenmal herab, packte die Kugel, nahm sie empor in die Luft und ließ sie herab zur Erde fallen. Die Kugel schlug wieder hart auf den Boden, aber sie zerbrach nicht.
Der Vogel sah, daß er die Kugel nicht zertrümmern konnte. Er ließ von ihr ab. Darauf rollte die Frau in ihrer Kugel zu dem Orte, in dem es das viele Essen gab. Sie rollte in dem Dorfe zu einem Schmiede. Sie rief von innen dem Schmiede zu: "Mache mir doch die Kugel auf!" Der Schmied ging an die Arbeit und machte ein
großes Loch in die Kugel. Die Frau kam heraus. Sie ging auf den Markt und kaufte viel Essen ein, soviel wie sie zu sich in die Kugel nehmen konnte. Dann ging sie zu der Kugel zurück und sagte zu dem Schmiede: "Ich werde mit meinen Sachen nun wieder in die Kugel kriechen. Wenn ich darin bin, schmiede sie doch wieder zu." Der Schmied sagte: "Es ist gut!" Die Frau kroch hinein. Der Schmied schmiedete die Kugel wieder zu.Sobald die Kugel wieder geschlossen war, rollte die Frau auf dem gleichen Wege, auf dem sie gekommen war, wieder dem Heimatdorfe zu. Der Vogel Quellu sah aus der Luft die Kugel unten vorbeirollen. Er stieß herab. Er packte die Kugel mit den Fängen und hob sie empor in die Luft. Als er ganz oben war, ließ er sie vom Himmel herab auf die Erde fallen. Die Kugel schlug hart auf die Erde, aber sie zerbrach nicht.
Der Vogel Quellu stieß wieder herab. Er packte die Kugel nochmals mit den Fängen, nahm sie empor in die Luft und ließ sie herab auf die Erde fallen. Die Kugel schlug wieder hart auf den Boden, aber sie zerbrach nicht. Der Vogel Quellu stieß nochmals herab, packte die Kugel, nahm sie mit sich empor in die Luft und ließ sie herab auf die Erde fallen. Die Kugel schlug wieder hart auf den Boden. Aber sie zerbrach nicht.
Der Vogel sah, daß er die Kugel nicht zertrümmern konnte. Er ließ von ihr ab. Darauf rollte die Frau in ihrer Kugel zu ihrem Heimatdorfe zurück. Im Heimatorte rollte sie zum Schmied. Sie rief dem Schmied von innen heraus zu: "Öffne mir doch die Kugel!" Der Schmied machte sich sogleich an die Arbeit. Er öffnete die Kugel. Die Frau kam heraus. Sie brachte alle Nahrungsmittel heraus, die sie in dem andern Dorfe eingekauft hatte. Sie nährte ihre Kinder, sie konnte noch abgeben. Ihr Mann hatte noch eine Frau. Sie sagte freundlich zu der andern Frau: "Nimm auch für dich und deine Kinder. Es ist genug für uns alle. Nimm nur!" Die andere Frau aber sagte (grob): "Ich brauche deine Geschenke nicht. Was ich für mich und meine Kinder brauche, besorge ich allein. Dazu brauche ich dich nicht!"
Die andere Frau ging darauf zu einer Töpferin und sagte: "Mache mir eine große tönerne Kugel, die so groß ist, daß ich mich hineinsetzen kann. Laß nur auf der einen Seite einige kleine Löcher, durch die ich hinaussehen kann, und auf der andern ein großes Loch, durch das ich hineinsteigen kann." Die Töpferin sagte: "Es ist gut." Sie fertigte die Kugel an. Die Frau stieg hinein und sagte:
"Nun schließe mir das große Loch auf der Rückseite." Die Töpferiri schloß das große Loch.Als die Frau in der tönernen Kugel eingeschlossen war, rollte sie in ihr von dannen in der Richtung auf das Dorf, in dem es soviel zu essen gab. Der Vogel Quellu sah die Kugel auf dem Wege dahinrollen. Er stieß herab. Er packte die Kugel mit den Fängen und hob sie empor in die Luft. Als er ganz oben war, ließ er sie vom Himmel aus herab auf die Erde fallen. Die Kugel schlug hart auf dem Boden auf. Da sie aus Ton war, zersprang sie und fiel in tausend Scherben auseinander. Die Frau saß nun auf der Straße.
Der Vogel Quellu stieß von oben herab auf die Frau. Er tötete sie. Er fraß sie.
Also soll eine Frau ruhig von ihrer Nebenfrau das annehmen, was jene ihr anbietet.
9. Die ungeliebte FrauEin Häuptling hatte viele Frauen. Die liebte er alle bis auf eine. Diese liebte er nicht und deshalb ward sie von den andern verhöhnt. Die andern Frauen reinigten alle Tage ihre Hütten, und um die ungeliebte Frau zu verspotten, warfen sie den zusammengekehrten Unrat in deren Haus und vor deren Haus, so daß es schmutzig und häßlich aussah.
Der Häuptling hatte viele Frauen. Aber keine der Frauen hatte ein Kind. Keine der Frauen ward schwanger. Der Häuptling war kinderlos. Als das eine lange Zeit so gegangen war, wandte er sich an einen Mohammedaner und erlangte von dem ein Mittel, das einen Kindersegen versprach. Als der Häuptling das Mittel hatte, ließ er alle Frauen zu sich kommen. Nur die ungeliebte Frau hieß er fern bleiben. Er nahm das Mittel und sagte: "Dieses Medikament hat die Wirkung, daß ihr Kinder bekommen werdet. Reibt das Medikament, teilt es und nehme jede ihr Anteil zu sich." Die Frauen nahmen das Medikament.
Die Frauen gingen zum Mahlstein. Sie neben das Zaubermittel in Pulver; dann teilten sie es untereinander. Der Häuptling schlief bei allen diesen Frauen. Sie nahmen alle ihr Anteil an dem Medikament und warteten nun darauf, schwanger zu werden. Die ungeliebte Frau hatte von den andern nichts von dem Medikament abbekommen. Sie ging aber nachts zu dem Mahlstein, auf dem die Frauen das Medikament des Mohammedaners zerrieben hatten. Die
Frau goß Wasser auf den Mahlstein, wusch mit dem Wasser die Reibfläche des Mahisteins ab und trank das Wasser. Darauf ward die ungeliebte Frau alsbald schwanger.Als die ungeliebte Frau sich schwanger fühlte, versteckte sie sich und zeigte sich niemand mehr. Niemand sah es, daß sie ein Kind gebar. Als das Kind aber geboren war, trug sie es heimlich in das Haus des Häuptlings und versteckte es da. Das Kindchen ward gefunden. Der Häuptling ließ alle seine Leute zusammenkommen, verteilte Geschenke und sagte: "Eine meiner Frauen hat mir ein Kind geboren." Die Leute fragten: "Welche von deinen Frauen ist es denn?" Der Häuptling ließ herumfragen, welche von seinen Frauen das Kind geboren habe. Es war aber nicht zu erfahren.
Darauf sagte ein (weiser) Mann (wohl ein Teu) dem Häuptling: "Laß alle deine Frauen Essen kochen. Stelle alle Näpfe mit dem Essen um das Kind herum. Das Kind wird das Essen seiner Mutter nehmen." Der Häuptling sagte: "Es ist gut." Er sandte seine Boten bei allen seinen Frauen herum und ließ sagen: "Jede soll eine Schüssel mit Essen machen und hierher senden, damit man sehe, wer die Mutter des Kindes sei." Der Bote lief überall herum. Nur zu der ungeliebten Frau ging er nicht. Alle Frauen machten Essen. Sie trugen ihre Schüsseln zu dem Häuptling. Es war Essen von allen Frauen da. Nur von der ungeliebten Frau war kein Essen da. Man brachte das Kind herein, damit es sich unter den Schüsseln das Gericht seiner Mutter aussuche. Das Kind aber schrie und wollte nichts annehmen. Das Kind schrie und wollte fort. Die Leute sagten: "Unter allen diesen ist seine Mutter nicht." Die Leute sagten: "Es ist noch die ungeliebte Frau da." Der Häuptling sagte: "Die ist sicher nicht seine Mutter!" Der (weise) Mann sagte: "Laß auch die eine Schüssel mit Essen bereiten und herschicken!"
Der Häuptling sandte einen Boten zu der ungeliebten Frau und ließ sagen: "Bereite eine Schüssel mit Essen und sende sie hierher." Die ungeliebte Frau bereitete sogleich Essen. Die Gerichte der andern Frauen waren lecker bereitet, denn der Häuptling gab ihnen reichlich aus den Speichern. Das Gericht der ungeliebten Frau aber war unansehnlich, denn sie mußte sich mit dem Kümmerlichsten, das sie selbst verdient hatte, behelfen. Die Schüssel mit dem Essen der ungeliebten Frau ward neben die Speisen der andern Frauen gestellt. Man brachte das Kind wieder herein. Darauf hörte das Kind sogleich mit Weinen auf, lief auf die Eßschüssel seiner Mutter zu und lachte. Es begann zu essen. Der (weise) Mann sagte: "Dieses
Essen kommt von der Mutter des Kindes!" Die Leute sagten: "Die ungeliebte Frau ist die Mutter des Kindes!" Der Häuptling ließ die ungeliebte Frau sogleich rufen. Er fragte sie: "Ist dies dein Kind?" Die ungeliebte Frau sagte: "Ja, das ist das Kind, das ich von dir habe." Darauf schenkte der Häuptling ihr Kleider.Die andern Frauen machten sich sogleich daran, den Mist, den sie gegen das Haus der ungeliebten Frau geworfen hatten, wegzuräumen. Sie reinigten ihr Haus so gut sie es nur konnten. Von da ab zog der Häuptling diese Frau allen andern vor. Und die andern Frauen erwiesen ihr alle Ehrerbietung.
So soll man also nicht sagen, daß eine Frau schlechter oder minderwertiger sei als eine andere, bloß weil man sie nicht so lieb hat.
10. LöwenopferEin Vater hatte elf Söhne. Eines Tages ward er sehr krank. Er rief alle seine Söhne zu sich und fragte sie: "Was wollt ihr mir opfern, wenn ich gestorben sein werde ?" Der eine Sohn antwortete: "Ich werde ein Huhn für dich töten." Ein zweiter Sohn sagte: "Ich werde eine Ziege für dich töten." Ein dritter Sohn sagte: "Ich werde einen Ochsen für dich töten. Ein anderer Sohn sagte: "Ich werde ein paar Schafe für dich töten." Ein anderer Sohn sagte: "Ich werde eine Hyäne für dich töten." Der letzte der Söhne sagte: "Ich werde einen Löwen für dich töten."
Der Vater starb. Jeder der Söhne brachte sein Opfer dar, wie er es versprochen hatte. Der jüngste aber, der den Löwen versprochen hatte, ging hinaus in die Steppe. Er ging zu den Viehhütern und fragte: "Wißt ihr nicht, wo hier in der Gegend Löwen sind?" Die Viehhüter sagten: "Gewiß sind hier Löwen in der Gegend. Dort im Buschwerk ist eine sehr große, starke Löwin." Der Bursche ging dahin. Er kroch in den Busch. Er fand das Lager. Die alte Löwin war fortgegangen. Die Löwin hatte aber Junge und die Jungen waren im Busch. Der Bursche nahm die Jungen, trug sie heim und schlachtete sie auf seines Vaters Grab. Die Felle aber legte er ausgespannt in die Sonne.
Als die Löwin nach Hause kam, waren ihre Jungen verschwunden. Sie verwandelte sich sogleich in ein junges hübsches Mädchen und ging in das Dorf. Im Dorfe sagte sie: "Wer will mit mir schlafen?" Sie war ein hübsches Mädchen. Die jungen Leute riefen alle: "Schlaf bei mir! Schlaf bei mir!" Das junge hübsche Mädchen
aber sagte: "Ich schlafe nur mit dem, der meinen Wanderstock mit einem Stein von drüben aus trifft. Ich stecke meinen Wanderstock hier in die Erde." Das junge hübsche Mädchen steckte ihren Wanderstock in die Erde und trat zur Seite. Die Burschen des Dorfes begannen mit Steinen nach dem Wanderstock zu werfen. Sie trafen alle nicht, bis auf den jüngsten Sohn des verstorbenen Häuptlings. Der traf. Das hübsche junge Mädchen sagte zu dem jungen Manne: "Bei dir will ich schlafen." Der junge Mann sagte: "So komm mit mir!" Das Mädchen ging mit dem jungen Mann in sein Haus. Sie schliefen beieinander. Nachts erzählte der junge Mann, wie er die jungen Löwen gefangen und getötet hatte. (Ausführlich in direkter Rede.) Sie schliefen die Nacht beieinander. Der junge Mann beschlief das Mädchen.Am andern Morgen sagte das junge Mädchen: "Ich will nun heimgehen. Begleite mich durch den Busch." Der junge Mann sagte: "Es ist gut; ich werde dich begleiten. Ich will mir aber erst ein anderes Kleid umnehmen." Der junge Mann sagte (bei sich): "Ich habe dem fremden Mädchen erzählt, daß ich die jungen Löwen fing." Er steckte eine Nähnadel zu sich; das war ein starkes Zaubermittel. Er nahm ein anderes Kleid um und ging heraus.
Der junge Mann sagte zu dem Mädchen: "Wir können gehen!" Sie gingen durch das Dorf. Sie kamen durch die Farmen. Sie kamen in den Busch. Im Busch verwandelte sich das junge Mädchen in die Löwin. Die Löwin wollte über den jungen Mann herfallen und ihn töten. Der junge Mann hatte aber die Nähnadel bei sich. Da konnte die Löwin ihm nichts tun. Sie floh vor der Nähnadel in den Busch.
So jagte das Zaubermittel die Löwin in den Busch, und so kam es, daß die Löwen heute nicht mehr die Menschen, sondern nur noch Schafe und Ziegen anfallen.
11. Delila-Legende *In dem Lande eines großen Uro ist große Hungersnot. Dagegen ist im Lande des Vogels Dagele (Plural: Adjela; ist ein gelber Vogel, der auch einige rote Federn hat) viel Essen vorhanden. Der große Uro (König) beginnt einen Krieg gegen Dagele, um so für seine Untertanen Nahrungsmittel zu erobern. Der Vogel Dagele ist aber sehr zauberkräftig, macht viel Medizin. Das Heer des Uro greift
Nun beschließt eine junge Frau aus dem Lande des Uro, die Geheimnisse des Dagele zu erkunden. Sie geht zum Vogel Dagele hinüber und läßt sich von dem Vogel heiraten. Dann erkundet sie das Geheimnis seiner Medikamente, schneidet dem Dagele die Hände ab und sendet sie dem Uro. Der Uro beginnt den Kriegszug aufs neue und schlägt nun das herrenlose Heer des Dagele.
(Die Legende hat eine Sentenz, die ich aber nicht zu entziffern vermag.)
12. Tochter und HündinEine Frau hatte eine Tochter. Die Frau hatte nur die eine Tochter. Als das Mädchen aber noch klein war, bewarben sich zwei Burschen um sie. Die Frau sagte das Mädchen beiden zu. So arbeiteten die beiden Freier auf der Farm der Frau, bis das Mädchen herangewachsen war.
Als das Mädchen groß geworden war, kam der eine Freier und sagte: "Deine Tochter ist nun groß. Gib mir jetzt meine Frau!" Der andere Freier kam und sagte: "Deine Tochter ist nun groß. Gib mir jetzt meine Frau!"
Die Frau war in großer Angst. Sie hatte nur eine Tochter. Aber sie hatte sie zwei Männern versprochen. Sie ging zu einem Teu. Der Teu sagte: "Ich will dir helfen!" Der Teu machte ein Zaubermittel aus einem Hund. Das gab er der Frau. Der Teu sagte: "Nimm dies Medikament. Geh nach Hause. Schneide deine Tochter der Länge nach auseinander in zwei ganz gleiche Teile. Nimm eine Hündin. Schneide die Hündin auch auseinander in zwei gleiche Teile. Danach füge die linke Seite des Mädchens mit der rechten Seite der Hündin, die linke Seite der Hündin mit der rechten Seite des Mädchens zusammen. Danach wirst du zwei Töchter haben und kannst jedem der beiden Freier eine Tochter geben."
Die Frau nahm das Medikament und ging nach Hause. Sie schnitt ihre Tochter in zwei gleiche Teile auseinander. Sie schnitt eine Hündin in zwei gleiche Teile auseinander. Dann setzte sie die rechte Seite des Mädchens an die linke Seite der Hündin, die linke Seite des Mädchens an die rechte Seite der Hündin. Sogleich verwuchsen beide. Es wurden zwei ganz gleiche Mädchen. Die Frau konnte nun jedem der beiden Freier eine Tochter zur Frau geben.
Diese Zusammensetzung des Mädchens ist aber die Ursache dafür, daß die Männer manchmal mit den Weibern gut stehen, manchmal aber mit ihnen streiten.
13. Das selbständige KindZwei Frauen gingen einmal in den Busch. Die eine der beiden Frauen war schwanger. Die schwangere Frau war müde. Sie ließ sich unter einem Baum nieder. Das Kind in ihrem Leibe sagte: "Du sollst mich nicht gebären. Ich mache das selbst." Dann kam das Kind heraus, ohne daß der Leib der Mutter etwas dazu getan hätte. Das Kind sagte: "Nun bade mich, meine Mutter!" Die Mutter sagte: "Das Kind, das sich selbst geboren hat, kann sich auch selbst baden." Darauf badete sich das Kind. Das Kind sagte: "Nun gib mir einen Namen, meine Mutter!" Die Mutter sagte: "Das Kind, das sich selbst geboren hat, kann sich auch selbst benennen." Das Kind sagte: "Dann werde ich mich Tengele mina nennen." Das Kind sagte: "Nun möchte ich gern Fleisch essen!" Die Mutter sagte: "Das Kind, das sich selbst geboren hat, kann sich auch selbst sein Fleisch im Busch holen." Das Kind ging in den Busch.
Von diesem Punkte an ist die Legende nur noch in groben Umrissen und stückweise zu entziffern. Das Kind Tengele mina geht nun in den Wald. Im Walde spielen die Tiere das Brettspiel Uare (Plural: urua). Tengele mina spielt mit ihnen. Tengele mina gewinnt den Tieren alles ab, tötet sie und tut das Fleisch zunächst in eine wohiverschlossene Hütte. Am andern Tage will es das Fleisch heimbringen. Danach entsteht der unklare Streit mit andern Tieren. Anscheinend hetzen andere Tiere die Hyäne auf, Tengele mina zu beleidigen, zu beschimpfen. Tengele mina warnt die Tiere. Der Schluß ist jedenfalls der, daß alle Tiere in den Busch laufen und im Busch bleiben, während sie vorher gleich den Ziegen in den Dörfern lebten.
14. Der UnterschleifEine Frau hatte eine große Tochter, eine kleine Tochter und einen Sklaven. Die große Tochter heiratet weit fort in ein anderes
Sentenz: "Wenn jemand ein Gut verwaltet, soll er nicht ungerecht dem eigentlichen Besitzer sein Gut vorenthalten."
15. Der gestohlene HundEine Frau saß immer am Wege und verkaufte an die Vorübergehenden Tabak. Sie hatte fünf Töchter. Die Töchter ließ sie daheim. —Jeden Tag kam ein Mann vorbei, der hatte einen Hund bei sich. Der Mann blieb täglich bei der Frau ein wenig stehen und kaufte sich Tabak.
Eines Tages kam der Mann mit seinem Hunde auch des Weges. Er blieb stehen und kaufte ein wenig Tabak. Dann ging er weiter. Sein Hund lief nicht sogleich hinter seinem Herrn her, sondern er blieb noch ein wenig stehen und schnüffelte an dem Tabak. Der Mann war weitergegangen. Die Frau blickte sich um, ob sie den Mann noch sehen könne. Als sie sah, daß er schon zu weit war, schlug sie den Hund tot und warf ihn in den nebenstehenden Kochtopf, in dem Wasser siedete. Sie wollte den Hund mit ihren Töchtern zusammen genießen.
Der Mann gewahrte nach einiger Zeit, daß sein Hund nicht mehr bei ihm war. Er machte kehrt und ging zurück, um seinen Hund
zu suchen. Er kam zu der Frau zurück, die den Tabak verkaufte. Er sah in den Kochtopf. Er sah seinen Hund darin. Er nahm Zaubermittel heraus und spritzte sie auf den toten Hund. Darauf sprang der Hund lebend im Kochtopf auf und heraus. Nun tötete der Mann die Frau, zerschnitt sie, warf sie in den Kochtopf und kochte sie. Dann rief der Mann die fünf Töchter der Frau und sagte: "Eure Mutter ist fortgegangen. Sie hat euch aber eine gute Speise hinterlassen, die sollt ihr verzehren." Dann ging der Mann fort. Die fünf Töchter begannen sogleich zu essen. Sie sagten: "Unsere Mutter hat uns etwas sehr Gutes gemacht!" Sie aßen den Topf bis auf den Grund leer. Auf dem Boden fanden sie eine Hand. Die Töchter nahmen die Hand heraus und betrachteten sie. Die Töchter sagten: "Das ist die Hand unserer Mutter!"Spinne saß daneben. Spinne sagte: "Eure Mutter hatte den Hund des Mannes, der euch rief, totgeschlagen und in den Kochtopf geworfen. Dann kam der Mann zurück, machte den Hund wieder lebendig und tötete, zerschnitt und kochte eure Mutter. Dann rief er euch. Dann habt ihr eure Mutter aufgegessen. Dann habt ihr die Hand eurer Mutter gefunden. Dann habt ihr Bescheid gewußt."Darum soll man nichts nehmen, was man nicht geschenkt oder gekauft oder sonstwie zugewiesen bekommen hat.
16. Die GliederEin Mann hatte vier Töchter. Die Namen der vier Töchter waren Nun (die Hand), Kudjo (der Kopf), Nuforre (der Fuß) und Lotu (der Bauch). Alle vier Töchter heirateten in andere Dörfer. Jede der vier Töchter wohnte in einem andern Dorfe. Eines Tages ward der Vater der vier Töchter krank. Er ward von der Lepra (Dohenninga) befallen. Der Vater hatte nun niemand, der ihn pflegen konnte. So machte er sich auf den Weg, um einen Unterschlupf bei seinen Töchtern zu suchen.
Der kranke Vater kam zu der ersten Tochter und sagte: "Ich bin leprakrank, pflege mich!" Die erste Tochter sagte: "Mach, daß du weitergehst!" Der kranke Vater kam zu der zweiten Tochter und sagte: "Ich bin leprakrank, pflege mich." Die zweite Tochter sagte: "Mach, daß du weitergehst!" Der kranke Vater kam zu der dritten Tochter und sagte: "Ich bin leprakrank, pflege mich!" Die dritte Tochter sagte: "Mach, daß du weiterkommst!" Der kranke Vater ging weiter.
Der kranke Vater kam zu der vierten Tochter und sagte: "Ich bin leprakrank, pflege mich doch!" Die vierte Tochter sagte: "Warte ein wenig!" Dann ging sie hin und holte eine Matte. Der kranke Vater setzte sich auf die Matte. Die Tochter ging hin und bereitete Essen. Die Tochter machte ein Haus zurecht. Die Tochter sorgte für ihren Vater.
Der kranke Vater blieb bei der vierten Tochter. Eines Tages ließ er seine drei andern Töchtern kommen und sagte zu ihnen: "Die Hand arbeitet, der Kopf denkt, der Fuß läuft und der Bauch ist dann gefüllt."
17. LügenEin Mann nahm eine Kuh, zog ihr einen Strick um die Hörner und ging mit dem Strick in der Hand fort. Er zog die Kuli immer hinter sich her. Der Mann sagte: "Die Kuh will ich dein schenken, der mir etwas ganz Besonderes vorlügen kann!" Der Mann zog mit seiner Kuh überall herum. Er sagte überall: "Die Kuh will ich dem schenken, der mir etwas Besonderes vorlügen kann!"
Nach einiger Zeit kam der Mann mit seiner Kuh zu einem Hause, aus dem ein junger Mann trat. Der Mann, der die Kuh führte, sagte zu dem jungen Mann: "Bringe mir doch etwas Wasser, daß ich trinken kann." Der junge Mann sagte: "Ich will es tun, so schnell ich kann." Dann ging der junge Mann wieder in das Haus zurück. Der Mann mit der Kuh wartete auf das Wasser. Er stand mit seiner Kuh vor dem Hause und wartete. Er wartete sehr lange Zeit. Endlich kam der junge Mann heraus und brachte ihm Wasser zum trinken.
Der Mann mit der Kuh sagte: "Du sagtest mir: Ich will dir das Wasser bringen, so schnell ich kann. Es hat aber sehr lange gedauert." Der junge Mann sagte: "Ich habe es auch so schnell getan, als ich konnte. Es war aber sehr schwierig. Mein Vater hat nämlich zwei Frauen. Die eine davon ist meine Mutter. Die beiden Frauen haben die schlechte Angewohnheit, das Wasser, das sie vom Bache heraufholen, in ein und denselben Wassertopf zu gießen. Dadurch wird es vermengt. Ich habe doch nun kein Recht, von dem Wasser der andern Frau zu nehmen, die nicht meine Mutter ist. Daher mußte ich das Wasser der andern Frau erst herauslesen, ehe ich von dem Wasser meiner Mutter schöpfen
konnte. Und das war schwierig. Deshalb hat es so lange gedauert."Der Mann mit der Kuh sagte: "Du kannst so gut lügen, wie ich noch keinen Menschen habe lügen gehört. Du sollst die Kuh haben." Damit gab er dem jungen Menschen die Kuh als Geschenk und ging nach Hause. Der junge Mann ging mit seiner Kuh zu dem Häuptling und sagte: "Ich habe eine Kuh als Geschenk erhalten. Ich werde die Kuh zu deiner Herde tun. Ich hoffe, daß sie mir bald ein Kalb wirft." Der Häuptling sagte: "Das werden wir sehen." Nach einiger Zeit besah der junge Mann die Herde und da er sah, daß seine Kuh ein Kalb hatte. Er ging zum Häuptling und sagte: "Meine Kuh hat ja ein Kalb geworfen." Der Häuptling sagte: "Nein, das ist nicht so. Das Kalb hat mein Ochse geworfen." Der junge Mann sagte: "Ach so! —Nun, dann ist es gut!" Der junge Mann ging.
Nach einiger Zeit begann der junge Mann mit einem Male mitten in der Nacht in einem Mörser, der hinter der Wohnung des Häuptlings stand, zu stampfen. Der Häuptling fuhr empor, rief seine Leute und ging hinaus. Er sagte: "Wir wollen doch sehen, was da los ist!" Er ging zu der Stelle, an der der junge Mann in einem Mörser stampfte, und fragte ihn: "Was machst du denn mitten in der Nacht? Du hast mich und alle meine Leute geweckt." Der junge Mann sagte: "Es macht nichts, wenn das alle deine Leute hören. Mein Vater hat nämlich ein Kind zur Welt gebracht und deshalb bitte ich dich, den Häuptling, um ein Geschenk." Der Häuptling sagte: "Was ist das für ein Unsinn. Männer bringen keine Kinder zur Welt. Das tun nur Frauen!" Der junge Mann sagte: "Du sagtest mir doch aber: dein Ochse habe das Kalb zur Welt gebracht und nicht meine Kuh. — Natürlich wird es so sein. Aber was dein Ochse kann, das kann mein Vater auch!" Der Häuptling sagte: "Du hast recht; ich werde dir dein Kalb geben." Am andern Tage gab der Häuptling dem jungen Mann sein Kalb.
Deshalb gehört ein Kind dem Manne, mit dem die Mutter zuerst geschlafen hat, und nicht dem, mit dem sie schlief, nachdem sie schon geschwängert war.
(Die Sentenz ist nicht ganz am Platze. Aber der Sinn ist genau wiedergegeben.)
18. Der KlugeEine Frau gebar ein Kind. Es war ein Knabe. Früher war es Sitte, daß der Häuptling der jungen Mutter zur Namengebung Feuerholz sandte. Als der Knabe nun geboren war, sandte der Häuptling der Mutter auch Feuerholz. Der neugeborene Knabe sagte aber: "Es braucht mir kein anderer einen Namen zu geben. Ich benenne mich selbst. Ich bin Uro lonn' ta kelle ma ne (ich bin klüger als der Häuptling)." Die Leute berichteten das dem Häuptling. Der Häuptling sagte: "Es ist gut!"
Nachher wollte der Häuptling sehen, was an dem Knaben Bemerkenswertes sei. Der Häuptling sandte dem Jungen Samen von Kürbissen und ließ sagen: "Der Junge soll diese Samenkörner sogleich pflanzen und mir Kalebassen daraus fertigstellen, denn ich will bis heute abend noch daraus Bier trinken." Der Junge nahm die Samenkörner in Empfang und sagte: "Das will ich sehr gern tun. Nimm aber die Guineakörner und sage dem Häuptling, er möge sogleich die Körner pflanzen und aus ihren Früchten bis heute abend Bier brauen lassen, das ich dann in den bestellten Kalebassen werde reichen können." Der Bote kam zum Häuptling zurück und berichtete, was der Junge geantwortet hatte. Der Häuptling sagte: "Dieser Junge ist wirklich klug."
Der Häuptling ließ den Jungen zu sich kommen. Er gab dem Jungen einen Fingerring und sagte: "Bewahre ihn mir." Der junge Mann nahm den Fingerring mit sich. Daheim gab er ihn seiner Frau und sagte: "Hier ist der Fingerring des Uro (Häuptling); bewahre ihn." Die Frau trug den Ring. Eines Tages war sie am Wasser. Sie legte die Kleider ab und stieg in den Fluß, um ein Bad zu nehmen. Beim Baden verlor sie den Ring. Sie kam nach Hause und sagte zu ihrem Manne: "Ich habe den Fingerring des Uro verloren."
Einige Tage nachher sandte der Uro eine Botschaft und ließ sagen: "Ich möchte meinen Ring wieder haben." Der junge Mann ließ sagen: "Ich werde den Ring schicken." Dann ging der junge Mann zum Fluß hinaus, um zu fischen. Er fing einen großen Fisch. Es nahm ihn mit nach Hause und schnitt dem Fisch den Bauch auf. Im Bauche des Fisches war der Ring.
Der junge Mann nahm den Ring, ging zum Uro und gab ihm den Ring. Er sagte: "Hier ist dein Ring." Der Uro betrachtete den Ring und sagte dann: "Du bist wirklich klüger als ich."
19. Jäger und SchlangeEines Tages ging ein Jäger in den Busch um zu jagen. Am gleichen Tage ging Löwe in den Busch, um zu jagen. Am gleichen Tage ging Dom (Schlange) in den Busch um zu jagen. Jeder ging seinen Weg. Keiner wußte vom andern. Sie kamen an einen Platz, auf dem stand eine Kuhantilope. Der Jäger nahm seinen Bogen und wollte einen Pfeil auflegen. Da sah er, wie Dom aufschnellte und die Antilope totbiß.
Löwe sah auch, wie Dom auf die Antilope sprang und sie totbiß. Löwe kam aus dem Busch heraus und sagte zu Dom: "Ich verfolgte diese Antilope. Gib sie mir heraus. Sie kommt mir zu. Ich habe sie gehetzt." Dom sagte: "Die Antilope kommt mir zu, denn ich habe sie erlegt." Löwe sagte: "Wir wollen einen andern fragen, was er meint." Dom sagte: "Es ist mir recht. Wir wollen einen andern fragen, was er meint."
Der Jäger dachte: "Wenn ich der Schlange recht geben würde, würde mich Löwe beißen." Dom hatte die Fähigkeit, alles zu verstehen, was ein anderer denkt. Dom sagte: "Wir wollen den Jäger fragen, der hinter dem Baume steht." Dom sagte zu dem Jäger: "Komm nur hervor und sage deine Meinung. Wir werden dir nichts tun." Löwe sagte: "Nein, wir werden dir nichts tun, wenn du deine Meinung sagst." Darauf kam der Jäger hinter seinem Baume hervor.
Der Jäger sagte: "Löwe hat mit seiner Forderung nicht recht. Denn Schlange und nicht Löwe hat das Wild getötet. Wenn mehrere Jäger ein Wild verfolgen und erlegen, so teilen sich der, der es zuerst verwundete, und der, der es endlich tötete, darein. Also gehört die Antilope zuerst Dom. Ich denke aber, man kann sich hier ohne Schwierigkeiten einigen. Wir wollen die Antilope teilen."
Dom sagte: "Ich bin damit einverstanden. Wir wollen die Antilope in drei Teile zerlegen, einen für den Jäger (als Richter), einen für den Löwen, einen für mich!" Löwe sagte: "Gut, so bin ich zufrieden." Danach zerlegten sie die Antilope. Sie teilten das Fleisch und häuften es in drei Teilen auf. Löwe nahm seinen Anteil und ging von dannen.
Dom sagte zum Jäger: "Nimm meinen Teil auch auf. Begleite mich und trage meinen Teil mit in mein Haus." Der Jäger dachte bei sich: "Diese Schlange wird mich in ihrem Hause töten wollen." Dom wußte sogleich, was der Jäger gedacht hatte, und sagte: "Du
hast meine Angelegenheit mit dem habgierigen Löwen gut geregelt. Habe also keine Angst. Ich werde dir sicherlich nichts Böses tun."Sie gingen weiter. Nachdem sie weit gegangen waren, kamen sie an einen großen Fluß. Dorn sagte: "In dem Fluß liegt meine Stadt. Komm mit in den Fluß." Der Jäger sagte: "Ich werde im Wasser ertrinken." Dom sagte: "Du wirst nicht ertrinken. Komm nur!" Sie gingen in das Wasser. Sie kamen unter das Wasser. Unter dem Wasser war eine große Stadt. In der Stadt lag auch das Gehöft Doms.
Sie kamen in das Gehöft Dorns. Der Jäger legte sein Fleisch ab.
Die Frau und die zwei Kinder Dorns nahmen es und trugen es zur Seite. Das eine der beiden Kinder Dorns war ein sehr schönes Mädchen. Als der Jäger das Mädchen sah, dachte er bei sich: "Ich möchte einmal mit diesem Mädchen schlafen. Nachher will ich dann gern sterben." Dom (der immer alle Gedanken sogleich liest) sagte: "Dies Mädchen ist meine Tochter. Schlafe mit ihr nach Herzenslust. Du brauchst deswegen nicht zu sterben."
Der Jäger dachte (bei sich): "Woher weiß nur Dom alles, was ich denke!" Dom sagte: "Gott sagt es mir! Gott sagt mir alles." Dom gab dem Jäger ein großes Haus. Dom rief dann seine Tochter. Der Name der Tochter war: "Wenn du den Mann gut bedienst, wird Gott dich nicht strafen." Die Tochter Dorns kam. Dom sagte zu seiner Tochter: "Mach das Haus für den Jäger rein!" Das Mädchen tat es.
Am Abend bereiteten die Frauen gutes Essen. Das Mädchen brachte dem Jäger eine Schüssel mit guter Speise in das Haus. Der Jäger aß. Das Mädchen blieb bei ihm. Er schlief mit dem'Mädchen. Der Jäger blieb sechs Tage in dem Hause Dorns.
Der Jäger ging dann zu Dom und sagte: "Nun muß ich nach Hause gehen. Ich möchte dich bitten, mir von der Medizin zu geben, die dir die Eigenschaft gibt, die Gedanken anderer Leute lesen zu können." Dom sagte: "Ich werde dir von der Medizin geben und ich werde dir auch meine Tochter als Frau mitgeben." Dom ging und brachte die Medizin herbei. Dom sagte: "Nimm diese Medizin und tue sie daheim auf das Essen. Aber jage die Ziegen nicht weg, wenn sie mit davon essen wollen!" Der Jäger sagte: "Es ist gut!"
Der Jäger nahm seine Medizin, die Tochter Dorns und ging von dannen. Er ging mit seiner Frau aus dem Flusse und dann dem
Dorfe zu, in dem er wohnte. Als er daheim angekommen war, beschloß er, die Medizin sogleich zu versuchen. Als er die Medizin hervorsuchen und eben auf sein Essen tun und dies zum Munde führen wollte, drängten sich die Ziegen heran. Der Jäger schlug darauf nach den Ziegen. Dabei fiel aber die Medizin herab, und zwar gerade auf den Penis des Jägers.So kam es, daß die Eigenschaft, die Gedanken anderer lesen zu können, nicht auf den Kopf des Jägers, sondern auf seinen Penis überging. Und seitdem weiß es der Penis sogleich, wenn eine Frau verliebt an den Mann denkt. Und seitdem geht der Penis in die Höhe.
20. Der SchlangenmannEine Frau hatte eine Tochter. Die Tochter wuchs heran. Die Tochter war reif zum heiraten. Es kamen Männer und wollten das Mädchen heiraten. Das Mädchen aber nahm sie nicht an. Es kamen reiche Leute, die wollten es heiraten; das Mädchen wies sie zurück. Es kamen Häuptlinge, die wollten es heiraten; das Mädchen wies sie zurück. Dem Mädchen war kein Mann gut genug.
Das hörte Do (die Wasserschlange; Plural: Doni). Do machte sich auf den Weg. Do kam an einem Dorfe vorbei. Er ging hinein und lieh sich Kleider. Er zog die Kleider an und machte sich auf den Weg.
Er kam in das Dorf des Mädchens, dem kein Mann gut genug war. Als der Mann kam, verliebte sich das Mädchen in ihn. Das Mädchen sagte: "Den Mann will ich heiraten." Die Mutter sagte: "Keiner kennt den fremden Menschen. Du hast reiche und vornehme Männer nicht heiraten wollen. Und diesen unbekannten Mann willst du nun heiraten?" Das Mädchen sagte: "Ja, den Mann will ich heiraten." Die Mutter fragte nochmals: "Du willst diesen unbekannten Mann heiraten?" Das Mädchen sagte: "Ja, den will ich heiraten."Die Mutter fragte nochmals: Diesem unbekannten Manne willst du folgen?" Das Mädchen sagte: "Ja, den will ich heiraten." — Das Mädchen schlief noch am gleichen Abend bei dem Manne.
Am andern Morgen sagte der Mann zu seiner jungen Frau: "Komm! Wir wollen in mein Dorf gehen!" Die junge Frau sagte: "Warte noch ein wenig." Sie blieben noch einen Tag lang da. Am andern Tage sagte der junge Mann wieder: "Komm, wir wollen in mein Dorf gehen!" Der Mann bestand darauf. Die junge Frau
nahm von ihrer Mutter Abschied. Die Mutter sagte: "Nimm deinen kleinen Bruder mit." Der kleine Bruder begleitete den Mann und seine Frau.Der Mann und die junge Frau und deren kleiner Bruder gingen ein gutes Stück weit. Dann kamen sie an das Dorf, in dem der Mann seine Kleider geliehen hatte. Er sagte: "Wartet hier einen Augenblick. Ich will nur schnell einmal in das Dorf gehen." Die junge Frau wartete mit dem kleinen Bruder. Der Mann ging in das Dorf, gab die Kleider zurück und war nun wieder Do. Do kam zurück und sagte zu seiner jungen Frau: "Nun komm!" Die junge Frau sagte: "Was willst du? Ich bin nicht deine Frau!" Do sagte: "Doch, du bist meine Frau. Ich habe dich geheiratet." Die junge Frau sagte: "Nein, der Mann, den ich geheiratet habe, sah anders aus." Der Mann sagte: "Rede nicht lange! Ich bin dein Mann! Nun weiter!" Die junge Frau und ihr kleiner Bruder mußten weiterfolgen.
Do ging voran unter das Wasser. Im Wasser führte er sie in sein Haus. Er schlief wieder mit ihr. Die Frau ward schwanger. Do ging alle Tage mit Pfeil und Bogen fort. Er kam alle Abende wieder. Er war ein Jäger und brachte alle Tage Fleisch mit nach Hause. Nach einiger Zeit gebar die Frau ein Kind. Do band dem Kinde Schellen um den Arm.
Eines Tages traf die junge Mutter beim Ausgehen das Tier Gurunguru (Plural: Gurungurua; es ist das wohl das Erdferkel). Die junge Frau fragte: "Glaubst du wohl, daß du mir helfen kannst, wenn ich meinem Manne entfliehen und nach Hause zurückkehren will?" Gurunguru sagte: "Ich werde es sogleich anfangen. Ich will einen Gang graben, der unter der Erde hin zu deiner Mutter führt." Die junge Frau sagte: "Es ist gut." Gurunguru begann sogleich zu graben.
Eines Tages sagten die andern Schlangen zu Do: "Wir riechen Menschenfleisch. Es müssen Menschen hier sein!" (Also war die junge Frau mit dem jungen Bruder bis dahin wohl den andern Schlangen verborgen gehalten worden.) Als die junge Frau das hörte, floh sie mit ihrem jungen Bruder und mit ihrem Kinde durch den Kanal, den Gurunguru gebaut hatte. So kam sie wieder bei ihrer Mutter an.
Seitdem essen viele Leute Gurunguru nicht, weil Gurunguru die junge Frau gerettet hat.
21. Die ungetreue FrauEin Mann heiratete. Der Mann war eifersüchtig. Damit die Frau nun mit keinem andern Manne zusammenkommen könne, zog er mit seiner jungen Frau aus dem Dorfe fort und baute sich eine Hütte im Walde. Er wohnte nun mit ihr so, daß kein Mensch in die Umgebung ihres Gehöftes kam. Der Mann sagte (zu sich): "Nun bin ich sicher, daß kein anderer Mann mit meiner Frau schläft."
Die Frau ging jeden Morgen von dem Gehöft zum Flußufer herab, schöpfte Wasser und trug das Wasser heim. Als sie eines Tages Wasser schöpfte, sah sie Do (die Schlange; Plural: Doni. Do ist auch ein Mann). Die Frau sah Do und sagte zu ihm: "Wohnst du hier?"Do sagte: "Ja, ich wohne hier nebenan, zwischen den Felsen." Die Frau sagte: "Zeige es mir!" Do führte die Frau in seine Wohnung. Die Frau sagte: "Du hast hier dein Lager?" Do sagte: "Ja, hier schlafe ich." Die Frau sagte: "Ich muß mich einmal hinlegen, um zu sehen, ob das Lager angenehm ist." Die Frau legte sich hin. Die Frau sagte: "Das Lager ist angenehm."
Die Frau sagte zu Do: "Komm, beschlafe mich einmal!" Do sagte: "Nein, das darf ich nicht, denn dein Mann ist sehr eifersüchtig. Er ist deswegen schon aus dem Dorfe in den Wald gezogen, damit du mit keinem andern Mann zusammenkommen kannst." Die Frau sagte: "Mein Mann kann nicht wissen, was hier unten am Flusse vorgeht." Do sagte: "Nein, laß es, es ist nicht gut!" Die Frau sagte: "Beschlafe mich!" Endlich beschlief Do die Frau.
Am andern Tage ging die Frau wieder zum Fluß herab, um Wasser zu holen. Sie rief Do. Do kam. Die Frau überredete Do, wieder mit ihr zu schlafen. Do tat es zuletzt. Die Frau ging alle Tage zum Wasser, rief jeden Tag den Do, überredete ihn und ließ sich von ihm beschlafen. Do wollte nicht. Aber die Frau überredete ihn immer wieder.
Eines Tages kam eine alte Frau. Sie ging hinter der Frau her. Sie hörte, wie die junge Frau den Do rief. Sie sah, wie Do kam. Sie sah, wie Do die Frau beschlief. Die alte Frau schlich sich unbemerkt wieder fort. Sie ging zu dem Manne der jungen Frau und sagte zu ihm: "Deine Frau läßt sich morgens von Do am Flußufer beschlafen." Der Jäger sagte: "Das ist nicht möglich. Meine Frau ist eine ordentliche Frau. Sie schläft nicht mit andern Männern." Die Alte sagte: "Wenn du es nicht glauben willst, so komm mit mir; ich will dich morgen früh hinführen und du kannst die
Sache selbst sehen." Der Jäger sagte: "Es ist gut; du kannst es mir morgen früh zeigen."Am andern Morgen ging die junge Frau herab, um am Flusse Wasser zu schöpfen. Die alte Frau und der Jäger folgten ihr unbemerkt in einiger Entfernung. Die junge Frau kam an das Flußufer, sie setzte ihr Wassergefäß hin und rief den Do. Do kam. Dann überredete die junge Frau den Do, mit ihr zu schlafen. Do beschlief die junge Frau.
Die alte Frau und der Jäger sahen es von ihrem Versteck aus. Der Jäger hob den Bogen und wollte schießen. Die alte Frau sagte: "Mach es nicht so. Töte nicht die junge Frau. Komm nun mit mir zurück." Die alte Frau führte den Jäger zu seinem Gehöfte zurück. — Als die junge Frau nach Hause kam, sah der Jäger sie an. Sie begann zu weinen und weinte den ganzen Tag.
Am andern Tage blieb die junge Frau daheim. Der Jäger ging zum Flusse herab. Unten angekommen, rief er Do. Do glaubte, die junge Frau rufe ihn. Do kam heraus. Der Jäger zog einen Pfeil heraus und tötete Do. Dann zerschnitt der Jäger die Schlange in Stücke. Die Stücke tat er in einen Korb und legte den Penis des Do oben auf.
Der Jäger rief seine Frau und sagte: "Trage diesen Korb hinauf!" Die Frau kam. Sie sah den toten Do. Sie begann zu weinen. Sie sagte: "Das kann ich nicht tragen." Der Jäger ergriff einen Stock und sagte: "Du trägst!" Darauf trug die Frau den zerhackten Do in das Gehöft.
Der Jäger sagte zu seiner Frau: "Setze Wasser auf und koche dies Fleisch!" Die Frau sah den toten Do an, weinte und sagte: "Das Fleisch kann ich nicht kochen." Der Jäger ergiff einen Stock und sagte: "Du kochst!" Darauf tat die Frau den zerhackten Do in einen Kochtopf und kochte ihn, bis er gar war.
Der Jäger sagte zu seiner Frau: "Das Fleisch ist bereitet. Nun iß das Fleisch!" Die Frau sah den gekochten Do, weinte und sagte: "Das Fleisch kann ich nicht essen." Der Jäger ergriff einen Stock und sagte: "Du ißt!" Die Frau sagte: "Ich kann nicht!" Der Jäger hob den Stock und sagte: "Du ißt!" Darauf aß die Frau den gekochten Do. Nur der Penis war noch übrig.
Der Jäger sagte zu seiner Frau: "Jetzt ist das beste Stück im Kochtopf. Du wirst auch das noch essen." Die Frau sah den Penis an, warf sich auf die Erde und weinte sehr. Sie sagte: "Das kann ich nicht! Das kann ich nicht!" Der Jäger nahm den Penis aus
dem Kochtopf, hielt ihn der Frau hin und sagte: "Du ißt." Die Frau schluchzte und sagte: "Das kann ich nicht! Das kann ich nicht!"Der Jäger sagte: "Du ißt!" Die Frau schluchzte und sagte: "Das kann ich nicht! Das kann ich nicht!" — Darauf stopfte der Jäger seiner jungen Frau den Penis Dos in den Mund und zwang sie, ihn zu kauen und herunterzuschlucken.Wenn ein Mann nicht sieht, daß eine Frau mit einem andern Manne schläft, so weiß er es eben nicht. (Diese leichtsinnige Sentenz scheint mir so wenig am Platze, daß sie hier kaum allgemein volkstümlich und zugehörig sein kann.)
22. Blutschänderische LiebeEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar zwei Kinder. Das eine war ein Mädchen. Es hieß Fadjumata. Das andere war ein Knabe. Er hieß Mussa. Beide Kinder wuchsen heran. Beide Kinder wurden groß. Fadjumata wollte keinen Mann nehmen. Der Vater fragte: "Was soll das sein? Wen willst du zuletzt heiraten?" Fadjumata sagte: "Ich will meinen Bruder Mussa heiraten." Der Vater sagte: "Kein Mädchen heiratet seinen Bruder!" Das Mädchen sagte: "Ich will aber meinen Bruder Mussa heiraten. Ich will mit keinem andern Manne schlafen als mit meinem Bruder Mussa." Der Vater schlug Fadjumata.
Eines Tages waren alle Mädchen hinab zum Flusse gegangen. Die Mädchen wollten am Flusse baden. Die Mädchen legten am Flusse die Kleider ab. Dann stiegen sie in das Wasser. Nach einiger Zeit kam Mussa heran. Er schlich sich heimlich am Ufer hin. Dann nahm er alle Kleider der Mädchen weg. Mit den Kleidern stieg er auf einen Baum. Nach einiger Zeit waren die Mädchen mit Baden fertig. Sie stiegen ans Land. Sie riefen: "Wo sind unsere Kleider?!" Sie sahen rund herum. Sie konnten die Kleider nicht sehen. Dann sah eine nach oben. Sie rief: "Mussa hat die Kleider genommen, er sitzt mit ihnen oben auf dem Baume!" Die Mädchen riefen: "Wirf uns unsere Kleider herunter!" Mussa warf jedem einzelnen Mädchen sein Kleid hin. Nur das Kleid Fadjumatas behielt er oben.
Dann rief Mussa Fadjumata zu: "Rufe meinen Namen, dann will ich dir auch dein Kleid zuwerfen.~~* Fadjumata rief: "Ich schäme mich!" Mussa rief: "Du sollst meinen Namen rufen!" Fad*djumata
Seitdem wollen Schwestern nicht mehr ihre Brüder heiraten.
23. Die SchwängerungEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar ein Kind. Es war ein Mädchen, ein sehr hübsches Mädchen. Ein junger Mann bewarb sich um das junge Mädchen. Der Vater war damit einverstanden. Der Vater sagte: "Wenn das Mädchen reif ist, kannst du es heiraten." Der Vater sperrte das junge Mädchen nun ein, damit es mit keinem Manne in Verbindung kommen könne. Die Mutter brachte dem eingeschlossenen Mädchen täglich das Essen. Das Mädchen sollte bei Tage nie die Hütte verlassen.
Einmal bei Nacht kam das junge Mädchen ins Freie, um ein Bedürfnis zu erledigen. Als sie wieder ins Haus trat, erblickte sie einen jungen Mann. Der junge Mann verliebte sich sogleich in das junge Mädchen. Er ging zu seinen Freunden und sagte: "Wer ist das junge Mädchen, das bei Nacht in dies Haus ging?" Die Freunde sagten: "Der Vater hat sie einem jungen Manne versprochen, und sie darf nun nicht mehr das Haus verlassen." Der junge Mann sagte: "Das ist mir ganz gleich. Ich muß das Mädchen besitzen. Ich kann nicht ohne sie sein." Die Freunde sagten: "Es geht nicht. Kein Mensch darf aus diesem Hause heraus oder in dieses Haus hinein. Sie ist immer eingeschlossen."
Darauf sagte der Jüngling zu seinen Freunden: "Wickelt mich in viele Tücher, so daß man nicht mehr erkennt, daß ich ein Mann bin. Dann bringt mich dem Vater des Mädchens und sagt: "Das ist ein Kissen, das deine schöne Tochter unter den Kopf legen soll, damit sie nicht so hart liegt." Die Freunde taten es. Der Jüngling ward in viele Tücher eingewickelt. Die Freunde brachten das Paket dem Vater. Der Vater nahm es an. Die Mutter brachte es dem Mädchen und sagte: "Dies Kopfkissen senden dir die jungen Männer des Dorfes, damit du mit dem Kopfe weich liegst."
Dann ging die Mutter hinaus und ließ das Mädchen mit dem Kopfkissen allein. Als die Mutter hinausgegangen war, legte das Mädchen sich auf das Kopfkissen. Das Mädchen sagte: "Das ist gut." Dann stand das Mädchen auf und betrachtete das Kopfkissen. Das Mädchen wickelte einen Stoff ab, dann noch einen, dann noch einen. Es fühlte mit der Hand zwischen die Stoffe, um zu sehen, ob das alles Stoffe seien. Sie kam nach innen. Sie bekam dann gerade den Penis des jungen Mannes in die Hand. Das junge Mädchen sagte: "Was ist denn das?" Sie fühlte weiter und griff an den Hodensack. Sie sagte: "Was ist denn das ?" Sie drückte den Hodensack, da geriet der Penis des jungen Mannes in Errektion.
Das junge Mädchen machte die Stoffe auseinander. Sie sah, daß ein Mensch darin war. Das junge Mädchen erschrak, denn sie hatte noch nie einen Mann gesehen. Der junge Mann aber nahm das Mädchen in seine Arme. Sie wurde ruhig. Das junge Mädchen zeigte auf den Penis des jungen Mannes und fragte ihn: "Was ist denn das?"
Dann beschlief der junge Mann das junge Mädchen. Am andern Morgen sagte er: "Nun wickle mich wieder in die Tücher, damit deine Mutter mich nicht sieht." Das junge Mädchen tat es. Am Abend aber schlug sie die Tücher wieder auseinander und ließ den jungen Mann bei sich schlafen.
Nach einigen Monaten sagte die Mutter des jungen Mädchens zu ihrem Manne: "Der Leib unserer Tochter schwillt. Sie muß schwanger sein!" Der Vater ließ seine Tochter kommen und fragte sie: "Wer hat dich schwanger gemacht?" Das junge Mädchen sagte: "Das Kopfkissen, das Mutter mir gebracht hat."
Deshalb schließt man junge Mädchen nicht mehr ein. Man kann doch nichts dagegen machen, wenn die jungen Leute so verliebt sind.
24. Die Gelüste der SchwangerenEin Mann heiratete eine Frau. Er schlief oftmals bei ihr. Die Frau ward schwanger. Sobald sie schwanger war, sagte sie zu ihrem Manne: "Ich mag nichts anderes mehr essen als Käfer! Geh' in den Busch und bring' mir Käfer!" Der Mann nahm einen Korb, ging in den Busch, sammelte Käfer, bis der Korb voll war und brachte sie seiner Frau heim. Seine Frau aß sogleich alle Käfer, die in dem Korbe waren, bis der Korb leer war.
Das ging nun so jeden Tag. Jeden Tag mußte der Mann in den Busch gehen und Käfer sammeln. Wenn er heimkam, ging ihm seine schwangere Frau schon entgegen, nahm ihm den Korb mit Käfern ab und verzehrte sie. Die Frau nahm nichts anderes mehr zu sich als diese Käfer. Eines Tages kam der Mann mit dem vollen Käferkorbe durch den Wald. Er begegnete dem Leoparden (Mare). Der Leopard fragte ihn: "Was trägst du denn da?" Der Mann sagte: "Ich trage einen Korb voller Käfer. Ich sammle jeden Tag einen Korb voller Käfer. Ich habe zu Hause eine Frau, die schwanger ist; und seitdem sie schwanger ist, will sie nichts anderes mehr essen als Käfer. Also muß ich jeden Tag Käfer sammeln."
Der Leopard sagte: "Ich will dir etwas sagen. Das muß deiner Frau abgewöhnt werden. Gib mir den Korb mit Käfern her. Ich will sie deiner Frau hinbringen und werde ihr dann das Käferessen abgewöhnen." Der Mann sagte: "Ich bin damit einverstanden. Nimm den Korb." Der Mann reichte dem Leoparden den Korb mit Käfern hin. Der Leopard nahm den Korb und ging.
Der Leopard ging mit dem Korb auf das Gehöft des Mannes zu. Die schwangere Frau hielt schon Ausschau nach ihren Käfern. Sie sah den Korb kommen. Sie ging aus dem Hause und auf den Korb zu. Die Frau wollte den Korb abnehmen, da warf ihn aber der Leopard weg, sprang auf die Frau, tötete und fraß sie.
Also soll eine Frau nichts Besonderes essen wollen, wenn sie schwanger ist, soll vielmehr mit dem zufrieden sein, was andere genießen.
25. Die GeschlechtsteileFrüher hatten die Frauen keine Kudo (Vagina) und die Männer keinen Finde (Penis). Eine alte Frau war einmal im Busch mit Holzaufsammeln beschäftigt. Dabei fand sie eine Kudo. Sie brachte die Kudo auf den Markt, um sie zu verkaufen. Die Kudo ward zerschnitten. Die einzelnen Stücke wurden verkauft. Wer schnell kam, bekam eine große Kudo, wer langsam kam, fand nur noch kleine Stücke, die übriggeblieben waren. So kamen die Frauen zu ihren Geschlechtsteilen, und so kommt es, daß die Geschlechtsteile verschieden groß sind.
Spinne war einmal im Busch mit dem Suchen von Arzneimitteln beschäftigt. Dabei fand er einen Finde (Penis). Er brachte den Finde auf den Markt, um ihn zu verkaufen. Der Finde ward zerschnitten.
Die einzelnen Stücke wurden verkauft. Wer schnell kam, erhielt einen großen Finde. Wer langsam kam, fand nur noch kleine Stücke vor, die übriggeblieben waren. So kamen die Männer zum Penis, und so kommt es, daß die männlichen Glieder verschieden sind.Dasselbe wird auch vom Labau, dem Skrotum, erzählt.
26. Die GeschlechtsteileKudo (die Vagina), Finde (Penis) und Labau (der Hodensack; die Hoden selbst heißen Labau-bia) machten einmal eine gemeinsame Wanderung. Sie gingen weit weg, um an einem fernen Platze Salz einzukaufen. Als sie dieses Geschäft vollendet hatten, machten sie sich auch wieder gemeinsam auf den Rückweg, und jeder trug seine eigene Last Salz.
Nach einiger Zeit begann es zu regnen. Kudo sagte zu den andern: "Es regnet, euer Salz wird naß werden und schmelzen, wenn ihr es auf den Köpfen tragt. Gebt es mir her. Seht, ich stecke mein Salz in meine Öffnung. Da kann es nicht hereinregnen, und das Salz bleibt trocken." Finde sagte: "Nimm mein Salz auch und bewahre es in deiner Öffnung, damit es nicht verregnet." Kudo nahm das Salz Findes in seine Öffnung, Kudo fragte Labau: "Und du willst dein Salz verregnen lassen?" Labau sagte: "Laß nur!" Labau trug sein Salz selbst weiter.
Daher kommt es, daß der Penis immer die Vagina sucht, weil sie den größten Leckerbissen hat (das Salz), und daß die Vagina immer von Finde Salz (Samen) haben will, daß aber das Skroturn gleichgültig danebenhängt.
27. Die VaginaFrüher lief die Vagina (Kudo; Plural: Kudoni) alleine herum. Sie war noch nicht mit der Frau verwachsen. Die Vagina trieb sich in allen Teilen der Erde herum. Sie war immerfort unterwegs. Sie ließ sich von jedem beschlafen. Die Vagina traf den Esel und sagte zu ihm: "Koitire mit mir!" Der Esel tat es. Die Vagina sagte: "Ah! Das tut gut!" Die Vagina traf das Pferd und sagte zu ihm: "Koitire mit mir!" Das Pferd tat es. Die Vagina sagte: "Ah! Das tut gut!" Die Vagina traf den Löwen und sagte zu ihm: "Koitire mit mir!" Der Löwe tat es. Die Vagina sagte: "Ah!
Das tut gut!" Die Vagina sagte zu jedem, der ihr begegnete: "Koitire mit mir." Jeder tat es. Die Vagina war stets zufrieden und sagte: "Ah! Das tut gut!"Die Vagina lief überall herum und wollte von jedem beschlafen werden. Die Vagina traf den Skorpion (Tchalea; Plural: Tchalessi) und sagte zu ihm: "Koitire mit mir." Der Skorpion tat es. Der Skorpion stach aber während des Beischlafes die Vagina mit seinem Schwanz. Da schrie die Vagina vor Schmerz laut auf. Die Vagina lief voller Angst von dannen. Sie lief zu der Frau und versteckte sich bei der Frau. Die Vagina sagte zur Frau: "Verstecke mich und beschütze mich!" Die Frau tat es.
Seitdem haben die Frauen die Vagina.
28. Spinne gewinnt Uros TochterIn einem Dorfe war ein Häuptling, der hatte eine Tochter, die wuchs heran. Die Tochter des Uro wuchs heran und ward reif zur Hochzeit. Der Häuptling versammelte alle seine Leute und sagte zu ihnen: "Ich will für meine Tochter einen tüchtigen Mann, der sie auch gut befriedigen kann. Es soll ein Mann mit einem gehörigen Penis sein. Ich werde deshalb meine Tochter dem zur Frau geben, der die sieben Früchte, die an jener Fächerpalme dort oben sind, mit seinem Penis herunterzuschneiden vermag. Dem und keinem andern gebe ich sie zur Frau." Die Leute hörten es. Keiner von den Leuten, die das gehört hatten, versuchte es. Sie gingen auseinander, jeder in sein Gehöft.
Frau Spinne war in der Versammlung gewesen. Sie ging auch nach Hause. Als ihr Mann nachher von der Farm heimkam, sagte Frau Spinne zu Spinne: "Der Uro hat alle Leute zusammenkommen lassen und hat gesagt: Ich gebe meine Tochter dem zur Frau, der einen sehr starken Penis hat, einen Penis, mit dem er die sieben Früchte von der Fächerpalme herunterzuschneiden vermag."Spinne hörte zu. Spinne dachte nach. Spinne rief aus: "Die Urotochter werde ich bekommen!"
Spinne wartete ab, bis es dunkel geworden war. Sobald es dunkel war, nahm Spinne ein Beil und eine kleine Kalebasse, die war gefüllt mit dem Rotholzwasser, das die Frauen dazu benutzen, ihre Kleider rot zu färben. Damit ausgerüstet, machte Spinne sich in der Dunkelheit auf den Weg zu der Fächerpalme. Er stieg auf die Fächerpalme. Mit dem Beil schlug er alle sieben Früchte so weit
ab, daß sie nur noch ganz locker am Stengel saßen und bei dem kleinsten Anstoß herunterfallen mußten. Dann befestigte er die kleine Kalebasse, die das Rotholzwasser enthielt, zwischen den Blättern. Nun stieg er wieder herab und ging nach Hause.Am andern Tage ging Spinne zu dem Uro und sagte: "Meine Frau erzählte mir gestern, als ich von der Farm heimkam, der Uro habe alle Leute zusammenkommen lassen und habe gesagt: Ich gebe meine Tochter dem zur Frau, der einen sehr starken Penis hat, einen Penis, mit dem er die sieben Früchte von der Fächerpalme herunterzuschneiden vermag! — Rufe nun alle Leute zusammen, daß sie kommen. Ich will die sieben Früchte mit dem Penis abschneiden und du sollst mir dann deine Tochter geben!" Der Uro sagte: "Es ist gut!"
Der Uro rief alle Leute zusammen. Sie kamen alle unter der großen Fächerpalme zusammen. Spinne kam und stieg auf die Fächerpalme hinauf. Als Spinne oben angelangt war, begann er mit dem Penis zu sägen und sägte und sägte mit dem Penis auf dem Fruchtstengel hin. Dabei schrie er fürchterlich. Spinne ließ dabei von dem Rotholzwasser in der Kalebasse auf seine Beine tropfen. Die Leute sagten: "Seht, wie das Blut herabtropft, hört, wie er vor Schmerz schreit! Spinne wird sterben, aber Spinne wird das Mädchen nicht gewinnen."
Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel eine Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die zweite Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die dritte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die vierte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die fünfte Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die sechste Frucht zur Erde. Spinne sägte, Spinne schrie, Spinne ließ Blut herabtropfen. Endlich fiel die siebente Frucht zur Erde.
Dann stieg Spinne vom Baume. Alle sieben Früchte lagen am Boden. Spinne ging mit Stöhnen über den Platz und tat so, als könne er nicht anders gehen als mit gespreizten Beinen. Jedermann sagte: "Wegen eines Mädchens hätte ich mir solche Schmerzen nicht bereitetet." Der Häuptling aber sagte: "Ich habe dem der mit seinem Penis die sieben Früchte von der Fächerpalme zu schneiden vermag, meine Tochter zur Frau versprochen. Nimm
also meine Tochter!" Spinne nahm darauf die Tochter des Uro und ging mit ihr in seine Behausung.Nach einiger Zeit begab sich Spinne mit seiner neuen Frau, die die Tochter des Uro war, auf die Farm zur Arbeit. Als er einige Zeit gearbeitet hatte, sagte er zu seiner Frau. "Geh' hin und hole mir Wasser vom Fluß. Ich habe Durst!" Die Frau sagte: "Ich habe nichts zum schöpfen bei mir, gib mir eine Kalebasse!"Spinne sagte: "Ich habe keine Kalebasse." Die Frau Spinne sagte: "Wie soll ich denn aber Wasser holen, wenn ich nichts habe, es darin zu tragen?" Spinne sagte: "Nun, so hole doch das Wasser in deiner Vagina!" Die Frau Spinne sagte: "Wie soll ich denn aber das machen?" Spinne sagte: "So lege dich doch nur ins Wasser; warte, bis die Vagina voll Wasser gelaufen ist und bring' das Wasser hierher. Das ist leichter, als Palmfrüchte mit dem Penis abzusägen!"
Die Frau des Spinne ging. Sie ging ans Wasser und legte sich hinein. Sie ließ die Vagina voll Wasser laufen. Als sie dann aber aufstand, floß das Wasser wieder heraus. Sie legte sich zum zweiten Male hin, ließ die Vagina wieder voll Wasser laufen. Als sie dann aber aufstand, floß das Wasser doch wieder heraus. Sie legte sich zum dritten Male hin. Es war das gleiche. Das Wasser lief immer wieder heraus. Die Frau sprang aus dem Wasser. Sie lief von dannen.
Heulend kam sie zu ihrem Vater und sagte: "Spinne verlangt von mir, ich solle Wasser in der Vagina bringen. Aber jedesmal, wenn ich sie fülle, läuft das Wasser wieder heraus. Spinne sagte, das sei einfacher, als Früchte von den Bäumen sägen. Aber ich kann es nicht." Der Uro verstand, was Spinne damit sagen wollte, und sagte: "Es ist nicht gut, daß jemand seinen Schwiegersohn nach der Kraft des Penis aussucht und von ihm verlangt, daß er Palimfrüche mit dem Penis von dem Baume schneide!" Jeder soll seine Tochter dem zur Frau geben, der sie liebt!"
29. Spinne und die LiebestolleEine Frau war alt, sehr alt. Aber sie wollte durchaus noch beschlafen sein. Sie fand aber keinen Mann, der noch Lust gehabt hätte, ihr beizuwohnen. Zuletzt nahm sie eine Kuh, band einen Strick um die Hörner, nahm den Strick in die Hand, zog die Kuh hinter sich her und sagte zu jedem: "Ich gebe die Kuh dem als Geschenk, der mich beschläft."
Die Frau kam mit der Kuh auch bei Spinnes Haus vorbei. Frau Spinne stand gerade vor der Tür ihres Gehöftes. Die Frau sagte: "Ich gebe die Kuh dem, der mich beschläft." Frau Spinne hörte es. Spinne war gerade auf der Farm. Als er nach Hause kam, sagte Frau Spinne zu ihrem Manne: "Es ist heute eine ganz alte Frau vorbeigekommen, die hatte eine schöne Kuh bei sich. Die Alte sagte: ,Ich gebe die Kuh demjenigen, der mich beschläft.'" Spinne sagte: "War die Kuh schön?" Frau Spinne sagte: "Es war eine sehr schöne Kuh, aber die Frau war sehr alt und sehr häßlich." Spinne sagte: "Darauf kommt es ja nicht an."
Spinne ging am andern Tage nicht auf die Farm zur Arbeit, sondern blieb daheim. Er setzte sich gleichgültig vor die Türe seines Gehöftes auf die Erde. Nach einiger Zeit kam die alte häßliche Frau mit der Kuh hinter sich her und sagte: "Ich gebe die Kuh dem als Geschenk, der mich beschläft." Spinne betrachtete die Kuh genauer, dann sah er sich die alte Frau an. Die alte Frau sagte: "Nun, willst du mich nicht beschlafen?" Spinne sagte: "Ach, ich möchte dich schon sehr gern beschlafen, und auf die Kuh kommt es mir dabei gar nicht an. Aber was ich unternehme, will ich auch ordentlich machen, und um dich ordentlich zu befriedigen, muß man stark sein. Leider bin ich aber wegen unserer schlechten Nahrung augenblicklich etwas schwach, so daß ich die Kuh erst gegessen haben müßte, um dir recht zu Gefallen sein zu können." Die alte Frau sagte: "Wenn es sonst nichts weiter ist, so ist es ja ganz recht. Ich lasse dir die Kuh hier und du schlachtest und ißt ordentlich Fleisch, und wenn du dann recht stark bist, beschläfst du mich." Spinne sagte: "Es ist gut. Ich muß aber erst die ganze Kuh essen, das wird wohl acht Tage dauern." Die alte Frau sagte: "Es ist gut. In acht Tagen komme ich wieder. Dann kannst du mich beschlafen." Spinne sagte: "Ja, sobald ich die ganze Kuh aufgegessen habe." Die alte Frau ging von dannen.
Sobald die alte Frau fort war, schlachtete Spinne sogleich die Kuh. Er legte den Kopf und Blut und Darminhalt beiseite. Das andere ward gekocht und zubereitet. Spinne und seine Frau und seine Kinder aßen alle Tage Fleisch und waren über die ausgezeichnete Kost sehr froh.
Es waren aber erst wenige Tage verstrichen, da kam die alte Frau schon an und fragte Spinne: "Nun, hast du die Kuh schon aufgegessen? Bist du schon stark genug?" Spinne zeigte auf den Kopf der Kuh und sagte: "Sieh hier, da liegt noch das, was am meisten
Kraft gibt. Überhaupt kommt die Kraft nicht so schnell wieder, wenn man vorher so arg geschwächt ist." Die alte Frau ging. Sie kam am andern Tage wieder und fragte: "Nun, hast du die Kuh schon aufgegessen? Bist du schon stark genug ?" Spinne zeigte auf den Kopf der Kuh und sagte: "Sieh hier, da liegt noch das, was am meisten Kraft gibt. Überhaupt kommt die Kraft nicht so schnell wieder, wenn man vorher so arg geschwächt ist."Alle Tage kam die alte Frau. Alle Tage zeigte Spinne den Kopf der Kuh.Eines Tages aßen Spinne und seine Frau auch den Kopf der Kuh auf. Als sie sich daran gesättigt hatten, sagte Spinne zu seiner Frau: "Morgen werde ich die Alte also glücklich machen müssen." Frau Spinne sagte: "Wie du willst. Die Kuh haben wir gegessen."Spinne sagte: "Mit der Alten werden wir auch fertig werden." Am andern Morgen rief Spinne seine Frau zu sich und beschmierte ihren Unterleib und ihre Beine über und über mit dem Blut und dem Unrat des Kuhdarmes. Er sagte zu seiner Frau: "So, nun setze dich vor die Tür und warte auf die Alte." Frau Spinne setzte sich vor die Tür. Nach einiger Zeit kam die alte häßliche Frau. Die Alte sagte zur Frau Spinne: "Nun, was ist denn mit dir geschehen?" Frau Spinne sagte: "Mein Mann hat gestern einen Rinderkopf gegessen. Da ist er furchtbar stark geworden. Dann hat er sich vom Schmiede noch einen eisernen Dorn für seinen Penis machen lassen. Heute nacht sagte er zu mir: ,Komm, ich will versuchen, ob ich für die alte hübsche Frau stark genug bin.' Dann hat er mich so zugerichtet. —Übrigens wartet mein Mann in seinem Hause auf dich. Er meint, du würdest wohl längere Zeit bei ihm bleiben. Stark genug ist er jetzt."
Als die alte Frau das hörte, stürzte sie so schnell sie konnte von dannen und floh in eine entfernte Gegend.
30. Spinne bringt EssenFrüher gab es kein Essen auf der Erde. Die Hühnerweihe (Ehm; Plural: Elimoa) hatte im Himmel eine Farm. Dort gab es also Essen. Auf der Erde war eine große Hungersnot. Also machte Spinne einen Faden bis zum Himmel und stieg zum Himmel empor. Als Spinne oben angekommen war, sah er sogleich Ehm. Ehm fragte ihn: "Was willst du hier oben?" Spinne sagte: "Wir haben auf der Erde nichts zu essen; du hast aber hier eine reiche Farm." Darauf gab Ehm Spinne reichlich zu essen. Spinne kehrte zur Erde zurück.
Am andern Tage war auf der Erde wieder nichts mehr zu essen. Also machte Spinne einen Faden bis zum Himmel und stieg zum Himmel empor. Als Spinne oben angekommen war, sah er Ehm sogleich. Ehm fragte ihn: "Was willst du hier oben?"Spinne sagte: "Wir haben auf der Erde nichts zu essen; du hast aber hier eine reiche Farm." Darauf gab Ehm Spinne reichlich zu essen. Spinne kehrte zur Erde zurück.
Am dritten Tage war auf der Erde wieder nichts mehr zu essen. Also machte Spinne einen Faden bis zum Himmel und stieg zum Himmel empor. Als Spinne oben angekommen war, sah er Ehm sogleich. Ehm fragte ihn: "Was willst du hier oben?" Spinne sagte: "Wir haben nichts zu essen auf Erden." Darauf sagte Ehm: "Du hast gestern bekommen, du hast vorgestern bekommen. Ich gebe dir nichts wieder." Als Ehm das gesagt hatte, machte Spinne Ehm tot, nahm alles Essen, das oben war, und brachte es zur Erde herab.
Seit damals gibt es Essen auf der Erde. Spinne hat das Essen auf die Erde gebracht.
31. Spinne und die GestirneEin großer Uro (Häuptling) hatte eine Frau, die gebar ihm eine Tochter. Die Tochter wuchs heran. Die Tochter war sehr schön. Viele Leute kamen und sagten: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Häuptling sagte: "Ich gebe meine Tochter nicht jedem (soll heißen: jedem Beliebigen). Ich gebe meine Tochter nur dem, der weiß, was ich mit aninani meine und der mir aninani für zwei Kauris kauft." (Das Wort aninani ist angeblich unübersetzbar. Für den Sinn des Wortes konnte mir niemand eine Erklärung geben. Was damit gemeint ist, nachher!)
Spinne hörte das auch. Spinne sah die Tochter des Uro eines Tages. Spinne sagte: "Dieses Mädchen werde ich heiraten."Spinne ging zum Häuptling und sagte: "Ich weiß, was du meinst und ich werde dir aninani kaufen, wenn du mir zwei Kauri gibst und versprichst, mir danach deine Tochter zur Frau zu geben." Der Uro gab dem Spinne zwei Kauri und sagte: "Wenn du mir aninani besorgst und gebracht hast, sollst du sogleich meine Tochter zur Frau haben."
Spinne nahm die zwei Kauri. Spinne machte sich auf den Weg. Spinne kam nach einer Wanderung dahin, wo man einen Vogel
getötet hatte. Man hatte dem Vogel die Federn ausgerissen und hatte die Federn weggeworfen. Die Federn lagen überall herum. Spinne machte sich sogleich daran, die Federn zu sammeln. Dann steckte sich Spinne die Federn an. Er bedeckte sich ganz mit Federn. Dann flog Spinne. Spinne setzte sich als Vogel auf eines der Häuser des Häuptlingsgehöftes.Im Gehöft des Häuptlings waren gerade die Frauen dabei, in den Mörsern den Jams zu zermalmen. Eine der Frauen wartete darauf, daß ein Mörser für sie frei würde. Sie sah sich um. Sie sah in die Luft. Sie sah Spinne im Federkleide. Sie rief: "Seht den Vogel dort! Was ist das für ein Vogel!" Die andern Frauen sahen auch nach oben. Die andern Frauen sagten auch: "Was ist das für ein Vogel!" Eine der Frauen des Häuptlings sagte: "Das kann nur der kluge Spinne sagen, was das für ein Vogel ist." Eine andere sagte: "So ruft doch Spinne!" Eine andere sagte: "Spinne ist nicht da, denn Spinne ist vom Häuptling weggesandt worden, Sonne und Mond zu holen."
Als Spinne das hörte, wußte er, daß mit aninani Sonne und Mond gemeint waren. Spinne flog nun fort. Spinne flog weit, weit fort und holte Sonne und Mond. So kamen Sonne und Mond.
Vorher gab es Sonne und Mond nicht. Spinne hat sie geholt.
32. Spinne und SalzstoffSpinne hatte eine Frau aus einem andern Dorfe. Spinne wollte einmal deren Eltern besuchen. Aber Spinne hatte kein Kleid. Spinne kam zu einer Häuptlingsfrau und sagte: "Ich möchte einmal die Eltern meiner Frau in ihrem Dorfe besuchen, aber ich habe kein Kleid anzuziehen. So wie ich bin, kann ich nicht gehen." Die Häuptlingsfrau sagte: "Ich will dir behilflich sein und dir einen Stoff leihen, den du umhängen kannst. Aber du darfst den Stoff nicht im Freien tragen, wenn es regnet. Sobald es zu regnen beginnt, mußt du den Stoff mit andern Sachen bedecken." Spinne sagte: "Es ist gut." Die Häuptlingsfrau gab Spinne den Stoff.
Der Stoff der Häuptlingsfrau war aber von Salz.
Spinne machte sich auf den Weg in das Dorf der Eltern seiner Frau. Alle Leute, die Spinne unterwegs sahen, sagten: "Was hat Spinne für ein schönes, weißes Kleid!" Als Spinne in dem Dorfe der Eltern seiner Frau ankam, sagten alle: "Was hat Spinne für ein schönes weißes Kleid! Es muß Spinne recht gut gehen, daß
er so schöne Kleider haben kann." Man setzte Spinne sogleich Essen und Trinken vor. Spinne blieb einige Tage fort. Nach einigen Tagen machte sich Spinne dann auf den Heimweg.Als Spinne auf dem Wege nach Hause war, schlug der Wind ihm einen Zipfel seines Kleides in den Mund. Spinne schlug den Stoff zurück, aber er hatte den Salzgeschmack im Munde. Spinne sagte: "Der Stoff schmeckt nach Salz." Spinne leckte noch einmal daran. Spinne leckte wieder. Spinne leckte wieder. Spinne leckte zuletzt den ganzen Stoff auf, so ausgezeichnet schmeckte ihm der Stoff. Es blieb nichts von dem Stoff übrig. Als Spinne merkte, daß der Stoff ganz aufgeleckt war, bekam er einen Schrecken. Er lief nicht nach Hause, sondern versteckte sich anderweitig voller Angst.
Die Häuptlingsfrau sandte zu Spinnes Haus und ließ fragen: "Wo ist mein Stoff?" Niemand konnte es sagen. Die Leute suchten Spinne und suchten den Stoff. Endlich machten sich die Häuptlingssöhne auf den Weg. Sie suchten Spinne und fanden Spinne. Die Leute fragten: "Wo ist der Stoff?" Spinne konnte es nicht sagen. Da schlugen die Häuptlingssöhne Spinne so, daß er platt ward. Seitdem ist Spinne platt und versteckt sich in den Nischen und Löchern der Mauern. Auch versucht Spinne das Kleid wieder zurechtzuweben. Spinne spinnt und spinnt. Aber Spinne bekommt das Kleid nicht fertig.
33. Spinne oder Chamäleons AckerChamäleon legte sich im Busch eine Farm an. Aber Chamäleon machte keinen Weg, damit die andern Leute die Farm ja nicht finden und von ihr stehlen könnten. Spinne sah, daß Chamäleon alle Tage mit Sack und Farmgerät fortging. Spinne sagte (zu sich): "Chamäleon hat sich sicher eine Farm angelegt. Ich werde sehen, ob ich die Farm nicht finde." Eines Tages brannte Spinne sehr viel Holz und stellte einen großen Topf voll feiner weißer Asche her. Als Chamäleon morgens noch schlief, ging Spinne hin und füllte den Schultersack (Furru; Plural: Furini) mit Asche. Unten in die Ecke aber machte Spinne ein kleines Loch. Ohne etwas zu merken, schulterte Chamäleon bei Tagesanbruch den Sack und nahm sein
(Darauf baut sich Spinne nun den Weg und legt den Kochplatz an. Eines Tages trifft Chamäleon den Spinne auf dem Acker, und es entsteht der Streit.)
34. Spinne und EidechseDie Eidechse hatte sich mitten im Busch eine Farm angelegt, aber keinerlei Weg, der zu ihr führte. Spinne ging durch den Busch und fand die Farm. Spinne ging rund um die Farm und fand keinen Weg. Spinne ging heim und sagte zu seinen Kindern: "Ich habe eine Farm gefunden, aber keinen Weg, der zu ihr führt. Wer hat die Farm angelegt?" Die Kinder sagten: "Wir wissen es nicht." Spinne gab jedem Sohne eine Hacke und sagte: "Legt einen Weg an, der gerade auf die Farm zuführt." Und die Söhne Spinnes taten es.
Am andern Tage sah Eidechse, daß ein Weg gerade auf seine Farm zu angelegt war. Eidechse sah Spinne und sagte: "Wie kommst du dazu, einen Weg zu meiner Farm anzulegen ?" Spinne sagte: "Das ist nicht deine Farm; das ist meine Farm." Sie stritten sich und gingen zum Häuptling. Der Häuptling hörte sie und sagte: "Wer eine Farm baut, legt auch einen Weg an. Darum wird die Farm dem Spinne gehören, der den Weg gebaut hat."Eidechse sang: "Kussunale nasofale. Wem niemand hilft, dem hilft Gott!"
Eidechse machte sich nun ein schönes Kleid aus lauter Fliegen. Eidechse sagte zum Häuptling: "Rufe alle Leute zusammen!" Alle Leute kamen zusammen und sahen das schöne Kleid. Die Fliegen sangen: "Kussunale nasofale." Als die Leute auseinandertraten, ging Spinne allein mit Eidechse. Spinne sagte zu Eidechse: "Verkaufe mir dein Kleid!" Die Eidechse sagte: "Ja, ich will dir mein Kleid verkaufen. Gib mir 7 Pfund und 10 Schillinge."Spinne sagte: "Es ist gut." Spinne gab Eidechse 7 Pfund und 10 Schillinge.
Dann ging Spinne zum Häuptling und sagte: "Laß alle Leute zusammenrufen." Alle Leute kamen. Nur Eidechse kam nicht. Die Leute betrachteten das Kleid Spinnes und sagten: "Das Kleid gehört ja gar nicht Spinne. Das Kleid gehört Eidechse." Die Fliegen aber
sangen: "Kussunale nasofale." Dann flogen alle Fliegen auf und von dannen. Spinne blieb nackt ohne Kleid stehen.So ward Eidechse sein Recht. Seit dieser Zeit aber muß Spinne zur Strafe immer an der Wand bleiben.
35. Spinne und EidechseIn einer großen Stadt gab es keinen Baum. Aber weit ab stand im Wasser ein großer Baum, der hieß Katja. Der Uro sagte: "Wer mir den Katja in die Stadt bringt, der erhält meine Tochter zur Frau." Alle Leute hörten das. Auch Spinne hörte es. Auch Eidechse (Eidechse =agemma) hörte es. Spinne machte sich auf den Weg zu dem Katja. Eidechse machte sich nachher auf den Weg zu dem Katja.
Spinne kam zuerst bei dem Katia, der im Wasser stand, an. Spinne sang: "Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe. Ich komme, um dich zu holen. Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe." Spinne versuchte dann den Baum herauszuziehen. Aber der Baum stand so fest, daß Spinne es nicht vermochte. Darauf stieg Spinne auf den Baum herauf und verbarg sich in einem Astloch.
Nach einiger Zeit kam auch Eidechse zu dem Baum im Wasser. Eidechse sang: "Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter, wenn ich dich geholt habe. Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe." Eidechse machte sich sogleich daran und hob den Baum, auf dem Spinne saß, aus der Erde. Danach trug Eidechse den Baum in die Stadt.
Währenddessen war es aber schon Nacht geworden. Die Eidechse wollte den Häuptling nicht mehr wecken und stellte deswegen den Baum vor das Gehöft des Häuptlings und ging dann heim. Sobald Eidechse fortgegangen war, stieg Spinne aus seinem Versteck hervor. Spinne rief den Häuptling. Der Häuptling erwachte und kam heraus. Der Häuptling sah den Baum und sagte: "Es ist gut!" Dann fragte der Häuptling Spinne: "Hast du den Baum hierhergetragen?" Spinne sagte: "Ja, ich habe ihn herbeigetragen." Dann ging der Häuptling wieder in sein Gehöft.
Am andern Morgen rief der Häuptling alle seine Leute zusammen und sagte zu ihnen: "Hier steht der Baum Katia. Ich habe dem, der
mir den Baum in die Stadt bringt, meine Tochter zur Frau versprochen. Spinne hat mir in dieser Nacht den Baum gebracht. Ich gebe Spinne meine Tochter zur Frau." Darauf gab der Uro Spinne seine Tochter zur Frau und Eidechse kam gar nicht erst zu Worte.Spinne nahm die Tochter des Häuptlings mit sich in sein Gehöft. Spinne beschlief die Tochter des Häuptlings. Spinnes Frau gebar ein Kind. Spinne nahm sein Kind oft auf den Arm, zeigte auf den Baum und sagte: "Sieh! Den großen Baum dort habe ich aus dem Flusse hierhergebracht." (So machen es die Spinnen immer. Sie erzählen alles ihren Kindern.) Eidechse hörte das. Eidechse nahm darauf nachts, als alles schlief, den Baum Katja wieder auf und trug ihn wieder fort in den Fluß.
Am andern Morgen erwachte der Uro und sah, daß der Baum nicht mehr da war. Der Häuptling sandte sogleich zu Spinne, ließ ihn kommen und fragte: "Wo ist der Baum?" Spinne antwortete: "Den Baum hat Eidechse fortgetragen." Der Häuptling sandte zu Eidechse und ließ Eidechse zu sich kommen. Eidechse kam. Der Häuptling fragte Eidechse: "Wo ist der Baum?" Eidechse sagte: "Ich habe den Baum hierhergetragen. Ich habe aber deine Tochter nicht zur Frau erhalten. Darauf habe ich den Baum auch wieder fortgetragen."Der Häuptling fragte: "Ist das wahr ?"Eidechse sagte: "Es ist wahr. Wenn du wissen willst, ob Spinne den Baum hierhertragen kann, so verlange, daß Spinne es bei Tage tut. Verlange, daß Spinne bei Tage mit dem Baume hier ankomme und nicht bei Nacht!"
Der Häuptling ließ nun Spinne wiederkommen und sagte zu ihm: "Du hast den Baum schon einmal gebracht. Geh' hin und bringe ihn noch ein zweites Mal herbei." Spinne sagte: "Es ist gut!"Spinne ging und kam zu dem Baume Katia. Spinne sang: "Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe. Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe." Spinne versuchte dann, den Baum herauszuziehen. Aber der Baum stand so fest, daß Spinne es nicht vermochte. Darauf stieg Spinne auf den Baum hinauf und verbarg sich in einem Astloch.
Nach einiger Zeit aber kamen die Leute des Häuptlings, holten Spinne vom Baume herunter und schleppten ihn nach der Stadt. Die Leute sagten: "Du bist nicht hier, um dich zu verstecken." Abends kam dann die Eidechse. Die Eidechse sang: "Ich komme. um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau,
wenn ich dich geholt habe. Ich komme, um dich zu holen! Der Häuptling gibt mir seine Tochter zur Frau, wenn ich dich geholt habe." Eidechse machte sich daran und hob den Baum aus der Erde. Danach trug Eidechse den Baum in die Stadt.Währenddessen aber war es schon Nacht geworden. Trotzdem weckte Eidechse den Häuptling und sagte: "Siehst du, ich bringe den Baum. Spinne kann den Baum nicht gebracht haben, denn Spinne ist von deinen Leuten festgehalten worden."
Darauf ließ der Häuptling den Spinne mit Knüppeln schlagen, so daß Spinnes Fetzen noch heute an der Wand herumhängen.
36. Spinne gewinnt FrauenEin Uro hatte zwei Töchter. Er wußte ihre Namen und die Mädchen selbst kannten ihre Namen; sonst kannte aber niemand die Namen der beiden Mädchen. Als die beiden Töchter des Uro heiratsfähig waren, rief der Häuptling alle seine Leute zusammen und sagte: "Meine beiden Töchter sind erwachsen. Ich will sie dem zur Frau geben, der ihre Namen kennt. Kann mir jemand die Namen der beiden Mädchen nennen?" Die Leute sagten: "Wir kennen die Namen der Mädchen nicht." Der Häuptling sagte: "Ich gebe die Mädchen nur dem zur Frau, der mir ihre Namen nennen kann!" Die Leute gingen auseinander.
Spinne hatte das auch gehört. Spinne ging dahin, wo die Mädchen am Brunnen Wasser schöpften. Spinne kletterte auf einen großen Baum, der über der Wasserstelle hing. Spinne versteckte sich im Laubwerk der Aste.
Nach einiger Zeit kam eines der beiden Mädchen mit dem Wassertopf, um zu schöpfen. Die andere kam hinter ihr her. Als das erste Mädchen sich niederbeugte, um zu schöpfen, warf Spinne ein mit Seide übersponnenes Blatt herunter. Das Mädchen sah das Blatt herunterfallen. Das Mädchen fischte das Blatt auf und rief: "Tindia, was ist denn das ?" Das zweite Mädchen kam heran. Beide betrachteten das Blatt. Danach beugte sich die zweite Tochter des Häuptlings über das Wasser. Die erste war schon auf dem Rückwege in das Dorf. Da warf Spinne noch ein mit Seide übersponnenes Blatt herunter. Das Mädchen sah das Blatt herunterfallen. Das Mädchen fischte das Blatt auf und rief der vorangegangenen Schwester nach: "Anakosse, sieh nur! Ich habe auch ein solches Blatt gefunden wie du." Sie hob den Topf auf. Sie ging dann der
Schwester nach. Beide Mädchen betrachteten das Blatt auf dem Heimwege.Als die beiden Mädchen mit ihren Wasserkrügen fortgegangen waren, stieg Spinne von seinem Baume herab. Spinne ging auch in die Stadt. Spinne ging zum Häuptling und sagte: "Rufe alle deine Leute zusammen!" Der Häuptling rief alle seine Leute zusammen. Sie kamen. Als alle Leute da waren, sagte Spinne: "Du willst deine Töchter dem geben, der ihre Namen sagen kann. Ist es nicht so?" Der Häuptling sagte: "Ja, das will ich tun!" Spinne sang: "Tindia, Anakosse, Tindiaaaaa! Tindia, Anakosse, Tindiaaaaa!" Als der Häuptling das hörte, sagte er: "Es ist richtig; du sollst meine beiden Töchter zu Frauen erhalten!" Der Uro gab Spinne seine beiden Töchter.
Spinne nahm die beiden Töchter des Uro. Er führte sie in sein Haus. Er heiratete sie. Er beschlief sie. Die beiden Frauen wurden schwanger. Die Frauen gebaren Kinder. Spinne tat das, was die Spinnen immer mit ihren Kindern machen: er nahm sie auf den Arm und wiegte sie. Spinne sagte ihnen: "Der Häuptling wollte seine Töchter nur dem zur Frau geben, der ihre Namen kenne. Niemand kannte sie. Ich stieg heimlich auf einen Baum über dem Wasser und warf ihnen Blätter, die mit Seide besponnen waren, herab. Die beiden Mädchen glaubten sich allein. Die Mädchen riefen sich beim Namen, um sich die Blätter gegenseitig zu zeigen. So hörte ich ihre Namen. Ich ging zum Häuptling. Ich nannte ihm die Namen seiner Töchter. Ich bekam seine Töchter zu Frauen. Ich heiratete sie. Sie gebaren mir meine Kinder!"
Tindia und Anakosse hörten, wie Spinne das den Kindern erzählte. Tindia und Anakosse liefen zu ihrem Vater und sagten: "Spinne hat dich betrogen! Du wolltest deine Töchter nur dem zur Frau geben, der ihre Namen kannte. Niemand kannte sie. Spinne stieg heimlich auf einen Baum über dem Wasser und warf uns Blätter, die mit Seide besponnen waren, herab. Wir glaubten uns allein. Wir riefen uns beim Namen, um uns gegenseitig die Blätter zu zeigen. So hörte Spinne unsere Namen. Spinne ging zu dir. Spinne nannte dir unsere Namen. Du gabst uns Spinne zu Frauen. Spinne heiratete uns. Wir gebaren ihm seine Kinder!"
Als der Uro das hörte, rief er alle seine Leute zusammen. Die Leute kamen. Der Häuptling sagte zu seinen Leuten: "Spinne hat mich betrogen." (Der Erzähler wiederholt alles nochmals in direkter Rede.) Dann nahm der Uro Spinne seine beiden Töchter fort. Spinne ward von den Leuten arg geprügelt.
Seitdem kommt es vor, daß ein Kind drei oder vier Tage nach der Geburt krank wird. Das macht Spinne. Dann sagte der Teu: "Geh' und suche in deinem Hause die Spinnen und tue sie in Wasser und wasche dein Kind damit!" Auch hängt man wohl die Spinne den Kindern an einem Bande um den Hals, wenn die Nahrung nicht ansetzen will (wenn sie nicht dick werden).
37. Spinne gewinnt FrauenEin Häuptling hatte zwei Töchter. Er hatte ihnen die Namen Dendi und Anakossa gegeben. Aber außer ihm und den beiden Mädchen selbst kannte niemand ihre Namen. Als die beiden Mädchen erwachsen waren, ließ er in den Dörfern verkündigen: "Ich werde meine beiden Töchter demjenigen zur Frau geben, der ihre Namen kennt." Es kamen nun aus allen Dörfern Männer, die die beiden Mädchen gern geheiratet hätten. Aber keiner kannte ihre Namen und niemand wußte, wie er ihre Namen erfahren konnte, und so mußten alle wieder erfolglos weggehen.
Spinne betrachtete die beiden Töchter und sagte: "Das wären so die rechten Frauen für mich." Spinne gab dann acht, wohin die beiden Mädchen gingen. Die Mädchen gingen einmal zum Baden. Sie begaben sich an das Bachufer, legten die Kleider zwischen den Bäumen ab und stiegen in das Wasser.
Spinne kletterte auf einen überhängenden Baum. Spinne schrieb oben Zeichen auf ein Blatt und ließ das Blatt gerade dahin flattern, wo die beiden Mädchen im Wasser waren. Das eine Mädchen sah das Blatt auf das Wasser fallen. Es blickte hin und sah die Zeichen. Das Mädchen rief: "Anakossa, komm!" Das andere Mädchen sagte: "Was gibt es denn, Dendi ?" Das erste Mädchen sagte: "Sieh nur, was für ein merkwürdiges Blatt ich soeben im Wasser gefunden hatte."
Spinne stieg von seinem Baume, ging zum Häuptling und sagte: "Gib mir deine beiden Töchter zu Frauen." Der Häuptling sagte: "Es waren schon viele kluge Leute hier und haben meine Töchter doch nicht zu gewinnen gewußt. Ich gebe sie nur dem zur Frau, der ihre Namen kennt."Spinne sagte: "So rufe alle deine Leute zusammen." Der Häuptling sagte: "Wozu das? Kennst du ihre Namen?" Spinne sagte: "Rufe deine Leute zusammen!" Der Häuptling sagte: "Es nützt ja doch nichts, denn du kannst ihre Namen nicht kennen." Spinne sagte: "Rufe deine Leute zusammen!"
Es blieb dem Häuptling nichts anderes übrig. Er mußte wohl oder übel seine Leute zusammenrufen. Als die Leute versammelt waren, sagte Spinne: "Gib mir deine beiden Töchter zu Frauen." Der Häuptling sagte: "Ich will sie dir geben, wenn du mir ihre Namen nennen kannst." Spinne sagte: "Sie heißen Dendi und Anakossa!" Der Häuptling sagte: "So ist es. Ich will dir beide Töchter zu Frauen geben!"
Spinne bekam beide Mädchen und heiratete sie. Er tanzte mit ihnen und sagte: "Wenn ich nicht so klug gewesen wäre, würde ich euch nicht zu Frauen bekommen haben."
38. Tischlein deck dich usw.Es war einmal eine große Hungersnot. Spinne und seine Familie hatten auch nichts zu essen. Spinne machte sich auf den Weg und wanderte weit fort. Spinne kam zu Varanus (Gelako; Plural: Gelani). Varanus saß auf Steinen. Spinne wollte an Varanus vorbeigehen. Varanus sagte: "Wo gehst du so eilig hin? Was hast du vor, Spinne?" Spinne sagte: "Wir haben nichts zu essen. Ich laufe nun umher und suche, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot." Varanus sagte: "Da kann ich dir helfen. Hier hast du ein Talare (d. i. ein zu leicht konkaver Scheibe geschliffenes Kalebassenstück, mit dem die Frauen den Brei aus dem Topfe kratzen, in dem er gekocht ist). Nimm das Talare und sage zu ihm: Bulori!" Spinne nahm das Talare und sagte: "Buion !" Sogleich kam aus dem Talare viel Essen heraus, soviel, daß Spinne es gar nicht aufzuessen vermochte. Spinne aß schnell davon. Dann nahm Spinne sein Talare und lief damit heim, in sein Dorf zurück.
Spinne ging schnell zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe so viel Essen bei mir, daß alle Leute essen, sich satt essen und doch nicht alles verzehren können." Der Häuptling sandte die Nachricht überailhin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Elephantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog Spinne das Talare heraus und sagte: "Bulori!" Sogleich kam Essen heraus, viel Essen. Überall war Essen. Alle Leute stürzten sich darauf. Alle aßen sich satt. Alle nahmen davon mit nach Hause; aber das Talare gab so viel Speise, daß die Leute nicht alles zu verzehren vermochten.
Nach einiger Zeit war wieder eine Hungersnot. Spinne und seine Familie und alle Leute hatten nichts zu essen. Spinne machte sich auf den Weg und lief zu Varanus. Spinne sagte zu Varanus: "Wir haben nichts zu essen. Ich laufe nun umher und suche, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot!"Varanus sagte: "Da kann ich dir helfen! Hier hast du eine Sseden (d. i. eine Mörserkeule). Nimm die Sseden und sage zu ihr: Uate!" Spinne nahm die Sseden und sagte zu ihr: "Uate!"
Sogleich kam aus der Sseden viel Essen heraus, so viel, daß Spinne es gar nicht aufzuessen vermochte. Spinne aß schnell davon. Dann nahm Spinne seine Sseden und lief damit heim, in sein Dorf zurück.
Spinne ging schnell zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe wieder so viel Essen bei mir, daß alle Leute essen, sich satt essen und doch nicht alles verzehren können." — Der Häuptling sandte die Nachricht überall hin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Ele.. phantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog Spinne die Sseden heraus und sagte: "Uate!"Sogleich kam Essen heraus, viel Essen. Überall war Essen. Alle Leute stürzten sich darauf. Alle aßen sich satt. Alle nahmen davon mit nach Hause, aber die Sseden gab so viel Speise, daß die Leute nicht alles zu verzehren vermochten.
Nach einiger Zeit war das Essen zu Ende. Es war wieder Hungersnot, denn niemand hatte seinen Acker bebaut. Spinne und seine Familie und alle Leute hatten nichts zu essen, weil sie faul geworden waren. Spinne machte sich auf den Weg und lief zu Varanus. Spinne sagte zu Varanus: "Ich laufe nun wieder umher und suche vergebens, wo ich Essen auftreiben kann. Bei uns ist eine große Hungersnot!" Varanus sagte: "Ich habe euch schon zweimal geholfen. Habt ihr eure Äcker bestellt?" Spinne sagte: "Wir haben nichts zu essen; hilf uns doch noch einmal!"
Varanus sagte: "Ich habe euch zweimal gegeben. Nun sollst du auch das Dritte haben. Hier ist eine Touqasere (eine Peitsche). Kennst du die?"Spinne sagte: "Nein, die haben wir noch nicht gehabt. Talare und Sseden haben wir auch, aber Toquasere haben wir nicht." Varanus sagte: "Nun, dann nimm nur Toquasere mit dir und laufe schnell nach Hause; zu Hause sage dann nur: Bitje basse! Lauf zu!" Spinne nahm die Toquasere. Als Spinne ein Stück weit gelaufen war, sagte er (zu sich): "Ich muß schnell einmal ein wenig
essen." Er zog die Toquasere heraus und sagte: "Bitje basse!" Sogleich flog die Toquasere empor und begann auf Spinne loszuschlagen. Spinne lief so schnell er konnte von dannen. Toquasere blieb bei ihm und schlug immer weiter. Endlich griff Spinne die Toquasere mit der Hand. Spinne steckte die Toquasere ein und ging schnell in sein Dorf zurück.Spinne ging eilig zum Uro und sagte: "Versammle sogleich alle Leute! Ich habe euch schon zweimal viel Essen mitgebracht. Diesmal werdet ihr auch genug haben, wenn auch keiner seinen Acker bestellt hat. Sende also überall hin und rufe die Leute. Ich selber habe zu Hause zu tun. Darum gebe ich dir die Sache. Es ist eine Sache, die man Toquasere nennt. Um das Nötige von ihr zu erhalten, muß man zu ihr sagen: Bitje basse!" Der Häuptling sagte: "Es ist gut." Er nahm die Toquasere. Spinne ging heim und schloß sich mit seiner Familie ein.
Der Häuptling sandte die Nachricht sogleich überalihin. Von allen Seiten kamen die Gesunden und Kranken, die Leprakranken, die mit Elephantiasis Behafteten, die Blinden und Lahmen. Alle kamen. Als alle beisammen waren, zog der Uro die Toquasere heraus und sagte: "Dies ist eine Toquasere, die hat uns Spinne mitgebracht. Spinne hat uns schon zweimal viel Essen mitgebracht. Diesmal werden wir auch genug haben, wenn auch keiner von uns seinen Acker bestellt hat. Ich werde es euch zeigen!" Der Häuptling sagte dann: "Bitje basse!" Sogleich flog Toquasere empor und begann auf den Uro und alle Leute loszuschlagen. Die Leute sprangen auseinander und wollten so schnell als möglich von dannen laufen. Aber die Peitsche war überall. Sie verprügelte alle, die Gesunden und die Kranken.
39. Spinne und HühnerSpinne hatte Hunger nach Hühnern. Spinne überlegte. "Wie kann ich Hühner fangen ?" Damals waren noch alle Hühner im Busch und noch keine in den Dörfern. Spinne aber hatte Hunger nach Hühnern.
Spinne machte sich eine Trommel. Spinne ging in den Busch. Spinne trommelte. Spinne trommelte sehr gut. Nach einiger Zeit kamen alle dummen Hühner aus dem Buschwerk und begannen zu tanzen. Nur die klugen Hühner blieben im Busch versteckt. Spinne trommelte. Sowie ein paar dumme Hühner aus dem Buschwerk
kamen, griff er sie und steckte sie in seinen Sack. Als er seinen Sack voll Hühner hatte, ging er befriedigt nach Hause.Seitdem sind die dummen Hühner im Dorfe, die klugen aber noch im Busch. Vordem aß man noch nicht Hühner. Spinne hat die Hühner ins Dorf gebracht.
40. Spinne und Affe*Spinne (Adjaga; Plural: Adjauwa) saß in seinem Gehöft im Dorf. Der Hund (Fo) war ausgegangen und in die Farm gelaufen. Der Affe (Innifau) hatte Hühner. Er wollte sie zum Markte tragen, um sie zu verkaufen. Er machte sich auf den Weg. Als er ein Stück weit gelaufen war, hörte er den Hund kommen. Der Affe lief sogleich zurück in das Dorf und zu Spinne. Der Affe sagte: "Hilf mir und schütze mich. Der Hund wird mich sonst töten." Spinne sagte: "Du hast da Hühner. Was willst du mit den Hühnern?" Der Affe sagte: "Die Hühner will ich auf dem Markte verkaufen." Spinne sagte: "Dann werde ich dir etwas sagen. Ich will dir helfen. Verstecke dich dort im Busch und warte auf mich. Mir tut der Hund nichts. Ich will die Hühner nehmen und sie für dich auf den Markt bringen und verkaufen. Nachher bringe ich dir das Geld, und du kannst dann ungefährdet nach Hause zurückgehen." Der Affe sagte: "Das ist sehr gut." Der Affe versteckte sich da, wo Spinne es ihm anwies.
Spinne nahm die Hühner ein Stück weit in der Richtung auf den Markt zu. Als Spinne dem Affen aus den Augen war, machte er aber kehrt und lief im Bogen durch den Busch nach seinem Gehöft. Daheim barg Spinne die Hühner in seinem Stalle. Dann lief Spinne auf die Farm und rief den Hund. Spinne sagte zum Hunde: "Willst du ein gutes Essen haben?" Der Hund sagte: "Wo finde ich es ?" Spinne sagte: "Ich will dir zeigen, wo sich der Affe versteckt hat. Du kannst ihn packen, töten und verspeisen." Der Hund sagte: "Das ist sehr gut." Spinne führte den Hund zum Versteck des Affen. Der Hund sprang auf den Affen, tötete ihn und fraß ihn.
Spinne ging nach Hause. Spinne wollte nun die Mahlzeit bereiten. Spinne tötete die Hühner, die er dem Affen entrissen hatte, und bereitete sie zu. Spinne ging einen Augenblick beiseite. Inzwischen kam der Leopard (Mare) vorbei. Er sah die getöteten Hühner. Der Leopard ging hinein, nahm sie und trug sie mit sich fort. Als Spinne
Deshalb soll man den andern nichts nehmen, denn man wird das Angeeignete doch wieder verlieren.
41. Katze und MäuseDie Mäuse (Uolu Plural: Uola) lebten früher alle an einer Stelle beisammen. Die Katze (Lamissi; Plural: Lamissoa) fing sich täglich eine Maus und war damit zufrieden. Dann aber flüchteten die Mäuse eines Tages alle in ein Loch. Die Katze hatte nun das Nachsehen.
Dann aber legte die Katze sich vor das Loch und tat so, als ob sie tot sei. Nach einiger Zeit kam eine Maus heraus, sah die Katze und sprang schnell wieder hinein. Sie sagte: "Draußen liegt die Katze." Nach einiger Zeit guckte wieder eine Maus zum Loch heraus. Sie sah die Katze lange an. Dann kam sie ganz aus dem Loch. Sie sprang um die Katze herum. Die Katze rührte sich nicht. Die Maus lief in das Loch zurück und rief: "Die Katze rührt sich nicht. Die Katze ist tot." Eine alte Maus aber sagte: "Du lügst. Die Katze ist nicht tot." Die andern jungen Mäuse guckten heraus und riefen: "Die Katze ist tot!"
Die jungen Mäuse wollten nicht auf die alte Maus hören. Sie kamen aus dem Loch heraus. Eine Maus nach der andern kam aus dem Loch heraus. Zuletzt waren alle Mäuse aus dem Loch herausgekommen. Die Mäuse begannen um die Katze herumzutanzen. Die Mäuse sprangen über die Katze. Sie sprangen auf die Katze. Sie tanzten auf der Katze.
Plötzlich sprang die Katze auf. Die Mäuse wollten wegspringen. Die Katze hatte bald hier eine, bald dort eine Maus erwischt. Sie fing mehrere. Die andern Mäuse liefen nicht in das Loch zurück, sondern nach allen Seiten auseinander. Jede versteckte sich in dem Haus, welches sie am schnellsten erreichte.
So kommt es, daß man heute überall Mäuse findet. Früher lebten die Mäuse alle zusammen an einer Stelle.
42. Leopard und BusclzmäuseLeopard und Buschmaus wollten einst gemeinsam ihre Farmen anlegen. Zuerst half der Leopard der Maus, und als deren Farm
fertig war, sagte der Leopard: "Komm morgen und hilf auch mir." Die Maus sagte: "Es ist gut." Die Frau des Leoparden sagte aber zu ihrem Manne: "Wenn morgen viele Mäuse beisammen sind, fang sie!" Die Mäuse waren aber in der Nähe gewesen und hatten gehört, was die Frau dem Leoparden geraten hatte.Am andern Tage brachte die Frau des Leoparden Speise aus Korn mit, die war gut gesalzen und gepfeffert (also lecker). Die Mäuse aßen vorsichtig von der Speise und sangen (spöttisch): "Sie glauben uns fangen zu können; wir sind aber klug." Der Leopard fragte: "Was singt ihr da?" Die Mäuse sagten: "Das tun wir immer so, wenn wir essen."
Dann gingen die Mäuse vorsichtig an die Farmarbeit. Sie waren auf ihrer Hut. Der Leopard sprang nach ihnen. Er erwischte aber nur ihre Schwänze. Die Mäuse entwischten.
So ist es immer, wenn man eine Maus fangen will und nur ihren Schwanz erwischt; man behält nur Haare in den Händen.
43. Schildkröte und Leopard*Die Schildkröte (Tjeule; Plural: Tjeula) kämpft mit dem Leoparden, nachdem der Leopard vorher mit dem Ziegenbock ein Palaver hatte. Der Ziegenbock war auf einen Baum des Leoparden gestiegen und hatte da Früchte gepflückt. Dafür hatte Leopard dem Ziegenbock die Hoden abschneiden wollen. Im Verlaufe des sich hiernach entwickelnden Kampfes zwischen Leopard und Schildkröte wirft Schildkröte den Leopard ins Feuer, und daher kommt es, daß Leopard heute ein geflecktes Fell hat.
ANHANG
44. Hase und Tauziehen**Der Hase (Kassunga; Plural: Kassunsi) ging zu dem Elefanten und sagte: "Wir wollen doch einmal sehen, wer von uns beiden stärker ist. Ich will dir morgen früh das eine Ende eines Strickes geben. Du faßt es. Ich nehme das andere unten am Fluß. Dann rufe ich: ziehen! Dann können wir sehen, wer von uns beiden stärker ist."
Der Elefant sagte: "Ich bin damit einverstanden." Der Hase ging darauf zu dem Flußpferd (Budu; Plural: Budini) und sagte: "Wir wollen doch einmal sehen, wer von uns beiden stärker ist. Ich will dir morgen früh das eine Ende eines Strickes geben. Du faßt es. Ich nehme das andere oben am Buschrand. Dann rufe ich: ziehen! Dann können wir sehen, wer von uns beiden stärker ist." Das Flußpferd sagte: "Ich bin damit einverstanden."
Am andern Morgen brachte Hase dem Elefanten an den Buschrand ein Strickende und sagte: "Faß hier an, ich gehe zum Fluß hinab." Der Elefant faßte sein Ende. Dann nahm Hase das andere Strickende, brachte es zum Flußpferd hinab und sagte: "Faß hier an; ich gehe zum Buschrande hinauf." Dann ging Hase zurück in die Mitte zwischen beide Tiere und rief: "Ziehen!" Hase stieg auf einen Stein und sah zu. Elefant und Flußpferd zogen an ihren Enden mit aller Kraft. Bald zog das Flußpferd den Elefanten ein wenig hinab zum Flusse, bald zog der Elefant das Flußpferd ein wenig hinauf aufs Ufer. Sie zogen hin und her.
Als die beiden großen Tiere eine lange Zeit hin und her gezogen hatten, gewann der Elefant den Sieg und zog das Flußpferd zum hohen Ufer hinauf. Das Flußpferd sagte: "Du bist es, der hier oben zieht? Ich dachte der Hase wäre es." Der Elefant sagte: "Du bist es, der da unten gezogen hat? Ich dachte der Hase wäre es gewesen." Das Flußpferd sagte: "Der Hase hat mich betrogen." Der Elefant sagte: "Der Hase hat mich betrogen." Das Flußpferd sagte: "Wir wollen den Hasen verfolgen und töten." Der Elefant sagte: "Es ist mir recht."
Beide Tiere machten sich nun auf, den Hasen zu verfolgen. Sie wollten den Hasen töten. Sie verfolgten den Hasen. Der Hase floh. Der Hase kam nach einiger Zeit zu einer Antilopenleiche, die war schon faulig und stank. Der Hase kroch in den verwesten Leib und bewegte ihn ein wenig vorwärts. Nach einiger Zeit kamen der Elefant und das Flußpferd angelaufen. Sie sahen die langsam vorwärtskriechende, stinkende Antilope und fragten: "Wer hat dich denn so hergerichtet?" Der Hase sagte aus dem Antilopenkadaver: "Das hat der Hase getan. Ich habe ihn nur etwas ohne böse Absicht geärgert, da hat er ein wenig gehustet. Dadurch bin ich gleich in diesen bösen Zustand gekommen. Der Hase hat ganz schlimme Zaubermittel. Hütet euch vor dem schlimmen Hasen!"
Als der Elefant und das Flußpferd das hörten, sagten sie: "Komm, wir wollen so schnell wie möglich fortlaufen. Wir wollen auch wirk
lich dem Hasen nichts tun."Elefant und Flußpferd flohen, der Elefant in den Busch, das Flußpferd in das Wasser.Seitdem lebt der Elefant immer im Busch, das Flußpferd im Wasser.
45. Wie der Hase sein Dorf baut*Alle Tiere versammelten sich im Busche. Die Tiere sagten: "Wir wollen uns Hütten bauen, damit wir gegen den Regen geschützt sind." Die Tiere sagten: "Ja, wir wollen uns Hütten bauen!" Die Tiere sagten: "Wie sollen wir es aber machen? Wir haben keine Hacken, die Erde aufzureißen!" Der Hase (Kossongo) sagte: "Ich kann euch einen Rat geben. Jeder soll sich ein Stück von seinem Ohr abschneiden. Das Stück soll er auf den Markt tragen und als Fleisch verkaufen. Für den Erlös soll sich dann jeder eine Hacke kaufen." Die andern Tiere sagten: "Ja, so wollen wir es machen."
Darauf gingen alle Tiere hin und schnitten sich ein Stück von ihren Ohren ab. Hase aber schnitt sich nichts von seinen Ohren ab. — Die Tiere gingen hin und verkauften das Fleisch, das sie sich abgeschnitten hatten, auf dem Markte. Für den Erlös aber kauften sie sich eine Hacke. Alle Tiere erwarben so Hacken. Nur Hase hatte keine Hacke.
Die Tiere begannen die Arbeit. Der Hase sagte dann zu den Tieren: "Holt viel Wasser; ich will dann die Hütten ganz allein bauen." Die Tiere holten Wasser. Der Hase baute nicht mit. Die Tiere bauten allein. Alle Tiere hatten bald Hütten, aber Hase hatte keine Hütte.
Es kam ein Regen. Hase lief zu den Antilopen und sagte: "Es regnet, laßt mich herein!" Die Antilopen sagten: "Warum hast du dir denn nicht eine eigene Hütte gebaut? Mach, daß du fortkommst." Hase floh. Hase kam zu den Gehöften der andern Tiere. Alle Tiere jagten ihn fort. Hase kam zu der Hütte des Elefanten. Der Elefant hatte als Wächter einen großen Affen. Hase kam und sagte: "Es regnet, laßt mich herein!" Der Affe aber sagte: "Warum hast du dir denn nicht eine eigene Hütte gebaut! Mach, daß du fortkommst!" Hase floh. Hase lief in den Busch.
Hase floh weit fort durch den Busch. In dem Busch fand er eine
Hase kam zu den Hütten der Antilopen und fragte: "Wo ist hier die Stelle, an der man pißt!" Die Antilopen zeigten ihm den Pißwinkel und sagten: "Dort pißt man!" Hase ging hin. Er stellte den Topf mit dem Bier hin. Nach einiger Zeit kam er zurück. Er sagte: "Laßt nachher das wegschütten, was ich abgeschlagen habe." Die Antilopen gingen hin und sahen den großen Topf voll Bier. Die Antilopen sagten: "Seht, was Hase alles herausgepißt hat! Muß Hase aber ein starkes Tier sein!" Dann liefen die Antilopen fort. Die Hütten gehörten nun dem Hase.
Hase kam zu den Hütten der andern Tiere und fragte: "Wo kann ich mich hier entleeren ?" Die Tiere zeigten ihm die Stelle und sagten: "Dort kannst du dich entleeren." Hase ging hin. Er stellte den Topf mit den Bierresten hin. Nach einiger Zeit kam er zurück. Hase sagte: "Laßt das nachher wegschütten, das ich dort ausgeleert habe." Die Tiere gingen hin und sagten: "Seht, was Hase alles ausgeleert hat! Muß Hase aber ein starkes Tier sein!" Dann liefen alle Tiere fort. Die Hütten gehörten nun dem Hase.
Der Hase lief weiter; er kam zum Elefanten. Hase sagte zum Elefanten: "Ich will mich schnauzen. Geh also zur Seite!" Dann blies Hase in das Blasehorn, so stark er konnte. Es gab einen starken Ton. Als der Elefant das hörte, sagte er: "Muß der Hase ein starkes Tier sein, wenn sein Schnauzen so laut klingt!" Der Elefant bekam einen Schrecken. Er lief von dannen. Der große Affe, sein Soldat, sah das kaum, als er sich auch gleich beeilte, von dannen zu kommen und seinem Herrn nachzulaufen.
Als der Elefant und der große Affe, sein Soldat, ein langes Stück weit gelaufen waren, blieb der Elefant stehen und sagte: "Ich habe meine Tasche in der Eile liegen lassen! Du mußt zurückgehen und sie holen!" Der große Affe bekam einen Schreck und sagte: "Wer soll zurücklaufen? Ich?" Der Elefant sagte: "Ja, du mußt zurücklaufen. Du bist doch mein Soldat!" Da machte sich der große Affe auf den Rückweg.
Der Hase war aber inzwischen mit seinem Blasehorn in die Tasche des Elefanten gekrochen. Der Affe wußte das nicht. Er kam zu der Hütte zurück. Er sah sich um. Hase war nicht da. Der große Affe sah die Tasche und band sie sich um den Leib. Dann machte
er sich auf den Rückweg zu seinem Herrn, dem Elefanten. Als er ein Stück weit gelaufen war, begann Hase in der Tasche sein Blasehorn zu blasen. Als der Elefant das hörte, wartete er seinen Soldaten, den großen Affen, nicht mehr ab, sondern stürzte Hals über Kopf von dannen. Der große Affe wollte sich die Tasche abbinden. Aber in der Angst zog er nur den Gurt noch fester zusammen.Seit der Zeit hat der Affe über seinem dicken Hintern einen dünnen Bauch.
46. Goldeselein. Knüppel aus dem SackEs war eine große Hungersnot. Siemug (der Hase) machte sich Limit Limit einem Beile auf den Weg. Er kam zu einer Palme, die im Wasser stand. Er kletterte auf diese Palme hinauf, um Früchte zu schlagen. Als er einige Schläge geführt hatte, glitt ihm das Beil (Lerg) aus den Händen und fiel hinab in das Wasser. Siemug stieg sogleich hinab und in das Wasser, um das Beil zu suchen. Er suchte und suchte, aber er konnte es nicht finden. Dagegen stieß er gegen ein Kuorogo (d. i. eine etwa handtellergroße, sehr schwach gewölbte kreisrunde Kalebassenscherbe, die den Frauen dazu dient, den Brei aus dem Kochtopf zu kratzen).
Siemug fragte Kuorogo: "Was machst du?" Darauf gab Kuorogo viel Essen von sich. Es strömte viel Essen und Brei aus Kuorogo. Siemug aß sich sogleich satt, aß so viel, als er nur zu bewältigen vermochte. Dann nahm er das, was noch da war, packte auf und brachte alles dem Häuptling. Der und alle seine Leute waren krank. Viele waren leprakrank. Alle aßen sich jetzt aber mit der aus dem Kuorogo geströmten Speise satt.
Nach einiger Zeit war wiederum Hungersnot. Siemug machte sich wieder mit seinem Beil auf den Weg und bestieg die Palme, die im Wasser stand. Nach einigen Hieben entglitt ihm wieder die Axt und fiel herunter in das Wasser. Siemug aber machte sich wieder daran, herabzusteigen und im Wasser nach seiner Axt zu suchen.
Während er suchte, stieß er gegen eine Puori (d. i. eine Peitsche), die im Wasser lag. Siemug fragte die Peitsche: "Was machst du?" Sogleich fuhr die Peitsche auf, stürzte sich auf Siemug und schlug und schlug auf ihn los, und als er fortlief, ihn immer weiter verfolgend, daß er nicht wußte, wie er mit dem Leben davonkommen sollte. Endlich gelang es ihm, die Peitsche zu packen. Er nahm sie unter den Arm. Er begab sich ins Dorf zurück.
Im Dorfe angelangt, suchte er sogleich das Gehöft des Häuptlings auf und sagte: "Ich bringe wieder etwas Gutes." Der Häuptling fragte: "Was ist es?" Siemug sagte: "Man muß es, wenn alle Männer versammelt sind, in der Mitte des Platzes auf die Erde legen und dann fragen: "Was machst du?" Darauf ließ der Häuptling alle Leute zusammenkommen. Siemug aber ging in ein Haus, das er zuschließen ließ. Als alle Leute versammelt waren, legte man die Peitsche in die Mitte. Der Häuptling fragte: "Was machst du?" Da fuhr die Peitsche heraus und schlug nach Nöten auf die Leute ein. Sie schlug rechts und links. Alle Leute, Gesunde und Kranke, wollten sich retten und stürmten von dannen. Einige Blinde rannten sich gegen die Köpfe und schlugen sich so die Köpfe ein. Andere Leute stürzten und brachen sich die Beine.
Seitdem ist die Peitsche in den Händen der Häuptlinge, der Hase aber im Wasser.
47. Hund und AffeKuamu (der rote Affe, Husarenaffe) nahm Huhn und Bier. Damit ging er in den Busch. Im Busche ging er zu Bogoll (das Verehrungswürdige, Heiligtum, Gott?) und sagte: "Meine Frau ist schwanger, sie ist dem Gebären nahe. Ich bringe dir dieses hier, damit du uns ungestört von Hunden läßt, bis das Kind geboren ist."
Kuamu betete. Mbag (der Hund) war herangekommen. Er saß hinter Kuamu, während er betete. Als Kuamu noch betete, ließ Mbag einen Wind streichen. Kuamu hörte das und sprang auf. Er sprang, so schnell er konnte, von dannen. Als Kuamu fort war, machte sich Mbag sogleich an die Opfergaben des Affen. Er verzehrte das Huhn und trank das Bier.
Seitdem flieht Kuamu immer von dannen, sobald der Jäger mit den Hunden naht.
48. LügenEin Jäger ging einmal in den Busch. Als er ziemlich weit gegangen war, sah er da den Kopf eines Längstverstorbenen liegen. Der Schädel war weiß geblieben. Der Jäger blieb stehen. Der Jäger fragte: "Wer hat dich hierher gebracht?" Der Schädel sagte: "Wer hat dich denn hierhergebracht?" Als der Jäger den Schädel so sprechen hörte, bekam er einen Schreck. Er lief, so schnell er
konnte, ins Dorf zurück und zum Sauwa (= Häuptling in der Killingasprache).Der Jäger sagte zum Sauwa: "Ich habe soeben im Busch den Kopf eines längst verstorbenen Menschen gesehen. Ich fragte ihn: ,Wer hat dich hierhergebracht?' Der tote Kopf antwortete: ,Wer hat dich denn hierhergebracht?' Darauf habe ich einen Schreck bekommen und bin so schnell wie möglich hierher gelaufen, um dir das zu erzählen." Der Häuptling sagte: "Du lügst! Der Kopf eines längst verstorbenen Menschen kann nicht sprechen. Dulügst!" Der Jäger sagte: "Ich lüge nicht. Ich will sterben, wenn ich gelogen habe." Der Häuptling rief einige seiner Leute. Er sagte zu ihnen: "Der Jäger kommt aus dem Walde. Da will er den Kopf eines vor langer Zeit gestorbenen Menschen gesehen haben, der zu ihm gesagt haben soll: ,Wer hat dich hierhergebracht?' Geht mit dem Manne zu dem Kopf zurück. Der Mann soll wieder mit dem Kopf des Längstverstorbenen sprechen. Wenn der Kopf des Längstverstorbenen nicht antwortet, so will der Mann sterben."
Der Jäger ging mit den Leuten des Häuptlings in den Busch an die Stelle, wo der Kopf des längst verstorbenen Mannes lag. Sie kamen dahin. Die Leute fragten: "Wer hat dich hierhergebracht?" Der Kopf blieb still und antwortete nicht. Die Leute fragten wieder: "Wer hat dich hierhergebracht?" Der Kopf blieb still und antwortete nicht. Der Jäger sagte zu dem Kopfe: "Vorher hast du mit mir gesprochen. Weshalb willst du jetzt nicht sprechen. So sage mir doch: ,Wer hat dich hierhergebracht?' Der Kopf des Längstverstorbenen blieb still und antwortete nicht." Der Jäger sagte: "Wenn ich vorher gelogen habe, so will ich jetzt sterben." Darauf schossen ihn die Leute des Sauwa tot. Die Leute ließen den toten Jäger liegen und gingen zum Häuptling zurück. Sie sagten: "Der Jäger hat gelogen. Er hat den Kopf des Längstverstorbenen angesprochen. Aber der Kopf hat nicht geantwortet. Darauf haben wir ihn erschossen."
Als die Leute des Häuptlings fortgegangen waren, sagte der Kopf des Längstverstorbenen zu dem toten Jäger: "Wer hat dich hierhergebracht?" Der tote Jäger antwortete: "Mein Mund!"
Seitdem hütet man sich sehr zu lügen.
III
DIE MUNTSCHI
EIN URWALDVOLK IN DER NACHBARSCHAFT DER SUDANISCHEN KULTURVOLKER
Das Volksleben der Muntschi
Als Gegensatz zu der Darstellung zentral-äthiopischer Stämme, die ich seinerzeit gab, mag die Schilderung eines Volkes, welches nicht als äthiopisches bezeichnet werden kann, Platz finden. Denn es scheint mir ganz außerordentlich wichtig, den Gegensatz zu betonen, der zwischen einem so ausgesprochenen, scharf umrissenen Typus wie dem äthiopischen und dann demjenigen eines zwar in sich abgeschlossenen, aber dennoch genetisch unbedingt stark gemischten besteht. Als Beispiel für ein derartig aus der Mischung zu eigenem Typus herausgewachsenes Kulturgebilde habe ich die Muntschi gewählt, die so recht im Gegensatz zu den Splitterstämmen Nigeriens und Kameruns erscheinen. Bei den Äthiopen alles einfach, schlicht, innerlich organisch zusammenhängend, originell, archaistisch, ein Guß. Jede Erscheinung der Äthiopen leicht zu erklären aus dem Zusammenhange, den eine einzige Entwicklungslinie bietet - eine Entwicklungslinie, die nur hie und da leicht verwischt ist durch unschwer erkennbare libysch-atlantische Einflüsse. Bei den Äthiopen ein Volkscharakter, der hart und konstant, konservativ und fest gegliedert ist. Dagegen nun die Muntschi: im Kulturbesitz reich ausgestattet mit Erbschaftsstücken aus verschiedenen Richtungen, von Natur beweglich, anpassungsfähig, bereit, sich überall, sei es feindlich, sei es freundlich, Ausgleichspunkte zu schaffen. Fraglos sind die Muntschi ein Typus für sich; weder die Ausdrücke ihres Geisteslebens noch die Formen ihres materiellen Kulturbesitzes machen etwa den Eindruck des Zusammengeflickten und unorganisch Verbundenen, und dennoch können wir nach allen Seiten Beziehungen erkennen.
Nur auf einem Gebiete fällt von vornherein die Kulturform der Muntschi stark ab. Alle religiösen Verhältnisse und Außerungsformen haben die scharfen Konturen verloren. Praktische Menschen, die sie sind, stehen sie mitten im praktischen Leben und sind sie verhältnismäßig gleichgültig gegenüber allen Fragen weiterschauender Weltanschauung. Hierin sind sie so recht der Gegensatz zu den Äthiopen. Alle Glaubenssachen sind abgewandelt in Aberglauben. Nirgends eine feste Linie der Weltanschauung. Der Aberglaube wuchert bei ihnen noch nicht so stark wie bei westafrikanischen Mischtypen; das hat aber seinen Grund nur darin, daß die Muntschi Menschen des realen Lebens sind, eines Lebens, das im Gegensatze zum echt äthiopischen die Geschlossenheit der sozialen Gliederung verloren hat. Es ist typisch, daß diese Erscheinung so besonders stark hervortritt hier, wo der Sorghumbau aufhört und wo hauptsächlich die Frau die Farmwirtschaft in Händen hat. Hierin gerade liegt der Grund, weshalb diese Muntschi den
Westafrikanern kulturell so nahestehen und sich trotz der Nähe der Äthiopen stark abgewandelt haben.Die Muntschi sind deswegen als ein Typus aufzufassen, der in der Mitte der Entwicklung und Beziehung zwischen äthiopischen Sudanvölkern und zwischen atlantischen und nigritischen Stämmen Westafrikas steht, und in dieser Mittelstellung sollen sie uns hier eben ein Gegenstand der Beobachtung sein, der uns gerade die ursprüngliche Geschlossenheit und innere Selbstverständlichkeit der Äthiopen noch schärfer auffallend machen muß.
a) Die Muntschi als AusnahmeintelligenteDie Muntschi, wie sie früher auch manchmal genannt wurden "Mintschi" und wie sie sich selber nennen "Tiwi", sind von allen Völkern des Benuelandes entschieden das selbständigste an Wesen und Äußerem, als Volk das spezifisch machtvollste, dem Rufe nach das schlimmste Räuberpack, und dem Wesen nach der wertvollste, weil wohl produktivste und intelligenteste aller Stämme des Benuelandes. Sie sind weit und breit gefürchtet. In Wagadugu, im Mossilande, wurde mir zum erstenmal von diesen "greulichsten" aller Menschenfresser berichtet. Überall in Nupe und Joruba und wohl von allen Haussa des Nordens werden die Muntschi als Beispiele des größten Barbarismus und des Kannibalismus angesehen. Man ist sich über ihre Niedrigkeit an Kultur, ihren Mangel an Gesittung allenthalben so einig, daß die Schilderung dieser Menschen als der stumpfsinnigsten und rohesten aller vorhandenen dem Wanderer entgegenklingt, bis man ganz wenige Kilometer von ihrem eigenen Land entfernt ist und nun mit den ersten, vereinzelt weiter umherschweifenden Individuen zusammentrifft. Und auch dann noch kann sich ein harmloser Mensch täuschen lassen.
So ist es sehr bezeichnend, wenn diese Leute in ihrer einfachen Heimatstracht in einer Nachbarstadt der Jukum oder Abaquariga auftauchen, wenn sie mit stumpf blödem Gesichtsausdruck niederhocken und den Spott aller "gebildeten" Umherstehenden über sich ergehen lassen, ohne daß sie auch nur durch das leiseste Zucken des Augenlides merken lassen, daß sie den Spott verstehen und daß die Verächtlichkeit, mit der die andern von ihnen sprechen, sie berühre. Man hält sie bei solchem Bilde und Vorgange wirklich im ersten Augenblick für roh, stumpfsinnig und niedrig. Man ahnt zunächst nicht, daß das die geschickteste Maske, die raffinierteste Schneckenmanipulation ist, die man überhaupt in Afrika treffen kann, und erst später lernt man die zähe Festigkeit, mit der sie trotz alles Spottes der "Reichbekleideten" an ihrer einfachen Tracht hängen bleiben, achten als eine Eigentümlichkeit, die man vielleicht als eine
Bogenschütze (Muntschi)Diese beiden Vorgänge: gemimte Einfalt bei sorgfältiger Umschau einerseits, ständige Bereitschaft, Neues aufzunehmen, ohne dabei geistlos etwas nachzuahmen, sind die beiden ersten auffallenden seelischen Äußerungen der Muntschi, die als wesentlich vermerkt werden können.
Man kann sich nämlich in ersterer Angelegenheit kaum zwei drolligere Gegensätze denken: Der Muntschi in der Fremde, in der "Großstadt" der Jukum oder Abaquariga und der gleiche Muntschi daheim. Unter den Fremden hockt der Muntschi sich schlaff hin, macht das dämlichste Gesicht, das man sich überhaupt denken kann, schließt die Augen ein klein wenig, läßt die Unterlippe vorhängen und kreuzt die ungeschlachtenen Hände vor sich im Schoß. Er läßt unbekümmert die andern vorbeigehen und seines wunderlichen Haarschnittes, seiner roten und bunten Bemalung und seiner einfachen Kleidung wegen lachen. Er sitzt auf dem Markte ganz geduldig und verkauft seine heimischen Produkte, seine Baumwollstoffe, die allenthalben sehr geschätzt sind, seine Feldfrüchte. Er wartet, bis ihm jemand einen guten Preis, genau den, den er erwartet hat, bietet. Eher geht er nicht weg. Durch den Spott graulen sie ihn auch nicht hinaus. Hernach geht er hin und kauft das, was er braucht, Eisen oder sonst Brauchbares. Und da ist wieder genau das gleiche. Er zahlt nicht eine Kauri mehr, als nach seiner Beobachtung - und er hat immer die halb geschlossenen Augen zum Zuschauen bereit-ein anderer zahlen würde, auch nicht eine! Ja, die Abaquariga, sicher geschickte Händler, haben mir versichert, die Muntschi wären bessere Händler als sie selber, verkauften teurer und kauften billiger als andere. Diese Abaquariga sagten mir, es sei ganz klar ersichtlich, daß ein Muntschi nie etwas auf den Markt bringen würde, was gerade im Überfluß vorhanden sei. Die Muntschi kämen aber sogleich in geschickt gegliederten Abständen und Trupps, wenn irgend etwas ausgeht, was sie liefern können. Die Abaquariga sagen, das Merkwürdigste aber wäre es, daß diese Leute einige Stunden, nachdem sie auf dem Markt gesessen hätten, immer genau wüßten, wer - durch irgendwelche Umstände, sei es für ein Totenfest, sei es für ein Ausstattungsgut, sei es, weil ein Schuldner bedrängt würde -irgend etwas zu verkaufen gezwungen sei. Mit Sicherheit wüßten sie solche Leute ausfindig zu machen und mit aller Bestimmtheit wären sie so imstande, billiger einzukaufen als die andern. Aber während ein anderer, dem solch guter Handel gelungen sei, dann großes Aufhebens von solcher Geschicklichkeit
mache, gehe der Muntschi danach ganz gelassen und unbekümmert seines Weges, und wenn man ihn frage, wie er mit seinen heutigen Geschäften zufrieden sei, so antworte er sicher: es ginge ganz schlecht; für seine eigenen Waren bekäme man gar nichts, und das, was man brauche, müsse man in Wukari zu teuer bezahlen.Typisch für diese Maskerade des geschickten Bauern ist seine Stellungnahme zur Vielsprachigkeit des Gebietes. Wenn ein Jukum oder Haussa ihn seiner bäuerlichen Ungeschlachtheit, seiner groben schweren Arbeitshände, seiner ländlichen Tracht halber belacht, dann spielt der Muntschi den Dummen, der das weder sieht noch die Worte versteht. Das muß er, das ist er sich selbst schuldig. Denn der Muntschi ist daheim ein streitbarer Geselle, dessen Ehrgefühl man nur ein ganz klein wenig zu betupfen braucht-schon liegt der Pfeil auf der Sehne. Und solche Gefühisregungen wollen kunstvoll verkapselt werden. Daher versteht er die Sprache nicht. Sowie er aber zum Handeln auf den Markt kommt, weiß er sich so fein auszudrücken, daß es eine Freude ist, die Geschicklichkeit der Verwertung jeder Redewendung zum Ausdruck oder zur Erklärung zu beobachten.
Noch größer aber ist der Gegensatz der Muntschitypen auf dem Markt in Wukari und derer in ihren heimischen Dörfern. Unter den Fremden drücken sie sich möglichst unbeobachtet zur Seite, äußern keinerlei merkliches Interesse, suchen trotz Beibehaltung ihrer heimischen Tracht denkbar wenig in die Augen zu fallen und markieren den Stumpfsinn. Daheim gehen sie mit hochgetragenem Kopfe, lachend und geräuschvoll fröhlich, durchaus männlich würdig und -wenigstens soweit ich sie kennenlernte - offen und freundlich umher. Es ist, als ob man zwei verschiedene Völkertypen vor sich habe, dort die gedrückten, törichten Mucker, hier die offenen, lachenden, kriegsbereiten Männer.
Ja, diese vielverleumdeten, "brutalen", "tierischen" und "jeder Kultur feindlichen" Muntschi sind von einer derartigen geistigen Lebendigkeit und Aufnahmefähigkeit, daß ich in ganz Nigeria ihnen in dieser Hinsicht kein Volk gleichwertig zur Seite zu stellen vermöchte. Hätte ich nur einmal jene klugen Verurteiler der Muntschi in meiner Hütte haben können, wenn diese Leute um mich versammelt waren und ihre Legenden und Geschichten vortrugen! Da brauchte ich nicht erst lange zu drängen und zu quälen: "Erzählt! Erzählt! Erzählt!" Ich brauchte nur zu sagen: "Eine gute Geschichte zwanzig Braßstangen, eine schlechte fünf oder nichts und eine sehr gute vierzig, fünfzig und mehr!" Da sahen die Muntschi sich erstaunt an. Da blickten sie prüfend zu mir auf. Dann erzählte gleich einer probeweise ein Stückchen, heimste sein Geld ein, und nun kamen nach vierzehn Tagen mehr Geschichtserzähler,
als ich abzuhören vermochte. Und wie sie erzählten! Das war ein Leben, eine Mimik, eine Bewegung mit Armen und Augen und mit dem Körper! Mit dem sterbenden Tiere, von dem sie erzählten, warfen sie sich auf die Erde; mit dem entrüsteten König sprangen sie auf; mit dem Erschreckten prallten sie zurück und mit dem Weinenden weinten sie. Dichtkunst und Mimik waren eins. frisch, lebendig, effektvoll. Und die Erzählungen der Muntschi sind mir die besten, die mir die kulturtieferen Afrikaner überhaupt gegeben haben. Und so lernte ich hier schon eine geistige Frische als Eigenart der Muntschi kennen, die den senilen Jukum, den verdrängten Äthiopen Nordkameruns und den erschlaffenden Abaquariga auch nicht im entferntesten eigen ist.Daß diese Vitalität, dieser Lebens- und Entwicklungswille nicht immer gerade nur in angenehmer Form sich äußert, ist eine Selbstverständlichkeit, die wir hier wie anderweitig eben mit in Kauf nehmen und im Laufe der Zeit modifizieren müssen. Es sind kräftige, eigenartige und willensstarke sowie besitzfreudige Menschen, die es gewohnt sind, auch als Männer für ihren Lebenswillen einzutreten. Daß sie demnach außerordentlich leicht zu den Waffen greifen und sehr gern bereit sind, einmal eine gründliche Raubfahrt zu unternehmen, das haben die Schiffer auf dem Benue und die Faktoristen der Royal Niger-Compagnie manches Mal durchgekostet, wenn sie neben dem geraubten Gut verendet am Boden lagen.
Das ist den Muntschi immer schwer vorgeworfen worden, hat sie in ein böses Gerücht versetzt und ist geeignet, ihre Art gründlich mißzuverstehen. Denn das hat die schwer gekränkte Royal Niger-Compagnie vergessen der Welt mitzuteilen, daß diese selben Muntschi immer ihre besten Kunden waren, die jahraus, jahrein Eisen und anderes Material tonnenweise in ihren Faktoreien kauften und alle wertvollen Produkte, die das Land überhaupt hervorbringt, ununterbrochen den Kaufladen am Benue lieferten und liefern. — Wenn überhaupt irgendwo der Satz, daß aktive Eigenschaften wertvoll sind, weil sie direktionsfähige und produktive Menschen hervorbringen, schlaffe, passive Eigenschaften aber traurig, weil sie unfruchtbare, unbeeinflußbare Individuen produzieren - wenn dieser Satz irgendwo in Westafrka angewendet werden darf, so ist es bei den Muntschi der Fall, die allerdings noch manches Mal ihre Intelligenz und Aktivität in Rüpeleien und Jugendstreichen äußern, die aber darin eben auch nicht anders sind als die intelligenteren Menschen unseres Nordens.
Ich sagte oben, daß die Muntschi immer die Augen offen haben und Umschau halten nach diesem und jenem, und auch dann, wenn sie in blöder Maske die Lider zusammenkneifen, beobachtend lernen,
ohne zur Nachäfferei zu kommen. Und damit bin ich bei dem schwierigsten Problem angekommen, das mir die Muntschi als zu knackende Nuß auf den Arbeitstisch in Salatu gelegt haben.b) Die Muntschi als Beobachter und FortschrittlerDie dunkelhäutigen Bewohner Afrikas haben eine Eigenart, die sie durchaus in ihrem kulturgeschichtlichen Werdegange so beeinflußt hat, daß man heute bei aller kultureller Variabilität, bei aller Verschiedenartigkeit der einzelnen Gruppen im Kulturbesitz doch alle miteinander als "Neger" bezeichnen kann. Und zwar ist für mich diese Art "Neger"kein anthropologischer Begriff, sondern ein psychologisch -kulturtypischer. Die Eigenart aber, die dieses Negertum produziert hat, ist bei keiner andern großen Rasse und Kulturgemeinschaft der Erde sonst nachweisbarer Nachahmungstrieb. Dieser Nachahmungstrieb vereinigte alle Stämme von den Pygmäen an, deren possierliche Nachahmungskunst einst Schweinfurth, dann auch Junker schilderten, dann zu den Ostafrikanern, wo die Bezeichnungen Massaiaffen und Zuluaffen von Baumann und Stuhlmann geschaffene Begriffe wurden, bei den Nupe, die in allem die Fulbe nachahmen wollen, bei den äffenden Mande usw. Dieses Nachahmungsbedürfnis hat in Afrika große Bewegungen geschafft und die widerlichsten Bilder ins Völkerleben gesetzt. Dieser überall mehr oder weniger auftretende und gleichmachende, assimilierende Nachahmungstrieb macht eben die Neger zu Negern, raubt ihnen die Variabilität und zieht alles zu einer stumpfsinnigen Gleichmäßigkeit herab, weil dieser Nachahmungstrieb sich meistens mehr oder weniger auf Äußerlichkeiten bezieht.
Dieser Nachahmungstrieb ist nicht nur rein äußerlich, er setzt vielmehr seine Tätigkeit fast stets an der Oberfläche des Lebens und der Erscheinungsformen ein. Ich habe das beim Islam und seiner Verbreitung im West- und Zentralsudan beobachtet. Das erste, was dem wilden Jüngling am Islamiten auffällt und nachahmenswert erscheinen läßt, ist seine Tracht. Er setzt alles daran, sich so kleiden zu können wie jener würdige Mann. Das zweite ist die öffentliche Beterei. Der Islam beansprucht zu seiner Verbreitung in Afrika weder ein Glaubensbekenntnis noch eine Taufe. Der strebsame Jüngling läßt sich von, einem islamischen Freunde einmal zeigen, wie man sich wäscht, wie man die Bewegungen macht und was man dabei murmelt. Ich habe Leute in meinem Dienst gehabt, die innerhalb dreier Tage aus urwüchsigen Kafirs oder Kadis zu richtiggehenden und anerkannten Islamiten geworden sind; die nun aber nicht etwa gleich allen alten Kram über Bord geworfen und sich ganz der neuen Sitte und Gesetzmäßigkeit hingegeben
hätten -nein, die einfach zunächst das Gebet verrichteten, heimlich Bier tranken, im Säckel ihre alten Heiligtümer führten und diesen auch nach alter Art opferten. Also die Nachahmung setzt ganz äußerlich ein und greift dann nach innen um sich. Je mehr der Novize mit den neuen Glaubensgenossen zusammenkommt, desto seltener wird die Möglichkeit, heimlich zu trinken, und die Überzeugung von dem Wesentlichen seines alten Glaubens wird durch die Spottreden der andern soweit erschüttert, daß er sich eines Tages entschließt, die alte ehrwürdige Sache der Väter zu überwinden. Er wirft sie über Bord. So reift der neue Mohammedaner auf dem Wege über die Äußerlichkeit und ausgehend von einer Forderung seines kindischen Nachahmungstriebes zum gesetzmäßig lebenden Mohammedaner heran.Also wirkt dieser Nachahmungstrieb in Afrika ununterbrochen, bildet in großen Wellenkreisungen bald nach dieser Richtung, bald auf jenem Gebiete ethnische Eigenarten um und kann an sich große Bewegungen schaffen, die aber stets dem einen Gesetz des üblen Ansatzes äußerlicher Nachäfferei unterworfen sind. Die schlimmsten Äußerungen sehen wir aber an der Küste, wo die Nachahmung des Europäers bizarre Bilder geschaffen hat, die durchaus entwürdigend sind.
Diese starke Nachahmungssucht, auf die man wohl auf allen größeren Flächenteilen des Negerafrika stößt, kann ich nun aber nicht ohne weiteres nur als einen lediglich primitiven, herabziehenden, weil Charakter- und Typenklarheit zerstörenden Trieb oder Instinkt ansehen. Es liegt für mich kein zwingender Grund vor, ihn a priori als eine Erbschaft aus affenartiger Zeit und lediglich als ein Zeichen ursprünglicher Primitivität anzusehen. An sich ist die Nachäfferei der Zulu und Massai - was die Tracht und Gehabung der Islamiten betrifft - nur ein Bestreben, sich denen möglichst ähnlich zu machen, die als Mächtige im Lande sich Anerkennung verschafft haben; und es ist ein großer Unterschied gegenüber den mimischen Nachahmungen der Pygmäen, die Emin Pascha und die Nuba parodistisch darstellten. Diese Pygmäen beobachten scharf das Eigenartige und Drollige an andern und können es dann imitieren. Sie nehmen es nicht an, zeigen sich aber als gute Beobachter. Und dieses scharfe Beobachten und Erkennen der Verwendbarkeit, der Ausnutzung einer Situation, das ist viel mehr eine produktive Tätigkeit als eine stumpfsinnige Nachahmerei wie die Zuluaffen und Massaiaffen, die eine solche doch nur aus Schwächebewußtsein heraus durchführen und damit eigene Persönlichkeit aufgeben.
Und dieser Satz von der Primitivität und Affenartigkeit dieses Instinktes fordert in noch viel höherem Grade eine Revision heraus,
wenn wir den Erscheinungen, wie sie in den Muntschi und ähnlichen Stämmen zutage treten, das Augenmerk widmen.Wie schon gesagt, ist der Muntschi ein ungemein scharfer Beobachter, ein tadelloser Mime, ein glänzender Nutznießer jeder günstigen, geschickt erspähten Gelegenheit und ein lebendiger produzierender Mensch, der niemals und nirgends sein nationales Gepräge in der Kleidung aufgibt, um etwa den wirtschaftlich viel kräftigeren und kulturreicheren Stadtmenschen gleich zu erscheinen. Also steht mein Muntschi viel mehr der Art nach dem beobachtungsscharfen Pygmäen nahe, der jedes Tieres Eigenart und Schwäche erkennt und ausnutzt, als dem Islamnovizen, der seine Eigenart äußerlich aufgibt, um in der Masse der Kulturreichen und Angesehenen mitzuschwimmen.
Wenn irgendwelche "gebildete" Völker mein Haus betraten, so prüften sie meinen ihnen neuartigen Regenmantel, bettelten um prunkhafte schlechte Stoffe, verliebten sich in einige Messer mit geschmackloser, aber protziger Außenschale und schlechter Klinge, baten um Steigbügel, die schöner seien als ihre eigenen usw. Wenn aber die Muntschi meine Arbeitskemenate betraten, dann sahen sie bei den Messern nicht nach der Schale, sondern nach Form und Art der Klinge, dann baten sie um große Nähnadeln, dann vertieften sie sich in meine Erklärungen über unsern heimischen Ackerbau, und das Problem des Pfluges hat sie mindestens eine Woche lang in Atem gehalten. Und zwei Muntschi brachten nachher ihre Frauen zu mir, damit ich denen dann noch einmal den Pflug auseinandersetzte. So wichtig war ihnen das.
Ich hatte vordem überhaupt noch nie ein Volk gefunden, das für vergleichende völkerkundliche Arbeit insofern ein Interesse zeigte, als es seine eventuelle Nützlichkeit erkannte. Meine Muntschifreunde aber verstanden sogleich, daß es gut sei, von vielen Völkern zu lernen und das Beste anzunehmen. In Salatu wollten sie wissen, ob ihre Häuser schön wären oder ob man sie verbessern könne. So etwas war mir im Sudan noch nicht vorgekommen und ich stand vor diesem Typus von Menschen staunend da. — Nur einmal vorher hatte ich in Afrika ein ebenso denkendes Volk im Kassaigebiete getroffen: die Baua Lulua, Pogges und Wißmanns Baschilangi; damals war es mir aber viel weniger kraß als Ausnahme aufgefallen als jetzt hier die Muntschi im Niger-Benue-Gebiet.
c) Volkstypen, KulturbeziehungEs ist klar, daß gerade bei einem solchen Volke die Frage nach der rassenhaften und kulturellen Zugehörigkeit doppeltes Interesse haben muß, und so will ich denn von der Schilderung der geistigen
Fähigkeiten zu der Schilderung ihres Äußern und ihrer Kulturbeziehung übergehen.Im Äußeren der Muntschi habe ich in rein natürlicher Veranlagung nicht so sehr viel übereinstimmende und zusammenfassende Eigenarten gewahren können. Im allgemeinen gehören sie wohl zu den braunen Menschen; aber sonst sind sie der allgemeinen Figur und Körperbildung nach bis auf wenige Symptome recht verschiedenartig. Am bemerkenswertesten schien mir die bedeutende Unterschiedlichkeit der Muntschi des Westens und derer des Ostens. Im Westen, in Abinschi, fand ich bei zehn männlichen Individuen völlige Übereinstimmung und nur bei einem Abweichung. Die zehn Leute waren nämlich sämtlich recht klein, alle um 160 und 165 Zentimeter hoch. Die Arme waren sehr lang, so daß diese Leute durchaus den Eindruck auf mich machten, den ich seinerzeit von den Pygmäen am Kassai gewann. Im Osten waren dagegen die großen Leute häufig. Die Köpfe sind überall prognat, die Augen weit auseinanderstehend und schmallidrig, zuweilen schlitzförmig. Niemals sah ich die großen, groben Glotzaugen der Joruba- und Beninstämme bei den Muntschi. Sehr groß und unförmig sind dagegen die Hände, die der Schlankheit und Feinheit der sudanischen Glieder gegenüber doppelt in die Augen fallen. Es sind eben die Hände echter Bauern, die es gewöhnt sind, von Jugend auf die Hacke zu führen. Männer und Weiber sind darin völlig gleich. Weiterhin gehören sie zu den "Wadenprotzen"Westafrikas. Kein Sudaner wird auch nur annähernd solche Muskulatur der Unterschenkel haben. Der Oberkörper schien mir den Beinen gegenüber zuweilen recht lang. Aber das alles habe ich bei den Bauernstämmen Westafrikas oft beobachtet. — Dann haben sie noch auffallend stark entwickelten Bartwuchs. Sie sind augenscheinlich sehr gesund und wie alle derartigen Völker Westafrikas gesegnet mit großen Scharen von Kindern, die sie zumeist in den Farmen haben und die den größeren Ortschaften soviel wie möglich ferngehalten werden.
Gleich hier mag erwähnt werden, daß auch das körperliche Äußere dieser Leute mich vom ersten Anblick an immer wieder an die Mongo-Bassongo-Mino des Kongo erinnerte, eine Ähnlichkeit, der wir im Kulturbesitz noch sehr, sehr häufig wieder begegnen werden. Aber der Leser darf nicht etwa an dieser einen Affinität mit seiner Vorstellung haften bleiben. Es wird am besten sein, man betrachtet die Muntschi zunächst einmal als eine Art für sich und kommt dann erst dazu, nach deren Kulturbeziehungen Umschau zu halten.
Im Kulturbesitz tritt das zutage, was ich nicht ohne Absicht geschildert habe, ehe ich auf die materielle Kultur zu sprechen
kam, die scharfe Beobachtungsgabe und der Sinn für das Nützliche. Die Muntschi haben einen abgerundeten Kulturbesitz, der in allen seinen Einzelheiten so eng ineinander gefügt ist, daß man seine Nutzbarkeit und Nutzung allenthalben erkennt. Dabei haben aber diese Muntschi die Eigenart, daß sie ihrem Kulturbesitze nach weder im allgemeinen noch nach irgendeiner Richtung besonders überwiegend zu irgendeiner Kulturzone neigen. Sie stehen in all ausgeglichenem Kulturbesitz genau in der Mitte zwischen den Atlanten im Westen, den Athiopen im Norden und den Waldvölkern im Süden ihrer Heimat. Dabei lege ich großen Wert darauf, ihren Kulturbesitz nicht als einen zusammengewürfelten, sondern als einen ausgeglichenen anerkannt zu wissen.Mit den Nigritiern der Westküste haben sie vor allen Dingen folgende Übereinstimmungen: Im Gegensatz zu allen äthiopischen Stämmen haben sie keine Gehöfte. Vielmehr leben sie in offenen Weilern, die mehr oder weniger klar immer aus freien Plätzen mit darum in Kreisform angelegten Wohnhäusern bestehen. In dem Kreisplatze liegt aber ein zweiter Innenkreis, meist eine Reihe ihrer wundervollen Speicher und Arbeitshäuser. Sie haben also eine Dorfanlage, die der der Bakuba und Bassongo-Mino am nächsten kommt, wenn bei den Bakuba der Dorfplatz auch nicht rund, sondern viereckig ist. Sie haben diese Anlage gemeinsam mit jenen bis auf ganz bestimmte Einzelheiten. Immer liegt z. B. ein Männerhaus auf dem Dorfplätze und die eigentliche Gemeinde besteht aus mehreren solchen Weilern, die wie die Verschlingungen eines Maschennetzes über das Land ausgebreitet sind. Wir können die Eigenarten ihres gehöftlosen Baues sowohl bei den Nordwestnigritiern (von der Elfenbeinküste bis Senegambien) bis zu den Südostnigritiern im Kongogebiet verfolgen. Ihre Häuser aber sind die nächsten Verwandten der Häuser der Tomma und Gersse: in ein mächtiges großes Rundhaus ist immer ein Speicherhaus als Hängeboden hineingesetzt. Das ist bei keinem äthiopischen Volke zu finden. Wer in der Mitte eines solchen Muntschiweilers steht, weiß, daß er hier Verwandte mit den Westafrikanern vor sich hat.
Und wenn er Umschau hält, gewahrt er noch mehr überzeugende Übereinstimmung. Zunächst einmal ist da die Holzpauke, das Instrument der Trommeltelegraphie, hier nicht nur dem Nachrichtenwesen, sondern auch als Musikinstrument der abendlichen Fröh-Lichkeit gewidmet. Die Muntschi sollen wie andere Westafrikaner außerordentlich geschickt in der Handhabung dieses Telegrammsystems sein, während die Äthiopen durchweg ihr Signaiwesen wie die Libyer auf Pfiffe eingestellt haben. Fernerhin sieht man die hübschen Dreibeinstühle, hier in verschiedenen Varianten, aber alle gleicherweise den Männern dienend -genau wie am Kongo
oder im Westsudan bei der Beschneidung. Es ist die gleiche Stuhlform, wie sie auch am Crossriver üblich ist. Wiederum ein westafrikanischer Verwandter ist der Stampftrog, niedrig und mit mehr oder weniger langen Seitengriffen versehen, ein Instrument, das von hier zum Ogowe und dann weit hinab zum Kassai bekannt ist. Weiterhin traf ich die gleichen Trommeln mit Keilringspannung, die auch die Fannstämme usw. bearbeiten. Noch mancherlei kleine Ähnlichkeit weist nach Süden. Sie haben hohe Türeingänge, "Fenstertüren" wie die Kongostämme und einen Fensterrahmen, der verzapft ist -also wie bei den Bapende. Diese eigenartige Schwelle, die auch noch eine kleine Ausschälung zum Topfniedersetzen hat, heißt gbanda oder gwanda. Die wichtigste Beziehung zur Südwestkultur werden wir aber erst erörtern, wenn die Stellung klargelegt ist, die diese Leute der atlantischen und der äthiopischen Kultur gegenüber einnehmen.Von ersterer haben sie ein außerordentlich wichtiges Instrument, den Bogen. Der Muntschibogen steht den alten Typen fast näher als der der Nupe und Igbirra- und Ankpastämme. Denn er ist klein und von großer Ebenmäßigkeit. Mit den andern Trägern der atlantischen Kultur haben sie die Orakeischnur, zweifach mit je vier Blättchen, und die eigenartige Zahnmode gemeinsam. Daß der ausgesprochene Subachenglaube bis auf detaillierte Feinheiten genau mit dem der Joruba und Jukum übereinstimmt, ist wesentlich.
Weit zahlreicher ist die Reihe von Erscheinungen, die den Kulturbesitz der Muntschi dem der Äthiopen Nordkameruns und auch Togos angliedert. Sie haben genau den gleichen Flötenorchestertanz wie alle Äthiopen, blasen auf den abgestimmten Hörnern und ziehen im Kreise herum. Ihre Tanzbewegungen sind durchaus originell. Man möchte diese Bewegung als ein Aufheben, als eine Ornamentierung der Hockbewegung bezeichnen. Bei Komai, Tschamba und bei Nuba sah ich genau das gleiche. Dann haben sie mit den Tschamba gemeinsam die beiden Figuren Mann und Weib, die für den Ackerbau zu sorgen haben. Das eigenartige Spannmesser der Muntschi, des Katsena-Ala-Gebietes, dessen auf der Handrückenfläche liegender langer Eisenstreifen nach vorn in spiralige Aufrollung, rückwärts aber dem Arme zu in eine spachtelartige Schneide ausläuft, sah ich in vergrößerten Exemplaren bei den Werre und Kwona. Dann haben die Muntschi den Hitschenhocker länglicher Form mit Längsleisten als Füßen. Es gibt im Schmuck der Dakka Eisenringe, die genau mit denen der Muntschi übereinstimmen. Und der Webstuhl der Komai-Werre ähnelt mit seinen langen Stangen und mit der Sitzweise des Webers, der auf dem fertigen Stoff dem Ende zu weiterrutscht, dem ihren durchweg. Mit den Sudanvölkern aber haben die Muntschi sicherlich den Fabelhelden
Kaninchen (statt Schildkröte oder Spinne) gemeinsam. Sie haben an Gelbguß gleiche Ornamente wie die Konkomba, mit denen sie auch eine Männerhaartracht teilen, nämlich (statt der sonst in diesen Ländern üblichen Raupenlängslinien) die Querordnung. Und wie die Stämme am oberen Benue, wie Bobo, Konkomba usw., hängen sie an den Gürtel eigenartige Ornamente aus Gelbguß. Bestimmte Streitäxte mit Griff aus Eisenrohr, bronzegegossenem Menschenkopf als Knauf und langem Schmaiblatt sind bei Dagomba und Muntschi durchaus identisch. Sie haben die gleichen Verehelichungszeremonien wie die Akposso und bestatten genau wie die Leute von Atakpame. — Also ist das Kulturgut, das sie mit den äthiopischen Stämmen gemeinsam haben, überaus umfangreich und bedeutsam.Dann aber haben sie erstens vorwiegende Betonung des Matriarchates, zweitens den Ventilbiasesack und drittens den Griffwebstuhl (neben dem Trittwebstuhl für Baumwolle), auf dem hier ursprünglich Bast, heute aber auch Baumwollstoffe gewebt werden.
Dieses Instrument ist vielleicht überhaupt das wichtigste Kulturgerät der Muntschi für die Entscheidung ihrer kulturellen Stellung. Auf die große Bedeutung, die der von Frauenhänden gehandhabte Griffwebstuhl bei den Joruba hat, wurde im ersten Bande hingewiesen. Es ist ein Kulturgerät, das Atlanten und Libyer verbindet - ebenso wie das Matriarchat und der Impluvial-Tembenbau. Dieser Webstuhl wird bei den Joruba und Bum ganz sachlich stehend gehandhabt, und zwar bei Bum und Verwandten für Herstellung von Bastfaserstoffen sowohl wie von Baumwollgeweben. Wir wissen, daß bei den Kongo-Kassaistämmen dieser Webstuhl nicht von Frauen, sondern von Männern gehandhabt wird. —Nun, genau in der Mitte stehen die Muntschi. Sie haben den Griffwebstuhl hingelegt und Männer handhaben ihn, sowohl zur Herstellung von Bastgeweben (für Säcke) als für Verfertigung von breiten Frauentüchern. Sie stehen also genau in der Mitte, zeigen aber die Stelle, wo entweder beide Webarten ineinander übergehen oder von wo aus die südliche Männerwebart der Kongostämme, Bakuba usw. ihren Ausgangspunkt genommen hat.
Wenn aber hierin die Muntschi den Südweststämmen nahestehen, so haben sie in der Schmiedekunst genau umgekehrte Beziehung; sie haben den Blasesack mit Ventil, wie alle den Gelbguß mit Vorliebe übenden Völker des Sudan; und doch ist ganz nahe bei ihnen das Schalengebläse der Südstämme heimisch, nämlich bei allen Dakka usw.
Also sage ich, stehen die Muntschi als ein eigener Typus genau in der Mitte aller Beziehungen und kann man unmöglich sagen, daß sie etwa ein Mixtum compositum oder eine neue, junge Kornposition
oder irgendeine noch nicht ausgeglichene Völker- und Kulturart darstellen. Sie sind eine so ausgeglichene Völkerschaft wie nur eine im West- und Zentralsudan.Die Muntschi selber wissen über ihre Herkunft nichts Besonderes zu sagen. Sie erzählen, daß sie von einem Berge kommen, der den Namen Adiko hat und am Benue liegt. Ihr Ahnherr sei Takuruku und ihre Ahnfrau Urene gewesen, die beide bei Geje auf dem Bandaberge im Nordosten Salatus geboren wurden. In jener Gegend lebten die Muntschi erst lange in einer großen Stadt gemeinsam, bis eines Tages ein Krieg mit den Denji- und Takumleuten, also mit Tschamba und Tikar ausbrach, der die Zerstörung der Stadt zur Folge hatte. Danach zerstreuten sich dann die Muntschi auf beide Ufer des Benue. So sitzen sie heute noch; im Westen wie im Osten haben sie Jorubaverwandte, nämlich hier Bassa, dort Jukum, im Norden Äthiopen und eine Bornuenklave, nämlich die Kamberri von Lafia, und im Süden Tikar und Bafum zur Nachbarschaft.
d) Kindesentwicklung, Aufwachsen, Beschneidung, Liebe, Ehe, Farm bauBetrachten wir nun dieses eigentümliche Volk seiner Lebensart nach näher. Die Muntschimütter, die ihre Kinder wie die Tschamba und Dakka immer auf der Hüfte zu tragen pflegen, behaupten: im Alter von 2 Monaten könne ein Kind sitzen, einen Monat später zum ersten Male aufstehen, wenn auch nur in Anlehnung an eine Wand, und etwa 6 Wochen später herumkriechen und herumrutschen. Wiederum 1 1/2 Monate später (so hofft die Mutter) kann dann das Kind stolpernd, nach wiederum einem Monat vollkommen laufen. In geistiger Entwicklung soll das kleine Wesen mit 6 Monaten "schimpfen" können, d. h. plappernd und ohne Wortfassung. Aber es soll eben stammelnd seiner Unzufriedenheit schon Ausdruck geben können, ohne gerade zu heulen und zu schreien. Höhere Autoritäten, also heimische Mütter, müssen sagen können, ob so etwas möglich ist oder nicht. Vorgemacht hat es mir kein Muntschikind. —Gleichzeitig kann das Geschöpf mit eija seine Eltern anrufen, und während des Laufenlernens, also im 7. Monat, lernt es sehr schnell Vater, Mutter, Hund und Hühner nennen. Mit 10 Monaten soll das Kind dann völlig laufen und sprechen können. Es wurde mir tatsächlich als Beispiel ein für solche Leistung auffallend kleines Kind vorgeführt, das vollkommen sprechen konnte. Trotzdem wage ich den Muntschimüttern doch zu sagen, daß nach meiner Meinung deren Entwicklungsgeschwindigkeit dieser Sprößlinge um mindestens einen Monat vortaxieren.
Der Lebensernst setzt für die Jungen ein, wenn sie ein Alter von 6-8 Jahren erreicht haben. Dann erfolgt nämlich die Operation des Ipussu, des Präputiums. In diesen Dingen stehen die Muntschi anscheinend außerhalb des Sittenkreises der Kameruner Stämme. Es soll nichts besonders Feierliches mit dem Akt verbunden sein. In der Regenzeit ruft der Otschongo, der Beschneider, alle Bürschchen einer Ortschaft, also etwa 10-20, zusammen. Alle werden auf einen Platz gebracht. Der Operateur vollführt sein Werk mit viel Sorgfalt. Erst führt er oben herum um die Glans den trennenden Schnitt, und wenn die Haut dann abgenommen werden kann, schneidet er zuletzt das Bändchen durch. Er verwendet hierzu ein bestimmtes kleines Messer. Man verlangt von den Burschen keinen Heroismus. Sie werden festgehalten und schreien, brüllen und heulen nach Nöten. Ja, es soll nicht selten vorkommen, daß die Bürschchen ihre Versorger nach unten hin arg beschmutzen. Danach wird die ganze Gesellschaft in ein Haus gebracht und hier einem jeden Burschen ein Platz angewiesen. Jeden Morgen kommen dann aber die Väter und Verwandten mit dem Otschongo und verbinden unter Anwendung heilender Kräuter die Wunde aufs neue. Wenn nun der Junge "sehr gutes Blut" hat, so heilt die Sache in etwa 14 Tagen, sonst verzögert die Genesung sich auch wohl noch um weitere 2-3 Wochen.
Danach aber ist der Bursche zur Lebensarbeit bereit. Nun stiftet der Vater ihm eine kleine Hacke. Die schultert der Junge und dann zieht er mit seinem Vater hinaus zum Farmwerk. Vielen Unterricht erteilt der Vater nicht. Er zeigt dem Jungen: "Hacke da!" Der Junge hackt an seinem eigenen Jamshaufen herum, so gut es geht. Ist er müde, geht er zur Seite und ruht und sieht seinem Vater zu. Hat er sich erholt, beginnt er seine Versuche an einer andern Stelle, und so wirkt er, bis es nachmittag ist und er mit dem Vater zusammen heimziehen kann.
Damit ist er in das Arbeitsleben eingetreten und das hält ihn nun auf lange Jahre in fester Hand. Der Bursche darf auf keiner andern Farm arbeiten als auf der seiner Mutter (resp. seines Vaters; das ist hier dasselbe). Stets arbeitet er, sobald er erst einmal eingearbeitet ist, mit den Frauen zusammen auf deren Farmen. Nun hat es aber mit dem Freikommen von der Arbeit für die Elternfarmen eine Schwierigkeit. Da er nun alle übrigen Kinder seines meist recht mit Fruchtbarkeit gesegneten Vaters ins Farmwerk einzuführen hat, so kann so ein Ältester 25 Jahre alt werden, ehe er frei für eigenes Werk wird. Und das auch nur dann, wenn er einen jüngeren genügend geschickten und fleißigen Bruder hat, der in seiner Eigenschaft als Vorarbeiter ihm gleichkommt.
Vielleicht noch früher müssen die kleinen Mädchen dem Lebensernst
Glauben schenken. Man sagte mir, mit 7-8 Jahren müßten sie zuweilen schon die Mutter vertreten. Ich habe aber Kinder den Haushalt warten sehen, die mir nicht älter als 6 Jahre sein zu können schienen. Diese Haushaltswartung ist aber nicht ganz so einfach für solch ein kleines Wesen. Es hat sicher 1-3 kleine Geschwister (von gleicher oder verschiedener Mutter) zu beaufsichtigen. Das kleine Hausmütterchen muß nun sein Wasser selbst holen, muß Wasser kochen und mit Mehl anrühren, muß die Kinder reinlich halten und für den Augenblick, wenn die Mutter von der Farm zurückkommt, auch noch Feuerstelle und Wasser zum Essenkochen bereithalten. Schräg gegenüber meinem Wohnhause von Salatu hatte ich ein solches Bild der Kinderfürsorge ständig vor Augen, und ich konnte niemals ohne eine gewisse Bewunderung dorthin schauen.Wenn das Mädchen 10-12 Jahre alt ist -hier schon ein hübsch aufgeschossenes Menschenkind -, dann gibt es die Hauswartung einer jüngeren Schwester ab und zieht hinaus, der Mutter bei der Farmarbeit zu helfen. Da gibt es dann aber keinerlei kindliche Spielform, die sanft ins Arbeitsjoch hineinlockt. Es gibt eben nur Arbeit, und mir will es fast scheinen, als ob die Muntschimütter mit ihren Töchtern etwas fester umgingen als die Väter. Es ist erstaunlich, was diese schlanken Muntschimädchen arbeiten können -besonders wenn man hört, in welcher Weise sie ihre Nächte verbringen und daß sie ihrem jungen Körper noch mehr Erschlaffung zumuten als die durch die Arbeit.
Die Mädchen werden auch bei den Muntschi keinerlei Art von Beschneidung unterworfen. Sobald sie aber genügend entwickelt sind, gewährt man ihnen eine geschlechtliche Freiheit, die um so eigenartiger wirkt, als die Tochter mit den Eltern oder Alten (siehe weiter unten) in ein und demselben Hause schläft und die ältere Generation es entschieden zum mindesten hören muß, wenn die Türe knarrt, die den Liebhaber herein- und herausläßt. Es ist aber fraglos, daß man den Mädchen gestattet, mit jedem zu schlafen, der ihnen zusagt, wenn auch hier wie überall eine gewisse Beständigkeit in der Liebe als Vorzug gilt.
Hier ist es am Platze, den Frauen und ihrer Art überhaupt ein Wort zu widmen. Diese weiblichen Typen des Muntschilandes dürften die freimütigsten und selbständigsten sein, die ich überhaupt in Afrika gesehen habe. Sie bewegen sich zwischen den Männern mit einer Sicherheit, einem Selbstbewußtsein, einer freien Selbstverständlichkeit ihrer Unabhängigkeit, die mich stets verblüfft hat. Die Ehefrauen der Muntschi gelten als sehr gut und treu, aber energisch. Sie werden bewundert; und nachher werden wir sehen, daß diese Stellung auch in der Besitzverteilung durchaus zum Ausdruck
kommt. Sie kommt aber auch in einer andern, bei uns mehr delikat behandelten Angelegenheit zum Ausdruck, wenn nämlich die Frauen ihr Wasser abschlagen wollen. Die Frau geht dann ein wenig hinter das Haus, spreizt die Beine und rieselt, gleichgültig ob ein Mann in der Nähe ist oder nicht, stehend auf die Natur herab. Ich sah das in gleich harmloser Ausführung an der Grenze des Gurunsigebietes und in Nordliberia.Für die Verehelichung der Mädchen gibt es zwei Formen, von denen die eine einen schlimmen Zwang, die zweite scheinbaren Zwang und äußerste Freiheit bedeutet. Die erste Form ist weit, weit seltener. Wenn nämlich ein Mann keine Frau mehr hat, wohl aber eine heiratsfähige Tochter, die einem andern zusagt, der auch ein reifes Mädchen sein Kind nennt, dann tauschen sie ihre beiden Töchter einfach aus. Es soll Distrikte geben (wenn sie auch als fernliegend und sehr begrenzt bezeichnet werden), in denen das zu einer Regel geworden ist, in denen ein Vater mit drei Töchtern einem andern Vater mit drei weiblichen Sprossen diese Nachkommenschaft austauscht. Aber wenn das auch hier und da besonders beliebt und häufig ist, so ist doch damit keine Sklavenkette für die verschacherte Weiblichkeit geschmiedet. Ein kluger Muntschi sagte mir vielmehr: "Bei solchen Verheiratungen kommt der Mann schlecht, die Frau aber gut fort. Denn die Frau spricht dann leicht und der Mann schwer, und der Mann arbeitet leicht und die Frau schwer." D. h. es wird der Frau das Reden leichter als dem Mann und der Mann kann dann leichter arbeiten als die Frau.
Zum mindesten ebenso häufig ist die zweite Form der Ehe, die eine Raubehe reinsten Wassers ihrem Ursprung und ihrer heutigen Entwicklungsform nach ist. Bei irgendeiner Tanzfestlichkeit lernt ein Bursch ein Mädchen kennen. Er geht ihr nach. Er schläft dann und wann einmal mit ihr im elterlichen Hause. Die beiden finden, daß sie einander in allem zusagen. Sie verabreden, daß sie einander heiraten wollen. Damit ist die Sache an sich erledigt. Es fehlt nur die Ausübung des Raubbrauches, der die Ehe eigentlich erst zur Ehe macht; es fehlt noch das Theaterstück.
Also verabreden der Bursch und das Mädchen gelegentlich, wenn er nachts einmal wieder mit ihr seine Lust gehabt hat, einen bestimmten Tag, eine bestimmte Stunde, einen bestimmten Ort. Der Bursch sagt: "Sei dann da!" Sie sagt: "Ich werde dann da sein. Laß mich aber nicht lange warten!" Er: "Nein, wir werden da sein; mach es uns aber nicht zu schwer!" Sie: "Das ist meine Sache!" Danach verläßt der Jüngling das Haus, in dem nahe dem Bette seiner Braut die "Alten" schlafen, und geht im Mondschein oder Dunklen heim. Am bestimmten, also verabredeten Tage erscheint er dann mit seinen Freunden an der verabredeten Stelle, läßt das
Mädchen verabredeterweise auch nicht lange warten, stürzt mit seinen Altersgenossen auf sie zu und fängt sie. Und die Braut schreit und strampelt, und von da an tut sie so, als sei überhaupt nichts verabredet gewesen, als sei der Bräutigam ihr ein fremder, unangenehmer Mann, und als sei sie über die Schmach, die man ihr angetan habe, sehr, sehr unglücklich. Sie weint also mehrere Tage und markiert die zu Tode Betrübte, und darin zeigen alle diese Weiber ein Talent, das ungeheuerlich ist. Ich sah eine Erregungsszene zwischen zwei Muntschigatten in Wukari. War das eine Kunstfertigkeit! —Nachdem die Mimik einige Tage gewährt hat, erlaubt die Sitte dem Mädchen, sich zu beruhigen und in den bequemen Zustand einer jungen glücklichen Frau überzugehen. Einige Tage später kommt dann die Schwiegermutter einmal herüber, "um nach ihrer Tochter zu sehen", und nimmt dabei einige harmlose Geschenke in Empfang, die der Bräutigam in weiser Voraussicht schon bereitgelegt hat. — Man sieht, Vater und Mutter werden nicht erst gefragt. —Erwähnt und niedergelegt sei bei dieser Gelegenheit, daß die Akposso in Togo die Ehe in genau der gleichen Weise "raubmäßig auf Verabredung", vollziehen. Dabei sei auch festgelegt, daß die Akposso ihre Frauen nach echt äthiopischer Weise beschlafen, d. h. der Mann hockt beim Koitus und nimmt die Beine der Frau über die Schultern! Wie das bei den Muntschi gehandhabt wird, konnte ich leider nicht erfahren. Der Beischlaf wird anscheinend in europäischer Decklage ausgeübt.Die Ehemöglichkeiten sind nach totemistischer Weise begrenzt. Jede Familie (=nongoasa; in Haussa =kakani; in Nupe =gberes; in Joruba = ira oder irakoa) hat ihr Speiseverbot (= ohanga; in Haussa =sorre; in Nupe =njech; in Joruba =ewuo). Jeder Sohn scheint das Speiseverbot seines Vaters zu erben, und Menschen mit gleichem Speiseverbot können einander nicht heiraten. Solche Familien sind:
Sibirre essen nicht Hiewe (in Haussa = birra oder kusu) und Ihua (in Haussa =kare). Majongo essen nicht Ijo (Schlange). Mamu essen nicht Schoho (Frosch). Mauru oder Babuuru essen nicht Wanga (Eidechse). Kumu essen nicht Ihua. Tirrogo essen nicht Horo(n) d. i. Kronenkranich (in Haussa = gauraka; in Joruba =agufa; in Nupe =ga(u)kun). Majenge essen nicht Hiwe, eine Varanusart, die in Haussa = Gusa, in Joruba =Alegbe heißt. Tere essen nicht Ijo, eine Schlange. Masaba essen nicht Huere, eine Varanus und den Frosch. |
Jede Familie wohnt in ihrem Weiler und Großdorf für sich. Also muß jeder Mann sein Weib, um das Gesetz der Exogamie beizubehalten, in einem andern Dorfe suchen. Nun treffen sich die Muntschi nicht auf Märkten, weil sie keine solchen haben, wohl aber bei Tanzfestlichkeiten, wie sie besonders "zu Ehren" alter Leute abgehalten werden. Ein witziger alter Muntschi erklärte mir aber: "Es werden bei den Tiwi nie mehr neue Kinder gemacht, als wenn ein alter Toter begraben wird." Das wird schon stimmen.
Bei der Tatsache solcher Tausch- und Raubehen ist es keine besonders verwunderliche Sache, wenn die junge Frau keinerlei Ausstattung von daheim mitbringt. Wenn sie jedoch verheiratet ist, macht sie ihrer Mutter dann und wann einen Besuch, und jedesmal gibt ihr diese eine Gabe mit, so daß sich doch nach und nach ein kleiner Besitz von daheim herüberfindet. Die Frauen sind wie gesagt frisch, froh, arbeitsfreudig und ungemein selbständig. Wird eine Frau nicht gut behandelt, so geht die Ehe ebenso bequem auseinander wie sie gefügt ward, d. h. die Frau läuft einfach fort. Allerdings muß sie dann ihrem Mann ihre Kinder zurücklassen. Die Ehen machen trotz der großen Selbständigkeit der Frauen einen durchaus soliden Eindruck. Alle scheinen sich glücklich zu fühlen. Die hervorragende Selbständigkeit der Frauen kommt aber, wie wir gleich sehen werden, am merkwürdigsten im Besitzverhältnis zum Ausdruck.
Das junge Ehepaar arbeitet nun nicht für eigne Rechnung. Es lebt im Dorfe der Eltern des Mannes und arbeitet für dessen Familie. Nun gehören aber wunderbarerweise bei den Muntschi Feld und Ernte nicht dem Vater der Familie, sondern der Mutter der Familie. Und demnach verwaltet nicht der Vater, sondern die Mutter die Vorräte, und also erhält die eingeheiratete junge Frau bei eigener Küchenführung ihr tägliches Deputat nicht vom Vater, sondern von der Mutter. Der Familienvater hat ein sehr begrenztes Anrecht am Ergebnis der Feldarbeit. Er kann nämlich eine Abgabe verlangen, wenn ein Fremder das Dorf bereist, dem ein Geschenk gemacht werden muß. Aber nicht nur die Ernte, nein, die ganzen Farmen gelten als Eigentum der Frau, der Familienmutter. Dabei ist die Farmarbeit der Frauen gar nicht so überwiegend, daß sich etwa hieraus dies merkwürdige Besitzgesetz von selbst ergeben würde. Die Arbeitsteilung ist nämlich folgende:
Die Frauen pflanzen und säen, sie halten durch Jäten die Felder rein. Sie schneiden vom umgeschlagenen Korn die Kolben und Büschel ab. Sie nehmen den jungen Jams aus der Erde und, gehen bei Bedarf zur Farm, um aus den entsprechenden Speichern Jams zu nehmen. Die Männer ihrerseits rüsten Äcker und Farmen vor, machen also das Land urbar, brechen Brachen um, schaufeln die
Beete auf. Sie schlagen Sorghum und Periisetum um; sie graben den alten Jams aus, will sagen, nehmen also die großen Flächen Jams auf und rüsten endlich in den Farmen die großen Jamsspeicher her. Also haben die Männer entschieden den schwereren Anteil an dem ganzen Betriebe. Die wichtigsten Feldfrüchte der Muntschi sind:Jams -jogo (überwiegend; in Haussa =doja). Guineakorn uowa. Maniok logo (sehr selten). Penisetum - amina (in Haussa fero). Okro - aturu (Haussa kubewa; Nupe gmami; Joruba = illa). Große Batate - adzaka (Haussa dankalli; Nupe duku, Joruba = kukun duku und anama). Kleine Batate -mondo (Haussa = guasa; Nupe kunkurro; Joruba =koko). i. Bohnen - ahi (Haussa =kwaruru; Nupe kwaruru; Joruba =borroborro). 2. Bohnen - arrewe (Haussa =wuake; Nupe eso; Joruba =erre). Erdnüsse - abunu (Haussa djedja; Nupe usia; Joruba =egba). Sesam -idjua (Haussa = ridi; Nupe eso; Joruba = namati). Zwiebel alabissa (Haussa allabassa; Nupe = luwossa; Joruba =allebassa). Grüne Tomate - biasse (Haussa gauta; Nupe jiengi; Joruba =ikan). |
Wenn eine Familienmutter stirbt, gehört die Farm dem Familienvater. Beim Tode des Familienvaters geht sie dann in den Besitz der Kinder über.
e) Schwangerschaft, Medizin, Geburt, KörperverschönerungMan nimmt nicht an, daß bei der Verehelichung die junge Frau gleich in den Zustand der Mutterschaft gelange. Man wartet einige Zeit, wird aber, wenn sich nach einer Regenzeit immer noch keine Anzeichen der Empfängnis zeigen, ungeduldig und greift durch eine etwas unverständliche Zeremonie der Entwicklung unter die Arme. Man ruft dann eine Denjoro genannte weise alte Frau und bittet sie, folgende Wankoro genannte Manipulation zu unternehmen.
Die alte Frau erklärt sich auch hierzu bereit und ordnet an, zunächst einmal sechs Hennen bereitzuhalten. Danach kommt sie dann mit folgender Ausrüstung:
i. einem kleinen, ada genannten Bogen; 2. dem Grase kangaraka, das bei den Haussa =tuji heißt; 3. einem kleinen, schenge genannten Töpfchen mit Wasser; 4. dem Schilfgras apere, in Haussa =karam-maschara; 5. einer Schnecke edscho, in Haussa =katang-tangua; 6. Samen des Baumes homo, in Haussa =gaude. Die schwierige Angelegenheit beginnt damit, daß über der Schnecke eines der sechs Hühner geschlachtet wird, natürlich so, daß das Blut darauffällt. Das Schneckentier ist aus seinem Gehäuse entfernt und nun wird das Hühnerblut darin aufgefangen. Die sterile Frau trinkt danach das Blut aus der Schneckenschale. Danach werden alle andern mitgebrachten Gegenstände in einen Topf gelegt. Es scheint dabei auf eine bestimmte Anordnung anzukommen, was auch ganz natürlich ist, da jede derartige Zauberkunst nur dann geglaubt und bezahlt wird, wenn sie sich nach Möglichkeit umständlich und wichtig macht. Über dem Topf mit den Gegenständen werden die fünf übrigen Hühner geschlachtet, so daß dann Blut über alle Sachen hinfließt. Das eigentliche Opfer ist nun beendet und die Denjoro hebt mit dem Gebet an. |
Die Denjoro äußert über dem Blut- und Zeremonialtopf sprechend die Aufforderung, der jungen Frau zu helfen und sie nicht durch fortgesetzte Sterilität in Ungelegenheiten zu bringen. Hat sie ihre Sache heruntergesagt, so schiebt sie der Jungen das Gefäß hin. Die spricht nun ihrerseits auch über dem Topf alles heraus, was sie zu der Sache zu sagen hat. Endlich gibt die Alte aus dem Topfe der Jungen in jede Handfläche drei Tropfen, die die Junge ablecken muß, und damit ist der zweite Teil der Zeremonie auch erledigt.
Nunmehr werden die sechs Hühner gekocht, und zwar gut, unter Zufügung wertvoller Gewürze. Man bereitet auch einen Brei aus gekochtem Sorghummehl (ruma; in Haussa =tuo). Sind die Speisen bereitet, so bringt die Denjoro von der Blätterpflanze Hueretschi herbei. Das ist ein unverwüstlich immer wieder frisch treibendes Kriechgewächs, das als wichtigstes Medikament in der ganzen Sache gilt. Von den trockenen Hueretschiblättern wird nun ein wenig pulverisiert, das Pulver mit den Ruma in Wasser gemischt und der Sterilen zu trinken gegeben. Gleichzeitig muß sie ein wenig von dem Hühnerfleisch essen. Dieses Zeremonial ist damit zu Ende. Die Hühner werden nun verspeist und die weise Frau zieht mit der Bezahlung heim. Die junge Frau wird sich nun möglichst bald von ihrem Gatten beschlafen lassen und ist überzeugt, daß sie alsdann umgehend schwanger werden wird.
Bei Schwangerschaft nimmt man eine Dauer von 9-9 1/2 Monaten vom Beischlaf bis zur Geburt gerechnet an. Die Geburt selbst erfolgt hinter dem Hause, also so gut wie in der Öffentlichkeit. Aber
für solchen Zweck bringen die Weiber doch schnell einige Matten heran und stellen diese herum, damit die Männer nichts von den Vorgängen sehen. Im allgemeinen helfen drei bis fünf erfahrene Frauen. Die Frau selbst sitzt auf einem Stuhl. Jaga, die Nabelschnur, wird mit einem Bambussplitter abgeschnitten. Koandogo, die Nachgeburt, wird im Hofe vergraben und mit Steinen belastet. Sollte sie nicht von selbst und bald zum Vorschein kommen, so wird in einigen Gegenden ein Brechmittel verabfolgt. Die Erregung und Bewegung des Bauchfelles und des Magens wirkt dann nach Ansicht weiser Muntschifrauen auch nach unten expedierend.Das neugeborene Kind wird erst mit Lehm abgerieben und dann mit angewärmtem Wasser gewaschen, endlich mit Gbaga, das ist Rotholzpulver, gefärbt und (angeblich) nochmals gewaschen. Zum Schlusse wird das Wesen mit Kurem, das ist Schibutter, eingerieben. Vier Tage nach der Erscheinung in der Welt fällt dann die Nabelschnur ab, und sobald das geschehen ist - nicht eher - reicht die Mutter dem Kinde die gefüllte Brust. Die abgefallene Nabelschnur wird aber in eine Kalebasse getan und vergraben. Bei der Zeremonie müssen alle die Frauen wieder gegenwärtig sein, die sich schon zur Entbindung um die Mutter versammelt hatten.
Die Mutter aber wird nach der Geburt von der eigenen Mutter an allen Teilen, zumal am Unterleibe, gründlich mit heißem Wasser abgewaschen. Die Wöchnerin hat fünfzehn Tage das Haus zu hüten.
Das Kind erhält etwa vier bis fünf Tage nach seiner Geburt einen Namen. Der Vater gibt ihn. Aber die ganze Familie kommt zusammen und spricht sich weit und breit über die Sache aus. Auf jeden Fall erhält das Kind den Namen eines längst verstorbenen Vorfahren. Darüber kann kein Zweifel sein, und auch über den Grund solcher Benennungsweise äußern sich die Muntschi durchaus deutlich. Also der eine nennt den Namen dieses, der andere den Namen jenes Vorfahren, und wieder ein anderer macht darauf aufmerksam, daß man diesen und jenen längst Verstorbenen nicht vergessen dürfe. Man hält also Umschau und Überlegung ab, was wohl in diesem Kinde wiedergeboren sein könne, und der Vater trifft zum Schluß die Entscheidung. Darüber aber herrschte bei meinen Berichterstattern vollkommene Übereinstimmung, daß nämlich in jedem Kinde ein Verstorbener zurückkehre, da alle Toten in ihrer eigenen Familie wiedergeboren werden. Das Eigentümliche ist, daß hier wie in Atakpame, wo ganz übereinstimmende Anschauungen herrschen, die neugeborenen Kinder im Geschlecht durchaus nicht dem Individuum zu entsprechen brauchen, in welchem sie vordem gelebt haben. Ein Mann kann als Mädchen, eine Frau als Knabe wiedergeboren werden, und zwar scheint man
allenthalben dasselbe anzunehmen, daß nämlich der Tote vor seinem Ende den Wunsch einmal klipp und klar ausgesprochen haben müsse.Weitverbreitet in Togo, in Nigerien, bei den verdrängten Splitterstämmen und nun hier bei den Buschvölkern und ganz besonders klar ausgesprochen bei den Muntschi fand ich folgende Anschauung: In schlechter Lebenslage, in einem Augenblick tiefen Kummers wird eine Frau leicht apathisch erklären, daß sie nicht als Frau, sondern als Mann dereinst wiederkommen wolle. Und was einmal so ausgesprochen ist, das wird nach der Volksanschauung unbedingt auch gehalten. Genau umgekehrt kann ein Mann als Weib wiederkehren. Diese Tatsache und ein eventueller Ausspruch des Verstorbenen in diesem Sinne werden vom Vater bei der Namengebung unbedingt berücksichtigt.
Den Burschen wird eine viereckige Lücke in die Mitte der oberen mittleren Schneidezähne geschlagen. Es ist an den gegenüberliegenden Ecken je ein Rechteck herausgeschlagen. Das geschieht, wenn das Kind 12-14 Jahre alt ist. Der Knabe muß dann auf ein Holz beißen und eine geschickte Hand hämmert die Ecken heraus. Man sagt, daß man den Jungen diese Verschönerung beibringe in der Zeit, wenn sie den Mädchen nachstreben. Der Bursch will dem Mädchen gefallen, und hier wie anderweitig behauptet man, die letzteren bevorzugten solcherart geschmückte Jünglinge. In gleicher Zeit wird auch die Stirn- und Kopftätowierung angebracht und das sehr beliebte Loch im Ohrläppchen.
Dem entspricht die durchaus eigenartige Bauchtätowierung der Mädchen, die kara oder akara genannt wird. Sie wird angebracht, wenn ein Mädchen reif für die Ehe oder vielmehr für das Geschlechtsleben ist. Sie wird in Schnitten ausgeführt, die auseinandergeklafft und dann mit Biegonda, einer "Medizin", die aber in nichts anderem als schwarzem Moosgrund zu bestehen scheint, gefüllt. Das hat zur Folge, daß die Schnitte ungemein in die Höhe gehen. Es muß anerkannt werden, daß die Schnittnarben der Muntschi sich durch starke Erhabenheit, ebenmäßige Linienführung und Formengewandtheit auszeichnen.
f) Krankheit, Subachen, Tod, Begräbnis, Erntefest, HäuptlingsbestimmungWenn jemand krank wird, so unterscheidet man genau nach zwei Kategorien. Eine Art von Krankheiten gilt als verhältnismäßig unwesentlich, da sie durch Tschi, das sind Medikamente, behandelt und geheilt werden können. Die andern sind die schweren, bei denen überhaupt keine Hilfe möglich, also auch nicht erst
versucht wird, da der Patient sowieso sterben wird. In kritischen Fällen wie überhaupt in schwierigen Lebenslagen befragt man das Eschoro. Das ist eine Würfelorakeischnur vom Typus und von der Anwendung des Oquelle. Es sind zwei mal vier Würfelblättchen daran befestigt und man kann nach dem Wurfe deutlich sehen, wie die Sache werden und verlaufen wird. Jedenfalls sieht man aus der Manipulation, ob es Zweck hat, noch mit Medizin Versuche zu machen. Und man richtet sich genau nach der Eschoroentscheidung.Aber nicht nur das. Das Eschoro leistet noch viel wesentlichere Dienste. Richtig befragt und richtig abgelesen, gibt es dem Kenner ganz genau die Krankheitsursache an. Die aber ist nach Muntschimeinung von außerordentlicher Verschiedenartigkeit. Zum Beispiel kann das Agaschi sein, eine Buschkrankheit, die die Haussa Kab'ba nennen. Ferner können die Oquene, das sind die Seelen der Verstorbenen, in Haussa =Jamutu, ihre Hand im Spiele haben. Vor allem aber fürchtet man auch hier die Subachen, die Orozawa, wie die Muntschi, die Maji, wie die Haussa sie nennen. (Bei den Ewe in Togo heißt die Subache Ase-to, bei den Tim Fello). "Orozawa oaung" heißt "eine Subache hat ihn gefaßt", und das ist so ziemlich das Schlimmste, was der Eschoro aussagen kann. Hören wir, was die Muntschi über diese unheimlichen Gäste auszusagen wissen:
Orozawa kommen immer nur nachts heraus. Der ausziehende Orozawa läßt seinen Körper daheim im Hause, das er an jeder ihm passenden Stelle verlassen kann, ohne auf die Benutzung von Haustür oder Wandspalt etwa angewiesen zu sein. Draußen kann Orozawa jede Form annehmen: sowohl die einer Katze als eines Hundes, eines Vogels als eines Elefanten.
Nachts versammeln die Orozawa sich im Busch. Es ist eine geschlossene Gesellschaft, die sich nun untereinander verabredet und verständigt über die Frage, wer nur "geholt werden soll". Von da aus kommen sie dann in die Ortschaft. Sie kommen in das Haus ihres Opfers. Sie packen den Mann, heben ihn auf und tragen ihn heraus und in den Busch. Im Busch schneiden sie ihm das Uma (das ist die Leber = Rai im Haussa) oder aber das Numa (das ist das Herz =Schima im Haussa) heraus und bringen dann den dem Tode geopferten Mann in sein Haus und auf sein Lager zurück. Dann kehren die Orozawa selbst zum Busch zurück.
Wenn nun ein Mann sich abends gesund und munter aufs Bett legt, am andern Tage aber mit schwerem Kopf und Fieber, offenkundig todkrank erwacht, wenn er dann nach zwei oder vier Tagen stirbt, so sagt man im allgemeinen, daß ein solcher Orozawa ihn getötet habe, und das Eschoro wird bei entsprechender Befragung die Sache ja wohl auch bestätigen.
Sehen kann man im allgemeinen die herumziehenden Orozawa nur, wenn man selbst auch Subache ist. Immerhin scheinen gewisse Flämmchen im Busch den Muntschi doch bedenklich mit ziemlicher Bestimmtheit Beziehungen zu den Nachtgreueln anzudeuten. Der Platz im Busch ist aber nach herrschender Meinung stets derselbe, an dem sie immer wieder zusammenkommen und ihre Zwiesprache halten. Die Orozawa können nur den packen, mit dem sie verwandt sind oder der ihnen von einem Verwandten überlassen, sozusagen geschenkt wurde. Sie können keinen nehmen, mit dem sie nicht verwandt sind oder der ihnen nicht als Besitz überwiesen wurde. Dieses betonten mehrere Muntschi mehrmals und sagten damit nichts anderes, als was ich seinerzeit von den Mande und andern Westsudanern oft genug gehört habe.
Auch darin stimmen alle Ansichten überein, daß die Orozawa von Geburt Subachen sind. Aber an sich kommt die Erscheinung von Oundu, d. i. Gott. Mann und Weib kann Orozawa sein, aber "die Männer können nicht so viele Menschen (als Orozawa) fangen wie die Weiber. Wenn eine Frau Orozawa ist, ist sie viel, viel schlimmer als ein Mann (gleicher Art) !" Es ist wunderbar, wie solche Meinung und Stimmung doch immer wieder durchbricht. Das hängt nicht nur mit dem Subachenglauben und seinem sozialen Urgrund zusammen (manche Völker trauen doch solche Eigenschaften überhaupt nur Frauen, nie Männern zu), sondern bezieht sich auf ein gewisses Mißtrauen den "alten Weibern"gegenüber auch im speziellen. Es wird nämlich auch hier alles Schlechte vor allem den alten Frauen zugeschrieben und gesagt, daß, wenn ein Dorf zerstört werde, daran immer die Frauen schuld seien.
Doch weiter über den Subachenglauben. Nach Muntschiansicht, die in diesen Punkten merkwürdig mit Glaubensformen der Jukum und Joruba übereinstimmt, hat jeder Orozawa seinen mystischen Zaubervogel. Man scheint drei Arten für solche Bestimmung geeignet zu halten. Da ist erstens der Wungu, eine Eulenart (Haussa Mujia), dann Akiki, ein schwarzer Nachtvogel mit Helmschopf (im Haussa=Sankara-Kurumi), endlich ein kleiner Nzana genannter Nachtvogel (in Haussa Ururu). Diese alle drei werden ihrem Wesen und Charakter nach mit Aasgeiern verglichen und dementsprechend für räuberisches Nachtwerk für geeignet gehalten. Sie verfolgen ihre Beute auf allen Wegen und zerfleischen die sterbende, sowie sie verendet ist. Sie setzen sich immer auf die Dachspitzen und lauern. Von ihnen, so sagt man, habe jeder Orozawa den einen oder andern in einer Deckelkalebasse. Er bewache ihn ängstlich, daß kein Fremder ihn sehen könne. Sie gelten gewissermaßen als Inkorporationen der Orozawa.
Wenn die Orozawa eine Beute gemacht haben, so teilen sie. Jeder
muß seinen Anteil am Mahle zahlen, und wer dazu nicht imstande ist, der muß einen eigenen Verwandten zur Verfügung der Gesellschaft stellen.Als Gandazawa bezeichnet man einen Mann, der imstande ist, durch übernatürliche Veranlagung die Orozawa zu erkennen und zu fassen. Ihn sucht der Mann auf, der ein Kind verlor und durch die Todesart und die Würfe der Eschoro zu der Ansicht kam, daß ein Orozawa seine Hand im Spiele haben müsse. Der Gandazawa erkennt den Nachtmörder - wie, konnte ich nicht erfahren; die Anschauung hierüber scheint mir bei den Muntschi verwischt. Der Gandazawa schafft den Angeklagten herbei. Wie wohl stets, wird noch eine letzte Bestätigung gesucht, indem man diesem den mit giftiger Baumrinde versetzten Trank, hier Ama, in Haussa Goska genannt, beibringt. Bricht er den Trank aus, so ist er unschuldig, behält er ihn bei sich, so stirbt er bald und ist als Orozawa erkannt. — Die eigentlichen Orozawavögel darf man aber nicht fangen. Tut jemand das, so fallen die andern Subachen über seine Angehörigen her und vernichten sie.
Sehr originell ist eine Auffassung, der zufolge jeder, und zwar ausnahmslos jeder Muntschi sich in einen Orihiri, d. h. einen Werwolf (in Haussa = Meirikida) verwandeln kann. Es heißt, jeder Muntschi besitze eine Medizin, die es ihm im Kriege und in kriegerischer Bedrängnis ermögliche, als Katze, als Vogel oder sonst ein Tier wegzulaufen oder wegzufliegen, jedenfalls zu verschwinden. Die sogenannten Buschumleute, die zwei Tage jenseits Donga und jenseits Kentu in Deutsch-Kamerun heimisch sind, stehen im Muntschilande im Geruch, sich tagsüber in Hyänen zu verwandeln und als solche dann in die Häuser kommen zu können, aus denen sie dann halbwüchsige Kinder zu rauben pflegen.
Wenn ein Mensch, gleichgültig auf welche Weise, gestorben ist, zeigt man das sogleich dem Häuptling, dem Toro, an. Der Häuptling begibt sich darauf mit allen Leuten zur Begrüßung des Leichnams. Alte Leute waschen den Leichnam und reiben ihn dann mit Rotholz ein. Ferner wird er mit Schibutter eingefettet und dann in Tücher gewickelt. Erst wird mit einem Zarkondo, einem kleinen Stück Stoff, der Mund hochgebunden, dann der ganze Leichnam erst mit Kondo Popo (weißem Stoff), dann mit Kondo in (blauem Stoff) eingewickelt. Die Hälfte aller Stoffe, die ein Mensch besitzt, folgen dem Toten in die Grube, und die andere Hälfte wird in die Dachspitze seiner Hütte aufgehängt. Man hat bei den Muntschi fast den Eindruck, als ob sie die reichhaltige Menge der großen Stoffstücke überhaupt nicht für das Leben, sondern für den Tod herstellen, wie ja auch am oberen Benue die vielen, vielen wertvollen Baumwolistreifen der Werre usw., soweit sie nicht unbenützt im
Lande als Geld kursieren, für die Leichenbewicklung hergestellt seien. — Alles andere Besitztum eines Toten teilen aber Kinder und Frauen.Der Häuptling wird in der Empfangshalle =Jo, das ist das offene schöne Männerhaus, begraben, jeder andere, zumal arme Mensch, im Busch hinter dem Dorf. Das Grab besteht aus einem Schacht, von dem ein Kanal nach Sonnenaufgang führt. Nach Osten wird auch das Haupt der Leiche gerichtet, so daß deren Füße nach Westen weisen. Sie liegt auf dem Rücken, die rechte Hand auf der Brust, eine Stellung, die genau der in Atakpame üblichen entspricht.
Bis auf ein Hühneropfer erfolgt keine Grabbeigabe. Ein Huhn wird im Grab geköpft und dessen Blut auf die Brust des Toten geträufelt. Eine eigentliche Totenbefragung fehlt. Wenn aber ein Häuptling stirbt, so nimmt ein starker Mann seinen Leichnam auf den Kopf und tanzt damit im Dorfe umher.
Das Hühnerorakel heißt Koeschoro. Es steht mit dem Eschoro insofern in Verbindung, als es angewendet wird, wenn die Eschorowürfel befragt worden sind. Zwei Streitende kommen dann jeder mit einem kleinen Huhn oder Hahn herbei. Man gibt beiden Tieren ein wenig vom Gifttrank (s. oben) und wartet den Erfolg ab. Der Mann, dessen Huhn stirbt, hat unbedingt unrecht.
Danach habe ich noch verschiedene Kultureinrichtungen zu schildern.
Zunächst ist da Igbe. Wenn der Bauer ein neues Haus erbaut hat, errichtet er es vor seinem Eingange. Es ist ein Querbalken, der über zwei über zwei Meter hohe Gabelsäulen gelegt und über den ein Topf mit ausgeschlagenem Boden geschoben ist. Es ist eine Art Portal, durch das jeder gehen muß, der die Haustür betreten will. Wenn das Igbe aufgerichtet wird, opfert der Hausherr eine Ziege, ein Schaf und ein Huhn. Mit dem Blute dieser Tiere wird der bodenlose Topf eingerieben, der über den Querbalken geschoben wird. Alle Männer werden zusammengerufen und alle Männer verzehren es. Aber keine Frau darf davon genießen. Mit diesem einmaligen Opfer ist das Igbe oder Egbe ein für allemal geweiht; es verliert seine Kraft erst, wenn der Erbauer stirbt. — Sein ausschließlicher Zweck ist Schutz gegen die Orozawa.
Tore dagegen ist ein Topfpaar, das nebeneinander in den Sockel des Hauses, außerhalb der Hauswand eingegraben und mit Deckeln bedeckt ist. Die notwendigen Töpfe müssen bei der Töpferin extra bestellt werden und diese erhält dafür ein Huhn. Die Töpfe werden erst mit Stücken der Keimblätter der Bambuspalme eingewickelt. Dann muß aber ein ganz gewaltiges Opfer, eine wahre Hekatombe dargebracht werden, nämlich fünf Ziegen und zwanzig Hühner. Das Blut aller dieser Geschöpfe wird an der Stelle auf den Mauersockel
gegossen, wo die Töpfe nachher eingegraben werden sollen. Ehe das nicht geschehen, nutzt es auch nicht, die Töpfe in die Erde zu lassen. Nachdem das aber geschehen ist, kochen die Männer das Fleisch der Opfertiere. Die Frauen bereiten inzwischen auch Brei. Es ist ihnen aber aufs strengste verboten, von dem Bier oder Mehl zu genießen. An dem Mahle dürfen nur Männer teilnehmen, die selbst ein Tore besitzen. Vor dem Essen wird von den Speisen ein klein wenig in Flocken auf die Töpfe gedrückt. Auch das ist eine Einrichtung, die gegen die Orozawa gerichtet - und für die Muntschi, die sie trifft, recht kostspielig ist. — Doch nun etwas anderes.Wenn der Mann seine erste Farm anlegt, d. h. wenn er das Feld umgebrochen und soweit gereinigt hat, daß es für die Aufnahme der Saat bereit ist, schnitzt er sich zwei Pfähle, beide Kombo-Humba genannt, von denen der eine aber als männlich gilt und Hamba, der zweite als weiblich und Tam heißt. Der männliche Pfahl endet oben stets in eine Spitze, der weibliche in einen Knauf oder Buckel aus. Beide Pfähle pflanzt er nun nebeneinander vor sein Haus neben die Tür, kocht dann ein wenig Saatkorn und gibt es ihnen als Opfer. Danach beginnt er die Saat. Wenn er im Herbst erntet, so gibt er von allem Erntegut erst ein wenig dem Kombo-Humba, und zwar von jeder Frucht das erste Zubereitete. Ehe er nicht dies Opfer dargebracht hat, darf er nicht davon genießen. Das ist die klarste und bewußt reinste Anwendung des berühmten Figurenpaares, das wir auch bei Tombo, Tim und Tschamba finden.
Gleichfalls dem tellurischen Dienst dürfen wir wohl die allerdings etwas unklare Igbue-Zeremonie zuschreiben, die in der Erntezeit stattfindet. Die Teilnehmer des Geheimnisses sind nur Männer in den besten Jahren. Sie schlachten am Tage im Busch "viele Ziegen". Mit ihrem Blute bestreichen sie die Kalebasse. Darauf kommen sie draußen zusammen und essen. Inzwischen meldet einer im Dorf den Besuch des Igbue für die Nacht an. Infolgedessen verkriechen sich alle Weiber und Kinder in die Häuser, denn es heißt, wer von ihnen gelegentlich des Umgangs des Igbue herausguckt, wird von tödlicher Ruhr befallen. Beim Herausziehen brüllt einer der Leute auf der Kalebasse. Man zieht hierhin und dorthin. Damit ist aber auch alles erledigt. Diese Zeremonie soll gut sein für die Farmen, gegen Krankheiten, für Weiber, Fortpflanzung, Kinder usw. Masken werden dabei nicht gebraucht, wohl aber nach Beschreibung der Töne anscheinend Schwirren. Irgendeine Beziehung mit dem äthiopischen Tellurismus glaube ich mit Bestimmtheit annehmen zu können.
Wenn ein Häuptling stirbt, wird auf keinen Fall ein Mann seiner hohen Verwandtschaft zur Nachfolge gelangen. Beim Ableben
eines jeden Häuptlings wird vielmehr der übernächste Nachfolger gewählt. Also ist der nächste Herrscher, wenn ein unberechenbares Schicksal nicht einen Strich durch die Berechnung macht, bei Ableben jedes Toro schon bestimmt und vorhanden. Es liegt hier ein gesunder Grundsatz, den wir ja in den verschiedenen Jerimatypen des atlantischen Kulturkreises allgemein durchgeführt finden.Die Muntschi sind aber im übrigen ein durchaus nicht monarchisch denkendes Volk. Ihre Toro erinnern ungemein an die Dorfschulzen des Kongobeckens.
Volksdichtung der Muntschi
1. Jamsursprung und MenschenursprungAnfangs waren nur zwei Menschen in der Welt; es war ein Mann und eine Frau; die beiden waren miteinander verheiratet. Diese beiden Leute hatten erst nichts zu essen, als drei Nüsse von Bäumen. Die Frau ging immer im Busch umher und suchte etwas zu essen. Der Mann blieb aber daheim.
Die Frau begegnete im Busch einem Baku (soll ein Alledjenuartiges Wesen sein; vgl. Atlantis Band VII. Ob es der Vorstellung nach ein oder mehrere Bakus gibt, ist mir nicht klar geworden). Außer dem Baku waren noch viele, viele Tiere im Busch. Der Baku sah die Frau. Die Frau war sehr klein, sie war nur so groß (Erzähler zeigt in Tischhöhe). Der Baku fragte die Frau: "Was suchst du denn hier im Busch? Was willst du ?" Die Frau sagte: "Ich suche Essen. Wir haben nichts anderes zu essen, als nur drei Nüsse von Bäumen." Der Baku gab der Frau vielen Jams. Die Frau versuchte den Jams. Sie sagte: "Das ist sehr gut." Die Frau packte ihren Jams auf und ging damit nach Hause.
Die Frau brachte den Jams zu ihrem Manne. Der Mann sagte: "Wo hast du denn diesen Jams her?" Die Frau sagte: "Ich habe jetzt einen Platz gefunden, wo es viel Essen gibt. An dem Platz gibt es aber kein Fleisch. Das ist der Busch der Baku; er gab mir den Jams." Der Mann sagte: "Ich will sehen, ob ich für den Baku nicht etwas Fleisch besorgen kann, wenn er nichts zu essen hat."
Der Mann machte sich darauf einen Pfeil (gwanda; in Haussa: kori; in Nupe: egawa; in Joruba: ofa). Der Mann machte sich einen Bogen. (ada; in Haussa: baka; in Nupe: janschi; in Joruba:
arufn]). Der Mann ging mit Pfeil und Bogen in den Busch. Im Busch suchte er nach Tieren. Er sah eine Kwanna (angeblich Riedbock; maria der Haussa; ihm ward einmal ein anderer Name dafür gegeben). Er tötete die Kwanna. Er nahm die Antilope auf und brachte sie nach Hause zu seiner Frau. Die Frau sagte: "Es ist gut. Dieses Fleisch wollen wir zusammen dem Baku in seinem Busch bringen."Der Mann und die Frau machten sich auf den Weg. Der Mann trug die Kwanna. Sie kamen zum Baku. Der Mann sagte: "Du gabst neulich meiner Frau Jams. Du hast aber kein Fleisch hier. Ich habe eine Kwanna geschossen und bringe sie hier." Baku sagte: "Nun babe ich Fleisch! Nun habe ich Fleisch! Nun habe ich Fleisch." Baku sagte: "Ihr habt mir viel Fleisch gebracht. Nun will ich euch viel Jams geben." Der Baku gab der Frau und dem Manne Jams.
Die Frau machte (sogleich) ein Feuer. Sie kochte Jams. Sie gab ihrem Mann davon. Dann aß sie selbst. Als sie gegessen hatten, rief der Baku die beiden zu sich. Er gab ihnen ein kleines Jams und sagte: "Schneidet diesen Jams in ganz kleine Stücke und steckt sie in den Boden. Dann werdet ihr immer Jams haben."
Der Mann und die Frau gingen heim, sie trugen den Jams nach Hause. Der Mann und die Frau kamen nach Hause. Sie schnitten den Jams in kleine Stücke. Sie steckten den Jams in die Erde. Nach einiger Zeit keimte der Jams. Der Jams wuchs auf. Als der Jams groß war, nahmen sie den Jams aus der Erde. Sie bereiteten den Jams. Sie aßen den Jams. Seitdem haben die Menschen den Jams.
Damals ward die kleine Frau schwanger. Die kleine Frau gebar Kinder. Zuerst gebar die kleine Frau Tiwi (Muntschi), dann gebar die kleine Frau Ouke (Haussa). Als Ouke groß war, sagte die Mutter: "Nimm deine Säcke, geh hin in andere Länder und kaufe ein!" Dann gebar die kleine Frau noch andere Kinder.
Eines Tages rief die kleine Frau alle ihre Kinder zusammen. Alle Kinder kamen. Die kleine Frau sagte zu ihren Kindern: "Ich werde morgen sterben. Tiwi geh in den Busch und mache da deine Farmen."
Die Mutter starb. Der Vater starb. Mutter und Vater starben an einem Tage. — Drauf ging Ouke (Haussa) mit seiner Familie nach der einen, Tiwi (Muntschi) nach der andern Seite.
2. Der Urkampf gegen die TiereFrüher einmal in alter, alter Zeit fingen die Tiere die Menschen, um sie zu essen. Die Menschen konnten den Tieren nichts anhaben. Die Tiere töteten so alle, alle Menschen. Es blieb nur eine Frau übrig, die war schwanger. Die Frau ging in eine Höhle. Sie versteckte sich in der Höhle. In der Höhle gebar sie einen Jungen. Der Junge wuchs heran.
Als der Junge herangewachsen war, fragte er: "Wo sind die andern Menschen?" Die Mutter sagte: "Die Tiere haben sie alle getötet. Nur wir sind noch am Leben." Der Junge sagte: "Zeige mir doch die Stelle, wo die andern Menschen alle getötet sind!" Die Mutter sagte: "Du kannst nichts tun!" Der Bursche sagte: "Zeige mir doch den Platz!" Da führte die Mutter den Jungen heraus aus der Höhle.
Der Bursche trat aus der Höhle. Als die Mutter ihm den Ausgang zeigte, kam draußen gerade Duome (Hyäne) vorbei. Der Bursche fragte die Mutter: "Ist das eines der Tiere, die alle Menschen vordem getötet haben?" Der Bursche lief heraus. Er lief auf Duome zu und sagte: "Komm, geh voraus; zeige mir doch den Platz, an dem alle Leute getötet sind." Duome sagte: "Es ist mir recht. Ich werde voranlaufen. Komm hinter mir her." Duome lief voran. Der Bursche folgte. Sie kamen an den Platz. Duome sagte: "Hier ist der Platz." An dem Platz lag Tschongo (in Haussa musuru jibida. Hat Drüsen am Schwanz; scheint eine Art Zibetkatze zu sein). Tschongo schlief da. Der Bursche weckte Tschongo und sagte: "Du, Tschongo, ist das denn euer Haus?" Tschongo sagte: "Ja, das ist unser Haus." Der Bursche fragte: "Gehörte das Haus nicht früher andern Leuten (den Menschen) ?"Tschongo sagte: "Ja, früher wird es wohl den Menschen gehört haben. Aber die Leute sind alle in den Busch gelaufen und Jäger geworden!" Der Bursche sagte: "Wer lebt denn jetzt darin?" Tschongo sagte: "Jetzt lebt (M)berra (der Löwe) mit allen Tieren darin."
Der Bursche sagte zu Tschongo: "Nun gut, Tschongo; nun gib mir einmal Bier." Tschongo sagte: "Wir haben kein Bier hier! Wir haben keinen Jams, kein Korn, kein Öl; wir haben nichts." Der Bursche schlug Tschongo mit einem Stock stark über den Kopf und sagte: "Wo habt ihr denn das, was die Leute, die ihr vordem hier getötet habt, hier zurückgelassen haben?" Der Bursche hieb Tschongo mit dem Stecken stark über den Kopf. Tschongo sagte:
"Ja doch! Ja doch! Es ist viel Bier da." Dann ging Tschongo und brachte viel Bier und Palmöl (Kurama). Tschongo gab das Öl und sagte: "Damit reibe dir die Haare ein!"In dem Hause war viel Jams. Das gehört jetzt den Tieren, die aber (um diese Stunde) im Busch verstreut waren. Der Bursche sagte zu Diome und Tschongo: "Hier nehmt den Jams und bringt ihn in mein Haus (Höhle)." Duome und Tschongo nahmen den Jams auf. Sie gingen vor dem Burschen her. Der Bursche ging mit ihnen in die Höhle. Als sie in der Höhle waren, schnitt der Bursche der Hyäne einen Arm ab und nahm Tschongo ein Auge. Duome floh von dannen. Tschongo floh von dannen.
Der Bursche gab den Jams und den Arm und das Auge seiner Mutter und sagte: "Koche mir diesen Arm, dieses Auge und diesen Jams. Wir wollen heute gut essen. Ich muß stark werden." Die Mutter kochte es. Der Bursche aß es.
Duome und Tschongo liefen schnell fort. Sie liefen zu Anjama (Leopard) und sagten: "Es kam heute ein Bursche in unser Haus, aus dem wir früher die Leute vertrieben haben. Er nahm Bier und Jams und Palmöl. Wir mußten ihm den Jams in eine Höhle tragen. Dann nahm er uns einen Arm und ein Auge." Anjama sagte: "Ich muß diesen Burschen sehen. Wahrscheinlich wird er wiederkommen."
Anjama legte sich in dem Hause auf die Lauer. Der Bursche nahm inzwischen eine Eisenkette (ihie; in Haussa: serka; in Nupe: djari; in Joruba: ewua). Mit der Eisenkette ging er in das Haus zurück. Anjama wollte auf ihn springen. Der Bursche warf aber die Eisenkette um ihn. Er band Anjama mit der Eisenkette. Er schnitt Anjama den Hals ab und brachte ihn seiner Mutter. Er sagte zu seiner Mutter: "Ich will jetzt zum drittenmal in das Haus gehen und werde die Tiere verjagen, daß sie nie wiederkommen sollen." Dann machte der Bursche sich auf den Weg.
(M)berra (der Löwe) und alle Tiere waren inzwischen nach Hause gekommen. Duome und Tschongo sagten zu ihnen: "Ein Bursche ist gekommen, der hat allen Jams, alles Bier, alles Palmöl genommen. Er hat uns einen Arm abgeschnitten und ein Auge genommen. Dann hat er Anjama mit einer Kette gefesselt und ihm den Schwanz abgeschnitten." Als (M)berra und die andern Tiere das hörten, liefen sie so schnell wie möglich weg. (M)berra lief so schnell weg, daß er seinen Jba (Sack) vergaß.
Der Bursche kam wieder in das Haus. Er fand, daß alle Tiere
weggelaufen waren. Es lag aber der Jba (M)berras noch im Haus. Der Bursche kroch in den Sack (M)berras. Als (M)berra in dem andern Hause angekommen war (in dem schon seit alter Zeit die Tiere wohnten), sagte (M)berra: "Ich habe in der Eile vergessen, meinen Jba mitzunehmen. (M)berra sagte zu Kwatumma (der Katze; in Haussa: kjemwua; in Nupe: dangi; in Joruba: olobo): "Geh doch zurück und hole mir meinen Jba aus dem Hause, aus dem wir früher die Leute vertrieben hatten." Kwatumma machte sich auf den Weg. Kwatumma kam in das Haus. Er sah den Jba. Er wollte den Jba aufheben. Da sagte der Bursche aus dem Jba: "Was willst du hier?" Als Kwatumma das hörte, begann er zu zittern. Der Bursche sagte aber aus dem Jba: "Trage mich in das Haus, in dem alle Tiere versammelt sind und lege mich dahin." Kwatumma nahm den Sack auf. Kwatumma trug ihn aus dem Haus, aus dem früher die Leute vertrieben waren, durch den Busch in das Haus der Tiere. Kwatumma legte den Jba im Haus der Tiere auf die Erde. Dann rannte Kwatumma schnell von dannen.Als der Bursche merkte, daß Kwatumma den Jba auf die Erde gelegt hatte, kam er heraus. Er sah die Tiere. Er sprang auf (M)berra zu und schlug ihm den Kopf ab. Alle Tiere liefen voller Furcht aus dem Hause und in den Busch. Seitdem leben die Tiere nicht mehr im Hause, sondern im Busch.
3. Weltkönige und Djowa; BruchstückeUganda war der König des Himmels, und Hambatschi war der König der Erde. Wenn der König des Himmels schlafen wollte, steckten seine Leute einen Blasebaig (agba Sackgebläse) in sein Arschloch und trieben Wind hinein. Sein Bauch ward mächtig aufgetrieben. Wenn er aufwachte, fragte er dann: "Wer hat das gemacht?" Dann griff er die Leute und steckte sie in sein Arschloch. Hernach ließ er sie aber auch heraus.
Eines Tages, als er schlief, hatte seine Frau das Essen fertig; sie brachte es ihm. Er lag auf dem Bett und schlief. Darauf sagte die Frau zu den Blasebalgstößern: "Nun macht Wind!"Darauf erwachte er. Als er erwacht war, begann er zu essen.
2. Eines Tages sagte Uganda (der König des Himmels) zu seiner Tochter: "Geh zu deinem Versprochenen. (Ehemann oder Bräutigam)." Das Mädchen traf ihren Versprochenen. Der Ehemann
kam ihr entgegen. Sie kam mit ihm zusammen. Sie gingen zusammen.Sie trafen einen Djowa am Wege. Der Djowa fragte die beiden: "Warum geht ihr zusammen? Ich will dieses Mädchen." Das Mädchen sagte: "Wozu willst du mich haben? Willst du mich heiraten, oder wozu willst du mich ?" Der Djowa sagte: "Ich will dich essen!" Als der Ehemann das hörte, lief er so schnell wie möglich von dannen. Der Djowa aber nahm das Mädchen und aß es.
Eines Tages war der Ehemann im Busch um sich Essen zu kochen. Der Djowa war ebenfalls im Busch. Er traf den Mann beim Feuermachen. Der Djowa sagte: "Das ist der Mann, dessen Frau ich neulich fing." Der Djowa ging hin. Er ergriff den Ehemann und aß ihn. Man sah keinen von den Leuten wieder. (Beide Teile offenbar nicht zusammengehörig).
4. DjowalegendeEin Toro hatte fünf Kinder. Alle fünf Kinder waren Mädchen. Sie gingen alle zusammen in den Busch, um Feuerholz zu sammeln. Jede sammelte ein gutes Bündel und band es zusammen. Die vier ältesten nahmen dann ihre Holzbündel auf den Kopf und gingen damit von dannen. Sie gingen nach Hause. Die Fünfte konnte aber ihr Holzbündel nicht aufnehmen. Sie blieb da. Die Kleinste weinte. Da kam ein Djowa (gleich den Alledjenu oder Alisami der Haussa. Näheres siehe Haussa-Borireligion [Bd. VII]. Bei den Nupe heißen sie djenu). Der Djowa fragte das Mädchen: "Was gibst du mir, wenn ich dir die Holzlast auf den Kopf setze? Willst du dich von mir beschlafen lassen? Und willst du mir versprechen, nachher niemand zu sagen, wer dich beschlafen hat?" Das Mädchen sagte: "Tue es; es ist mir recht!" Der Djowa beschlief das Mädchen. Dann half der Djowa dem Mädchen die Last auf den Kopf. Das Mädchen ging darauf mit seiner Last in den Ort zurück.
Das Mädchen wurde schwanger. Der Vater befragte das Mädchen: "Wer beschlief dich, so daß du schwanger wurdest?" Das Mädchen sagte: "Ich kann es dir nicht sagen; ich würde sterben." Der Vater sagte: "Wenn du es mir nicht sagst, werde ich dich töten!" Das Mädchen sagte: "Ich kann es dir nicht sagen; ich würde sterben!"
Der Toro rief alle seine Leute zusammen. Er sagte zu den Leuten:
"Meine jüngste Tochter ist schwanger. Sie will mir nicht sagen, wer sie beschlafen hat." Die Tochter sagte: "Töte mich nicht, mein Vater. Ich will es dir sagen. Ich konnte meine Holziast nicht auf den Kopf nehmen. Da kam Djowa. Er sagte, er wolle mir die Holziast aufheben, wenn ich mich von ihm beschlafen lassen wolle. Er beschlief mich."In der nächsten Nacht kam ein Wind (ahumbe; in Haussa: Iska) über den Ort. Alle Leute im Orte schliefen. Nur das fünfte Mädchen war wach. Es sah den Wind kommen. Es sprang auf. Das Mädchen sprang auf und lief zu dem Hause des Vaters. Das Mädchen klopfte am Hause des Vaters und sagte: "Mein Vater, komm! Hier ist der Djowa, der mich beschlief!" Djowa fuhr aber (also als Wind) über die glühende Asche, die am Boden in der Hütte des Vaters war. Djowa entfachte eine Flamme. Die Flamme verbrannte das Haus des Vaters. Dann ergriff der Wind das Mädchen und führte es fort in den Busch. (Der Wind war dasselbe wie Djowa, sagt der Erzähler, näher befragt.) Der Vater schrie.
Das Mädchen war einem Burschen versprochen. Der Bursche war weit fort gegangen, um Handel zu treiben. Der Bursche kam nach Hause zurück und fragte: "Wo ist mein Mädchen?" Der Vater sagte: "Dein Mädchen wurde von etwas (man spricht auch bei Muntschi den Namen des Djowa nicht gern aus!) im Busch beschlafen. Sie wurde schwanger. Sie wollte den Mann nicht nennen. Ich wurde zornig, dann nannte sie die Sache. Darauf kam die Sache heraus, brannte mich und meine Hütte und nahm das Mädchen mit fort. Sie hat sie mit sich in den Busch genommen." Der Mann, dem das Mädchen versprochen war (Bräutigam) sagte: "Nun also!"
Dann ging der Bräutigam nach Haus. Er ergriff seine Pfeile und ging in den Busch, um sein Mädchen zu suchen. Der Mensch ging mit seinen Pfeilen weit, weit fort, bis dahin, wo kein Mensch mehr wohnt. In dem weit entfernten Busche lebte Djowa mit dem jungen Mädchen, das er gestohlen hatte.
Einmal ging der Djowa in den Busch, um Feuerholz zu holen. Er suchte Feuerholz abseits. Der Bräutigam sah ihn. Der Bräutigam nahm einen Pfeil; er schoß auf den Djowa. Der Djowa ward getroffen. Der Djowa zog den Pfeil heraus und warf ihn fort. Der Bräutigam nahm einen zweiten Pfeil; er schoß auf den Djowa. Der Djowa ward getroffen. Der Djowa zog den Pfeil heraus und warf ihn fort. Der Bräutigam nahm einen dritten Pfeil; er schoß
Maskentänzer (Muntschi) auf den Djowa. Der Djowa ward getroffen. Der Djowa zog den Pfeil heraus und warf ihn fort. Der Bräutigam nahm einen vierten Pfeil; er schoß auf den Djowa. Der Djowa ward getroffen. Der Djowa zog den Pfeil heraus und warf ihn fort. Der Bräutigam nahm einen fünften Pfeil; er schoß ihn auf den Djowa. Der Djowa fiel hin und starb.Der Bräutigam nahm sein Messer und schnitt dem Djowa den Kopf ab. Dann ging er im Busch zur Seite. Er suchte nach dem Wohnplatz des Djowa. Er fand ihn. Er sah sein Mädchen. Der Bräutigam sagte zu dem Mädchen: "Komm! Ich habe das Ding getötet, das dich genommen hat. Sieh, hier ist sein Kopf. Komm jetzt mit mir zurück nach Haus!" Das Mädchen sagte: "Es ist recht."
Dann nahm der Mann sein Mädchen. Er trug den abgeschnittenen Kopf des Djowa. Er ging mit ihr zurück. Er ging weit durch den Busch, bis er zurückkam. Dann ging der Bräutigam in den Ort. Der Bräutigam ging zu dem Toro. Der Bräutigam sagte zu dem Toro: "Ich habe das Ding getötet und das Mädchen mit heimgebracht." Der Toro sagte: "Das ist wohl eine Lüge. Denn dazu bist du nicht imstande." Der Bräutigam ging weg. Er holte das Mädchen und den Kopf des Djowa. Er brachte das Mädchen und den Kopf des Djowa zum Toro. Der Toro sah das Mädchen und den Kopf des Djowa. Der Toro sagte: "Du übertriffst alle Leute in diesem Orte. Du übertriffst auch mich. Darum sollst du von jetzt ab statt meiner an diesem Orte Toro sein." Darauf wurde der Bräutigam Toro.
5. Der mörderische Sack (Jba)Eine Frau hatte acht Kinder. Es waren drei Knaben und fünf Mädchen. Jeder der Burschen hatte seine Jwanga (Speere), der eine acht, der andere zehn, der andere zwölf. Wenn einer der Burschen auf die Farm ging, gab er seiner Mutter die Speere, daß sie sie aufbewahre. Die Mutter bewahrte die Speere der Burschen auf.
Die Burschen waren (einmal) in der Farm. Da kam ein Jba zu der Mutter. (Jba sind die aus Bastfäden am Griffwebstuhl gewebten Beute! oder Säcke, in denen Korn und andere Feldfrucht getragen wird.) Der Jba sagte zu der Mutter: "Gib mir einen der Speere deiner Söhne!" Die Mutter sagte: "Meine Söhne haben mir ihre Speere gegeben, daß ich sie aufbewahre. Ich kann sie nicht
geben."Jba sagte: "Wenn du mir nicht einen der Speere deiner Söhne geben willst, dann mußt du mir deinen rechten Arm geben." Die Mutter hielt den rechten Arm hin. Der Jba schnitt den Arm der Mutter ab. Der Jba nahm den Arm und aß ihn. Dann ging der Jba.Die Burschen kamen von der Farm heim. Die Burschen fragten die Mutter: "Was hast du mit deinem Arm gemacht?" Die Mutter sagte: "Es ist nichts."
Die Burschen gingen am andern Tag in die Farm. Da kam Jba wieder zu der Mutter. Der Jba sagte zu der Mutter: "Gib mir einen der Speere deiner Söhne!" Die Mutter sagte: "Meine Söhne haben mir ihre Speere gegeben, daß ich sie aufbewahre. Ich kann sie nicht geben." Der Jba sagte: "Wenn du mir nicht einen der Speere deiner Söhne geben willst, dann mußt du mir dein rechtes Bein geben." Die Mutter hielt das rechte Bein hin. Der Jba schnitt das Bein der Mutter ab. Der Jba nahm das Bein und aß es. Dann ging der Jba.
Die Burschen kamen von der Farm heim. Die Burschen fragten die Mutter: "Was hast du mit deinem Bein gemacht?" Die Mutter sagte: "Es ist nichts!"
Die Burschen gingen am andern Tage in die Farm. Da kam Jba wieder zu der Mutter. Der Jba sagte zu der Mutter: "Gib mir einen der Speere deiner Söhne!" Die Mutter sagte: "Meine Söhne haben mir ihre Speere gegeben, daß ich sie aufbewahre. . . Ich kann sie nicht geben."Jba sagte: "Wenn du mir nicht einen der Speere deiner Söhne geben willst, so mußt du mir deinen linken Arm geben!" Die Mutter hielt den linken Arm hin. Der Jba schnitt den Arm ab. Der Jba nahm den Arm und aß ihn. Dann ging der Jba.
Die Mutter starb.
Die Burschen kamen von der Farm heim. Die Burschen sagten: "Erst fragten wir die Mutter, wer ihr den rechten Arm abgeschnitten habe. Sie sagte: ,Es ist nichts.' Dann fragten wir die Mutter, wer ihr das rechte Bein abgeschnitten habe. Sie sagte: ,Es ist nichts.' Heute ist der Mutter der linke Arm abgeschnitten. Nun ist sie gestorben. Nun wollen wir sie erst begraben." Die Burschen begruben ihre Mutter.
Die Burschen sagten: "Wir haben die Mutter begraben. Wie können wir nun erfahren, wer unserer Mutter die Arme und das Bein abgeschnitten hat!" Die Burschen sagten: "Wir wollen Bier
(nsorom) machen und alle Tiere zusammenrufen und sie fragen, was sie davon wissen." Die Burschen sagten: "Das wird das Richtige sein."Darauf machten die Burschen Bier und riefen alle Tiere zusammen. Alle Tiere kamen zusammen. Aber der Jba kam nicht. (Früher war nämlich Jba auch ein Tier d. h. niamotoho; in Haussa: njamataschi!) Die Brüder und alle Tiere warteten. Nach zwei Tagen sahen sie den Jba in die Farm kommen. Die Burschen sagten: "Warum kommt der Jba so spät?" Sie sprangen auf Jba zu. Sie fingen ihn. Sie sagten: "Jba hat unsere Mutter getötet!"
Sie töteten Jba und seitdem wird der Jba als Sack für Kopflasten verwendet, um Sorghum und andere Früchte darin zu tragen. Seitdem ist Jba kein Tier mehr. Vordem aber war Jba ein Tier. Jba war ein sehr schlechtes Tier.
6. Der Schmied und das ElefantenweibEine Frau gebar drei Kinder. Alle drei waren Söhne. Zwei der Söhne heirateten. Einer der Söhne war unverheiratet. Der war Schwarzschmied (Oro-warrinwa). Der Schmied hieß Ade.
Ein Mädchen kam mit einer Kalebasse (djondo) auf dem Kopfe in die Stadt. Der Schmied und viele junge Männer standen auf dem Platze. Das junge Mädchen stellte ihre Kalebasse hin und sagte zu den Männern. "Wer von euch diese Kalebasse mit einen Steinwurf zerstört, den will ich heiraten."
Die jungen Männer traten alle, jeder mit einem großen Stein heran, warfen, trafen aber nicht. Alle jungen Männer warfen; nur Ade (der Schmied) hatte nicht geworfen. Die andern jungen Männer sagten: "Schmied, jetzt bist du an der Reihe. Du bist der letzte." Ade nahm einen kleinen Stein. Ade warf mit dem kleinen Stein. Ade traf die Kalebasse. Der kleine Stein zerstörte die Kalebasse. Das Mädchen sagte: "Komm Ade, dich will ich heiraten!"
Der Schmied nahm das Mädchen mit nach Hause. Ade behielt das Mädchen zehn Tage lang bei sich. Nach 10 Tagen sagte die Frau: "Nun will ich ausgehen." Der Schmied sagte: "Was, nach zehn Tagen willst du schon ausgehen? Warte einen Monat ab!" Die Frau sagte: "Gut, ich will einen Monat bleiben." Die Frau blieb einen Monat lang bei dem jungen Schmied.
Als der Monat verstrichen war, sagte die Frau: "Heute will ich in den Busch gehen um Holz zu holen." Der Schmied sagte: "Ich
will mit dir gehen." Der Schmied begleitete die Frau. Sie gingen ein gutes Stück weit. Die Frau sagte: "Warst du hier schon früher?" Der Schmied sagte: "Ja, hier war ich schon früher. Die Frau ging mit ihrem Manne weiter, viel weiter. Die Frau fragte den Schmied: "Warst du hier schon früher?" Der Schmied sagte: "Ja, hier war ich schon früher. Hier war ich schon oftmals auf der Jagd und habe hier viele Tiere geschossen." Sie gingen noch weiter, viel weiter. Die Frau fragte den Schmied: "Warst du hier schon früher?" Der Schmied sagte: "Nein, hier bin ich noch nicht gewesen." Die Frau sagte: "Gut, warte hier auf mich. Ich will hier in den Busch gehen um Holz zu sammeln."Die Frau ging in den Busch. Die Frau verwandelte sich in einen Elefanten. Der Elefant lief aber gerade auf den Schmied zu. Der Schmied begann wegzurennen. Er sprang fort auf die Stadt zu. Er lief so schnell er laufen konnte. Der Elefant lief immer hinter ihm her. Der Schmied erreichte die Stadt. Er sprang durch das Tor. Dann versteckte er sich hinter die Stadtmauer.
Gleich darauf kam auch der Elefant an. Als der Elefant die Stadtmauer erreichte, verwandelte er sich wieder in eine Frau. Die Frau rief laut: "Adeu! Adeu!" Als die Frau das rief, starben alle Leute in der Stadt. Nur Ade blieb am Leben. Ade begann wieder wegzulaufen. Er rannte in ein anderes Land. Als Ade fortgesprungen war, verwandelte die Frau sich wieder in einen Elefanten und rannte hinter ihm her.
Ade kam laufend in ein anderes Land. Er kam zu der Stadt des anderen Landes. Er lief hinein. Er sprang zum Toro der Stadt und sagte zu ihm: "Eine Frau läuft hinter mir her; sie läuft als Elefant. Sie hat in der andern Stadt alle Menschen getötet. Wie kann man sie überwinden?" Der Toro sagte: "Es ist gut! Laß mich nur machen."
Der Toro nahm ein langes Messer und Knochen vom Hund. Er versteckte sich dann selbst hinter der Stadtmauer. Der Elefant kam heran. Er verwandelte sich in eine Frau. Die Frau kam heran und rief: "Adeu! Adeu!" Der Toro sprang aber hervor, schnitt der Frau mit dem Messer den Kopf ab und schlug mit dem Hundeknochen auf sie ein. Darauf starb die Frau.
Die Leute sagten zum Toro: "Du hast diese Frau getötet. Müssen wir nun nicht alle sterben?"Der Toro sagte: "Bringt mir ein kleines Messer und eine kleine Kalebasse mit Wasser!" Man brachte die Kalebasse mit Wasser und das kleine Messer. Der Toro schnitt den
Leib der Frau auf und nahm die Leber (ihiri; in Haussa: anta; in Joruba: edo; in Nupe: eje) und das Leben (schima; in Haussa: juschia; in Joruba: emi; in Nupe: rai) heraus und warf beides in die Kalebasse mit Wasser. Dann nahm er einen (magischen) Besen aus Sorghumblättern (akoowoa; in Haussa: ssari; in Joruba: schilioga; in Nupe: ejigwasse) und tauchte ihn in das Wasser. Er sagte: "Geht nun in eure Häuser. Wenn einer stirbt, spritzt von dem Wasser auf ihn." Dann sagte der Toro: "Man soll nicht eine Frau heiraten, die sich so zur Ehe anbietet. Man soll ordentlich um sie bitten.7. Die Geschichte vom großen Klaus und vom kleinen KlausEs waren zwei Brüder. Der ältere Bruder konnte den jüngeren nicht leiden. Wenn der jüngere Bruder etwas tat, sagte der ältere Bruder: "Laß das! Du verstehst das nicht!" Wenn der jüngere Bruder etwas nicht tat, sagte der ältere: "Weshalb tust du das nicht? Du läßt mich alles allein machen!" Als der jüngere Bruder klein war, ward er vom älteren geschlagen; als er größer war, ward er vom älteren beschimpft; als er so groß war, wie der ältere Bruder, konnte er ihm nichts recht machen. Wenn er etwas sagte, stimmte der ältere Bruder dem jüngeren nicht zu.
Der jüngere Bruder sagte (eines Tages) zum älteren Bruder: "Ich will in den Busch gehen; ich will mir ein eigenes Haus und eine eigene Farm anlegen." Der ältere Bruder sagte: "Das ist deine eigene Sache." Der jüngere Bruder ging mit seiner Frau in den Busch. Er baute sich im Busch ein Haus. Er legte sich eine Farm an. Er kam zu seinem älteren Bruder und sagte: "Gib mir deine Jtio (Deichsel; in Haussa: gisago; in Joruba: aikjona) !" Der ältere Bruder gab ihm die Jtio und sagte ihm: "Bringe sie mir aber wieder!" Der jüngere Bruder ging mit seiner Jtio zurück in sein Haus im Busch.
Am andern Tag ging der jüngere Bruder in den Busch, um mit der Jtio Palmbäume zu schlagen. Seine Frau blieb allein im Hause. Als der Jüngere eine Zeitlang fort war, kam ein Adengegua (muß eine Art von Buschgeist sein; sie werden ebenso wie die Djowa und Baku der Alledjenu der Haussa gleichgestellt; doch dürfte das nur für die Djowa stimmen) in das Haus des Jüngeren. Er traf die Frau des Jüngeren allein zu Hause und fragte sie: "Wo ist dein Mann?" Die Frau des Jüngeren sagte: "Mein Mann ist heute früh in den
Busch gegangen. Er schlägt Palmbäume!"Adengegua sagte zu der Frau: "Dann bereite mir Berre"(ist ein Aufguß kochenden Wassers auf Sorghummehl; ein sehr bitteres Getränk; in Haussa: kunu; in Nupe: kunu; in Joruba: kwete). Die Frau sagte: "Du sollst es haben."Die Frau ging. Sie machte den Berretrank zurecht; aber sie beeilte sich nicht so sehr damit. Die Frau sagte (bei sich): "Mein Mann wird bald nach Hause kommen. Dann kann er den Burschen wegbringen!" Als der Adengegua merkte, daß die Frau sich gar nicht beeilte, kam der Adengegua zu der Frau, packte sie und biß sie überall in den Körper. Er biß sie oben; er biß sie unten; er biß sie hier; er biß sie da. Er biß sie überall. Danach nahm er Baumwolle, zerrupfte sie und drückte sie überall darauf.
Einige Zeit später kam der Mann der Frau zurück aus dem Busch. Er warf den Palmbaum, den er geschlagen hatte, vor der Tür hin und rief: "Frau bringe mir Wasser zum Trinken heraus."Die Frau sagte zum Adengegua: "Höre! Das ist mein Mann!" Der Adengegua sagte: "Frau! Geh nicht hinaus! Bring ihm nichts zu trinken!" Die Frau sagte: "Weshalb soll ich meinem Manne nichts zu trinken geben? Willst du es mir verbieten?" Darauf schöpfte die Frau aus dem Wassertopf in eine Schale, und brachte sie ihrem Mann heraus.
Die Frau kam zum Mann heraus. Der Mann sah die weiße Baumwolle, die überall auf dem Körper der Frau war. Der Mann fragte: "Was ist das mit dir? Wie siehst du aus?"Die Frau antwortete: "Während du weg warst, kam ein Adengegua. Der fragte mich wo du wärst. Dann verlangte er Berre. Ich machte ihm die Berre nicht so sehr schnell, weil ich glaubte, du würdest kommen und ihn wegjagen. Da kam der Adengegua mir nach, und packte mich, und biß mich überall in den Körper. Er biß mich oben, er biß mich unten; er biß mich hier; er biß mich da; er biß mich überall. Danach nahm er Baumwolle, zerrupfte sie und drückte sie überall darauf. Daher kommt es, daß ich so aussehe."
Der Mann fragte: "Wo ist jetzt der Adengegua ?"Die Frau sagte: "Er ist noch nicht weggegangen; er ist noch im Hause!"Der Mann nahm darauf seine Jtio und ging damit ins Haus. Der Mann sah den Adengegua. Er sagte: "So, du bist also der Adengegua!" Damit hob er die Jtio hoch und schlug sie dem Adengegua in den Kopf.
Die Jtio saß so fest in dem Kopf des Adengegua, daß der Mann
sie nicht mehr zurückziehen konnte. Adengegua hatte die Jtio im Kopf. Er lief mit der Jtio im Kopf von dannen in den Busch.Der junge Mann sagte: "Nun habe ich die Jtio meines Bruders verloren. Nun muß ich eine neue Jtio herstellen." Der junge Mann begann die Arbeit. Er machte eine neue Jtio. Er nahm die neue Jtio und brachte sie in den Ort. Er suchte seinen älteren Bruder auf und sagte zu ihm: "Mein älterer Bruder! Du hattest mir deine Jtio geliehen. Es kam ein Adengegua in mein Haus während ich im Busch war. Der biß meine Frau überall; hier und da, oben und unten. Ich kam aus dem Busch, während der Adengegua noch da war. Ich wollte ihm mit der Jtio den Kopf zerschlagen. Die Jtio blieb aber in seinem Kopf stecken, er lief damit fort. Ich kann dir also die alte Jtio nicht wieder geben. Ich habe aber eine neue gemacht, und diese habe ich dir für die alte wieder gebracht."
Der ältere Bruder sagte zu dem jüngeren Bruder: "Ich brauche keine neue Jtio. Ich will meine alte Jtio wiederhaben. Nimm deine neue Jtio also wieder mit. Geh hin und bringe mir meine alte Jtio!" Der jüngere Bruder nahm hierauf seine neue Jtio. Er ging damit in sein Haus im Busch zu seiner Frau zurück.
Der Mann sagte zu seiner Frau: "Stampfe mir eine gute Menge Sorghummehl, ich werde für einige Zeit weggehen." Die Frau bereitete ihrem Manne Mehl. Der Mann füllte es in seinen Beutel. Der junge Mann sagte zu seiner Frau: "Mein Bruder will die neue Jtio nicht nehmen. Ich soll ihm seine alte Jtio wieder bringen. Ich werde also in den Busch gehen und nach den Adengegua suchen, dem ich die Jtio in den Kopf geschlagen habe. Ich werde sehen, ob ich die Jtio zurückerhalten kann."
Der junge Mann ging. Er ging weit in den Busch hinein. Er ging dahin, wohin er vordem noch nie gekommen war. Er kam dahin, wo keine Menschen sind. Er kam in das Land der Adengegua! (sagt ein erklärender alter Munschi). Der junge Mann kam an einen Fluß. An dem Fluß saß eine Adengeguafrau, die wusch sich da. Die Frau war krank; sie hatte die Kweja (in Haussa: tunjere; in Nupe: bodongi; in Joruba: ali; eine Pickelkrankheit; kann auch Krätze sein). Die Adengeguafrau sah den jungen Mann kommen. Die Adengeguafrau sagte zu dem jungen Mann: "Nimm die Rinde von dem Baum dort und wasche mich damit; wasche mir damit die Krankheit ab." Der junge Mann sagte: "Weshalb soll ich Rinde nehmen? Was ist das für eine Sache, daß ich nicht meine Hände nehmen soll! ?" Die Adengeguafrau sagte: "Gut; tue es auch so!"
Der junge Mann wusch die Adengeguafrau dann mit den Händen ab. Als er das getan hatte, fragte ihn die Frau: "Junger Mann, sage mir wohin du gehst!" Der junge Mann sagte: "Ich habe einen älteren Bruder, der war immer schlecht zu mir. Als ich klein war, hat er mich immer geschlagen. Als ich größer ward, hat er mich immer beschimpft. Als ich groß war, konnte ich ihm nichts recht machen. Ich ging daher mit meiner Frau in den Busch und habe mir dort ein neues Haus und eine neue Farm angelegt. Ich lieh mir eines Tages meines Bruders Jtio. Ich ging damit weiter in den Busch, um einen Palmbaum zu schlagen. Als ich fort war, kam ein Adengegua in mein Haus, fragte meine Frau, wo ich wäre. Dann verlangte er Berre. Meine Frau machte das nicht schnell. Da kam der Adengegua hinter ihr her und packte sie. Er biß sie überall. Er biß sie oben, er biß sie unten. Er biß sie hier; er biß sie da. Er biß sie überall. Dann zupfte er Baumwolle und drückte sie überall darauf. Gleich danach kam ich nach Hause. Meine Frau sagte was geschehen war. Der Adengegua war noch da. Ich nahm die Jtio meines älteren Bruders und schlug sie ihm in den Kopf. Sie saß darin so fest, daß ich sie nicht wieder zurückziehen konnte. Der Adengegua lief damit fort. So hatte ich meines Bruders Jtio verloren. Ich machte eine neue und brachte sie meinem älteren Bruder. Ich erzählte meinem älteren Bruder, wie ich die andere verloren hatte. Mein Bruder antwortete: ,Ich brauche keine neue Jtio. Ich will meine alte Jtio wieder haben. Nimm deine neue Jtio also wieder mit; geh hin und bringe mir meine alte Jtio!' Ich habe mich also auf den Weg gemacht und suche die alte Jtio meines älteren Bruders."
Die Adengeguafrau sagte: "Hast du ein Rasiermesser bei dir?" Der junge Mann sagte: "Ja, ich habe ein Rasiermesser bei mir." Die Adengeguafrau sagte: "Das ist sehr gut. Wir spielen und tanzen morgen. Morgen ist das große Fest der Adengegua. Dazu will sich aber ein jeder die Haare schneiden lassen. Sei in der Nähe und mache deine Sache gut, dann kannst du den Adengegua sehen, in dessen Kopf die Jtio steckt." Der junge Mann sagte: "Dies werde ich wohl ausführen können. Wo ist die Gegend, in der das Fest gefeiert wird?"Die Adengegua sagte: "Gehe in jener Richtung!"
Der Bursche machte sich auf. Er ging in der Richtung. Nach einiger Zeit begegnete ihm ein kleiner Adengeguaiunge, der weinte. Der junge Mann fragte den Jungen. "Was ist mit dir?" Der Adengeguajunge sagte: "Alle bereiten sich zu dem großen Fest vor.
Alle haben geschorene Köpfe. Nur ich habe lange Haare. Ich habe niemand, der mir die Haare schneiden könnte." Der junge Mann sagte: "Wenn es sonst nichts ist, was dir fehlt, so komm her. Ich will dir deine Haare schneiden!" Darauf zog der junge Mann sein Rasiermesser heraus und schor dem Adengeguajungen die Haare. Der Adengeguajunge lief von dannen, dahin wo die andern Adengegua waren.Als der kleine Junge zu den anderen Adengegua kam, riefen alle: "Wer hat dir die Haare geschoren? Du bist sehr schön geschoren. Wer hat dir die Haare geschoren?" Der kleine Junge sagte: "Ich ging weinend von hier fort, weil ich niemand hatte, der mir die Haare scheeren wollte. Im Busch dort hinten traf ich einen Mann. Der Mann fragte mich, was mir sei. Ich sagte ihm, daß ich niemand hätte, der mir die Haare schneiden könne. Darauf zog der Mann sein Messer heraus und hat mich geschoren, wie ich bin."Die andern Adengegua fragten: "Wo ist der Mann? Wo ist der Mann?" Der Junge sagte: "Der Mann ist nicht weit weg von hier im Busch."
Die Adengegua liefen sogleich alle zu dem jungen Manne. Sie trafen ihn am Wege. Sie baten: "Scheere uns den Kopf, wie du ihn dem Jungen geschoren hast!" Der junge Mann sagte: "Ich will es tun. Ich will einem nach dem andern den Kopf scheren." Der junge Mann schor den Adengegua den Kopf. — Zuletzt kam auch der Adengegua angelaufen, dem der junge Mann seine Jtio in den Kopf geschlagen hatte.
Dieser Adengegua kam an. Er sah den jungen Mann. Er sagte: "Das ist der Mann, der mir seine Jtio in den Kopf geschlagen hat." Die andern Adengegua sagten: "Das ist nicht wahr! Das ist nicht wahr! Du willst nur Streit anfangen. Das ist ein Bursche, der eben erst hier angekommen ist und der uns alle die Köpfe geschoren hat. Das ist ein guter Bursche!" Der Adengegua mit der Jtio im Kopf sagte: "Dann soll es gut sein! Dann mag er mir auch die Haare schneiden!"
Der junge Mann begann seine Arbeit. Im Kopf des Adengegua stak seine Jtio. Er stieß einmal von der Seite gegen sie, um sie locker zu machen. Der Adengegua schrie laut auf, so schmerzte ihn das. Der junge Mann schor weiter. Nach einiger Zeit stieß er noch einmal von der andern Seite an die Jtio, um sie locker zu machen. Der Adengegua schrie laut auf, so schmerzte ihn das. Der junge Mann schor weiter. Von Zeit zu Zeit aber stieß er an die Jtio um sie locker zu machen. Jedes Mal schrie der Adengegua auf vor
Schmerz. Nach einiger Zeit war die Jtio locker. Als die Jtio locker war, ergriff der junge Mann sie und zog sie mit einem Ruck aus dem Kopf des Adengegua. Der Adengegua schrie laut auf. Der junge Mann rannte aber mit der Jtio, so schnell er konnte, von dannen.Der junge Mann kam nach einiger Zeit an den Fluß. Am Fluß saß wieder die Adengeguafrau mit der Kwejakrankheit. Die Adengeguafrau fragte ihn: "Hast du deine Jtio wiedergewonnen?" Der junge Mann sagte: "Ja, ich habe sie wiedergewonnen, hier ist sie." Die Adengeguafrau fragte den jungen Mann: "Willst du mich noch einmal waschen?" Der junge Mann sagte: "Was ist das für eine Sache, das ich dich nicht noch einmal waschen sollte! ?"Der junge Mann wusch darauf die Frau noch einmal mit den Händen.
Als er das getan hatte gab die Frau ihm einen Ring aus Kupfer. (Kupfer =tungula; in Haussa: tungura; in Nupe: tugura; in Joruba: baba.) Die Adengeguafrau sagte zu dem jungen Mann: "Wenn deine Frau einmal schwanger wird und ein Kind gebärt, so soll sie diesen Ring dem Kind um den Hals legen. Danach soll sie ihn aber wieder abnehmen und zur Seite tun. Wird sie dann wieder schwanger und bekommt wieder ein Kind, so soll sie dem zweiten Kind den Ring wieder um den Hals legen. Danach soll sie ihn aber wieder abnehmen und beiseite tun. Sie soll jedem Kinde ihn um den Hals legen und ihn dann wieder abnehmen und in einem Topf aufbewahren." Der junge Mann nahm den Ring und ging von dannen.
Der junge Mann ging weit im Busch hin, bis er an sein Haus kam. Der junge Mann traf seine Frau. Seine Frau sagte: "Hast du die Jtio deines älteren Bruders?" Der junge Mann sagte: "Ja, ich habe die Jtio meines älteren Bruders und dann habe ich noch einen Ring aus Kupfer, den legen wir in einen Topf, und jedesmal, wenn wir ein Kind haben, legen wir ihm den Ring etwas um, danach sollen wir ihn aber wieder in einen Topf bringen." Die Frau sagte: "So wollen wir es machen."
Der ältere Bruder hörte im Ort, daß sein jüngerer Bruder von den Adengegua wieder gekommen sei, daß er die alte Jtio und einen (schönen) Kupferring mitgebracht habe. Der ältere Bruder sagte: "Ich muß nach meinem jüngeren Bruder sehen und muß meine Jtio wieder von ihm abholen." Der ältere Bruder machte sich auf den Weg. Er kam zu dem jüngeren Bruder. Er sagte: "Du hast meine alte Jtio wieder mitgebracht?"Der jüngere Bruder sagte: "Ja,
ich habe die alte Jtio wieder mitgebracht. Hier ist sie. Nimm sie nur mit."Der ältere Bruder nahm die Jtio. Dann sagte er: "Du hast noch einen Ring aus Kupfer mitgebracht, der Kindern gut ist?" Der jüngere Bruder sagte: "Ja, ich habe einen solchen Ring mitgebracht." Der ältere Bruder sagte: "Meine Frau ist schwanger. Sie wird in den nächsten Tagen ein Kind gebären. Leihe ihn mir, daß ich ihn dem Kind umlege." Der jüngere Bruder sagte: "Es ist gut. Nimm ihn. Aber wenn ich ihn selbst brauche, muß ich ihn unbeschädigt zurückerhalten." Der ältere Bruder sagte: "Dann wirst du ihn unbeschädigt zurückerhalten."Der ältere Bruder nahm den Ring und ging mit ihm nach Hause.
Die Frau des älteren Bruders gebar bald darauf ein Mädchen. Der ältere Bruder legte dem Mädchen den Kupferring um, den er von seinem jüngeren Bruder geliehen hatte. Das Mädchen wuchs schnell heran. Der Hals des Mädchens wurde schnell dick. Der Ring war ganz fest. Kurze Zeit darauf kam der jüngere Bruder zum älteren Bruder und sagte: "Meine Frau ist schwanger; sie wird in den nächsten Tagen ein Kind gebären. Gib mir den Kupferring wieder, den ich dir geliehen habe." Der ältere Bruder sagte: "Warte ein wenig; ich will gleich einen Schmied holen, der den Ring durchschneidet. Er ist sehr fest um den Hals meiner Tochter gewachsen." Der jüngere Bruder sagte: "Du darfst den Ring nicht durchschneiden lassen. Ich will ihn unbeschädigt zurückerhalten."Der ältere Bruder sagte: "Wie soll ich dann aber den Ring vom Hals meiner Tochter herunterbekommen? Soll ich ihr etwa den Hals durchschneiden?" Der jüngere Bruder sagte: "Wie du den Ring vom Hals deiner Tochter nimmst, das kann mich nichts angehen. Ich will nur meinen unbeschädigten Ring wiederhaben, so wie du früher gerade die alte Jtio wieder haben mußtest."
Der ältere Bruder mußte seiner Tochter den Hals durchschneiden, um den Kupferring abzunehmen. Der ältere Bruder gab dann dem jüngeren Bruder den Ring zurück. Der jüngere Bruder nahm ihn und sagte: "Nun ist die Sache erledigt!" —Der jüngere Bruder ging mit dem Kupferring heim. Seine Frau gebar ein Kind. Der jüngere Bruder legte dem Kind den Ring um. Nach einiger Zeit nahm er ihn wieder ab und legte ihn in einen Topf. Bald darauf war seine Frau wieder schwanger. Der jüngere Bruder hatte viele Kinder. Der ältere Bruder hatte keine Kinder.
8. Die Frau tötet hinterlistig Schocho (Kröte)Niemand hatte Essen. Jedermann hatte Hunger. Nur Schocho (Kröte; in Haussa: kwado; in Nupe: tanguollo) hatte immer Essen. Denn Schocho hatte eine große Farm mit Sorghum und Jams. Eine Frau pflegte zu Schocho zu gehen. Die Frau sagte dann zu Schocho: "Du hast viel Essen. Ich aber habe keines!" Schocho gab der Frau immer Essen, so daß sie keinen Hunger mehr hatte.
Die Frau sagte (eines Tages bei sich): "Wie kann ich es machen, diese Schocho zu töten. Schocho hat eine schöne Farm mit Jams und Sorghum. Ich möchte diese Farm haben." Eines Tages ging Schocho an den Fluß. Schocho wollte baden. Schocho zog die Kleider aus und legte sie am Ufer nieder. Die Frau sah es. Die Frau fing eine Schlange. Mit der Schlange ging sie dahin, wo Schochos Kleider lagen. Die Frau steckte die Schlange in Schochos Kleider. Sie glaubte, niemand habe es gesehen. Ein kleiner Bube aber hatte es gesehen.
Schocho zog die Kleider an. Die Schlange, die darin war, biß Schocho. Schocho fiel hin und starb. Schocho lag tot am Ufer. Ein Vogel flog vorüber. Der Vogel sah Schocho tot am Ufer liegen. Der Vogel flog zum Toro und sagte: "Am Ufer liegt Schocho. Schocho ist getötet. Schocho lebt nicht mehr. Ich habe es gesehen." Der Toro rief alle Leute zusammen.
Der Toro fragte: "Wer hat die Schocho getötet. Wer weiß etwas von der Sache?" Alle Leute sagten: "Wir kennen den Mann nicht, der Schocho getötet hat!" Es kam dann ein kleiner Bursche zum Toro. Der Bursche sagte: "Ich habe gesehen, wie eine Frau eine Schlange fing und sie dann in die Kleider Schochos steckte, als Schocho im Fluß badete. Ich war im Busch versteckt und habe alles mit angesehen, ohne daß die Frau oder Schocho mich gesehen haben. Als Schocho gebadet hatte, kam sie ans Ufer. Sie legte die Kleider an. Die Schlange biß Schocho. Schocho fiel hin und starb. Das ist das, was ich gesehen habe." Der Toro sagte: "Alle Frauen sollen zusammen kommen!"
Alle Frauen kamen zusammen. Der Toro sagte zu dem Jungen: "Komm her. Sieh alle diese Frauen an und sage mir dann, welche die Schlange fing und sie in Schochos Kleider setzte." Der Junge sah die Frauen an. Dann sagte er: "Diese ist es, die die Schlange in Schochos Kleider gesetzt hat." Der Toro sagte: "Es ist gut, du kannst jetzt gehen."
Der Toro sagte zu der Frau: "Was hat Schocho dir getan, daß du sie getötet hast?" Die Frau sagte: "Schocho hat mir nichts getan." Der Toro ließ die Frau töten.
9. Das Kind der KinderfresserinEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar dem Manne ein Kind. Als das Kind geboren war, legte sie es ins Feuer und röstete es. Als das Kind geröstet war, aß sie es. Die Frau gebar dem Manne zehn Kinder. Jedesmal, wenn ein Kind geboren war, legte sie es in das Feuer und röstete es. Wenn das Kind geröstet war, aß sie es. (Eine solche Frau nennt man tsauwa; eine Subachenform, die sehr stark an Typen des Kassai erinnert.) Die Frau hieß Anade. Eines Tages ward die Frau wieder schwanger. Als Anade das Kind geboren hatte, wollte sie es wieder in das Feuer legen, um es zu rösten.
Der Mann sah das. Der Mann sagte: "Tu das nicht. Laß dies Kind groß werden! Ich bringe dir anderes Fleisch. Töte dieses Kind noch nicht!" Anade sagte: "Bringe mir anderes Fleisch!" Anade tat dem Kinde nichts. Der Mann ging in den Busch. Er tötete eine Antilope. Er brachte Anade das Fleisch. Anade aß das Fleisch und ließ das Kind leben.
Das Kind blieb leben. Als das Kind etwa so groß (der Hand-Weisung nach etwa 8 Jahre alt) war, ging der Mann wieder in den Busch, schoß eine Antilope, brachte das Fleisch heim, legte es Anade hin und sagte: "Hier Frau, hast du Fleisch; iß es!" Anade sagte: "Ich will dieses Fleisch nicht. Du bringst mir immer Fleisch von Buschtieren. Ich mag es nicht mehr. Ich will heute den Jungen essen!"Der Mann sagte: "Laß das! Ich gehe sogleich in den Busch um ein anderes Tier zu schießen. Du sollst viel Fleisch haben. Aber laß den Jungen leben!" Der Mann nahm seine Pfeile und seinen Bogen und ging.
Als der Mann gegangen war, nahm die Frau ein Messer. Sie ging zu dem Jungen. Der Junge lag am Boden und schlief. Die Frau wollte ihn töten. Der Junge wachte aber auf. Der Junge sprang zur Hütte heraus. Der Junge lief in den Busch. Der Junge rannte im Busch von dannen so schnell er konnte. Dann versteckte sich der Junge im Busch.
Nach einiger Zeit kam der Mann heim. Er fragte: "Wo ist mein Sohn?" Die Mutter sagte: "Ich wollte ihn totstechen. Da sprang
er auf und lief in den Busch. Willst du nun, mein Ehemann, mich töten? Warum willst du mich töten ?" Anade nahm das Messer und tötete ihren Mann.Der Junge lief im Busch weiter. Er kam zu Anjama (Leopard). Anjama sagte: "Was willst du bei mir?! Deine Mutter ist eine schlechte Frau. Mach, daß du foitkommst!" Der Junge lief weiter. Der Junge kam zu Jwo (Ziege). Jwo aß gerade Gras. Der Junge sagte zu Jwo seinen Gruß. Jwo sagte: "Wo willst du hin?" Der Junge sagte: "Meine Mutter gebar zehn Kinder und aß sie alle auf. Sie wollte mich auch töten und essen. Ich lief aber weg. Ich weiß nicht, wohin ich laufen soll!"Jwo sagte: "Es ist gut. Bleibe nur bei mir." Nahe bei Jwo war ein dicker Baum. Jwo sagte: "Klettere auf den Baum dort! Sieh dich nach allen Seiten um. Sage mir, was du auf dieser Seite siehst und was du auf jener Seite siehst." Der Junge kletterte auf den Baum. Er sah nach Westen. Er sagte: "Ich sehe dort die Kinder der Tieri (Munschi) spielen."Jwo sagte: "Sieh nach der andern Seite!"Der Junge sah nach Osten. Der Junge sagte: "Ich sehe die Haussa; die treiben Handel." Jwo sagte zu dem Jungen: "Nun springe mit einem Satze von der Spitze des Baumes herab auf die Erde!" Der Junge sprang vom Baum oben herab auf die Erde. Da war er mit einem Male ein reicher Mann. Er war der Toro des Landes.
Anade hörte, daß ihr Sohn ein großer Mann geworden war. Anade machte sich auf den Weg zu ihrem Sohn. Anade traf eine Boakoassa (das ist eine Kuh der Munschi-Rinderrasse; Numboa ist ein Bulle der Munschi-Rinderrasse, die klein und buckellos ist; Jegegoamboa soll eine Fulberinderkuh, Numboa-Tamena ein Fulberinderbulle sein). Die Frau fragte die Kuh: "Wem gehörst du?" Die Kuh antwortete: "Ich gehöre dem Toro; wir alle gehören dem Toro." Anade hockte am Wege nieder. Es war da ein Stein. Anade schleifte das Messer am Stein: gidigong, gidigong, gidigong. Anade schärfte ihr Messer weiter am Stein: gidigong, gidigong, gidigong! Da fielen alle Kühe tot hin.
Dann ging Anade weiter auf die Stadt ihres Sohnes zu. Sie kam in die Stadt ihres Sohnes. Der Sohn sah sie kommen. Er nahm einen Hundeknochen. Er hielt den Hundeknochen auf die Haut der Mutter. Dann schlug er Anade tot. Jwo war in der Stadt. Jwo sagte: "Ich will lieber in den Busch gehen und Blätter als Medizin für den Burschen holen."Jwo ging in den Busch. Jwo sammelte Blätter. Jwo brachte die Blätter und tat sie in Wasser. Dann brachte sie das Wasser dem
Burschen hin und sagte: "Trinke hiervon!" Der Bursche trank davon. Dann sagte Jwo: "Nimm den Rest und gehe dahin, wo deine getöteten Rinder liegen. Nimm von dem Wasser in den Mund und speie davon auf alle Kühe; dann werden sie wieder lebend!" Der Toro tat es. Alle seine Kühe standen auf. Der Toro blieb ein wohlhabender Mann.10. Die verscherzten GlücksgüterEin Mann heiratete eine Frau. Sie hatte ein Kind, das war ein Sohn. Als der Junge so alt (etwa 7 Jahre alt, der angedeuteten Körpergröße nach) war, starb er. Man begrub ihn.
Als der Junge begraben war, ging er (also der Tote) in den Busch. Er fand im Busch kein Essen. Er ging hierhin und fand nichts. Er ging dahin und fand nichts. Der Junge hatte großen Hunger. Er lief überall hin, fand aber im Busch kein Essen.
Endlich begegnete der Junge einer großen Schlange, das war eine Jhama (in Haussa: mesa; in Nupe: dua), die sehr groß war. Der (tote) Junge nahm einen dicken Knüppel. Er wollte damit die große Schlange töten. Die große Schlange sagte aber: "Warte! Töte mich nicht! Ich kann dir alles geben, was du haben willst." Der Junge sagte: "Was willst du mir denn geben?" Die große Schlange sagte: "Ich will dir ein großes schönes Haus und alles dazu geben." Der Junge sagte: "Wie geschieht das?" Die große Schlange sagte: "Steige auf diesen hohen Baum. Wenn du ganz oben bist, so springe zur Erde. Dann wirst du alles finden, was du brauchst." Der Junge sagte: "Dieser Baum ist sehr hoch. Wenn ich von da oben herunterspringe, werde ich mir da nicht die Arme und Beine zerbrechen und sterben?" Die große Schlange sagte: "Steige nur hinauf und springe herunter. Wenn ich es dir sage, wird dir nichts geschehen!"
Der Junge kletterte auf den Baum. Er kletterte ganz hoch hinauf. Als er ganz oben im Baume war, rief die große Schlange ihm zu: "Nun springe wieder herunter!"Der Junge rief herunter: "Werde ich auch nicht sterben, wenn ich herunterspringe ?" Die große Schlange sagte: "Nein, springe nur herab!" Der Junge sprang herunter. Der Junge kam auf die Erde. Er war gesund. Es war ihm nichts geschehen. Vor ihm stand ein großes Haus. In dem Hause waren Kleider und Perlen und Geld. Es waren Pferde da und viele Sklaven. Der Junge sagte: "Nun bin ich ein reicher Mann!"
Die große Schlange sagte zu dem Jungen: "Hast du dir die Beine gebrochen? Bist du gestorben?" Der Junge sagte: "Nein, ich habe mir nicht die Beine gebrochen. Ich bin auch nicht gestorben. Wem gehört denn das große schöne Haus hier mit den vielen Sachen?" Die Schlange sagte: "Das große schöne Haus gehört dir. Du hast mich nicht totgeschlagen. Deshalb soll dir das Haus gehören. Du mußt dir aber eines merken: Es wird ein großer Schafbock kommen, der hat kranke Haut. Der wird zu trinken haben wollen. Du mußt ihm zu trinken geben. Es wird ein großer Schafbock kommen, der hat gesunde Haut. Der wird zu trinken haben wollen. Du mußt ihm zu trinken geben. Wenn du dem Schafbock mit der kranken Haut und dem Schafbock mit der gesunden Haut zu trinken gibst, dann ist alles gut für dich." Der Junge sagte: "Ich will dem Schafbock mit der kranken Haut und dem Schafbock mit der gesunden Haut zu trinken geben." Die große Schlange ging.
Der Junge lebte in dem großen schönen Haus, in dem die vielen Sachen waren. Eines Tages kam ein großer Schafbock zu ihm, der hatte eine gesunde Haut. Der große Schafbock sagte ihm: "Gib mir zu trinken!" Der Junge ging hin, schöpfte in eine Kalebasse Wasser und gab dem großen Schafbock zu trinken. Dann lief der große Schafbock wieder weiter.
Es kam dann ein großer Schafbock zu ihm, der hatte eine kranke Haut. Der große Schafbock mit der kranken Haut sagte zu dem Jungen: "Gib mir zu trinken!" Der Junge sagte aber: "Was will der große Schafbock mit der kranken Haut hier?" Der Junge nahm einen Stock und schlug auf den großen Schafbock mit der kranken Haut. Der große Schafbock mit der kranken Haut lief fort. Als der große Schafbock mit der kranken Haut fortgelaufen war, war das große schöne Haus mit den Perlen und Kleidern und dem Geld und allen Rindern und Sklaven nicht mehr da. Es war nur noch Busch da, und der Junge stand mit dem Stock, mit dem er den Schafbock mit der kranken Haut weggejagt hatte, ganz allein da.
Der Junge lief zu der großen Schlange. Er sagte zu der großen Schlange: "Ich hatte ein großes und schönes Haus mit Geld und Kleidern und Perlen und Sklaven und Rindern und Farmen gehabt. Das ist alles fortgenommen. Es ist nur noch der Busch da." Die große Schlange sagte: "Mein kleiner Junge, ich sagte dir doch, der große Schafbock mit der kranken Haut würde zu dir kommen und dich bitten, ihm zu trinken zu geben. Ich sagte dir, du solltest ihm
zu trinken geben. Du hast aber nicht getan, was ich dir gesagt habe. Darum sind das große schöne Haus und alles andere auch nicht mehr da."Der Junge sagte zu der großen Schlange: "Ich bitte dich; bringe mir doch das schöne Haus mit den Perlen und Kleidern, mit dem Geld, den Sklaven, den Pferden, den Rindern, den Farmen wieder." Der Junge sagte: "Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich!"Die große Schlange sagte: "Dann steige wieder auf den großen Baum und springe wieder von oben herab!" Der Junge sagte: "Werde ich mir auch nicht die Beine und Arme brechen? Werde ich auch nicht sterben?"Die große Schlange sagte: "Springe nur von oben herunter." Der Junge stieg wieder auf den Baum. Er kletterte bis oben hinauf und sprang von ganz oben herunter auf die Erde. Er kam auf die Erde. Er war gesund. Es war ihm nichts geschehen. Vor ihm stand wieder das große schöne Haus. In dem Hause waren Kleider und Perlen und Geld. Es waren Pferde und Rinder und Sklaven da und rund herum lagen die Farmen.
Die große Schlange sagte: "Das große schöne Haus und alles andere gehört nun wieder dir. Du mußt dir nun aber genau merken: Wenn der große Schafbock mit der gesunden Haut kommt, mußt du ihm zu trinken geben. Wenn der große Schafbock mit der ungesunden Haut kommt, mußt du ihm zu trinken geben." Der Junge sagte: "Dieses Mal werde ich es nicht vergessen. Dieses Mal werde ich es tun." Die große Schlange ging.
Der Junge lebte in dem großen schönen Hause. Eines Tages kam ein großer Schafbock zu ihm, der hatte eine gesunde Haut. Der große Schafbock sagte zu ihm: "Gib mir zu trinken!" Der Junge ging hin. Der Junge schöpfte eine Kalebasse mit Wasser und gab dem großen Schafbock zu trinken. Dann lief der große Schafbock wieder weiter.
Es kam dann der große Schafbock zu ihm, der hatte eine kranke Haut. Der große Schafbock mit der kranken Haut sagte zu dem Jungen: "Gib mir zu trinken!" Der Junge sagte aber: "Was will der große Schafbock mit der kranken Haut hier?" Der Junge vergaß wieder, was die große Schlange gesagt hatte. Der Junge nahm einen Stock und schlug auf den großen Schafbock mit der kranken Haut. Der große Schafbock mit der kranken Haut lief fort.
Der große Schafbock mit der kranken Haut lief zu der großen Schlange. Der große Schafbock mit der kranken Haut sagte zu der großen Schlange: "Der Junge hat mir nichts zu trinken gegeben,
sondern hat mich schon wieder geschlagen." Darauf waren das große schöne Haus und die Pferde und Rinder und Sklaven und Farmen nicht mehr an der Stelle. Es war nurmehr Busch da, und der Junge stand mit dem Stock, mit dem er den Schafbock mit der kranken Haut weggejagt hatte, ganz allein mitten im Busch.Der Junge lief sogleich wieder zu der großen Schlange. Der Junge sagte zu der großen Schlange: "Ich habe ein großes schönes Haus mit Geld und Perlen und Kleidern und Sklaven und Pferden und Rindern und Farmen gehabt. Das alles ist fortgenommen. Es ist nur noch der Busch da." Die große Schlange sagte: "Mein kleiner Junge, ich habe dir zweimal gesagt, du solltest dem großen Schafbock mit der kranken Haut zu trinken geben. Du hast das aber nicht getan. Nun mußt du dir selber ein schönes Haus suchen!"
Der Junge sagte: "Soll ich wieder auf den großen Baum steigen und herunterspringen?" Die große Schlange sagte: "Was du tun willst, tu nach deinem Willen. Ich habe mit alledem und mit dir nichts mehr zu tun." Der Junge sagte: "Ich werde wieder auf den großen Baum klettern und herunterspringen. Der Junge stieg wieder auf den Baum. Er kletterte bis oben hinauf und sprang von ganz oben auf die Erde. Er kam auf die Erde. Er war tot.
11. Der überlistete Geizige*Wokabo und seine Frau hatten immer viel zu essen. Sie waren aber geizig und gaben nie jemand etwas ab. Eines Tages sagte Akajarago, ein anderer Mann: "Ich werde zu Wokabo gehen und werde mit ihm essen." Die Leute sagten zu ihm: "Laß es, Wokabo ist ein schlechter Mann; er gibt dir nichts zu essen." Der Mann Akajarago ging aber doch in Wokabos Haus. Wokabos Frau hatte gerade das Essen gekocht.
Es wurde Nacht. Alle legten sich nieder, um zu schlafen. Wokabo und seine Frau hatten den Eßnapf bei sich und legten sich auf die eine Seite. Akajarago hatte einen dicken Knüppel und legte sich auf die andere Seite. Als nun Wokabo und seine Frau glaubten, der Fremde schliefe, griffen sie vorsichtig mit den Händen in den Eßnapf, um zu essen. Akajarago faßte aber seinen Knüppel fest und schlug ihnen unversehends auf die Hände. Da zogen Wokabo und seine Frau die Hände schnell zurück.
Wokabo und seine Frau taten so, als ob sie schliefen. Als sie aber wieder dachten, daß der Fremde schlafen müsse, griffen sie wieder vorsichtig mit den Händen in den Eßnapf, um zu essen. Akajarago aber faßte seinen Knüppel noch fester und schlug nach Wokabo. Er traf Wokabo auf das Nasenbein und zerschlug es. Das Blut lief aus Wokabos Nase. Wokabo geriet in große Angst und sagte zu Akajarago: "Komm Fremder und iß mit uns!"Akajaragö kam heran und aß mit Wokabo und seiner Frau.
Dann ging Akajarago hinaus. Er erzählte den Leuten: "Ich habe heute nacht mit Wokabo und seiner Frau gegessen!" Alle Leute sagten: "Akajarago, du bist ein starker Mann, daß du es erreicht hast, mit Wokabo und seiner Frau zu essen!"
12. Die bestrafte SprödeEin Toro hatte eine Tochter. Das Mädchen wuchs heran. Es kamen viele Männer. Jeder Mann wollte das Mädchen heiraten. Das Mädchen sagte zu jedem Mann: "Ich mag dich nicht!"Viele Männer kamen. Sie waren dem Mädchen alle nicht recht.
In dem Lande war ein Mann, der war ohne Hände und Füße geboren. Der Mann sagte: "Ich will das Mädchen des Toro heiraten." Der Mann ging zu einem Baum und sagte: "Ich habe keine Hände und Füße! Leihe mir deine Hände und Füße!" Der Baum gab ihm darauf Hände und Füße.
Der Mann sagte: "Nun habe ich Hände und Füße. Wenn mich die Tochter des Toro aber nehmen soll, muß ich auch ein Pferd haben." Der Mann ging zu einem Termitenhaufen. Der Mann sagte zu dem Termitenhaufen: "Ich will die Tochter des Toro zur Frau verlangen. Leihe mir ein Pferd."Der Termitenhaufen gab dem Mann ein Pferd. Der Mann stieg auf das Pferd und ritt dann in den Ort des Toro, dessen Tochter er heiraten wollte.
Der Mann ritt zu dem Hause des Toro. Als der Mann dort ankam, trat die Tochter heraus, die keinen Mann recht fand. Die Tochter wollte zum Bach gehen und Wasser holen. Die Tochter sah den Reiter. Die Tochter sagte (bei sich): "Diesen Mann will ich heiraten!"Das Mädchen sagte zu dem Manne: "Warte ein wenig!" Dann ging sie zum Bache. Sie schöpfte das Wasser. Sie sagte zu dem Manne: "Komm mit mir!" Der Mann ging mit ihr. Das Mädchen ging mit dem Mann zu seinem Vater. Das Mädchen sagte zu seinem Vater: "Mein Vater, diesen Mann hier will ich heiraten!"
Der Toro sagte: "Wenn du diesen Mann heiraten willst, so ist es mir recht."Die Tochter des Toro hatte eine Freundin. Die Freundin sagte: "Meine Freundin! Höre auf ein Wort! Heirate diesen Mann nicht. Dieser Mann hat weder Hände noch Füße. Dieser Mann hat eine Haut, in der viele Wasserbeulen sind." Die Tochter des Toro sagte: "Ich werde diesen Mann heiraten. Du lügst, der Mann hat Hände und Füße." Die Tochter des Toro sagte zu dem Manne: "Reite voraus aus dem Ort. Ich werde dir sogleich folgen. Warte dort auf mich!"
Der Mann ritt voraus auf die Straße. Er wartete auf der Straße. Die Tochter des Toro nahm einen Hund. Sie folgte mit dem Hunde dem Manne. Sie traf ihn auf der Straße. Der Mann ritt voraus. Die Tochter mit dem Toro folgte. Sie kamen ein Stück weit. Da kamen sie an den Termitenhaufen. Der Termitenhaufen sagte: "Gib mir mein Pferd wieder." Der Mann mußte sein Pferd geben.
Sie gingen weiter. Der Mann ging voraus. Das Mädchen mit dem Hunde folgte ihm. Sie gingen ein Stück weiter. Da kamen sie an einen Baum. Der Baum sagte zu dem Mann: "Nun gib mir die Hände und Füße wieder, die ich dir geliehen habe." Der Mann gab die Hände und Füße wieder.
Sie gingen weiter. Der Mann ging voraus. Das Mädchen mit dem Hunde folgte ihm. Sie gingen ein Stück weit. Dann kamen sie auf einen Platz, auf dem viel Gras stand. An dem Platze verschwanden alle drei in der Erde. Man hat sie nicht wieder gesehen.
13. Der Bursche, den alle Mädchen liebhabenEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau gebar zwei Kinder. Das eine war ein Mädchen, das andere war ein Junge. Die Kinder wuchsen heran. Als das Mädchen groß war, beschlief der Vater seine eigene Tochter. Als der Sohn groß war, gab er ihm eine Frau.
Der Mann hatte eine große Farm. Sein Sohn und sein Sklave (in Muntschi = guana; in Haussa bauera; in Nupe =use; in Joruba =erru) arbeiteten auf der Farm. Ein kleiner Junge lag in der Nähe und hörte, was sie sprachen. Der Bursche und der Sklave wußten es nicht. Der Bursche hatte nichts zu essen. Er sagte zu dem Sklaven: "Ich bin hungrig; ich möchte heute gern Bohnen essen." Der Sklave hatte auch nichts zu essen. Er sagte zu dem Burschen: "Ich bin hungrig; ich möchte heute Hühner essen!" Der Junge
hörte das. Er lief nach Hause zum Vater des Burschen und sagte: "Dein Sohn hat sich ein Gericht Bohnen gewünscht. Dein Sklave hat sich ein Gericht Hühner gewünscht." Der Vater sagte: "Es ist recht." Der Vater ließ eine Schüssel mit Bohnen und eine Schüssel mit Hühnern kochen.Als der Bursche und der Sklave ihre Farmarbeit beendet hatten, machten sie sich auf den Heimweg. Sie kamen zu dem Manne nach Hause. Der Mann hatte zwei zugedeckte Kalebassen stehen. Der Mann fragte seinen Sohn: "Was willst du heute gern essen?" Der Sohn sagte: "Ich möchte heute gern Bohnen essen."Der Vater gab dem Sohn eine Kalebasse. Der Sohn öffnete sie. Es waren Bohnen darin. Der Mann fragte den Sklaven: "Was möchtest du heute essen ?" Der Sklave sagte: "Ich möchte heute Hühner essen." Der Mann gab dem Sklaven die andere Kalebasse. Der Sklave öffnete sie. Es waren Hühner darin.
Der Bursche sagte zu seinem Vater: "Mein Vater, du erfüllst heute alle Wünsche. Ich habe noch einen Wunsch!"Der Vater fragte: "Was ist das?" Der Bursche sagte: "Ich möchte einmal meine Schwester beschlafen!" Der Vater sagte: "Das tut man nicht. Man beschläft nicht seine eigene Schwester!" Der Bursche sagte: "Es geschieht auch anderes, was man nicht tun darf. Du beschläfst auch deine eigene Tochter." Der Vater sagte: "Ich gebe es nicht zu, daß du deine Schwester beschläfst." Der Sohn sagte: "Ich will aber meine Schwester beschlafen."
Der Vater sagte: "Das wirst du nicht tun!" Der Vater packte den Burschen und brachte ihn in ein Haus. Der Vater schloß das Haus hinter ihm ab. Als der Vater wieder zurückging, kam ihm seine Tochter entgegen. Die Tochter sagte: "Vater, ich möchte einmal mit meinem Bruder schlafen!" Der Vater sagte: "Ich gebe es nicht zu, daß mein Sohn meine Tochter beschläft!" Die Tochter sagte: "Ich will aber von meinem Bruder beschlafen werden!"
Der Vater sagte: "Wenn es so ist, dann werde ich euch gleich in dasselbe Haus einsperren." Darauf nahm der Vater seine Tochter, brachte sie zu dem Hause, in dem schon sein Sohn war, und schloß beide Kinder miteinander ein.
Hingaga (anscheinend Eichhörnchen; in Haussa wohl Kurrege (?) war der Freund des Burschen. Hingaga kam, um seinen Freund zu besuchen. Hingaga lief im Gehöft umher und fand seinen Freund nicht. Hingaga lief zu dem Vater des Burschen und fragte ihn: "Wo ist mein Freund? Ich suche ihn und kann ihn nicht finden."
Der Vater sagte: "Deinen Freund habe ich mit seiner Schwester zusammen in das Haus dort eingesperrt."Hingaga sagte: "Darf ich meinen Freund einmal besuchen?" Der Vater sagte: "Du kannst ihn noch einmal besuchen." Der Vater ließ das Haus für Hingaga aufschließen. Hingaga ging hinein.Hingaga fragte seinen Freund: "Was ist das mit dir ?"Der Bursche sagte: "Ich wollte meine Schwester einmal beschlafen. Meine Schwester wollte einmal mit mir schlafen. Ich sagte es meinem Vater. Mein Vater sperrte uns hier ein. Morgen wird mich mein Vater töten." Hingaga sagte: "Ich denke nicht, daß du sterben mußt. Ich will dir zeigen, wie du mit deiner Schwester weggehen kannst."Hingaga fing an in der Hütte zu graben. Hingaga grub erst einen Schacht. Dann grub Hingaga unter der Erde einen Weg, der weit wegführte, durch den ganzen Ort, und erst auf der andern Seite führte er wieder zur Erdoberfläche hinauf.
Als Hingaga damit fertig war, lief er den Weg zurück in die Hütte, in der der Bursche mit seiner Schwester eingeschlossen war. Hingaga sagte zu dem Burschen: "Komm nun. Nun wollen wir zusammen weggehen. Ich gehe voran. Komm mit deiner Schwester hinter mir her!"Hingaga ging in dem Schacht und dann in dem Gang unter der Erde entlang. Der Bursche und seine Schwester folgten ihm. Hingaga kam außerhalb des Ortes aus dem Gange heraus. Der Bursche und seine Schwester kamen außerhalb des Ortes zum Gange hinaus.
Der Bursche und seine Schwester liefen so schnell sie konnten. Als sie ein Stück weit im Busch gelaufen waren, biß eine Schlange den Burschen. Er fiel hin und starb. Das Mädchen schrie und weinte. Nach einiger Zeit kam ein Jukummädchen durch den Busch. Es fragte die Schwester: "Was weinst du? Was schreist du?" Die Schwester sagte: "Ich ging mit meinem Mann durch den Busch. Da hat ihn eine Schlange gebissen und nun ist er gestorben."Das Jukummädchen sagte: "Ich habe Medizin bei mir. Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen!" Die erste Frau sagte: "Mache ihn nur lebend und gesund, dann soll ja alles recht sein."Das Jukummädehen nahm seine Medizin hervor. Es hielt die Medizin dem Burschen unter die Nase.
Der Bursche wachte auf. Er sah um sich. Der Bursche sagte: "Was ist hier?" Die erste Frau sagte: "Du warst von einer Schlange gebissen. Du warst tot. Ich saß hier und weinte. Da kam dieses
Jukummädchen. Das Jukummädchen hatte Medizin bei sich. Das Jukummädchen sagte: ,Ich will den jungen Mann wieder lebend und gesund machen. Aber er muß mich nachher als seine Frau mitnehmen!' Dann machte sie dich wieder lebend und gesund." Der Bursche sagte: "Es ist gut, dann gehe ich eben mit zwei Frauenweiter."Der Bursche machte sich mit seinen beiden Frauen auf den Weg. Er ging mit den beiden immer weiter durch den Busch. Sie gingen weit, weit weg. Sie kamen an einen Fluß. Sie konnten keine Stelle finden, an der sie über den Fluß gehen konnten. Sie liefen am Ufer auf und ab. Die Jukumfrau sah endlich einen Fischerkahn, in dem war ein Mädchen. Die Jukumfrau sagte: "Setze uns doch über." Das Fischermädchen kam mit dem Kahn näher und sagte: "Wen soll ich denn übersetzen?" Die Jukumfrau sagte: "Wir sind drei; der Bursche hier und wir zwei, seine Frauen." Das Fischermädchen sah den Burschen. Das Fischermädchen sagte: "Ich will euch übersetzen, aber der Bursche da muß mich nachher auch als seine Frau mitnehmen." Der Bursche sagte: "Es ist recht! Dann gehe ich eben mit drei Frauen weiter!"
Das Fischermädchen setzte den Burschen und seine zwei Frauen über. Nachher ging der Bursche dann mit seinen drei Frauen weiter. Sie gingen weit weg und kamen in eine große Stadt. Der Toro der Stadt sah den Burschen und seine drei Frauen. Der Toro sagte zu seinen Leuten: "Dieser Bursche hat drei schöne junge Frauen. Ich will sie ihm alle drei wegnehmen." Der Toro sagte: "Bringt einen großen Topf Bier für die Frauen des Burschen und einen kleinen für den Burschen. In das Bier im kleinen Topfe tut Gift." Die Leute taten das. Die Leute brachten den großen Topf mit gutem Bier den Frauen des Burschen. Sie brachten den kleinen Topf mit vergiftetem Bier dem Burschen selbst. Als das Bier ankam, versuchte die Jukumfrau das Bier in dem großen Topf. Die Jukumfrau sagte: "Dieses Bier ist gut." Die Jukumfrau versuchte das Bier in dem kleinen Topfe. Sie spie es aus und sagte: "Dieses Bier ist vergiftet. Der Toro der Stadt will unsern Mann vergiften. Wir wollen das Bier aus diesem großen Topfe trinken." Sie goß darauf das Bier aus dem kleinen Topf weg und sie tranken alle vier aus dem großen Topf. Die Boten kamen zum König und sagten: "Die Frauen haben das vergiftete Bier weggegossen. Sie trinken mit ihrem Manne das gute Bier."
Der Toro rief am andern Tage den Burschen und sagte zu ihm: "Wenn du mir nachher meine erste Frau nennen kannst, will ich
dich nicht töten. Wenn du es aber nicht kannst, töte ich dich." Alle Leute kamen zusammen. Der Toro rief alle seine Frauen. Alle Frauen des Toro standen in einer langen Reihe. Als alle Leute und Frauen da waren, sagte der Toro: "Kannst du mir nun sagen, welche meine erste Frau ist, oder nicht?" Der Bursche sah die lange Reihe der Frauen. Er wußte nicht, welches die erste sei. Die erste Frau des Königs sagte (bei sich): "Der Toro wird diesen Burschen töten wollen. Es wäre mir lieber, ich wäre die Frau dieses Burschen als die des Toro. Ich werde dem Burschen ein Zeichen geben!" Die erste Frau des Toro machte ein Zeichen mit der Hand. Der Bursche sah es. Der Bursche ging auf die erste Frau zu und sagte: "Dieses ist die erste Frau des Toro!"Die Leute riefen: "Der Bursche hat recht! Der Bursche hat recht! Tötet nicht den Burschen! Tötet den Toro, denn der ist schlecht. Alle Leute liefen auf den Toro zu. Sie fingen den Toro. Sie brachten den Toro in den Busch. Sie töteten den Toro.
Dann machten sie den Burschen zum Toro.
14. Die ungetreue Frau und die ZauberantilopeEin Mann heiratete eine junge Frau. Der Mann tötete ein Huhn, um seiner Frau etwas Gutes zu essen zu geben. Die Frau sagte aber: "Ich mag kein Huhn. Ich möchte fettes Fleisch essen." Der Mann sagte: "Ich will dir etwas im Busch schießen." Dann nahm der Mann seinen Bogen und die Pfeile und ging in den Busch.
Im Busch suchte der Mann eine Fährte. Als der Mann eine gute Fährte gefunden hatte, stieg er auf einen Baum und wartete, ob nicht eine Antilope vorbeikommen wolle. Nachdem der Jäger auf dem Baume gewartet hatte, kam eine Antilope auf dem Wege dahergelaufen. Der Jäger nahm einen Pfeil und schoß. Der Jäger schoß vorbei.
Die Antilope sagte zu dem Jäger: "Jäger, warum schießt du mit einem Pfeil auf mich? Bereite dir nicht selbst Unannehmlichkeiten. Laß das Schießen! Komm vom Baum herunter; ich will mit dir reden." Der Jäger kam vom Baum herunter. Die Antilope sagte zum Jäger: "Nimm nur dein Messer. Ich bin die Schuschudi*. Ich
Der Jäger schnitt von der Antilope die beiden Keulen ab. Die Antilope sagte: "Nimm die Keulen mit nach Hause. Deine Frau wird dich fragen, wo du die Keulen ohne den Kopf her hast. Du darfst ihr aber nicht meinen Namen nennen. Jeder, der meinen Namen ausspricht, fällt tot hin." Der Jäger sagte: "Es ist gut. Ich werde den Namen nicht nennen." Der Jäger nahm die beiden Keulen und ging mit ihnen nach Hause.
Der Jäger brachte die beiden Keulen seiner Frau. Er sagte: "Hier hast du fettes Fleisch."Die Frau sagte: "Wo hast du das gute Fleisch herbekommen?" Der Jäger sagte: "Ein Tier gab mir das Fleisch. Es sagte mir aber, ich dürfte seinen Namen nicht nennen." Die Frau sagte: "Es ist recht." Die Frau sagte bei sich: "Dann weiß ich, von welchem Tier das Fleisch ist." Die Frau kochte das Fleisch. Die Frau machte ein gutes Gericht. Der Jäger war fortgegangen.
Als das Gericht fertig war, kam der Freund der Frau zu der Frau des Jägers und sagte: "Dein Mann ist weggegangen, kannst du mir nicht etwas zu essen geben?" Die Frau gab dem Mann von dem fetten Fleische. Der Mann aß es und sagte: "Von welchem Tiere ist dies ausgezeichnete Fleisch ?" Die Frau sagte: "Mein Mann erhielt es von der Schuschudi!" Als die Frau das Wort gesagt hatte, fiel sie hin und starb. Der fremde Mann lief weg.
Andere Frauen sahen die tote Frau liegen. Sie liefen zum Jäger und sagten ihm: "Deine Frau ist hingefallen und liegt tot da." Der Jäger kam. Er sah seine Frau liegen. Er nahm von seiner Medizin und hielt sie seiner Frau unter die Nase. Sogleich erhob sich die Frau. — Nachher saß der Jäger vor der fetten Speise. Seine Frau saß auch vor der fetten Speise. Nachdem sie gegessen hatte, kam die Frau zu ihrem Manne und sagte: "Nenne mir doch den Namen des Tieres, von dem dieses Fleisch kommt." Der Jäger sagte: "Ich kann ihn dir nicht nennen." Die Frau sagte: "Ich muß aber den Namen von dir hören." Der Mann sagte: "Ich will dir den Namen morgen nennen. Dann werde ich tot hinfallen. Du mußt mir aber die Medizin unter die Nase halten. Dann werde ich wieder leben." Die Frau sagte: "Es ist mir recht. Sage mir den Namen morgen abend. Ich werde dir dann die Medizin unter die Nase halten. Gib mir aber von dem Fleische wieder, daß ich anfange es zuzubereiten." Der Jäger gab der Frau von dem Fleisch und ging dann fort in die Farm.
Die Frau kochte wieder von dem fetten Fleisch. Sie bereitete ein gutes Gericht. Dann rief sie wieder ihren Freund (Beischläfer; in Muntschi = jkara, in Haussa = far(e)ka, in Nupe = jeschin, in Joruba = alle) und sagte: "Mein Mann ist in die Farm gegangen. Hier habe ich dir wieder etwas Essen bereitet. Morgen abend wird nun mein Mann den Namen dieser Antilope selbst nennen. Er wird dann tot daliegen. Dann komm zu mir. Dann kannst du die ganze Nacht bei mir schlafen. Am andern Morgen kann ich ihn dann wieder lebendig machen oder tot und begraben lassen, wie wir wollen." Der Beischläfer sagte bei sich: "Das ist eine schlechte Frau." Der Beischläfer sagte laut: "Ich kann von diesem Fleisch hier nicht essen, wenn ich nicht weiß, von welchem Tier es ist."Die Frau sagte: "Ich habe dir das schon gestern gesagt!" Der Beischläfer sagte: "Was hast du mir schon gestern gesagt?"Die Frau sagte: "Daß das Fleisch von Schuschudi ist."Als die Frau Schuschudi sagte, fiel sie hin und war tot.
Der Beischläfer rief nach andern Leuten. Die andern Leute kamen. Die andern Leute sahen die Frau tot daliegen. Die andern Leute sahen den Beischläfer bei der toten Frau stehen. Die andern Leute sagten: "Dieser Mann hat die Frau getötet."Die Leute fragten ihn: ,Hast du den Mann dieser Frau getötet?"Der Beischläfer sagte: "Ruft den Mann, dann will ich alles erzählen."
Der Jäger kam. Der Jäger sagte: "Was ist hier geschehen?" Der Beischläfer sagte: "Ich will dir alles erzählen. Ich bin der Freund dieser Frau. Ich schlief schon früher mit ihr. Ich glaubte, es wäre eine gute Frau. Sie gab mir vordem zu essen. Da sah ich, daß es eine schlechte Frau ist. Ich fragte sie, was es für Fleisch wäre, das sie mir gäbe. Sie sagte, das könne sie nicht sagen. Sie wolle aber machen, daß es ihr Mann, der Jäger, morgen sage, dann würde der tot hinfallen; dann könne ich die ganze Nacht bei ihr schlafen und am andern Morgen könne sie den Ehemann dann wieder lebendig machen oder aber tot und begraben lassen. Das ist sehr schlecht. Ich verlangte von ihr, daß sie den Namen des Fleisches mir nenne. Sie tat es und fiel tot hin. Dann habe ich die Leute gerufen, damit sie sehen, was für ein schlechtes Weib sie ist." Der Jäger sagte: "Wir wollen die Frau selbst hören, ob es so ist."Der Jäger hielt der Frau die Medizin unter die Nase; sie ward wieder lebendig. Sie stand auf. Der Jäger fragte sie: "Ist das dein Beischläfer? Sage alles, denn er hat alles schon selbst gesagt."Die Frau sagte: "Er hat bei mir geschlafen."Der Jäger sagte: "Wolltest du, daß er morgen, nachdem
ich tot hingefallen war, die Nacht bei dir schliefe?"Die Frau sagte: "Das wollte ich." Der Jäger sagte: "Hast du gesagt, du könntest mich auch tot und begraben lassen?" Die Frau sagte: "Das habe ich gesagt."Die Leute sagten: "Welcher ist denn der Name des Fleisches?"Der Jäger sagte: "Meine Frau kennt ihn. Sie mag ihn sagen." Die Frau des Jägers sagte: "Der Name ist Schuschudi."Darauf fiel die Frau hin und war tot. Die Leute sagten: "Kannst du jeden, der so tot hingefallen ist, wieder lebend machen?" Der Jäger sagte: "Das kann ich."Darauf sagten noch einige Leute Schuschudi. Sie fielen sogleich hin und waren tot. Andere Leute sagten: "Nun mache sie wieder lebendig!" Darauf hielt der Jäger den toten Leuten seine Medizin unter die Nase. Sie standen auf und waren wieder lebend.
Nur die Frau des Jägers lag noch tot da. Die Leute sagten: "Halte doch deiner Frau auch die Medizin unter die Nase, damit sie aufsteht und wieder lebendig ist!" Der Jäger sagte: "Das werde ich nicht tun. Diese Frau war eine schlechte Frau. Sie dachte daran, ihren eigenen Mann zu töten. Wir wollen sie tot und begraben lassen. Sonst sterben noch mehr Leute." Sie ließen die Frau tot und begruben sie.
15. Das MuttersöhnchenEin Mann heiratete. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar ein Kind; das war ein Knabe. Die Frau nahm das Kind mit in die Farm hinaus. Das Kind wuchs in der Farm auf. Es arbeitete immer mit der Mutter. Das Kind wurde ein starker Bursche. Die Mutter machte dem Burschen immer Essen und der Bursche arbeitete immer auf der Farm. Der Bursche wurde ein großer und starker Gesell, und die Mutter gab dem Gesellen immer Essen und er arbeitete immer auf der Farm der Mutter.
Es kamen Leute in die Farm. Die Leute sahen den Burschen. Die Leute sagten: "Was ist das für ein großer und strammer Bursch!" Die Leute fragten den Burschen: "Willst du dir denn nicht eine Frau nehmen?" Der Bursche sagte: "Nein, ich will nur mein Essen haben, und das habe ich bei meiner Mutter gut und genug."
Eines Tages kam der Vater in die Farm, in der der Bursche mit seiner Mutter lebte. Der Vater sagte zu dem Burschen: "Willst du denn nicht eine Frau nehmen, damit du einen Jungen zeugen
kannst? Komm, wir wollen zusammen in den Ort gehen!" Der Vater nahm der' Burschen mit in seinen Ort. Der Vater schor seinem Sohne das Haupt. Nachdem er damit fertig war, gab er ihm schöne Perlen. Er hängte ihm Perlenketten um den Hals. Er hängte ihm Perlenketten um die Zehen und Knöchel. Er zog ihm schöne Ringe über die Arme. Er rieb ihm den Leib mit roter Farbe ein. Er schenkte ihm einen neuen Lendenschurz. Dann sagte der Vater: "Nun geh hin und suche dir eine Frau, mit der du ein Kind zeugen kannst."Der Bursche ging. Der Bursche ging umher und sah sich die Mädchen an. Der Bursche fand eine, die ihm gefiel. Er nahm das Mädchen und brachte es zu seinem Vater ins Haus. Er sagte zu seinem Vater: "Dieses Mädchen möchte ich heiraten!" Der Vater sagte: "Das ist gut." Der Vater brachte den Sohn mit dem Mädchen in eine Hütte. Der Vater sagte: "Das ist deine Hütte. Geh da mit dem Mädchen hinein und beschlafe es, damit es schwanger wird." Der Bursche ging mit dem Mädchen herein. Als er das Mädchen aber auf das Bett gelegt hatte, kam er heraus und lief in die Farm seiner Mutter. Er sagte zu seiner Mutter: "Meine Mutter, ich bin hungrig, mache mir gutes Essen." Die Mutter machte dem Burschen Essen. Da blieb er bei ihr.
Das verheiratete Mädchen lief aus seiner Hütte. Das Mädchen lief zum Vater des Burschen und sagte: "Dein Sohn hat mich nicht beschlafen. Er hat mich in die Hütte gebracht und dann ist er weggelaufen!" Der Vater machte sich auf. Er ging zu seiner Frau auf die Farm. Er fragte seine Frau: "Ist mein Sohn hier?" Die Mutter sagte: "Ja, dein Sohn ist hier. Er kam gestern nacht und sagte: ,Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mache mir ein gutes Essen!' Dann habe ich ihm ein gutes Essen gemacht. Er hat es gegessen und ist hiergeblieben."
Der Vater sagte: "Mein Sohn hat gestern geheiratet. Er hat aber die Nacht nicht seine Frau beschlafen. Er ist zu dir gelaufen und hat Essen verlangt. Das ist eine Sache, die geändert werden muß. Ich denke also, du gibst ihm, wenn er wieder Essen verlangt, nur noch schlechtes oder kein Essen. Dann wird er zu seiner Frau zurücklaufen." Die Mutter sagte: "Das will ich tun." Der Vater ging in die Stadt.
Nach einiger Zeit kam der Bursche zu seiner Mutter und sagte: "Meine Mutter! Ich bin hungrig! Mach mir ein gutes Essen!" Die Mutter sagte: "Hast du gestern nicht eine Frau geheiratet?" Der
Bursche sagte: "Ja, ich habe gestern eine Frau geheiratet." Die Mutter sagte: "Wenn du eine Frau geheiratet hast, dann geh zu deiner Frau und laß dir von ihr Essen machen." Der Bursche ging. Der Bursche ging zu seinem Vater und sagte: "Meine Mutter will mir kein Essen mehr geben!" Der Vater sagte: "Hast du denn nicht gestern geheiratet? Hast du denn gestern deine Frau beschlafen?" Der Bursche sagte: "Nein, ich habe meine Frau nicht beschlafen." Der Vater sagte: "Dann geh zu deiner Frau und beschlafe sie. Dann sage ihr, sie soll dir ein gutes Essen bereiten. Dann wird deine Frau dich auch satt machen."Der Bursche ging heim. Er beschlief seine Frau. Danach wusch sich die Frau und machte ein gutes Essen. Der Bursche sah ihr zu. Die junge Frau brachte ihm das Essen. Der Bursche aß es. Als er fertig gegessen hatte, sagte er zu seiner Frau: "Komm in das Haus! Ich will dich noch einmal beschlafen."
Bald darauf war die junge Frau schwanger. Sie gebar einen Sohn.
Der Vater soll seinen Sohn zum Mann und Ehemann erziehen; denn bei der Mutter lernt er nur das Essen.
16. Bestrafte EifersuchtEin Mann heiratete eine Frau. Die Frau war sehr schön. Der Mann konnte es nicht sehen, daß ein anderer Mann seine Frau ansah. Der Mann stand immer in ihrer Nähe und achtete darauf, daß andere Männer sie nicht ansähen. Der Mann sagte: "Es muß geändert werden. Alle Männer sehen meine Frau. Ich werde mit meiner Frau in den Busch gehen, wohin kein anderer Mann kommt, und dort werde ich mir ein Haus und eine Farm bauen." Der Mann sagte zu seiner Frau: "Packe deine Sachen! Wir gehen zusammen in den Busch!" Die Frau packte ihre Sachen.
Der Mann ging mit seiner Frau in den Busch. Im Busche baute er sich ein Haus. Im Busche legte er sich eine Farm an. Er sagte: "Hier wird kein anderer Mann meine Frau sehen. Hier habe ich sie ganz allein. Ich kann ruhig meine Arbeit machen." Der Mann nahm seine Hacke und ging damit auf die Farm hinaus.
Die Frau saß vor der Tür des Hauses. Der Mann war noch nicht lange fortgegangen, da kam ein Antilopenbock in der Nähe vorbei. Als die Antilope nahe dem Haus vorbeikam, fragte die Frau: "Wohin willst du gehen?" Der Bock sagte: "Ich gehe nur bis nach da
vorne, um zu sehen, ob jemand kommt." Die Frau sagte: "Das ist gut. Komm nachher nur wieder vorbei."Der Antilopenbock ging nach vorne und sah, ob niemand von dort käme. Als der Bock sah, daß niemand kam, kehrte er zurück. Als er in der Nähe der Hütte war, sagte die Kurru (Vagina) der Frau zu dem Antilopenbock: "Mein Bock, willst du mich nicht einmal beschlafen ?" Der Bock sagte: "Das will ich sehr gerne tun!"Die Kurru sagte: "Dann komm schnell in die Hütte." Der Bock kam in die Hütte. In der Hütte beschlief der Bock die Kurru der Frau. Als er das getan hatte, lief er hinaus.
Die Frau rief dem Bocke nach: "Wohin willst du gehen ?" Der Bock sagte: "Ich gehe nur bis nach da vorne, um zu sehen, ob jemand kommt!" Die Frau sagte: "Das ist gut! Komm nachher nur wieder hier vorbei!"
Der Bock ging nach vorn und sah, ob niemand dort käme. Als der Bock sah, daß niemand kam, kehrte er zurück. Als er wieder bei der Hütte war, sagte die Kurru zu dem Antilopenbock: "Mein Bock, willst du mich nicht noch einmal beschlafen?" Der Bock sagte: "Das will ich sehr gerne tun!" Die Kurru sagte: "Dann komm schnell in die Hütte!" Der Bock kam in die Hütte. In der Hütte beschlief der Bock die Kurru der Frau. Als er das getan hatte, lief er hinaus.
Die Frau fragte den Bock dann wieder, wo er hinlaufe. Die Kurru rief ihn dann wieder herein und ließ sich von ihm beschlafen. Und so ließ sich die Kurru von dem Antilopenbock fünfmal beschlafen. Als der Antilopenbock die Kurru das fünfte Mal beschlafen hatte, lief er wieder hinaus und sagte: "Laß mich gehen, nun bin ich müde!" Danach lief der Antilopenbock wieder in den Wald und legte sich nieder, um zu schlafen.
Der Mann kam nach einiger Zeit von der Farm nach Hause. Er aß zu Abend. Dann legte er sich auf das Bett. Seine Frau lag neben ihm. Als es dunkel war, sagte die Kurru seiner Frau zu ihm: "Es war heute ein Antilopenbock hier. Von dem habe ich mich fünfmal beschlafen lassen." Als der Mann das hörte, sprang er vom Bett auf. Er weckte seine Frau und sagte zu ihr: "Frau, steh auf! Pack deine Sachen! Wir gehen wieder in den Ort, wo wir vorher mit den andern Menschen wohnten. Wenn dich da ein anderer Mann beschläft, kann ich ihn wenigstens verprügeln!"
Der Mann zog mit seiner Frau wieder in den Ort.
17. Die gewaltigen GeschlechtsteileEine Frau hatte eine Kurru, die war zwei Fuß lang. Sie hatte darin eine Anzona (Klitoris; in Haussa =nazaka; in Nupe =esu; in Joruba =jdo), die war so lang wie ein Unterarm. Die Frau fand aber keinen Djoa (Penis), der für ihre Kurru gereicht hätte. Darum öffnete sie die Kurru jeden Morgen. Dann flogen alle Fliegen hinein. Dann schloß sie die Kurru. Es starben nun alle Fliegen, die darin waren. Die Frau holte die toten Fliegen dann aber mit der Hand wieder heraus.
Das genügte der Frau aber nicht. Sie bat Gott: "Schicke mir doch nur für einen Tag einen so dicken Penis, daß er mich beschlafen kann." Eines Tages kam Aromo zu der Frau und sagte: "Soll ich dich beschlafen?" Die Frau wurde böse und sagte: "Was willst du mit deinem kleinen Djoa in meiner großen Kurru!? Mache, daß du wegkommst !" Aromo lief weg.
Jeden Tag öffnete sich die Kurru. Jeden Tag schloß sich die Kurru. Die Kurru konnte keinen Djoa finden, der groß genug gewesen wäre. Alle Tiere kamen zu der Frau und zeigten ihren Djoa und fragten: "Ist der groß genug?" Die Kagera (Pferdantilope) kam, zeigte ihren Djoa und fragte: "Ist der groß genug? Ist der recht für dich ?"Die Frau sagte: "Dein Djoa ist zu klein!" Der Noro (Elefant) kam, zeigte seinen Djoa und fragte: "Ist der groß genug? Ist der recht für dich ?" Die Frau sagte: "Dein Djoa ist zu klein." Alle Tiere kamen. Kein Tier hatte einen Djoa, der für die Kurru der Frau geeignet gewesen ware.
Da sah die Frau eines Tages auf einem hohen Baum einen Reiter sitzen, der hatte einen Djoa, der sechs Fuß lang und einen Fuß dick war. Die Frau mit der großen Kurru kam zu ihm und sagte zu ihm: "Komm doch herab und beschlafe mich!" Der Mann kam darauf herunter.
Die Frau legte sich hin. Der Mann führte seinen Djoa in ihre Kurru. Der Djoa reichte bis zu dem Nabel der Frau. Der Mann fragte: "Ist das gut so?" Die Frau sagte: "Es ist noch nicht gut so. Führe ihn weiter ein!" Der Mann stieß also seinen Djoa so weit hinein, daß er der Frau bis an die Brust reichte. Der Mann fragte: "Ist das gut so?" Die Frau sagte: "Es ist noch nicht gut so, führe ihn weiter ein!" Der Mann stieß also seinen Djoa so weit hinein, daß er der Frau durch den Hals fuhr und zum Mund wieder heraus kam.
Darauf starb die Frau. Nun kamen aber alle Männer angelaufen. Jeder Mann schnitt sich ein Stück von dem Penis ab und seitdem haben alle Männer einen Penis.
18. Die Schwester mit dem PenisEin Toro hatte eine Tochter. Die Tochter hatte einen Beischläfer. Der kam immer in das Haus ihrer Mutter und blieb die Nacht über bei ihr. Es kamen Männer und wollten das Mädchen heiraten. Das Mädchen sagte: "Ich will nicht heiraten." Das Mädchen wollte keinen Mann nehmen. Der Vater sagte aber zu dem Mädchen: "Ich will, daß du heiratest!"
Es kam ein Mann, der hieß Bogo. Der Bogo sagte zu dem Toro: "Ich möchte deine Tochter heiraten." Der Vater fragte die Tochter: "Willst du diesen Bogo auch wieder nicht nehmen?" Das Mädchen sagte: "Ja, ich will den Bogo heiraten." Bogo heiratete das Mädchen und nahm es dann mit an seinen Ort. Die junge Frau lebte kurze Zeit mit Bogo an seinem Orte. Die junge Frau sagte (bei sich): "Mein Beischläfer war anders wie mein Mann. Ich möchte einmal wieder mit meinem Beischläfer zusammen sein."
Die junge Frau kam zu Bogo und sagte: "Ich möchte einmal wieder meine Mutter besuchen." Bogo sagte: "Nein, bleib hier und mach deine Arbeit!" Die junge Frau sagte: "Ich möchte nun einmal für einen Abend hingehen."Bogo sagte: "Nein, du bleibst zunächst noch hier. Du hast alles, was du brauchst."
Der Beischläfer der jungen Frau sagte: "Ich möchte wohl wissen, wie es meinem Mädchen geht. Ich möchte wohl einmal wieder mit meinem Mädchen zusammen schlafen." Der Beischläfer der jungen Frau sagte: "Ich werde einmal in das Dorf Bogos gehen. Vielleicht kann ich mein Mädchen sprechen."Der Beischläfer machte sich auf den Weg. Er kam in Bogos Dorf. Der Beischläfer wartete ab, bis Bogo einmal wegging.
Als Bogo das Haus verließ, um in die Farm zu gehen, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte ihm: "Ich wollte gern einmal wieder mit dir schlafen. Ich sagte meinem Mann, ich wollte meine Mutter wieder sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und meine Arbeit verrichten." Der Beischläfer sagte: "Bitte deinen Mann noch einmal. Er wird es dir dann vielleicht erlauben." Die junge Frau sagte: "Ja, ich will meinem Mann noch einmal bitten." Der Beischläfer ging.
Am andern Tag sagte die junge Frau zu ihrem Manne: "Mein Bogo, ich möchte einmal meine Mutter besuchen!" Bogo sagte: "Nein, bleib hier!" Die junge Frau sagte: "Ich möchte nur einmal für einen Abend hingehen!" Bogo sagte: "Nein, du bleibst hier. Sieh dich nur danach um, daß du als Frau alles findest, was du brauchst!"
Nach einigen Tagen kam der Beischläfer der jungen Frau wieder in das Dorf Bogos. Er wartete ab, bis Bogo das Haus verließ. Als Bogo das Haus verlassen hatte, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte zu ihm: "Ich wollte gerne einmal wieder mit dir im Hause meiner Mutter schlafen. Ich sagte meinem Manne wieder, ich wollte meine Mutter einmal sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und sehen, daß ich als Frau alles fände, was ich brauche!" Der Beischläfer sagte: "Bitte deinen Mann noch einmal; er wird es dir dann vielleicht erlauben." Die junge Frau sagte: "Ja, ich will meinem Mann noch einmal bitten." Der Beischläfer ging.
Am andern Tage sagte die junge Frau zu ihrem Manne: "Mein Bogo, ich bitte dich! Ich möchte meine Mutter besuchen." Bogo sagte: "Nein, bleib hier!" Die junge Frau sagte: "Ich möchte nur einmal für einen Abend hingehen!" Bogo sagte: "Nein, du bleibst hier! Denke nicht soviel an deine Mutter. Tu alles was du kannst, um selbst Mutter zu werden."
Nach einigen Tagen kam der Beischläfer der jungen Frau wieder in das Dorf Bogos. Er wartete ab, bis Bogo das Haus verließ. Als Bogo das Haus verlassen hatte, kam der Beischläfer zu der jungen Frau und begrüßte sie. Die junge Frau sagte zu ihm: "Ich wollte gern einmal wieder mit dir im Hause meiner Mutter schlafen. Ich sagte meinem Manne noch einmal, ich wolle meine Mutter sehen. Mein Mann sagte, ich solle bei ihm bleiben und alles tun, was ich könne, um selbst Mutter zu werden." Der Beischläfer sagte: "Ich werde sehen, ob ich hierbei helfen kann. Warte einen Tag, dann hole ich euch ab." Der Beischläfer ging.
Der Beischläfer ging. Der Beischläfer zog sich Frauenkleider an. Er band sich ein Kopftuch um. Der Beischläfer band sich schöne Perlen um den Hals. Dann kam der Beischläfer zurück in Bogos Dorf. Der Beischläfer im Frauenkleid ging zu Bogo. Er begrüßte Bogo und sagte: "Ich bin die Schwester deiner Frau. Ich will dich und deine Frau abholen, damit wir im Dorfe der Mutter ein Fest feiern. Es ist auch ein Ochse geschlachtet worden. Wir können
gleich gehen, dann könnt ihr heute abend bei mir schlafen und morgen bei unserer Mutter ankommen." Bogo sagte: "Es ist mir recht!" Bogo machte sich zurecht. Seine Frau machte sich zurecht. Sie machten sich auf den Weg.Als es dunkel war, kamen sie in den Ort des Beischläfers. Der Beischläfer führte sie in sein eigenes Haus und sagte: "Es ist nur ein Bett hier im Hause. Willst du nun wo anders schlafen ?"Bogo sagte: "Nein, schlaft ihr Schwestern nur auf diesem Bett. Ich selbst lege mich dann vor die Tür und schlafe vor der Tür. Dann weiß ich, daß kein Mann zu euch hereinkommt." Der Beischläfer ging darauf mit der jungen Frau in das Haus. Sie legten sich zusammen auf das Bett. Bogo lag draußen vor der Tür.
Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie die beiden es früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß dieser Beischläfer bald zu Ende sei, sagte sie stöhnend vor sich hin: "Oh, das ist anders als Bogo! Oh, das ist anders als Bogo! Oh, das ist anders als Bogo!" Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.
Bogo, der draußen vor der Tür schlief, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: "Was sprichst du da, meine junge Frau?" Die junge Frau sagte: "Ich träumte. In Träumen sagte ich: ,Ich will meine Arbeit schon verrichten, mein Bogo! Ich will meine Arbeit schon verrichten, mein Bogo!"Bogo sagte: "Schlafe nur ruhig. Wenn du in meinem Dorfe arbeitest, dann ist es genug!" Dann legte sich Bogo wieder auf die andere Seite und schlief ein.
Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie es die beiden früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß auch dieser Beischlaf bald zu Ende sei, sagte sie stöhnend vor sich hin: "Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte! Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte! Ach, wenn mein Bogo doch auch so könnte!" Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.
Bogo, der draußen vor der Tür wieder eingeschlafen war, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: "Was sprichst du da, meine junge Frau?" Die junge Frau sagte: "Ich träumte. Im Traume sagte ich: Mein Bogo, ich will alles zu finden suchen, was ich als Frau brauche! Mein Bogo, ich will alles zu finden suchen, was ich als Frau brauche!" Bogo sagte: "Schlafe nur ruhig! Wenn du in meinem Dorfe als Frau alles findest, ist das genug!" Dann legte sich Bogo auf die andere Seite und schlief wieder ein.
Als der Beischläfer und die junge Frau nun glaubten, daß Bogo nun eingeschlafen sei, erhob sich der Beischläfer und legte sich zwischen die Beine der jungen Frau. Dann tat er so, wie es die beiden früher im Hause der Mutter der jungen Frau gemacht hatten. Als die junge Frau nun fühlte, daß es ebenso war wie in alter Zeit, und als sie merkte, daß auch dieser Beischlaf bald zu Ende sein würde, sagte sie stöhnend vor sich hin: "Bogo ist schwach, du aber bist stark! Bogo ist schwach, du aber bist stark! Bogo ist schwach, du aber bist stark!" Danach verließ der Beischläfer die junge Frau und legte sich an ihre Seite.
Bogo, der draußen vor der Tür wieder eingeschlafen war, wachte davon auf, daß seine Frau gestöhnt und seinen Namen genannt hatte. Er erhob ein wenig den Oberkörper und fragte durch die Tür hinein: "Was sprichst du da, meine junge Frau?" Die junge Frau sagte: "Ich träumte. Im Traum sagte ich: Mein Bogo, ich will alles tun, was ich kann, um bald Mutter zu werden. Mein Bogo, ich will alles tun, was ich kann, um bald Mutter zu werden." Bogo sagte: "Schlafe nur ruhig meine junge Frau! Du wirst schon Mutter werden!" Die junge Frau sagte: "Ja, das denke ich jetzt auch!" Dann legte sich Bogo wieder auf die andere Seite und schlief ein.
Als der Morgen nahe war, erhob sich die junge Frau. Ihr Beischläfer schlief noch. Die junge Frau machte die Tür auf und ging über Bogo hinweg mit einem Topf zum Bache. um sich zu waschen und Wasser zu bringen. Als sie weg war, erwachte Bogo. Bogo sah die Tür offen stehen. Bogo blickte in das Haus hinein. Bogo sah, daß nur eine Person auf dem Bette lag. Bogo trat in das Haus.
Im Schlafe war dem Beischläfer das Kleid heruntergefallen und sein Djoa (Penis) lag offen da. Bogo sah den Penis. Bogo sagte: "Diese Schwester hat ja einen Penis! Was mache ich mit dem Penis!" Bogo zog sein Messer heraus. Bogo sagte: "Ob ich diesen
Penis der Schwester abschneide?" Bogo sagte: "Ich will warten, bis es heller ist."Bogo ging aus dem Hause. Er steckte das Messer wieder ein.Bogo saß vor dem Hause und sagte: "Ich muß der Schwester den Penis abschneiden!"Bogo sagte: "Nein, ich muß die Schwester töten!" Bogo zog das Messer wieder heraus. Bogo trat zu dem Beischläfer. Bogo sagte: "Ich muß diese Schwester töten." Bogo betrachtete den Beischläfer und sagte: "Ich muß warten, bis es noch etwas heller ist."Bogo ging aus dem Hause. Draußen steckte er das Messer wieder ein.
Nach einiger Zeit kam die junge Frau vom Wasser zurück. Bogo kam seiner Frau entgegen und sagte: "Deine Schwester hat ja einen Penis!" Die junge Frau schrie auf! Die junge Frau rief: "Was sagst du, meine Schwester soll einen Penis haben? Das habe ich noch nicht gesehen! Das habe ich noch nicht gehört!" Die junge Frau warf den Topf mit Wasser hin. Sie schrie. Alle Leute kamen aus den Häusern. Die junge Frau schrie: "Hört nur, ich habe eine Schwester mit einem Penis!" Die Leute sagten: "Das ist unangenehm, daß deine Schwester einen Penis hat. Schicke sie weg!" Andere Leute sagten: "Ja, es gibt Frauen, die auch einen Penis haben. Aber sie können nichts damit machen."
Der Beischläfer war aufgewacht. Er hatte sein Kleid umgenommen. Bogo fragte ihn: "Kannst du, meine Schwägerin, mit dem Penis etwas machen?" Der Beischläfer sagte: "Nein, ich kann mit diesem Penis nichts machen, denn er ist niemals stark."Bogo sagte: "Dann ist es gut. Dann können wir zusammen weiterreisen."
Der Beischläfer besuchte die junge Frau oft. Die junge Frau gebar bald zwei Kinder. Es waren ein Junge und ein Mädchen.
(Von Muntschi erzählt. Die anwesenden Haussa erklären sie aber als eine Geschichte, die auch bei der Landbevölkerung Bautschis gehört worden sei.)
19. Die GeschlechtsteileKurru (Vagina) und Djoa (Penis) waren zusammen im Busch. Sie lebten damals noch nicht in Orten, sondern eben noch draußen im Busch. Eines Tages hatten Kurru und Djoa nichts zu essen. Sie waren beide sehr hungrig. Kurru sagte: "Ich möchte heute Fisch essen."Djoa sagte: "Ich möchte heute Fisch essen." Kurru nahm ihr Fischnetz und ging zum Fluß. Djoa folgte ihr. Kurru
begann zu fischen. Kurru fing viele Fische. Kurru nahm die Fische und ging mit ihnen nach Hause. Kurru kochte die Fische, nahm Pfeffer und Salz und bereitete ein schönes Gericht. Als sie mit der Speise fertig war aß sie sie auf. Es blieb nichts übrig. Nach einiger Zeit kam auch Djoa nach Hause. Djoa sagte: "Gib mir auch etwas zu essen." Kurru gab ihm etwas Pfeffer und sagte: "Hier iß du auch. Ich habe keinen Fisch."Am andern Tage gingen Kurru und Djoa wieder zum Fluß hinab. Djoa nahm das Netz und ging voran. Kurru folgte ihm. Djoa begann zu fischen. Djoa fing viele Fische. Djoa nahm die Fische und ging mit ihnen nach Hause. Djoa kochte die Fische, nahm Pfeffer und Salz und bereitete ein schönes Gericht. Als er mit der Speise fertig war, aß er alles auf. Nach einiger Zeit kam Kurru. Kurru sagte: "Gibst du mir zu essen?"Djoa sagte: "Ich habe nichts mehr zu essen." Kurru sagte: "Warum gibst du mir nichts ab, von deinen Fischen?" Djoa sagte: "Gestern, meine Kurru, hattest du viele Fische und gabst mir keine davon ab. Heute habe ich viele Fische gehabt und habe dir keine abgegeben."
Kurru wurde zoring. Kurru schlug Djoa. Djoa schlug Kurru wieder. Sie schlugen sich. Im Streite riß Djoa der Kurru die Klitoris heraus und warf sie ins Feuer. Kurru griff die Klitoris schnell wieder aus dem Feuer heraus und steckte sie sich wieder an. Seitdem ist aber die Klitoris rot wie das Feuer.
20. Vagina, Salz und PenisEs gab kein Essen. Nirgends im Lande gab es Essen. Niemand hatte etwas zu essen. Kurru (Vagina) und Djoa (Penis) machten sich auf den Weg. Sie gingen in das nächste Land, um Sorghum und Salz zu kaufen. Sie gingen auf dem Markt umher. Sie sahen sich dies Korn an und sahen sich jenes Korn an. Sie sahen hier nach dem Salz und sahen dort nach dem Salz. Kurru sagte: "Wir müssen vor allem das Korn kaufen!"Djoa sagte: "Wir müssen vor allem das Salz kaufen."
Kurru und Djoa kauften Korn und Salz (Bara; in Haussa =gisiri; in Nupe =essan, in Jeruba =ijo). Dann machten sie sich auf den Heimweg. Als sie ein Stück weit gegangen waren, ward es dunkel. Als sie noch ein Stück weit gegangen waren, war es schwarz am Himmel. Der Regen war ganz nahe.
Der Regen begann zu fallen. Djoa sagte zu Kurru: "Der Regen
beginnt zu fallen. Das Salz wird naß werden und weglaufen. Mach also lieber deinen Mund auf. Ich will das Salz hineintun; so wird es nicht naß werden!" Kurru sagte: "Tu es, wie du denkst." Kurru machte also den Mund auf. Djoa steckte darauf das Salz hinein. Kurru machte den Mund wieder zu.Am Wege stand ein Termitenhügel. Der hatte seitlich eine Tür. Kurru sagte: "Ich werde in diesem Termitenhügel untertreten. Ich werde mich in dieser Höhle vor dem Regen schützen." Kurru kroch in den Termitenhügel. Djoa wollte auch mit in den Termitenhügel. Djoa lief hinter Kurru her. Kurru sagte aber: "Geh fort, suche dir dein eigenes Haus. Ich brauche mein Haus für mich!" Kurru trieb Djoa fort und blieb allein in seinem Termitenhügel.
Djoa lief weg. Djoa sah sich nach Stöcken um. Djoa schnitt sich Stöcke und baute sich dann ein kleines Haus. Djoa blieb in dem kleinen Haus. Es regnete in das kleine Haus nicht hinein.
Der Regen war sehr stark. Der Regen spülte den Termitenhaufen weg. Nun hatte Kurru kein Haus mehr. Kurru lief umher. Kurru suchte einen Schutz. Kurru sah Djoas Haus. Kurru lief auf Djoas Haus zu. Kurru kam zu Djoa. Djoa hatte gerade sein Essen gekocht und war bereit, es zu genießen. Kurru kam in Djoas Haus. Djoa sah Kurru und sagte: "Es ist gut, daß du kommst. Mein Essen ist fertig. Nun gib mir das Salz, das ich dir vorhin in den Mund legte. Ich will es nun in das Essen tun." Kurru sagte: "Das Salz, das du mir vorhin in den Mund gelegt hast? Das Salz ist nicht mehr da."Djoa sagte: "Ich will aber mein Salz haben!" Kurru sagte: "Das Salz ist nicht mehr da." Djoa sagte: "Ich will aber mein Salz haben!" Kurru sagte: "Das Salz ist nicht mehr da. Wenn du mir nicht glaubst, kannst du selbst hereinkommen und dich danach umsehen. Du wirst aber auch nur sehen, daß das Salz nicht mehr darin ist."
Djoa sagte: "Es ist gut; ich werde selbst hineingehen." Djoa ging also selbst hinein, um nach dem Salz zu suchen. Djoa fuhr in den einen Winkel. Djoa fuhr in den andern Winkel. Kurru sagte: "Such nur! Such! Such auch in den andern Winkeln!"Djoa fuhr in diesen Winkel. Djoa fuhr in jenen Winkel. Kurru sagte: "Such nur! Such nur!" Djoa wurde wütend. Er fuhr immer schneller von einem Winkel in den andern. Endlich war er ganz zornig. Er war vom vielen Suchen müde. Er hielt ein wenig inne und spuckte dann aus.
Hierauf kam er heraus; er war niedergeschlagen, ließ den Kopf hängen und sagte: "Es ist wahr, das Salz ist wirklich nicht darin!" Kurru sagte: "Sagte ich nicht vorher, daß es nicht darin ist? Aber mir ist es recht, wenn du wieder hereinkommst und weitersuchst. "
Seitdem sucht Djoa immer wieder Kurru auf. Er sucht immer wieder in allen Winkeln nach dem Salz. Er findet es aber nie. Wenn er dann müde ist, so spuckt er aus und kommt wieder heraus. Immer wieder kommt Djoa zu Kurru. Sooft aber Djoa auch Kurru aufsucht, das Salz wird er doch nicht mehr finden.
21. Die aus dem Anus geborenen AntilopenEin Mann ging einmal in den Busch. Der Mann hatte große Geschwüre am Bein. Der Mann hatte den ganzen Körper bedeckt mit kleinen Geschwüren. Der Mann starb im Busch. Danach stand der Mann aber wieder auf. Er war wieder lebendig. Er war nun ein Jäger. Der Jäger zog durch den Busch und tötete eine Kagera (Pferdeantilope; in Haussa=kanki, in Tulfuhr=koba, in Nupe =eko, in Joruba =ira-kunu-ba). Es war eine große Kagera. Der Jäger ging in den Ort und sagte den Leuten: "Kommt mit in den Busch! Ich habe eine große Kagera erlegt. Helft mir sie zerlegen, kochen und essen!"
Die Leute kamen mit dem Jäger in den Busch. Sie halfen dem Jäger die Kagera zerlegen. Sie halfen ihm die Kagera kochen. Sie halfen dem Jäger die Kagera essen. Nachdem die Leute die Kagera gegessen hatten, verwandelte sich das Fleisch eines jeden, der davon gegessen hatte, in eine Kageraantilope. Jeder, der mit gegessen hatte, hatte eine Kagera im Leibe. Danach kam jede Kagera aus dem Leibe des Menschen durch das Arschloch heraus. Aus dem Arschloch eines jeden, der von der großen Kagera gegessen hatte, kam eine neue Kagera heraus. Es kam so ein großes Rudel von Kageraantilopen zusammen.
Das Rudel der Kageraantilopen lief von dannen. Die Kageraantilopen liefen auf das Land der (Nu)oro (der Noro, d. h. der Elefant) zu. Sie wollten im Lande Noros bleiben. Sie trafen Noro. Noro fragte die Kagera: "Was wollt ihr in meinem Lande? Wo kommt ihr her?" Die Kagera sagten: "Wir kommen aus dem Arschloch der Menschen. Wir wollen in diesem Lande bleiben." Noro fragte (nochmals): "Wo kommt ihr her ?" Die Kagera sagten: "Wir kommen aus dem Arschloch der Menschen." Noro sagte: "Dann will
ich nicht, daß ihr hier bleibt. Ich will nicht mit Leuten zusammen sein, die aus dem Arschloch der Menschen stammen."Die Kagera traten zusammen. (Eine Beratung.) Die Kagera sagten: "Müssen wir in ein anderes Land gehen, weil Noro nicht mit Leuten zusammen sein will, die aus dem Arschloch der Menschen gekommen sind?" Die Kagera sagten: "Nein, wir wollen nicht in ein anderes Land gehen. Wir wollen im Land der Noro bleiben." Die Kagera kamen zu Noro und sagten: "Wir wollen nicht fortgehen. Wir wollen in diesem Lande bleiben."
Als die Kagera das sagten, stand der Noro auf. Er schlug auf die Kagera. Er trieb die Kagera auseinander. Er jagte die einen hierhin, er trieb die andern dahin. Seitdem trifft man einige Kagera hier und einige Kagera da. Sie sind über das ganze Land zerstreut. Sie leben aber immer allein. Denn mit Leuten, die aus dem Arschloch der Menschen kommen, mag niemand verkehren.
22. Das MesserDas Messer hatte erst keinen Handgriff. Das Messer (jho; in Haussa =oka; in Joruba =obe, in Nupe =ebi) hatte keinen Handgriff, als es zu den Menschen kam. Und das kam so:
In alter Zeit baute sich das Messer ein großes, großes Haus. Dann baute sich das Messer noch ein Haus. Dann baute sich das Messer noch ein Haus. Es waren nun drei Häuser. Dazu baute sich das Messer ein Torhaus (ate; in Haussa =sauri; in Nupe =katamba; in Joruba =emu[r]lo); das waren zusammen vier Häuser. Das Messer hatte außerdem ein Pferd (njenja) und zwei Stück Rindvieh (boa; Bulle =numboa; Kuh =mbiemboa); dazu viele Ziegen (jongo). Jedermann sah die Häuser; jedermann sah das Pferd; jedermann sah das Rindvieh; jedermann sah die Ziegen. Niemand aber sah das Messer, denn es legte sich unter die Erde hin.
Alle Leute kamen zusammen und sahen die Sache an. Das Messer hielt sich unter der Erde versteckt. Als die Leute gegangen waren, kam das Messer aber aus der Erde heraus. Das Messer trieb die Kühe an das Ufer, ließ sie trinken und gut grasen. Dann trieb das Messer das Rindvieh wieder nach Hause.
Einmal aber kamen alle zusammen; die Tini (Muntschi), die Oke (Haussa), die Njawa (Jukum) und viele andere Völker. Die Völker nahmen Feuer und warfen das in das Haus. Sie nahmen das Pferd, das Rindvieh und die Ziegen des Messers. Als das Gehöft
heruntergebrannt war, fanden sie auch das Messer, nahmen es auf und gingen damit weg. Im Brande hatte das Messer aber seinen Handgriff eingebüßt.23. Aromo (Kaninchen) und das FüllhornEs war kein Essen in der Welt. Niemand hatte etwas Ordentliches zu essen. Aromo (das Kaninchen) ging im Busch herum und suchte etwas zu essen. Aromo fand ein kleines Horn. Aroma fragte das Horn: "Was machst du hier, Horn?" Das Horn sagte: "Wenn du mich ißt, mußt du mich wieder herausscheißen."(Offenbares Mißverständnis.) Aromo sagte zu dem Horn: "Ich will dich nicht essen. Aber zeige du mir einmal, daß du scheißen kannst." Das Horn sagte: "Gut! Ich will dir viel vorscheißen!" Dann entleerte sich das Horn. Alle seine Entleerung war aber Romo (oder Lama) d. h. Brei. Aroma aß sich satt und nahm das Horn. Es steckte es in die Tasche. Er ging mit dem Horn nach Hause.
Daheim rief Aromo alle seine Leute zusammen. Alle Leute Aromas kamen. Aromos erster Sohn war Alondo Kana. Aroma sagte zu Alondo Kana: "Frage einmal dies Horn hier, was es macht." Der erste Sohn Aromos sagte zu dem Horn: "Was machst du ?"Das Horn sagte: "Ich kann mich entleeren." Der erste Sohn Aromas sagte: "So entleere dich doch einmal!" Das Horn begann sich zu entleeren. Alles, was es von sich gab, war Romo (Brei). Nun konnten sich alle Leute Aromos satt essen.
Von da an hatten alle Leute Aromas viel zu essen. Niemand im Land hatte etwas. Aber Aroma und seine Leute wurden alle Tage satt. Auch Noro (der Elefant) hörte, daß Aroma und alle seine Leute immer viel zu essen hatten, wo doch sonst alle hungerten. Noro sandte zu Aroma eine Nachricht und ließ ihm sagen: "Ich höre alle Tage, daß ihr spielt und tanzt (nach gutem Essen pflegten die Leute zu tanzen und zu spielen). Warum sendet ihr nie zu mir und laßt mich zum Spielen rufen? Aroma antwortete: "Es ist wahr, daß meine Leute viel spielen und tanzen; aber leider haben wir kein Essen, so daß wir dich nicht einladen können."
Noro kam selbst und sagte: "Heut abend will ich mit Euch spielen und tanzen." Aroma sagte: "Wir können dir kein Essen geben." Noro sagte: "Sieh nur im Hause nach; du wirst schon genug finden, daß ich auch noch satt werde." Aroma sagte: "Geh selbst herum und sich dich nach allem um." Noro ging in das Gehöft.
Noro fand in Aromos Haus das Horn. Noro sagte zu Aromo: "Was ist das für ein Horn?" Aromo sagte: "Das Horn kann sich entleeren." Noro sagte: "Dann entleere dich einmal!" Das Horn begann sich zu entleeren. Es machte viel Brei. Noro begann schnell zu fressen und zu schlucken. Er war so gierig, daß er das Horn selbst mit hinunterschluckte.
Wenn ein Mann hungrig ist, soll man ihm geben, sonst schadet er mit seiner (erwachenden) Gier mehr, als man spart, wenn man ihm nichts gibt.
24. Aromo betrügt seinen MitarbeiterNgodja (ein schwarzes Heimchen, das man auch ißt; in Haussa = Njare; in Joruba=Ire; in Nupe=Schini; in Jukum =Atzi) machte mit Aromo Freundschaft. Aromo bereitete seine Farm. Ngodja machte seine Farm. Aromo sagte: "Einen Tag wollen wir auf deiner Farm arbeiten, einen Tag auf meiner."Ngodja sagte: "Es ist recht. Am ersten Tage arbeiteten sie auf Ngodjas Farm. Frau Ngodja kochte gutes und vieles Essen, und abends aßen sich Ngodja und Aromo satt. Am andern Tage arbeiteten sie auf Aromos Farm. Aromo hatte aber auf seiner Farm eine hohe Lehmbank stehen. Frau Aromo machte gutes Essen. Frau Aromo brachte das Essen. Aromo sagte: "Stelle das Essen nur auf die Lehmbank!" Frau Aromo stellte das Essen auf die Lehmbank. Aromo sprang herauf und begann zu essen. Er sagte zu Ngodja: "Komm nur herauf und iß mit mir." Ngodja begann zu springen. Ngodja sprang so hoch er konnte. Ngodja konnte nicht auf die Lehmbank kommen. Ngodja fiel immer wieder herunter. Ehe aber Ngodja herauf kam, hatte Aromo alles aufgegessen.
Danach gingen alle beide nach Hause. Ngodja sagte zu Aromo: "Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Geh deiner Wege!" Aromo sagte: "Ich will auch nichts mehr mit dir zu tun haben!"
25. Aromo wird für Diebstahl bestraftAromo hatte kein Essen. Aromo ging in den Busch, Essen zu suchen. Aromo kam an eine Farm; da stand ein kleines Haus. Vor dem Haus lag ein Eho, ein kleines Messer. Aromo fragte das Eho: "Wo ist dein Lager?" Das Eho antwortete nicht. Aromo sagte: "Wenn du nicht antworten kannst, dann gehört dir auch
dies Haus nicht. Dann nehme ich das kleine Haus." Aromo ging in das Haus. Er fand viel Jams (ijo) in dem Hause. Aromo machte Feuer und tat eine Jamswurzel in das Feuer. Als der Jams geröstet war, nahm Aromo das kleine Eho und schabte ihn ab.Abends kam Aromos Frau. Aromo sagte: "Wir haben ein schönes Haus mit viel Jams darin." Die Frau sagte: "Ich will aber nicht mit dir darin bleiben, denn es gehört nicht uns." Aromo sagte: "Das Haus gehört niemand, du kannst mit hineinkommen." Aromos Frau kam mit hinein. Aromo und seine Frau und seine Kinder schliefen in dem kleinen Haus, vor dem er das kleine Eho gefunden hatte.
Am andern Morgen erwachten Aromo und seine Frau und seine Kinder. Sie sahen sich gegenseitig an. Da sahen sie, daß sie alle keine Ohren mehr hatten. Es waren ihnen allen die Ohren abgeschnitten. Aromos Frau sagte zu ihrem Manne: "Habe ich dir nicht vorher gesagt, daß wir nicht in diesem Hause bleiben dürfen? Was willst du nun machen?" Aromo ging in den Busch. Aromo suchte Blätter. Die Blätter band sich Aromo um den Kopf wie Ohren. Die Blätter blieben ihm als Ohren am Kopf. So bekam Aromo seine Ohren.
26. Aromo und Kirimis FarmKirimi (ein grauer Wiesenvogel, der Burutu der Haussa; Ehuru der Joruba; Gbodu der Nube) legte eine große Farm an. Auf der Farm pflanzte er Erdnüsse (Ahi) an.
Aromo pflegte jeden Tag auf Kirimis Farm zu gehen und da Erdnüsse zu stehlen. Zuletzt ging Aromo gar nicht mehr weg von Kirimis Farm, sondern blieb ununterbrochen da. Kirimi sah, daß Aromo immer auf seiner Farm aß und gar nicht mehr wegging. Da ging denn Aromo nach Hause und holte einen großen Korb (ikaesae). Den füllte er mit Tabaksblättern. Dazu schnitt er sich einen tüchtigen Stock und legte den auf die Tabaksblätter. Es holte glühende Asche und legte sie auf die Blätter, so daß der Tabakrauch aufstieg. Diesen Korb stellte er so mitten in seine Farm. Er setzte den Korb vor sich. Er steckte den Knüppel mit dem einen Ende in den Korb, aus dem der Rauch aufstieg, mit dem andern in den Mund. Er tat, als rauchte er.
Aromo sang dazu: "Dies ist meine Tabakspfeife (itu). Ich kann töten den Noro (Elefant). Ich kann töten den Ziara (Büffel). Welches
Tier, welcher Vogel kann mir widerstehen?" Kirimi hörte das. Kirimi sah den Rauch aufsteigen. Kirimi floh weit fort. Aromo blieb nun ganz allein in der Farm. Kirimi floh zu Noro. Kirimi sagte zu Noro: "Ich komme aus der Farm. Da ist jemand, der raucht aus einer großen Tabakspfeife und singt: Ich kann töten den Noro! Ich kann töten den Ziara! Wer kann dich töten? Wer kann Ziara töten?" Noro sagte: "Ich kann jedes Tier töten." Alle Tiere kamen zusammen. Alle Tiere hörten das. Alle Tiere sagten: "Wir müssen uns alle das Tier ansehen, das den Noro töten kann!"Alle Tiere machten sich auf den Weg. Alle Tiere kamen zu Kirimis Farm. Aromo sah alle Tiere kommen. Aromo füllte seinen Korb aufs neue mit Tabaksblättern. Als die Tiere nahe herangekommen waren, legte er glühende Asche darauf, blies sie an, steckte den Knüppel in den Mund und sang: "Das ist meine Tabakspfeife. Ich kann töten den Noro. Ich kann töten den Ziara. Welches Tier, welcher Vogel will mir widerstehen?!" Als die Tiere das sahen und hörten, liefen sie alle miteinander so schnell wie möglich von dannen.
Iwua (der Hund) hörte, daß jemand alle Tiere von Kirimis Äcker vertrieben hatte und nun allein auf Kirimis Farm war und dessen Erdnüsse verzehrte. Iwua sagte: "Dieses Tier muß ich mir ansehen." Iwua lief durch den Busch zu Kirimis Farm. Er kam ganz dicht zur Farm; dann duckte er sich nieder und schlich ganz vorsichtig näher. Aromo hörte nichts. Aromo saß nahe seinem großen Korbe. Aromo fraß Erdnüsse. Iwua sprang auf Aromo zu. Er fing Aromo. Er tötete Aromo nicht. Er riß ihm aber einige Haare aus. Dann ließ er Aromo laufen. Mit den Haaren ging Iwua zu Kirimi und sagte: "Kennst du diese Haare ?" Kirimi sagte: "Gewiß kenne ich die Haare. Es sind Aromos Haare." Iwua sagte: "Nun siehst du, das ist das Tier, das Noro töten und Ziara töten kann. Das ist das Tier, das dir deinen Acker weggenommen hat." Kirimi sagte: "Gut, wenn es so ist, will ich wieder auf meine Farm gehen."
Kirimi machte sich auf den Weg, um wieder auf seine Farm zu gehen. Auf dem Wege traf er einen Mann. Der Mann sagte: "Wo gehst du hin?" Kirimi sagte: "Ich gehe zu meiner Farm. Aromo hat mir meine erste Farm weggenommen. Ich lief weg, denn ich wußte nicht, daß es Aromo war. Nun will ich aber meine Farm wiedernehmen." Der Mann sagte: "Dann will ich mit dir gehen. Die Farm möchte ich wohl auch einmal sehen." Der Mann ging mit Kirimi. Sie kamen zu Kirimis Farm. Dem Mann gefiel die Farm.
Er versuchte die Erdnüsse. Die Erdnüsse schmeckten ihm gut. Der Mann vertrieb Kirimi von der Farm.Seitdem gehören die Erdnußfarmen nicht mehr Kirimi, sondern den Menschen.
27. Aromo gewinnt von den Igundo EssenAromo hatte kein Essen. Im ganzen Lande gab es kein Essen. Niemand hatte Essen. Es waren nur die Igundo (bucklige Männer und Frauen, ein Märchenstamm), die hatten alles, was man brauchte.
Aromo ging nachts zu den Igundo. Aromo sah, daß die Igundo alles hatten, was man braucht. Aromo begrüßte die Igundo und sagte zu ihnen: "Ich bin von der gleichen Familie wie ihr." Aromo ließ sich nieder. Die Igundo kochten. Aromo sah, daß es viel und gutes Essen war. Als das Essen fertig gekocht war, winkten die Igundo einmal mit der Hand. Da konnte Aromo nicht mehr sehen. Er war blind. Die Igundo setzten sich aber um den Eßtopf und aßen alles auf. Als alles verzehrt war, winkten sie wieder mit der Hand. Aromo konnte wieder sehen. Aromo ging heim.
Am andern Tag nähte Aromo seinem Sohn die Augen zu, so daß er nur ein wenig sehen konnte. Nachts machte er sich mit seinem Sohn auf und ging wieder zu den Igundo. Er begrüßte die Igundo (in Haussa =Medoro; in Joruba =Abuke; in Nupe =Bukedji). Aromo sagte: Ich habe meinen Sohn mitgebracht, er ist blind. Aromo und sein Sohn ließen sich nieder. Aromo fragte: "Kocht ihr euch heute kein Essen?" Die Igundo sagten: "Doch, wir kochen uns heute auch Essen." Aromo fragte: "Wißt ihr, was ihr gestern mit mir getan habt?" Die Igundo antworteten: "Ja, das wissen wir." Aromo fragte: "Wollt ihr das heute wieder mit mir machen, wann ihr euch zum Essen setzt?" Die Igundo sagten: "Gewiß, das werden wir dann wieder so mit euch machen, wenn wir uns an das Essen begeben."
Danach begannen die Igundo das Essen zu kochen. Als das Essen fertig war, winkten sie auf Aromo zu mit der Hand. Da konnte Aromo nichts mehr sehen. Aromo war blind. Die Igundo wollten sich an das Essen setzen. Aromos Sohn zog aber den Faden aus seinen Augen. Aromos Sohn konnte nun sehr gut sehen. Aromos Sohn ergriff den Wasserkübel und goß ihn über das Feuer aus. Nun war es rings herum dunkel. Alle Igundo sprangen auf und liefen
weg. Als die Igundo weggelaufen waren, konnte Aromo wieder sehen. Aromas Sohn nahm das Essen und trug es hinaus. Sein Vater kam mit ihm. Aromo und sein Sohn aßen alles auf. Die Igundo kamen aber nicht wieder.28. Aroma tötet Anjamas Kinder und spricht mit den KadavernAnjama (der Leopard) gebar ein Kind; er gebar mehrere Kinder. Er setzte die Kinder in eine kleine Höhle. Er selbst schlief nicht darin. Die Höhle war nicht so groß, daß Anjama hätte hineingehen können. Aromo wußte das.
Aromo ging eines Tages in die Höhle, in der die Kinder Anjamas lagen. Aroma begrüßte sie. Die Kinder Anjamas fragten: "Wie heißt du?" Aroma sagte: "Ich heiße Konintschie" (d. h. wir alle zusammen). Nach einiger Zeit kam Anjama. Anjama hatte eine Antilope getötet. Er brachte von dem Fleisch seinen Kindern. Er reichte das Fleisch in die Höhle hinab und sagte: "Hier eßt!"Darauf nahm Aroma in der Höhle den Kindern Anjamas das Fleisch weg und aß es alles auf. Nach einiger Zeit fragte der Leopard durch die Höhle hinab: "Wer hat das Fleisch denn nun gegessen?" Die Kinder Anjamas antworteten: "Konintschie" (also: wir alle miteinander).
Anjama brachte seinen Kindern alle Tage Fleisch. Aromo nahm es ihnen immer fort. Und wenn Anjama dann die Kinder fragte: "Wer hat das Fleisch nun gegessen," dann sagten sie jeden Tag: "Konintschie" (d. h. wir alle miteinander).
Eines Tages kam Anjama wieder vor die Höhle, in der seine Kinder waren und sagte: "Alle meine Kinder, kommt heraus. Ich will euch einmal sehen!" Die Kinder Anjamas kamen heraus. Anjama sagte: "Wie kommt es, daß ihr alle so verwelkt seid? Ihr habt mir doch immer gesagt, ihr hättet alle miteinander (Konintschie) das Fleisch gegessen, das ich euch gebracht habe." Die Kinder sagten: "Es ist jemand in der Höhle, der heißt Konintschie, und der hat immer alles genommen und gegessen. Da haben wir nichts bekommen, und deshalb sind wir so verwelkt."Anjama sagte darauf in die Höhle hinein: "Komm heraus, Konintschie! Komm heraus, ,Wir alle zusammen' !"
Aroma sagte: Gewiß, ich will sogleich herauskommen, zieh nur erst meinen ledernen Schnappsack heraus. Hier ist er!" Aromo steckte dabei seine beiden langen Ohren heraus. Aroma sagte: "Zieh
den Sack heraus. Ich komme dann gleich hinter her!" Anjama packte Aromos Ohren. Anjama meinte, er habe die Zipfel von Aromos langen Ledersack in der Hand. Anjama riß den Aromo an den Ohren aus der Höhle und warf ihn weit fort. Er meinte, er habe den Reisesack herausgezogen und weggeworfen. Aromo flog weit weg in den Busch. Er lief dann so schnell er konnte fort. Anjama rief in die Höhle: "Nun komm selbst heraus, mein Konintschie! Komm mein Wir alle zusammen' !" Aus der Höhle antwortete niemand. Anjama sah in die Höhle. Er sah niemand darin. Aromo war schon weit, weit weg gelaufen.Aromo kam an die Stelle, wo ein Ijarra, ein Büffel, gestorben war. Der Leichnam war im Innern ganz verfault. Es war nur noch das haarlose Fell über den Knochen. Aromo kroch in das haarlose Fell hinein. Anjama kam nach einiger Zeit an der Stelle vorbei. Er sah den haarlosen Büffel. Anjama blieb vor dem haarlosen Ijarra stehen. Anjama betrachtete ihn. Aromo sagte aus dem leeren Bauche Ijarras heraus: "Wo gehst du denn hin, mein Anjama?"Anjama sagte: "Was ist das mit dir, mein Ijarra?" Aromo antwortete aus dem Balg Ijarras: "Das hat Aromo gemacht. Der hat vielerlei Medizin." Als Anjama das hörte, lief er weg. Wenn er seitdem Aromo sieht, läuft er so schnell wie möglich von dannen.
29. Aromo wird für einen Schelmenstreich von einem Armen gestraftEin armer Mann gewann einmal mehr Geld als ein Toro (König). Das war eine große Sache, und die war so: Aromo lief in das Haus eines Toro (Königs) und stahl da ein Kleid. Das Kleid trug er in das Haus eines Armen und legte es da hin. Der Toro merkte, daß das Kleid gestohlen war. Er ließ suchen. Er kam heraus. Er fand das Kleid im Haus des Armen. Der Toro sagte: "Nehmt dem Armen, der ein Dieb ist, alle Sachen und treibt ihn aus seinem Hause."
Der Arme mußte sein Haus verlassen. Er mußte ohne jede Habe weggehen. So lief er in den Busch.
Ino (die Schlange) hatte gesehen, was Aromo gemacht hatte. Ino lief in den Busch und dahin, wo der Arme war. Ino sagte: "Weißt du, wer das Kleid des Toro gestohlen und in dein Haus gelegt hat? Weißt du, daß Aromo das Kleid stahl und dann in dein Haus legte?" Der Arme fragte die Ino: "Meine Ino, kannst du
beißen?" Ino sagte: "Ja, ich kann beißen!" Der Arme sagte: "Dann beiße die Frau des Königs für mich!" Ino sagte: "Das will ich tun."Ino ging hin und biß die Frau des Königs. Man sagte das sogleich dem König. Der König ließ nach allen Seiten sagen: "Wer kann meiner Frau helfen?" Die Leute sagten: "Der Arme, den du vertrieben hast, hat eine gute Medizin gegen den Schlangenbiß." Der König sandte zu dem Armen in den Busch und ließ ihm sagen: "Meine Frau ist von der Schlange gebissen. Komm und bringe mir von deiner Medizin (Tschigi) !" Der Arme hatte die Medizin. Er ließ aber dem König sagen: "Du hast mich erst vertrieben und mir alles genommen. Nun gebe ich dir auch meine Medizin nicht." Der König ließ ihm sagen: "Ich bitte dich! Komme mit deiner Medizin. Du sollst alles Deine wiedererhalten, und ich will dich zum reichen Mann machen." Der Arme antwortete: "Gut, ich will kommen!"
Der Arme kam zum Toro. Der Arme sagte zum Toro: "Um die Wunde zu heilen, brauche ich das Blut Aromos." Darauf wurde Aromo im Busche aufgesucht und getötet.
30. Aromo reitetHiuga (das Eichhörnchen; in Haussa = Kurrege; in Nupe = Dunji; in Joruba =Ikun) machte mit Aromo Freundschaft. Kirimi (oder Kirime) hatte eine Farm gemacht. Kirimi hatte auf seiner Farm Erdnüsse gebaut. Hiuga ging täglich auf die Farm Kirimis, stahl Erdnüsse und brachte auch Aromo davon.
Kirimi merkte, daß auf seiner Farm immer Erdnüsse gestohlen wurden. Kirimi ging zum Toro und sagte: "Auf meiner Farm werden immer Erdnüsse gestohlen. Rufe doch alle Tiere zusammen!" Der Toro rief alle Tiere zusammen. Alle Tiere kamen. Nur Aromo kam nicht. Aromo ließ sagen: "Ich komme nicht, wenn ich nicht Dueme (Hyäne) zum Reiten bekomme."Jhua (der Hund) sagte: "Das ist schlecht!"
Die andern Tiere sandten Dueme, um Aromo zu rufen. Aromo antwortete: "Sage dem Toro, daß ich erst dann komme, wenn man dir ein Gebiß (Risam) anlegt." Dueme lief zurück zu den Tieren und sagte: "Aromo will erst dann kommen, wenn ihr mir ein Gebiß anlegt."Jhua sagte: "Das ist schlecht."
Die andern Tiere legten Dueme ein Zaumzeug an und schickten sie zu Aromo zurück. Aromo sagte: "So ist es recht." Aromo stieg
auf Dueme und ritt auf ihr zu dem Platze, auf dem die andern Tiere zusammen waren. Aromo kam 'den Platz. Er sah Aijama (oder Anjama, der Leopard). Er gab Dueme die Sporen, um schnell vorbeizureiten. Jhua setzte Aromo nach. Aijama stürzte sich auf Jhua. Alle Tiere fielen übereinander her.31. Aromo verliert seine Braut an das ChamäleonEin Toro hatte eine Tochter. Das Mädchen wuchs heran. Das Mädchen wurde groß. Jeder kam, das Mädchen zur Frau zu bitten. (M)berra (Löwe) kam und bat um das Mädchen. Das Mädchen wollte ihn nicht. Anjama (Leopard) kam und bat um das Mädchen. Das Mädchen wollte ihn nicht. Jjarra (Büffel) kam und bat um das Mädchen. Das Mädchen wollte ihn nicht. Alle Tiere kamen. Das Mädchen wollte keines von allen Tieren zum Manne haben. Es wies sie alle zurück.
Der Toro baute darauf ein großes Haus. Er entleerte sich immer in diesem Hause, bis das Haus von oben bis unten mit seinen Exkrementen gefüllt war. Der Toro sagte: "Meine Tochter hat alle, die sich um sie beworben haben, abgewiesen. Wer nun imstande ist, alle diese Exkremente in den Busch zu bringen, dem gebe ich meine Tochter zur Frau."
Es kam ein anderer Mann, der wollte die Tochter des Toro heiraten. Der Toro sagte: "Wenn du imstande bist, alle diese Exkremente aus dem Hause in den Busch zu tragen, dann gebe ich dir meine Tochter zur Frau." Der Toro zeigte dem Manne die Arbeit. Der Mann sah sie und lief schnell davon. Es kamen viele Leute, die den Toro um seine Tochter baten. Der Toro sagte zu jedem: "Wenn du imstande bist, alle diese Exkremente aus dem Hause in den Busch zu bringen, dann gebe ich dir meine Tochter zur Frau."Jeder sah die Arbeit und lief dann so schnell er konnte wieder von dannen.
Aromo kam zum Toro und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Toro sagte: "Wenn du imstande bist, alle diese Exkremente aus dem Hause in den Busch zu bringen, dann gebe ich dir meine Tochter zur Frau."Der Toro zeigte Aromo die Arbeit. Aromo besah die Arbeit. Aromo sagte: "Gut, das werde ich machen."Aromo begann die Arbeit. Aromo begann alle Exkremente aus dem Hause in den Busch zu tragen. Aromo arbeitete vom Morgen bis zum Abend. Am Abend hatte er die Arbeit vollendet. Dann ging er zum Wasser und wusch sich.
Als Aromo sich gereinigt hatte, ging er zum Toro und sagte: "Die Arbeit, die du von mir verlangt hast, habe ich gemacht. Das Haus ist von oben bis unten sauber." Der Toro ging hin und besah das Haus. Der Toro sagte: "Das hast du richtig gemacht."Aromo sagte: "Nun gib mir deine Tochter zur Frau." Der Toro sagte: "Du sollst meine Tochter haben!"
Der Toro schmückte nun seine Tochter. Er legte ihr Perlen um Hals und Arme. Er gab das Mädchen dem Aromo und sagte: "Hier hast du meine Tochter." Aromo nahm sie, Aromo ging mit ihr von dannen. Als Aromo mit dem Mädchen ein Stück weit gegangen war, traf er Homu (das Chamäleon; in Haussa=sama).
Das Mädchen ging voran, Aromo folgte ihr. Aromo fragte Homu: "Wo gehst du hin?" Homu fragte: "Wo kommst du her?" Aromo sagte: "Ich komme soeben von meiner Hochzeit. Ich habe dieses Mädchen geheiratet." Homu sagte: "Ich kann es nicht zugeben, daß du dieses Mädchen heiratest. Ich muß das Mädchen nehmen." Homu warf seinen Schwanz um Aromos Hals. Homu hielt das Mädchen mit der Hand. Dann ließ er den Schwanz vom Halse Aromos. Aromo rannte von dannen.
Wenn Aromo Kinder gebiert, wirft er immer vier; und zwar eines nach Janga-miren (Westen), eines nach Aikie (Süden), eines nach Janga-due (Osten), eines nach Mbussu (Norden).
32. Aromo heiratet und verteidigt das spröde MädchenEin Toro hatte ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Das Mädchen wuchs heran. Es kamen viele Leute, um das Mädchen zu heiraten. Alle Tiere des Busches kamen zu dem Mädchen und sagten: "Heirate mich!" Der Löwe kam und sagte: "Heirate mich!" Das Mädchen sagte: "Ich mag dich nicht." Der Büffel kam und sagte: "Heirate mich." Das Mädchen sagte: "Ich mag dich nicht!" Der Leopard kam und sagte: "Heirate mich." Das Mädchen sagte: "Ich mag nicht!" Alle Tiere kamen und baten das Mädchen. Das Mädchen des Toro sagte zu jedem Tiere: "Ich mag dich nicht!"
Eines Tages kam Aromo zu dem Toro. Aromo besuchte den Toro. Aromo sagte nichts. Die Tochter des Toro sah Aromo. Die Tochter des Toro ging an Aromo vorbei. Aromo sagte nichts. Die Tochter des Toro ging nochmals an Aromo vorbei. Aromo sagte nichts. Darauf fragte das Mädchen: "Ich will Aromo heiraten!" Das Mädchen ging zu seinem Vater, dem Toro, und sagte: "Ich will
Aromos Frau werden!" Der Toro sagte: "Gut! Werde Aromos Frau!"Der Toro rief Aroma und sagte: "Meine Tochter will deine Frau werden."Aromo sagte: "Darum bin ich gekommen!"Der Toro gab Aroma seine Tochter zur Frau. Aroma nahm das Mädchen und ging mit ihm fort. Aroma ging mit dem Mädchen weit weg, auf seinen Ort zu.
Alle Tiere sahen, daß Aroma mit seinem Mädchen fortging. Alle Tiere kamen zusammen. Die Tiere sagten: "Jedem von uns hat die Tochter des Toro gesagt: ,Ich mag dich nicht.' Nun kommt dieser kleine Aroma. Der kleine Aroma sagt nichts. Das Mädchen, das uns alle verschmäht hat, sagt zu Aroma: ,Du sollst mein Mann sein!' Wir wollen diesem Aroma das Mädchen wegnehmen. Wir wollen uns am Wege verstecken!"Die Tiere sagten: "So wollen wir es tun!"Die Tiere versteckten sich am Wege.
Aroma hatte einen großen Ballen Pfeffer in der Tasche. Er nahm davon ein wenig in den Mund. Als er ein Stück näher gekommen war, kam ihm ein Tier entgegen, das wollte ihm das Mädchen wegnehmen. Aromo ließ es herankommen. Dann bließ Aromo ihm den Pfeffer in die Augen. Das Tier konnte nicht sehen. Aromo ging mit seinem Mädchen vorbei; das Tier lief von dannen. Aroma nahm wieder ein wenig Pfeffer in den Mund.
Nach einiger Zeit kam Aroma ein anderes Tier entgegen, das wollte ihm das Mädchen wegnehmen. Aromo ließ es herankommen. Dann blies Aroma ihm den Pfeffer in die Augen. Das Tier konnte nichts sehen. Aroma ging mit seinem Mädchen vorbei; das Tier lief von dannen. Aroma nahm wieder ein wenig Pfeffer in den Mund.
So kam Aroma immer, wenn er ein wenig weiter gekommen war, ein anderes Tier entgegen, das ihm sein Mädchen wegnehmen wollte. Aromo ließ es stets herankommen. Wenn es herangekommen war, blies ihm Aroma den Pfeffer in die Augen. Das Tier konnte dann nichts sehen; Aroma ging immer mit seinem Mädchen vorbei. Das Tier lief vorüber. — So kam Aroma an allen Tieren vorbei, bis sein Pfeffer verbraucht war.
Aroma hatte all seinen Pfeffer verbraucht.
Vor Aroma lag nur noch ein Tier am Wege. Dies war Baga (der Löwe). Aroma hatte keinen Pfeffer mehr. Aber er hatte eine Kalebasse mit Wasser auf dem Rücken. Er nahm die Kalebasse. Aroma goß das Wasser aus der Kalebasse. Aroma nahm sein Mädchen, die
Tochter des Toro, und steckte sie in die Kalebasse. Als das Mädchen darin war, kroch auch Aromo selbst noch hinein.Als Aromo und sein Mädchen in der Kalebasse waren, rollte die Kalebasse auf dem Wege hin, auf Baga zu. Baga lag im Busch an einer Stelle, wo ein großer Strom floß, auf dem kein Boot war. Baga sagte: "Aromo wird nicht über diesen Fluß kommen. Hier werde ich ihn leicht fangen und ihm das Mädchen wegnehmen können." Baga wartete auf Aromo. Die Kalebasse, in der Aromo und sein Mädchen waren, rollte auf dem Wege auf Baga zu. Als Baga die runde Kalebasse so ankommen sah, sprang er vom Wege weg in den Busch. Die Kalebasse rollte aber auch vom Wege weit hinter Baga her in den Busch. Die Kalebasse folgte Baga. Baga sprang wieder zur Seite. Die Kalebasse folgte ihm aber wiederum nach.
Baga sagte: "Was ist das für eine Sache! Ich sitze hier am Wege und warte auf Aromo und sein Mädchen. Und da kommt diese Kalebasse und ärgert mich. Und diese Kalebasse will mir immer nachlaufen. Zuletzt werde ich darüber Aromo und sein Mädchen versäumen. Ich will diese Kalebasse lieber abtun."Baga war ärgerlich. Baga griff die Kalebasse. Baga schleuderte die Kalebasse mit starkem Schwunge. Die Kalebasse flog über den Strom hinweg. Baga sagte: "Nun kann die Kalebasse mich nicht mehr ärgern. Denn niemand kann über den Fluß schwimmen!"
Die Kalebasse fiel auf der andern Seite des Flusses auf das Ufer nieder. Die Kalebasse zersprang. Aromo und sein Mädchen kamen heraus. Baga sah Aromo und sein Mädchen. Baga sagte: "Was ist das? Also ist Aromo doch klüger als wir alle? Hm!"
33. Aromo betrügt das Krokodil und wird vom Vogel bestraft1. Teil
Kanga oder Jkanga (das Peri- oder Guineahuhn; in Haussa = sabo; in Nupe schelu; in Joruba etsou) legte Eier. Kanga legte seine Eier auf die Erde. Aromo ging umher. Aromo kam dahin, wo Kanga die Eier hingelegt hatte. Aromo sah Kanga. Aromo sagte: "Kanga sitzt da. Kanga hat da sicher Eier gelegt."Als Kanga einmal fortging, schlich sich Aromo heran. Aromo sah die Eier. Aromo stahl ein Ei. Er steckte das Ei in seinen Sack und lief damit von dannen. —Kanga kam nachher zurück. Kanga setzte sich wieder auf die Eier und brütete. Kanga brütete die Eier aus.
Kanga lief mit den Küken zum Wasser. Kanga lief mit den Küken
am Wasser hin. Aromo lief Kanga nach. Kanga kam an Ambe (Krokodil) vorbei. Ambe sagte zu sich: "Diese Kanga legt Eier wie meine Frau. Aber wenn die Kinder meiner Frau auskriechen, dann sind sie grau. Die Kinder Kangas aber sind bunt (gefleckt)."Aromo hörte die Worte Ambes.Aromo lief nach Hause. Aromo nahm das Ei, das er Kanga gestohlen hatte. Aromo begann das Ei Kangas anzumalen. Er malte es bunt (mit Tupfen) an. Dann steckte Aromo das bemalte Ei Kangas wieder in den Sack und ging damit an den Fluß. Aromo ging dahin, wo Ambe war. Aromo begrüßte Ambe. Ambe fragte Aromo: "Wo gehst du hin?" Aromo sagte: "Ich suche jemand, für den ich meine Arbeit machen kann."Ambe fragte: "Welche Arbeit machst du?" Aromo sagte: "Ich mache, daß aus den Eiern Kinder mit bunten Kleidern auskriechen." Ambe fragte: "Was machst du?" Aromo sagte: "Ich will es dir genau zeigen." Aromo nahm aus seinem Sack das Ei heraus, das er Kanga gestohlen und bemalt hatte. Aromo sagte: "Ich habe hier noch ein Stück meiner letzten Arbeit. Ich war nämlich bei Kanga. Kanga bat mich, ich sollte ihr die Eier bunt anmalen, damit bunte Kinder herauskommen. Das habe ich gemacht. Eins der Eier habe ich dann als Zahlung genommen, weil Kanga mir nicht gutes Essen gegeben hat. Die andern Kinder Kangas sind aber sehr schön bunt geworden. Du kannst sie zuweilen sehen, wenn du weiter ins Land hinein gehst." Ambe sagte: "Ich habe die Kinder Kangas gesehen. Sie sind sehr schön. Willst du die Eier, die meine Frau gelegt hat, auch so schön anmalen?" Aromo sagte: "Das kann ich, wenn du mir gutes Essen während der Arbeit gibst!"
Ambe sagte: "Du sollst gutes Essen haben. Komm mit dahin, wo meine Frau die Eier hingelegt hat und male sie an." Ambe führte Aromo am Fluß zu einer Höhle. Ambe sagte: "Geh da hinein. Da drin sind die Kinder und auch die Eier meiner Frau." Aromo sagte: "Es ist recht; ich werde das alles schon rechtmachen." Aromo ging in die Höhle.
In der Höhle waren die Eier und die andern Kinder Ambes. Aromo sagte zu den andern Kindern Ambes: "Geht hinaus! Ich muß jetzt mit euren andern kleinen Brüdern etwas machen." Aromo trieb alle Kinder Ambes heraus.
Danach rief Aromo aus der Höhle heraus: "Nun bringt mir einmal Feuer und Feuerholz!"Ambe reichte Aromo Feuer und Feuerholz in die Höhle hinein. Aromo rief aus der Höhle heraus: "Nun
bringt mir einen Mörser!" (lu; Mörserkeule =toro). Ambe reichte Aromo einen Mörser herein. Aromo rief aus der Höhle heraus: "Nun bringt mir Jams, denn ich kann nicht arbeiten, wenn ich hungrig bin."Ambe reichte Aromo vier Jamsknollen hinein. Aromo rief aus der Höhle heraus: "Nun bringt mir noch einen großen Topf!" Ambe reichte Aromo auch noch einen großen Topf in die Höhle hinein.Danach machte Aromo ein ordentliches Feuer. Er kochte Wasser. Er bereitete den Jams. Er legte die Eier in den Jams und kochte das Gericht. Als der Jams und die Eier Ambes gar gekocht waren, rief er Ambe. Er sagte zu Ambe: "Eines deiner Eier ist nun fertig." Aromo reichte das bemalte Ei, das er Kanga gestohlen hatte, zur Höhle heraus und sagte zu Ambe: "Ist das erste Ei nicht schön geworden? Wird es nicht ein schönes Kind werden?"Ambe betrachtete das Ei und sagte: "Das Ei ist sehr schön; so schön sind die Eier meiner Frau sonst nicht. Mache die andern nur auch so schön, dann werden es sehr schöne Kinder werden!"
Aromo ging in seine Höhle zurück. Er stampfte den Jams. Nach einiger Zeit rief er zur Höhle heraus: "Ich brauche noch Salz und Pfeffer. Bringt mir Salz und Pfeffer!" Ambe reichte Aromo Salz und Pfeffer zur Höhle hinein. Aromo nahm Salz und Pfeffer und bereitete den Brei. Dann setzte er sich hin und aß von dem Brei und den gekochten Eiern Ambes. Als er sich daran satt gegessen hatte, steckte er allen Brei und alle Eier, die übrig waren, in seinen Sack.
Aromo sagte alsdann: "Nun macht mir das Tor auf; ich bin nun mit meiner Arbeit fertig!" Ambe machte Aromo die Türe auf. Aroma kam mit seinem Sack heraus. Aromo sagte dann zu Ambe: "Ambe, nun darfst du während sechs Tagen nicht in die Höhle hineingehen oder auch nur hineinsehen. Nach sechs Tagen werden die bunten Kinder ganz von allein herauskommen. Wenn du vor sechs Tagen hineingehst, ist nicht nur meine ganze Arbeit umsonst, sondern es steht dann auch um deine Kinder recht schlecht."Ambe sagte: "Es ist recht!"Aroma sagte: "Nun gib mir aber noch einen kleinen Ambe mit, der mich über das Wasser tragen kann."Ambe sagte: "Das will ich tun. Ich will dir einen blinden Ambe mitgeben, der dich gut hinübertragen kann." Aromo sagte: "Nein, gib mir nicht den blinden Ambe mit, der könnte mich noch einen falschen Weg führen."Ambe sagte: "Dann will ich dir einen tauben Ambe geben, der nichts hören, der dich aber gut über das Wasser tragen
kann."Aromo sagte: "Ja, gib mir den tauben Ambe mit."Ambe gab Aromo also einen tauben Ambe. Aromo stieg auf den Rücken des tauben Ambe und der schwamm dann mit Aromo davon.Einige Zeit, nachdem Ambe abgeschwommen war, sagte die Frau Ambes zu ihrem Mann: "Du weißt doch, daß Aromo ein schlechter Mann ist? Ich will also lieber einmal in der Höhle nachsehen, was es mit der Arbeit Aromos auf sich hat, wenn die sechs Tage auch noch nicht abgelaufen sind." Ambe sagte: "Es ist nicht richtig, daß wir schon nachsehen, wo Aromo gesagt hat, wir sollten sechs Tage warten." Ambes Frau sagte: "Es ist ja nicht richtig; aber ich bitte dich, erlaube mir es. Wenn Aromo etwas Schlechtes tat, so können wir ihn jetzt noch fangen." Ambe sagte: "Sieh aber nur ein wenig hinein!"Ambes Frau sagte: "Ich werde nur ein wenig hineinsehen."
Frau Ambe ging zu der Höhle. Frau Ambe machte die Tür nur ein klein wenig auf. Sie sah hinein. Sie sah die Eierschalen am Boden liegen. Frau Ambe machte die Tür ganz auf. Frau Ambe sah, daß Aromo sich Essen bereitet und alle Eier Ambes gekocht und zerbrochen hatte. Die Frau Ambes sagte: "Er hat alle diese Eier zerbrochen." Die Frau Ambes lief zu ihrem Manne. Die Frau Ambes sagte zu ihrem Manne: "Aromo hat alle Eier gekocht und zerbrochen!"
Ambe lief zur Höhle. Ambe sah, daß alle Eier zerbrochen waren. Ambe lief an das Ufer und rief dem Ambe, der Aromo über das Wasser trug, zu: "Bleib! Halt Aromo fest! Bring Aromo zurück!" Aromo saß auf dem Rücken seines Ambe. Aromos Ambe war taub. Aromos Ambe schwamm. Aromo gab seinem Ambe Stöße, damit sein tauber Ambe schneller schwimme. Aromo schrie dem tauben Ambe ins Ohr: "Schwimm schneller! Schwimm schneller! Es ist ein schlechter Wind hinter uns!" Der taube Ambe schwamm so schnell er konnte.
Der alte Ambe schrie vom Ufer aus dem tauben Ambe zu: "Bleib! Bleib! Halt Aromo fest! Halt Aromo fest! Bring Aromo zurück! Bring Aromo zurück!" Aromo saß auf dem Rücken des tauben Ambe und gab ihm Stöße, damit er schneller schwimme. Aromo schrie dem tauben Ambe ins Ohr: "Schwimm schneller! Schwimm schneller! Es ist ein schlechter Wind hinter uns!" Der taube Ambe schwamm so schnell er konnte. Ambe hörte ein wenig von Aromos Stimme, aber von der Stimme des alten Ambe hörte er nichts.
Der alte Ambe sprang selbst ins Wasser. Der alte Ambe schwamm sehr schnell. Aromo war mit dem tauben Ambe schon nahe dem
andern Ufer. Der alte Ambe schwamm schneller. Der taube Ambe kam am andern Ufer an. Der alte Ambe erreichte den tauben Ambe. Aromo sprang ins Ufergebüsch. Der alte Ambe griff nach Aromos Bein. Der alte Ambe packte Aromos Bein. Aromo rief: "Du hast einen Ast in der Hand!" Ambe ließ Aromos Fuß frei und packte einen Ast, der daneben war. Aromo rannte so schnell als möglich von dannen. Aromo rannte schnell und schneller weg.
II. Teil
Aromo ging immer weiter. Aromo wollte nach Hause gehen. Nach einiger Zeit begegnete Aromo einen großen weißen Vogel. Der große Vogel fragte Aromo: "Wo kommst du her ?"Aromo sagte: "Ich komme vom Fluß her. Ich war bei Ambe." Der große Vogel fragte: "Was hast du mit Ambe ?" Aromo sagte: "Ich habe für Ambe Arbeit getan."Der große Vogel fragte: "Was hat dir Ambe dafür gegeben?" Aromo sagte: "Ambe hat mir dafür Essen gegeben."Aromo öffnete seinen Sack und zeigte dem großen Vogel den Brei mit den Eiern. Aromo gab dem großen Vogel davon ab. Der große Vogel aß es und sagte: "Das schmeckt sehr gut." Dann ging der große Vogel seitwärts in den Busch.
Aromo nahm seinen Sack und ging weiter. Der große Vogel lief abseits vom Weg im Busch an Aromo vorbei und trat dann wieder auf den Weg dahin, wo Aromo kommen mußte. Der Vogel machte sich ganz schwarz (kann auch heißen, daß er sich bemalt habe, oder auch, daß er beim Laufen durch die abgebrannte Steppe schwarz wurde). Der große Vogel kam nun Aromo schwarz entgegen. Der große Vogel fragte Aromo: "Wo kommst du her?" Aromo sagte: "Ich komme vom Fluß her. Ich war bei Ambe." Der große Vogel fragte: "Was hast du mit Ambe ?" Aromo sagte: "Ich habe für Ambe Arbeit getan." Der große Vogel fragte: "Was hat dir Ambe dafür gegeben?" Aromo sagte: "Ambe hat mir dafür Essen gegeben." Aromo öffnete seinen Sack und zeigte dem großen Vogel den Brei mit den Eiern. Aromo gab dem großen Vogel davon ab. Der große Vogel aß es und sagte: "Das schmeckt sehr gut." Aromo hielt dem großen Vogel noch einmal Essen hin. Dabei malte er aber dem großen Vogel mit dem Eigelb einen Strich über die Backe, so daß er gezeichnet war. Dann ging der große Vogel seitwärts in den Busch.
Aromo nahm seinen Sack und ging weiter. Der große Vogel lief abseits vom Wege im Busch an Aromo vorbei und trat dann wieder
auf den Weg, dahin, wo Aromo kommen mußte. Der Vogel machte sich gelb. (Hier schienen mir die Erzähler das Farbenspiel noch mehr mißverstanden zu haben. Denn wenn der Vogel wirklich gelb geworden wäre, hätte Aromo unmöglich seine gelben Striche erkennen können. Die alte Version wird also wohl gelautet haben: Der Vogel kam nun mit den gelben Strichen, die Aromo ihm über die Backe gemalt hatte, Aromo entgegen.) Der große Vogel kam nun Aromo gelb entgegen. Der große Vogel fragte Aromo: "Wo kommst du her?"Aromo sagte: "Warum störst du mich dreimal? Erst warst du weiß, dann warst du schwarz. Nun hast du die gelben Striche, die ich dir selbst das vorigemal über die Backe gemalt habe. Was soll das?"Darauf flog der große Vogel fort.
Der große Vogel flog in den Busch. Dann lief er abseits vom Wege im Busch an Aromo vorbei und trat dann wieder auf den Weg, dahin, wo Aromo vorbeikommen mußte. Der große Vogel verwandelte sich da in ein Adzemi (Rasiermesser; in Haussa =aska; in Nupe =efi(n); in Joruba =abe). Das Rasiermesser stak mitten auf dem Wege im Boden. Aromo kam auf dem Wege her. Aromo sah das Rasiermesser. Aromo blieb stehen. Aromo sagte: "Ich habe noch nie ein Rasiermesser gehabt. Ich will mir gerne einmal die Haare abschneiden. Das ist ausgezeichnet." Aromo bückte sich, nahm das Rasiermesser vom Wege und steckte es in seinen Beutel.
Sobald das Rasiermesser wieder in Aromos Beutel war, verwandelte es sich sogleich wieder in den großen Vogel. Der große Vogel begann aber in dem Beute! von dem Brei mit den Eiern zu essen. Er aß allen Brei mit allen Eiern auf, so daß nichts mehr übrigblieb. Danach begann der große Vogel sich aber zu entleeren, und er entleerte sich mehr und mehr, so daß anstatt des Breies und den Eiern nun alle Exkremente des Vogels waren, auf denen der Vogel selbst saß.
Aromo ging weiter. Aromo kam nach Hause. Aromo trat in das Haus. Aromo sagte zu seiner Frau: "Bringe mir Trinkwasser und eine Schale. Ich habe Essen mitgebracht."Die Frau Aromos brachte ihrem Manne Trinkwasser und eine Schale. Aromo trank erst. Dann nahm er den Sack und drehte ihn über der leeren Schale um, damit der Brei und die Eier herauskämen.
Es fielen aber kein Brei und keine Eier heraus. Es fielen alle Exkremente des Vogels heraus in die Schale, und der Vogel fiel auch heraus. Der große Vogel flog auf. Er flog auf die Frau Aromos zu
und setzte sich auf den Kopf der Frau Aromos nieder. Als Aromo das sah, ergriff er einen dicken Stock. Er lief auf seine Frau zu. Er wollte den großen Vogel totschlagen. Er schlug nach dem großen Vogel. Der große Vogel flog aber fort. Aromo traf den Kopf seiner Frau. Aromo schlug seine eigene Frau tot.Der große Vogel flog umher. Der große Vogel schrie. Es kamen noch andere Vögel herein. Die Vögel setzten sich auf die Köpfe der Kinder Aromos. Auf dem Kopfe aller Kinder Aromos saß ein Vogel. Aromo nahm seinen Knüppel. Aromo rannte auf eines seiner Kinder zu. Er wollte den Vogel, der auf dem Kopf des Kindes saß, totschlagen. Er schlug nach dem Vogel. Der Vogel flog aber fort. Aromo traf den Kopf seines Kindes. Aromo schlug sein eigenes Kind tot.
Auf den Köpfen aller Kinder Aromos saßen Vögel. Aromo lief von einem zum andern. Er wollte die Vögel totschlagen. Er schlug mit dem Knüppel nach den Vögeln. Die Vögel flogen fort. Aromo traf die Köpfe seiner Kinder. Aromo schlug seine Kinder tot. Aromo tötete alle seine Kinder.
Aromos Frau war tot. Aromos Kinder waren tot.
III. Teil
Es kamen Wespen (Hamba; das sind die schwarzen, großen Wespen, die in den Häusern Waben bauen und die, wenn verfolgt, höchst unangenehme Stiche verabfolgen; in Haussa sunsoro; in Nupe =dinidasche; in Joruba =illiode). Sie flogen in die Nase der Frau und in die der Kinder Aromos. Die Frau Aromos sprang darauf auf und war lebend. Die Kinder Aromos sprangen auf und waren wieder lebend.
Aromo begrüßte die Hamba. Aromo hatte eine kleines Bündel Sorghum. Das gab Aromo den Hamba. Dann ging Aromo fort. Die Hamba nahmen das Sorghum. Die Hamba flogen damit auf. Beim Auffliegen machten die Hamba ein starkes Geräusch (in der Tat fliegen diese Wespen sehr laut). Die Kinder Aromos hörten das. Die Kinder Aromos sagten: "Unser Vater hat euch Sorghum gegeben. Warum beschimpft ihr ihn?" Die Kinder liefen hinaus. Die Kinder liefen zu ihrem Vater. Die Kinder sagten zu Aromo: "Die Hamba haben dich beschimpft. Die Hamba haben dich beleidigt!"
Aromo kam wieder in das Haus. Aromo sagte zu den Hamba: "Ihr beschimpft mich?" Dann packte Aromo die Hamba. Er nahm
einen Strick und band die Hamba zusammen. Er band die Hamba um die Mitte. Er band die Hamba so fest, daß sie in der Mitte zusammengeschnürt wurden. Nachher nahm Aromo wieder den Strick ab und ließ die Hamba frei.Die Hamba flogen von dannen. Sie blieben aber in der Mitte so dünn, wie sie durch Aromos Schnur geworden waren.
34. Aromo stiehlt die Frau und die KrokodilseierEs waren drei Freunde. Der eine war ein Leprakranker (Oimada; in Haussa=kuturu; in Nupe=sokogunschi; in Joruba adete), den zweiten hatte die Krankheit die Nase und die Lippen weggefressen, es war ein Syphiliskranker (Orogaschi; in Haussa = marahandschi; in Nupe =egebani; in Joruba adjamu), der dritte war blind. Jeder von den dreien hatte seine eigene Farm. Auf der Farm arbeiteten sie immer gemeinsam. Am ersten Tage arbeiteten alle drei gemeinsam auf der Farm des Leprakranken. Am zweiten Tag arbeiteten alle drei gemeinsam auf der Farm des Syphiliskranken. Am dritten Tag arbeiteten alle drei gemeinsam auf der Farm des Blinden. Am vierten Tag arbeiteten sie dann alle drei wieder auf der Farm des Leprakranken. Sie waren immer gute Freunde.
Ein Tauber (Ukollotto) wohnte in der Nähe des Leprakranken, des Syphiliskranken und des Blinden. Er lernte die Frau des Leprakranken kennen. Er beschlief die Frau des Leprakranken. Der Leprakranke wurde hierüber zornig. Er wollte mit seiner Frau den Ort verlassen.
Der Leprakranke ging mit seiner Frau fort. Er kam mit ihr an einen Fluß, den konnte er nicht überschreiten. Am Fluß war aber Aromo. Aromo sah den Leprakranken und seine Frau. Der Leprakranke lief am Flusse hin und her und suchte nach einem Boote. Der Leprakranke fand kein Boot. Er lief hin und her. Aromo ging ganz dicht zu der Frau des Leprakranken heran. Als der Leprakranke wieder einmal weit weggegangen war, nahm Aromo die Frau.
Aromo lief mit der Frau am Ufer hin. Ambe (Aligatad) sah Aromo am Ufer hinlaufen. Ambe sagte zu Aromo: "Aromo, komm mit deiner Frau ein wenig zu mir! Sieh ein wenig nach meinen Eiern." Aromo sagte: "Es ist mir recht! Zeige mir nur den Weg!"Darauf zeigte Ambe Aromo den Weg und Aromo ging mit der Frau des Leprakranken in das Haus Ambes.
Ambe zeigte Aromo seine Eier. Aromo sagte: "Ich will schon für sie sorgen."Ambe ging weg. Aromo machte alle Eier Ambes auf. Aromo trank sie aus. Aromo gab auch der Frau des Leprakranken davon ab. Dann bemalte Aromo die leeren Eierschalen und legte sie auf die Erde. Als Aromo alle Eierschalen ausgetrunken hatte, kam er mit der Frau des Leprakranken wieder heraus. Er ging mit der Frau des Leprakranken wieder von dannen.
Als Aromo mit der Frau des Leprakranken ein Stück weit gegangen war, traf er einen Mann. Der Mann sagte zu Aromo: "Mein Aromo! Wo hast du nur die schöne Frau her!" Die Leute kamen. Die Leute nahmen Aromo die Frau fort. Aromo lief fort in den Busch.
35. Die Geizige vertreibt Aromo mit KrankheitEine Frau gab nie einem andern von dem was sie hatte ab. Sie behielt stets alles Essen für sich (eine Geizige in Muntschi bo; in Haussa roa; in Nupe jabutan; in Joruba olahun). Alle Welt sprach über die geizige Frau. Alle Welt sagte: "Das ist eine schlechte Frau." Aromo sagte: "Ich muß diese Frau einmal sehen."
Aromo ging zu der Frau. Er ging dahin, wo die Geizige kochte. Sie hatte sich an diesem Tag Bohnen gekocht. Die Geizige aß die Bohnen, als Aromo zu ihr kam. Aromo sagte: "Diese Frau ist eine Geizige. Sie wird mir nichts abgeben wollen. Ich will aber doch versuchen, ob ich nicht mit ihr Bohnen essen kann."
Aromo kam nahe zu der geizigen Frau heran. Aromo sagte zu der geizigen Frau: "Willst du mir nichts zu essen geben?" Die Geizige sagte nichts. Die geizige Frau hatte eine Eiterbeule am Bein. Die geizige Frau griff in die Eiterbeule, nahm von dem Eiter und warf ihn auf Aromo. Sie traf Aromo. Aromo weinte.
Aromo sprang auf. Aromo sprang an den Himmel. (Schja; in Haussa sama; in Nupe =efin; in Joruba =adju-sama.) Aromo sprang sogleich zu Gott (Aondo; in Haussa alla; in Nupe =soko; in Joruba Obrun). Aromo sagte zu Aondo: "Das ist eine geizige Frau. Ich bin nur hingegangen und bat sie um Essen. Sie warf mich mit dem Eiter aus ihrer Beule. Du bist der Ehemann der Geizigen. Dann ist die Frau weggelaufen und ich habe nun ihre Krankheit!" Aondo sagte: "Ich will die Sache untersuchen!"
Aondo ging zu der geizigen Frau. Aondo fragte die Frau: "Was ist das? Hast du dem Aromo die Krankheit gegeben?" Die geizige
Frau sagte: "Ja. Es ist wahr; ich habe Aromo die Krankheit gegeben. Denn Aromo kam an den Platz, wo ich meine Bohnen kochte. Aromo bat mich um Essen. Es ärgert mich immer, wenn die Leute mich um etwas bitten." Aondo sagte: "Das ist nicht recht von dir. Wenn Aromo dich beim Essen stört, kannst du einen Stock nehmen und ihn damit schlagen. Aber du darfst ihm nicht deine Krankheit geben!"36. Aromo raubt Koanas (Feldhuhn) Farm
I. Teil
Es war kein Essen mehr im Lande. Alle Tiere gingen in den Busch und machten Farmen. Jedes Tier machte seine eigene Farm. Alle säten auf ihren Feldern Sorghum.
Nur Aromo (das Kaninchen) machte sich keine Farm. Aromo band sich große Blätter um die Füße. Aromo sagte: "Seht, was ich krank bin! Seht, was ich krank bin! Nun bin ich krank und kann nicht mitarbeiten." Aromo blieb daheim. Alle andern Tiere arbeiteten in den Farmen.
Koana (das Feldhuhn) hatte sich eine große Farm angelegt. Koana hatte Sorghum gebaut. Koana ging alle Tage hin und sah nach dem Sorghum. Als es Zeit war, daß das Korn reif würde, ging auch Aromo heraus. Aromo band sich die Blätter von den Füßen und sagte: "Nun bin ich wieder gesund!" Als Aromo gesund war, ging er auf allen Farmen umher und besah sich die Farmen. Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Die Tiere waren sehr fleißig!" Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Das Sorghum beginnt reif zu werden." Er ging von einer Farm zur andern und sagte: "Koanas Farm ist sehr gut. Koana war sehr fleißig. Ich will meine Farm bei Koanas Farm haben!" Aromo ging heim.
Aromo ging jeden Tag zu Koanas Farm. Aromo ging jeden Tag quer durch Koanas Farm. Dann ging Aromo heim. Aromo sagte zu seiner Frau: "Ich habe nun meine Farm. Sie liegt neben Koanas Farm. Es steht gutes Sorghum drauf. Das Korn ist bald reif." Aromos Frau sagte: "Dann werden wir gut zu essen haben!"
Aromo ging jeden Tag zu Koanas Farm. Aromo ging jeden Tag quer durch Koanas Farm. Aromo sagte: "Das Korn auf dieser Seite des Weges ist besser. Daher ist diese Seite meine Farm."Dann ging Aromo nach Hause. Auf dem Wege nach Hause begegnete Aromo
Koana. Koana fragte Aromo: "Wo kommst du denn her ?"Aromo sagte: "Ich komme von meiner Farm." Koana sagte: "Hast du denn auch eine Farm?" Aromo sagte: "Siehst du denn nicht den Weg hier? Siehst du denn nicht an den Spuren, daß ich den Weg getreten habe? Wo soll ich aber hier sonst soviel hingehen, als zu meiner Farm?" Koana sagte: "Ich sehe den Weg und deine Spuren. Ich wußte nicht, daß du eine Farm hast." Koana flog weg. Aromo ging nach Hause.Aromo ging jeden Tag in die Farm. Eines Tages sagte er: "Nun ist meine Sorghum reif. Nun kann ich es schneiden."Aromo ging nach Hause und holte Hacke und Messer. Aromo kam zurück. Er schlug das Korn und schnitt es. Er trug das Korn nach Hause. Er sagte zu seiner Frau: "Hier ist unser erstes Korn." Die Frau Aromos besah es und sagte: "Das ist recht gutes Korn." Aromo sagte: "Es hat mir aber auch viel Arbeit gemacht, einen guten Weg hin zu der Stelle zu machen, wo so gutes Korn wächst." Die Frau sagte: "Ja, das Korn ist aber auch sehr gut."
Am andern Tage machte sich Aromo wieder mit Hacke und Messer auf den Weg in seine Farm. Er kam in seine Farm und sagte (bei sich): "Ich darf nun auf dieser Seite des Weges mein Korn schneiden. Nur diese Seite gehört mir. Die Farm auf der andern Seite des Weges gehört Koana." Aromo machte sich an die Arbeit. Er schlug das Korn um. Er schnitt das Korn. Er füllte seinen Korb. Er nahm den gefüllten Korb, um ihn nach Hause zu tragen. Als er gerade gehen wollte, kam Koana angeflogen.
Koana sah den gefüllten Korb auf Aromos Kopf. Koana sah, daß Aromo das Korn auf seiner Farm geschnitten hatte. Koana fragte Aromo: "Was machst du auf meiner Farm?" Wie kannst du das Korn von meiner Farm stehlen?" Aromo sagte: "Koana, erinnere dich! Das ist hier doch meine Farm. Deine Farm liegt doch auf der andern Seite des Weges!" Koana sagte: "Du lügst! Das alles ist meine Farm!" Aromo sagte: "Wo hast du denn den Weg in diese Farm?" Koana sagte: "Ich gehe nicht auf einem Weg. Ich fliege." Aromo sagte: "Nun gut! Ich habe dir aber selbst vor einiger Zeit den Weg in meine Farm und meine Fußspuren auf dem Wege gezeigt. Den Weg habe ich ganz allein getreten. Also zeigt das, daß das meine Farm ist." Koana flog weg. Aromo ging mit dem gefüllten Korb nach Hause. Als Aromo nach Hause kam, sagte er zu seiner Frau: "Dieses Koana ist sehr unverschämt. Heute wollte es mir meine Farm und mein Korn wegnehmen. Es ist nur
gut, daß ich meinen eigenen Weg zu meiner eigenen Farm habe." Die Frau sagte: "Ja, das ist sehr gut, denn das Korn ist ganz ausgezeichnet."Koana flog zum Sohn des Toro. Koana sagte zum Sohn des Toro: "Aromo will mir meine Farm wegnehmen." Der Sohn des Toro sagte: "Ich werde selbst auf die Farm herauskommen und die Sache besehen." Der Sohn des Toro sandte zu Aromo und ließ ihm sagen: "Morgen sei auf der Farm, auf der du Korn schneidest. Koana sagte, du habest sie ihm genommen. Ich werde das sehen." Aromo ging zum Sohn des Toro und sagte: "Ich will nur fragen, wann ich auf der Farm sein soll?" Der Sohn des Toro sagte: "Sei dann hier, wenn die Sonne da steht."Aromo sagte: "Es ist gut. Dann werde ich draußen sein. Ich werde dann mit dem Schneiden des Korns fertig sein und kann dir dann die Hälfte geben." Aromo ging nach Hause.
Am andern Tage ging Aromo früh hinaus auf die Farm. Er schlug und schnitt alles Korn. Er machte zwei Haufen Korn. Den einen machte er mit allem guten Korn, den andern mit allen schlechten. Auf den Haufen mit dem schlechten Korn legte er aber oben auf nur gutes, auf den mit dem guten nur schlechtes. Als er fertig war, kam der Sohn des Toro mit Koana. Der Sohn des Toro fragte: "Nun sagt mir euern Streit!" Koana sagte: "Aromo hat mir eine Seite der Farm genommen." Der Sohn des Toro fragte Aromo: "Was sagst du hierzu?" Aromo sagte: "Frage doch nun Koana, wer den Weg getreten hat, auf dem du vom Ort hier heraufgekommen bist und der zwischen Koanas und meiner Farm ist." Der Sohn des Toro sagte zu Koana: "Wer hat diesen Weg getreten?" Koana sagte: "Den hat Aromo getreten." Aromo sagte zum Toro: "Frage doch nun noch Koana, wo ist der Weg, den er benutzt hat, als er die Farm bestellte, die nicht mir gehören soll!" Der Sohn des Toro fragte Koana: "Wo ist dein Weg zu dieser Farm?" Koana sagte: "Ich habe keinen Weg." Der Sohn des Toro sagte: "Dann mach, daß du wegkommst! Beschimpfe nicht andere Leute!" Koana flog von dannen.
Aromo sagte zum Sohn des Toro: "Darf ich dir diesen Haufen Korn schenken ?" Er führte den Sohn des Toro zu dem Haufen, der schlecht war, auf dem aber oben die guten Ähren lagen. Der Sohn des Toro nahm das Korn. Aromo nahm sein Korn, das gut war, auf dem aber oben die schlechten Ähren lagen. Beide machten sich mit dem Korn auf den Rückweg. Auf dem Rückweg ging der Sohn des Toro voran, Aromo ging hinter ihm. Nach einiger Zeit nahm
Aromo einen dicken Knüppel und schlug so hinter dem Sohn des Toro. Der Sohn des Toro fiel hin. Aromo erschrak aber selbst und lief so schnell er konnte fort. Er ließ sein Korn da. Der Sohn des Toro war aber nicht tot. Nach einiger Zeit stand er auf und ging mit seinem und mit Aromos Korn nach Hause.
II. Teil
Koana kam nach Hause. Koana sagte: "Aromo hat mich betrogen. Wenn ich Aromo wieder sehe, werde ich ihn töten! Wir wollen sehen, ob Aromo es noch einmal wagt, in mein Haus zu kommen!" Die Leute hörten das. Die Leute sagten zu Aromo: "Koana sagt, er wolle dich umbringen, wenn du wieder in sein Haus kämst. Koana sagt, er wolle es abwarten, ob du es wagtest, noch einmal in sein Haus zu kommen." Aromo sagte: "Sagt Koana, ich käme in den nächsten Tagen in sein Haus, dann werde ich ja sehen, ob er so klug ist, daß er mich töten kann." Die Leute gingen zu Koana und sagten: "Aromo wird in den nächsten Tagen in dein Haus kommen. Aromo will dann sehen, ob du so klug bist, daß du ihn töten kannst." Koana sagte: "Ich werde ihn töten, wenn er in mein Haus kommt!"
Aromo sagte zu seiner Frau: "Bringe mir einen Topf!" Aromo stieg in den Topf und sagte zu seiner Frau: "Nun schütte Erdnüsse über mich, daß der Topf voll ist. Wenn der Topf mit Erdnüssen aufgefüllt ist, nimm ihn auf den Kopf und trage ihn hinüber zu Koana. Sage Koana, er solle mir diese Erdnüsse aufheben. Es sei die Saat für das nächste Jahr!" Aromos Frau sagte: "So werde ich es machen."
Die Frau Aromos nahm den Topf und trug ihn hinüber in Koanas Haus. Sie sagte: "Diese Erdnüsse sendet Aromo, mein Mann. Er bittet dich, sie aufzuheben, es sei die Saat für das nächste Jahr." Koana sagte: "Setze den Topf dort hin!" Die Frau Aromos setzte den Topf hin und ging. Koana ging vor dem Topf auf und ab und sagte: "Wie mache ich es nur, daß ich Aromo töte! Wie mache ich es nur, daß ich Aromo töte! Wenn ich Aromo im Hause hätte, würde ich ihn töten! Wie mache ich es, daß ich Aromo töte!"
Am andern Tage kam die Frau Aromos und sagte: "Ich soll heute den Topf wieder abholen. Wir haben nun einen guten Platz, wo wir die Erdnüsse hinstellen können." Koana sagte: "Nimm eure Erdnüsse!" Frau Aromo nahm den Topf, in dem Aromo und die Erdnüsse waren, und trug ihn wieder nach Hause.
Als Aromos Frau zu Hause war, setzte sie den Topf nieder. Sie nahm die Erdnüsse weg. Aromo kam wieder heraus. Aromo rief andere Leute herbei und sagte: "Sagt Koana, daß ich einen Tag und eine Nacht bei ihm im Hause war, ohne daß er mich getötet hat." Die Leute sagten: "Wie hast du das gemacht?" Aromo sagte: "Das will ich euch sagen. Ihr dürft es ihm aber nicht wiedersagen. Ich war in einem Topf mit Erdnüssen, den meine Frau an einem Tag zu ihm brachte und am andern wieder abholte. Ihr dürft das aber Koana nicht wiedersagen!" Die Leute sagten: "Wir wollen es ihm nicht wiedersagen!" Aromo sagte: "Sagt ihm aber, ob er es auch wagt, in mein Haus zu kommen, nachdem er mich beschimpft hat." Die Leute sagten: "Das wollen wir Koana sagen." Die Leute gingen.
Die Leute sagten zu Koana: "Aromo läßt dir sagen, daß er einen Tag und eine Nacht bei dir gewesen ist, ohne daß du ihn getötet hast!" Koana sagte: "Das ist gelogen! Das ist gelogen!" Die Leute sagten: "Nein, es ist wahr!" Koana sagte: "Es ist gelogen. Wie wollt ihr das wissen?" Die Leute sagten: "Hat Frau Aromo einen Topf mit Erdnüssen zu dir gebracht und am andern Tage wieder abgeholt?" Koana sagte: "Ja, das ist geschehen." Die Leute sagten: "Dann ist Aromo einen Tag und eine Nacht bei dir gewesen." Koana sagte: "Ich werde Aromo aber doch noch töten." Die Leute sagten: "Aromo sagt, er wolle nun sehen, ob du nun, nachdem du ihn beleidigt hast, es auch noch wagen wirst, in sein Haus zu kommen!" Koana sagte: "Sagt nur Aromo, daß ich morgen in seinem Haus sein werde."Die Leute sagten: "Wir werden es sagen." Die Leute gingen zu Aromo und sagten: "Koana läßt dir sagen, er würde morgen in deinem Haus sein." Aromo sagte: "Ich warte auf ihn." Die Leute gingen.
Als die Leute von Koana weggegangen waren, sagte Koana zu seiner Frau: "Ich bin so klug, daß ich sehe, wie Aromo mich betrogen hat. Aromo war in dem Topf mit den Erdnüssen. Was Aromo kann, kann ich auch. Bringe mir also einen Topf!" Die Frau Koanas brachte ihrem Mann einen Topf. Der Mann setzte sich hinein. Koana sagte zu seiner Frau: "Nun schütte Sorghum über mich und dann bringe den Topf zu Aromo und sage ihm, er solle ihn aufheben, ich würde morgen selbst zu Aromo kommen." Die Frau schüttete viel Sorghum über ihren Mann, so daß der Topf bis oben voll war. Dann nahm sie ihn und brachte ihn hinüber zu Aromo.
Die Frau Koanas kam zu Aromo, setzte den Topf dort nieder und sagte: "Diesen Topf mit Sorghum schickt mein Mann. Er sagt, er würde morgen selbst herkommen." Aromo sagte: "Es ist gut." Die Frau Koanas ging. Als Koanas Frau gegangen war, sagte Aroma zu seiner Frau: "Meine Frau, ich habe Hunger. Nimm den Topf mit Sorghum, den uns Koana geschickt hat, setze ihn so, wie er ist, auf das Feuer und bereite mir ein Gericht!" Die Frau Aromas sagte: "Das werde ich tun." Die Frau setzte den Topf Koanas auf das Feuer. Sie kochte den Sorghum. Sie brachte das Gericht ihrem Manne.
Aromo sagte: "Nun werden wir sehen, ob das Korn von der Farm Koanas anders schmeckt als das unserer eigenen." Aroma begann zu essen. Aroma sagte: "Das Korn Koanas ist fetter als das unsere." Aroma aß weiter. Er fand unten den toten Koana. Aroma sagte: "Es ist häßlich, daß Koanas Hühner sich mit Federn in das Essen legen. Rupfe die Federn und wirf sie draußen auf den Weg!" Die Frau Aromos nahm den toten Koana, rupfte ihn und warf die Federn draußen in den Weg. Danach aßen Aromo und seine Frau Koana auf.
Am andern Tag kam die Frau Koanas zu Aromo. Als sie nahe bei Aromos Haus war, sah sie die Federn im Wege. Die Frau sagte: "Sind das nicht meines Mannes Federn? Aber nein! Mein Mann ist ja im Topfe bei Aromo." Die Frau Koanas kam zu Aroma und sagte: "Mein Mann schickt mich, ich solle den Topf mit dem Sorghum wieder abholen." Aromo sagte: "Frau Koana, du lügst schlecht. Denn ich habe deinen Mann gestern abend aufgegessen!"
Die Frau Koanas lief weg. Sie lief zu allen ihren Brüdern und Schwestern und schrie: "Aroma hat meinen Mann getötet!" Alle Koana bekamen Furcht und liefen schnell weg, um sich im Busch zu verstecken. Und seitdem leben alle Feldhühner im Busch.
37. Die Familie des Toro der VögelDer Toro (König) der Vögel hatte ein Kind, das war eine Tochter. Das Mädchen war sehr schön. Alle Vögel kamen zu dem Mädchen und sagten: "Laß mich mit dir schlafen." Das Mädchen wies aber alle zurück. Es wollte mit keinem schlafen.
Eines Tages kam auch Apu(n) (Geier; in Haussa =angulu) zu dem Mädchen und sagte: "Laß mich mit dir schlafen." Das Mädchen sagte: "Du bist mir recht!" Der Apu(n) schlief also bei der
Tochter des Toro. Die Tochter des Toro wurde nun schwanger. Und nach einiger Zeit gebar sie einen Vogel, der war sehr schön. Der Toro der Vögel sagte: "Wir müssen wissen, wer der Vater dieses Kindes ist." Der Toro der Vögel rief alle Vögel zusammen. Alle Vögel kamen zusammen. Die Tochter des Toro war mit ihrem schönen Kind in der Mitte. Der Toro der Vögel fragte den jungen schönen Vogel: "Welcher ist dein Vater?" Der junge schöne Vogel sah im Kreise umher. Er fand den Vater nicht im Kreise, denn Apu(n) hatte sich ein wenig seitwärts hingestellt. Der junge, schöne Vogel sah weiter um sich. Er sah Apu(n). Er ging auf Apu(n) zu und sagte: "Das ist mein Vater." Er zog ihn zu dem Toro der Vögel hin und sagte: "Das ist mein Vater!"Darauf bereitete der Toro der Vögel allen Vögeln viel Bier und Essen. Alle Vögel gingen damit hinaus auf die Farm des jungen schönen Vogels. Sie ließen sich da unter einem großen, großen Baume nieder und begannen zu essen und zu trinken. Die Vögel hatten aber noch nicht so recht angefangen, als der Sohn des Toro unversehens von oben herunterkam. Er ließ sich zwischen den Leuten nieder und sagte: "Wenn ihr mir nicht meinen Namen nennen könnt, nehme ich alles Essen und alles Bier mit mir. Wenn ihr ihn mir sagt, muß ich sterben." Aromo sprang hervor und sagte: "Dein Name ist ,Springeherab'!" Der Sohn des Toro sagte: "Das ist nicht richtig. Nun ist alle Speise und Trank mein." Darauf nahm der Sohn des Toro alle Speise und allen Trank und flog damit auf den Baum.
Die Vögel bereiteten sich neue Speise und neues Bier und setzten sich alle wieder hin, um zu essen und zu trinken. Die Vögel hatten aber noch nicht so recht damit angefangen, als der Sohn des Toro unversehens von oben herunterkam. Er ließ sich zwischen den Leuten nieder und sagte: "Wenn ihr mir nicht meinen Namen nennen könnt, nehme ich alles Essen und alles Bier mit mir. Wenn ihr ihn mir sagt, muß ich sterben." Der Sohn des Toro wartete, ob jemand etwas sagen könne. Währenddessen steckte Aromo dem Sohne des Toro heimlich seinen kleinen Sohn, den Aba Uschu, in die Federn. Als niemand etwas sagte, nahm der Sohn des Toro alle Speise und allen Trank und flog damit auf seinen Baum. Er nahm aber, ohne daß er es wußte, den Sohn Aromos mit sich hinauf.
Als der Sohn des Toro in das Nest auf dem Baume kam, hörte Aromos Sohn, wie die andern Vögel zu dem Zurückgekommenen sagten: "Gehst du noch einmal hinunter, Nawaka?" Aba Uschu
hörte das. Aba Uschu sprang vom Baum herab. Aba Uschu lief zu Aromo und sagte: "Mein Vater, der Sohn des Toro heißt Nawaka!" Aromo sagte: "Es ist gut."Die Vögel bereiteten zum drittenmal Speise und Bier. Sie schlachteten einen Ochsen und kochten ihn. Als sie damit fertig waren, setzten sie sich alle wieder zum Essen und Trinken hin. Die Vögel hatten aber noch nicht so recht damit angefangen, als der Sohn des Toro unversehens von oben herunter kam. Er ließ sich zwischen den Leuten nieder und sagte: "Wenn ihr mir nicht meinen Namen nennen könnt, nehme ich euch alles Essen und alles Bier. Wenn ihr aber meinen Namen sagen könnt, dann muß ich sterben." Aromo rief: "Ich weiß deinen Namen!" Alle sahen zu Aromo. Aromo sagte: "Dein Name ist Nawaka." Der Sohn des Toro sagte: "Dann kann ich euch die Speise und das Bier nicht nehmen." Nawaka flog wieder zum Baume empor. Ehe er aber noch auf dem Baume angekommen war, starb er und fiel tot zur Erde.
Alle Vögel und alle Tiere tranken von seinem Blute. Seitdem haben alle Tiere Blut.
38. Der Ziegenbock entgeht den wilden TierenAromo baute im Busch ein Haus. Er baute die Mauer. Er hatte das Dach noch nicht gebaut. Dann kam Anjama und baute das Dach für das Haus. Es kam Regen. Als der Regen fiel, kam Anjama (Leopard) angelaufen und trat in das Haus. Dann kam Dueme (Hyäne) und trat in das Haus. Dann kam Gbaga (der Löwe) und trat in das Haus. Dann kam Gwebe, der Ziegenbock, und trat in das Haus. Aromo war aber schon vor dem im Hause.
Es kamen also zusammen Aromo, Anjama, Dueme, Gbaga und Gwebe.
Gwebe hatte eine Kalebasse (Schjege) mit sich, darin war Honig (Jjogo). Dueme sagte zu den andern: "Wir wollen Gwebe töten." Dueme sprang auf Gwebe und packte ihn. Gbaga fragte Gwebe: "Was hast du denn da in deiner Kalebasse?" Gwebe sagte: "Das ist eine sehr gute und besondere Medizin" (Tschu). Gbaga sagte: "Gib mir davon!" Gwebe sagte: "Um die Medizin recht zumachen, brauche ich Fell. Wo soll ich hier aber das Fell hernehmen, das ich dazu gebrauche?" Gbaga sagte zu Gwebe: "Nimm von dem Fell Duemes!"Gbaga sagte zu Dueme: "Gib mir von deiner Haut, damit ich meine Medizin machen kann!" Dueme sagte: "Wo soll
ich denn in der Eile Fell herbekommen ?"Gbaga sagte: "So schneide das von deinem Fell ab!" Dueme sagte: "Ich lebe noch und bin noch nicht gestorben; da will man schon von meinem Fell haben!" Gbaga sagte: "Schneide!" Dueme schnitt also ein Stück Fell von seinem Arm ab und gab es Gbaga. Gbaga gab es Gwebe. Gwebe öffnete seine Kalebasse. Gwebe tauchte das Fell hinein, zog es wieder heraus und gab es Gbaga. Gwebe sagte dabei zu Gbaga: "Lecke das Fell nur ab, schlucke es nicht hinunter; es ist zu hart! Gib es mir nachher wieder, damit ich es noch einmal eintauchen und geben kann!"Gbaga nahm das Fellstück. Gbaga leckte daran. Der Honiggeschmack war Gbaga so angenehm, daß er gierig das Fellstück hinunterschluckte. Als Gwebe gesehen hatte, daß Gbaga das Fellstück hinuntergeschluckt hatte, sagte er: "Gib mir nun das Fellstück Duemes wieder! Ich will es noch einmal mit Medizin füllen."Gbaga sagte: "Ich habe das Fellstück schon mit heruntergeschluckt! Dueme gibt schon ein neues Stück Fell!"
Als Gbaga das sagte, bekam Dueme einen Schreck. Er sprang auf und aus dem Hause heraus. Er rannte von dannen. Alle anderen Tiere sprangen auch auf und liefen hinter Dueme her. So hatten sie alle das Haus verlassen und Gwebe blieb allein zurück. Gwebe ging dann auch hinaus und seiner Wege.
39. Tauziehen (Nilpferd, Elefant)Norongere (besser noch: n(u)orongere, das Nilpferd; in Haussa =dorina; in Nupe =kankurru; in Joruba =erimido) lebte am Wasser. Norongere machte sich sein Essen am Flusse zurecht und kochte. Bagu (der Husarenaffe; in Haussa =djambiri) kam dazu. Bagu sagte: "Du hast da viel Essen; ich bitte dich, gib mir etwas Essen ab!"Norongere hatte schon gegessen. Er machte für Bagu neues Essen. Er gab Bagu viel Essen und Bagu aß. Dann nahm Norongere ein gutes Bündel Sorghum (uwa; in Haussa=dauwa; in Joruba=okka; in Nupe =eji). Bagu sagte zu Norongere: "Ich sehe jeden Tag Noro (den Elefant), Noro sagt jeden Tag: ,Ich Norongere essen!" Dann ging Bagu weg.
Bagu ging darauf zu Noro und sagte: "Ich komme soeben von Norongere. Norongere sagte: ,Wenn ich den Noro sehe, werde ich ihn töten und aufessen!"Noro sagte zu Bagu: "Gehe zurück zu Norongere und sage ihm, wir wollten sehen, wer von uns beiden der
Stärkere ist. Hier ist ein starker Strick. Norongere soll das eine Ende um den Hals nehmen. Ich werde am andern ziehen, dann werden wir sehen, wer stärker ist."Bagu nahm das eine Ende des starken Strickes. Er ging am andern Tage zum Fluß hinab. Er traf Norongere. Er sagte zu Norongere: "Ich sagte dir schon, daß Noro Schlechtes mit dir vorhat. Noro sagte mir gestern: ,Geh zu Norongere und sage ihm, wir wollten sehen, wer von uns beiden der Stärkere ist. Hier ist ein starker Strick. Norongere soll das eine Ende um den Hals nehmen. Ich werde am andern Ende ziehen. Dann werden wir sehen, wer stärker ist. Ich habe nun dieses Ende des Strickes, das du um den Hals legen sollst, mitgebracht. Hier ist es!"
Norongere nahm das Ende des Strickes. Er sagte: "Es ist mir recht. Ich werde es um den Hals nehmen. Gehe zurück zu Noro und sage ihm, er soll anfangen zu ziehen."Bagu lief hierauf zu Noro und sagte: "Norongere hat das Ende des Strickes um den Hals gelegt. Er läßt dir sagen, du sollst anfangen zuziehen!"Noro fing an zu ziehen. Bagu lief so schnell er konnte davon in den Busch. Noro und Norongere zogen nun jeder an einer Seite am Strick. Bald war Noro nahe dem Wasser, bald war Norongere nahe dem Ufer. Sie zogen hin und her. Guru (das Stachelschwein; in Haussa murtscha; in Nupe =tunkudji; in Joruba =ore) hatte gesehen und gehört, was Bagu zu Noro und was er zu Norongere gesagt hatte. Guru lief zu Noro und sagte: "Laß diesen Streit! Bagu hat dich belogen! Norongere hat dich gar nicht beschimpft. Ich habe alles gehört! Laß diesen Streit!" Guru lief dann zu Norongere und sagte: "Laß diesen Streit! Bagu hat dich belogen. Noro hat dich gar nicht beschimpft. Ich habe alles gehört! Laß diesen Streit! Wir wollen den Strick in der Mitte durchschneiden."
Guru ging hin und schnitt den Strick in der Mitte durch. Noro und Norongere kamen nun in der Mitte zusammen. Noro sagte zu Norongere: "Hast du mich nicht beschimpft?" Norongere sagte: "Ich habe dich nicht beschimpft. Bagu hat mir gesagt, du habest mich beschimpft!" Noro sagte: "Bagu hat gelogen. Wenn wir Bagu treffen, wollen wir ihn töten!"Norongere lief am Wasser hin und suchte Bagu, um ihn zu töten. Noro lief in den Busch und suchte Bagu, um ihn zu töten.
Bagu lief weit weg. Bagu kam an einen Platz, an dem eine Eho (Antilope) gestorben war. Das Fleisch der Eho war in der Sonne verfault. Das Fell der Eho lag über den Knochen und war von der
Sonne ausgetrocknet. Die Antilope war innen eine Höhle. Bagu sah die hohle Antilope. Bagu kroch in die hohle Antilope hinein. Bagu wartete in der Antilope.Nach einiger Zeit kam Noro. Noro lief durch den Busch, um Bagu zu suchen. Noro sah die Eho. Noro wollte an der Eho vorüberlaufen. Bagu sprach aber aus dem Fell der Eho Noro an. Bagu sagte: "Wo läufst du denn so schnell hin, mein Noro ?" Noro blieb stehen. Noro sagte: "Ich suche Bagu. Ich will Bagu töten! Was ist denn aber mit dir, meine Eho ?"Bagu sprach aus der Eho: "Was mit mir ist? Bagu sprach mit mir. Seitdem bin ich krank. Ich werde sterben." Noro fragte: "Was kann man mit diesem Bagu machen?" Bagu sagte aus dem Fell der Eho: "Man kann mit Bagu nichts machen. Laß ihn laufen! Er ist uns allen überlegen. Kehre also zurück!" Als Noro das hörte, ging er zurück und seitdem verfolgt er Bagu nicht mehr.
40. Zerstörte Freundschaft der Arbeits- und EßgenossenKullu (die Schildkröte) und Huere (die Varanus; in Haussa Domu; in Nupe Ebo; in Joruba = Aglinti) machten jeder eine Farm. Kullu machte eine Farm und Huere machte eine Farm. Kullu und Huere waren beide befreundet. Einen Tag arbeiteten sie auf Kullus Farm, am andern arbeiteten sie auf Hueres Farm.
Hiwe (eine große, schwarze, rötlich punktierte Varanusart, die in Termitenhaufen wohnt und ganz außerordentlich stark mit dem Schwanz um sich schlagen soll; in Haussa = gusa; in Ewe = ewe; in Nupe =ebo; in Joruba ale[g]ba) lebte in der Nähe. Hiwe hatte auch eine Farm. Kullu und Huere machten mit Hiwe Freundschaft. Nun waren Kullu und Huere und Hiwe miteinander befreundet.
Den ersten Tag arbeiteten sie nun auf Kullus Farm. Sie kamen auf Kullus Farm zusammen. Kullu sagte zu seiner Frau: "Siehst du, daß meine Freunde heute gekommen sind, um mir bei der Arbeit auf meiner Farm zu helfen? Nun gut! Dann mache ein recht gutes Essen und stelle es dort neben die Lehmbank." Kullus Frau machte ein gutes Essen. Kullu, Huere und Hiwe arbeiteten den Tag über auf Kullus Farm. Als es Abend wurde, brachte die Frau Kullus ein gutes Essen und stellte es neben die Lehmbank. Kullu, Huere und Hiwe aßen; alle drei aßen sich satt. Dann ging jeder nach Hause.
Am andern Tage arbeiteten sie nun auf Hueres Farm. Sie kamen
auf Hueres Farm zusammen. Huere sagte zu seiner Frau: "Siehst du, daß meine Freunde heute gekommen sind, um mir bei der Arbeit auf meiner Farm zu helfen? Nun gut! Dann mache ein recht gutes Essen und stelle es dort oben auf die Lehmbank." Hueres Frau machte ein gutes Essen. Kullu, Huere und Hiwe arbeiteten den Tag über auf Hueres Farm. Als es Abend wurde, brachte die Frau Hueres ein gutes Essen und stellte es oben auf die Lehmbank.Kullu sagte: "Stelle das Essen nicht oben auf die Lehmbank. Stelle es unten hin, damit ich auch etwas erlangen kann." Huere sagte: "Du bist hier nicht Herr! Ich lasse das Essen hinstellen, wo es immer steht!" Hiwe sagte: "Stellt das Essen hin, wohin ihr wollt. Ich komme überall hin!" Huere ließ das Essen oben stehen. Huere und Hiwe setzten sich auf die Lehmbank und begannen zu essen.
Kullu suchte auf die Lehmbank hinaufzusteigen. Als sie sich ein wenig aufgerichtet hatte, fiel sie wieder um. Kullu versuchte nochmals, auf die Lehmbank zu steigen. Als sie sich aber wieder aufgerichtet hatte, fiel sie wieder um. Kullu ging endlich weg, ohne etwas von dem Essen erhalten zu haben.
Kullu rief darauf alle Leute zusammen. Kullu sagte zu den Leuten: "Erst war Huere zur Arbeit bei mir. Huere bekam ein gutes Essen. Er wurde satt und ging nach Hause. Dann war ich bei Huere zur Arbeit. Huere stellte das Essen so, daß ich es nicht erreichen konnte. Ich mußte, ohne gegessen zu haben, nach Hause gehen. Nun entscheidet ihr die Sache, wie es Freunde miteinander machen sollen und ob Huere recht gehandelt hat!" Die Leute sagten: "Huere hat nicht recht gehandelt. Aber Kullu hat das rechte Wort gesprochen."
Kullu, Huere und Hiwe machten Streit miteinander. So kam es, daß keiner mehr zum andern kam, um ihm zu helfen, sein Farmland zu bebauen.
41. Katze (hier Zibetkatze) fängt RattenTschongo (entspricht der Msuru-njuguda der Haussa; ist eine Zibetkatze oder Schakalart; soll viele Bananen fressen; hat am Schwanz Drüsen; ein Fell wie Hyänen) wollte einmal viele Chebe (=Ratten) speisen. Tschongo paßte auf, wo viele Ratten umherliefen. Dann legte sie sich an dem Wege, auf dem die Ratten hinzulaufen pflegten, nieder. Tschongo tat so, als ob sie tot sei.
Nach einiger Zeit kam eine kleine Chebe. Sie sah Tschongo. Sie sagte: "Was ist das? Liegt da nicht Tschongo am Wege? Liegt Tschongo nicht da, als ob sie gestorben sei? Ich will einmal mein Ohr an ihren Mund legen!"Die kleine Chebe kam heran. Sie legte ihr eines Ohr an ihre Nase, danach legte sie ihr anderes Ohr an ihre Nase. Sie sagte: "Ich kann nichts hören. Tschongo muß gestorben sein!"
Die kleine Chebe lief zum Jru (die Telegraphentrommel der Muntschi; heißt bei den Jukum Asungu). Die kleine Chebe trommelt: "Alle Chebe sollen zusammenkommen. Tschongo ist gestorben. Tschongo liegt tot am Wege."Alle Chebe kamen darauf zusammen und fragten: "Ist Tschongo wirklich gestorben? Ist Tschongo wirklich gestorben ?"Alle Chebe kamen. Nur die Tschujiewe (in Haussa =Tjaba; in Joruba =Assirre; in Nupe =Eschiko; eine kleine, schwarze Mäuse- oder Rattenart, die in alten Häusern wohnt, die eine spitze lange Schnauze und den besten Geruch von allen Mäusearten hat) wollte nicht. Zwischen den andern Chebe und ihr war ein Fluß. Sie blies ein Signal für alle Ratten. Sie sang auf ihrem Horn: "Die Sache, die ihr Chebe auf der andern Seite des Flusses gefunden habt, ist nicht tot. Das Ding ist viel zu klug! Also bleibt von der Sache weg. Das Ding will euch nur alle miteinander fangen und fressen!" Nach einiger Zeit blies Tschujiewe wieder: "Wenn ihr andern Chebe noch nicht gefressen seid, so seht nach, ob das Ding tot ist oder lebt. Seht ihm in die Augen und gebt mir dann Antwort. Ich will mich aber nicht darum kümmern. Ich will weggehen. Das ganze ist eure Sache."
Die andern Chebe hörten nicht auf die Tschujiewe. Die andern Chebe liefen zu Tschongo. Die Chebe spielten um Tschongo herum. Sie sprangen über Tschongo hin und sprangen über Tschongo her. Sie drängten sich um Tschongo herum. Tschongo sprang auf. Tschongo faßte viele und biß sie tot. Sie sprang hinter den andern her und biß sie tot. Nur eine von 'allen Chebe blieb übrig. Die übriggebliebene Chebe gebar dann alle Chebe, die heute noch leben. Alle Chebe stammen von der einen Ratte ab.
42. Leuchtkäfer und Hahn stehlen im Hause der Blinden |
Niemand hatte Essen. Es gab nirgends etwas zu essen. Es war großer Hunger im Lande; und auch wer viel Geld anwendete, konnte nichts kaufen. Niemand hatte für sich selbst genug zu essen.
Nur die Oripirischi hatten Essen (Oripirischi sind Blinde; in Haussa =makapho; in Nupe = ebon-tschin; in Joruba = affo-dji). Die Oripirischi waren zehn. Sie wohnten zusammen in einem Hause; in dem bereiteten sie sich an jedem Abend Essen.Alle Tiere hatten kein Essen. Momoe (Leuchtkäfer; in Haussa = gwaro; in Nupe =kunkona; in Joruba =mumuna) flog umher, um Essen zu suchen. Momoe flog in das Haus der Oripirischi. Momoe kam gerade herein, als die Oripirischi ihr Essen bereiteten. Die Oripirischi kochten. Momoe sagte: "Das ist ein guter Platz. Ich komme gerade zurecht." Momoe wartete, bis das Essen vom Feuer genommen wurde. Die Oripirischi setzten sich herum. Die Oripirischi griffen in das Essen. Momoe griff mit in das Essen. Die Oripirischi konnten nichts sehen. Momoe nahm ein Bällchen nach dem andern aus dem Topf. Die Oripirischi merkten nichts. Momoe tat ein Bällchen zum andern. Zuletzt hatte er einen ganz großen Ballen Essen aus dem Topfe genommen. Die Oripirischi hatten aber nichts gemerkt.
Momoe nahm seinen Ballen. Es flog damit heim. Es rief seine Leute zusammen und sagte: "Ich habe für uns genug Essen mitgebracht." Alle Leute setzten sich zum Essen nieder. Alle Leute Momoes wurden satt. Die Leute waren lange nicht satt geworden. Die Leute Momoes holten also eine Trommel und begannen zu trommeln und zu tanzen. Sie tanzten die ganze Nacht hindurch.
Nonkere (der Hahn) hörte das Trommeln und Singen und Tanzen. Nonkere sagte: "Was ist das bei Momoe! Bei Momoe trommeln und singen und tanzen sie die ganze Nacht hindurch. Sicher haben sie bei Momoe heute nacht Essen gehabt und sind einmal wieder satt geworden, während wir nichts zu essen haben. Ich muß mich einmal danach umsehen."Nonkere ging aus seinem Hause.
Nonkere kam herüber zu Momoe. Nonkere grüßte Momoe. Nonkere sagte zu Momoe: "Ihr trommelt und singt und tanzt heute." Momoe sagte: "So ist es." Nonkere sagte: "Dann habt ihr wohl heute zu essen gehabt und seid satt geworden?"Momoe sagte: "Ja, so ist es!" Nonkere sagte: "Wo habt ihr denn das Essen alles herbekommen?" Momoe sagte: "Die Oripirischi haben es uns gekocht." Nonkere sagte: "Dann werden die Oripirischi wohl wieder für euch kochen?" Momoe sagte: "Ja, die Oripirischi werden wieder für uns kochen, und ich werde dann wieder hingehen und unser Essen abholen."
Nonkere sagte: "Wenn du wieder hingehst zu den Oripirischi, um
dein Essen abzuholen, dann laß mich es wissen. Ich möchte die Oripirischi auch einmal kennen lernen." Momoe sagte: "Ich würde dir den Gefallen sehr gerne tun. Ich kann dich aber wirklich nicht mitnehmen. Denn wenn es Morgen wird, krähst du immer und die Oripirischi können das Krähen der Hähne nicht hören. Die Oripirischi werden mein Essen aber kaum vor Morgen fertig haben, und deshalb muß ich so lange warten. Es tut mir also leid, daß ich dich nicht zu den Oripirischi mitnehmen kann. Ich will dir aber ein wenig Essen von den Oripirischi mitbringen."Nonkere sagte: "Nimm mich mit; ich bitte dich! Laß mich nicht hier; ich bitte dich! Ich will auch nicht krähen; ich verspreche es!" Momoe sagte: "Du mußt mir versprechen, daß du nicht krähst." Nonkere sagte: "Ich verspreche, daß ich nicht krähe. Ich sage es noch einmal." Momoe sagte: "Dann werde ich dich mitnehmen."Momoe machte sich am Tage auf den Weg und ging mit Nonkere fort. Sie gingen auf das Haus der Oripirischi zu. Die kamen an das Haus der Oripirischi. Sie gingen hinein. Nonkere wollte krähen. Momoe packte Nonkere aber schnell am Hals und hielt ihm die Kehle zu, so daß er nicht krähen konnte. Nonkere sagte (stöhnend): "Laß mich los, laß mich los!" Momoe sagte: "Ich will dich loslassen, fliege aber sogleich in die Dachspitze hinauf; krähe nicht! Ich werde dir das Essen schon heraufreichen!"Nonkere flog hinauf.
Die Oripirischi holten ihren Topf herbei. Die Oripirischi machten Feuer. Die Oripirischi setzten Feuer auf. Die Oripirischi begannen das Essen zu kochen. Als das Essen fertig gekocht war, nahmen die Oripirischi den Topf vom Wasser. Die Oripirischi setzten sich herum. Sie griffen in das Essen. Momoe griff auch in das Essen. Die Oripirischi konnten nichts sehen. Momeo nahm ein wenig, legte es als seines beiseite. Dann nahm Momoe wieder und reichte es diesmal Nonkere hinauf. Nonkere aß das seine. Die Oripirischi konnten nichts sehen. Momoe nahm ein Bällchen nach dem andern aus dem Topf. Das seine legte er zum übrigen. Das andere reichte er Nonkere hinauf. Nonkere aß seines. Zuletzt hatte Momoe einen ganz großen Ballen für sich aus dem Topf genommen. Die Oripirischi hatten nichts gesehen.
Als der Topf leer war, nahm Momoe seinen Ballen Essen und sagte leise zu Nonkere: "Nun komm!" Nonkere aber krähte laut und sagte: "Nein, ich komme nicht. Ich bin noch nicht fertig!"Sogleich flog Momoe mit seinem Speiseballen zur Tür hinaus. Die
Oripirischi sagten: "Macht schnell die Tür zu! Es ist ein Dieb im Hause." Die Oripirischi schlossen die Türe. Dann nahmen sie Stöcke und warfen sie zu Nonkere hinauf.Die Oripirischi trafen Nonkere. Nonkere fiel herab. Die Oripirischi fingen ihn auf legten ihn in Eisenfesseln (Ibe; in Haussa = man; in Joruba tscheke-tscheke; in Nupe =kuru). Die Oripirischi sagten zu Nonkere: "Deine Leute sollen gut für dich bezahlen!"
Momoe war nach Hause gekommen. Er ging in das Gehöft Nonkeres und sagte: "Nonkere hat bei den Oripirischi gestohlen, und da haben sie ihn gefangen." Dann ging Momoe mit seinem Ballen Speise nach Hause, und verzehrte ihn mit seinen Leuten. Die Leute Nonkeres sandten aber zwei Kühe zu den Oripirischi und ließen ihnen sagen: "Wir wollen euch die zwei Kühe geben, damit ihr Nonkere frei laßt."Nonkere sagte aber: "Ich will nicht, daß ihr zwei Kühe für mich gebt! Laßt das!" Die Leute gingen. Nachher kamen die Leute wieder und brachten viel Geld (njarega; kann jede Sache sein, die mit Geldwert und Geldsinn kursiert, also Münze, Stoff, Metalle. Das 6-Pence-Stück heißt bei den Muntschi sakara, was aus dem Haussawert für Hahn entstanden ist, weil sie sich nämlich daran gewöhnt haben, für einen Hahn 6 Pence zu geben oder zu erhalten) zu den Oripirischi. Die Leute sagten: "Wir wollen euch all das Geld geben, wenn ihr Nonkere frei laßt!"Nonkere sagte aber: "Ich will nicht, daß ihr so viel Geld für mich gebt, laßt das!"
In der nächsten Nacht machten die Oripirischi die Tür ihres Hauses auf. Da schlüpfte Nonkere hinaus. Die Blinden liefen mit Stöcken hinter Nonkere her. Sie suchten überall nach Nonkere. Sie fanden ihn aber nicht.
So wurden die Blinden über das Land verstreut. Früher gab es nur das eine Haus mit den zehn Oripirischi.
43. Der diebische HundDer Toro eines Ortes und alle seine jungen Leute hatten keine Frauen. Nicht einer hatte eine Frau. Der Toro rief eines Tages alle seine Leute zusammen und sagte: "Ich habe Bier gebraut. Kommt, wir wollen alle zusammen das Bier trinken." Alle kamen. Alle tranken von dem Bier. Das Bier war stark. Die Leute sprachen viel. Sie waren betrunken. Als einige gegangen waren, sagten andere: "Kommt, wir wollen uns auf den Weg machen. Wir wollen
heute eine Frau haben." Die andern sagten: "Ja wir wollen heute eine Frau haben!" Alle gingen fort.*Gwebe (der Ziegenbock)hatte aber eine Frau. Mit dieser Frau hatte er ein Kind; das war ein Mädchen. Es war ein sehr schönes Mädchen. Alle Männer kamen zu Gwebe und sagten: "Gib mir deine Tochter zur Frau!"Ejua (der Hund) kam zu Gwebe und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau!" Duome (die Hyäne) kam zu Gwebe und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau!" Bassewe (das Stachelschwein) kam und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau!" Alle Tiere kamen und sagten: "Gib mir deine Tochter zur Frau!"
Eines Tages sagte Ejua und Duome und Bassewe: "Wir wollen heute gemeinsam hingehen und wollen Gwebe sagen, er soll einem von uns dreien seine Tochter zur Frau geben." Die drei sagten: "Ja, so wollen wir es machen." Darauf machten sich die drei auf den Weg und kamen zu Gwebe. Sie sagten zu Gwebe: "Wir alle drei möchten deine Tochter zur Frau haben. Nun wähle einen von uns dreien zu deinem Schwiegersohn. Wem willst du sie geben ?" Gwebe sagte: "Ich will meine Tochter dem Ejua geben." Gwebe gab seine Tochter dem Ejua.
Ejua nahm die Tochter Gwebes. Ejua brachte die Tochter Gwebes nach Haus. Drei Tage später versammelten sich alle Ejua. Die Ejua schlugen die Iru (Holzpauke). Die Ejua spielten drei Tage lang miteinander. Am andern Tage ging Ejua hin und kaufte zwei Stück Rindvieh. Die Ejua töteten die Rinder. Die Ejua schlachteten die Rinder. Ejua nahm zwei Keulen. Dann kaufte Ejua noch zwei Kalebassen mit Salz. Ejua ging mit den beiden Keulen und mit zwei Kalebassen Salz zu Gwebe und schenkte sie ihm.
Ejua hatte die Tochter Gwebes geheiratet. Zwei Monate, nachdem die junge Frau verheiratet war, sagte sie zu Ejua: "Mein Ehemann! Ich möchte fortziehen in den Ort meines Vaters. Ich möchte meine Mutter wiedersehen!" Ejua sagte: "Es ist gut: ich werde mit dir gehen. Ich werde dich in Gwebes Dorf begleiten. Wir werden zusammengehen!" Die Frau Ejuas packte ihre Last. Sie machten sich auf den Weg. Sie kamen zu Gwebe. Ejua begrüßte Gwebe.
Gwebe tötete eine Iquama (= Rind, bei den Haussa = Maria). Gwebe röstete alles Fleisch. Die Frau Ejuas sagte zu ihrem Manne: "Ich will ans Ufer gehen und für meine Mutter Wasser holen." Die junge Frau ging an den Fluß hinab. Sie ging mit ihrer Mutter
Nach einiger Zeit kamen die Frau Gwebes und die Frau Ejuas mit dem Wasser nach Haus. Die Frau Gwebes sah auf den Rost und sagte: "Hier ist Fleisch vom Rost weggenommen worden. Vorher gab es hier noch keinen Dieb. Erst seitdem du mit deinem Manne hierher zurückgekommen bist, erst seitdem dein Mann mit hier ist, wird hier Fleisch gestohlen." Die Frau Ejuas weinte. Die junge Frau weinte, weil ihre Mutter ihren Mann einen Dieb genannt hatte. Die junge Frau sagte: "Mein Mann stiehlt nicht! Mein Mann stiehlt nicht!"
Die Frau Gwebes ging aber aus dem Haus. Die Frau ging zu einem Ssoso (Orakelmann, Wahrsager) und sagte: "In meinem Haus ist heute Fleisch gestohlen worden. Kannst du mir den Dieb nennen ?" Der Ssoso warf seine Schnüre. Der Ssoso betrachtete seine Schnüre. Der Ssoso sagte: "Das Fleisch hat Ejua gestohlen." Gwebes Frau ging heim. Gwebes Frau kam zu ihrer Tochter und sagte: "Sagte ich dir nicht vorher, daß in unserm Haus erst Fleisch gestohlen ward, seitdem dein Mann hier ist? Ich war soeben bei Ssoso. Der Ssoso sagte: ,Ejua hat das Fleisch gestohlen!" Die junge Frau Ejuas sagte: "Es ist nicht wahr! Es ist nicht wahr! Es ist nicht wahr! Mein Mann hat nicht gestohlen! Mein Mann hat nicht gestohlen! Mein Mann hat nicht gestohlen!" Die Frau Ejuas weinte.
Die Mutter der jungen Frau sagte: "Es ist gut!" Darauf ging die Mutter hinweg. Sie ging auf den Markt. Sie kaufte Fleisch. Sie brachte das Fleisch heim. Sie sagte zu ihrer Tochter: "Geht hinüber nach Eurem Hause. Hier habe ich dir Fleisch gekauft. Nimm es mit dir. Bewahre es in eurem Hause auf. Achte auch du darauf, daß niemand außer dir und deinem Manne im Haus aus- und eingeht. Wenn du dann das Fleisch nicht etwa selbst wegnimmst, wenn dann das Fleisch trotzdem gestohlen wird, dann weißt du, daß dein Mann der Dieb ist." Die junge Frau nahm das Fleisch und sagte: "Mein Mann ist kein Dieb." Die junge Frau ging.
Die Frau Ejuas ging in das Haus, das Gwebe ihnen angewiesen hatte. Sie legte das Fleisch in eine Kalebasse. Die Frau Gwebes
sagte: "Niemand darf in das Haus etwa gehen, kein Mann und keine Frau!" Ejua war mit seiner Frau in dem Haus. Nach einiger Zeit sagte die junge Frau zu ihrem Manne: "Ich will zum Fluß gehen und will Wasser holen!" Sie nahm ihren Topf und ging damit von dannen.Als Ejua sah, daß er allein war, ging er zu der Kalebasse, in der das Fleisch lag. Ejua roch an dem Fleisch. Ejua sagte: "Das riecht recht gut. Ich habe außerordentlichen Hunger. Ich muß längere Zeit nichts gegessen haben." Dann nahm Ejua das Fleisch. Ejua stahl das Fleisch, lief hinaus und fraß es.
Nach einiger Zeit kam die junge Frau zurück. Sie blickte in die Kalebasse. Das Fleisch war nicht mehr in der Kalebasse. Nachher fragte die Mutter die Frau Ejuas: "Habt ihr das Fleisch ?"Ejuas Frau sagte: "Das Fleisch ist weggenommen." Die Frau Gwebes sagte: "Siehst du, daß dein Mann der Dieb ist, der dein Fleisch stiehlt?" Die Frau Ejuas sagte: "Mein Mann ist kein Dieb! Mein Mann ist kein Dieb! Mein Mann ist kein Dieb!" Die Frau Ejuas weinte. Sie sagte: "Ich gehe aber heute noch aus dem Hause meiner Mutter!" Die Frau Ejuas packte ihre Sachen. Sie ging noch in der gleichen Nacht mit ihrem Mann von dannen und in den Ort ihres Mannes zurück.
Am andern Tag kaufte die Frau Gwebes ein dickes Stück Fleisch. Sie rief einen Burschen und sagte: "Nimm das Fleisch und bringe es in den Ort, in dem Ejua wohnt. Das Fleisch ist für meine Tochter, die mit Ejua verheiratet ist." Der Bursche sagte: "Ich werde das Fleisch deiner Tochter bringen." Der Bursche lief in Ejuas Ort. Der Bursche ging zu der Frau Ejuas und sagte: "Die Frau Gwebes sendet dieses Fleisch, das für dich ist." Die Frau Ejuas nahm das Fleisch. Sie legte das Fleisch in eine Kalebasse. Der Bote ging zur Frau Gwebes zurück und sagte: "Ich habe das Fleisch deiner Tochter gegeben."
Ejua war in der Farm. Die Frau Ejuas war allein im Orte. Es war niemand sonst da. Einige Zeit, nachdem die junge Frau das Fleisch in die Kalebasse gelegt hatte, nahm sie ihren Topf und ging damit den Fluß hinab. Kurze Zeit, nachdem die junge Frau gegangen war, kam Ejua nach Hause. Er legte seine Hacke hin. Ejua schnupperte in der Luft. Ejua sagte: "Es muß Fleisch im Hause sein." Ejua kam zu der Kalebasse. Ejua sah das Fleisch. Ejua sagte: "Das riecht recht gut. Ich habe außerordentlichen Hunger. Ich muß längere Zeit nichts gegessen haben." Dann nahm Ejua das Fleisch. Ejua stahl das Fleisch. Er lief damit hinaus und fraß es.
Ejuas Frau kam heim. Sie sah Ejuas Hacke. Sie sah, daß Ejua nicht da war. Sie blickte in die Kalebasse. Sie sah, daß das Fleisch nicht mehr in der Kalebasse war. Nach einiger Zeit kam Ejua nach Hause. Seine Frau fragte ihn: "Wo kommst du her?" Ejua sagte: "Ich komme von der Farm." Seine Frau fragte ihn: "Wer hat das Fleisch hier weggenommen?" Ejua sagte: "Ich weiß nichts von Fleisch. Ich komme von der Farm." Die junge Frau sagte: "Meine Mutter sagte, daß du ein Dieb seist. Ich weinte und sagte: Mein Mann ist kein Dieb. Meine Mutter schickte vorhin Fleisch. Ich legte es in die Kalebasse. Ich ging zum Fluß. Wie ich wiederkam, war das Fleisch nicht mehr da. Du kamst. Ich fragte dich, woher du kamst. Du sagtest, daß du von der Farm kämst. Ich fragte dich, wer das Fleisch weggenommen habe. Du sagtest, du wüßtest nichts. Du hast zweimal gelogen. Deine Hacke war hier, ehe du kamst. Du warst also hier, ehe ich vom Wasser zurückkam. Du hast deine Hacke dahin gestellt, wo die Kalebasse mit Fleisch war. Du sagtest nicht, daß du schon hier warst. Also wolltest du etwas anderes nicht sagen. Das andere war, daß du das Fleisch genommen und gefressen hast. Meine Mutter hat Recht. Du bist ein Dieb. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben."
Die junge Frau nahm ihre Sachen. Sie packte alle zusammen. Sie ging weg. Sie ging in Gwebes Ort. Sie ging zu ihrer Mutter und sagte: "Meine Mutter, du hattest recht."