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DIE ATLANTISCHE GÖTTERLEHREHERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS 1926 VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE MIT EINER FARBIGEN TAFEL, 16 KARTEN UND 87 ZEICHNUNGEN IM TEXT ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN VORBEHALTEN /COPY-RIGHT 1926 BY EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA
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Ruinengebiet | Atlantische Großstaaten vor der Entdeckung |
Korbflechterei durch die Frau | Mattenflechterei durch die Frau |
Wenn wir davon absehen, was als typisch afrikanisches Kulturgut bezeichnet werden muß, so erhalten wir eine ganze Reihe von Kulturkomplexen, die sich als Erscheinungen von der Westküste des Kontinents aus in das Innere erstrecken. Sie berühren einander. Und an diesen Grenzen, Berührungs- und Übergangspunkten läßt sich dann der Unterschied, die gegenseitige Beeinflussung, am besten erkennen. Im wesentlichen sind es fünf Kulturen solcher Art, von denen hier vier gerade deshalb so besonders wichtig sind, weil wir durch die archäologische Forschung, durch die Arbeit der späteren Jahre den Sitz an der Küste beobachten konnten. Das sind der Reihe nach: I eine südlich von Sambesi mit der Symbaje-Ruinen-Welt einsetzende Kultur, die wir als süderythräische bezeichnen, 2. eine, die am Roten Meere bei Abessinien eine archäologische Fußbildung hat und die wir die norderythräische nennen, dann 3. die im nordwestlichen Afrika einsetzende und als syrtische bezeichnet wird, und endlich eine vierte, die von Gambia aus bis herauf nach San Paolo di Loanda in den Karten durch archäologische Stützpunkte sich nachweisen läßt. Diese vierte Kultur nennen wir entsprechend ihrer Lage am Atlantischen Ozean die Atlantische Kultur, und ihr wollen wir hier einige Zeilen kartographischer Erläuterung widmen.
Auf den beifolgenden Tafeln wurden 16 Kärtchen wiedergegeben, auf denen die Verbreitung einiger typischer Symptome der Atlantischen Kultur eingetragen ist.
Da haben wir zunächst I das Ruinengebiet. Hier werden die alten Terrakotten, Steinschnitte (Skulpturen), merkwürdige Gräber, bestimmte Perlenarten des Altertums (Glasperlen), Geibgüsse usw. gefunden. Das sind Wege archäologischer Natur.
Ihm schließt sich als 2. Kärtchen die Verbreitungsdarstellung der Atlantischen Großstaaten an, wie sie die ersten Entdecker noch fanden, wie sie die Erzählungen der Alten schildern und wie sie in ihrer eigenartigen Weise konstruiert sind. Die nächsten beiden
Karten 3 und 4 zeigen die merkwürdige Erscheinung, daß nur in diesen Gebieten die Frauen Körbe und Matten besonderer Art flechten, während im Hinterland nach äthiopischem Typ die Männer dies ausführen. Eine der hübschesten Erscheinungen ist die Bedeutung des Atlantischen Bogens (Karte 5). Die merkwürdige Form der Waffe ist dadurch ausgezeichnet, daß die Sehne über die Stirn des Bogens hinwegläuft. Nachfolgend wird gerade auf diese Erscheinung ganz besonders zurückzukommen sein. Unter 6 die Verbreitung der Mundwinkeltätowierung. Ähnlich wie die Schnurrhaare der Katze oder des Leoparden gehen drei Linien Winkel bildend von den Mundwinkeln aus. Die Verbreitung der Gesichtsbecher und Gesichtsurnen, die ja auch in Europa zu einer bestimmten Zeit Einlaß fanden und auf bestimmte Bedeutung hinwiesen, ist im Kartenblättchen 7 wiedergegeben, t 2. 3. 5. 6.I Swastika, Schnitzerei auf Holzdose der Bangongo. (Nach Torday et Yoyce, Les Bushongo) 2. Swastika, Stickerei auf Ledertasche, Salaga. (Nach Schurtz, Urgeschichte der Kultur) 3. Hand auf der Unterseite eines Löffels. Loango (Museum Leiden). 4. Hand auf Untersatz eines sog. "Richtblocks", Benin. (Nach y. Luschan, Altertümer y. Benin) 5. Rosette auf Kupferkästchen, Benin. (Nach Ling-Roth, Great Benin) 6. Rosette auf Holzbank. Bamum, Westafrika. (Nach Meinhof, Afrikan. Märchen)während auf der 8. Darstellung eine sehr merkwürdige Erscheinung verbreitungsgemäß von Interesse ist. Während nämlich sonst in Afrika im allgemeinen die Schlange gewissermaßen Symbol des Todes, des Zerstörens, des Gespenstes ist, geht hier im Westen die Anschauung davon aus, daß dieses Tier phallische Natur besitzt, daß die Frau, wenn sie darauf tritt, schwanger werde, daß sie Urkraft des Seins der Erde bedeute.Noch weiter in die geistigen Zusammenhänge der Weltverbreitung blicken wir mit den nachfolgenden Karten.
Eine eigentümliche Bestattung. Die Leiche wird über einem Leichenfeuer gedörrt. Manchmal tagelang, öfter wochen- und sehr oft (Könige) jahrelang. Dann wird die Leiche mit unendlichen Massen von Stoffen umgeben, in einen Sarg aus Matten oder Holz gelegt und eingegraben (Karte 9).
Eigenartig gegenüber der schlichten Einfachheit afrikanischer Ornamentik im Innern wirkt allerhand reiche Verzierung, unter der drei Symbole besondere Beachtung finden. Die Verwendung der Hand,
Bogen | Mundwinkeltätowierung |
Gesichtsbecher | Phallische Geburtsschlange |
und Vorstellung, wie ernst und würdig das Wachstum der einzelnen Kulturelemente ist, das kann man gerade an der Bedeutung dieser uns so harmlos erscheinenden Symbole erkennen, die erst am Ende einer langen Entwicklung ihre Form und Anwendung gefunden haben. Ein schauerliches Bild für uns: das Orakel aus der Schau der Eingeweide und der Leber eines den Göttern geopferten Menschen! (Karte II.) Kannibalische Menschenfresserei! Menschenopfer entstammen der höchsten Imaginität, die eine längst verflossene Kulturperiode besessen hat. Sie sind weit verbreitet und auf verschiedenen Linien auch in Afrika heimisch geworden. Aber die Berücksichtigung der Eingeweideschau und der Leber beschränkt sich klar und scharf auf den Raum und den Rahmen der Atlantischen Kultur. Nachfolgend ist die Verbreitung des andern Orakels, des sog. Oquelle-Orakels dargestellt. Es ist eine Schnur, die in der Mitte gefaßt wird und an deren | 1. Holzlöffel der Buschong Ibanschi, Kongo. Museum Hamburg. 2. Elfenbeinlöffel aus Etrurien. Antiquarium München. |
Mit der Bedeutung der Zahlen kommen wir aber unwillkürlich zu dem Kartenblättchen 13, auf dem die Verbreitungsweise dargestellt ist, die wir innerlich nicht mehr verstehen. Nach der mythologischen Philologie vergangener Zeiten bergen die Zahlen Geschlechtssinn. Nun ist die allgemeine Verbreitung, die in Afrika großen Raum gefunden hat, die, daß die Drei einen männlichen und die Zwei und die Vier einen weiblichen Sinn haben. Damit wird gerade das Atlantische Element besonders scharf beleuchtet, denn hier ist die Anschauung umgekehrt. Die Vier ist hier männlich, die Drei weiblich, eine Tatsache, die historische Aufklärung direkt erfordert.
Eine große Menge von Mythen ist in Afrika uns erhalten in diesem Westkulturkomplex, so z. B. die Ureimythe (Karte 14). Ebenso die Auffassung, daß die Sonne männlich und der Mond weiblich sei (Karte 15). Das ist sehr eigentümlich. Denn im gesamten Zentralafrika ist der Mond männlich und seine Geliebte ist die Venus.
Endlich gebe ich als letztes Blättchen (Karte 16) die Verbreitung des Wortes "sika" für Gold nach Angaben von Herrn Dr. Bernhard Struck in Dresden, die er mir freundlichst auf meinen Wunsch hin machte. Welche Bedeutung die Verbreitung dieses Wortes hat, werden wir im nachfolgenden sehen.
Für uns, die wir aus der Zeit des Studiums im "Zeitalter des Sonnengottes"kommen, für uns, die wir uns daran gewöhnt hatten, die Gesamtheit der Kulturen der ganzen Erde als eine Einheit, als Flüssigkeit mit bestimmten Strömungen aufzufassen, für uns war es selbstverständlich, zurückzukommen zu der alten Basis, zu dem Bestreben, die vorgeschichtlichen Kulturbestrebungen und Entwicklungsformen aufzufinden. Das will nicht heißen: in irgendeine beliebige Periode hineingreifen, sondern d. h. einen Weg rückwärts zu finden in ihre Gebiete, aus denen die Quellen der Kultur zu den Keimen unserer weitgeschichtlichen Kenntnis flossen oder bis Ägypten und Babylon strömten. Woher kam die Kultur nach dem westlichen Asien und in das Niltal?
Derart gelangte die Forschung in das große Becken der mythologischen
Sarg- und Dörrbestattung | Symbolische Zeichen. Hand, Swastika, Achterrosette |
Orakel aus Menschenopfern | Oquelle-Orakel |
Die Atlantische Kultur ist also ein Sproß der solaren Periode, ein Sproß, der durch Westasien und das Mittelmeer herauf sich bis hierher gefunden und festgesogen hat. Die Atlantische Kultur ist damit eingegliedert im großen und ganzen, so daß es sich jetzt erübrigt, noch im einzelnen die Feinheiten dieser Beziehungen festzustellen. *
Zahlensymbolik Monade 4=Erde 3=Venus | Urei-Mythe |
Sonne Erde Mond Venus | Gold = sika |
Dieser König von Benin leitete sein Geschlecht aus Ufa ab. Schon Ling-Roth stellt Ufa mit Ife gleich. Ufa ist aber auch der Name, den das Reich führte, als es noch die Länder der Goldküste und der Skiavenküste bis östlich des Nigers verband. Die Goldquelle des alten Ufa-Reiches floß im Westen in jenen Strichen, die wir heute noch Goldküste nennen, während der geistige Mittelpunkt im Osten, im heutigen Joruba-Land in Ife lag.
Dieses Ufa-Reich war ein Staatsgebilde mit religiöser Grundlage. Die Sage bezeichnet als Gründer Olokun, den Meeresgott, den Poseidon. Aber mit ihm herrschen die andern 15 Götter. Diese 16 Götter waren verteilt nach den verschiedenen Richtungen des Himmels. Wir haben verschiedene Orakelbretter und Reste von solchen in demI. 2. Rhyton aus Etrurien. Rom, Museo Gregorianum.3. Afrikanischer Doppelbecher der Bakuba.
neben Ife gelegenen sonst zerstörten Modeki ausgegraben. Auf ihnen sind die 16 Symbole der 16 Götter im Kreise oder im Viereck dargestellt. Sie sind verbunden oder erheben sich über einer Ornamentik, die Schlangenköpfe aufweist. Das ist die Darstellung des Weltmeeres. Auf der Ostseite des Brettes ist ein Kopf dargestellt. Der Kopf Edschus, der mit zwei spitzen Zähnen und mit Schlangen statt der Haare über den Rand hinweg auftaucht. Diese 16 Götter in entsprechender kosmischer Zugehörigkeit regieren die Welt. Sie thronen über dem Schicksal der Menschen.
Jeder, der einen tiefen Blick in den inneren Organismus, in die innere Organität der alten Mythologie gewinnen will, steht bei aller Reichhaltigkeit des archäologischen Materials aus dem Mittelmeere doch vor einem Trümmer- und Scherbenwerk. Aber wenn auch noch so viele Varianten aufgeboten sind, wenn auch noch so viele Einzelheiten an Wissen uns überkommen sind, so bleibt uns doch für den Vergleich dieser eigenartigen Mythologie und für dieses Weltbild nur eine einzige Parallele: die von den Etruskern den Römern überkommene
Maßgabe der vorgeschriebenen Himmelsrichtung. Sammlung DIAFE.
Doppelkeil sowohl in der Schnitzerei wie in der Sage erhalten ist. Edschu kennen wir hier als Sonne. Wie dort drüben, so steigen hier die Affen als Kinder des Meeres aus der Tiefe. Wie dort wird der sakrale Umgang geübt. Auch dort muß der Meerdrache überwunden werden. Auch dort spielen in der Darstellung des Wortbildes am Horizonte kämpfende Tiere eine Rolle. Denn wenn wir den alten Tempel sehen, den Kaiser Wilhelm II. auf Korfu ausgegraben hat, so sehen wir auch hier die Gorgo in der Mitte thronend und neben ihr Kampfszenen, eine der häufigsten Kompositionen in der plastischen Darstellung der Joruben.I Holzschnitzerei aus Modeke im Jorubaland (ausgegraben 1910 von der DIAFE). 2. Frühgriechisches Gorgoneion als Schildzeichen. Von einer Vasenscherbe des Amasis. (Nach Roscher, myth. Lexikon)Auch hier geht die Leichendörre der Leichenverbrennung voraus. Auch hier das Orakel aus Eingeweide und Leber, auch hier die religiöse Prostitution. Auch hier die Opfer, die sonst in Afrika fehlen. Und wenn wir die eigentümliche westafrikanische Monade (4 gleich männlich, 3 gleich weiblich) auf ihre Analogien nach ihrer Verwandtschaft hin untersuchen, so kommen wir zu westasiatischen ägyptischen Darstellungen, demzufolge der Mond dargestellt wird als Weib, die Erde aber als Mann. Also die Umkehrung der pacifischen Vorstellung von Himmel = Gott, Erde = Göttin. — Alles das, was wir an wesentlichen Übereinstimmungen und eigentlichen Wesenheiten zwischen der atlantischen und der mediterranen Kultur finden, bezieht sich im Mittelmeer auf vorgriechische Zeit, ist uns erhalten aus dem eklektischen Sammelsurium ägyptischer Altertümer und westasiatischem Kulturbau.
Diese große vorgriechische Kulturperiode ist aus dem archäologischen Material der eigenartigen etruskischen Altertümer recht gut erhalten. Nach Herodot sind diese Etrusker oder Tyrrhener aus Lydien gekommen. Das ägyptischelnschriftenmaterial des XII. Jahrhunderts vor Christus lehrt die "Turscha" als Seegewaltige des westlichen Mittelmeeres kennen. Unter der Anzahl von Varianten, unter denen dieser Name in der alten Geschichte auftaucht, nimmt Tarschisch oder Tartessos, die Stadt im Turditanerland im südwestlichen Spanien, die Stadt des Reichtums, uralter Sprech-, Dicht- und Schriftkunst, die erste Rolle ein. Tarschisch außerhalb Gibraltars und der Säulen des Herakles im Atlantischen Ozean gelegen, ist gewissermaßen als Außenstation ein Höhepunkt dieses mächtigen Kulturkreises. Er lag schon zur griechischen Zeit, wie ja auch das ganze Westbecken, außerhalb der direkten Verbindung mit der östlichen Mittelmeer-Kultur. Dies ist leicht zu beweisen. Denn wiederum Herodot erzählt, daß als erste unter den Hellenen die Phokäer Tyrrhenien und Tarschisch (die typisch hier wieder in einem Atemzug genannt werden!) "entdeckt hätten". D. h. die aus dem Osten gekommene Kultur der Poseidon-Periode war nach Westen hin abgewandert, hatte durch den Vorstoß der Griechen die Verbindung mit ihrem Ursprungsland, nämlich dem westlichen Asien, verloren und erging sich derart isoliert in Einsamkeit, so daß sie später erst wieder entdeckt werden mußte. —Dies ist die Bedeutung Tarschischs und der etruskischen Kultur als Bindeglieder zwischen Westafrika und Westasien.
Ein historischer Fingerzeig findet sich nun aber auch dafür, daß diese etruskische tartessische Kultur bis nach Westafrika reichte. Schon Dahse hat darauf hingewiesen, daß zu Salomos und König Hirams Zeiten bereits den Phöniziern (also den Vorgängern der Griechen im Mittelmeerhandel) der Weg nach Westafrika bekannt war. Die Tarschisch-Schiffe brachten nach den Akten des Alten Testamentes, drei Jahre nach ihrer Ausfahrt, Silber aus Tarschisch und Gold aus Ufa mit. Auch Dahse glaubt, daß Ufa die Goldküste ist. Schon Julius Fürst hat das in Jeremias X, 9 und Daniel X, 5 vorkommende Wort Ufa sinngemäß mit Küste des Goldes = Goldküste übersetzt. Deutet dieses nicht sehr stark auf die Erinnerung der Westafrikaner an ihr Ufareich hin?
Aber noch mehr. Ich gebe hier als Abbildung drei Köpfe. Links eine Terrakottenmaske in der phönizischen Periode des westlichen Meeres. In der Mitte ein in Ife ausgegrabener Terrakottenkopf und als drittes endlich das Bild eines typischen Westafrikaners von heute. Alle drei sind charakterisiert durch Kreise als Tätowierung auf dei Stirn. Diese Tätowierung ist in der Archäologie des Mittelmeeres nicht nachweisbar. Es ist eine typische westafrikanische Tätowierung.
Wir sehen sie hier lediglich im Mittelmeer angebracht auf einer Maske, die den Neger, den rechten Nigger charakterisiert. Desgleichen ist die westafrikanische Terrakotta, wie jeder Vergleich mit den sonst ausgegrabenen Funden beweist, auch wieder eine Nigger-Karikatur. Man kann also hieraus schließen, daß in dieser phönizischen Periode westafrikanische Neger am Mittelmeer als Sklaven verwendet wurden. Die Erfahrung lehrt, daß die westafrikanischen Neger die Durchquerung der Sahara aus klimatischen Gründen nicht ertragen. Sie gehen unterwegs stets zugrunde. Sie können also nur auf dem Seewege in das Mittelmeer gelangt sein. In diesem Zusammenhange erscheint es aber auch sehr wichtig, auf eine Stelle im Alten Testament aufmerksam zu machen.Stirnkreistätowierung. 1. Terrakottamaske, Negerkopf, westliches Mittelmeer I. Jahrt. v. Chr. 2. Terrakotta, Negerkopf aus Ife I. Jahrt. v. Chr. 3. Neger aus dem inneren Kongobecken, Bussiragebiet, aus der Sammlung der DIAFE.Wir sind gewohnt, die Stelle I. Könige X, 22 zu lesen: "Denn der König hatte Tarsis-Schiffe auf dem Meere bei den Schiffern Chirams. Einmal in drei Jahren kamen die Tarsis-Schiffe und brachten Gold und Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen."
Dieses Wort Pfauen gleich thukkijjim hat Flavius Josephus dann in seinen jüdischen Altertümern ersetzt durch das Wort sukkijjim, womit gemeiniglich die Äthiopier gemeint sind. Also kann man für die "Pfauen" der Vulgata "Sklaven aus Äthiopien" setzen und somit dem Beispiel so beachtenswerter Forscher wie Jeremias, Bernard, Karl Niebuhr, Glaser und Dahse folgen.
Nun zeigte ich schon oben, daß diese Fahrten des Phöniziers Hiram Silber aus Tarsis und Gold aus Ufa mitbrachten. Wenn dazu in dreijähriger Fahrt nun auch noch Negersklaven an Bord genommen wurden, so müssen diese entsprechend der Verbreitung der Tätowierung der Menschen und der Tätowierung der altphönizianischen
Also auch die Goldküste des Altertums! Und da möchte ich zum Schluß noch auf eine weitere Kleinigkeit hinweisen.
Oben wurde eine Karte der Verbreitung des Wortstammes Gold = sika gegeben. Die Darstellung der Verbreitung hat mir gütigerweise Herr Dr. Bernhard Struck in Dresden für das Institut angefertigt. Ich möchte die Frage aufwerfen, ob dieses eigentümliche Wort sika nicht mit dem altmedischen siglos, dem Scheckel im Hebräischen in Zusammenhang zu bringen ist. Philologisch scheint nichts gegen eine derartige Verwandtschaftsaufstellung zu sprechen. Damit aber kommen wir wieder auf den Anfang zurück. Vor uns steigt Westafrika als eine Goldquelle des Altertums auf. Ufa, die Goldküste, gab, Westafrika aber empfing dagegen die Keime zu jener eigentümlichen Kultur, die wir entsprechend ihrer geographischen Wege eben als atlantische bezeichnen.
Ich kann die Wichtigkeit, die damit der Übereinstimmung zwischen einer Fabel und realem Finden zugrunde gelegt wird, nicht teilen. An sich ist die Tatsache dieser Übereinstimmung von Fabel und Fundbestand unwesentlich, genau so unwesentlich wie die andere Frage ist, ob der Schild des Achilleus der ist, der von dem geistigen Eroberer Trojas gefunden worden ist oder nicht, ob Ophir übereinstimmend sei mit der ostafrikanischen Kultur, die Hyperboräer der alten Griechen in kulturgeschichtlichen Zusammenhängen stehen mit den Steinzeitmonumenten Englands. Das alles sind Fragestellungen, die auf die Nebenwege führen.
Ich spreche dieses heute um so deutlicher und bewußter und absichtlicher aus, als das Schicksal vielleicht die wohl in Bälde erreichbare erste, in Hartmaterial gegebene Schrift aus dem Atlantischen Kulturgebiet uns zugänglich machen kann. Wenn dieses glückliche Ereignis eingetreten und damit weitere Belege für meine Ansicht geboten würden - auch dann würde ich bezweifeln, ob der Wert des Fundes und seine Beweiskraft so wichtig sind wie die andern Tatsachen, daß wir dort unten eine organisch aufgebaute, groß angelegte Kultur gefunden haben, die mit den Wurzeln in archäologischen Trümmern ruht und in unseren Tagen noch lebte.
I
DIE MENSCHEN
Das Wesen antiker Plastik auf afrikanischem Boden.
Kunstblüte im 1. Jahrtausend v. Chr.
Kopf des Meeresgottes Olokun in Gelbguß. Aus Ife im
Jorubaland. Höhe von der Diademspitze bis zum Hals
abschnitt 351 cm. Fund der Diafe 1910
1. Kapitel: Atlantis
Im Jahre 1910 gelang es mir, im Lande der Joruba, die an der Küste Westafrikas nahe der Nigermündung heimisch sind, durch Ausgrabungen bedeutungsvolle archäologische Funde zugewinnen, deren Eigenart und Bedeutung unverkennbar sind. Der Ort, an dem der Expedition dieser Erfolg beschieden wurde, ist allgemein unter dem Namen Ife im ganzen Jorubaland und weit darüber hinaus bekannt. (Vgl. 6. Kapitel)
Die archäologischen Funde bestehen zum ersten in großen Urnen, in derem Inneren Glasflusse und Glasperlen von einer Eigenart lagerten, die ich nur hier in Ife kennenlernte. Zum zweiten waren allerhand offenbar der Architektur dienstbar gewesene Terrakotten, wie geschmückte Rohre und Kacheln vertreten. Daran schlossen sich aus Quarz geschnittene Kunstgegenstände außerordentlich sorgfältiger Arbeit, von Krokodildarstellungen, Menschenköpfen und großen Hockern bis zu zierlichen Henkeln. Den Gipfelpunkt stellten aber Terrakottaköpfe und -torsen dar, von denen die ersten die Bewunderung aller Kunstkenner erweckt haben, ebenso wie das Erstaunen aller ernsthaften Fachmänner. Denn sie haben keineswegs etwas zu tun mit "primitiver Kunst", sondern sind Vertreter einer klassischen Kunst von (für Negerafrika) unerhörter zartstilisierter und großzügiger Feinheit (vgl. Seite XVII). An diese Terrakotten schloß sich ein großer Kopf in Gelbguß an, der diesen in nichts nachstand (vgl. die farbige Tafel).
Von diesen Funden berichteten alle Joruba übereinstimmend, daß die Scherben und Geräte ein in die Erde gesunkenes Gut der Götter, daß die Terrakottenporträts die zu Stein gewordenen und in die Tiefe gesunkenen Götter selbst seien, der Gelbgußkopf mit seinem eigenartigen Diadem aber der "große", der "erste" (also oberste) Gott der alten Zeit, Olokun, der Gott des Meeres selbst.
Mit diesen Funden war das vorher altgeschichtlich gänzlich beziehungslose Westafrika zu einer archäologischen Fundgrube geworden und das Arbeitsgebiet der historischen Interessen nach Westen weit aus dem Mittelmeer heraus bis an die tropischen Küsten Westafrikas verlegt.
Der Ausgang und die erste Gedankenrichtung waren folgende:
Schon die ersten neuzeitlichen Berichte, die wir über die "Entdeckung
"Westafrikas aus dem 15. und 16. Jahrhundert besitzen, weisen auf Zustände und Kultur besitztümer in diesen Ländern hin, die mit unsern Vorstellungen eines primitiven Barbarismus nichts zu tun haben. Da hören wir von Städten mit breiten Straßen, von Ländern, die ohne Unterbrechung von Anpflanzungen bedeckt und mit sauberen, sorgfältig gereihten Palmenalleen durchzogen sind, von Menschen, die in Stoffe von Plüsch und von Seidenartigkeit gekleidet sind, von großen Reichen und Königtümern, bedeutenden Hofstaaten und Zeremonialen, von Tempeln usw.Alles dies, was damals verhältnismäßig schlichte Schiffskapitäne beschrieben, ist an der Westküste Afrikas heute so gut wie ausgerottet durch den Europäer. Das grausame Prinzip "Amerika braucht Arbeiter" führte zum Sklavenhandel. An der Küste wurden Faktoreien angelegt, die wie große Saugpumpen erst in der Nähe das erreichbare Menschenmaterial aus dem Lande zogen und dann im Inlande Sklavenraubzüge und -jagden ins Leben riefen. Dadurch degenerierte die Kultur der Küsten sehr schnell. Die Charakterschwäche des westafrikanischen Negers vermochte den Verlockungen, die äußerer Tand, starker Alkohol und unwürdige Orgien waren, nicht standzuhalten. So kam es, daß in und um die Faktoreien das eigentlich Afrikanische sehr schnell degenerierte und an seine Stelle eine Nachäfferei des Europäers in äußerer, sittlicher und religiöser Hinsicht eintrat. Man vergesse nicht, daß diese "Zivilisatoren"Afrikas, diese Agenten und Matrosen des Sklavenhandels, die sich in diese ihres Klimas wegen doch sehr verrufenen Länder wagten, nicht gerade die Blüte europäischer Bildung darstellten, daß außerdem das eigenartige portugiesische Element darin eine sehr bedeutende Rolle spielte. Was hier von Europa aus auf Westafrika einwirkte, wurde von hier aus in entsprechender Verdünnung reflektiert. Dieser Gesichtspunkt war für meine Überlegungen von außerordentlicher Wichtigkeit. Denn:
Überall an der Westküste Afrikas von Senegambien bis Angola gibt es heute noch "Fetische" und den "Fetischismus", "Fetischpriester", "Fetischtempel" usw. Diese Fetische sind zum Teil und neben anderem, Figuren aus Holz, Elfenbein oder Lehm. Eine eingehendere Prüfung der Berichte über den Sinn und die Bedeutung dieser kleinen und großen Gebilde, besonders derjenigen von der Gold-, Sklaven- und Loangoküste ergab, daß durch eine dicke Schimmelschicht äußerer Verallgemeinerung in vielen Fällen noch der Kern einer wesentlichen Göttersymbolik hindurchschimmerte. Nicht schwer war es, diesen Überstrich seinem Ursprung nach zu erkennen. Er hängt direkt mit dem Worte "Fetisch" zusammen, ein Wort, das nicht afrikanischen, sondern europäischen Ursprungs ist. Seine Wurzel liegt in dem portugiesischen "feticeiro" = zaubern. Diese
"Zauberei"spielte im Heimatlande der portugiesischen Konquistadoren Westafrikas in der Zeit der Blüte des Sklavenhandels eine große, ja eine den Volksgeist typisch charakterisierende Rolle. Der Fetischismus ist also europäische Deutung und repräsentiert in Afrika die verunklärende Verschleierung alter reinerer und bedeutenderer Anschauung. Der portugiesische Faktorist interpretierte nach heimischem Sinne die westafrikanischen Äußerungen religiöser Natur, und der charakterschwache Neger gab sich solchem Urteilsspruch hochgeachteter, weil äußerlich reich ausgestatteter Fremdlinge um so eher hin, als nicht einmal nur immer gleiche Völker diese Länder und Landstriche beherrschten, sondern immer neue Wellen von Inlandstämmen hereinbrachen, die das hier Heimische unter dem Einfluß der machtvollen Sklavenhändler von den verkommenden Voranwohnern übernahmen.Nach Entfernung solcher unafrikanischer Neuschicht wurden also unter den westafrikanischen "Fetischen"leicht und vielfach alte Götter, und unter den "Fetischpriestern"Götterpriester bemerkbar. Eine Ordnung der Götter resp. von Göttern stand aber dem genannten Kulturbild von reichgekleideten Menschen, Palmenalleen und wesentlichen Königtümern durchaus an, und bildete mit all seinem Kulturgut zusammen ein ehrwürdiges Vermächtnis aus historischer Zeit und eines, dessen Herkunft nur aus afrikanischer Kulturbildung heraus nicht zu erklären war.
Die naturgemäße Schlußfolgerung also war, daß in einem mehr oder weniger breiten Streifen sich an der Westküste Afrikas, also am Atlantischen Ozean, in der Vorzeit eine fremde Kultur eingenistet hatte, die sich immer mehr afrikanisierend, zuletzt afrikanische Physiognomie angenommen, dann aber unter dem Einfluß europäischer Küstenzivilisation ihre Lebenskraft eingebüßt hatte.
Dieses waren die Gedankengänge, die mich zur Ausführung meiner Expeditionen nach Westafrika veranlaßten.
In den Jahren, ehe ich diese Reisen antrat, war mein Augenmerk in steigendem Maße auf die Kulturbewegungen im Pazifischen und Indischen Ozean gerichtet gewesen. Das Werden der hochmythologischen Periode (vgl. "Erlebte Erdteile" Bd. VII) mit den enormen Dimensionen der Meeresüberwölbung hatte zuerst naturnotwendig die Blicke auf die Wege um das Kap der guten Hoffnung herum gelenkt.
Die Ergebnisse dieser Reisen jedoch, wie auch ein gründliches dazwischengeschobenes Studium der Kulturentwicklung im Mittelmeer, sowie endlich die erste Kleinafrikareise 1910 führten zu vorher wenig geahnten Ausblicken.
Unwillkürlich tauchte das Problem der Atlantis auf, das nach dem
solon-platonischen Bericht aus Sais draußen vor den Säulen des Herakles einst blühte und dann untergegangen war. Eine romantisch Fabel schien sich zu festen Formen zu verdichten.Manches Jahr wurde seitdem anderen, umfangreicheren, sowie engeren Aufgaben gewidmet. Immer wieder tauchte, oft ganz unerwartet, diese Atlantisfrage auf. Und wie sich das Problem heute darstellt, das mag hier im Zusammenhange mit einer neuen Verarbeitung der Akten kurz dargestellt werden. Hierbei aber gilt es, nicht vom Einzelnen auszugehen, sondern das Ganze ins Auge zu fassen.
Denn nicht nur hier an der Westküste, also auf der atlantischen Seite Afrikas, sind Spuren des Einflusses hoher Kulturen von außen her nachweisbar. Gleiches ergibt sich aus den Untersuchungen des Nordens wie des Ostens.
Das Einfalltor hoher Kulturen in Afrika von Norden her ist besonders das Syrtengebiet mit Kleinafrika, ihr Bewegungsgebiet in der Richtung über Fezzan zu verlaufend. Das Bedeutsame dieser "syrtischen" Kultur lag in einer Gliederung des Gemeinwesens nach wohlgeschichteten Kasten, ihr bis heute wertvollster Niederschlag in der Ependichtung der Barden (vgl. Bd. VI).
Von Osten her trat die höhere Kultur auf zwei Gebieten vom Indischen Ozean aus in Afrika ein. Im Norden in dem Südarabien gegenübergelegenen Abessinien und im Süden in dem südlich der Sambesimündung sich ausdehnenden goldreichen Lande. Bei leichter äußerer Abweichung sind die Ausdrucksformen beider erythräischer Kulturen die gleichen. (Über die norderythräische und kaschitische Kultur vgl. Bd. IV, über die süderythräische Bd. XII.) Die Ausbildung des Gemeinwesens hat bedeutsame und charakteristische Staatsformen zum Ausdruck. Es sind Staaten im Sinne von "Reichen". Jedes Reich hatte vier Provinzen und Provinzfürsten, die die Wähler und auch Richtherren der über ihnen thronenden Priesterfürsten waren. Dieser Priesterfürst war Symbol göttlicher Macht des Ablaufs mythologischen Schicksals.
Diesen beiden Kulturen ist gemeinsam der Mangel an äußeren Symbolen materieller Natur. Aber dies aus verschiedener Ursache; der syrtischen, weil das Mythologisch-Religiöse in ihr überhaupt keine wesentliche Bedeutung hat; der erythräischen, weil das Tiefere und Symbolische in der Heiligkeit des Ablaufs menschlichen Lebens und somit im Erleben beruht (vgl. Bd. V, erster Teil). In dieser äußeren Armut und nach ihrer sozialen Struktur nun stehen beide im Gegensatz zu der westafrikanischen, atlantischen Kultur.
Diese westafrikanische Kultur ist heute von allen die am meisten zerfallene und "verbildete". Aber nicht nur der Einfluß der europäischen Zivilisation ist hierfür die Ursache. Noch zwei andere Erscheinungen
sind für die Erklärung dieser Tatsache in Anspruch zu nehmen. Zum ersten lagerte diese von Westafrika einsickernde alte Kultur auf einer noch älteren und primitiven, die vom Osten her über den Indischen Ozean hierher vorgedrungen war; jene Kultur, die mit der Banane als Kulturfrucht einzog und die wir die alterythräische nennen wollen, und zum andern drangen die jüngeren nord- und süderythräischen Kulturen mit solcher Wucht und unbeirrter Wanderrichtung von Osten in die Steppenländer Nord- und Südafrikas ein, daß sie bis zur Westküste gelangten und die atlantische Kultur in Südguinea im späteren Reiche Kongo, im nördlichen Guinea in Joruba sich berührten, mit ihr verschmolzen oder sie überdeckten. —Dieses Erythräische muß also abgedeckt werden, um das Atlantische freizulegen.Nach solcher Maßnahme ergibt sich dann aber als Quintessenz der Eigenart atlantischer Kultur: Erstens die Tendenz zur Bildung von Städten, zweitens eine hierarchische Ordnung des Stadtbildes sowie der Gemeindeleitung und drittens die Erhaltung eines durch Mythen, Symbole und Kultus klar ausgebildeten Welt- und Götterkosmos. Die nach sechzehn Himmelsrichtungen eingehausten sechzehn großen Götter vereinigen sich zum Mundus. Dies Weltbild ist abgespiegelt in der Anlage der Stadt und in der priesterlichen Leitung der Stadtsechzehntel. Damit sind Zeit und Raum, der Kultus und die überaus reiche Symbolik vorgeschrieben. — Solches also sind die Leitsymptome oder Charakteristika des Aufbaus atlantischer Kultur.
Und mit solchem Urwesen ist die atlantische Kultur, dem Sinne nach, der Eigenart der syrtischen und der erythräischen unverkennbar entgegengesetzt.
Während im inneren weitausgedehnten Afrika der Mond männlich, seine Geliebte aber die Venus ist, hat im atlantischen Gebiet die Sonne männliches, der Mond weibliches Wesen. Nur in dem gleichen Gebiet sind die drei heiligen Symbole: die Hand, die Achterrosette und das Hakenkreuz (die Svastika), die alle drei dem großen Afrika als solchem fehlen, heimisch. Nur hier finden wir den Webstuhl der Plüschweberin, den Griffwebstuhl der Frauen, den sehr eigenartigen frontalen Bogen, den echten Impluvialbau, die hochentwickelte Terrakottenkunst, die alte Tragbahre, die von der Frau geflochtene westafrikanische Matte, das spezifische (den matriarchalischen Sitten zugehörige)
Neffen-Erbrecht, die Dörr- und Sargbestattung, die Eingeweide-und Leberorakel, die Mythe vom Urweltei, den sakralen Turnus, die Vierfarbensymbolik, den Bilderdienst in seiner prominenten Form usw., und zwar dies alles in klarer Abgeschnittenheit gegen Innerafrika und gegen die Einflußwellen der syrtischen und erythräischen Kulturen.Zu dem Grundwesen der sozialen, mythologisch-hierarchischen und kosmogonischen Stilreinheit tritt also der Block einer entscheidend wuchtigen Zusammengehörigkeit einzelkultureller Symptome, so daß das Ganze als Einzelwesen, als selbständiger Organismus, als Geschlossenes denkulturellen Eigenarten des gesamten übrigen Afrika gegenübertritt.
Solcher Geschlossenheit des Erscheinens gegenüber fragen wir mit Recht nach der Möglichkeit eine Verwandtschaft festzustellen, wo sie auch immer zu finden sei.
Mehr und mehr lernen wir im Mittelmeer als die altklassische Periode erkennen: eine apollinisch-griechische Zeit, jungstark sich abhebend von einer älteren (pelasgischen?), die durch einen poseidonisch düsteren Charakter ausgezeichnet ist. Die Geschichte und das Wesen der jungen apollinischen Kultur kennen wir als Ur- und Wesensgeschichte des Griechentums. Des Griechentumes, das siegreich in blendender Jugendschönheit und -reinheit ein düsteres, alterndes, das Mittelmeer bis dahin ausfüllendes Kulturwesen überwand und verdrängte. Dieses ältere aber war die poseidonische Kultur, deren klarste Belege uns noch aus der tyrrhenischen Kultur, aus dem etruskischen Wesen in das Römertum hineingerettet hat.
Es kann hier nicht meine Aufgabe sein, in einer eingehenden Abhandlung die Kultur der poseidonischen Periode, wie sie uns die Zeugnisse der Etrusker, bestimmter Westasiaten, der Phönizier, die Belege von Tarschisch-Tartessos und einiger hamitisch-semitischer
Stämme erbringen. Es muß uns hier genügen darauf hinzuweisen, daß die Kultur der poseidonischen Periode stilgemäß im Sinne wie in der Form eine Einheit war und daß diese einheitliche Kulturform das Urwesen der atlantischen Kultur in Westafrika gewesen sein muß.Denn hier wie dort war das Weltbild sechzehngliedrig und thronte Poseidon an der Spitze der Götter, waren Gorgo wie Edschu schreckhafte Sonnengottheiten mit Schlangengekräusel und Ausgang der Riemenornamentik, war Mundus Vorbild der Stadtgliederung, bedeuteten die Fasces das gleiche, dominierte der Impluvialbau mit Atrium toscanikum, war der kleine trianguläre Bogen mit frontaler Besehnung, war (vor der Leichenverbrennung) die Sarg- und Dörr-. bestattung Sitte, war Dunkel die Trauerfarbe - dominierte jener düstere, zu Menschenopfern bereite Geist, den das Griechentumüberwand.
Das jünglingsstarke Griechentum verscheuchte das düstere Weltbild, kümmerte sich wenig um sein Dagewesensein, denn es war stark und lebensfroh genug, um sich selbst anzuerkennen. Derart, daß die Griechen wenig Interesse daran hatten, Chronisten und Ethnographen der poseidonischen Periode zu werden.
Der Umschlaghafen Tarschisch-Tartessos in Südspanien, der einst Westasien mit Westafrika verband, verschwand. Sein Dasein ward schon den Römern zu einem Märchen der Altvordern. Aber in den Akten Salomos und seines Freundes König Hiram blieb er als Tatsache bewahrt. Diese entsandten noch ihre Schiffe von dort aus auf langer Fahrt zur Goldküste -aber Platon ward das tropische Goldland schon zur Heimat eines Götterschicksals von ehedem - zum Atlantis mit den Palmen, die dem Menschen Speise, Getränk und Kleidung gewähren (Elaeispalme), das die Burgen mit Gelbgußplatten hatte (wie in Benin), zum fernen Lande der Elefanten.
Klar heben sich aus solchen Vergleichen und Betrachtungen die Tatsächlichkeiten einer hernach in Vergessenheit versinkenden atlantischen Kulturwelt hervor.
Was unter dem Ansturm des Griechentums vor Jahrtausenden im Mittelmeer - was damals als schon Altes und Alterndes zugrunde ging, das lebt heute noch im fernen Lande Westafrikas.
Das ist der Zauber des Altlantisproblemes.
Nicht das Anziehende aus dem Bereiche von Ahnungen und Vermutungen.
Sondern zauberhafte Wucht von erstaunlichen Tatsachen und einer nach Jahrtausenden zu bemessenden Wirklichkeit.
2. Kapitel: Die Götterlehre und die Menschen
Das sei noch einmal und mit aller Deutlichkeit betont: das Wesen der Kultur und Mythologie der Joruba ist nicht etwa ein archäologischer Gipsabklatsch aus altgeschichtlicher Vergangenheit. Es handelt sich um Lebendes, also um etwas, was seit damals atmete, stoffwechselte und schicksalhaft ist.
Rein äußerlich läßt sich das nachweisen. In alter Zeit war diese atlantische Kultur eine Kultur der Städte, in denen die Ortsweise im Stil variierte, wie dies z. B. auch auf Kreta der Fall war. Das große Joruba,,reich" der Alafin ist eine historisch späte Erscheinung, ein Erguß der Beziehung zur erythräischen Kultur des Sudan. Es hat sicherlich mehrere derartige Überschwemmungen und Umbildungen im Laufe der Zeit gegeben und sie haben allerhand Umgestaltung nicht nur der äußeren Gestalt, sondern auch des inneren Wesens der atlantischen Kultur in Westafrika zur Folge gehabt. So ist es z. B. sicher, daß deren heute absolut vorherrschenden patriarchalischen Sippengliederung eine stark matriarchalisch veranlagte Klangruppierung (z. B. mit Neffen-Erbrecht) vorangeht. Belege hierfür finden wir in den kleinen, abseits der großen Straßen gelegenen Dörfern mehrfach.
Also es handelt sich nicht um etwas archäologisch Erstarrtes.
Das muß hier bei Betrachtung der Götterlehre in den Vordergrund gestellt werden.
Wir Europäer leben in Staatsgebilden, in denen jeder nach seiner Religion selig werden kann. Und die Anschauungen und Vorschriften der Religion sind durchaus nicht etwa immer die des Staates. Der Staat verbietet es keinem Deutschen, zum Islam überzutreten,
aber wenn der neue Moslim dann vier Gattinnen sich vermählen wollte, so würde der gleiche Staat ihn wegen Verfallens in Bigamie verwarnen. Das ist grobe Oberflächenerscheinung. Aber wer solchen Gedanken- und Beobachtungslinien folgt, wird zuletzt erschrecken, weil unser Leben durch tausende von derartigen Widersprüchen der Einheitlichkeit beraubt ist, die eben in Afrika noch gewahrt ist.Denn das Leben der Menschen wird bestimmt nach Herkommen und alten Sitten, die folgerichtig im Sinne der Götterlehre das Leben in Gemeinde und Klan formal bestimmen. Das Leben des Einzelnen ist bedingt durch gleichen Sinn wie das Leben des Ganzen. Klan, Gemeinde, Staat und Religion sind Ausdruck eben dessen, was ich eine feingliedrige organische Weltanschauung nenne.
Und auf diese Einheitlichkeit des aus übersinnlichem Makrokosmos heraus gestaltenden menschlichen Mikrokosmos hat keine historische Einwirkung von außen oder innen her einen spaltenden Einfluß auszuüben vermocht.
Unter diesen Umständen muß es wie ein Glück erscheinen, daß die Lehre der Götter tief eingegraben ist in den Verlauf kleinsten wie größten bürgerlichen Lebens. Hier sind die Spuren des Großartigen leichter erkennbar, ausdrucksklarer und deshalb spiegelhafter. Indem also hier der Ausgang genommen wird, drängt sich aber auch die Notwendigkeit auf, die doppelte Bedeutung aller der Volksbeschreibungen, die diesen Bänden beigefügt sind, zu betonen.
Einmal haben diese Beschreibungen den Sinn, demjenigen, der sich mit der Dichtung eines der vielen afrikanischen Völker beschäftigt, ein allgemeines Bild von der jeweiligen Art dieser volksdichtenden Menschheit zu geben. Ein derart gebotenes vollkommeneres Wissen ist um so erfreulicher, als damit allerhand "folkloristische" Einzelkenntnisse einfließen, die die Motive, die Variation, den Stil und die Begrenzung der einzelnen Dichtungen erklären. Die Beschreibungen geben also in diesem Sinne das die Dichtung Bestimmende.
Zum andern aber sind die Beschreibungen auch in umgekehrtem Sinne von Bedeutung. Die in Volksdichtung, -anschauung und -götterlehre gebotenen Stoffe haben auch eine rückwirkende Kraft. Im Lande des Heldenepos (Bd. VI) lebt der Ritter in dem Ehrgeiz, auch in das Heldenbuch zu kommen, und so bestimmt die Dichtung die Handlungen des täglichen und allgemeinen Lebens. Ein ganz Gleiches nun haben wir hier im Gebiete der Götterlehre. Nur ist es noch
bedeutungsvoller. Die Götterlehre ist ohne ihre Durchdringung des Volkslebens ebenso bedeutungsarm, wie das Volksleben ohne Kenntnis der Götterlehre unverständlich bleibt.In diesem Sinne also will ich versuchen, die Mangelhaftigkeit unserer Kenntnis atlantischer Götterlehre durch ein Bild von ihrem Einfluß auf das Volksleben zu kompensieren.
Zuerst sei ein Versuch gemacht, ein Bild der Menschheit zu entwerfen die, als einzige auf afrikanischer Erde, noch ein volimythologisches Leben im Alltage wie in tiefer und hoher Gesinnung bewahrt hat.
3. Kapitel: Das Volk
Die Joruben als Volk und Rasse. Die Menschen, die westlich der Nigermündung die Ebene zwischen Togo und den Tairändern des Stromes bewohnen, werden heute gewöhnlich als Joruba bezeichnet. In alter Zeit haben sie ihre Wohnsitze bis weit in das Inland hinein, bis nach Nikki in Borgu, Bussa am Niger, über das Nupeland bis an die Grenzen der Gwarristämme ausgedehnt. Heutzutage ist durch das Vordringen der Borguleute, der Nupe und der Fulbe ihr Banngebiet sehr weit nach der Küste hin eingeengt worden, aber immerhin hat es hier noch seine volle Eigentümlichkeit bewahrt. Das Volk der Joruben macht seiner ganzen äußeren Erscheinung nach einen durchaus nicht ebenmäßigen Eindruck. Auffallend große und viele mittelgroße Gestalten, zarte und klobige Glieder, dunkelbraune, rötliche und gelbe Hautfarben laufen nicht nur auf den Märkten, sondern in jedem größeren Gehöfte durcheinander. Auch in den Mandeländern, in denen doch die Marka der Sahel, die Fulbe Futa Djallons, die Mande des alten Malireiches, dann mehrere Stämme aus dem Norden und endlich allerhand sogenannte "Urbevölkerungen" ineinandergegangen sind, sah ich keine größere Differenzierung. Fernerhin wußte, im Gegensatz zum Nordwesten, im Jorubalande niemand etwas zu sagen von kastenmäßiger Absonderung, die etwa dem Hervortreten eines oder des andern anthropologischen Typs entsprochen hätte. Auf den ersten Blick ist auch keine Herrenrasse im Gegensatze zu dienenden oder werktätigen Gruppen in sozialer oder anthropologischer Hinsicht zu erkennen.
Wenn das Volk aber auch von einer herrschenden Volksschicht zunächst nichts zu berichten weiß, so wird es dem geübteren Beobachter doch nicht schwer, eine Sonderschicht zu erkennen. Das Volk zerfällt den Angaben nach in Reichere, Ärmere und ganz Arme. Wenn man aber durch die Stadt wandert, in den großen und kleinen Gehöften vorspricht, dann erkennt man unschwer, daß die hie Alagba, die wohlausgebauten, alten, umfangreichen Gehöfte, von Leuten
bewohnt werden, deren Männer einem größereh Körpermaß, außerordentlicher Schlankheit und Feinheit der Glieder, schmalem Kopfe und hellerer Hautfarbe zuneigen. Bei Herrenfamilien, welche an der Spitze solcher Gehöftsbewohnerschaft stehen, fällt das ganz besonders auf, während die zahlreichen Bediensteten kleiner, plumper und negerhafter dreinschauen, so wie auch anderweitig die Bewohner der älteren Stadtgegenden. Leute wie der Bale, das Oberhaupt des Ogboni, der Magba des Schango usw. und deren Brüder messen der Reihe nach zwischen 180 und 195 cm. Wenn trotz solcher Wahrnehmung die Buntheit der Mischung immer wieder auffällt, so ist daran zu erinnern, daß die Städte dieses Volkes im Hinterlande der größten Sklavenmärkte der Welt liegen und daß diese Hinterländer Zwischenhändler und Lieferanten und auch Exporteure waren. Wo aber so viel lebende Ware durchläuft, bleibt mancher Blutstropfen hängen. Und maßgebend für die Generationen der Rasse vieler vornehmen Familien war schon die Sitte, daß der Edle, wenn die Gattin ihm keinen Sohn schenkte, gern bereit war, ihn von der Sklavin oder einer sonstigen dem Stande nach niederen Mitbewohnerin seines Hauses in Empfang zu nehmen und vollberechtigt als Erben seiner Rechte und seines Besitzes einzusetzen. Aufgefallen ist mir weiterhin an vielen Landorten, und zwar besonders unter den Priestern, ein kleiner, rötlicher Schlag kräftigerer Figuren, die zuweilen einen gedunsenen Eindruck machen, und deren leicht vorhängende Unterlippe und mongoloid gestellte Augen an jene Terrakotten erinnern, die wir in Ife ausgegraben haben. Aber auch in den Familien dieser Leute tritt die Sklavendurchfuhr in ihren Nachwirkungen deutlich zutage.Solchem Entwicklungsgange und so gestalteter Volksmischung, unter der Einwirkung dieses grauenvollsten Handels der Welt, entspricht auch der Volkscharakter. Die Joruben sind nichts weniger als liebenswürdige Menschen, und zumal die der großen Städte zeichnen sich durch unsympathische Charakterzüge aus. Von den dunklen Steppenvölkern, die man unter gewissen Vorbedingungen als "Neger" bezeichnen kann, haben sie Würdelosigkeit und Kriecherei übernommen. Von jener Rasse höherer Gestalt, hellerer Haut und feinerer Glieder einen sehr bedeutenden Intellekt; aber auch eine außerordentliche Verschlagenheit und betrügerischen Sinn. Sie sind sicher unter die weniger sympathischen Stämme zu zählen, die ich in Westafrika kennenlernte. Während ich die eigentlich "dunklen" Menschen, zumal wenn sie Glieder angesehener und wohlhabender Familienwaren, eigentlich immer, wenn auch als charakterschwache, so doch a priori als Leute von Treu und Glauben einzuschätzen mich gewöhnt habe, kann ich das von den Joruben durchaus nicht sagen. Die Joruben stellen ihrer ganzen Veranlagung nach etwas ganz anderes
dar als die sogenannten "Neger"-Völker. Gerade die "vornehmen" Joruben sind so schnell geneigt, ihr Wort zu brechen, andere zu überlisten, daß sie hiermit durchaus den berberischen Mischstämmen gleichkommen. Es ist während meines Aufenthaltes in Ibadan kaum ein Tag vergangen, an dem nicht einer oder der andere dieser langen Herren versucht hätte, mich zu hintergehen oder zu ,belügen' im Sinne der "Neger", also aus Konvenienz, um höflich zu sein, um nicht abzuschlagen, um sich nicht als Unwissender zu erkennen zu geben usw., aber auch nicht nur aus Schwäche und aus Mangel an ethischer Erziehung, sondern ganz einfach aus Freude am Lügen und mit der bestimmten Absicht, zu betrügen und mir für eine versprochene gute Sache eine minderwertige aufzuhängen.Daneben fielen mir auch manche Untugenden auf, die ich wenigstens im Afrika der dunkelhäutigen Menschen bis dahin nicht kennengelernt hatte. Daß der Schwarze seinen bedeutendsten Fehler in der Würdelosigkeit hat, habe ich schon mehrfach dargelegt. Dieser unheilbare Wesenszug hat nun bei den Joruben eine Ausgestaltung erfahren, deren Wirkung an die Bilder erinnert, die Nachtigal von den Tedda entwarf. Kaum hat einer dieser Leute ein wenig getrunken —und sie trinken für ihr Leben gern -, so wird er von einer Bettelhaftigkeit, die geradezu verblüffend ist. Man ist gezwungen, alles zu verstecken. Er bettelt um Dinge, die er gar nicht zu handhaben weiß, und er versucht seine Bettelei an einem Gegenstand nach dem andern. Diese häßliche Eigentümlichkeit möchte ich auf die schlechten Gewohnheiten des Sklavenhandels und der durch ihn eingeführten Verkehrsform mit den Europäern zurückführen. Außerdem wird den Joruben Ibadans sicher nicht ohne Recht nachgesagt, daß sie ganz besonders geschickte Diebe und Einbrecher seien, die sich nicht scheuen, regelrechte Gänge unter den Mauern eines Gehöftes anzulegen, um so von innen in die Schatzgruben der Besitzer einzufallen. Die Vollkommenheit und der Wagemut, den sie hierbei entwickeln, ist geradezu erstaunlich. Ich selbst habe einen derartigen Diebsgang gesehen, welcher dreieinhalb Meter lang war und den die Burschen binnen acht Nächten ausgehoben hatten. Wenn nun auch die Anregung zu solcher Entwicklung auf den früheren Sklavenhandel und die unmoralische Verwertung dieses Ausfuhrartikels zurückzuführen ist, wenn es auch sicher ist, daß das derzeitige Regierungssystem, wie mir viele Engländer selbst bestätigt haben, durchaus unglücklich ist, so ist doch anderseits zu vermerken, daß kein anderes Volk Westafrikas eine auch nur annähernde Verschlagenheit, geschickte Klugheit und Vollkommenheit in solchen Dingen an den Tag legt, nicht einmal die verrufensten Bewohner Sierra-Leones und Senegambiens. Es ist gerade vom Standpunkte der Beurteilung dieser Menschen und der Verwertung der hier vorliegenden
Geisteskräfte im höchsten Grade bedauerlich, daß die regierenden Kreise in Südnigerien sich nicht wie die Nordnigeriens dazu entschließen können, den Eingeborenen die erzieherische Faust fester auf den Nacken zu setzen. Die schwarze Bevölkerung bringt heute in Südnigerien den weißen Machthabern nicht den gehörigen Respekt entgegen, und das führt um so mehr zum Sittenverderb, als auch die eingeborenen Machtfaktoren (die Alafine, die Bales, die Priester usw.) infolge des europäischen Übergewichtes bedeutend an Ansehen verloren haben, und als an Stelle der früheren, ungebrochenen Autorität kein Ersatz getreten ist. Diese Völker waren früher an ein blutig strenges Regiment gewöhnt, darin erzogen und zu ihrer Macht und ihrem Ansehen gelangt. Jetzt, wo dieses strenge Regiment fortfällt, wuchern die schädlichen Eigenschaften um so mehr, als die Milde der Jetztzeit nicht durch eine regelnde Übergangszeit hindurch sich entwickelt hat und nicht die alte "Furcht vor dem Herrn" in eine neue "Pflichterfüllung aus Selbstachtung" umgebildet ist.Bei solchen peinlichen Veranlagungen darf man aber nicht vergessen, daß die Joruben vielleicht die klügsten, begabtesten Menschen sind, die Westafrika überhaupt aufzuweisen hat. Menschen, die durch Jahrhunderte und Jahrtausende (!) hindurch eine so glänzende Organisation der Sippen mit vollem Bewußtsein des Inhaltes und der Konsequenzen erhalten und durchgeführt haben, wie dies in dem totemistisch-theistischen Aufbau der Joruben der Fall ist; solche Menschen kann man nicht anders als klug und nachdenklich bezeichnen. Wenn die Inlandstämme den größten Teil der Mythen vergessen haben, so ist zum Teil eben die unglückselige Zeit des Sklavenhandels daran schuld, die das gesamte Interesse gefesselt und die Achtung vor dem Werte des Menschenlebens außerordentlich tief herabgedrückt hat, so tief, daß bei der angeborenen Grausamkeit der Westafrikaner das Menschenopfer einen ungemein breiten Raum im Kultus erobert hat. Und in den Jorubaländern wurde genau wie in Benin der Reichtum und die Religiosität eines Menschen nach der Zahl der Menschenopfer beurteilt, die er sich leisten konnte. Auch das erachte ich als eine Folge des von Europa seinerzeit gezüchteten Menschenhandels, wenn die Keime zu solchen Ausartungen auch sicher schon früher vorhanden gewesen sind.
Wir wollen dieses unsympathische Bild aber nicht ohne nochmalige Betonung der Klugheit dieser Menschen abschließen. Die reiche Begabung der Joruben ist für die Wissenschaft ein Quell der wertvollsten Erkenntnisse. Diese Menschen sind so himmelweit erhaben über den sonst so verbreiteten Stumpfsinn des Westafrikanertums, sie sind derartig lebendig und gewandt, so geschickt in der Lebensführung, daß man sie unbedingt als die praktischen Lebensphilosophen der Westhälfte des dunklen Afrika bezeichnen kann, als
Leute, die für jedes Vorkommnis bei der Erörterung sofort ein schlagendes Beispiel haben, gleich den tiefsinnigen Bauern Europas. In vollem Bewußtsein erzieht der Jorube seine Kinder, weiß er den Sinn einer jeden Handlung darzulegen und erklärt er jeden Schritt des Lebens in seinen praktischen Folgen. Es ist die gleiche Klugheit, die das sozial-totemistische Göttersystem so durchsichtig erscheinen läßt; und das ist eine Tatsache, die gar nicht hoch genug angeschlagen werden kann. Hier ist durch diese Joruben ein derart vertiefter Einblick in das Entwicklungswesen aus irgendeiner Vergangenheit ermöglicht, daß wir besonders bei dieser Betrachtung stehenbleiben müssen. Aus dem Jorubaland erstrahlt eine Flamme, deren Licht über einen großen Teil des Kontinents und durch viele Jahrhunderte hindurch und mehrere Jahrtausende kulturgeschichtlicher Entwicklung Klarheit verbreitet.Doch wenden wir uns nun den Einzelheiten der Ethnographie zu und beginnen wir mit einer Schilderung der Räumlichkeiten, in denen die Leute wohnen.
Liegt der wirkliche volkswirtschaftliche Schwerpunkt der Jorubaländer fraglos im Feldbau und nur in zweiter Linie erst im städtisehen
Handel (mit Ölfrüchten usw.) und in städtischer Industrie, so ist doch anderseits unmöglich zu übersehen, daß das soziale und wirtschaftliche Gleichgewicht durch die Stadtbildung aufrechterhalten und bedingt wird. Denn das ist eine hervorragende Tatsache: Die Jorubaländer weisen im gesamten dunkelhäutigen Afrika der Fläche nach nicht nur die zahlreichsten, sondern auch die größten Städte auf, Städte, die auch in unserm Sinne als "Großstädte" bezeichnet werden müssen.Das Jorubaland ist eines der drei großen Stadtgebiete Westafrikas. Das zweite, das zwischen Timbuktu und Nyamina sich erstreckt, habe ich selbst zur Genüge kennengelernt. Hier drängt sich allerdings Stadt an Stadt. Diese Gebilde liegen aber erstens zum größten Teil in Ruinen und sind zweitens so gering an Bewohnerzahl, daß sie keinerlei Vergleich mit den Jorubazentren aushalten. Jene Städte im Nordwesten haben 5-15000 Seelen, die Jorubastädte aber bis 150000 und darüber. Die Städte des dritten Kreises, die der Haussaländer, sind nun wohl an sich bedeutender als jene am Westschenkel des Niger, aber ihrer sind wenige, die an Umfang den Jorubagemeinden gleichkommen. Auch sind sie viel weiter auseinandergestreut. Betrachten wir aber die geographische Lage dieser drei Stadtgebiete Westafrikas, so sehen wir, daß sie alle drei sich mehr oder weniger eng dem Niger anschmiegen und auf diese Weise ihrer Entstehung und Beziehung nach unschwer verstanden werden können. Und es ist nicht ein Zufall, wenn gerade dasjenige Gebiet, das dem Meere am nächsten liegt, abo das der Jorubaländer, die bedeutendste Zahl der Städte und damit die umfangreichsten Architekturen und die originellsten Einrichtungen aufweist. Denn was im Hinterlande des oberen Niger und in den Haussaebenen lag, war den Strömungen der Steppenkultur und den Saharafluten ausgesetzt. Somit ordnet sich das Leben des Hinterlandes leichter dem neuzeitigen Einflusse unter, während die Westküste mit ihren Wäldern, ihren Krankheiten und ihren dem Inlande so sehr fremden Naturbedingungen das Alter und das Städtewesen einheitlicher bewahrte.
Aber nicht nur durch Höhe der Zahl ist der Typus der Jorubastadt von dem des Sudan unterschieden, sondern auch durch innere, soziale Eigentümlichkeiten. Die Städte des Sudan sind noch vom Typus der Sahara, an deren Rande sie entstanden, und in diesem Gebiete wurden sie Auskristallisierungen größerer, monarchischer Staatenbildungen, wie Ganatas, Maus, Songhais, des von Norden her gegründeten Haussastaates. Diese Sudanstädte lebten bis in die Zeit des modernen Verfalles als mehr oder weniger abhängige Einzelzellen größerer Staatsverbände, und ihr Schicksal wechselte mit dem Schicksal des Kaisers oder Königs, der in diesen Ländern gerade die Oberhand gewonnen hatte. Daher kam es auch, daß gerade in der
Zeit der staatlichen Blüte im Sudan die Macht der inneren Stadtverwaltung und ihre Selbständigkeit eine sehr geringe war und daß die Bildung, die in ihnen lebte und webte, den schwankenden Kräften der Sudandynastien unterworfen war. Wir werden im zweiten Teile zu untersuchen haben, auf welcher Grundlage die Sudanstädte sich entwickelt haben. Sicher ist nicht ohne weiteres, daß diese Stadtanlagen aus burgartig verwitterten Herrensitzen hervorgegangen sind, sicher ist nur, daß mit dem Islam und schon vor dem Islam die Selbständigkeit der Magnaten der Sudanstädte gebrochen und statt ihrer ein ausgebreiteter Handel zur Schlagader jeder dieser Emporen geworden war.Diesen Prozeß des Anheimfalles an soziale (monarchische oder imperialistische) und kommerzielle Netzbeziehungen haben die Jorubastädte in so weitgehendem Maße nie durchgemacht. Sie sind bis in die Jetztzeit hinein verhältnismäßig selbständige Organismen geblieben, und die Verhältnisse staatlichen Übergewichts schwanken zwischen ihnen stets hin und her, ohne daß je ein Rom aus diesen Bedingungen hervorgegangen wäre ein Rom, das die Geschwister auf längere Zeit und bindend einer monarchischen und imperialistischen Idee hätte unterordnen können. Man kann die Jorubastädte, so wie die ersten Europäer sie kennengelernt haben, als unabhängig bezeichnen und die Abhängigkeit von Ojo als Hauptstadt lediglich nominell. Und so hat sich hier ein älterer Typus, ein dem Ursprung des Negers näherliegendes Entwicklungsstadium, das im Sudan längst überwunden wurde, erhalten. Der äußeren Macht entsprechend war aber die Jorubastadt, und sie ist es heute noch, durch eine eigentümliche Erscheinung charakterisiert. Jede dieser Städte hat ihren eigenen Gott, eine Stadtgottheit. Diese ist nicht Stammvater aller in ihr Wohnenden, meist aber der Schutzherr, der von Ort zu Ort wechselt. Wir finden also einen Zustand erhalten, welcher dem im alten Ägypten und dem vieler westasiatischer Länder ungemein ähnlich erscheint.
Die Jorubastädte stehen in ihrer Isolierung aber nicht allein. Genau ebenso fand ich die Verhältnisse in den Anlagen der Waldstädte in Togo und Dahomey, genau ebenso bei den Timm. Deren Ansiedlungen waren auch früher von Wällen umgeben und wurden nach einem System regiert und untereinander verbunden, dessen wesentlicher Charakterzug auch im Hindrängen nach kommunaler Wechselwirkung liegt, nicht aber in Unterordnung unter monarchisch gestaltete Staatenbildung. Ganz ähnliche Verhältnisse scheint mir fernerhin auch das Grasland des nördlichen Kamerun zu bieten, wo Bano, Banjo, Bamum usw. wohl Zentralsitze einflußreicher Häuptlinge sind, wo aber die territoriale Herrschaft auch nie das Weichbild der einzelnen Zentralstadt mit ihren Ackerweilern und Dörfern überschreiten dürfte.
Es ist also eine große Gruppe verwandter Erscheinungen, die zwischen Zentraltogo (und einem Punkte, der noch weiter nach Westen liegt) und Nordkamerun weithin um den unteren Niger verbreitet sind, dadurch charakterisiert, daß hier ein anderes Entwicklungsstadium erhalten ist, ein Stadium, das in den nördlich gelegenen Sahara-Randgebieten längst überwunden wurde und dort höchstens in Rückfalls-, in atavistischen Erscheinungen wiedererkannt werden kann.
Zu diesem gleichen Typus gehört das alte Benin, von dessen mächtigem "Herrscher" man früher so viel fabelte. Von der "Mächtigkeit" dieser Herrscher werden wir später verschiedenes hören, aber schon aus dem Vorhergehenden ist zu ersehen, daß diese Stadtgemeinden, die fast nie durch monarchische Gewalt gekräftigt sind, innerlich keine große Kraft aufweisen, da sie ein nur geringes Hinterland besitzen. So wird man es leicht verstehen, wenn man in den alten Chroniken liest, daß Benin einst einem kleinen, unscheinbaren Nachbarstädtchen auf eine Zeitlang Macht und Gut überlassen mußte.
Leuchtet aus solchen Tatsachen und Erwägungen schon ein starker Unterschied der Westküsten- und Inland-Staatenbildungen hervor, erkennen wir hieraus schon, daß der einfachen Betrachtung nach die Küstenstädte einen besser erhaltenen älteren Typus darstellen, so wird uns das noch deutlicher, wenn wir die einzelnen Zellen der Stadt in Augenschein nehmen. Wenn ich von den einzelnen, wenigen Fürstengehöften im Nupelande absehe, die dort eben noch Ausnahmeerscheinungen im Gesamttypus darstellen, so glaube ich sagen zu können, daß kein Gebiet der Westhälfte Afrikas großzügiger in der durchschnittlichen Architektur sein kann als eben unser Jorubaland. Jede dieser Städte zerfällt in eine bestimmte Anzahl erstaunlich großer Gehöfte, die ihrerseits alle, organisch und klar angelegt, ein weites, mächtiges, soziales Zellengewebe zum Ausdruck bringen. Jede Stadt hat ihren Gott; ebenso auch jede Gehöftgemeinschaft ihren eigenen Gott. Und sowie die einzelnen großen Teilgebiete ihren eigenen Gott haben, der nur zuweilen derselbe ist wie der Stadtgott, ebenso hat auch wieder in jedem Gebiete jedes Gehöft, jeder Eingeborene und jede Einwohnerin ihren eigenen Gott, und nur die männliche Aszendenz, und demnach auch die ganze Deszendenz des Hausherrn, betet den Gehöftsgott an. So leuchtet unter den mächtigen Satteldächern, aus den Tempeln, die unter den Veranden liegen, aus den eigenartigen Grundrissen dieser Gebilde schon das religiössoziale Moment entscheidend und erklärend, bedeutsam und vielsagend hervor. Nun aber die Einzelheiten des Bauwesens.
Außer den Türen, die in Wohngemächer - um nicht zu sagen "Löcher" —führen, finden wir immer ein oder zwei, die durch diesen langen Frontflügel hindurch auf den Weg in das Innengebäude leiten. Wir durchschreiten den kurzen Gang durch das lange Frontgebäude und gelangen in einen ganz eigenartigen Raum, der, wenn nicht gerade die Sonne scheint, in einem dämmrigen Schatten liegt. Arriens hat davon ein ausgezeichnetes, den Eindruck natürlich wiedergebendes Bild gemalt. Wir stehen vor einem riesigen, gelbgrauen Trichter, der, über einen leicht umrandeten, von grauen Töpfen gezierten, Oborun genannten Platz, nach unten zielt. Rund herumläuft ein Verandagang, in dem die Frauen emsig mit der Hausarbeit beschäftigt sind und von dem aus wieder eine große Anzahl Türen in
Grundriß eines typischen Jorubagehöftes; aufgenommen von L. FrobeniusDas merkwürdigste an dieser komplizierten Anlage ist aber nicht die Regelmäßigkeit dieser großzügigen Architekturidee; das merkwürdigste ist vielmehr die innere Konstruktion. Beim Betreten der Ganduveranda muß es schon jedem Beschauer auffallen, daß das gewaltige Satteldach nicht auf den Mauern der Wand aufliegt, sondern daß ein ziemlich kompliziertes Sparren- und Stangenwerk zwischen dem eigentlichen Wohnhause und der Dachhöhe aufragt. Man kann von der Veranda aus bis in die obersten Teile des Daches sehen. Wir erkennen, daß die Satteldachanlage eine architektonische Bildung für sich ist, die sich über dem eigentlichen Hause wie über einem Sockel erhebt.
Aber nicht nur das Satteldach ist ein selbständiges und eigentlich unabhängiges Gebilde, sondern mit dem Hause selbst hat es seine gleiche Bewandtnis. Das Haus hat nämlich sein eigenes Dach, ein flaches Tembendach. Es ist ein Flachdachbau, der das große Giebeldach nur als äußere Hülle, als zweites Dach über sich trägt, so daß es gegen Regen und Sonne besser geschützt ist. Wir haben zwei verschiedene Architekturideen, den Flachbau und das Giebeldach, in der eigenartigsten und gelungensten Weise miteinander verschmolzen. Der Eingeborene bezeichnet das Giebeldach als Eke, die Flachdeckung der Wohnräume als Iyi-adja, die Trichterdächer der beiden kleinen Hinterhöfe, die ihre Abflußwässer auf den Oborun ergießen, als Oschoro, und die Gräben, die Wässer oft unterirdisch, unter dem Hause weg nach der Straße führen, als Balue. Ein solches Oschoro ist ein richtiges Impluvium, so ausgezeichnet, wie man es nur denken kann und wie es auch die Stämme in Nordkamerun und in Aschanti besitzen.
Gelegentlich der Erwähnung der Impluvialanlage der Graslandstämme wies Ankermann schon auf die Beziehung zur gleichen Architekturidee der Römer hin. Woher und von wem Rom dieses Haus direkt übernommen hat, können wir aus der Bezeichnung Atrium toscanicum schließen; denn das ältere Rom hatte anscheinend Rundhütten. Dagegen ist diese Impluvialanlage das wesentliche Glied der Bauten am Nordrande der Sahara. Hier ist eine solche Übereinstimmung der Grundidee, daß wir gezwungen sind, die Beziehung näher ins Auge zu fassen. Da kann es uns dann nicht entgehen,
daß von den beiden architektonischen Komponenten, Flachbau und Satteldach, das erstere so gut wie unverändert aus dem fernen Norden übernommen sein muß. Das Jorubahaus ist ein Tembenbau mediterranen Ursprungs, über den ein westafrikanisches Satteldach als Schutzbau gesetzt ist. Damit kann ich auf das zurückkommen, was als Ausgangsüberlegung immer wieder wesentlich erscheinen muß. Es wurde gesagt, daß die Joruba ihrem äußeren Eindruck nach das Produkt einer Mischung von Stämmen nordischen Ursprungs und westafrikanischer Altanwohnerschaft sein müssen. In dem wesentlichen architektonischen Material findet sich hier eine vollkommene Bestätigung. Wir haben es hier mit einem komplizierten Mischungsprodukt zu tun, das als solches große Ähnlichkeit mit einem Baustile aufweist, den ich seinerzeit in Nordliberia entdeckte, mit dem der Tomma (vgl. Bd. V). Dort war der Tembenbau in die Kegelhütte, hier ist der Tembenbau unter das westafrikanische Satteldach gesetzt. Das sind lehrreiche Beispiele der Durchdringung westafrikanischer Kultur mit wuchtigen Elementen aus dem Mittelmeer. Das mag als wesentliche Erkenntnis, als Leitidee gelten, wenn es gilt sich darüber klarzuwerden, woher das einzig schön und rein erhaltene Sozial- und Klansystem dieser Menschen stammt, das so ganz fremdartig in die Länder Westafrikas hineinragt, dessen Beziehung zum fernen Osten aber auf Grund schlagender Beweisführung in Parallelstoffen, wie eben der Architektur, immer deutlicher werden muß.Interessant ist übrigens die Weise, wie die Wände aufgeführt werden; es werden nicht Luftziegel runder oder kantiger Gestalt verwendet, sondern der gestampfte Lehm wird etwa 50 cm rundherum in Mauerbreite aufgeführt, und dann überläßt man der Sonne und der Luft das Austrocknen. Man läßt den Streifen austrocknen und setzt ein weiteres Meter auf. Man verwendet keine Bretter, aber das Verfahren hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Maurerart Kleinafrikas, die die Franzosen von dort übernommen haben, um ihre Verteidigungswerke zu errichten (Pis~bau!). — Zur Dachbildung dienen Holzpfähle, Bambusstangen und vor allem Palmblattstengel, zur Deckung ein rundes Blatt als Unterlage und Stroh darüber. — Die Kammerdecke liegt als Reihe schwerer Träger auf beiden gegenüberliegenden Wänden auf; darüber kommen Palmrippen und das Ganze wird mit Erde, die geschlagen wird, gedeckt. Es ist die gleiche Deckenbildung wie in dem größten Teile der Sahara und in Timbuktu.
Ein interessantes Verfahren schlägt man ein, um den langen Mauern Festigkeit zu verleihen. Man füllt mehrere ca. 3/4 m hohe Wasserfässer mit Erde und stellt sie übereinander als einen Satz. So entsteht eine schwere Säule. Den lehmgefüllten und beschwerten Topf verwendet man übrigens auch sonst, und zwar im Tiefbau.
Wenn eine abschüssige Straße auf einer Seite durch die starken Regengüsse in Gefahr des Abschwimmens schwebt, so gräbt man solche gefüllte Töpfe nebeneinander in die Erde und bildet so einen widerstandsfähigen Damm, eine Art Schutzwall, den die Wasser nicht abzunagen vermögen.Außer dem klaren, oben beschriebenen Stile kommen noch verschiedene Varianten und Abweichungen vor. Außer denen, die durch Vereinfachung und Arbeitermangel degeneriert sind, fallen einige Typen in die Augen, die fraglos eigene Beziehungen aufweisen. Am deutlichsten ist es bei einer Art kleinem Tempel, die man häufig inmitten breiter Straßen und auch großer Gehöfte sieht. Sie sind im Grundriß rund und mit einem Kegeldach versehen, dessen Außenwand auf Lehmsäulen ruht. Dann wieder liegt auch bei viereckigem Grundriß das Dach auf den Lehmmauern. Ersteres ist eigener Stil, letzteres eine Vereinfachung der Jorubahäuser nach Maßstab europäischer Bauwerke. —
Am Tage, nachdem ein Mann geheiratet hat und seine Frau der Familienmutterschaft würdig befunden, geht er mit seinem Weibe in den Banga, den heiligen Raum seines Orischa, also des Orischa seiner Sippe. Er bringt das Opfer dar, das diesem Orischa am genehmsten ist, und nachdem er, altem Kultus entsprechend, das Blut über das Heiligtum gespritzt hat, beginnt er zu beten, und zwar folgendermaßen: "Mein Vater Orischa! Mein Vater Orischa! Sieh diese Frau, die ich geheiratet habe. Es ist eine Frau, die richtig war. Ich habe die Frau geheiratet, nun gib du Kinder. Ich will dir auch das Tier (der Betende nennt die Tierart, die dieser Gottheit besonders angenehm ist) opfern". — Nach solcher Maßnahme und wenn sonst keine Sünden gegen den Willen des Klangottes gefunden werden oder wenn nicht ein anderer, übelwollender Orischa den Segen
an der Quelle zurückhält, kann der Mann sicher sein, das Weib bald gesegnet zu sehen. Sobald der Hausherr dies erkannt hat, empfindet er dem Sippenorischa gegenüber Dankbarkeit.Nun beginnt der Mann zu zählen. Für Frauen, die vordem nicht geboren haben, rechnet der Volksglaube zehn, für solche, die schon mehrere Kinder hatten, nur neun Monate Tragzeit. Soviel ist jedenfalls sicher, daß die Jorubamänner ihren Frauen nicht die Fähigkeit zutrauen, das Geburtsdatum auszurechnen, sich dagegen einzig in diesen Dingen für kompetent erachten. Sie sagen, die Frauen wären nicht imstande, solche Zeiträume zu überschauen, und auch die Weiber haben mir erzählt, daß dies nur die Männer vermöchten. Jedenfalls soll die Frau vom Tage der erkannten Konzeption an, so viel und so kräftig wie nur möglich, nicht nur Brei, sondern auch Fleisch verspeisen, damit das Kind recht kräftig und stark werde.
Mag der Mann im übrigen zählen so genau er will, er vermag nichts Entscheidendes zu sagen, denn die letzte Entscheidung behält sich stets der Orischa vor, und das Kind vermag den Leib der Mutter nicht eher zu verlassen, als der Orischa es verlangt. Das Ereignis selbst geht, wenigstens soweit die Eingeborenen das behaupten, meist sehr plötzlich vor sich. Lange Vorwehen scheinen diese kräftigen Weiber nicht zu haben, und so werden denn nie Vorbereitungen getroffen. Die Frau kann zur Farm gehen; bei der Arbeit überraschen sie die Wehen. Vielleicht auch beim Wasserholen oder auf dem Waschplatz oder auf dem Markte, wenn sie vor ihrem Stande sitzt und ihre kleinen Besorgungen macht. Das Verhalten der Frauen bei der Geburt ist ein verschiedenes. Erfahrene ältere Frauen sind tapfer, gehen in einen Winkel, spreizen die Beine, biegen die Knie und stützen sich vornübergebeugt darauf, so daß das Kind der Halbhockenden nach hinten entgleitet. Andere Frauen kreischen. Dann laufen irgendwelche in der Nähe befindliche alte Weiber herbei und helfen, halten sie in der Lage, stützen sie und pressen auch wohl von hinten den Leib. Wird es einer Frau allzu schwer, so wird ein Stampfmörser herbeigeholt, der die Kreisende umklammert. Jedenfalls wird es der Erfahrung und dem Mute der Frau zugeschrieben, ob die Operation schnell und ohne Hilfebedürfnis vor sich geht oder nicht.
Von Frauen mit gutem Blute sagt man, sie gäben den "Sack" und die Nachgeburt (Ibi) gleich von sich. Bei Frauen mit schlechtem Blute und unreinem Teint soll dies anders sein. Diesen muß man ein Medikament eingeben, damit alles hervorkomme. Die gesamten Stoffe werden in einer sehr guten Kalebasse zusammengenommen, diese dann mit einem zugehörigen Deckel versehen und am Waschplatz des Gehöftes, etwa einen halben Meter tief, vergraben. Tagtäglich wird dann das Wasser, mit dem das Neugeborene gewaschen
wurde, an dieser Stelle so ausgegossen, daß es über den vergrabenen Stoff dahinfließt.Die Nabelschnur (Idudu) wird der Mutter mit einem scharfen Messer abgeschnitten. Sie wird dann aufgewickelt, so daß das Knäulchen auf dem Kinderleib aufliegt, und mit einem blauen Baumwollfaden zusammengebunden. Es wird ein Kieselstein heiß gemacht. Der Vater wärmt durch Draufdrücken den Daumen der rechten Hand und drückt täglich um den Nabel herum des Kindes Leib. Dann reibt er die Stelle noch mit Schibutter (=Ori) ein. Nach etwa drei bis fünf Tagen fällt die Nabelschnur von selbst ab. Sollte das Kind nachher noch sterben, so nimmt der Vater ein klein wenig von der getrockneten Nabelschnur und ein wenig von den Haaren dieses Geschöpfchens, läßt es von einem Lederarbeiter in ein artiges Täschchen einnähen und hängt es dem Nächstgeborenen um die Stirne oder den Leib, damit dieses nicht sterbe. Sonst aber hebt er die Nabelschnur auf.
Es soll hier gleich das angeführt werden, was über die Geburt von Zwillingen in Erfahrung zu bringen war. Ich weiß nicht, ob im Jorubaland mehr oder häufiger Zwillinge zur Welt kommen als anderweitig oder ob man diesen Eindruck nur gewinnt, weil hier mehr auf solches Vorkommnis geachtet, mehr davon geredet und eigentlich von jedem Ereignis dieser Art ein Denkmal in die Welt gesetzt wird. Jedenfalls ist soviel sicher, daß Eltern und Verwandte sich über solchen Zuwachs ganz ungemein freuen und daß Zwillinge als besonders starke, d. h. im Sinne der geistigen Wirkungskraft kräftige Wesen geschätzt werden. Deshalb wird gleich nach der Geburt solcher Doppelgeschöpfchen eine ältere Frau gerufen, die selbst schon in gleicher Weise gesegnet war und somit das Ritual gut kennt. Sie bringt den Kleinen sogleich ein Opfer dar, und dieses Opfer wird, wenn auch in kleiner Dosis, ihnen alltäglich wiederholt. Ich traf mehrere Frauen, die Mütter von Zwillingen waren. Sie trugen eines der Wesen auf dem Rücken, das andere vorn im Lendenschnitt mit dem Kopfe am Mutterherzen. An solcher Tragweise erkennt man die Zwillingsmutter. Es war interessant zu sehen, daß die meisten der ihr Entgegenkommenden stehenblieben, ein paar Kauri, einige Kolanüsse oder kleine Münzen aus dem Sack nestelten und ihr zum Geschenk machten. Man schreibt der Begegnung solcher zwiefachen Mutterschaft Glück zu und erweist sich im voraus dankbar dafür.
Aber wie anderweitig gönnt auch hier das Geschick den kleinen Weltbürgern selten eine lange währende gemeinsame Pilgerfahrt. Trotz aller Vorsorge scheint häufig schon in jungen Jahren eines von beiden von der Welt Abschied zu nehmen. Die Mutter tut dann das, was diese Leute in allen Lebenswendungen zu tun pflegen, sie
"Ibedji"—Figur und Köpfe von Figuren (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Dieser Ibedjiglaube geht aber noch außerordentlich viel weiter und wirft ein grelles Licht auf mancherlei Anschauungsrichtungen. Wenn nämlich die kleinen Kinder einer jungen Frau in zartem Alter oder gar bald nach der Geburt mehrfach sterben, so nimmt der Volksglaube an, daß dieses immer wieder sterbende Kind eines von einem Zwillingspaar sei, dessen Partner den Mutterleib nicht habe verlassen wollen; das Erschienene sehne sich aber nach dem Zurückgebliebenen und verschwinde dergestalt immer wieder. In solcher Annahme entschließt sich die Mutter dann, außer andern Opfern für den Sippenorischa ein schweres persönliches zu bringen: sie schneidet sich ein Ohrläppchen mit einem Teile des Ohrrandes ab und wirft dieses fort. Danach nimmt man dann an, daß nicht nur das nächste Kind am Leben bleiben werde, sondern daß nun der ganze Zwilling als ein Pärchen seinen Einzug halten werde. Daß erst ein einzelnes Kind, das bald wieder sterben werde, geboren
werde, worauf dann ein Zwilling zur Welt komme, wird auch in folgender Weise erhellt: Wenn ein schwächliches Kind geboren wird, soll man es möglichst gut pflegen und ihm bestes Essen zuteil werden lassen, damit, wenn es abscheide, es nach Wiedervereinigung mit seinem Partner berichten könne, wie gut es auf dieser Welt, gerade in diesem Hause sich leben lasse. Durch solchen Bericht bestochen, kommt das Geschwisterchen dann das nächstemal mit. Somit sei es dann zu erklären, wenn auf Erstgeborene bald wieder Abschied nehmende Kinder nur in reichen Familien Zwillinge zur Welt kämen, während in armen Familien überhaupt selten Zwillinge erschienen, da die Kinder es hier nicht so gut hätten.Sehr bald nach der Geburt erfolgt die Aufnahme des kleinen Weltbürgers in die Gemeinde der Menschen, und zwar wird dies damit eingeleitet, daß dem Kinde, ob Knabe oder Mädchen, die Haare geschnitten werden. Es erfolgt das am siebenten oder achten Tage seines Weltendaseins und wird vom Vater ausgeführt. Dieser hat vorher an ferner und näher wohnende Familienmitglieder Botschaft von dem stattgehabten frohen Ereignis, und zu dem bevorstehenden Feste der bald nach dem Haarschnitt folgenden Namengebung Einladungen gesandt. Er hat Sorge getragen, daß gute Speisen bereitet wurden, daß Palmwein oder Mais- oder Hirsebier zur Stelle geschafft wurde, so daß die nun zusammenströmenden Gäste gut empfangen und beköstigt werden. Reichen Leuten kommt es an solchem Tage auch nicht auf ein Stück Rindvieh an, denn das Ansehen des Hauses sowie die Feier des Glückes verlangen auch im materiellen Sinne Opfer. Zweck dieses Festes ist, das Kind vorzustellen und ihm einen Namen zu geben. Wie wohl alle Westafrikaner, so sind auch die Joruben ungemein kinderlieb, und das unscheinbare und nach normaler Beurteilung nichtssagende kleine Wesen wird mit vieler Liebe herumgereicht, betätschelt und umspielt. Den Namen gibt dem Kinde der Familienälteste, also wahrscheinlich der Großvater, der Babanla. Man unterscheidet dabei anscheinend zwei ziemlich streng getrennte Formen der Namengebung, die zuweilen dem Kinde noch andere verschiedene Bezeichnungen eintragen. Einmal wird zunächst irgendein beliebiger Name gewählt, der dann später einem andern Platz macht. Denn ein Jorube kann in seinem Leben leicht mehrere Namen nacheinander tragen, wobei dann mit jedem Wechsel ein Austausch mit der älteren Bezeichnung verbunden ist. Das hängt von späteren Kultushandlungen und Besitzergreifungen durch die Gottheit der Familie ab. Nicht immer
führt das Kind nur diesen ersten, provisorischen Namen, sondern wahrscheinlich ist es, daß es an diesem seinem siebenten oder achten Lebenstage schon eine wichtige Beziehung zur Familie, Welt und Tradition antritt. Und das kommt so:Die Alten wenden der Beaugenscheinigung des Kindes alle Sorgfalt zu. Sie prüfen es ängstlich auf Familienähnlichkeit. Was aber bei uns nur ein liebenswürdiges Spiel ist, eine Schmeichelei für Vater oder Mutter, das ist bei ihnen eine ernste Sache. Man sucht auch nicht nach Ähnlichkeit mit Lebenden, sondern nach charakteristischen Zügen, die das kleine Wesen gemeinsam mit älteren Verstorbenen der abgeschiedenen Altersklassen, also z. B. mit dem Großvater, der Großtante usw. des namengebenden, derzeitigen Familienältesten hat. Es müssen Verstorbene der Vatersfamilie sein, mit welchen eine Ähnlichkeit festgestellt werden kann. Hat man eine solche gefunden, so gibt man dem Kinde den Namen dieses Toten. Und man erklärt gerade heraus, daß dieser Tote es sein müsse, der in dem Kinde wiedergeboren ist. Findet man eine solche Ähnlichkeit nicht an dem Tage, an dem es mangels deren einen provisorischen Namen erhält, heraus, so gewinnt es erst später, wenn es charakteristischere Züge entwickelt, seinen eigentlichen Namen, an dem man dann erkennt, wessen Seele in diesem Kinde wiedergeboren worden ist. Daß solche Namensgebung kein leeres Spiel ist, geht schon daraus hervor, daß das Kind mit diesem Namen auch die Verpflichtung übernimmt, alle Speiseverbote, denen jener Verstorbene persönlich frönte, nun ebenfalls strengstens innezuhalten, und zwar dies bis an sein Lebensende. —
Die Tätowierungsschnitte - um nach dem Haarschnitt gleich alle Behandlung des kindlichen Körpers zu erörtern -wie auch die Ausschmückung des Körpers mit Ziernarben erfolgt frühestens drei Monate nach der Geburt, kann aber auch ebensogut sehr viel später ausgeführt werden. Ich sah Kinder von einem Jahre ohne Male und solche von sicher zweijährigem Alter mit ganz frischen Narben. Tätowierung im allgemeinen heißt lila. Sie kann in verschiedensten Mustern ausgeführt werden, die, wie das Tätowierbuch zeigt, verschiedene Namen haben und nach verschiedenen Arten und Ursprungsstellen hinzuweisen scheinen. Mit Bestimmtheit wird versichert, daß der Vater sein eigenes Kind in dieser Weise verziere, und zwar gleichwohl, ob Mädchen oder Bube, genau nach den Mustern, die auch seinen Leib und seinen Kopf schmücken und wie er solchen Schmuck selbst seinerzeit von seinem eigenen Vater erhielt. Man kann so in einem Gehöft, in dem doch die verschiedensten Mädels und Buben herumstreifen, sofort erkennen, welche Kinder zu dem Stamme des Familienoberhauptes gehören, und in der Tat gilt dem Eingeborenen dieses äußere Merkmal als unbedingt sicheres
Zeichen der übersichtlichen Erkenntnis verwandtschaftlicher Gruppierung.Ganz anders verhält es sich mit dem Zahnverstümmeln. Bei den zentralen Joruba besteht dieselbe durchweg in einer Lücke im Ober.- gebiß, und zwar in der Mitte. Aus den mittelsten oberen Schneidezähnen wird soviel herausgeschlagen, daß nach den Eckzähnen hin eine Spitze, eine feine Nadel stehenbleibt. Die unteren Zähne bleiben ohne "Verschönerung". Die jungen Leute lassen dies ohne Wissen und Zutun der Eltern von einem Fremden ausführen. Allgemein wird gesagt, daß der Grund dieser Sitte darin zu suchen sei, daß ein junges Mädchen keinen jungen Mann leiden mag und mit ihm Freundschaft schließt, der nicht diesen Schmuck trägt. Das sagten mir Alte und Burschen und auch junge Dirnen. — Im übrigen betonen alle Leute, daß in der äußeren Markierung durch Gesichtsschnitt und Zahnverstümmelung nie eine Zugehörigkeit zu einem Orischa zu erkennen sei, und ich selbst habe auch keine Übereinstimmung nach irgendeiner Richtung erkennen können.
Jedes Geschlecht wird in kindlichem Alter einem Eingriff unterzogen. Aber dafür wird kein bestimmter Zeitpunkt festgesetzt. Manche Kinder erfahren das schon, wenn sie noch sehr klein sind, andere erst, wenn sie eine ansehnliche Größe erreicht haben. Den Mädchen wird die Spitze der Klitoris (= Ido) abgeschnitten. Als Grund der Operation wird angegeben, daß die Kinder bei der Geburt mit dem Kopfe diesen Teil des Mutterleibes nicht berühren dürften, da dies für das Neugeborene sehr häßliche Folgen haben würde. Also sieht man in dieser Maßnahme die erste Vorbereitung auf spätere Mutterschaft. Das abgenommene Gliedteil wird sorgfältig in Leder genäht und dann als Armring getragen. Früher als bei Mädchen wird die entsprechende Operation bei Knaben vorgenommen. Der Vater zieht dem Büblein die Vorhaut weit vor und schneidet sie mit einem Schnitt möglichst schnell ab. Das Operationsmesser heißt Obb. Atoto, das Präputium, wird in gleicher Weise in Leder gefaßt am Arme getragen. Einen wesentlichen Grund für die Knabenbeschneidung können die Leute nicht angeben und ersetzen ihn durch die Ausrede, es wäre eben eine von der Ureltern Zeiten an geübte Sitte.
Für den Entwicklungsgang des Kindes werden folgende Begrenzungen angegeben, denen natürlicherweise nur mit Vorsicht Beachtung zu schenken ist. Nach zwei Jahren soll ein Kind aufrecht stehen, nach zweieinhalb Jahren ziemlich sicher gehen können. Wenn das Geschöpfchen fertig laufen kann, so kann es aus eigenem Studium schon Nja oder ja = Mutter sagen. Die Mutter sagt nun oft zu ihm: "Sieh, das ist der Vater (=Baba)!" —und so ist das Wort Baba für Vater das zweite, dessen Kenntnis bald erlernt ist.
Nach drei Jahren soll das Kind vollkommen sprechen können. Diese Angabe halte ich nach meinen Beobachtungen und Altersschätzungen für richtig, die Angaben des Lernbeginns mit zweieinhalb Jahren für zu hoch gegriffen. Daß die Sprechentwicklung bei westafrikanischen Kindern spät einsetzt und dann sehr schnell vor sich geht, läßt sich kaum bestreiten, und im Jorubalande war ich genau wie anderweitig oftmals verblüfft über die frühzeitige Selbständigkeit der kleinen Buben und Mädchen, die nicht selten schon mit sechs oder sieben Jahren durchaus in der Lage sind, sich selbst durchs Leben zu schlagen.Das Kind wird ungefähr zweieinhalb bis drei Jahre lang von seiner Mutter genährt und während dieser Zeit wird diese sich strengstens dem Beischlafe enthalten. Versagt jedoch die natürliche Quelle, so teilt sie es dem Vater mit, der seine Rechte als Ehemann nun wieder geltend machen wird, um nach Möglichkeit eine neue Schwangerschaft zu erzielen. Wenn der mütterlichen Nährkraft nun auch nichts mehr zu entnehmen ist, so kann man hier wie anderweitig die schlechte Gewohnheit beobachten, daß die üblichen Beruhigungsmittel auch dann noch dem Kinde in den Mund geschoben werden, wenn nur noch die Erinnerung an frühere Labe eine Bedeutung haben kann. Schon bei kleinen Kindern wird damit begonnen, als Nebennahrung Eko, das ist Maismehl, das mit heißem Wasser angerührt ist, zu geben. Auch hier ist diese Nebenernährung eine notorische kleine Tierquälerei. Das Kind wird auf der Mutter Schoß gelegt, das Gesicht nach oben. Die gute Mama hält dem Geschöpf die Nase zu und gießt das breiige Zeug hinein. Prusten, Schreiversuche und Strampeln nützen nichts. Gefüttert muß sein, und ein Kind, das nicht einen unnatürlich aufgeschwemmten Leib hat, gilt als schlecht versorgt. Wenn man Eko an einem Tage appliziert, so gießt man am andern Agbo ein, einen Absud aus verschiedenen Blättern und Wurzeln. Regelmäßig wird mit Eko und Agbo abgewechselt. Ich habe mich immer gewundert, daß die Kinder diese Versorgung ertragen, aber der Mensch ist auch hier und in diesem kleinen Zustande viel zäher als man denkt.
Ein wirkliches Vergnügen ist es, die älteren Männer über die Erziehung des Kindes reden zu hören. Weder von hochstehenden Mande noch von Songhai, geschweige denn von andern Eingeborenen hörte ich je mit gleichem Bewußtsein, mit ähnlicher Überlegung und mit entsprechendem Zielbewußtsein über Pädagogik sprechen. Es hat sich aus der Erziehung anderer Westafrikaner hier unbewußt ein vollkommen klares und leicht übersehbares System von pädagogischen Grundsätzen herausgebildet. Verfolgen wir nun nacheinander, wie Bube und Mädchen in das Leben hinausgeführt werden.
Kann der Junge erst ein klein wenig laufen, so nimmt der Vater ihn jeden Morgen mit zur Farm hinaus. Ermattet er auf den langen Wegen, so trägt er das Kind ein wenig, doch achtet er immer darauf, daß seine ganze Kraft ausgenutzt und so weiterentwickelt werde. Auf der Farm angelangt, breitet er neben dem Felde, auf dem er arbeitet, ein Tuch aus und setzt das Kind darauf. Zuerst muß es zuschauen, wie der Vater arbeitet. Kommt die Frühstückspause, so nimmt der Alte neben dem Kleinen Platz, speist und gibt seinem Sprossen auch ein wenig ab. Ist das Tagwerk vollendet, so geht er mit seinem Buben heim. Der Vater macht dann ein ganz kleines Bündelchen von Jamswurzeln oder dergleichen zurecht, das muß das Bürschlein auf den Kopf nehmen und heimtragen; auf diese Weise soll es sich beizeiten daran gewöhnen, Lasten zu balancieren, und es als etwas Selbstverständliches empfinden, wenn das Einhergehen mit der Mühe des Tragens verbunden ist. Der kleine Bursche muß wieder heimlaufen, und auch über kleine Rinnsale wird er möglichst selten hinweggehoben, damit er lerne, im Wasser die besten Stellen zum Durchschreiten zu erkennen und damit seine Beinchen kräftig werden. Im nächsten Jahr stellt der Vater aus einem kleinen, beim Schmiede bestellten Miniatureisen und einem kleinen Handgrifflein eine Hacke her, die muß der kleine Sohn mit hinausnehmen, und während der Vater mit seiner schweren "Öko", der Arbeitshacke, die Erde umgräbt und Furchen zieht oder Haufen aufschichtet, ahmt der Kleine das Werk nach, und wenn der Vater seine zehn Haufen umgeworfen hat, muß der Kleine wenigstens einen vollendet haben, den der Alte dann belehrend ausbessert. Ist er müde, so darf der Bube sich ausruhen, doch nicht zu lange, so daß er nicht etwa einschläft. Hungert die beiden, so teilen sie die mitgenommene Speise, doch soll der Bursche nie soviel essen, daß er faul wird. Faul werden kann er abends. Sind sie heimgekehrt, so hat der Junge nicht sogleich die Erlaubnis, herumzuspringen und mit den Genossen zu spielen; damit er Gehorsam erlerne, muß er erst die etwas verzögerte Erlaubnis des Vaters abwarten.
Wächst er weiter heran, so daß er diese Sache gelernt hat, Ordnung kennt und Freude am Werk hat, so wird sein Selbstgefühl dadurch gesteigert, daß der Vater ihm ein eigenes Feld gibt, Korn und Saat schenkt, so daß er neben der Pflichtarbeit für den Alten noch für ein eigenes Besitztum Sorge tragen kann. Dieses Besitztum wird immer vermehrt, so daß er immer selbständiger wird. Auch weist der Vater ihm einen eigenen Platz im Gehöfte an, wo er erst eine oder mehrere Kammern bewohnen, später aber mit Hilfe seiner Kameraden und Altersgenossen ein eigenes Haus bauen kann. Zum letzteren wird er durch einen freundlichen Gemeindezwang geführt, denn die Altersgenossen lachen den Burschen aus, wenn er sich
nicht beizeiten an den Bau eines eigenen Hauses macht. Im übrigen bleibt seine Tatkraft dem Familienverbande durchaus erhalten. Hat er seine Ernte eingebracht, so überreicht er den ersten Segen seiner Mutter als Geschenk, einen weiteren Anteil seinem Vater. Ist er mit Erfolg als Händler auswärts gewesen, so kauft er unterwegs ein besonders schönes Stoffstück oder sonstigen seltenen Kram als Gabe für seinen Vater, schenkt aber einiges Kaurigeld von seinem Gewinn auch seiner Mutter. Und in dem Maße, in dem sein Anteil am Familienbesitze sich mehrt und dementsprechend der des Vaters (der mehr und mehr auf das Altenteil angewiesen wird) abnimmt, sorgt er zunehmend für die Erhaltung der alternden Eltern. Ist er der Erstgeborene und mit jüngeren Brüdern gesegnet, so wird er deren Erziehung ebenso leiten wie einst der Vater die seine, und das führt dann dazu, daß er für die Erziehung seiner eigenen Sprossen gut vorbereitet ist.Ganz ähnlich ist die Erziehung der Mädchen, die naturgemäß in den Händen der Mütter liegt. Das Verfahren ist ein gleiches. Die Mutter ruft das Kind, wenn es zum Spielen fortgelaufen ist. Es soll den Gehorsam lernen. Das kleine Wesen soll zusehen, wenn die Mutter Feuer macht und kocht; es soll daneben hocken, wenn die Mutter wäscht. Es läuft mit zum Brunnen, wenn die Mutter Wasser holt, und hier schon beginnt die direkte, praktische Belehrung, indem es zunächst eine leere Kalebasse auf dem Kopfe trägt, die später mit ein wenig Wasser gefüllt wird, dann reicher mit Inhalt versehen ist, und so über die erste Schwierigkeit des Balancierens hinweghilft. Geht dann die Mutter auf den Markt, so begleitet das Mädchen sie, sitzt neben ihr am Verkaufsstand und lernt aus den Worten der Mutter und der vorübergehenden Leute und deren Geboten qualitativen und quantitativen Wert der Waren und der Bedeutung des Kaurigeldes kennen. —Das Kind bekommt frühzeitig ein Spielzeug, eine kleine Holzpuppe, die man für wenige Muscheln beim Holzschnitzer kaufen kann. Diese Mädchenpuppen nennt man "Allangiddi". Das kleine Mädchen bindet die Puppe sich auf den Rücken und geht damit umher, genau so, wie es seine Mutter mit seinen jüngeren Geschwistern herumgehen sieht. Es spielt mit ihr wie europäische Kinder mit ihren Puppen, und wenn es abends auf sein Lager gelegt wird, muß die Puppe neben ihm schlafen. Die Jorubafrauen haben eine rührende Anhänglichkeit an diese leblosen Gefährten ihrer Kinderzeit; und ich habe mehrere alte Frauen nur mit Mühe dazu überreden können, mir diese Relikte ihrer Mädchenjahre für einige Schillinge zu überlassen. — Etwa mit zwölf Jahren ist das kleine Jorubamädchen der Reife nahegekommen.
Die Kinder beider Geschlechter spielen zwanglos miteinander. Irgendwelche erotische Regungen scheinen sich bei ihnen ebensowenig
vorzeitig zu entwickeln wie bei andern Westafrikanern. Die Mädchen sollen, wie wir unten sehen werden, auf jeden Fall unschuldig in die Ehe treten, und das ist, nach natürlich wenig zuverlässiger Behauptung, auch stets der Fall. Sollten die Eltern von einem Söhnchen hören, daß er allzufrüh irgendwo den Beischlaf geübt hat, etwa mit einer erfahrenen Verführerin, so nehmen sie ihn in das Haus, binden ihm die Hände zusammen und schlagen ihn so kräftig, daß er für einige Zeit gegen solche Versuchungen gefeit ist. — Aber nicht nur mit Strenge verfahren die Eltern nach vollendeter Versündigung, sondern es bestehen bei den Joruba Erziehungseinrichtungen, die direkt als mustergültig bezeichnet werden müssen.Sowohl Knaben wie Mädchen eines Stadtbezirkes wählen sich eine Leitung ihrer Spiele und ihres Lebenswandels. Die Führerin der Mädchen hat den Namen "Jegbe". Die Wahl und ihre Bestätigung geht in folgender Weise vor sich: Eines Tages, mag es sein, daß die Mädchen untereinander in Streit gerieten, den sie nicht zu schlichten vermochten, oder daß sie mit den Buben einen schwierigen Zwiespalt hatten oder daß sie sonstwie sich nicht zu helfen wissen, dann sagen die kleinen Dingerchen sich selbst, daß sie ohne eine Glucke nicht mehr auskommen. So machen sie sich auf den Weg zu einer alten Frau, zu der sie unbedingtes Vertrauen haben. Sie sagen zu ihr: "Wir möchten eine Jegbe haben". Die Alte sagt dann: "An wen habt ihr denn dabei gedacht"? Die Mädchen sagen: "An die und die". Als Jegbe wird gewöhnlich eine jüngere Frau gewählt, die Mutter eines Kindes ist und somit noch Sinn für Jugendspiele und liebenswürdiges Wesen besitzt. Ist die so geartete junge Frau noch ein vertrauenswürdiges Wesen, das guten Ruf genießt und als vertraut mit den Sitten und Gewohnheiten gilt, so ist die alte Ratgeberin aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Vorschlage der Kinder einverstanden, denn sie sollen nach Möglichkeit selbständig wählen, und man denkt nicht daran, ihnen einen Menschen aufzuzwingen. Durch solchen Rat und diese Bestätigung unterstützt, zerstreuen sich die kleinen Gesellschaftsbildnerinnen; jede geht heim und trägt den gemeinsamen Wunsch ihrem Vater vor, wobei sie sich auf das Urteil der erstkonsultierten Alten beruft. Es ist anzunehmen, daß dann auch der Vater, nachdem er mit seiner ersten Frau gesprochen hat, dem zustimmt. Bei überwiegender Mehrzahl beistimmender väterlicher Autoritäten ist dann die Sache erledigt. Die Erwählte selbst wird nun von dem Ergebnis dieser Verhandlungen in Kenntnis gesetzt und sie wählt sich unter den kleinen Dirnen die vernünftigsten und vertrauenswürdigsten aus, die mit Titeln versehen werden und mit ihr zusammen einen Stab bilden, welcher der Reihe nach folgende Namen trägt:
1. Nja Njegbe (d. h. Mutter Jegbe), 2. Bale (ihre Steilvertreterin), 3. Otun-Bale (die rechte Hand Bales), 4. Osi-Bale (die linke Hand Bales), 5. Ekeri-Bale (die vierte Bale), 6. Ekarun-Bale (die fünfte Bale), 7. Ekefa-Bale (die siebente Bale), 8. Balogun, 9. Otun-Balogun, 10. Osi-Balogun, 11. Ekeri-Balogun, 12. Ekarun-Balogun und 13. Ekefa-Balogun. |
Von diesen hat immer die dritte der zweiten, die vierte der dritten usw. zu gehorchen, so daß jedes der kleinen Persönchen in einem bestimmten Subordinationsverhältnis zu der Vorhergehenden steht. Die elf kleinen Würdenträgerinnen sind die Gehilfinnen der Jegbe und haben ihr Amt ernst zu nehmen. Wenn die Jegbe an irgendeinem Orte, wo bei den ihr unterstellten Kindern eine Unregelmäßigkeit vorkommt, nicht anwesend ist, so haben die etwa anwesenden Beamtinnen ihr von der Sache Bericht zu erstatten. Im übrigen leitet sie die Spiele der Mädchen, achtet darauf, daß sie die Tänze lernen, daß sie sich nützlich beschäftigen, keinen Streit beginnen, daß sie auch nicht belästigt werden, und liefert die ihr anvertrauten Kinder allabendlich nach Abschluß der Spielzeit im Gehöft daheim ab. Sie hat den Eltern auch über ihre Zöglinge zu berichten und sorgt dafür, daß, wenn Schwächlinge darunter sind, diese gerade besonders kräftige Nahrung erhalten. Es versteht sich von selbst, daß die Jegbe ihrerseits den Dank der Eltern, in materielle Form gefaßt, zu schätzen weiß und daß, wenn sie ihr Amt gut versteht, ihre Zöglinge bis an ihr Lebensende an ihr hängen.
Eine ganz ähnliche, wenn auch viel wesentlichere Vereinigung und Vergeseilschaftung wird auch den Knaben zuteil. Ist ihre Zeit gekommen, so treten die Burschen eines Tages irgendwo zusammen, besprechen die Sache, und irgendeiner schlägt wohl einen Baba Egbe (gesprochen: Babegbe) — d. h. einen Knabenführer - vor. Dann muß ein anderer einwenden: "Das ist ein schlechter Mann"! Das kann sowohl heißen, daß dies ein Mann sei, der in schlechtem Rufe stehe, als auch, daß es einer sei, von dem man sehr harte Behandlung werde zu erwarten haben. Ein anderer schlägt also einen zweiten vor. Rede und Gegenrede fliegen herüber und hinüber, bis man sich geeinigt hat. Wenn nun die Jegbe der Mädchen eine junge Frau war, so ist der Baba Egbe gewohnheitsgemäß ein älterer Mann mit beginnender Ergrauung der Haare.
Nach erfolgter Übereinstimmung zerstreuen sich die Buben und jeder geht heim, den gemeinsamen Wunsch der beginnenden Gemeinde dem Vater mitzuteilen. Jeder der Hausväter erwägt die Sache, geht, wenn er mit dem Vorschlage seines Sohnes einverstanden ist, zu dem Häuptling und gibt diesem von seiner Zustimmung Kenntnis. Hört der Häuptling von den verschiedenen Vätern, daß man mit dem Vorschlage im allgemeinen auf überwiegende Zustimmung rechnen darf, so läßt er den erwählten Mann selbst zu sich kommen und macht ihm von der erfolgten Wahl Mitteilung. Gleichzeitig ermahnt er ihn auch an seine Pflicht: er habe darauf zu achten, daß die Jungen die Alten ehren, daß die Jungen nicht die Frauen belästigen, daß sie nicht stehlen und dergleichen mehr. Der damit endgültig gewählte und bestätigte Baba Egbe beginnt nun seine Arbeit. Er führt die Jungen aus, bewacht sie und bereichert durch Anregung ihre Spiele, ihre Tänze. Vor allem schlichtet er auch ihre Streitigkeiten. Aus einer Auswahl, die er unter den älteren Knaben trifft, setzt er genau denselben Stab zusammen, wie wir ihn oben bei den Mädchen kennengelernt haben. Name und Amtsführung sind die gleichen, es ist eben eine Nachahmung der Staatseinrichtung der Erwachsenen. Der Baba Egbe soll ziemlich streng mit den Jungen sein, und wenn einer sich eine Respektlosigkeit gegen das Alter oder eine Rüpelhaftigkeit oder gar erfolgreiche Annäherung an ein weibliches Wesen hat zuschulden kommen lassen, so wird der Sünder in aller Gegenwart geschlagen.
Eine solche Gruppierung junger Leute, die in der Kindheit gebildet wurde und bis zum Beginn der Geschlechtsreife fortbesteht, trug in alter Zeit ihren eigenen Namen. Heute ist das nicht mehr Sitte. Ich erhielt nur Kenntnis von dem Namen Egbe Lasogba (soll soviel heißen wie: die in einer Umzäunung zusammengefaßte Gesellschaft), und Egbe Majengu (das ist: die zu Gehorsam vereinigte Gesellschaft). Wenn einer im späteren Leben sagte: "Ich gehöre zum ,Egbe Lasogba" oder: "Ich gehöre zum ,Egbe Majengu", so wußte jeder, welche Gemeinschaft oder Alterschicht damit gemeint war. Für die Burschen war in alter Zeit und ist wohl auch heute noch diese Vergesellschaftung einer Vereinigung fürs ganze Leben gleichstehend, jedenfalls in viel höherem Grade als für die Mädchen. Es war mir interessant zu hören, daß die Leute selbst die Vereinigung der Frauen und ihre Organisationen gewissermaßen als harmlose Kinderei bezeichneten und angaben, mit der Verehelichung einer Jegbetochter höre gewissermaßen Sinn und Wert für die Frau auf, während die Männer für das ganze Leben eine Kameradschaft von hohem Werte in ihr erblickten. Wir treffen also auch hier wieder, wie so häufig, die Erscheinung, daß der Mann von vornherein für die Gemeinschaft der Geschlechtsgenossen, d. h. für die
Bildung des Staates, eine viel stärkere Veranlagung hat als die Frau. Freit ein Bursche später, so ruft er seine Egbegenossen zusammen, daß sie ihm beispringen und seines Schwiegervaters Acker mit bestellen helfen. Heiratet einer, so kommen sie alle gemeinsam zur Errichtung des neuen Hauses zusammen. Freit er, so verschönert ihre Wiedervereinigung das Gehöftsfest. Jede Schwierigkeit im Leben findet die Burschen des gleichen Egbe vereinigt. Bis zum Grabe hält dieser in der Jugendzeit errichtete Bau aus, und wenn Greise zutunlich beieinander hocken und schweigend oder plaudernd dem Genusse des einfachen Geselischaftsinstinktes folgen, so darf man vermuten, daß ihrer Freundschaft Grundstein dermaleinst im Egbe gelegen war. In alter Zeit soll dieser Einfluß des Zusammengehörigkeitsgefühls so weit gegangen sein, daß die verschiedenen Egbes einander geschlossen gegenüberstanden und auch wohl Gegnerschaft bis in das graue Alter hinein unterhielten. Nur eines konnte die einzelnen Egbekreise zusammenhalten, das war die mehr oder weniger gewaltsame Institution des Ogboni, dessen eminente Wucht auch diese kleinen, wenn auch festen Geselischaftungen zu gemeinsamen Auswirkungen miteinander verschweißt.Ehe. — Wenn nun gegen Ende dieser Altersklassenerziehung ein Bursche sich in ein Mädchen verliebt, so macht er es ganz so ,wie wir Europäer auch oft verfahren: Er sucht die Erkorene an irgendeinem verborgenen Orte auf, um sie ungestört zu sprechen. Das Wort "Liebe" scheint in dem Lexikon solcher Unterredungen nicht vorzukommen, und an seiner Stelle wird von "Freundschaft" gesprochen. Mit einer Freundschaft ist aber nicht jene natürliche, kindlichnaive Paarbildung gemeint, der die Kabre und andere Völker sich so gern hingeben, sondern es ist darunter reelle Neigung und feste Verlobung mit dem Ausblick auf solide Verheiratung in durchaus vornehmer Gesinnung verstanden. Ist das Mädchen nun nicht etwa schon nach anderer Richtung hin gebunden - und besonders in älteren Zeiten waren "Jugendversprechungen" ebenso häufig wie in den Nachbarländern -, ist der Bursche ein rechter Kerl, verspricht er ein tüchtiger Hausherr zu werden und entstammt er außerdem noch einem wohlhabenden Hause, so geht daraus schon hervor, daß das Mädchen, wenn sie zur Aussprache überhaupt Gelegenheit gibt, nicht "nein" sagen wird. Jeder von den beiden Teilen sucht sich nun den Vertrauten und Vermittler seiner Wünsche. Für den Burschen ist der gegebene Mann der Baba Egbe, für das Mädchen ihre Jegbe. Und besonders letztere soll sich oft sehr energisch für ihren Zögling einsetzen; die Jegbe nimmt mit dem Egbe eine Rücksprache, um sich danach zu erkundigen, ob das Wesen und die Art seines Zögling seine Garantie für die glückliche Zukunft des ihr anvertrauten
Mädchens biete. Und wenn die Auskunft, die sie erhält, ihr Verantwortungsgefühl beruhigt, so begibt sie sich zum Vater der Erwählten, während der Burschenführer gleichzeitig den Vater des Jünglings angeht. So wird den beiden Eltern von autoritativer Seite zugeredet, und demnach sind alle Voraussetzungen des Gelingens gegeben.Während nun in den letzten Generationen (vor dem intensiven Eingreifen des allermodernsten, zersetzenden Wirtschaftslebens) diese Form der Ehevorbereitung mehr und mehr die Oberhand gewonnen hat, war es in älterer Zeit häufiger, daß zwei benachbarte und gleich begüterte Väter einander die Kinder zur Verehelichung versprachen, so daß jede andere freiwillig und selbständig entstandene Neigung hoffnungslos unterdrückt werden mußte. Die Joruben behaupteten nun erkannt zu haben, daß bei solcher Ehestiftung die Frauen eigentlich immer unglücklich gewesen seien und daß dieser Zustand der Jugendverlobung, der neigungslosen Verehelichung, so manche Jugendversündigung zur Folge gehabt habe, so daß man immer mehr von ihr abkam und zu der eben geschilderten Neigungsverehelichung übergegangen ist.
Haben die beiden Elternpaare sich einverstanden erklärt, so macht der Bräutigam zunächst eine gute Last Jamswurzeln von seinem eigenen Feldbau den Schwiegereltern zum Geschenk und wiederholt diese Gaben allfrühjährlich. Außerdem und vor allen Dingen stellt er sich wieder in jedem Jahre, wenn die Feldarbeit beginnt, zum Frondienste auf seines Schwiegervaters Äckern ein, und seine Egbegenossen kommen dann jedesmal mit, um mit Hand anzulegen, bis die vereinigte Jünglingsschar und das Hauspersonal des Schwiegervaters die Saatarbeit beendet hat. Derart erwirbt der Bursch immer mehr das Recht, die Braut dermaleinst heimzuführen, und man rechnet, daß nach durchschnittlich fünf- bis sechsjähriger Fronarbeit die Brautleute auch körperlich so weit herangereift sind, daß sie einander heiraten können. So erklärt sich denn auf entsprechendes Drängen die Familie eines Tages einverstanden und der Schwiegervater gibt die Eheerlaubnis. Der Bursche hat nun noch zehn Sack Kaurimuscheln (im Werte von etwa fünfzig Mark) zu überbringen, und dann sind alle Verpflichtungen seinerseits erfüllt. Im letzten Augenblick sucht aber der besorgte Vater noch einmal den Babalawo auf, den "Vater des Geheimnisses", den Orakeipriester, und bittet ihn, die Zukunft seiner Tochter vorauszusagen. Der Priester befragt das Orakel Ifas, und wenn es günstig ausfällt, so ist diese Sache erledigt. Der Vater der Braut nimmt das "Idana" genannte Brautgeld definitiv an und die Ehe wird vollzogen.
Nun wird das Hochzeitsfest glänzend vorbereitet, nach hiesigen Begriffen so reich wie nur möglich, indem der angehende Ehemann
Schlachttiere kauft und Getränke sowie allerhand leckere Speisen vorbereiten läßt. Alle Verwandte wie auch Freunde sind von nah und fern zusammengekommen. Es wird emsig geschmaust und gezecht. Einige Trommeln bringen Geräusche in die Umgebung und die jungen Leute tanzen. Ja, dann und wann tritt wohl auch einmal ein Erwachsener, ein Alter in den Kreis und führt seine ruhig grotesken Schritte aus. Bis zum Tagesgrauen währt der Hochzeitsball.Inzwischen haben ein paar alte Frauen aus dem Hause des Schwiegervaters drinnen das Brautgemach bereitet. Ein Lager ist säuberlich bereitet und in der Mitte ein weißes Tuch ausgebreitet, das sog. Ascho obofufurr. Mit Sonnenuntergang wird die Braut von den beiden alten Frauen in das Gemach geführt und auf dem Lager gebettet. Der Bräutigam zögert nicht lange. Die Ehe wird bei vollendeter Dunkelheit vollzogen. Währenddessen hocken die alten Frauen draußen. Wenn der junge Gemahl das Zimmer verläßt, kommen sie herein, beaugenscheinigen die Sachlage und geben sogleich ihre Freude über die hoffentlich auf dem Laken sichtbaren Beweise der Jungfräulichkeit zu erkennen. Sie ergreifen das weiße Tuch, legen es in eine schöne, neue Kalebasse, die dann mit einem Deckel geschlossen wird, und tragen sie eiligst in das Haus der Schwiegereltern. Dort angekommen rufen sie: "Mit eurer Tochter ist es in Ordnung!" Darauf allgemeiner Jubel, denn das ist eine Ehre. Die Frauen des Gehöftes ergreifen mit jeder Hand einen Kieselstein und schlagen im Takte gegeneinander. Tanz und Jubel füllt dann noch manche Nachtstunde.
Auch die ehrgeizigsten Joruba leugnen es nicht, daß die roten Zeichen nicht immer unbedingt beweisend sind und daß sie auch zuweilen fortbleiben, weil eben jenes zarte Schutzmittel der Natur schon vordem vernichtet wurde. In solchem Falle gehen die alten Frauen beschämt nach Hause, und der erzürnte junge Ehemann sendet das Weib, das ihn so enttäuscht hat, nicht etwa heim, wohl aber macht er sich am andern Morgen auf den Weg zu seinem Schwiegervater, um ihm persönlich seine Erlebnisse und Erfahrungen sowie Feststellungen der letzten Nacht bekanntzugeben. Die betrübten Schwiegereltern senden hin und lassen die böse Tochter kommen. Sie wird energisch zur Rede gestellt und so eindringlich zur Bekenntnis der Wahrheit ermahnt, daß sie zu guter Letzt beichtet und den schlimmen Räuber ihrer Ehre unter Namensnennung bekanntgibt. Dieser Sünder sitzt wahrscheinlich schon ahnungsvoll und des Kommenden gewärtig daheim, und wenn die Botschaft kommt, die ihn in das Haus des erzürnten Schwiegervaters ruft, so weiß er Bescheid und folgt der Aufforderung ohne Widerstreben. Auch er muß nun vor dem Schwiegervater und jungen Ehemann in Gegenwart der einstigen Geliebten eine Generalbeichte ablegen
und wird dies nach üblichem Leugnen auch tun. Der Europäer ahnt nun ein gewaltiges Strafgericht, eine blutige Schlägerei mit dem betrogenen Ehemann oder zum mindesten eine sehr schwere Strafe - aber nichts dergleichen. Er hat nur eine Reugabe und ein Opfer zu leisten. Vier Sack Kauri kostet der Fehitritt und Rückerstattung des Schafes an den Ehemann, der vor der Verehelichung ein solches als Opfer für die Jungfrauenentschleierung seinem Orischa dargebracht. Damit ist der Vorfall erledigt, und es ist keine Wahrscheinlichkeit, daß dadurch eine Trübung des Eheglücks hervorgerufen werde, um so weniger, wenn bei der jungen Gattin bald Zeichen der Schwangerschaft eintreten.Um die sexuell wichtigen Fragen gleich zu erörtern, mag erwähnt sein, daß Onanie nicht vorzukommen scheint, daß ein Eingeborener mir von einer Vermischung mit einem Esel zu berichten wußte, daß diese wohl aber kaum auf Joruba Bezug haben kann, da die Joruba Ibadans und der umliegenden Gegenden keine Esel haben. Das Beschlafen (ando oder dido) wird im allgemeinen in der in Europa üblichen Form vorgenommen. Im Südwesten, nach Dahome hin, kommt aber noch jene Form vor, die ich bei den Nordosttogostämmen, bei Tamberma usw. fand, die äthiopische, die auch alle Stämme im Osten des Nil und im Norden Abessiniens üben. Die Frau liegt. Der Mann hockt vor ihr, schlingt die Beine des Weibes um sich und begattet sie in dieser uns Europäern fast unmöglich erscheinenden Stellung. Im nördlichen Joruba ist solches Verfahren nicht Sitte. (Im übrigen: männliches Geschlechtsorgan obo; Penis=öko; Skrotum = ekwong; Vagina furo; Schamlippen kua-mu-obo; Koitus =ido.)
Wir müssen nun zum vollen Verständnis der nachfolgenden Erörterungen einiges nachholen. Schon oben gelegentlich der Beschreibung der Geburtsgebräuche erwähnte ich, daß der Orischa des Vaters es ist, der dem Weibe den Kindersegen gewährt. Mit der Verehrung des Orischa sind auch gewisse sehr ernste Gesetze über eheliche Verbindungsmöglichkeiten gegeben. Die Anhänger eines jeden Orischa sind bestimmten Speiseverboten unterworfen, den Ewo oder besser Ewuo. Im allgemeinen haben alle Anhänger, d. h. also Nachkommen des gleichen Orischa auch die gleichen Ewuo. Nun ist es mit einziger Ausnahme des Sangooberpriesters niemandem gestattet, ein Weib zu ehelichen oder auch nur sich geschlechtlich vorübergehend zu verbinden, das die gleichen Speiseverbote mit ihm hat, also dem gleichen Orischa opfert wie er selbst. Wir haben also strenge totemistische Exogamie. Das Volk zerfällt in Klane, als Nachkommen des Orischa, die hier Omo-orischa oder Omoische heißen und die untereinander exogamisch leben. Nur der Sangopriester allein darf Sangotöchter heiraten. Die Omoische sehen ihren Orischa als ihren
Ahnen, Altvordern, Ursprungsgott an und reden ihn deshalb, wenn er ein männlicher Orischa ist, mit "baba" und wenn er ein weiblicher ist, mit "ja", also mit Vater und Mutter an. Zieht die junge Frau in das neue Haus, so behält sie stets ihre angeborenen Speiseverbote bei, nimmt aber zuweilen noch die ihres Mannes auf sich. Der Mann dagegen pflegt die Ewuo seiner Frau nicht immer zu übernehmen, er darf dann aber alle Gerichte, die seiner Frau verboten sind, nicht von dieser herzustellen verlangen. Ja, er darf solche Nahrung gar nicht mit in ihren Wohnraum bringen. Die Kinder, die der Ehe entspringen, folgen dem Ewuo des Vaters.Auch dann, wenn ein unverehelichtes Mädchen die Folgen einer Liebschaft zur Welt bringt, haben die kleinen Geschöpfe dc::i väterlichen Speiseverbot zu folgen, und nur wenn sie entweder eine Hure ist oder aber im Dunkeln vergewaltigt wurde, —ohne also wissen zu könenn, wer der Vater ist -, nur dann übernimmt das Kind das Speiseverbot der Mutter, also des mütterlichen Großvaters. Der Großvater, respektive nach seinem Tode die Großmutter, ist es auch, die solche Kinder erzieht. Es bleibt aber immer der Grundsatz bestehen, daß nach Möglichkeit das Kind dem Vaterstamme im Speiseverbot zu folgen hat. Im Jorubalande gibt es zum Beispiel die Sitte der Wahlelternschaft. Wenn eines Knaben Eltern frühzeitig starben und er keinen Fürsorger hat, so kann er sich einen neuen Vater wählen (und dementsprechend ein Waisenmädchen eine Mutter). Bei der Wahl, die immer angenommen wird, weil sie die Bereicherung des Haushaltes um eine Arbeitskraft bedeutet, richtet sich des Knaben Augenmerk nach drei Richtungen: erstens der Vater muß ein angesehener Mann sein; zum zweiten soll er ein guter Mann sein; drittens und vor allen Dingen muß er unbedingt demselben Orischa opfern, dem sein Vater opferte und zu dessen Nachkommenschaft er demnach selbst gehört. Also im gleichen Klan findet der Bursche bei jedem Manne in solcher Notlage Unterschlupf.
Bei so strenger Aufrechterhaltung des totemistischen Verehrungswesens ist es natürlich, daß auch die junge Frau im neuen Heim nicht ohne eine kleine Kultstätte gelassen wird, da das große ganze Gehöft ja einen andern Gott anbetet wie sie selbst. Sie erhält aus ihrem Vaterhause gewissermaßen einen Ableger des großen Familienaltares. Die entsprechende Zeremonie findet am Tage nach dem ersten ehelichen Beilager statt. Die junge Frau kehrt noch einmal zu den Eltern zurück. Die Eltern bereiten sich zur Überführung des Orischa vor. Sie tragen das heilige Symbol vor der nachfolgenden Tochter her in die neue Wohnung, die der junge Ehemann als Privatgemach der Gattin ausgesucht hat. Dort wird an der Mauer oder in einer Nische die Sache hergerichtet. Der Vater der Frau verrichtet die vorgeschriebenen Opfer. Diese bestehen in Huhn oder Hahn,
Schaf oder Bock, Ziege oder Ziegenbock, Schnecken, Kola, Rum, Jamsbrei usw., je nach dem Orischa, was diesem angenehm oder auch nur erlaubt ist zu genießen. Hiernach wird von der Familie der jungen Frau an der Stelle (auf der Veranda von ihrem Gemache) abgekocht; es wird getrunken und getanzt. Solche Einweihung und Gründung einer neuen Heimstätte für den Orischa ist ein regelrechtes Fest mit tiefer Bedeutung für die Frau, denn da dem Ehegesetze nach der Mann ja einen andern Gott hat als sie, so muß es ihr immer ein Trost sein, sich vor dem fremden Gott immer wieder zu ihrem eigenen vom Elternhause her gewohnten Anbetungswesen zurückziehen zu können. Wenn alljährlich das ganze Gehöft nun das Hauptfest des darin herrschenden Orischa feiert, von welchem sie als Anhängerin und Nachkomme eines andern Gottes nur begrenzt teilnehmen kann, so hat sie ihre eigene kleine Privatveranstaltung. Es ist ihr Recht, das der Ehemann ihr unbedingt gewähren muß, und ihre Pflicht, die der Orischadienst ihr auferlegt, ehe dem großen Hauptorischa dieses Gehöftes das große Fest gefeiert wird, in aller Stille ihrem eigenen Gott ein kleines Fest zu widmen. Der Mann wird ihr unbedingt das nötige Opfertier geben und sie hat es dargebracht, ehe die Gäste anlangen, um das Fest des hausherrlichen Orischa mit großem Pomp und in lodernder Fröhlichkeit zu begehen.Die heutigen Ableger, die die Eltern dem jungen Weibe ins Haus bringen, sind natürlich ganz verschiedener Art. Die Elletöchter, die Nachkommen der Mutter Odudua (Erde), erhalten eines der kleinen Enjilleeisen mit Gabeln und Vögelchen. Die Schangotöchter werden ausgestattet mit einer Sere Sango (einer Klapper) und einem oder mehreren Blitzsteinen (Edungara). Den Osuntöchtern werden die Gelbgußarmbänder (Egba-t-osun), die sie zu tragen pflegen, außerdem ein Osuntopf, ein Koko Osun oder Aquille-osun, zuteil, in dem einige Kieselsteine aus dem Flusse liegen, der den Namen des Gottes trägt und in dem dieser Orischa leben soll. Ifatöchter bringen ihren in bunten Perlen abwechselnden Behang mit. Schankpannatöchter haben nur ihr Armband aus kleinen Kaurimuscheln, ihr Owo-nde, sonst nichts. Denn es ist strengstens verboten, den Gott Schankpanna von einem Orte zum andern zu tragen, und so muß sich die junge Frau damit begnügen, von dem Ehemann ein Huhn zu erbitten, mit diesem nach Hause zurückzukehren, und es dem gewaltigen und fürchterlichen Orischa im Heiligtum der Eltern darzubringen, wonach sie dann allen weiteren Verpflichtungen für diesmal überhoben, in ihrem Innern befriedigt wieder heimkehrt in das neue Wohnhaus zum Gatten.
Aber nicht nur geistiges Gut, sondern auch materiellen Besitz bringt die junge Frau mit in das neue Haus als zierende Kleidung
und Gerät ihrer wirtschaftlichen Betätigung. Mir wurde folgendes genannt:I Kidjig-pa, ein Umschlagtuch, und zwar je eines vom Vater und eines von der Mutter. Diese Tücher dienen als Frauenkleid, 2. Uni-jiga, ein Kopftuch, 3. Segi, Perlen, 4. Owuo, einen Besen, 5. Koko amu, einen Wassertopf, 6. Koko sasu, einen Soßentopf, 7. Awo, Teller, 8. Aru, Topf für Feuer, 9. Bako, Kalebassenlöffel, 10. Ademu, Trinkkalebasse, 11. Ban-schuku-Tragkalebasse, 12. Akwoti, Stühlchen, 13. Odo, Mörserkeule, 14. Obe, Messer, 15. Agbo, ein Korb, um Kalebassen, Töpfe usw. darin zu bewahren. |
Solchergestalt ausgerüstet, zieht die junge Frau ein, um ihr eigenes Handwerk als Hausfrau auszuüben und zu zeigen, was sie in ihrem Elternhause gelernt hat. Ganz einfach mag es dem jungen Ding in der neuen Umgebung nicht immer werden, denn es lebt noch manche alte Tante, Schwiegermutter oder so, die hier wie überall einen allgemein und leicht verständlichen Drang verspüren, der dahin geht, statt zu helfen, in eine Schablone zu zwingen. Somit wird der Weg zur Selbständigkeit, wie die Frauen selbst sagen, nicht leicht gemacht. Und doch muß sie es lernen zu leiten, denn sie bleibt nicht immer allein. Gerade an die erste Frau (Ehefrau = Obili-eni), die auf den speziellen Titel Jale hört, werden die höchsten Ansprüche gestellt. Nicht nur, daß man von ihr hofft, daß sie bald den Sohn des Hauses zur Welt bringen werde, daß also ihrer Mutterpflichten harren, sondern sie soll auch die Leiterin des Wirtschaftslebens im Hause sein, soll alle Vorräte verwalten, soll den Marktverkauf und -einkauf beaufsichtigen, soll achten, daß das Haus immer geputzt und Wände und Fußböden geglättet werden usw. Zumal in den Zeiten der Feiern und Feste, wenn alle möglichen angesehenen Gäste und Freunde und mancher hohe Herr zu Besuch kommen, muß sie es verstehen, die Leute des Haushaltes springen und anpacken zu lassen, und wenn man auch bei großen Festen der Joruba von dem Wirken der Frau nichts direkt sieht, so weiß man doch, was die Vorbereitungen beanspruchen und daß eben dieses lautlose Wirken dort wie bei uns ein Zeichen der besten Hausfrauen ist.
Und nicht nur, daß sie Vorräte verwaltet und die Sklaven und Sklavinnen beaufsichtigt! Nach einigen Jahren, wenn der Wohlstand
wächst, wird der Gatte eine zweite Frau heiraten, in späteren Jahren wohl noch eine oder die andere. Jede solche junge Frau zieht zunächst in die Kammer der Jale ein. Sie wird von der Jale in allem unterrichtet, wie der Hausherr es am liebsten habe, wie sie selber alles eingerichtet habe und zu handhaben pflege. Ist das neue Rad dann gut eingefaßt in den Gesamtorganismus, weiß die junge Frau Bescheid, so erhält sie eine eigene Kammer. — Aber nicht nur Frauen hat die Jale zu erziehen, zu beaufsichtigen und zu dirigieren, sondern auch noch manche Beischläferin. Die Joruba unterscheiden eine Ehefrau Obili-eni, eine Beischläferin Alle-eni und eine Hure Aguirri, welch letztere früher ihren Körper für tausend bis zweitausend Kauri preiszugeben pflegte und die nachts, zumal nach Zechgelagen, aufgesucht wurde.Die Kinder der Frauen und Beischläferinnen waren anscheinend gleich geschätzt, und besonders beim Erstgeborenen war es gleichgültig, ob er von der Jale oder einer Alle-eni stammte. Er wurde mit einer gewissen Ungeduld erwartet, und die Orischa wurden nicht emsiger mit Opfern bedacht, als wenn das Ausschauen nach einem Stammhalter aussichtslos blieb.
Inwieweit man den Lebenswandel der Jorubafrauen als tadellos bezeichnen kann, ist mir nicht klargeworden, denn ich fand in zwei Haushalten eine eigentümliche Sittenführung. In beiden lebten zwei Brüder. Es war eine Hausfrau da, die schlief mit beiden Brüdern abwechselnd. In beiden Fällen wurde mir die Sache ganz harmlos als etwas Selbstverständliches vorgetragen. Als ich dann in meiner Aussprache mit den Alten die Sache zur Sprache brachte, wurde mir zugegeben, daß ein solcher Fall allerdings nicht so sehr selten sei. Aber nur in einzelnen Fällen sei der eigentliche Ehemann mit einer solchen brüderlichen Teilung seiner Eherechte einverstanden, vielmehr sei er meist sehr ergrimmt, wenn er solcher Verwechselung der Besitzbegriffe auf die Spur komme. Er nimmt, so wird erzählt, seine allzu bereitwillige Frau dann in sein Gerichtszimmer, riegelt sie ab und verprügelt sie so kräftig, daß sie brüllend Besserung verspricht. Danach bringt er seinem Orischa ein Opfer mit der Bitte, daß das nicht noch einmal vorkommen möge, und endlich jagt er den allzu liebebedürftigen Bruder zum Hause heraus, allgemein verkündend, weshalb diese Vertreibung stattfinde. Immerhin handelt es sich hier fraglos um den Rest einer alten, nicht mehr angesehenen Sittenbildung.
Entdeckt der Ehemann sonst Zeichen, die ihm eheliche Untreue seiner Frau andeuten, so pflegt er unter den Eingang zu dem Gemache ein Medikament zu legen; darüber schließt er wieder sorgfältig die Tür. Überschreitet die Frau die Stelle und ist sie wirklich eine Sünderin, so entstürzt ihrem Geschlechtsorgan ein Blutstrom. Sie ist erkannt.
Abgesehen von solchen gelegentlichen Entgleisungen, darf man das Leben, das in einem großen Gehöft sich abspielt, als ein so glückliches bezeichnen wie nur möglich. Sicherlich verfiel manches Haupt der unteren Schichten, zumal die Sklaven, dem Opferschwerte der Ogboni und der Orischapriester. Auch drohte gerade den Wohl. habensten und Angesehensten ständig die Neiderrache des Ogbonisenates. Aber deswegen lag doch keine trübe Wolke über dem behaglichen, breitspurigen Lebensgenuß, dem die höheren Herren sich nach westafrikanischer Art voll und ganz hingaben.
4. Kapitel: Das Gemeinwesen
Arbeit. Beruf. — Fassen wir nunmehr die wirtschaftliche Grundlage der Eheverbindungen ins Auge, so treffen wir auf eine Fülle der Arbeiten und eine Anordnung der Arbeitsteilung, die uns unbedingt wieder daran erinnert, daß die Joruba ein kompliziertes Volk darstellen, dessen Faktoren verschiedenen Kulturen angehören. — So sehen wir die Frauen gänzlich befreit von jeder Mitarbeiterschaft am Feldbau. Feldbau, Hackbau ist hier Männerarbeit und in ihr dürfen wir für ältere Zeit die großartigste und wesentlichste Ausnützung der starken Sklavenmassen suchen, die früher einen Reichtum der Völker darstellten. Wir, die wir zu einer für die Landwirtschaft wichtigen Zeit in Ibadan waren, fanden im größten Teile der Gehöfte nur einige Greise, im übrigen aber einen Überfluß an Frauen. Alles, was Armkraft und Freude am Manneswerk hatte, war draußen auf den Farmen und widerlegte so den Satz, daß die Joruba außerordentlich faul seien. Ist der eigentliche Anbau Mannessache, so liegt der Verkauf der Feldfrüchte - und in Anbetracht der starken städtischen Bevölkerung, die das Jorubaland hat, will das im Wirtschaftsleben recht angesetzt sein -in den Händen der Frauen. Da nun damit so ziemlich der ganze Handel, so weit er nicht von Wanderhändlern bestritten wird, der Nahrungsmittelhandel jedenfalls, vollkommen in den Händen der Frauen liegt, so bedeutet dies allein einen so wesentlichen Teil von dem Gesamtbetriebe, daß er schwer überschätzt werden kann. Vor allem aber ist die ganze Nahrungsmittelbereitung Sache der Weiblichkeit. Jeder Brei, jedes Backwerk, Palmwein, Mais- und Sorghumbier geht aus ihrer Tätigkeit hervor. Viehbetrieb, der immerhin mit zur Nahrungsmittelbeschaffung gerechnet werden muß, kommt wenig in Betracht. Der Besitz an Großvieh ist nicht groß. Dagegen ist viel Vieh zugetrieben. Ziegen und Schafe, vor allem aber Hühner beleben in großer Menge die Gehöfte. Die Wartung, deren sie bedürfen, ist aber für Gehöftgetier Frauensache.
Die Wohnungsbeschaffung liegt der ganzen Grundlage nach mehr
in den Händen der Männer. Sie schlagen Holz und Palmrippen und bringen sie herbei. Die Frauen dagegen schneiden die Blätter zur Dachdeckung und tragen sie auf den Köpfen lastenweise zur Stadt. Die Mauern werden heute zumeist aus Ruinen errichtet. Die Männer werfen sie ein. Die Frauen zerschlagen diese großen Lehmblöcke mit keulenartigen Knüppeln, zerstampfen die Bruchteile zu Krumen, tragen Wasser herbei und mischen und treten und kneten den Brei. Richten die Männer die Mauern auf, so tragen sie die gekneteten Patzen heran. Ist das Mauerwerk fertig, so haben die Weiber den Boden glatt- und festzuschlagen, dann die Wände und die Sohle zu glätten. Auch später ist die Erhaltung der Wände ihr Werk, das sie gewissenhaft und geschickt ausüben. Zu diesem Behufe wird Pferdeund Kuhmist gesammelt und gegen die Wand geworfen. Immerwiederholtes Abreiben hat dann eine gewisse Politur und glimmerartigen Glanz bei vollendet schöner blauschwarzer Grundfarbe zur Folge.Bis auf bestimmte Berufe, die fast überall in Afrika die Männer ausfüllen, scheint auch hierin ein gewisses Gleichgewicht der Geschlechterarbeiten erreicht zu sein. Am meisten fällt das in der Weberei auf. Wie im gesamten höherentwickelten Sudan arbeiten die Männer am Trittwebstuhl, bei dem die Kette wagerecht gelegt ist und der breite, hand- bis doppelhandbreite, Bänder produziert. Dieser Webstuhl heißt hier Ofi-to-kuri. Die Stoffe, angeblich Dascha oder Aemowa, werden zu den Männertoben zusammengenäht. — Die Frauen dagegen haben einen stehenden Webstuhl, einen Griffwebstuhl, auf dem ganz breite Stoffe gemacht werden. Es sind die gleichen Stoffe, wie sie die Kabre und Tim anfertigen. Auch die Durchbrechungen werden hier in gleicher Weise ausgesperrt. — Dieser Frauenwebstuhl ist einer der schlagendsten Belege nordischer Beziehung. Dem Sudaner gehört sonst eigentlich der Männerwebstuhl. Es ist eine der wesentlichsten Tatsachen zur Beurteilung der Jorubakultur, dies Nebeneinander des von Männern gehandhabten Trittwebstuhles und des von Frauen gehandhabten Griffwebstuhles. Es liegt darin der Beleg einer großartigen Zwickelstelle, eines Knotenpunktes ersten Ranges. Im Norden und in der Sahara haben wir den Frauengriffstuhl, im Sudan den Männertrittstuhl, der nicht in der Sahara, aber am Nordrande des Erdteiles heimisch ist. Im südlichen Westafrika wird nun der Griffwebstuhl von Frauen gehanhabt. Dies ist aber nicht unvermittelt. Eben unsere Jorubaländer zeigen die Etappenstation, in der der Griffwebstuhl vom Mittelmeer her durch die Pforte bei Gibraltar dem westlichen und äquatorialen Afrika zuglitt und wo dann, da die Baumwolle hier nicht mehr heimisch war (?) oder gedeihen wollte (?),die Männer nach erythräischem Brauche das Frauengerät übernahmen, so daß es gerade hier dann aus der Hand des einen Geschlechtes in die des andern gelangte. —
Gerade an der Weberei, die so harmlos und selbstverständlich dasteht kann man die Bedeutung der Jorubakultur abmessen. Denn daß sie vom Norden stammt, dafür geben auch Rasse, Tradition, Architektur usw. Belege; daß sie aber eine Übergangsphase, eine Mitteisprosse ist, durch die südliche hervorragende und unerwartet vollendete Kulturerscheinungen in ihrer Herkunft aus dem Norden verständlich gemacht werden, das ist das Wertvollste. Und das Wichtigste ist: auch im Jorubagebiet werden Plüschstoffe gewebt, womit der berühmte Bakubasamt seine Erklärung erhält. Das sind wichtige und wesentliche, für die ganze große Völkerkunde eines ganzen Erdteils wichtige Dinge wenn sich auch eine jorubische Penelope nicht darüber klar ist, welchen Beweis ihre Tätigkeit für Entwicklung ganzer Kulturströme bieten kann.Und wie in der Weberei, so teilen sich auch in der Mattenfiechterei Männer und Weiber ins Werk. Bakiti, d. h. Männermatten, sind gröber, Ewuelle (große) und Atin (kleine) Frauenmatten, feiner. Damit ist die gemeinsame oder parallele Tätigkeit abgeschlossen. Bastweberei oder -flechterei wird in den Farmen nur von Frauen ausgeführt, und vor allem ist die Töpferei das eigentliche Frauenwerk. Wenden wir uns nun demjenigen Teile des Handwerkes zu, der nur von Männern ausgeführt wird.
Als eigene Berufsklassen kennt der Jorube: Eisenschmiede =Alagwede-illi-dudu, Gelbgießer =Alagwede-sude, Holzarbeiter = Onischna, Lederarbeiter = Onischona, Jäger = Ode. |
Es ist im höchsten Grade auffallend und bemerkenswert, daß diese sämtlichen Handwerker der gleichen Gottheit, nämlich dem Oscha ogun opfern. Sie sind dadurch in gewisser Hinsicht von andern Leuten gesondert, ohne daß ihnen aber im geringsten irgendeine Mißachtung oder besondere Verehrung zuteil würde. Mit ihren Töchtern kann sich jedermann verehelichen und sie erhalten auch Töchter jedes andern Orischa als Gattinnen. Also liegt dieser religiösen Geschlossenheit keinerlei kastenmäßige Absonderung zugrunde.
Was die Schmiede anbelangt, die zwei Repräsentanten in den Eisenleuten einerseits und in den Gelbgießern anderseits aufweisen, so konnte ich bislang nur folgendes feststellen: Die Technik der Arbeit muß zweierlei verschiedenen Ausgangsgebiete haben, denn alle Schwarzschmiede benützen für ihr Werk das westafrikanische Doppelschalengebläse ohne Ventil mit langen Druckstäben, die Gelbgießer dagegen das Baiggebläse mit Handschlußventil. Die Schwarzschmiede konnten mir nichts über ihre Herkunft sagen. Die Gelbgießer
aber geben durch die Reihe alle an, aus dem Norden zu stammen. Die angesehensten Gelbgießer der Stadt kamen aus Oyole oder Oyoro, das ist das old Oyo in der Illoringegend, das alte Oyo, das von den Fulbe Gandus zerstört wurde. Bei dieser Gelegenheit flohen viele Leute nach Ibadan, darunter die angesehenen Gelbgießerfamilien. Anderseits hörte ich auch Ilife als ein Heimatland der Gelbgießer nennen. Interessant und beachtenswert ist es, daß die Sage dem dort aus Tappa oder Takpa gekommenen König und Gott, Sango, einen reichen Gelbgußpalast und vielen Gelbgußschmuck zuschreibt. Die Schwarzschmiede ihrerseits besitzen keinerlei Ein.. wanderungssage. Alle Schmiede sind sich darüber einig, daß die Schmiede den Ogundienst zuerst gehabt und daß ihn dann erst die andern Berufe, die so sehr auf das Eisen angewiesen wären, übernommen hätten. Auf den Ogundienst kommen wir nachher noch zurück.Endlich müssen wir noch einer berufsmäßigen Ausbildung der Trommler gedenken, die eigentlich Oniku, nach ihrem instrument aber auch Anja heißen. Diese Priester der Fröhlichkeiten und Feste opfern nicht den Göttern der andern Joruba, auch nicht dem Orischa Ogun, sondern ihren Trommeln, den Anja. Denen geben sie auch einmal im Jahr ein Fest, gießen das Blut der Opfertiere auf die Instrumente und ergeben sich der Feier. Das diese Trommlerfeste nicht gerade in heiliges Schweigen gehüllt sind, bedarf wohl keiner besonderen Beweisführung.
In der Erziehung der Kinder haben wir vor Anbeginn an eine klare Gliederung nach dem Geschlecht erkannt. Die Mädchen vereinigen sich zum Jegbe, die Burschen zum Egbe. Wir haben gesehen, daß die Zugehörigkeit zu einem Bunde bei den Mädchen nicht viel weiter reicht als bis zur Ehe. Dann scheidet das weibliche Wesen aus der Erziehungsgenossenschaft aus und wird in seinem ganzen äußeren Leben nun an die Familie und an seine Kinder gebannt. im Gegensatz hierzu bleiben die jungen Männer, auch wenn sie längst dem Kindesalter entwachsen sind, durch die "Egbe-Genossenschaft" aneinander gefesselt und kehren bis in das Greisenalter hinein immer wieder zu den Jugendfreunden, die sie im Egbe-Bunde gefunden haben, zurück. Der Bund der Mädchen löst sich im Familienkreise auf. Der Bund der Buben aber erweitert sich zum Staatsleben. Wenn sie alt sind, wenn die Haare ergrauen, wenn sie als Älteste der Familien Wohlhabenheit und Einfluß ihr eigen nennen, treten die Glieder des Egbe in den Ogboni über, in den Bestand der alten Männer.
aufrechterhalten, äußert sich bei den Joruben die verschiedene gesellschaftsbildende Kraft der Geschlechter. Vielmehr können wir hier genau so klar wie bei vielen andern westafrikanischen Völkern die Erscheinung der Zurückdrängung der Frauen wahrnehmen. Der Egbe geht nicht nur in den Ogboni über, die Burschen gründen nicht nur fürs Leben festhaltende Bündnisse, sondern sie schütteln im gewissen Sinne auch jeden Einfluß, der von dem weiblichen Geschlechte ausgeht, ab, indem sie noch eine eigene Art von Institution pflegen, die den ausgesprochenen Zweck hat, gleich dem alten taceat mulier in ecclesia, die weiblichen Volksbestandteile schroff und ausgesprochen von der Männergenossenschaft abzuhalten, sie auszuschließen, sie auf ein anderes Nivau des öffentlichen Lebens zu bringen. Es ist dies die Institution des Oro.
Der Oro, auch Oru genannt, ist eine Männergeselischaft. Er ist eine Institution, die nicht im nördlichen Jorubalande entstanden ist. Angeblich soll sie von Abbeokuta ausgegangen sein. Es ist das zweifelhaft, aber jedenfalls hat sie in dieser Stadt doch ihren Hauptsitz, und was ich in Ibadan über diesen Oro hörte, stammte auch in der Tat aus dem Stadtviertel der Abbeokutaleute. Oro ist nun aber eigentlich und streng genommen nicht die Bezeichnung des Bundes, sondern die Bezeichnung eines Gerätes, welches, nächtlicherweile geschwungen, die Aufgabe hat, die Frauen in die Häuser zu jagen, sie zu erschrecken und von den Männerversammlungen fernzuhalten. Die Oro bestehen in länglichen an den Enden abgerundeten Brettchen, welche einerseits durchbohrt, hier mit einem Strick befestigt, und an diesem etwa anderthalb Meter langen Strick über dem Kopfe des Schwirrers geschwungen werden. Die einzelnen Instrumente haben verschiedene Größe und Stärke und bestehen aus verschiedenem Holze. Diejenigen, die ich in Ife erlangte, waren in zierlicher Weise mit Figuren in Relief geschnitzt; jedes Brettchen mit einer solchen, und zwar entweder mit einem Manne oder einer Frau. Ich erhielt auch eine Legende, die vom Ursprunge dieser Schwirrhölzer oder, wie sie die Engländer nennen, dieser buliroarer zu erzählen weiß. Sie lautet folgendermaßen:
In alter Zeit war einmal ein sehr armer Mann. Sein Vater hatte ihm nichts hinterlassen. Seine Frau war krank. Alle Frauen im Lande litten damals. Sie waren krank. Es konnte ihnen niemand helfen. Sie konnten nämlich nicht schlafen. Da begab sich der Mann in den Wald. Er schlug ein Stück Holz vom Igi (d. h. Baume) Oschurun. Er schnitt ein Stück Holz vom Igi Roko, er schnitt ein Stück Holz vom Igi Ire. Er nahm eines der Holzstücke. Er schnitt ein Stück Brett von der Form eines Gliedes. Er schnitt es flach. Er bohrte in das eine Ende ein Loch und zog eine Schnur hindurch. Er wirbelte es um den Kopf herum. Er nannte es Oro (es rauscht, es
Schwirrhölzer des Oro (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Dann nahm der Mann eines Tages seine Schwirrhölzer und ging mit den Burschen in die Stadt zurück. Er ging in sein Gehöft. In der Gondu legte er die Oro auf die Erde und sagte: "Dies ist mein großer Vater. Wir wollen ihm einen Schafbock und einen Hund zu essen geben. Vor allen Dingen wollen wir ihm einen Hund geben, denn mein großer Vater hat einmal den Weg verloren. Der Hund hatte ihn ihm gezeigt. Ohne den Hund hätte mein großer Vater den Weg nicht wieder gefunden." Die Frauen kamen. Die Männer kamen. (Man sieht, auch in der Legende dürfen die Frauen die Orobretter sehr wohl sehen, wenn sie an der Erde liegen!) Es wurden viele Schafböcke geschlachtet. Man schlachtete sie über dem Oro und ließ das Blut der Tiere über den Oro hinfließen. Dann aß man, dann trank man. Es wurde gegessen und getrunken, getrommelt und getanzt. Es war ein sehr großes Fest. Alle Leute waren sehr froh. Sie taten das für den verstorbenen Großvater.
Als es Abend war, sagte der alte Mann: "Heute nacht nun wird mein alter Großvater herauskommen und wird das Essen, das ich ihm gebracht habe, nehmen." Als er das gesagt hatte, gingen alle Frauen schnell weg (denn sie fürchteten sich). Es war Sonnenuntergang. Sie gingen in das Haus und riegelten die Türe hinter sich zu. Nachher gab der alte Mann den Burschen die Schwirrhölzer. Sie begannen sie zu schwingen. Einer sprang immer hierhin, dann dorthin. Man hörte ihn bald hier, man hörte ihn bald dort. Es war ein großer, ein sehr großer Lärm. Die Leute sagten: "Hört, das ist der alte verstorbene Vater selbst" (Baba Oro). Es war einer, der war schlank und in der Mitte ein Stein (ein altes Steinbeil) daraufgebunden. Die Leute sagten: "Hört, das ist der Hund des großen Vaters. Er bellt jetzt hier, er bellt jetzt dort." Die Leute schrien: "Adja Akaoko! Hekwa Oro! Hekwa Oro!" In den Häusern waren die Frauen. Der alte Mann betete zu dem großen Vater. Der alte Mann hatte viele Kinder. Die Kinder hatten wieder Kinder. Man nennt sie alle Omoru (entstanden aus: Ongo = Kind und Oro = Schwirrhölzer). Jedes Kind eines Omoru wurde wieder ein Omoru.
Diese Legende ist natürlich so zu verstehen, daß die Eingeborenen die Sitte und Einrichtung zu erklären suchten und in dem Erklärungsbestreben, welches den höhergebildeten Afrikanern ebenso eigentümlich ist wie den alten Griechen und uns Modernen, sind sie
eben zu dieser Legende gekommen. Sie ist insofern interessant, als hier auch ein Hund mit den Schwirrhölzern verbunden ist und als hier ganz ausgesprochen die Stimme des Großvaters des Verstorbenen, des verstorbenen Ahnen, von den nächsten Leuten vernommen wird. Wir haben im fünften Bande über die Äthiopen uns mit den heiligen Geräuschen schon beschäftigt. Hier will ich nur darauf hinweisen, daß ich auch bei den Leuten des oberen Niger von den Schwirrhölzern als den Stimmen der Ahnen und deren Hunde gehört habe und will hier betonen, daß bei vielen dieser Völker die Aussonderung der Frauen aus der zeremoniellen Männergemeinschaft eben durch die Stimmen der Ahnen, durch den Manismus, den Verkehr mit den Verstorbenen, erreicht wird.Es ist ein Verbot, ein Ewuo, daß die Frauen die Schwirrhölzer nicht in Bewegung sehen dürfen. Die Frauen dürfen den Oro sehen, wenn er am Boden liegt und wenn über ihm geopfert wird. Sie dürfen ihn aber nie in Tätigkeit sehen, sie dürfen niemals mit offenen Augen das ihnen dennoch bekannte Geheimnis erblicken. Das Schwirren sollen sie in keinem Falle ansehen. Es ist außerordentlich interessant, es zu erleben, wie dieses Verbot und die Furcht vor dem tönenden Instrumente nicht nur die Frauen der von mir überhaupt nicht aufgefundenen Omorofamilie, sondern auch die Anhängerinnen eines jeden wirklichen Orischa heute noch in einem geradezu erstaunlichen Respekt hält obgleich die Frauen die Schwirrhölzer ganz harmlos anfassen und tragen. So waren es stets Frauen und nie Männer, die mir die gesammelten Schwirrhölzer verkauften. Nie hat eine der anwesenden Frauen, welchem Bunde sie auch zugehörte, sich gescheut, die Dinge anzufassen. Oft ermahnte die eine oder die andere anwesende Frau aber zu meinem stillen Grimme die Verkäuferin, mir solche Sache ja nicht zu billig abzulassen, denn es wäre ein sehr wertvoller Gegenstand. Darauf trat dann gewöhnlich eine enorme Preissteigerung ein; wenn dies aber allzusehr übers Maß ging, dann brauchte ich nur das Schwirrholz mit der Rechten und die Schnur mit der Linken anzufassen und so den Eindruck zu erwecken, als wolle ich das Instrument in Bewegung setzen, und sogleich schlugen die Frauen die Hände vor das Gesicht, wandten sich um und fuhren kreischend auseinander. Ich mußte sie dann jedesmal beruhigen und auf das Komische, das in dieser Situation lag, aufmerksam machen. Denn dieses manchmal wiederholte kleine Experiment gewann mir ja nicht nur den allgemeinen Respekt, den alle Weiber der Joruben erfahrungsgemäß vor der Einrichtung haben, sondern es belegte auch schlagend, daß die Weiber den Griff des Oroschwingens kennen und gesehen haben müssen, sonst wären sie nicht gleich auseinandergefahren, wenn ich es nur kunstgerecht anfaßte.
Es ist also sicher, daß die Frauen von den Männern durch dieses
Instrument eingeschüchtert und ununterbrochen in gehörigem Respekt gehalten werden. Einstimmig wurde mir berichtet, daß früher Frauen, die sich während des plötzlichen Umzuges des Oro auf den Straßen hätten sehen lassen, unbedingt getötet und aufgehängt wurden. Bei der großen Vorliebe der Joruben für Menschenopfer und ihrer Geringschätzung des Menschenlebens ist das durchaus glaubhaft. Übrigens wurden für die Ausführungen des Nachtsummens nur schnelle und leichtfüßige Burschen verwendet, da die schwerfälligen hierfür ungeeignet waren. Es galt, bei der Vorführung bald hierhin, bald dorthin zu springen, bald hier und bald dort die Lärminstrumente in Bewegung zu setzen. In den Nächten, für die die Ankunft und der Umgang des Oro angekündigt wird,halten die Frauen ganz besonders gute Speisen bereit. Es wird dann Schafbock und Hund geschlachtet und die leckersten Gaben werden in Schüsseln draußen vor die Tür gestellt. Die lärmende Bande nimmt die Speisen und vertilgt sie. Als Belohnung für ihre freundlichen Gaben erschrecken die Brummer dann die Frauen durch ihr Lärmen bis zum Tagesgrauen, dann packen sie die Orohölzer wieder zusammen und legen sie an ihren Ort. Noch heute aber werden die Orohölzer aus dem Holze des Oschurun-, des Ire- und des Rokobaumes gefertigt. Besonders der Roko gilt als hervorragend schwirrkräftiges Gewächs. Man schreibt ihm auch die Orogi-Roko, die Irrlichter, zu, die an seinem weißen, mächtig hohen Stamme umhertänzeln. Der Baum ist voll magischer Kräfte, wenn er auch ebensowenig Orischa ist, wie der Oro selbst. Wie alle religiösen Institutionen der Joruben feiert auch der Orobund alljährlich ein großes Fest. Er ist aber im gewissen Sinne ein Rivale des Orischa. Denn kein Omoro, der also lediglich ein Verehrer des Oro ist, ohne aber einem Orischa anzuhängen, darf sich dem Tempel einer wirklichen Gottheit anbetend nähern. Wagt er es dennoch, so wird er verjagt und verspottet als Oroanhänger. So wenigstens wurde mir mitgeteilt. Ich selber habe keinen Mann kennengelernt, der nur den Oro kennt und die Orischa verleugnet. Wohl aber weiß ich, daß viele Orischaanhänger sich an dem Oro. spiele beteiligen. Es tritt also hier die Erscheinung in den Vordergrund, daß die staatenbildende und staatserhaltende Kraft an sich mit dem eigentlichen Orischasysteme nichts mehr zu tun hat. Staat und Gottheit sind bei den Joruben nur im gewissen Sinne miteinander verbunden. Das Orischasystem ist ein System der Familiengliederung, der Klanbildung. Es besitzt, wenn wir von der Schangofamilie und der Alafininstitution absehen, keine staatenbildende Kraft.Noch deutlicher fast konnten wir das erkennen bei jener Institution, die eigentlich die Staatenlenkerin ist, bei dem Bunde der Ogboni, von dem schon gesprochen wurde.
Hier ist aber noch eine ergänzende Notiz einzufügen, der im Anschluß
an die Oroinstitution Beachtung zu schenken ist. Die Frauen der Joruba sind nämlich ebenfalls in einem gewissen Sinne organisiert. Eine solche Organisation ist aber bislang nur in dem das Jorubaland von Tim bis Benue umgebenden Gebiete bekanntgeworden. Die versammelten Frauen eines Distrikts pflegen sich eine alte Frau auszuwählen, die den Titel einer Ijalode oder Jalode erhält und die in der Stellung einer solchen bis an ihr Lebensende bleibt. Sie ist die Richterin in allen Frauenstreitigkeiten. Wenn irgendwo eine Unregelmäßigkeit im Verkehr der Frauen vorkommt, so wird die Sache ihr vorgetragen oder, wenn gerade eine ihrer Vertreterinnen in der Nähe ist, diese sogleich zur Schlichtung herbeigerufen. Mit ihren Gefährtinnen hielt diese Frau regelrechte Gerichtssitzungen ab. Jede von ihr an genommene Sache überwies sie den Bale, sobald sie irgendeine wesentliche Bedeutung anzunehmen schien. Ihre provisorische Entscheidung fand dann evtl. Bestätigung. Die Jalode der Frauen hatte einen Stab von Gefährtinnen genau wie Jegbe und Egbe der Jugend. Diese Frauen hatten folgende Titel:Otun Jalode, Gehilfin an der rechten Hand, Osi Jalode, Gehilfin an der linken Hand, Abesse Jalode, die die Jalode nicht verlassen darf, Ekelin Jalode, die vierte Jalodegehilfin, Ekarun Jalode, die fünfte Jalodegehilfin, Ekeffa Jalode, die sechste Jalodegehilfin, Areago Jalode, die erinnernde Jalode. |
Diese Frauen standen in regelmäßiger Reihenfolge eine unter der andern. Nach allem, was ich gehört habe, ist ihr Einfluß im allgemeinen insofern ein günstiger, als das Gemeindewesen als solches durch sie von allzu großer Belästigung durch Klatsch und Weibergezänk freigehalten wurde, anderseits aber zeichneten sich gerade diese Würdenträgerinnen meistenteils durch Geschicklichkeit im Giftmischen aus.
Auch die jungen Mädchen hatten früher eine Jalode (siehe oben), die aber mütterlich über ihren Torheiten schwebte. —
ebensoviel Macht wie der Alafin. Die Städte sind selbständig und es scheint fast so, als ob sie von den Bale, einer Art gewählter Fürsten, beherrscht und regiert werden. Aber diese Bale haben ebensogut nur eine Scheinmacht wie der Alafin in weltlichen Dingen und der Oni in geistlichen. Der Schein trügt. Auch die Bale sind einer andern Macht unterworfen, und diese wird eben durch die Ogbonibünde dargestellt.
Die Stadtfürstentümer des Jorubalandes im weiteren wie im engeren Sinne sind Republiken, und die stolze Fürstenpracht ist ein Präsidentenhofhalt von jedesmal durchaus begrenzter Dauer. Präsidenten europäischer und amerikanischer Kulturstaaten haben längere Amtsdauer als die der Joruben, und diejenigen, die diese Amtsdauer in scharf gezogenen Grenzen halten und stets nach jeder beliebigen Richtung hin zur Durchführung ihrer Wünsche ausnutzen, das sind die heiligen Gesellschaften der Ogboni, welche wir schlechthin auch als Senate bezeichnen können.
Der Senat der Ogboni erweitert und erhält sich durch Zuwahl und ist eine oder vielmehr die wesentliche Grundlage des Staatsregiments -weit mehr noch als das Königtum. Ich erhielt eine hochinteressante Angabe, daß nämlich die Ogboni ursprünglich eine Einrichtung der Egba und nicht eine solche der Joruben gewesen seien. Die Egba hätten in alter, in ältester Zeit und lange, lange vor der Gründung Abbeokutas auch ein Gebiet von Ibadan besessen, hätten hier ihre Staaten gehabt und diese seien von den Ogboni gegründet worden. Dann seien die Joruben - das sei schon sehr, sehr lange her, da der Schango (?)ihr Alafin (Kaiser) gewesen -nach Ojo gekommen, hätten Ibadan eingenommen und die Egba aus dem Lande getrieben. Die Alafin hätten versucht, das ältere Regiment der Ogboni auszurotten, hätten es aber trotz aller Grausamkeit nicht vermocht. Das soll lange, sehr lange her sein, soll unendlich viel weiter zurückliegen als die ursprüngliche Gründung Abbeokutas, die auch früher sich vollzogen hat, als die eigentliche Geschichtserzählung zu sagen weiß. —Diese Geschichte wurde mir erst vom Oberhaupt des Ogboni in Ibadan vorgetragen.Ich übersah damals den Zusammenhang nicht, glaubte auch allzuviel Selbstvergötterung der Ogboni darin wittern zu müssen, sodaß ich sie zuerst als unwesentlich zurückschob. Dann hat sie mir aber später und ohne jede Beziehung zu dem ersten Berichterstatter ein alter Angehöriger der Alafinfamilie bestätigt. Damals war ich schon besser mit dem Verwaltungssystem vertraut, hatte es durchgesetzt, daß wir selbst in den Ogboni aufgenommen wurden, und somit war mir manches klar geworden, so daß ich den Leuten verständliche und der Sachlage entsprechende Fragen aufwerfen konnte.
Es ist wahr: Im Jorubareiche Ojos sind zwei Regierungssysteme miteinander verschmolzen. Das eine ist die Königsmacht, die sich
in der erythräischen Figur des Alafin ausgebildet hat, das zweite aber die Ogbonieinrichtung, die im Sinne der atlantischen Kultur aus ihrer Mitte einen Bale, einen Präsidenten nicht des Ogboni, sondern der Stadt hervorgehen läßt. Jede alte Stadt hat heute noch ihren Ogboni, das ist die Vereinigung der angesehenen Leute. Es ist eine Männervereinigung.Wenn Frauen, und zwar nach ganz bestimmter Auswahl, zugelassen werden, so waren diese doch früher nie im eigentlichen Sinne Mitglieder, sondern nur Angestellte des Bundes. Es waren anscheinend meist zwölf, und zwar sehr alte und in den schwierigsten und schlimmsten Künsten gewiegte Weiber, die die Aufgabe hatten zu spionieren und auszukundschaften und evtl. jemand geschickt den Giftbecher beizubringen. Sie gehörten als grausamste Unholde passend zu dem grauenvollen System.Die Ogboni umgaben und umgeben sich heute noch mit einem Schleier der Mystik und einer Dunstzone von Blutgeruch. Sogar heute, wo die englische Regierung schon seit einigen Jahren im Lande herrscht, fallen der blutigen Sippschaft noch Opfer. Bin ich doch selbst Zeuge der Stimmung und Erlebnisse einer derartigen Opferzeit gewesen. Der Ogboni nahm zu allen Zeiten nur alte, angesehene und vertrauenswürdige Leute in seinen Kreis auf, nur sog. "Ledi". An seiner Spitze stand ein Oluwo Oba, kurz auch Oluoba, Oba oder auch nur Oluo genannt. Das Amt ist erblich und liegt stets in den Händen eines Nachkommen des ersten Oluo. Dieser regierte in der Weise des Ogboni das Land so lange, bis die Alafindynastie nach Ojo kam. Der Oluo soll aber vom Egbastamm sein, und der alte derzeitige Inhaber des richterlichen Amtes in Ife rühmte sich der Altehrwürdigkeit seiner Familie jedesmal, wenn wir uns wiedersahen. Wenn irgendein wichtiges Ereignis in der Luft liegt, wenn irgendeine Maßnahme gegen den Bale oder gegen sonst einen würdigen Großen erwünscht ist, dann kommen die Mitglieder des Ogboni beim Oluwo zusammen, um die Angelegenheit zu besprechen, anzuordnen und in die Wege zu leiten. Ebenso versammelt sich der Ogboni jedesmal wenn ein angesehenes Mitglied aufgenommen werden soll. Die Aufnahmezeremonie wurde schon besprochen.
Um aber die ganze Macht des Ogboni verständlich zu machen, will ich das Orakel beschreiben, das diese dunklen alten Machthaber heute noch handhaben jedesmal, wenn ein ernster Fall ihren Wirkungskreis berührt. Dies Orakel heißt Mummule. Es besteht zum wesentlichen im Werfen von Kolastücken und hat folgenden Verlauf: Wenn irgendein Mann in der Stadt in seinen Unternehmungen, welcher Art sie auch seien, in letzter Zeit reichen Erfolg hatte, so daß er sich in kurzer Zeit vom armen Schlucker zum Wohlhabenden und viele Sklaven besitzenden Manne emporgeschwungen hatte, wenn er fernerhin keinen vornehmen Anhang hatte, d. h. also sich
als Emporkömmling über das Niveau seiner Familie hinaufgearbeitet hatte, so hängte man ihm beim Ogboni irgendeine Anklage an. Nicht selten war es der Bale selbst, der die Sache vor diese Gesellschaft brachte, es versteht sich von selbst, unter der Hand! Der Betreffende wurde dann vorgeladen. Wenn der Olowo auch ein Babalawo, ein Prophet und Orakelsager des Gottes Ifa war, so genügte doch solche Wahrsagerei zu solchem Zwecke nicht. Die Edafigur und ein oder mehrere Abebede wurden auf den Boden gelegt und ein richtiges Opfer an Huhn und Küken darüber dargebracht. Der Oluwo nahm dann eine Kolanuß zur Hand. Er weihte sie erst durch Auflegen auf die Figur des Gottes und zerbrach sie dann in ihre natürlichen vier Abschnitte. Er nahm aus jedem Teile ein Samenkorn heraus und warf es zu Boden. Dann schüttelte er die vier Segmente in der Hand und schleuderte sie neben der Figur auf die Erde. Die Abschnitte können nun natürlich so fallen, daß die runden Seiten nach oben liegen, oder auch so, daß sie gerade auf die runden Seiten fallen, so daß also die Samenkante nach oben ragt. Ein gutes Zeichen ist es, wenn sich von den vier Abschnitten je zwei in der ersten und zweiten Lage befinden. Wenn aber die Lage eine ungerade ist, so daß ein Teil nach einer Seite, drei aber nach der andern Seite zu liegen kommen, so ist das von vornherein ein entscheidendes und sehr schlechtes Zeichen. Daß Priester vom Schlage des Oluwo und Bundesglieder von der Art des Ogboni eine große Übung im Werfen der Kolaschnitte besitzen und daß sie das Orakel demgemäß sehr wohl zu dirigieren vermögen, ist selbstverständlich, ist von den Leuten auch zugegeben und mir vorgeführt worden. Wehe, wenn für den Angeklagten eine ungleichmäßige Lage der Kolaschnitte sich ereignet. In aller Eile wird er gepackt, wird sein Kopf über die Figur gelegt und mit dem schweren Edamesser vom Halse getrennt. Der Kopf wird in dem Hause des Oluwo aufgesteckt, der Körper hinausgeworfen auf die Straße. Nicht lange aber hängt der Kopf in der Luft. Schon am gleichen oder am andern Tage wird er in die Erde gegraben, und darin bleibt er drei Tage. Dann wird er aber herausgenommen, gut gereinigt und endlich aus dem Schädeldach ein Trinkgefäß geschnitzt, dessen Verwendung wir sogleich kennenlernen werden.War der Mann selbst in dieser Weise aus dem Wege geräumt, so machte sich die saubere Gesellschaft sogleich an die Teilung der Beute. Ich sagte oben schon, daß man sich für ein solches Verfahren im allgemeinen Emporkömmlinge aussuchte, also Leute, deren Verwandte noch nicht auf der Höhe der Entwicklung dieses einzigen Ausnahmeschößlings standen. Also hatte nur er selbst einen Einfluß, nicht aber der Familienanhang. Fiel nun er selber durch die Ermordung fort, so war die Familie ihrer einzigen wesentlichen Stütze beraubt und demgemäß der Familienbesitz vogelfrei. Man nahm die Sklaven, den
wesentlichsten Reichtum, und teilte sie zwischen dem Bale, dem Oluwo und andern Ogbonileuten. Man streute in der Stadt das Gerücht aus, daß der Mann in irgendeiner Weise gegen die derzeitige Regierung eine Verschwörung angestiftet habe.Mit dem Mitgliede einer von alters her angesehenen Familie konnte man natürlich nicht so einfach verfahren, denn ein solcher besaß doch immer mehrere angesehene Brüder, Schwäger, Schwiegerväter oder dergleichen, die für den Besitz eines auf diesem Wege geopferten Mannes sicherlich sehr energisch eingetreten wären.
Ich beschrieb, wie aus den Schädeln der Ogboniopfer Trinkschalen bereitet wurden. Sie wurden als Iba-Oli-Inja bezeichnet. Wenn irgend jemand beim Ogboni wegen Lügens oder Diebstahls angezeigt wurde, so füllte man den giftigen Trank hinein. Der Angeklagte ward zum Ogboni geladen. Er mußte den Aufguß aus der Schädelschale genießen. War die Anklage ungerecht und war er unschuldig, so ward ihm im schlimmsten Falle etwas übel, war er aber schuldig, so starb er an den Folgen dieses Genusses. Es war also ein Gottesgericht, wie es aus vielen Teilen Westafrikas bekannt ist.
Aber nicht nur auf solche recht einträgliche Gerichtsbarkeit beschränkte sich die Tätigkeit des Ogboni. Man sprach vielmehr den Messing- und Bronzefiguren des Ogboni eine ganz außerordentliche magische Kraft zu. Wenn der Bale z. B. erkrankte, so pflegte er noch vier solcher Opfer an den Ogboni zu senden, damit sie über den Heiligtümern des Ogbonibundes geschlachtet würden. Er tat dies aber sicherlich nicht nur der heiligen Kraft der Bildnisse wegen, sondern auch um den alten Mitgliedern und deren Genossenschaft, in deren Händen ja vor allem auch die Entscheidung über seine Amtsdauer und sein eigenes Leben lag, zu schmeicheln. Er opferte den Ogboniheiligtümern im selben Sinne wie mancher Fürst des Altertums und des Nilreichs. Er suchte sich stets gut mit dem Ogboni zu stellen und diesen in seiner Machtvollkommenheit zu bestätigen. Er konnte ja auch nicht einmal wissen, ob die Krankheit nicht das erste Symptom einer Vergiftung war, zu der ihn die alten Bürger verurteilt hatten, und ob sie ihm bei solcher Anerkennung ihrer Macht und bei der Schmeichelei, die in einem solchen Sklavenopfer lag, nicht doch noch wohlwollend mit Gegengift beispringen würden. So erkannte er denn gern ihre Gewalt und brachte dem Glanze des Ogboni seine Opfer dar. —Ferner glaubte man die Wunderkraft der Heiligtümer in der Weise ausnützen zu können, daß man, wenn Feinde gegen die Stadt zogen, die Symbole der Macht und geistigen Kraft vor den Toren der Stadt aufstellte. Nach dem Volksglauben schützten sie, zumal wenn Menschenopfer darüber dargebracht wurden. Und wenn das Mummule günstig ausfiel, so war man gewiß, daß die angreifenden Feinde bei ihrem Anblick tot zu Boden fallen würden.
Das Zeichen, an dem die Ogbonileute auf Reisen einander verstehen, besteht darin, daß sie die kleinen Messingfiguren am Arme tragen und sich vorweisen, und zweitens darin, daß, wenn einer dem andern sein "Ogboni" zuflüstert, der andere mit "Ogborra" antwortet. Wichtig erscheint mir auch die Mitteilung, daß die Ogboni in allen Zeremonien soviel Gewicht auf Bronze- und Gelbgußgerät legen. Diese Geibgüsse kamen in uralter Zeit aus der Stadt Ogbo oder Ogborro, die südlich von Ilescha oder Jescha und nördlich von Neu-Ojo liegt. Dort und in Ife haben sich die Ogboniinstitute lange bevor es noch einen Alafin gab, zu den heute starren Formen verhärtet, und von da aus haben die Egbaleute sein jetzt gültiges Wesen übernommen. Der Ogboni soll früher auch ein großes Okqua, ein heiliges Gefäß aus schönem Gelbguß, besessen haben, das aber gelegentlich eines Brandes von einer einstürzenden Mauer zerschlagen wurde. Sicheres über Ursprung und Verwendung hörte ich nicht, dagegen die mehrfach wiederholte Angabe, daß dieser schöne Guß weit vom Norden her, vom Niger, gekommen sei.
Diese Geibgüsse der Ogbonileute erinnern fernerhin an die Sage, daß die Institution vordem in den Händen der Schmiede gelegen habe. Da kann ich denn daran erinnern, daß in den Mandeländern die Numu, die Schmiedekaste, alljährlich, wenn sie den großen Guß für das heilige Ackergerät herstellen, nach langwieriger Zeremonie die Macht gewannen, die Amtsführung des Königs zu begutachten und evtl. ihn zum Tode zu verurteilen.
ein neuer Alafin aus der ersten Schangofamilie gewählt, der aber natürlich nicht die gleiche Blutsreinheit aufwies wie die alten Alafine des nördlichen Ojo in alter Zeit. Die Pracht des Königspalastes in Alt-Ojo wird als ganz erstaunlich prunkvoll geschildert. Die Lehmpfeiler waren mit Holzschnitzereien und Bronzeplatten bedeckt. So erzählt der Volksmund und so beweisen es die Funde aus Benin. Und meine Leute haben mir aus den Trümmern Alt-Ojos noch Schnitzwerke von ganz besonderer Schönheit gebracht. Weiterhin galt die Alafinfamilie als ein alter Volksstamm, der durchweg seine Kriege zu Pferde führte. Auch das ist wahrscheinlich; weniger wahrscheinlich ist dagegen die Angabe, daß in Alt-Ojo über 310 Könige aus dem gleichen Stamme geherrscht haben und daß deren Namen alle Leute der verstorbenen Generation noch gekannt haben sollen.
Die Joruben sind durchaus stolz auf ihren Alafin, ohne ihm aber irgendetwas mehr als traditionelle Höflichkeit zu erweisen. Die dem Alafin zustehende rein formelle Bestätigung der durch die einzelnen Staaten gewählten Bale wird selbstverständlich nie verweigert, und diese sind in ihren Maßnahmen unbedingt weniger von ihm als von den Ogbonileuten der eigenen Stadt abhängig. Der König hat seine hohen Beamten, wie Baschorun und Kriegshäuptlinge in Oja, jeder Bale seine eigenen Beamten in seiner eigenen Stadt. Die Würde des Alafin ist erblich, die des Bale nicht. Der Alafin regierte schon während der Dauer der letzten Dynastie bis zu seinem Lebensende, und nur wenn er es allzu arg trieb, sandten seine Großen ihm das Igbaoa, das ist eine bedeckte Schale mit Papageieneiern, die bedeutet: entweder du fliehst in den Busch oder wir bringen dich um. Dagegen durfte der Bale noch bis vor kurzer Zeit immer nur zwei Jahre hindurch sein Amt versehen; war diese Zeit verstrichen, so ward sein Leben schlankweg ohne Gnade abgeschnitten. Mit andern Worten: Es wurde ihm die notwendige Menge Gift beigebracht. Im übrigen war das Verhältnis der Würde des Bale zu der des Alafin in Joruba das gleiche wie im Songhaireiche das des Balama zum Kaiser. Die Übereinstimmung des Namens Bale und Balama ist kein Zufall. Der Name lagert als historisches Residuum über dem Lande zwischen dem Tschadsee und der Höhe des Nigerbogens.
War der Moment des Abschiednehmens für den alten Bale gekommen, so trat der Ogboni zusammen um festzustellen, wen man als Ersatz wählen könne. Der Neuzuerwählende sollte einerseits repräsentieren können, anderseits aber auch ein gefügiges Werkzeug der alten Machthaber sein. Man einigte sich im stillen oft erst nach tagelangen Streitigkeiten. Auch scheint man sich nicht immer dessen gewiß gewesen zu sein, ob der Neugewählte auch die Stellung annehmen würde. Denn es ließ sich nicht mit absoluter Sicherheit
sagen, ob nicht die jetzt für den neuen Herrn eintretenden Wähler nach verhältnismäßig kurzer Zeit seinen Tod beschleunigen würden. Die Balestellung hat eben ihre unangenehmen Schattenseiten. War man sich nun im Ogbonirat im klaren, so ward die öffentliche Wahl auf dem Markte vorgenommen. Hier traten dann die Alten auf Verabredung auf ihn zu. Sie hielten Zweige vom Ejeje und solche mit Akoko genannten Blättern (Blätter =Ewue) bereit. Diese legten sie dem neuen Präsidenten auf den Kopf. Ein Alter, wenn ich recht verstanden habe, der Oluwo, trat auf ihn zu und forderte ihn auf, dreierlei einzuhalten: erstens: jederzeit für jedermann zugänglich zu sein und jeden anzuhören, der ein Gesuch habe; zweitens: jede Klage gerecht zu beurteilen und bei keiner Sache sich durch die Stellung der Parteien beeinflussen zu lassen; drittens: sich besonders derjenigen Leute anzunehmen, die als Kranke zu ihm kämen, denn sie hätten viel weniger Umsicht, ihre Sache so klar und energisch zu vertreten wie Gesunde. — Man muß erstaunen über die moralische Deutlichkeit dieser Grundsätze. Aber man sieht doch daraus, daß dem bösen, egoistischen Regimente einiger ausgesottener und abgefeimter Menschenwürger ein gutes Werk für die große Mehrheit entspringen könnte. Diese grausamen Alten konnten ihre Herrschaft über die ganz große, in alter Zeit nach mehreren Hunderttausenden zählende Bevölkerung solcher Städte nur dann aufrechterhalten, wenn sie dieses schöne Programm als Regierungsprinzip laut verkündigten, konnten sich aber, in Anbetracht der Wucht dieser enormen Bevölkerungsziffer, der rückwirkenden Kraft solcher Proklamationen und Präsidialverpflichtungen natürlich auf die Dauer auch nicht entziehen.Der Bale ward dann mit den Prunkstücken seiner Macht ausgestattet. Er erhielt das aus Silber (Fadaka) hergestellte Armband, in dem jene Ewue Ejeje und Ewue Akoko eingeschlossen waren, die bei der Wahl auf dem Marktplatz seinen Kopf bedeckt hatten. Der Rest der Zweige ward aufbewahrt. Der Bale erhielt fernerhin das Lederkissen "Timtim", dann ein herrliches, Otun und Osi (rechts und links) genanntes Samtkleid, das hier an Stelle des gewöhnlichen, Agbada genannten Uberwurfes tritt. Ein besonders schöner Hut und manches andere Prunkstück vervollständigen die Staatskleidung, die dem Herrn Präsidenten, genannt Bale, am Tage seiner Wahl überreicht wurde und die ihn über das unangenehme Gefühl, nie wissen zu können, wie lange die Freude dauern würde, hinwegtäuschen mußte. Es war bezeichnend, wie einer meiner alten Berichterstatter schmunzelnd erwähnte: "Wenn er das schöne Kleid sieht, wenn die Trommeln geschlagen werden, dann vergißt der neue Bale, daß das Leben sehr kurz sein kann".
In Ede, in Oschogbo und anderweitig, vor allem in Ojo, haben die
Staatsleiter besondere Paläste als Dienstwohnung. In Ibadan dagegen wohnt der Bale jeweilig in seinem eigenen Hause. Er bleibt auch nach seiner Wahl in dem von den Vätern ererbten Gehöfte wohnen und erhebt es zum Palaste. Man sieht, der großmächtige Bale ist von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet nichts weiter als eine erweiterte, vergrößerte und offiziell abgestempelte Ausgabe des echten westafrikanischen Dorfschulzen, der sich von den Typen seiner andern Brüder nur dadurch wesentlich unterscheidet, daß er in großartigem Zeremoniell gewählt wird, daß er und seine ganze Familie während der Amtsdauer bedeutendes Ansehen und bedeutende Einnahmen genießt und daß seine Existenz in bestimmte feste Grenzen der Amtsdauer eingeschränkt bleibt.Der Beamtenstab des neuen Herrn rekrutiert sich zunächst aus der eigenen Familie. Bei den Mossi, Tim, Nupe usw. traf ich die Einrichtung von Pagen, die als Boten und bessere Arbeiter, teilweise auch als Vertraute verwendet werden und die Herrscher meist in größerer Menge umgeben. Bei den westlichen Fürsten habe ich nie gehört, daß ein besonderer Familien- oder Sippenstamm das Pagenmaterial geliefert habe. Der Bale hat dagegen den Vorzug, daß seine eigenen Kinder solche Stellungen einnehmen können. Sie wurden in Ibadan "Madgwele" genannt und sind durch ein Samtkleid, "Togu", ansgezeichnet, das die Wähler am Wahltage stiften. Im Gegensatz zu westlichen Sitten dienen übrigens nicht nur Burschen, sondern auch die Töchter des Bale als Madgwele. Wenn sie in ihrer Amtstracht irgendwo auftreten, muß dem überbrachten Befehl des Bale Folge geleistet werden.
Der eigentlich hohe Beamtenstab des Bale besteht aber aus:
Otun-Bale, das ist der Stellvertreter des hohen Herrn, Osi-Bale,der Stellvertreter linker Hand ,anscheinend an vielen Orten ausgestorben, Balogun, der oberste Minister, Otun-Balogun, die rechte Hand des Balogun, Osi-Balogun, die linke Hand des Balogun, Assiqua-Balogun, der dritte Balogungehilfe, Abesse-Balogun, der vierte Balogungehilfe, Ekarun-Balogun, der fünfte Balogungehilfe, Ekefa-Balogun, der sechste Balogungehilfe, Asadju-Balogun, der vor dem Bale herschreitet, Djagun, der Scharfrichter, Ologbo, der als Stellvertreter des Bale das Richteramt vollführt, Schobalodju, Maje, ~ Ikolaba, }das sind Rechtsverständige. Areagu, J |
Diese Reihe ist sehr unvollständig, da viele Beamte der alten Zeit nicht mehr funktionieren. Auch haben sich in den verschiedenen Staaten verschiedene Ämter ausgebildet, wie ja auch die Könige in verschiedenen Gegenden verschiedene Titel führen. Anderseits scheint es mir, als ob, entsprechend jeweiligem Ansehen und Einfluß geschickter Persönlichkeiten, das eine oder andere Amt modisch geworden sei, dann mit andern abgewechselt habe und schon kurz nach der Entstehung und Blütezeit wieder verschwunden sei. Überall ist aber als Grundlage zu erkennen, daß ein Beamter immer unter dem andern steht. Jeder wird von seinem Hintermann evtl. vertreten. Es wird später auf manche Ämter zurückzukommen sein, die in neuerer Zeit gänzlich verschwunden sind.
Diese Beamten werden teils vom Bale, teils vom Volke gewählt. Das Volk selbst bestimmt vor allen Dingen den Djagun, der Bale die Reihenfolge der Balogune. Die Sachverständigen der Rechtswissenschaft scheinen sich entsprechend der Kenntnis und Erfahrung ergänzt zu haben. Jedenfalls waren sie sehr wichtig, hockten abwechselnd oder gemeinsam um die Person des Bale herum und berichteten ihm bei jeder zu erledigenden Sache über etwaige "Vorgänge", erfüllten also nicht nur jeden Wunsch nach einem "Simile", sondern kamen ihm zuvor, indem sie mit ihm über alte geschichtliche Beispiele sprachen.
Die Balogune, die, wie gesagt, der Reihe nach immer einer unter dem andern stehen, sollen vordem auch die Ogun Illua Amanno, d. h. die Kriegshaufen, die aus verschiedenen Distrikten ausgehoben wurden, geleitet haben, und zwar je nach Bedarf unter der Führung eigener Häuptlinge, die ihrerseits den Balogunen als höheren Führern unterstanden. Sicher bin ich mir der Richtigkeit dieser Behauptung nicht, da ich aus andern Angaben den Eindruck gewann, daß die Balogune mehr Minister als Kriegsherren gewesen sind. Kriegerische Rüstungen und Kriegshaufen überhaupt wurden immer aufgebracht, wenn Sklavenkriege in fernen Gegenden ausgeführt werden sollten.
In früherer Zeit soll der Bale von Ibadan manchen Zug zu solchem Zwecke zu den Kukuruku gesandt haben; auch wurden nicht nur dann und wann Fehden in andern Städten ausgefochten, sondern der Bale benötigte dieser Kriegshaufen auch im eigenen Lande, und das ward nicht allzu selten in folgender Weise veranlaßt:
Alle Männer der Gemeinde, die unter dem Präsidium des Bale lebten, waren verpflichtet, ihm bei der Bestellung seiner Äcker zu helfen. Arme legten selbst Hand mit an, die Wohlhabenden sandten ihre Sklaven. Solcherart gemeinsames Werk wurde vom Bale durch großartige Bewirtung der Arbeiter oder Arbeitsherren und durch Verteilung von Nahrungsmitteln vergütet. Während nun die in der Nähe Wohnenden die Arbeit ausführten, brachten die Fernerstehenden
gewissermaßen als Ausgleichssteuer die Nahrungsmittel, Speisen und Leckereien für die großen Abfütterungen heran, und gleichzeitig, wenn die Botschaft des Bale an die umwohnende Bevölkerung die Aufforderung, zur Arbeit zu kommen, überbrachte, gingen andere Sendlinge zu den ferner Wohnenden und forderten Lebensmittellieferung.Die Pagen fielen nun wohl in ferner gelegene kleine Gemeindewesen ein, um zu veranlassen, daß dieser Aufforderung nicht nachgekommen würde. Bösartige Zungen meinten spöttisch, der Bale habe in letzter Zeit solche Unbotmäßigen nicht gar so ungern gesehen, denn sie gäben ihm Veranlassung, seinen Besitz zu mehren. Denn kaum waren die Berichte über die Ungehorsamen angelangt, so berief der Bale einen Kriegshaufen, stellte ihm einen kriegerischen oder diplomatischen Leiter an die Spitze und sandte ihn ab. Die Leute rückten in die aufrührerische Gegend, näherten sich möglichst unauffällig, damit die Dörfler nicht etwa entwischten, und fielen dann über die kleine Gemeinde her. Männer, Weiber und Kinder, alles, was nur leidlich handfest und kräftig war, ward gefangengenommen. Oftmals soll nur die Hälfte der Bevölkerung dageblieben, die andern glücklich entflohen sein. Von diesem Rest war der größte Teil männlich, denn die Weiber konnten amwenigsten leicht entfliehen. Alle Gefangenen wurden nach der Heimstadt gebracht und dem Bale vorgeführt. Er verwandte einige von ihnen für den eigenen Haushalt, in dem sie als Sklaven und Frauen dienten, verschenkte andere und verkaufte den Rest.
Der glücklich entronnene Teil der Einwohner sammelte sich nachher auf den Trümmern seiner Siedlung und sandte Boten an den Fürsten, die als Zeichen der Unterwerfung Blätter auf den Köpfen trugen. Sie wurden dann begnadigt. Wenn eine Deputation mit dieser Nachricht zurückgekehrt war, begann die Bevölkerung wieder emsig zu arbeiten. Die Felder wurden bestellt, die Häuser neu errichtet. Die Männer arbeiteten jetzt doppelt fleißig und suchten möglichst schnell genügendes Geld zu verdienen, um baldigst in ein fernes Land zu gehen und dort sich eine neue Frau erwerben zu können. Denn infolge der Strafexpedition des Bale waren der Gemeinde die meisten Frauen fortgenommen worden. Mit den neugewonnenen Frauen kehrten die Männer zurück; der Kindersegen stellte sich ein, und wenn die Gemeinde wieder ansehnlich herangewachsen war, so entsandten sie an den Bale eine neue Botschaft mit der Bitte, ihnen einen Adjelle, einen Häuptling zu geben. Der Bale tat es, und von nun ab folgte die verjüngte Gemeinde dem Befehle des Herrn und blieb botmäßig. Die Adjellewürde der kleinen Gemeinden ist aber nicht erblich, sondern es wird nach dem Tode eines jeden von dem regierenden Bale ein neuer ernannt.
Die königliche Leiche findet in einem riesigen Topfe, einer gewaltigen Urne, Aufnahme. Die sogenannnten Banka oder Onitsche Awuo tragen diese Graburne nach einem Platze, der Koso heißt und mitten im Busche liegt. Dort draußen ist ein Königsgrab neben dem andern. In Neu-Ojo wird ein tiefes Loch gegraben. Dahinein versenkt man die lebendigen Begleiter der Totenfahrt und das Riesengefäß mit der Leiche des Königs. Man bedeckt dies Grab des Lebens mit Erde und errichtet einen Hügel. Dann wird das Pferd des Königs auf diesem geschlachtet und dem Herrn so nachgesandt. Anders war das Vorgehen in Alt-Ojo. Dort hob man eine tiefe Grube aus, zu der von
Osten und Westen je ein Gang führte. In der Mitte ward der Hügel darüber aufgeworfen. Allen Beschreibungen nach muß ich annehmen, daß diese Grabform dem Binigrabe der Songhai entspricht.Man sagt dann: "Der Alafin ist in Schangos Reich gegangen!" oder aber: "Der Alafin ist in Schangos Reich geritten!"Als Schangostadt ganz im besonderen wird Barra bezeichnet. Das ist ein Weiler, der eine halbe bis eine Stunde entfernt von Ojo liegt und königlichpriesterliches Privatdorf ist. Dort ist Schangos Tempel, vor allem aber Schangos Grab nach der Volksmeinung, die alles aus dem alten Ojo im Norden nach der heutigen Hauptstadt im Süden getragen zu haben scheint. An diesem Platze Barra ist aber ein Ort, der das vollste Interesse in Anspruch nehmen kann: dort ist das Haus, in dem alle Hirnschalen der in Ojo verstorbenen Alafine sorgfältig verborgengehalten werden.
Ganz anders war bisher der Lebensabschluß eines Bale. Sein Abschied erfolgte, wie schon mehrfach erwähnt war, zunächst recht selten nach den Gesetzen der Natur. Vielmehr griffen die Ogboni häufig ein, wenn ein Bale allzu mächtig oder selbständig, zu wohlhabend oder auch zu grausam ward. Man gibt als durchschnittliche Regentschaftszeit des Bale zwei Jahre an. Nach deren Verlauf warfen die Ogboni das Orakel, und dann ward entschieden, ob die Gottheit den Bale eine weitere Amtsdauer gewähren wolle oder nicht. Fiel die Entscheidung der Gottheit dementsprechend aus, so pflegten ihn die Ogboni durch Gift ums Leben zu bringen. Und das durchaus allgemeine Mißtrauen, das die Joruben jedem angebotenen Getränk entgegenbringen, scheint zu beweisen, daß die Giftmischerei hier sehr im Schwunge ist. Das Zeichen zur Vergiftung gab daher Oluwo, der ihm als Oberhaupt der Ogbotii seine Wahl sicherte. Nach dem Tode wurde die Leiche des Bale ganz außerordentlich hoch geehrt. Ein großer, "Bossin" genannter Holzsarg ward hergestellt. Reich gekleidet ward der Bale hineingebettet, dann wurde er im eigenen Hause, anscheinend meist im Oborun, zuweilen aber auch in der Gondu begraben. Es wurde zu diesem Zweck ein außerordentlich tiefer Schacht ausgegraben, in den der Sarg versenkt ward. Nach der Zuschüttung führte man den konischen Hügel darüber auf und schlachtete Pferd, Kuh usw. Ein allgemeines, sehr großes Fest ward in Szene gesetzt, und damit war es denn mit der Fürstenpracht der Familie vorbei. Sie versank meist nach einer Generation in Armut. Vom Tode bis zur Neuwahl des Bale regierte der Otun-Bale. Nach der Neuwahl des Bale erfolgte dann auch die Neuwahl eines andern Beamtenstabes.
Es ist eine wesentliche Erscheinung, daß, abgesehen von Alafin und seiner Familie, die Joruben überall ihre Toten in ihren eigenen Gehöften unter der Veranda, also unter den Lebenden, bestatten.
Wenn wir das vorhergehende zusammenfassen, so bemerken wii erstens eine Ausschließung der Frauen als solcher aus dem Staatsverbande, eine Ausschließung, die durch die Tätigkeit des Oro bewirkt wird; wir erblicken zweitens eine republikartige Bundesinstitution mit einem Präsidenten an ihrer Spitze, der ein Werkzeug dieser Männergenossenschaft ist; wir sehen drittens einen König, welcher als ein göttliches Oberhaupt angesehen und dementsprechend nach seinem Ende durch zeremonielle Verehrungsgebräuche gefeiert wird; wir erkennen zum vierten die Stufenreihe eines Beamtentums, in der der Hintermann immer dem ihm voranstehenden untergeordnet ist. Es wird später, wenn wir die Staatsbildung des Sudans überhaupt besprechen, unsere Aufgabe sein, die verwandtschaftlichen und entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen hierzu aufzufinden. Hier können wir mit der Feststellung abschließen, daß unter diesen Faktoren zunächst nur die Königswürde mit dem Orischasystem in Beziehung steht, wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, daß die überall wiederkehrende Einrichtung der otun- (rechts) und osi (links) stehenden Beamten sehr wohl einen tieferen Sinn haben kann.
5. Kapitel: Die Religion
Grundlagen des religiösen Lebens. —Wenn man sich im heutigen Afrika nach einem Volke umsehen will, dessen Privatleben noch von dem Geiste eines Religionssystems durchdrungen sei, wie es bei den Völkern des semitischen Kulturkreises und des klassischen Mittelmeeres der Fall war, so müssen wir als Beispiel dieser Art vor allen Dingen die Joruben in Anspruch nehmen. Unter religiöser Durchdringung des Alltagslebens verstehe ich nicht, daß jedem kleinen Lebenserlebnis, jedem Körperteil, jedem Tages- und Jahresabschnitte, jeder Naturbeobachtung oder Kultushandlung eine Unzahl kleiner Glaubensartikel, Schutz- und Trutzmittel, ängstlicher Wahrung oder berechnender Zeremonien gewidmet werden, daß also ein mehr oder weniger unklares Gebräu von Kleinigkeiten die Hauptkraft des Volkes und Volkslebens absorbierte, ich verstehe das vielmehr in dem Sinne, daß eine mythologisch gereifte, architektonisch klar gegliederte Weltanschauung das Leben des Individuums wie des ganzen Volksorganismus stützt und trägt. Das Lebensgebäude der Joruben, ihre Weltanschauung und Mythologie sind geräumig, weit, tief und hoch, so wenig sympathisch und so abstoßend geradezu auch ihr Charakter sein mag. Sicherlich sind auch zu dem heute bestehenden Orischasysteme und zu dem entsprechenden Anschauungskreise die Göttergestalten aus verschiedenen Phasen und Sphären zusammengetreten, sicherlich weichen die Legenden und Traditionen
in den verschiedenen Landesteilen voneinander ab, sicherlich schwanken die Vorstellungen unter den Leuten der gleichen Stadt, ja in jedem einzelnen Kopfe, genau so, wie das bei den Griechen und Römern der Fall war, die ägyptische, semitische, lybische und allerhand andere Überlieferungen und Meinungen bald hier, bald dort entnahmen und sich aneigneten, ohne aber dabei den Grundstock älterer Religion merklich zu verändern.Es ist also kein Zweifel für mich, daß die Religion zu dem einen Gusse, in dem sie uns heute entgegentritt, erst allmählich geworden ist, daß die Einheitlichkeit als Ergebnis einer längeren Entwicklung und Umbildung, des Zusammenfließens von mancherlei Strömungen aus verschiedenen Richtungen anzusehen ist. Aber das ist eben so eigentümlich und so merkwürdig für jeden, der es gewohnt ist, Afrika zu beobachten und im afrikanischen Geiste die Leute verstehen zu lernen, das ist so sehr merkwürdig, so durchaus herausfallend aus allen Parallelerscheinungen, daß uns überhaupt ein System, ein Göttersystem, ein wohldurchdachter, anschaulicher Organismus, genau rhythmisch proportional gebaut, hier bei einem westafrikanischen Volke entgegentritt. Wer hätte uns das noch vor wenigen Dezennien geglaubt, das auch nur zu hoffen gewagt; denn diese Fähigkeit, zu gruppieren und den Kreis der Götter wieder zu einem Wesen zu vereinigen, fehlt eigentlich jenen Menschen, die wir unserer Gewohnheit nach noch als "Neger" bezeichnen, oder aber besser gesagt, sie fehlt dem Begriffe "Neger", wie wir ihn zu verwenden pflegen.
Nun behaupte ich aber ferner: wenn wir das Religionssystem der Joruben, also das Orischasystem, mit dem System des Altertums in Parallele stellen, so erachte ich das Orischasystem der Joruben als reiner und ursprünglicher, als konsequenter und wohlerhaltener, denn irgendeine der Formen, die uns aus dem klassischen Altertume noch bekannt geworden sind. Man darf diese Behauptung nicht etwa auf die Schönheit und Würde der einzelnen Legenden beziehen. Denn mit den klassischen sind die afrikanischen Legenden nicht zu vergleichen. Ich meine auch nicht, daß die religiöse Phantasie im Jorubalande irgendwie poetische Schilderungen schaffen konnte, wie etwa das Altertum. Ich meine das vielmehr hinsichtlich der inneren Ausgleichung sozialer und religiöser Bildungen, die beide hier gemeinsam eine Grundlage, eine unlösbare Einheit, eine Wurzeleinheit sonder Parallele repräsentieren. Im Augenblick kann ich, wie gesagt, nicht einmal aus dem Altertume, also aus dem mythenreichsten Zeitalter der Menschheit, eine Parallele anführen. Denn hier bei den Joruben sind die mythologischen Einzelbildungen und die totemistischen Sozialorgane eins. Im vorhergehenden habe ich schon mancherlei angedeutet; hier nun soll das Ganze in seiner Einheitlichkeit geschildert
werden, und es wird nötig sein, alles noch einmal zusammenzufassen, wenn dabei auch die eine oder andere Wiederholung notwendig sein wird.Vergegenwärtigen wir uns nunmehr, ausgehend vom Ende des irdischen Lebens und der damit zusammenhängenden Glaubensäußerungen, das natürliche Wesen dieses mythologischen Systemes.
Aber auch die Kunst des Ada-usche vermag dem Würgengel seine Beute natürlich nicht immer zu entreißen. Man sagt dann, Olorun habe das so gewollt, und gegen Olorun könne niemand aufkommen. Nach dem Hinscheiden wird der Körper gewaschen. Vollkommen bekleidet wird er auf dem gewohnten Ruhebett ausgestreckt. Dabei leisten den Männern Männer, den Frauen aber Frauen die letzten Liebesdienste. Der Leichnam heißt Egun; wir werden gleich sehen, inwieweit dies zu wissen von hohem Interesse ist. Kaum ist der Mann - nehmen wir an, es ist ein alter Familienvater -gestorben, so wird nach allen Seiten Botschaft gesandt. Die Familie wird zusammengerufen. Sie wird sich baldmöglichst einstellen. An der Seite des Leichnams erfolgt dann die Egunzeremonie.
Egun heißt Leiche, Egugun Gerippe. Man erzählt sich im Volke allerhand über diese Dinge, hat in einigen Gegenden angeblich sogar einen Orischa Egugun oder Egun gemacht, der aber ebensowenig ein echter Orischa ist wie etwa Ossenj. Es ist dieses religiöse Wesen eben
aus einem eigenen Anschauungszweige hervorgegangen, der dem Orischasystem wohl nahesteht, es aber nicht unbedingt einschließt. Heutzutage wird eben alles dem in jeder Richtung wuchernden Orischasystem eingegliedert. Von Egugun und Egun erzählt das Volk nun folgendes: Aruku war der Vater, Ere oder Jagon(g) die Mutter Eguguns. Dieser war geboren im Ojolande (und zwar in Old-Ojo). Seine Mutter aber stammt aus Elengbe, das liegt im Tagbagebiet. Die Frau Eguguns hieß Omode. Sie stammt aus Ojo. Der erstgeborene Sohn Eguguns ward wieder Aruku, die nachfolgende Tochter Omode genannt. (Ich gebe diesen Stammbaum nur als Beleg jorubischer Sucht, Stammbäume zu bilden, wieder. Er hat keinen sonderlichen Wert.) Wenn nun jemand sehr krank ist und der Babalawo auf Anfrage antwortet, daß Egun oder Egugun hiervon Ursache sei, so bringt man Egugun oder Egun Speise, Brei, Hühner und Kola als Opfer dar. Zuweilen macht Egun dann wieder gesund. Jedenfalls feiert man alle vierzehn Monate (jorubisch gleich unserm Jahr) für den Egun ein großes Fest, das große Ähnlichkeit mit einem Totenfest hat. —Die Egun- oder Egugunleute sind eine Sippe, in der sich das Gerät, Kenntnis der Zeremonie und Rechte der Ausführung vom Vater auf den Sohn weitervererben.Das aber war früher das Zeremonial. Wenn damals ein angesehener und wohlhabender Mann starb, so rief man den Alagba, den Priester oder Zeremonienmeister des Egun herbei. Gleichzeitig ging die Mutter des Verstorbenen auf den Markt und kaufte ein feines Leichentuch, einen umfangreichen Stoff, den sogenannten Aschuaka. Der Egunmann verkleidet sich nun. Er h~ingt den Aschuaka um und setzt die heute Irre oder hie oder Irreni (wohl nicht ganz richtig) genannte Maske über. Früher hieß, wie wir sehen werden die Maske anders. Der Leiter der ganzen Trauerzeremonie, der Oloko, nimmt nunmehr die Atori, d. I eine Art Peitsche aus Ästchen des Atoribaumes, die unten mit Kauris besetzt sind. Mit ihr schlägt er dreimal auf die Erde. Dann hält er sie direkt auf die Maske zu nach oben, und wohin der Oloko nun auch geht, muß die Maske immer dem Atori wie ein Eisen dem Magneten folgen. Das ist der Beginn des Tanzes des Egun.
Während nun der Maskierte hinter dem Oloko gleich einem Bären hertanzt, stößt das umstehende Volk Rufe aus, die ungemein belehrend sind. Die Leute rufen nämlich: "Sieh! unser Vater tanzt dort"! Oder: "Jetzt kommt unser Bruder hierher"! Oder: "Mein Mann tanzt! Mein Mann tanzt"! Aber nicht nur lassen der Tanz mit dem Leichentuch, der Name und die Zurufe des Volkes uns das ahnen, sondern das Volk erklärt direkt, ein Egun repräsentiere den Toten selbst. Und zuletzt benimmt sich der Egun auch durchaus in diesem Sinne. Er spricht wie die meisten Maskierten Afrikas in der Fistelstimme.
Dazu spricht er durchaus im Namen des Verstorbenen, im Ich- und Ihrtone. Er fordert den einen oder andern auf, diese oder jene gefährliche Untugend zu unterlassen, damit er länger leben könne. Er sagt den andern freundliche Worte. Er spricht alles in allem also nochmals als Höherstehender, als der Erde Entrückter zu seinen Leuten, und diese Aussprache wird durchaus mit Ernst angehört und aufgenommen. — Ist der Tanz und die Aussprache vollendet, so geht der Egun fort. Im Hause nimmt er die Holzmaske ab, legt das Leichentuch Aschuaka beiseite und streift das Baumwollkleid, das ihn trikotartig deckt und mit blauen Handschuhen und Fußenden versehen ist, ab. Die Leiche wird dann in die Aschuaka gehüllt. — Für dieses Zeremonial erhielt der Egun vordem einen Hund, vier Ziegen, Kola und 90000 (!) Kauri (also 30 Schillinge).Ehe wir den Toten nun endgültig zu Grabe bringen, will ich noch die wertvolle Legende wiedergeben, die ich hinsichtlich des Ursprungs der Sitten erhielt. — Auch hier (siehe "Kulturtypen aus dem Westsudan" S. 59 ff.) berichtet das Volk, daß die Egunmasken vordem in den Händen der Frauen und nicht in denen der Männer gewesen wären. Heute dürfen nur Männer damit tanzen und Frauen sie höchstens sehen. Früher, und zwar ganz, ganz früher ging dieses Maskenwesen aber aus der Hand einer Frau in die der Männer über. Diese alte Frau hieß Jagang. Lange Zeit hatte sie das Maskengeheimnis daheim in ihrem Hause und bewahrte es auch darin. Eines Tages aber kam sie als maskierte Frau heraus auf die Straße, urd andere Weiber waren mit ihr. Die Frauen tanzten um die Maske. Die Maske tanzte. Die Maske hieß Ot(o)run-boro, weil sie aus dem Ot(o)runholze gemacht und vorgelegt (= boro) war. Die Männer standen umher und sahen die Jagang. Die Männer sahen zu und sagten: "Was ist das?" Sie standen umher und betrachteten die Kleider. Einer faßte die Kleider an und sagte: "Was ist das?" Dann nahm er sein Messer und schlug zu. Die maskierte Frau stürzte hin und Blut strömte herab. Die Leute riefen: "Was ist das?" Die Leute trugen sie in ein Haus. Die Männer nahmen die Maske ab und sahen, daß es Jagang war. Die Männer pflegten Jagang. Aber Jagang starb. Darauf beschlossen die Männer ein Gesetz. Sie sagten: "Keine Frau dürfe mehr eine Ot(o)run-boro tragen. Das sei in Zukunft Sache der Männer. Kein Weib habe in Zukunft zuzusehen, wenn die Männer die Maske an- oder ablegen."
Diese ganze Sitte zeigt ein klares Gepräge. Auch die Sache ordnet sich selbständig in das sonstige Sittenbild ein. Aber wie gesagt, der Joruba hat aus jeder Sitten- und Anschauungsgruppe einen eigenen Orischa gemacht, und so wurde auch Egun gewissermaßen eine Personifikation des Todes. Die Anhänger der Orischa-Egun, d. h. also die Söhne und Nachkommen Eguns oder Eguguns, haben folgende
Ew(u)o (tabu): I Jeder Egunmaskierte darf in Gegenwart von Frauen, solange er maskiert ist, nur in der Fistel sprechen. 2. Der Egunmaskierte darf in Frauengegenwart die Maske nicht lüften. 3. Er darf nicht Quequeje, das sind Enten, essen. —Sehr wichtig ist, daß die Mädchen und Frauen der Egungemeinde heute noch eine zeremonielle Leiterin haben, die den Titel Jagang führt -eine wertvolle Reminiszenz. —Kehren wir aber nach dieser Abschweifung zu unserm alten Verstorbenen zurück. Nachdem der Egun seine Bezahlung empfangen hat, wurden früher aus dem Nachlaß des Verstorbenen, ehe er bestattet ward, nach allen möglichen Richtungen kleine Geschenke gemacht. Vor allen Dingen erfolgte ein Umzug, und das ging folgendermaßen vor sich.Zunächst ward die Leiche eingehüllt. Die Vornehmen und Reichen kamen in einen Sarg (= Bossi), die Ärmeren in ein Mattenpaket, das mit Stöcken im Innern Festigkeit erhielt. Den Sarg pflegte die Familie selbst zu machen. Das Tuch, das darübergedeckt wird, ist ein letztes Geschenk des Schwiegersohnes, und ebenso stellt er auch die zwei (?) Leute, die den Sarg auf den Köpfen tragen. Nun zieht die Familie durch die Straßen soweit wie nur möglich herum, um zu zeigen, was für einen schönen Sarg und welch schöne Decke darüber sie sich leisten können. Die jüngeren Mitglieder gehen mit Kaurimuscheln neben dem Sarge her und werfen diese darüber hin, so daß sie daran abgleiten und zur Erde fallen. Die Leute auf der Straße fallen dann darüber her, um sie emsig aufzuheben. Einige Familienmitglieder haben auch einige Rumfiaschen da und bleiben bald hier, bald da an den Ecken stehen. Sie schenken den Leuten hier und dort einen Becher ein, der dann die Runde macht. Man kann sich den Zulauf leicht vorstellen. Viele Trommler ziehen zudem mit einher, und da früher auch noch heftig mit Büchsen geknallt wurde, so kann man sich leicht einen Eindruck von dem "tiefen Ernst"machen, der über dem Ganzen lag. Es ward eben ein echt afrikanisches Volksfest. — Die eigentliche Leichenbefragung, die sonst wohl in dieses Bild gehört, kennen die zentralen Joruba nicht. Sie sagen, das wäre nur bei den Ewe so. Dagegen und gewissermaßen im Gegensatz zur Leichenbefragungssitte hält die Leiche mit dem ganzen großen Zuge bisweilen da an, wo ein alter Freund des Toten wohnt. Aber nur dem allerbesten Freunde wird diese Ehre zuteil; das soll dann bedeuten, daß der Tote von ihm Abschied nehme.
Endlich kehrt der Zug heim. Es wird gewöhnlich neben dem Platz, an dem der Tote sein Lager hatte, eine tiefe, sehr tiefe Grube ausgehoben. Einen Seitenkanal kannten die Joruba nicht. An dieser Stelle neben dem Bettplatz, zuweilen auch auf der Veranda,da, wo der Alte tagsüber zu sitzen und Besuch zu empfangen pflegte, oder aber im Impluvium,wird die letzte Ruhestätte zurechtgemacht.Jedenfalls wird
nun die letzte Zeremonie vollzogen. Der Sarg kommt neben das Grab. Man hebt den Deckel wieder auf oder lockert die Mattenumhüllung, so daß des Toten Antlitz freiliegt. Von da aus begibt sich die Familie zu dem Raum, in dem der Orischa der Sippe wohnt, zur Banga. Dem Orischa wird dann das Opfer gebracht, das ihm am angenehmsten ist, auch gibt man ihm Getränke, soweit das nicht zu seinem Ew(u)o gehört. Die Köpfe aller getöteten Tiere werden zu dem Leichnam gebracht. Man hält sie dem Toten vor das Antlitz, so deutlich und nah, daß er, wenn er lebend wäre, sie unbedingt sehen müßte. Man trägt sie zu dem Grabe und wirft sie da hinein. Nun bitten sie den Orischa, dem Toten einen guten Platz anzuweisen. Nach diesem Gebet wirft man noch die Ebori oder Ibauri des Toten nebst Kauris in die Grube. Hier ist mir ein dunkler Punkt geblieben. Die Ebauri ist ein kleines trichterförmiges Amulett aus Strickwerk, das äußerlich fest aussieht, wie gewisse westafrikanische Flechtwerkklappern auf Kalebassenscheibengrundlage. Anscheinend hat jeder Mann ein solches Ibauri und setzt dieses gelegentlich auf den Kopf. Man sieht darin den Sitz der Seele des Menschen (?).Nachdem dieses alles in die Grube geworfen ist, schließt man den Sarg und läßt ihn hinab. In alten Zeiten führte man an das Grab der Reichen auch noch Sklaven und Skiavinnen. Sie wurden getötet und mit hinabgeworfen. Man schnitt ihnen aber nicht den Kopf ab, sondern schlug sie mit Stöcken tot. Weiterhin kam das Pferd in das Grab. Vordem sollen diese Völker viel mehr Pferde gehabt und große Reiterscharen sollen die Straßen durchzogen haben. Endlich gab man dem Sarge auch noch die Waffen des Toten bei bis auf sein Gewehr, das erbte der älteste Sohn. Man füllte nicht nur die Grube mit Erde zu, sondern errichtete auch noch einen kleinen Hügel, auf dem dann die gelegentlichen und bestimmten Opfer vorgenommen wurden.
Gleich hinterher nahm die Familie die Erbschaftsteilung vor, Leiter dieser Unternehmung war entweder der Bruder des Verstorbenen oder der älteste Sohn oder, wenn die allgemeine Stimmung solchen natürlichen Fürsorgern nicht traute, irgendein älterer Mann, dem alle Vertrauen entgegenbrachten. Der älteste Sohn bekam das Haus. Die Kinder teilten unter sich den beweglichen Besitz. Die Frauen erhielten nichts. Die Äcker blieben im Besitz der je einen großen geschlossenen Wirtschaftsbesitz ausmachenden Familie, und diese bearbeiteten ihn weiter nach der Verteilung, die das älteste Familienmitglied vornahm.
Von den Toten und ihren Wanderungen erzählen die Leute merkwürdige Sachen. Wenn man auf Wanderschaft weit fortgehe, dann treffe man -sei es in Ife oder aber in Dahome und im Ewelande - Leute auf dem Markte, die daheim gestorben sind und sich hierher
zurückgezogen haben, um nicht gekannt zu sein. Wenn sie (man nennt sie Akudaja) einen Bekannten der Heimat sehen, so drücken sie sich auch schleunigst beiseite und sorgen, daß man sie nicht wieder sehe. Diesem Doppelgesichtsglauben - der weit verbreitet ist -setzen die Ifeleute eine durchaus klare Vorstellung gegenüber. Sie sagen, der Tote werde in einem Nachkommen des Familienvaters von einer Frau wieder geboren. Sie bleibt in der Sippe der Orischa, und zwar unter Leitung des Orischa selbst. Dieser Glaube schließt den Anschauungskreis so vorzüglich, wie es meine Ibadanalten nicht erklären konnten.Egun-odin ist das jährliche Opferfest, bei dem vor Beginn der jungen ersten Frühjahrsernte Korn den Toten dargebracht wird. Ehe dieses Opfer nicht gebracht ist, darf von der Frühjahrsernte nichts genossen werden. Die Leute streuen die Körner im Hause aus und sagen: "Der Orischa ißt neues Korn, ehe irgendein anderer davon ißt". Man sieht also, wie weitgehend der Orischa mit den Toten identifiziert wird. Der Orischa ist eben der Sippengeist, von dem alle Fortpflanzung ausgeht und zu dem sie zurückkehrt im Tode. — Im Herbst wird kein solches Opfer dargebracht und die Herbsternte wird ohne vorhergegangenes Totenopfer genossen.
Ein sehr hübsches Fest, das sogenannte Agbaru-bidanu, wird noch den Toten im Oktober gefeiert. Jeder, der seiner Toten gedenken will, läßt aus dem Busche eine große Menge Holz holen, von dem er einiges in das Haus, den größten Teil aber auf den Markt schafft. Wenn es dunkel ist, entzündet jeder vor der Haustür auf der Straße ein Feuerchen. Allenthalben sieht man Feuerchen. Nachher wird das Holz auf dem Marktplatz entzündet und nun bringt jeder auch sein kleines Feuerchen dahin. Im Umkreis der lodernden Flammen wird dann die Nacht hindurchgegessen, getrunken und getanzt. Am Morgen werden aber die Reste des Feuers zur Stadt hinaus und in den Busch getragen.
Die Ibadanleute haben noch eine interessante Legende, die den Ursprung des Todes und den Ursprung der Steinbilder in Ife zum Gegenstand hat. Danach soll in uralter Zeit kein Mensch gestorben sein. Vielmehr wurden die Menschen ungeheuer groß, wenn sie aber älter wurden, schrumpften sie zusammen, so daß sie wieder klein wie Kinder wurden, und dann wurden sie Stein. Es waren nun so viele alte Leute, die herumkrochen, daß die Menschen Olorun baten, sie von dem langen Leben zu befreien. Olorun willfahrte, und so starben denn die ganz Alten. Anfangs starben keine Kinder. Aber eines Tages begannen auch die Kinder zu sterben. Sie fragten Obrun, warum das geschehe. Der sagte, weil die Söhne mit den jungen Frauen der Väter schliefen, weil die Leute einander bestählen, weil die Leute sich umbrächten, kurz, weil Sittenverderbnis eingetreten
sei. Seitdem sagen die Menschen: "Ikuo ko mo enni ka = der Tod tötet alte und junge Leute".Nach diesen Beispielen einfacher Mythenbildung nun die Grundlinien dieser Mythologie.
Sippengötter. — Der Grundgedanke des Religionssystems beruht in der Vorstellung, daß jeder Mensch von einer Gottheit abstamme, so daß er Teil oder Repräsentant der Gottheit ist. Die Abstammung richtet sich nach der Vaterlinie. Alle Familienglieder gehören zur Nachkommenschaft der gleichen Gottheit. Sie sind insofern Teile von ihr, als die Sterbenden zu der Gottheit zurückkehren und als jeder Neugeborene die Wiedergeburt eines vordem verstorbenen Gliedes der gleichen Familie darstellt. Ganz konsequenterweise gilt demnach der Orischa, die Gottheit, als erzeugende Kraft bei der Eheverbindung und jede Bestimmung des Erscheinens des Kindes als vom Orischa ausgehend. Die Idee der erzeugenden und befruchtenden Götterkraft ist soweit durchgeführt, daß sie sich nicht auf die Menschen erstreckt, daß vielmehr auch Erstlinge aller Frühjahrsernten, Erstlinge der Viehwirtschaft unbedingt als Anteil von deren eigener Stiftung und als Dankesopfer der Gottheit wieder zufallen. Wie bedeutungsvoll und selbstverständlich die Gottheit selbst aber als die unbedingte Schöpferin aller Nachkommenschaft gilt, geht aus vielem hervor. So gipfeln fast alle Gebete, ja alle Götterdienste der Joruben immer wieder in der Bitte um Fruchtreichtum der Felder, um Kindersegen der Familien und Fortpflanzungshilfe in jeder Form.
Aus dieser Anschauungsweise ergibt sich, daß die Familiengottheit in jedem Gehöfte ihren Sitz, ihren Tempel, Altar und Priester haben muß. Wie diese Tempel und Altäre im allgemeinen angelegt sind, darüber ist später gelegentlich der Architektur zu sprechen. Es sind daraus verschiedene Einzelheiten beizubringen. Hier nun wollen wir einige erklärende Worte dem Priestertume widmen, von dem es ganz folgerichtig zwei Arten gibt, da die Orischa, die Gottheiten, zwei bestimmte Funktionen besitzen.
Zum ersten ist jede Gottheit der Stammvater der Familie. Es ist ganz gleichgültig, ob es die Gottheit des Gewitters ist oder der Schmiede oder eines Flusses oder der Erde oder des Himmels oder sonst einer Kraft oder Wirkung. Jede Gottheit hat eben ihre Nachkommen und besitzt dieser Nachkommenschaft gegenüber die Kraft, sich in den Kindern fortzupflanzen. Zum zweiten hat aber, wie gesagt, jede Gottheit auch ihre besondere und eigene Funktion. Wir haben z. B. einen Gott des Gewitters, welcher für den befruchtenden Regen sorgt. Wir haben den Gott des Eisens, der dem Schmiede das Metall gibt. Wir haben den Gott der Pocken, welcher die Menschen
mit der furchtbaren Krankheit züchtigt. Wenn irgendwie Regen benötigt wird, so wendet sich die betreffende Gemeinde, gleichgültig, von welchem Orischa die einzelnen Familien abstammen, gemeinsam an den Gewittergott. Bricht ein Krieg aus, so wendet sich die Gemeinde, ganz gleich welchem Orischa jeder einzelne Familienvater angehört, an den Gott des Eisens, der auch hier derjenige der Kriegsgeschicke ist. Wenn die Pocken eine Landschaft überfallen, so wendet sich die Gemeinde, gleichviel von welchem Orischa die einzelnen Familien der gezüchtigten Ortschaft abstammen, mit der Bitte um Gnade an den grausamen Herrn dieser Krankheit. Dementsprechend muß in jedem Gehöft ein Altar des Familiengottes stehen, wo ein Vermittler und Fürsorger, ein Familienpriester den Dienst verrichtet. Zum zweiten benötigt aber jede Stadtgemeinde für jeden großen Gott, dessen Wirkung etwa in Frage kommt, eines Tempels, eines Heiligtums, in dem die großen Feste, die Zeremonien durch einen entsprechenden Hauptpriester vollzogen werden. Diese beiden Arten von Priestern haben logischerweise verschiedene Namen. Das zelebrierende Glied der Familie heißt "Aboscha", der Gemeindepriester "Adje".Bezeichnend für den Beruf, zumal des ersteren, ist seine Berufung. Wenn ein Aboscha gestorben ist, tritt die ganze Familie zum Zwecke einer Neuwahl zusammen. Es ist wichtig, daß ein Adje nicht hinzugezogen wird. Die Familie naht mit einer gefüllten Wasserschale und zwei Kolanüssen dem Altar. Nach volibrachtem Opfer der Kolanüsse und des Wassers bitten die Leute, auf den Knien liegend und mit der Stirn den Boden berührend, den Orischa, unter ihnen einen neuen Aboscha des Hauses und Gehöftes zu erwählen, der von nun ab die Opfer leiten und den Festen vorstehen solle. Die zwei Kolanüsse werden in ihre natürlichen Abschnitte zerbrochen, so daß sie also in acht Stücke zerfallen. Diese acht Abschnitte werden auf die Erde geworfen und gleichzeitig unter Nennung eines angesehenen Familienmitgliedes, also des N. N. gefragt: "Willst du den N. N. zu deinem Aboscha"? Fallen nun von den acht Schnitten vier auf die flache Innenseite, vier auf die konvexe Außenseite, so ist der genannte N. N. vom Orischa als Aboscha angenommen. Fallen die Abschnitte aber in irgendeiner andern Verteilung, so daß von einer Lageart mehr als von der andern sind, so bedeuted das eine Ablehnung des N. N., und das Orakeispiel wird unter Namensnennung eines andern Familienmitgliedes wiederholt und das solange, bis die gleiche Zahl der nach oben und nach unten gewendeten Bruchstücke die Zustimmung des Orischa andeutet. Es ist die gleiche Losform, die wir bei Besprechung des Ogbonizeremonials schon kennenlernten, und die beweist, daß man hier dem Orischa unbedingt das Selbstbestimmungsrecht überlassen will.
Mancherlei Betätigung des Aboscha lernten wir schon bei der Besprechung des Lebenslaufes der Joruben kennen. Sie setzt bei der Geburts- und Benennungszeremonie ein und schließt mit dem Lebensende eines Familiengliedes ab. Seine wichtigste Betätigung aber setzt ein zur Zeit der großen Feste, im Winter beginn, gelegentlich der Ebo-dung. Dann bittet der Herr des Gehöftes, also d~r Bale des Anwesens (ebenso wie es einen Bale der Stadt gibt, gibt es auch einen Bale jeder Gehöftsgemeinschaft), den Aboscha, die Opferzeremonien vorzunehmen. Der Aboscha ist natürlich hierzu gern bereit. Die ganze Familie, also alle Mitglieder des hier herrschenden Orischa, versammeln sich vor dem Altar. Ausgeschlossen sind selbstverständlich die eingeheirateten Frauen, die nach exogamischen Gesetzen einem andern Orischa entsprungen sein müssen. Der Aboscha bringt vor versammelter Gemeinde als Opfer wiederum Wasser und Obi (Kolanüsse) dar. Wie oben geschildert, werden deren zwei aufgebrochen; dann reicht sie der Aboscha auf der flachen Hand gegen den Altar dem Orischa hin und sagt: "Sieh hier!" zieht danach die Hand zurück und fragt: "Wird aus diesem Hause in diesem Jahre jemand sterben ?" Dann wirft er die Kolaabschnitte auf den Boden und liest genau wie oben aus der Lagerung der acht Abschnitte bei gleichmäßiger Verteilung der Lage einen günstigen, bei ungleicher einen ungünstigen Bescheid ab. In letzterem Falle nimmt man an, daß hier irgendeine widrige Kraft wirke, die besänftigt werden müsse, damit der Orischa von der Verhängung eines Unglücks Abstand nehme. Worin diese "widrige Kraft"liegt, konnte mir nicht erklärt werden, aber nach logischer Schlußfolgerung und auch nach deutlichen Angaben glaube ich annehmen zu dürfen, daß man jedem Orischa persönliche Verstimmungen zutraut, so etwa, wie seinerzeit Poseidon sie den leidenden Odysseus fühlen ließ. Es liegt nahe, anzunehmen, daß dann und wann ein Mitglied der Familie das Ewuo, das Speiseverbot des Gottes, übertreten hat, und das würde selbstverständlich den Zorn Gottes erregen. Der Orischa muß also besänftigt werden, und deshalb widmet man ihm Opfer, so große und so zahlreiche und so wertvolle wie nur möglich. Sind diese vollzogen, so wirft der Aboscha die Kolaabschnitte von neuem und wiederholt das solange, bis in genauer Verteilung vier Abschnitte auf der konvexen Seite und vier sich auf der flachen Innenseite lagern. Eventuell muß bei mehrfachem unglücklichem Niederfallen der Kolaabschnitte das Sühneopfer ebenfalls wiederholt werden.
Liegen nun endlich die Abschnitte in der erwünschten Lage, ist also damit erwiesen, daß die Gottheit keinerlei Zorn mehr hegt, daß dementsprechend, wenn nicht durch irgendeine neue Verschuldung inder nächsten Zeit der Zorn des Gottes erregt wird, für dieses Jahr keines Familiengliedes Leben dem Machtgebot des göttlichen Ahnherrn
zum Opfer fallen wird, dann wird das eigentliche Fest eingeleitet und mit großer Freude begangen. Freilich, der Aboscha muß den ganzen Tag hindurch andächtig vor dem Altar des Orischa sitzen; die andern aber kochen und braten nun die Opfertiere. Sehr bemerkenswert ist es, daß bei den Joruben (und ebenso soll es, als das Orischasystem der Südnupe noch nicht zerstört war, auch bei diesen gewesen sein) alle Opfertiere den Orischas als Brandopfer dargebracht wurden. Kein Sudanvolk und kein Volk des Kongobeckens pflegte diese Sitte, die im höchsten Grade bedeutungsvoll ist. Nachdem das Opfertier geschlachtet ist, bespritzt man erst mit dem Blute das Bildnis und Heiligtum des Gottes und verbrennt danach das Fell nebst einem wenigen vom Fleische. Das übrige Blut wird in einem Topfe aufgefangen. Die Nieren (Egba oder Equa) und die Leber (Ado) werden herausgetrennt, betrachtet und dann nebst Salz ohne Hinzufügung von Wasser in dem Blute gekocht. Leider konnte ich nicht erfahren, welcher Art die Gesichtspunkte bei Betrachtung dieser Innenteile waren, und das ist um so bedauerlicher, als wir nachher sehen werden, daß gerade die Leber als Betrachtungsobjekt hier wie bei andern Völkern eine große Rolle spielt. Von dem so hergestellten Gerichte wird ein Teil dem Orischa gegeben und dazu gesagt: "Hier ist dein Asun" (d. I Opferasche). Den Rest verzehren dann die Opfernden selbst. Nur einem Orischa scheint man früher kein Brandopfer dargebracht zu haben, nämlich dem Orischa Gwalu oder Gbalu, der Gottheit des Regens. Dies ist aber auch logisch. Wir werden im Verfolg der mythologischen Idee finden, daß die eigentlichen Regengötter durch Feuer in ihrer Betätigung behindert werden.Ist so das Blut über den Altar und die heiligen Insignien hingeflossen, so läßt man gewisse Trommler kommen, die zum Tanze aufspielen müssen, und dann durchjubelt die Familie eine Woche lang Tag und Nacht. Sieben Tage lang hindurch währte früher und währt noch heute vielfach das Ebo-dung. Am letzten Tage pflegt dann jedes Mitglied den Orischa durch den Aboscha nach dem nächstjährigen Verlaufe des eigenen Lebens zu fragen. Der betreffende (sei es Mann oder Frau) opfert dabei seinem toten Vater oder seiner verstorbenen Mutter. Es werden wieder die beiden Kolanüsse gespalten und in bekannter Weise die acht Abschnitte geworfen. Dieses Kolaorakel soll den bezeichnenden Namen "Aqua-bi-sofa", d. I also "für den Orischa Kola zerbrechen", haben. Die Fragen über den persönlichen nächstjährigen Lebensverlauf werden hierbei immer an einen verstorbenen Altvorderen, sei es Vater, Mutter, Großvater usw., also an längst oder kürzlich Verstorbene, gerichtet. Dies ist sehr bezeichnend. Während die Gesamtheit der Familie sich, wie ich oben geschildert habe, an den Orischa selbst, d. h.
die Familiengottheit, den Quell der Familienlebenskraft, die Summe der Abgeschiedenen und im Orischa wieder Vereinigten, wendet, während hier diese Zusammenfassung in einem Gotte zum Ausdruck kommt, löst sich für den einzelnen bei der Einzelbefragung die manistische Grundlage wieder in ihre Teile auf, und an Stelle des Kollektivbegriffs tritt wieder der einzelne Verstorbene in Tätigkeit. Es kommt also bei den einzelnen die persönliche Beziehung zu einem Verstorbenen und göttlichen Ahnherrn zur Geltung.Mit dieser persönlichen Orakelbefragung ist das Ebo-dung und die wichtigste Betätigung des Aboscha abgeschlossen. Aber außer dieser heiligen Gesamtfestzeit am Jahresende hat der Aboscha noch in jeder Woche einmal dem Kultus sich zu widmen und um das verständlich zu machen, muß ich ziemlich weit ausholen. Die meisten Götter der Joruba hatten in der fünftägigen Woche dieser Stämme ihren besonderen Festtag. Die Einleitung ist in Ibadan folgende:
1. Odjo-awo, der Tag des Geheimnisses, also Ifas. An diesem sollen auch Osenj und Osun ihre Festtage haben.
2. Odjo-ogun(g), der Tag des Schmiede- und Kriegsgottes Ogung.
3. Odjo-jakuta, der Tag des Steinschleuderers, also Sangos, an dem auch Oranja und Jemoja, seine Eltern, ihre heilige Zeit haben.
4. Odjo-ose-osalla (oder Odjo-Obatalla), der "heilige"Tag Osallas, d. h. des Himmelgottes Obatallas, an dem gleichzeitig alle Götter gefeiert werden, deren Symbol eine weiße Haisperikette, das Tschetschefung ist. Das sollen sein: Obatalla, Oginjang, Edschu, Olufa, Iko oder Isa-Iko, Arun und Bambo.
5. Odjo-ose, d. h. einfach heiliger Tag, weil an diesem Tag alle Götter, auch die bisher nicht aufgeführten, feierten. Ausgenommen sind hiervon zwei Götter, einmal Öko, der angeblich gar nicht gefeiert wird und Olorun, der früher auch keinen Feiertag hatte, dessen man aber in jüngerer Zeit dem Islam entsprechend, an jedem Freitag zu gedenken sich gewöhnt hat.
Es möge gleich hier die Aufstellung der Tagesnamen eingeschaltet werden, die mir Leute aus Ife gaben.
I Odjafe (Ifas Tag) 2. Aje badju (Sangos Tag) 3. Iremo (Osallas Tag) 4. Nikogun (Oguns Tag) 5. Aje ose (der heilige Tag). |
Diese Aufstellung der "Arun ose", der heiligen Woche, scheint nun im wesentlichen überall gleich zu sein, wenn sie an mehreren Stellen auch Schwankungen unterworfen sind. An diesen "heiligen" Tagen, die uns nicht energisch genug daran erinnern können, daß sogar noch heute in romanischen und germanischen Wochennamen die alten Götternamen nachklingen, fällt dem Aboscha wieder Arbeit
zu. An diesem Tage werden die Tempeiplätze gereinigt, wird in die Töpfe neues Wasser gefüllt. Dann kommt bald dieser, bald jener aus dem Gehöft, der sich mit seinem Stammvater = Gott irgendwie auseinandersetzen will. Er bringt Kolanüsse, Kaurimuscheln, eingeborene oder europäische Getränke und Speisen, die diesem Gott ganz besonders genehm sind. Ist die Gottheit von Osallas Tag, so hat der Aboscha ein weißes Kleid an, das Tschetschefung um den Hals, die Adja (heilige Glocke) in der Hand. Ist er von anderer Abstammung, so trägt er andere Tracht usw. — Soweit die Tätigkeit des Aboscha, des Familienpriesters.Außer den Aboschas gibt es aber die Adje. Die Aboschas dienen im Gehöfte dem Gotte in seiner Eigenschaft als Familiengott. Die Adje dienen dem Gotte in seiner Betätigung als Naturgott, als Beherrscher einer ganz bestimmten Wirkungssphäre. Sie stehen den großen Tempeln vor, die den ganzen Gemeinden bei dem großen Opferfeste dienen, und sind die Mittler und Festleiter der Gemeinde der Naturgottheit gegenüber. In alter Zeit bezeichnete man nach Angabe der Leute als Adje nur die Priester der Oschalla-Feiertagsgruppe. Heutzutage wurde mir gegenüber diese Bezeichnung aber häufig für alle Gemeindepriester angewendet, so daß wir ein Recht zu der Verallgemeinerung um so mehr haben, als die nördlichen Joruben andere Benennungen für Gemeindepriester nicht zu besitzen scheinen. Aber jeder einzelne Gott hat seinen Gemeindepriester, der dann auch wieder seinen eigenen Namen hat. Ich füge hier die Namen einiger derartiger Kultusverweser vor:
Mokwa oder Mogba, das ist der erste hohe Priester Schangos, neben dem noch der Bambeke steht (siehe weiter unten!),
Ajorumbo ist der Name des höchsten Priesters des fürchterlichen Pockengottes "Schankpanna",
Oluwo ist der Name des Hohen Priesters des gewöhnlich "Ifa" genannten Gottes. Wenn einige ihn als "Arabo" bezeichnen, so ist das nur eine Nebenbenennung, welche so viel bedeutet, als "der Höchste". Ebenso irrtümlich ist es, ihn "Baba-Lawo" zu nennen, d. h. "Vater des Geheimnisses". Denn mit diesem Titel werden alle bedacht, welche überhaupt eine priesterliche Tätigkeit im Ifadienste ausüben.
Adje wird eine Spezies der Oberpriester des Gottes Obatalla genannt.
Bale war vordem der Priester der Göttin Oja, neben dem als Gehilfen Otun und Osi (also zu jeder Seite einer) stehen. Mit dem Niedergange der Göttin Oja sind diese Priester mehr und mehr der Vergessenheit anheimgefallen.
Quetu-Oschin war früher der Titel des obersten Priesters des Ogundienstes, welcher ebenfalls im Niedergange begriffen ist.
In Ibadan z. B. ist diese Stellung nicht wieder voll besetzt worden. Man findet diese Oberpriester nur noch in wenigen Orten.
Andere Götter, wie z. B. Oschun, sollen nie Priesterkategorien besessen haben, was nicht unwahrscheinlich klingt. Olorun, der oberste und vornehmste, der mächtigste Himmelsgott des oberen Jenseits hatte niemals weder einen Priester noch eine Familie. Dieser Gott war viel zu erhaben, viel zu entfernt, zu hoch, zu erdfremd, um irgendwie eine Beziehung zum Menschengeschlecht unterhalten zu können. Im übrigen können wir aber von den Adjes als den Gemeindepriestern im Gegensatz zu den Aboschas als den Familienpriestern sprechen. Die Adjes sind untereinander nicht nur durch die Namen und verschiedenen Kultusverrichtungen, sondern auch durch ihre Abzeichen unterschieden. So tragen z. B. die Priester, die am Wochentage des Gottes Oschalla zelebrieren, das Tschetschefung, ein Halsband von weißen Perlen, diejenigen des Schango das Kelle-Schango, eine Mischung roter und weißer Perlen usw. Ich muß bemerken, daß das Tragen dieser Peribänder in den verschiedenen Orten verschieden ist. Ferner werden wir sehen, welche merkwürdige Bedeutung die alten Perlen bei diesen alten Völkern haben.
Als fernere Abzeichen wurden mir im übrigen angegeben:
Jde, Halsperlketten verschiedenster Farbenmischung für den Ifadienst.
Malodjo, rote Perlen als Abzeichen Ojas, anscheinend auch um den Arm.
Kelle-Sango, eine Mischung roter und weißer Perlen als Abzeichen Sangos.
In, ein Armband, und Engua-eri, eine Halskette aus Eisen als Abzeichen für die beiden Götter Ogun(g) und Oranjan(g).
Inja, Perlenband in fünf verschiedenen Farben als Abzeichen Jemojas oder Jemodjas.
Lagidiba, Halskette aus Palmkernscheibchen schwarzer Farbe für Schankpanna.
Owo-buruku, Armband aus weißen, ganz kleinen Kauris für Buruku.
Onide, rötliche, ganz kleine Perlen in Haisgehänge und Idequiqua, Gelbgußarmbänder in größerer Anzahl als Abzeichen Osuns.
Efung, d. h. weiße Flecken auf der Stirne, mit Erdfarbe für Olufan und andere.
Ob diese Abzeichen der Gemeindepriester als Ausdruck ihrer Verehrungszugehörigkeit an allen Orten ganz gleich oder schwankend sind, kann ich mit Bestimmtheit nicht sagen, da letzteres mir aus verschiedenen Berichten der Leute hervorzugehen schien, ersteres aber an sich wahrscheinlicher ist. Sicher dagegen ist, daß die Stellung aller dieser Priester eine erbliche war. Sie ging eo ipso vom älteren
auf den jüngeren Bruder über. Danach erst kam die nächste Generation der Söhne an die Reihe. Stirbt eine Priesterfamilie aus, so treten die Ältesten der Familie des betreffenden Orischa zusammen, um eine Neuwahl vorzunehmen. Ausschlaggebend ist der Aqua-bifosa, das Orakel der Kolanüsse. Hat eine Familie so die Priesterwürde erhalten, so erbt sie sich in ihr fort, bis der letzte direkte Sproß in Bruder- und Sohneslinie ausstirbt.Die Aufgaben des Adjes sind ganz verschiedene, kommen aber in zwei Punkten überein; sie haben die Heiligtümer der Götter zu verwalten, die Ordnung zu wahren, sie zu mehren und reinlich zu erhalten und den Verkehr mit den Göttern weiterzuführen. Ferner haben sie in der Novemberzeit die großen Zeremonien für ihre Gemeinden zu leiten. Über die Feste und Zeremonien werden wir noch manches kennenlernen, zunächst will ich nur eine ganz allgemeine Schilderung der Tempel und Altäre bringen.
Bei dem Tempel des nördlichen Joruba hat man zwei verschiedene Formen zu unterscheiden: das eine ist die Banga, d. I eine Kammer, ein kubischer Raum, der in das Hauptgebäude der großen Gehöfte eingebaut ist. Der schönste dieser Art, den ich gesehen habe, war der des Gottes Schango in Ibadan. Die offene Seite war hier durch tragende Säulen im Sinne der Stützpfeiler des Tembenbaues geschmückt. Hinter ihnen lag der Altar. Ein Aufbau von Töpfen, die als Altarorakel verwendet waren, dann Holzfiguren mit "Donnerkeil", dann übergehängte Stoffe, die zum Teil den Ascho Ogun, den Amulettgewändern der Schamanen glichen, an die Wände gehängte Taschen usw. Auf dem Altar dieser rechteckigen Bangatempel findet man allerhand nicht Zusammengehöriges durcheinander aufgestellt, moderne Schnapsflaschen, alte Geibgüsse, verzierte Eisenstäbe, jede Art von Kopfschmuck und Amulett, alte Krüge, Reste alter Steinbauten usw., alles in moderner Sinnlosigkeit, sowohl das ganz bedeutungslose Neue, als das mißverstandene Altehrwürdige. An verschiedenen deutlichen Resten und nach emsigem Suchen kann man aber erkennen, daß früher hier eine Symbolik geherrscht hat, die reich und bedeutungsvoll gewesen ist, daß dagegen heute diese äußeren Zeichen einer verweltlichenden Durcheinanderwürfelei anheimgefallen sind, einer Wirrnis, die durchaus kritiklos ist. Man sieht im Schangotempel Ifaschalen, auf Jemajaaltären Schangorasseln, in den Heiligtümern Ojas Schankpannaspiele u. dgl. Es war kein leichtes Stück Arbeit, obgleich doch eine ziemliche Übung im Entwirren nun schon gewonnen war, diese alten Geräte zu gliedern und eine klarverständliche Sammlung aufzubringen, die wenigstens der schweren Sinnfehler bar ist.
Außer diesen eingebauten rechteckigen Tempeln kommen noch runde Einzelgebäude vor, die im Architekturbilde dieses Teiles des
Jorubalandes um so wunderlicher wirken, als hier doch durchweg die gerade Mauer, das Satteldach und das Tembensystem im Wohnbereiche allein herrschen. Hier und da gewahrt man nun auf breiten Straßen und großen Höfen, so wie in heiligen Hainen außerhalb der Städte, regelrechte Rundhütten mit Kegeldach, das entweder von einem Kreise hölzerner Stützen oder Lehmsäulchen getragen wird. Durch den Abstand der runden Wand von den das Dach tragenden Stützen entsteht eine Veranda, in der gewöhnlich die dem Kultusdienste dienenden Trommeln aufbewahrt werden. Das Innere dieser runden Tempel pflegt, im Gegensatz zu den heiligen Tembengemächern, den Bangas, ziemlich leer zu sein. Keinerlei Figuren, nur ein Topf mit Wasser, einige Kolanüsse, einige Schnecken, das ist alles, was dem Beschauer hier auffällt. Diese kleinen Tempel scheinen selten oder nie dem Orischa des Hausherrn gewidmet zu sein. Der Hauptorischa des Gehöftes hat anscheinend stets seinen Bangaraum. Diese Tempel sind von den in die Familien eingeheirateten Frauen errichtet, und zwar meist solchen Frauen, die im Hause besondere Macht gewonnen haben; oder aber sie stehen auf der Straße, und dann haben sie irgendeine Beziehung zu der Örtlichkeit und stehen nicht dem Gehöfts-, sondern dem Hauptpriester zur Verfügung. Ich sah sodann an einer Stelle außerhalb eines Gehöfts, das dem Gotte Oschun geweiht war, einen kleinen runden Tempel errichtet, der dem Schango gewidmet war; der Gehöftsherr hatte ihn durch den Schangopriester aufbauen lassen, nachdem einmal der Blitz in sein Haupthaus eingeschlagen war. Meist sind die runden, kleinen Tempel anscheinend dem Gotte Oschalla gewidmet. Ich könnte hierin falsch unterrichtet sein; sicher aber ist, daß in den runden, symbolarmen Tempelchen ebensoviele Opfer dargebracht werden, wie in den pompösen Bangas.Drittens aber müssen die Tempel oder Weihestätten unter freiem Himmel erwähnt werden, die Igbodu. Sowohl (wenn auch seltener) innerhalb der Städte, wie besonders draußen vor den Toren sind heilige Haine gelegen, die aus wenige Meter hohem Buschwerk bestehen, über dem hohe Baumwollbäume und Rotholzbäume ihre Kronen ausbreiten. In diese Buschwerke nun sind nach ganz bestimmter Anordnung Gebet- und Opferplätze, eben die Igbodu, geschnitten. Von der Hauptstraße zu ihnen hinein führt ein schmales Wegstück, über das Palmblätter hängen und gewissermaßen das Tor bilden. Unter ihnen hindurch gelangt man in einen viereckig geschnittenen, mit Paudanus umzäunten größeren Waldplatz, durch einen zweiten Torgang in einen etwas kleineren, durch einen dritten in einen verhältnismäßig sehr kleinen, auf dem seitlich oder auch der Mitte zu irgendein großer Baum zu stehen pflegt. So sind immer diese drei Räume in gleicher Anordnung. Den ersten darf alles
Volk betreten, den zweiten nur die Priester und die Gesippung des Gottes, dem das Heiligtum gewidmet ist, und den dritten nur der Hohe Priester und die von ihm geweihten Hüter der Tempelstätte. Diese Tempel mit ihrem Allerheiligsten sind also genau angelegt wie die der alten Israeliten usw. und wie die älteren griechischen auf Sizilien. Im Allerheiligsten werden die größeren Zeremonien vollzogen und hier liegen auch meist Scherben und Heiligtümer aus vergangener Zeit. Von diesen Tempeln sagte man mir, daß "Edschu auf ihrer linken Seite wohne". Im übrigen scheinen hier ebensogut wie im Tempelgebäude und in der Altarnische im Hause Opfer dargebracht zu werden.Dies führt mich zu der allgemeinen Besprechung der Orischas und ihrer Lebensformen selbst. Ich habe geschildert, wie heute alle möglichen Gegenstände auf dem Altar angesammelt sind. Oben schon habe ich von den schön geschnitzten Türen gesprochen, mit denen die größten Tempel und heiligen Gehöfte geschmückt sind. Wir haben dagegen gesehen, daß die kleinen Tempelchen, die an der Straße und inmitten der Gehöfte stehen, fast gänzlich leer sind. Später werden wir erkennen, daß die Figuren und sonstigen Darstellungen und Symbole niemals eigentliche Bilder der Götter sind, sondern vielmehr die Priester und Menschen repräsentieren, welche gerade diesem oder jenem Gotte ein Opfer oder eine Zeremonie darbringen. Ich weiß nur von wenigen Bildnissen, die den Gott wirklich selbst darstellen. In den meisten Fällen hat der Eingeborene jedenfalls unrecht, wenn er eine Darstellung als die eines Gottes in Anspruch nimmt. Nur der Gott Edschu ist immer klar erkennbar, Schango sehr selten dargestellt. Dagegen bringen alle diese Schnitzwerke immer die Tracht und bestimmte Symbole zur Anschauung, die den betreffenden Göttern geweiht sind.
Ein Orischa kann nun ebensogut auf einem pompösen, bilderreichen Altare, wie in einem leeren, kleinen Hüttchen wohnen. Das Bild und der Altar sind nicht selbst der Orischa. Er wohnt nur darin und lebt darin ebensogut wie in der Betätigung der Naturkraft, in der die Gottheit der mythologischen Vorstellung nach heimisch ist. Der Gott eines Stromes ist nicht der Strom selbst; er belebt ihn nur, er wirkt darin und kommt aus ihm heraus. Und der Gott der Sonne ist auch nicht die Sonne selbst, diese Gottheit wohnt in der Sonne. Jeder Orischa hat in der Naturerscheinung, in der man ihn denkt, seinen Wohnsitz genommen, und er kann, wenn er will, aus diesem Wohnsitz hervortreten, kann sich in der Familie bewegen und dort Segen und Nachkommenschaft pflanzen. Genau so, wie er auch im Besonderen bestimmte Menschen inspirieren, d. h. sie in Besitz nehmen kann, so daß sie wie besessen sind. Soweit der Kultus und die Grundlage des sozial-religiösen Systems.
1. Wir fanden das ganze Volk der Joruben totemistisch gegliedert in viele Klane, an deren jeder Spitze ein Gott steht, von dem alle Mitglieder des Klans abstammen. Dieser Gottheit sind einige Tiere widrig; deswegen müssen sie von den Nachkommen vermieden werden und veranlassen somit die echt totemistischen Ewuo-Speiseverbote. Diese Ewuo werden vom Gott-Stammvater in väterlicher Linie bis zu den jüngsten Nachkommen fortgepflanzt. Die Gesetze bedingen Exogamie, d. h. niemals sollen sich Nachkommen der gleichen Gottheit ehelich verbinden. Und wenn sie auch der Familie nach so weit voneinander abgezweigt sind, daß sich keiner mehr erinnern kann, von einer Beziehung zu den Vätern der andern Linie etwas gehört zu haben, so müssen sich zwei junge Menschen, die dieselben Speiseverbote haben, einander meiden, weil sie als blutsverwandt gelten.
2. Die einzelnen Klane stammen aus verschiedenen Gegenden; der eine Gott kam von Norden in seinen Klan, ein zweiter von Osten, ein dritter von Westen usw. Sie sind der Sage nach im Laufe der Zeit mehr und mehr durcheinander geflossen: je nachdem hier und da das politische Übergewicht den Führern dieses oder jenes Klans zufiel. Im Laufe der Zeit mag so der eine Klan aus schwacher Wurzel zu großer Bedeutung und derart sein Gott zu eminenter Macht gekommen sein, während ein anderer, früher sehr einflußreicher von der Hoheit herniederstieg. Als Klan, der alle Zeiten hindurch die siegreiche Oberhand behalten hat, können wir z. B. die Schangosippe anführen, während der Klan Oduduas herabgekommen und dem Aussterben sehr nahe ist. Und ebenso wie Odudua ist es dem Meergotte Olokun gegangen, dessen Nachkommenschaft auch deshalb schon an Bedeutung einbüßte, weil das Interessengebiet dieser Völker schon lange vor Beginn des Mittelalters sich mehr und mehr von der Küste dem Inlande zu verschob.
3. Jeder Gott hat seine Machtsphäre und seine eigenen Kräfte, und insofern wird er nicht nur von seinen Nachkommen, den Mitgliedern des Klans, die sich seine "Kinder" nennen, sondern auch von solchen, die seiner Hilfe gerade bedürfen, jeweilig verehrt. In Gewitternot wendet sich ein jeder Jorube, nicht nur ein Sohn des Schango, an den gewaltigen Donnerer. Wenn eine Pockenepidemie ausbricht, so wenden sich die Bitten aller an den gewaltigen Schankpanna. Dennoch ist aber ein Grundsatz immer festzuhalten: Nie wird ein Mensch aus seinem Klanverbande treten können, um etwa die Vater: und Urahnenschaft eines andern Orischa zu gewinnen. So oft ich die Leute in verschiedenem Sinne nach solchen Möglichkeiten fragte, lachten sie jedesmal über den Unsinn, welcher nach
jorubischer Ansicht in so törichter Fragestellung liegen muß. Denn diesen Klanverband kann nicht einmal ein Mann verlassen, wenn er Ismalit oder Christ wird. Ein alter Schwarzer, den ich in dieser Richtung interpellierte, klärte mich sehr einfach auf. Er sagte zu mir: "Du hast einen Vater und eine Mutter. Du sollst diesen Vater und diese Mutter ehren. Du kannst diesen Vater und diese Mutter aber auch beschimpfen. Du wirst aber niemals den Vater und die Mutter verstoßen und dir einen andern Vater oder eine andere Mutter wählen können. Jeder Mensch stammt von einem Elternpaare ab, und das kann er nicht ändern. Es ist nun nur die Frage, ob er sie verehrt oder beschimpft. So ist es auch mit den Orischas".Ist in diesen drei Abschnitten das Wesentlichste gegeben, soweit es die Struktur des Sozialsystems angeht, so will ich im folgenden in aller Kürze auch angeben, inwieweit die Götter untereinander zusammenhängen oder nicht. An der Spitze des ganzen Göttersystems steht Olorun. Er wird weder verehrt, noch irgendwie beachtet, sondern führt ein absolut mythologisch-platonisches Leben. Es gibt aber noch einen zweiten Himmeisgott, und das ist der Obatalla, auch kurzweg Oschalla genannt. Der alten Sage nach war dieser Himmeisgott ein Gott des Meeres und außerdem, der Küstenmythe zufolge, auch der Gatte der schwarzen Erde. Odudua, die schwarze Erde, wird im Innern aber als Mann angesehen, und so bemerken wir, daß diese ursprüngliche Ehe von Himmel und Erde in diesen Gegenden fast in Vergessenheit geraten ist. Ein zweites Götterpaar stellen Aganju und Jemaja dar, die trockene und die feuchte Erde. Sie hatten einen Sohn, der Oranja oder Orungan heißt, und dieser Sohn liebte seine eigene Mutter über alle Maßen. Jemaja wurde nachher Mutter von sechzehn Göttern. Diese sechzehn Götter sind von der verschiedensten Art. Einige sind gewaltige Herrscher, wie Schango, der Donnergott, Olokun, der Meergott, Öko, der Gott des Ackerbaues, Ogun, der Herr des Eisens, Schankpanna - der Pockengott, dann die Sonne und der Mond; andere aber, und zumal die Göttinnen, sind Flüsse und entsprechen mehr den unsterblichen Damen, die auch in der griechischen Mythologie die Flüsse beleben. Im großen und ganzen ist dieses Grundgerippe der Mythologie in den Küstenländern recht hübsch klar erhalten. Doch kommt es auch diesen Mythen erzählenden Menschen nicht darauf an, einmal alles kunterbunt durcheinander zu werfen, und gerade ihr Poseidon, der Olokun, wird teilweise als das mächtige Himmelsmeer angesehen, aus dem der Himmeisgott geboren wird, teilweise aber auch unter Verschiebung seiner Entstehung um drei Generationen als Sohn der Jemaja hingestellt. Nicht zu bezweifeln ist es außerdem, daß in einer Unsumme von Lokalerdichtungen die Götter umgedeutet und in ihren Beziehungen zum mythologischen Grundgerippe verschoben werden.
Immerhin ist dieser Vorgang bei weitem noch nicht so wild und wirr, wie etwa im klassischen Altertume. Und vor allen Dingen haben die großen Gottheiten bis auf eine einzige Ausnahme ihre Stellung und Macht dem Gesamtsystem nach beibehalten. Nur auf eine Erscheinung muß ich gleich von vornherein aufmerksam machen. Sie darf nicht aus dem Auge verloren werden. Ich meine die Erscheinung der Wucherformen.Es gibt eine ganze Reihe von mythologischen Erscheinungen, die nicht als Götter, heute aber hier und da als Orischas verehrt werden. Da ist z. B. Oro, den ich oben geschildert habe. Es ist weiter nichts als das Geräusch, das die verstorbenen Ahnen hervorrufen, wenn sie zur Erde zurückkommen, Speise verlangen und die Weiber in die Hütten verjagen. Eine zweite solche Form ist Egun oder Egugun. Egun ist zuerst eine Maske. Wenn ein Mensch gestorben ist und zum Grabe begleitet wird, nimmt man vor der letzten Bergung der Leiche noch einmal das Tuch von dem verstorbenen Körper. Man hat eine hölzerne Maske geschnitzt, die legt nun ein Mann an und nimmt dann das Leichentuch um sich. So tanzt er und spricht in der Fistelstimme im Namen des Toten, den er in der Maske und in dem Leichentuche repräsentiert, zu den Verwandten, tröstet sie, ermahnt sie und verhandelt mit ihnen über die Arbeiten und dergleichen. Den Eguntänzer betrachtet man direkt als eine Personifikation des Toten. Will man diesem z. B. ein Opfer darbringen, so stellt man die Maske auf und nimmt an, daß die Opfer, die nun vor der Maske dargebracht werden, von dem Toten selber in Empfang genommen werden (vgl. oben!). Auch diese Egunfigur wird vielfach als Orischa betrachtet, ohne aber auch nur im geringsten ein Anrecht auf diesen hohen Titel beanspruchen zu können, da sie ja als die Personifikation des Toten eigentlich nichts ist als ein kleiner Bruchteil des Orischa.
Ein anderes Beispiel: In dem großen Flusse lebt ein großer Fisch, "der hat Brüste und ein Gesicht wie ein Mensch". Er heißt Esse. Wenn die Leute den Esse jagen wollen, so befestigen sie an ihrer Ofa (Stechlanze) vorn ein Ogu, ein magisches Mittel. Drei Tage, nachdem der Jäger zugestoßen hat, kommt Esse dann zum Vorschein. Man verteilt sein Fleisch nach Belieben, die Knochen aber erhält der Schamane. Zuweilen wird der Esse auch an einer Meeresstelle gefangen, wenn er "ans Ufer steigt, um zu grasen". Von diesem Esse heißt es, daß er zuweilen auch als Orischa verehrt worden ist. Eines Tages aber überwarfen sich die Menschen mit ihm aus Mißverständnis, und seitdem sehen ihn die Joruben wie jeden andern Fisch an und töten ihn, wo sie können. Soviel aber wissen die Leute: Vordem war ein Esse der Mensch, und zwar im Lande Lubu, wo Enjille beginnt. Dort in Lobu oder im Lande Lubu ist eine Familie, die den Esse noch jetzt verehrt. Im eigentlichen Jorubalande fehlt aber
heute der Orischa Esse. — Ich bin diesem Orischa dann noch nachgegangen und habe gefunden, daß es sich um nichts anderes handelt, als um den Manatus, den Ma der Mande, den Adju der Haussa. Die Legenden, die die Mande- und Fulbestämme von ihm erzählen, haben auch Joruba im Norden gestreift, und so dämmerte am Horizonte des Volkes ein neuer Orischa herauf. So, wie hier aus einer Legende ein Orischa herausgebildet wird, ist es mit vielen andern Erscheinungen. Da hört man z. B. von einem Orischa Adja und ist alsbald erstaunt über die Vielseitigkeit der kleinen Wesen, die sich in diesem Gotte vereinigt haben sollen. Zuletzt stellen sie sich als kleine Wichtelmännchen heraus, von denen auch die Bewohner Senegambiens und Mossi allerhand zu erzählen wissen.So kommt es denn den Joruben absolut nicht darauf an, aus jeder ihr Interessengebiet in mythischer Hinsicht streifenden Sache einen Orischa zu machen, und ihn, wenn auch nicht dem Gesamtsysteme, so doch der allgemeinen Glaubenswelt einzugliedern.
Das bezeichnendste Beispiel von der Umbildung eines Orischa ist aber Ifa, über den ich im zwölften Kapitel eingehender berichten werde. Außer diesem Ifa gibt es nun noch eine hervorragende Gestalt, die vielfach als Orischa aufgefaßt wird, doch niemals mit einem wirklichen Orischa etwas gemeinsam hat, das ist Ossenj: eine Erscheinung, die bei der Betrachtung des sozial-mythischen Systems der Joruben auf keinen Fall vergessen werden darf.
Der Ada-usche ist seiner gewöhnlichen Lebensstellung nach zunächst ein Mediziner, ein Arzt, der über eine ganze Reihe pharmazeutischer Kenntnisse verfügt. Man kann aber ein solcher Arzt nur werden, wenn man vom Ossenj oder Ossei nicht sowohl abstammt, als vielmehr auf Grund seiner Abstammung begeistert wird. Wenn nun diese Beziehung zu dem Ossenj auch Voraussetzung ist, so muß doch die Kunst des Ada-usche regelrecht gelernt und studiert werden. Wenn demnach ein bejahrter Ada-usche das Alter allzu drückend
empfindet und von den ersten Todesahnungen geplagt wird, so beginnt er seinen Sohn zu belehren, auf daß er ihm dann später an Kunstfertigkeit und Kenntnissen gleichkomme. Doch auch durch solche Schulung wird der junge oder auch schon ältere Mann noch lange nicht Ada-usche. Nach der Einführung durch den eigenen Vater muß er sich aufmachen und auf die Wanderschaft gehen. Und zwar dieses für mehrere Jahre. Er sucht berühmte Vertreter des väterlichen Standes auf, spricht mit ihnen, zahlt für die Lehre und den Unterricht und zieht dann weiter. Hat er an mehreren Orten derart studiert, so kehrt er heim und kann sich nunmehr niederlassen.Die Lehrzeit des Mannes ist aber nicht nur mit Diskussionen, medizinischen Studien usw. ausgefüllt. Der Ada-usche wird direkt beeinflußt von der einflußreichsten Kraft, die den Menschen zuteil werden kann. Das ist das Ossenj. Nur ein Om-Ossenj kann Adausche werden. Und zwar erhält er von der Gottheit die magischen Mittel, die ihn zum Schamanen erster Ordnung stempeln. Nun ist aber auch jeder Orischapriester auf den Ada-usche angewiesen, denn nur von Ossenj geht die magische Kraft der Belebung der Götter wie der Menschen aus. Wenn der Schangodiener am heiligen Tage mit dem Feuer tanzt, so holt er sich vorher die schützende Kraft von einem Ada-usche. Neben dem heiligen Gerät eines jeden Babalawo stehen inspirierende Eisenstäbe, die im wesentlichen genau den gleichen Formen der Agema der Bassariten und andern Stämmen entsprechen und nur breiter ausgebildet sind. Diese Ossenjstäbe geben dem Ifadienste die vermittelnde Kraft und sind deshalb vom Ada-usche geweiht. Der Schamane selbst hat diese hie (d. h. Haus) genannten Eisenstäbe daheim als Träger seiner göttlichen Inspiration stehen.
Daß die Ada-usche im ganzen Orischasystem eine von den Göttern und Priestern unabhängige Stellung einnehmen und unabhängig von diesen wirken, geht schon daraus hervor, daß diese Schamanen kein ausgesprochenes Speiseverbot haben, daß nicht jeder Sohn eines Ada-usche vom Ossenj begeistert werden kann, und daß diese Segnung mit der magischen Kraft von der persönlichen Auswahl des Ossenj abhängt.
Wenn wir von der medizinischen Tätigkeit des Ada-usche absehen, so erkennen wir seine Wirkung als Schamane auf vielen Gebieten. Ossenj selbst bedeutet soviel wie "magische Kraft". Die magischen Kräfte und magischen Hilfsmittel stellen aber das Rüstzeug dar, mit dem die Joruben überhaupt sich in aktiver oder passiver Hinsicht in ihrem Verhältnis zu den überirdischen Kräften wappnen. Im alltäglichen Leben benutzt der Jorube hierzu die Ogu, die Amulette. Es ist selbstverständlich, daß kein Mensch außer dem
Ada-usche Ogus verfertigen kann, weil niemand außer dem Adausche ihnen die Ossenjkraft verleihen kann. Wenn solche magische Kraft als selbständiges Zentralorgan übersinnlicher Wirkungen überhaupt angenommen wird, wie dies im ganzen Schamanendienste der Fall zu sein scheint, so ist es ganz logisch, wenn dieser Schamane als Inspirator, als Diener und Instrument des Ossenj allein imstande ist, Zaubermittel anzufertigen. Ebenso, wie es ja logisch ist, daß von diesem Ossenj selbst der Wirkungsinhalt, die Wirkungsabsicht des Ogu ausgefüllt werden könne. Also wenn erstens die Joruben überreich an Amuletten sind, so nehmen sie diesen Reichtum von den Ada-usche, die die Instrumente mit Hilfe des Ossenj herstellen. Und wenn zum zweiten die Götter eine den Menschen verständliche Außerungsform annehmen wollen, so gewinnen sie ebenfalls wieder die Kraft von niemand anderem als von dem Ossenj.Ein besonderes Zeichen der separierten Bedeutung der Ada-usche liegt wie schon erwähnt darin, daß er der Herr und Meister, will sagen einzig Überlegene im Kreise der Wehrwolf-Subachenanschauung ist. Die Subachen heißen bei den Joruba Adje. Man fürchtet sich schon über sie zu sprechen, denn sie gelten so ziemlich als die unheimlichsten Wesen. Wenn man über sie redet, soll kein Sprechender oder Zuhörender an der Wand lehnen, denn das können diese Geschöpfe, wenn sie auch noch so fern sind, hören und dann werden sie sich unbedingt an dem Menschen für sein Interesse rächen. Ferner ist es sehr empfehlenswert nach der Unterhaltung über solche Dinge etwas Palmöl aufzutischen und vom Finger zu lecken, sowie auch eine Kola zu kauen, um derart "den Mund von den schlechten Worten zu reinigen". — Die Subachenform ist bei ihnen insofern interessant, als die Lebenssauger nicht wie im Sudan als Feuerfunken, sondern als Vögel in die Ferne ziehen. Doch versuchen wir, uns das Bild der Eingeborenenvorstellung möglichst deutlich zu vergegenwärtigen.
Die Adje sind lebende Menschen, welche die Gabe besitzen, nachts ganz unbemerkt den schlafenden Körper zu verlassen, um sich in kannibalischer und räuberischer Weise der Lebenskraft anderer Sterblicher zu bemächtigen. Der Nebenmensch sieht es dem Adje weder am Tage an, wenn er neben ihm lebt und tätig ist, noch nachts, wenn der andere an seiner Seite scheinbar harmlos atmet und schlummert, während doch sein "Inneres" vielleicht schon längst die weiterschlummernde Körperhülle verlassen hat. Wenn der Adje nachts auf Raub auszieht, so fliegt er als Eule fort. Er fliegt nie durch eine Türe, sondern meist durch ein Loch im Dache. Herausfliegen ist falsch ausgedrückt; er verläßt das Haus vielmehr rückwärts, indem seine Eulengestalt sich gegen eine Deckenöffnung oder auch geschlossene Türe lehnt. Das Anlehnen genügt, die Eule ist
draußen. In der gleichen Weise hält Adje bei seinen Opfern Einzug -durch ein Loch oder eine geschlossene Tür und in Rückenanlehnung, nie aber durch eine offene Türe.Das einzig Merkwürdige bei den Adje der Joruba ist aber, daß sie gar nicht das Haus zu verlassen und bei dem Opfer einzufallen brauchen, um ihren kannibalischen und mörderischen Lüsten zu folgen. Sie können das Leben der andern auch von ihrem Schlafhaus aus durch Saugen aufnehmen. Sie können ihre Opfer auch aus der Entfernung packen. Näheres darüber konnte ich nicht erfahren. Auch macht die Phantasie der Joruba vor der Ausmalung der Details des Vorganges selbst halt. Ich konnte nicht einmal feststellen, ob die Seele oder das Leben des Opfers annektiert wird. Jedenfalls fühlt sich das Opfer am andern Morgen nach dem Erwachen sehr unwohl, unfähig aufzustehen, unfähig über die Sache zu sprechen und über alle Maßen wehmütig. Der Adje hat nachts den geistigen Lebensteil des Mannes genommen und auf einen sehr hohen Baum geschleppt, wo er für einige Tage aufbewahrt wird. In dieser Zeit ist es den Angehörigen vielleicht noch möglich den Erkrankten zu retten. Sie müssen den Erkrankten frei kaufen. Irgendein Freund des Hauses übernimmt die Vermittlung. Er sagt: "So, so, so krank ist der x. Nun dann bringt doch dem und dem einmal Stoffe und Geld und anderes. Vielleicht wird es dann ja besser." Auf solchen Vermittlungsvorschlag geht man gern ein und bringt gar manchesmal materielle Opfer, um einen Menschen zu erretten.
Wir finden auch bei den Joruba wieder betont, daß jeder Mensch nur Mitglieder der eigenen Familie töten kann. Und wenn man über den Angehörigen einer andern Familie herfallen will, so muß ein dieser Familie verwandter Adje die Worte ausgesprochen haben: "Nimm ihn"! — Mitglied wird man im allgemeinen durch Vererbung und Unterweisung seitens des Vaters oder der Mutter. Wenn aber eine Mutter ihr Kind gefragt hat: "Willst du Adje werden"? und wenn das Kind dann nicht will, dann muß es sehr schnell außer Land fliehen, wenn es der Raubgenossenschaft nicht zum Opfer fallen und sehr schnell sterben will. — Im übrigen gehört hier im Gegensatz zu der Anschauung anderer sehr viel Geld dazu, um Adje zu werden. Dem Joruba ist eben nichts etwas wert, was nicht viel Geld gekostet hat.
Wie gesagt: der einzige, der dieser Ungetüme Herr wird, ist auch hier der Schamane, der Ada-usche. Wie er mit ihnen verfährt, weiß ich nicht; nur soviel ist sicher, daß er dies auch vollbringt als Herr aller magischen Kräfte und magischen Hilfsmittel. Das magische Rüstzeug, das er andern Leuten gibt, sind die Ogu, die Amulette. Kein Mensch außer dem Ada-usche kann Ogus machen; niemand anderer sie beleben als Ossenj. Ossenj heißt anscheinend direkt magische
Kraft. Wenn solche magische Kraft als selbständiges Zentralfeuer übersinnlicher Wirkungen überhaupt angenommen wird - wie dies im ganzen Schamanendienst der Fall zu sein scheint, so ist es absolut folgerichtig, wenn dieser Schamane, als Inspirator, als sein Diener und Instrument allein imstande ist, magische Mittel anzufertigen, ebenso wie es logisch ist, daß nur von dem Ossenj selbst die Wirkungsform, die Wirkungsabsicht des Orischa ausgeführt werden kann. Es gibt aber eine Unmenge Amulette der verschiedensten Art, gegen Feuersbrand, für Regen, gegen Schuß und Hieb und Stich, gegen Krankheit usw. usw., und wenn auch mancherlei Amulettformen von dem Orischadienste und andern Anschauungsgruppen übernommen werden, wie Steinbeile aus dem Schangodienst, Schwirrhölzer aus dem Orodienst, Nachahmungen von Ifabrettern und Miniaaturausgaben von Blasebälgen, usw. usw., so werden sie doch alle immer wieder belebt und können ihre wahre Kraft nur durch Ossenj erhalten. Man wird kein Haus finden, in dem nicht Ossenj in allen möglichen Varianten sein Wesen eingebürgert hat, vor allen Dingen fällt aber oftmals eine Ausschmückung auf, die besonders bedeutungsvoll erscheint.Neben den meisten Haupteingängen in jedem Haus sieht man auf jeder Seite ein kleines Holz in den Boden gelassen, oder am Türrahmen befestigt, oder in das Rippenwerk des Verandadaches gesteckt. Das eine der beiden Hölzer ist immer in mehr oder weniger deutlicher Weise weiblich, das andere männlich dargestellt. Zuweilen sind es ganze Figuren, zuweilen nur Stücke mit Gesichtern oben und den Kennzeichen des Geschlechtes unten, zuweilen sind nur wenige Schnitte angebracht, die dann aber auch das Geschlecht angeben. Es muß immer ein Paar sein. Diese Figuren heißen Awurang. Die ihnen innewohnende geistige Kraft erhalten sie, wie jedes Amulett, vom Ada-usche. Ihre Aufgabe ist es, das Haus vor allem Schlechten zu schützen und alles Gute hineinzubringen. Man erklärt die paarweise Aufstellung je eines Geschlechtsvertreters, daß die Awurang eben Mann und Weib schützen sollen. Inwieweit diese letzte Aufgabe richtig ist, weiß ich nicht, konnte ich auch nicht feststellen, denn vereinzelte Angaben kann man immer schwer auf primären oder sekundären Wert hin festlegen. Das kann man nur, wenn die Angaben in einem System irgendeiner Art eingegliedert werden können, so daß es möglich ist, von verschiedenen Seiten aus immer wieder auf sie zurückzugreifen und so zu kontrollieren. Jedenfalls ist die geschlechtliche Paarbildung nicht nur bei den Awurang festzustellen, sondern auch bei andern Kuitgeräten. Das eigentliche Ossenjamulett ist ein Bündelchen, in dem zwei zirka sieben Zentimeter hohe rohe Figürchen in Stoff eingewickelt sind. Das eine gilt immer als männlich, das andere als weiblich, auch
wenn das Geschlecht nicht zu erkennen ist. —Die Eda Ogboni, die heiligen Ogbonifiguren aus Gelbguß, die an den Köpfen miteinander durch eine Kette verbunden sind und unten in Eisenstifte auslaufen, sind mehr oder weniger deutlich stets als Paar von Mann und Weib charakterisiert. Schon oben im Kapitel über Geburt und Kindersegen wies ich auf die starke Betonung der Geschlechtspaare im Zwillingsglauben der Joruba hin.Diese paarweisen Gestalten ließen sich seinerzeit schon bei den Tim, den westlichen Verwandten der Joruba nachweisen. Ich fand sie bei den Habe Tommo in den Homburibergen; ich weiß sie bei den Muntschi am Benue, bei den Tschambastämmen in Nordkamerun. Wir haben also eine weitverbreitete Sitte, die auch den Mossi in alter Zeit nicht fehlte, denn sie setzten früher Mann und Weib in die Wangomasken zwischen die Flügel. Von allen diesen Vorkommnissen ließen sich bisher aber nur die Paarfiguren der Tim und die Awurang als direkt zum Schamanenkreise gehörig nachweisen.
6. Kapitel: Die heilige Stadt
Die Joruba sind ein fleißiges und erwerbstüchtiges Volk. Landbau und Handel sind ihnen angenehme Berufe und dazu zeigen sie eine entschiedene Neigung, sich das Neue und Einträgliche zu eigen zu machen. Neuerdings haben sie sich auf den Anbau von Kakao geworfen. Den Handel zwischen der Küste und Haussaland haben sie aber ebenfalls in verschiedenen Perioden emsig betrieben. Gerade hierdurch wuchsen ihre Städte zu den gewaltigen Formen an, die sie heute haben. Der Handel zwischen den islamitischen Ländern im (Jorden und der sklavenhandelnde Europäer an der Küste hat natürlich der kulturellen Lehre Ausdehnung, aber nicht Vertiefung gegeben. Die Religiosität nahm ernsten Schaden und es zeugt von echt afrikanisch-konservativem Geist, daß das geräuschvolle Tageund Erwerbsleben nicht schon den ganzen Bestand verschlungen hat.
Das mythologisch-zeremonielle Wesen ist also noch vorhanden, aber es hat sich im allgemeinen doch etwas schämig verkrochen. So in den meisten größeren Orten. Unter diesen Umständen ist es ein unbezahlbarer Gewinn, daß das heilige Centrum des Jorubalandes, die Stadt des "Papstes der Joruba", daß das altehrwürdige Ife sich aus zeremoniellen Gründen bis vor kurzer Zeit mit modernem Handel und Verkehr nicht einlassen wollte, und daß dadurch an dieser Stelle ein Bestand wunderbarer Altertümlichkeit gerettet wurde. — Ein Blick in das Leben und Treiben dieser hocheigenartigen Stätte läßt alles Vorhergesagte und nachher zu Berichtende in seiner Originalität besonders klar erscheinen.
Diese Mannigfaltigkeit der Namen und der daraus erkennbare Wechsel läßt aber noch etwas anderes erkennen: einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Namenswechsel in Westafrika und der Namensstarre der Nordrande des Erdteils. Namen, die in Marokko, Algier und Tunis, in der Cyrenaika und Ägypten schon in der arabischen Zeit leicht verknüpfbar mit klassischen Erbstücken waren, Namen, die dort als solche schon vor der Zeit christlicher Zeitrechnung stammen, sind heute noch lebendig. Wir vermögen deshalb historisch anzuknüpfen, was wir in Westafrika nicht können. Die
Namen, die die alten Römer und Griechen den Städten dort im Nordlande gaben (oder auch, die sie vorfanden), sind heute noch leicht wiederzuerkennen, und das Alexandria des großen griechischen Stadtgründers hat heute noch bei uns den gleichen Namen und erlitt bei den Arabern die leichte Umwandlung in Iskandria. Weshalb das so ist, vermögen wir leicht zu erkennen. Die kulturgeschichtliche Entwicklung unserer Zeit knüpfte hier eben an die des Altertums unmittelbar an. Es hat in dieser Beziehung nie eine Unterbrechung stattgefunden; wohl haben Herrscher und herrschende Völker gewechselt, wohl haben die leitenden Kulturgedanken und Kulturformen sich in aller möglichen Weise umgewandelt, aber die Beziehung als solche blieb ununterbrochen, und das Fundament der Kultur bedeutet für das Altertum in jenen Ländern dasselbe, was es heute ist.So sind die nordafrikanischen Orte und Volksnamen durchaus ererbt, starr, historisch greifbar, zeugniskräftig. Und solche Zeugniskraft ist überhaupt charakteristisch für alle Namengebung in allen jenen Nordländern. Hierfür will ich ein Beispiel geben, um den westafrikanischen Gegensatz deutlicher zu machen. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts nannten die Nubier und Ägypter alle Leute, die von Timbuktu oder dem Nigerbogen oder aus den Haussaländern nach Osten kamen, also alle auf diesem Wege nach Mekka befindlichen Pilger Tekrori (oder ähnlich). Heute werden sie Fellata genannt. Ein altes Reich Tekrur bestand im Nigerbogen, südwestlich von Timbuktu, im Anfange des Mittelalters. Es ist schon seit langer, langer Zeit nicht mehr vorhanden. Der Name blieb aber, weil die Beziehung nie aufhörte. Erst als die enorme umwälzende Kraft der Fullani oder Fellata dem westlichen oder zentralen Sudan ein anderes Antlitz gab, begann der neue Name Fellata sich einzubürgern, und heute, nachdem die Fellata keine staatenbildende Rolle mehr spielen, ist er üblich geworden. Das sind Beweise fester, ununterbrochener Beziehung.
Ganz anders in Westafrika. Schon in den Geschichtsbüchern der Araber wechseln die Namen stark. Die rapide vor sich gegangenen Umwälzungen haben keinen Namen bis zu dokumentaler Kraft und traditioneller Festigung kommen lassen. Sie schwanken. Das beweist uns, daß diese Länder lange Zeit hindurch von den Beziehungen zum Mittelmeer und von den Beziehungen zur Ostkultur abgeschnitten waren.
des Oniflusses, und zwar westlich einer Hügelkette von Granitköpfen. Am Fuße dieser Kuppe dehnt sich ein schwammiges Land aus, welches eine Unzahl von Quellen und rieselnden Wasseradern, von Sümpfen und Morästen in bunter Abwechslung aufweist. In der Mitte dieser wasserreichen Landschaft liegt auf einer leichten Anhöhe, die nur eine einzige Kuppe (den Elle-sije) aufweist, die heilige Stadt. Als wir von Ibadan nach Ilife kamen, mußten wir einen Damm passieren, der durch ein mehrere Kilometer langes Sumpf- und Queliland geführt war. Will man weiter nach Westen über Modeke marschieren, hat man einen Sumpf zu überschreiten. Sumpfland ist nach Ilescha hin zu kreuzen; in Sumpfland kommt man, wenn man über das Idenaheiligtum hinaus nach Südosten wandert; Sumpf ist im Süden. Also liegt die Stadt ziemlich unverrückbar in Sümpfe eingekeilt. Sie ist aber nicht nur dadurch festgelagert; sie ist für einfache, afrikanische Kriegsverhältnisse so gut wie uneinnehmbar. — Der Fluß Oni aber, der nach Süden durch die Lagunen in das Meer abfließt, hat seinen Namen von der sicheren Lage des Wohnortes seiner Heiligkeit des Oni.
Infolge dieser Lage ist aber Ilife auch durch Fruchtbarkeit ausgezeichnet. Gewaltige Wälder und herrliche Bananenhaine sind die Zeugen. Weit dehnen sich, zumal nach Ilescha hin, die Felder aus. Es ist von bedeutendem kulturgeschichtlichem Interesse, daß die Ilifeleute sich fast nur von Mais und Bananen nähren, sogar heute, zur Zeit des großen Verkehrs, daß Jams nur selten und teuer, daß Sorghum aber in der Stadt überhaupt nicht mehr vorhanden ist. Die Ilifer sind ein ausgesprochen maisessendes Volk. —So liegt Ilife an der Nordgrenze der westafrikanischen Küstenländer. Als wir nach Norden, nach Ede, einmarschierten, kamen wir in die Mitte zwischen Ilife und Oschun in die typische Grassteppe, der kein Waldriese mehr angehört. In Ilife besteht die Oberdecke der Dächer noch aus Blättern, in Ede aber lediglich aus Stroh. Anderseits aber bietet Ilife selbst wieder einige gute Symptome der Einwirkung und der Nähe des Steppenlandes: Im Hofe des Königspalastes und an einem Markte stehen wundervolle Boababbäume, Wahrzeichen kultureller Beziehung zum Norden. Es waren die südlichsten, durchaus vereinzelten und augenscheinlich angepflanzten Exemplare ihrer Art, die ich auf dieser Reise kennen lernte.
Das sind die wesentlichsten geographischen Grundlagen, die uns die Lebensdauer dieser Stadt, wenn auch natürlich nicht erklären, so doch wenigstens verständlich machen.
durchaus die Charakterzüge ererbter Wohihabenheit tragen. Man sieht sowohl die häßlichen Symptome modernen, negerhaften, lagosgeborenen Parvenütums, als auch die Spuren wirklichen Verfalls ganz außerordentlich selten. Hier sind noch nicht die mächtigen Gehöfte alter Patriarchen weggeräumt, um neuen Aufkömmlingen und ihren absurden Affenkäfigen Platz zu machen. Das gewaltige Blätterstrohdach herrscht noch in Ife, und die Stadt hatte im Jahre 1910 nur zwei Wellblechdächer.
Zwei ziemlich parallele Hauptstraßen verlaufen von Modeke nach den Zentren der Stadt. Sie sind breit genug, um dem Getümmel des wirtschaftlichen Lebens Raum zu bieten. Hier und da erweitern sie sich zu Märkten. Aber wenn neben jedem Marktplatze in Ibadan ein oder mehrere Heiligtümer von Orischas gelegen sind, so ist das in Ilife nicht der Fall. Die großen und wichtigen Gottheiten wohnen alle der Stadtmauer nahe, innerhalb der Peripherie.
Wenn der Haupthandelsverkehr an diesen weiten Straßen sich abspielt, so soll damit nicht gesagt werden, daß nicht auch anderweitig gehandelt werde. Kleine Kaufstätten findet man in der Brunnenstraße und an den Wegen nach Ebolokun, dem Idenheiligtume, und an der Ileschastraße. Nur bei einer bedeutenden Anlage wird so gut wie kein Handel getrieben, was sehr vornehm wirkt; das ist der Platz vor dem Onipalast. Vor dem Palaste der fürstlichen Oni darf niemand sitzen; auf dem Platze selbst weiden nur dann und wann die Ochsen Seiner Heiligkeit, und nur da, wo der Ebolokunweg abzweigt, hökern einige alte Weiber.
Die Stadt scheint durchaus nicht ebenmäßig gebaut. Hier und da trifft man auf eine Trümmerstätte, wenn auch viel seltener als in dem den modernen Wirtschaftskrisen unterworfenen Ibadan. Aber die geographische Lage bringt dafür angenehm anzuschauende Abwechslung: hier und da ein Wässerlein, einen Sumpf, einen Bananenhain und höheren Baumwuchs. Am üppigsten entwickelt sich solche tropische Pracht an den beiden Straßen nach Ebolokun und dem Idenaheiligtume. Hier wandert man auf langen Strecken zwischen hohen Blätterwänden und unter mächtigen Palmen und wohlerhaltenen Urwaldruinen. Die "heilige" Palme ragt hier und da empor, und ein aus ihren Kronen gebildetes Blättertor führt dann zu jenen heiligen Nebenstraßen und Plätzen, die ich weiter unten schildern will.
So kann es denn kein Zweifel sein, daß schon diese ganze Anlage und Bauweise der Stadt Ilife den Charakter einer wohltuenden Eigenart verleiht. Und wenn ich das ganze Leben und Treiben, den Gesamteindruck der Götter- und Palmenstadt zusammenfassen soll, so kann ich zwar nicht von etwas Großem und Erhabenem sprechen, das liegt hier zu tief vergraben im Erdreich und Schutt der Jahrhun
derte, wohl aber von einer träumerischen Vornehmheit, die in dieser Hinsicht durchaus an die Weltfremdheit einer seitab vom großen Tagesleben gelegenen mitteldeutschen Residenzstadt gemahnt.So das Stadtbild, dessen Wirkung durch die gewaltigen Ruinen des Palastes Seiner Heiligkeit und durch das Bewußtsein traditioneller Vergangenheit noch gehoben wird. So auch die Bewohnerschaft, die ihrem Wesen nach so altertümlich ist, wie sie sich der Kenner des jorubischen Landes nur wünschen kann. Tracht und Gestus wirken hier zusammen. Hier fällt nicht der betriebsame Händlertypus unangenehm auf die Nerven. Hier dominiert die Achtung vor den alten Würdenträgern. Diese Leute sind noch nicht so abgehetzt, daß sie gerade nur noch Zeit zum Schnapsgenuß erübrigen. Hier wird nicht nur vom Geschäft geredet; hier wird vor allem außerordentlich stimmungsvoll, wenn ich auch nicht gerade sagen will, sehr gehaltreich, geschwiegen. Schweigen und Grüßen sind die beiden großen Betätigungen der Vornehmen in Ilife.
Das Schweigen brauche ich nicht besonders zu schildern. Es kann zuletzt an jedem Biertisch einer jeden europäischen Klein- und Großstadt mit der gleichen Würde betrieben werden wie in Ilife. Anders verhält es sich mit dem Gruße, dessen verschiedene Varianten uns allerdings in Europa als etwas sehr Merkwürdiges auffallen würden. Schon andere Jorubastämme müssen als vorbildlich höflich im Gruße, ja nach unserem Begriffe als etwas weitgehend hierin bezeichnet werden. Die Ilifer haben aber in leichter Vanierung eine so sublime, feinnuancierte Art im Zeremoniell geschaffen, daß jeder Kenner, sei er nun fürstlicher Zeremonienmeister oder königlicher Ballettmeister, seine wahre Freude daran haben müßte. Leider bin ich in diesem Fache außerordentlich Laie, und ich kann hier nur vom Effekt sprechen, nicht aber von der feinen Unterscheidungstechnik. Aber wenn eine Iliferin oder ein Ilifer sich begrüßen, sei es durch einfache schlichte Verneigung (die hier die bescheidenste Bewegungsart im Gruße ist), sei es durch Niederknien, sei es durch Sich-auf-den-Grund-werfen, sei es im Stirnbodenkuß, gleichviel, immer liegt eine Gemessenheit, eine Großartigkeit, eine Würde, eine ernste Hingabe darin, die jede Geste, jeden Faltenwurf, die das Ganze als durchaus bedeutungsvolle und wesentliche Sache erkennbar werden läßt. Ohne jede besondere Verschwendung von Aufmerksamkeit muß allein schon hierin jeder Beobachter die ganz auffallende Würde und die Gemessenheit und Wichtigkeit wahrnehmen, die vornehmere wie ärmere Eingeborenen den Verkehrsformen beimessen.
Eine so auffallende Würde, eine Art, das Kleid und den Schal und den Rock zu bewegen und zu werfen, eine Kunst in der Gestaltung ihrer Bewegungssilhouette haben diese Menschen, daß der Zuschauer
zunächst mit Recht zu der Überzeugung kommt: diese Menschen müssen ungemein viel Zeit übrig haben. Und einmal bei solchem Gedankengang angelangt, fragen wir weiter, wie denn das ganze Leben aussieht, das hinter dieser schönen und durchaus einmütigen Maskerade sich abspielt. Das ist meist eine schwierige Frage, aber sie ist im vorliegenden Falle nicht unschwer zu beantworten. In den vorhergehenden Kapiteln habe ich die von der alten Kultur zeugenden Geisteseigenschaften und Verwertung des Intellekts der Joruben ja schon als sehr hochstehend geschildert. Die Ilifer sind durchaus Joruben, und als solche den andern im allgemeinen auch gleichgeartet. Aber ebensogut wie die Bürger einer europäischen, seitab der Verkehrstraße gelegenen Provinzialstadt von den Bewohnern der Riesenstädte desselben Landes abweichen, ebenso die Ilifer von den Ibadanern oder Lagosern. Das Ifevolk ist, um es besonders auszusprechen, als Volks- und Rassentypus im allgemeinen der Bürgerschaft anderer Jorubastädte als gleichbedeutend zur Seite zustellen, seiner Erziehung und Ausbildung nach aber jedenfalls zurückgebliebener, interessenärmer, reaktionärer und hinterwäldlerischer zu bezeichnen. Anderseits sind die Ilifer fraglos ausgeglichener, charakteristischer und insofern auch dem Typus und Wesen nach vollendeter.Es liegt im Typus der Ilifer etwas Starres und als charakteristische Eigenschaft ist mir immer wieder die innere Armut der Leute erschienen. Das ist natürlich für den Kulturhistoriker ungemein auffallend und mag zunächst befremdend und unverständlich erscheinen, wenn man bedenkt, daß Ilife der religiöse Mittelpunkt, oder wie die Bewohner selbst sagen, der "Nabel" des sozial-religiösen Lebens der Joruben, die Stadt des Priesterherrschers, das eigentliche Rom des ganzen Jorubalandes ist. Das klingt widerspruchsvoll; denn reaktionär war die Priesterschaft manchen Volkes, aber gedankenarm ist sie doch wohl selten. Gerade das erschien mir aber besonders wesentlich. Hier liegt der Kernpunkt des Rätsels, das diese eigenartige Stadt Afrikas bietet, klar zutage; diese Menschen verwalten ein Erbgut, dessen Entstehung nichts mehr mit der ihnen heute eigenen Art zu tun hat. Das Ilifer Volk lagert wie ein schläfriger Drachen über dem Golde der vorgeschichtlichen Prunkkammer. Gedankenarm, weil verständnislos, hüten sie die alte Stätte, die ihnen Ansehen, hoheitsvolle Stellung und religiöse Vormacht im Jorubareiche verleiht, einfach, weil sie die alte Stätte bewohnen, weil das Blut ihrer ersten Gründer und Schöpfer in ihrer Masse aufgegangen und verdunstet ist, nicht aber, weil das heute noch vorhandene Wesen etwas anderes als nur Äußerliches aus dem Bereiche des Altertums und der Periode geistiger Schöpfungskraft Stammendes herübergerettet hat. Es ist ganz erstaunlich, welchen Stumpfsinn die Leute
bei ihrer "Auslegung" den ihnen überall sich aufdrängenden Resten aus alter Zeit entgegenbringen; es ist notorisch, daß die Ilifer in den religiösen Dingen die ärmsten geworden sind, weil Steine und Terrakottafiguren ihrem verständnislosen Auslegebedürfnis Starrheit verliehen und die Beweglichkeit raubten, jene Beweglichkeit, die beim Beobachten und Bedenken selbstgemachter, vergänglicher und oft zu erneuernder Holzbildnisse eigener Produktion vermehrt, variiert und vielleicht sogar entwickelt wird.Also erstarrt und verarmt, weil Inhalt und Form hierbei im Zwiespalt liegen. Die Form des Altertums blieb bestehen; aber um den Inhalt lebendig zu erhalten, dazu reicht das eingeimpfte Blut nicht aus; die Symptome des Negertums überwucherten die fremden Pflanzen allzu üppig. Wir werden das in den kurzen, geschichtlichen Notizen, die ich zu gewinnen vermochte, abgespiegelt finden. Die Ilifer bieten jedenfalls unter allen mir bekannt gewordenen Afrikanern, sogar die isolierten Bergstämme nicht ausgenommen, das typische Beispiel geistiger Inzucht infolge mangelnden Kampfes ums Dasein und um die Erhaltung und Förderung ihres geistigen Besitztums. Sie wurden immer gleichmäßig als Besitzer der ältesten Monumente geehrt und geachtet und geschätzt. Alle Joruben waren darin einig, daß Ife als heilige Stadt geschützt werden müsse. So floß ihnen kein neues Blut zu. So wurden sie nie erweckt zu einer tatkräftigen Handlung. So verkümmerten sie geistig in der gleichen Weise wie alle irdischen und kulturellen Wesen, die mühsam vor Betätigung geschützt werden, und deshalb, weil derart geschützt, verweichlichen, atrophieren und verkümmern.
Wir haben versucht, in die Seele dieser Menschen zu blicken. Nun dürfen wir fragen, ob das im inneren Wesen und an den Werken Beobachtete auch irgendwie aus Physiognomien und Kulturbildung spricht. Ich gebe den andern Joruben vor meiner eigenen Ansicht den Vortritt. Diese pflegen von den Ilifern zu sagen: "Die Ilifer sind so gelb wie die Kukuruku; sie sind nicht so schwarz wie die andern Joruben". Ich kann das nicht entscheiden, einmal, weil auch die andern Joruben einen ungemein starken Zusatz von gelben Elementen haben, und zwar dies ganz besonders im Adel, so daß man die Joruben unmöglich als "schwarz" bezeichnen kann, dann auch, weil die Ilifer ebenfalls einen recht beträchtlichen Teil dunkler Leute unter sich haben. Also ist die Ansicht der Eingeborenen, wie meist in solchem Falle, verallgemeinert und übertrieben. Aber das eine stimmt als richtige Beobachtung: die Zahl der gelben Menschen ist unter den ufern eine auffallend hohe. Unter "gelb" muß man hier die Hautfarbe der Malaien verstehen, nicht etwa die der Chinesen. Diese auffallend extreme helle Farbe konnte ich nun in der Umgebung des Oni unter hundert Leuten bei fünf, bei Versammlungen
der Vornehmen ganz genau entsprechend unter zwanzig bei je einem Individuum feststellen.Es ist nicht schwer, die Familien der Adligen bei den Ilifern zu erkennen: Diese sind entweder gänzlich ohne Ziernarben, was in Westafrika sehr auffallen muß, oder aber sie haben nur eine Linie unter jedem Auge, die dann vom Lid zur Backe verläuft. Nur den Angehörigen solcher Familien, die gar keine oder diese eine Narbenverzierung haben, ist es in Ilife gestattet, die alten heiligen Plätze zu besuchen. Besonders im Bereiche der ersteren trifft man sehr viele gelbe, wirklich auffallend gelbe Leute. Arriens hat eine Skizze einer alten Frau entworfen, die ganz ungemein charakteristisch und gut in Farbe und Form getroffen ist; man würde diese Alte nie als Afrikanerin, weit eher als eine Eingeborene von Sumatra oder Borneo ansprechen.
Ferner sagen die Joruben: "Die Ilifer reden nicht unsere Sprache". Auch das ist übertrieben und sogar falsch. Die ufer sind, linguistisch genommen, so waschechte Joruben, wie nur irgendein verwandter Stamm. Sie verstehen sich untereinander so vollständig, wie das bei Abweichungen nur möglich ist. Dennoch hört man manchen recht fremdartigen Ausdruck. Ich stelle hier wenigstens einige wenige einander gegenüber.
Es heißt: In Ibadan In Ilife Mein Freund Oremi Onukumi Was ist das? Etiché? Kini? Gib mir Befumi! Mukomi! |
Mit Absicht stelle ich gerade diese paar Worte auf, weil sie noch eine andere Sache zur Erinnerung bringen. Die Ausdrücke, die ich hier als Ilifedialekt angebe, wird man nämlich in ganz gleicher Aussprache und Bedeutung im Dialekte der Joruben im deutschen Atakpamelande wiederfinden, und zwar aus dem Munde von Leuten aus Dume, Kamina, Tschetiquo usw. In der Tat scheinen diese Dialekte bis in auffallende Kleinigkeiten hinein sich zu gleichen, und in dieser Übereinstimmung der Hauptgruppe der Jorubadialekte gegenüberzustehen. Diese Übereinstimmung zwischen Ilifern und Atakpamern ist aber auch in andern Dingen zu bemerken. So werden wir gleich die eigenartige Form der Strohmitra der alten Patriarchen kennen lernen. Das gleiche Bild wiederum in Ife und Atakpame. Dann herrschen hüben und drüben auch schon jene Familien mit dem einen Längsschnitt vom Augenlid zum Backenknochen, und endlich nun, um die Sache zum Schlusse zu bringen, geben die deutschen Joruben an, aus Ilife oder Ife zu stammen. Und als Beleg hierfür legen sie auch jene schönen und eigenartig langen Glasperlen vor, die man im englischen Jorubalande angeblich nur im Heiligtume Olokuns, in Ebolokun, findet, die aber auch in einer bestimmten Gegend des deutschen Togolandes ausgegraben werden können.
Ein schmaler Vorhof führt auf einen großen Platz, auf dem, wie in alten, so in der letzten der verschiedenen verflossenen Glanzperioden der heilige Fürst Hof hielt. Galerieartige Veranden und Gänge laufen rund herum, und dem Eintretenden gerade gegenüber liegt der Thronplatz des kirchlichen Fürsten. Die Macht und Bedeutung des Oni sind heute so gering, daß er zu seinen pomphaften Festen dieses mächtigen Platzes nicht mehr bedarf. Ein kleiner Raum genügt dem Bedürfnis.
Wir überqueren den großen, alten Zeremonienplatz, gehen durch Tor, durch Gänge und betreten den ersten von den drei kleinen Höfen, die sich nach links hinziehen. Im äußersten, am meisten nach links zu gelegenen thront jetzt der Fürst, dem diese enge Stätte zur Hofhaltung heutzutage gerade paßt. Von da aus führt der Weg in die Privaträume des hohen Herrn, die nicht mehr allzuviel Platz einnehmen; leider ist sogar ein moderner Bau im Küstenstil darunter. Dieser steht aber nicht, wie die andern Teile des Palastes, auf altem, vordem, wie aus allem hervorgeht, aus Brandziegeln gemauertem Fundament.
Das ist jetzt alles! Der Stil entspricht dem allgemeinen Jorubastil, der aus Tembenbau und Satteldachschutz mit Verandenvorbau besteht, und der auch hier mehrere Impluvialanlagen gezeitigt hat. Bei den meisten der Gebäude des Onipalastes kann man sehen, daß auch ältere Mauern schon auf ganz alten, sehr schweren und festgemauerten
Fundamenten neu aufgekleistert sind. Daß die ganze Anlage sich in der Neuzeit besonders geändert habe, ist nicht wahrscheinlich. Eine stürzende Mauer wurde immer wieder durch neue Lehmwände ersetzt. Aber das Ganze ist auf diesem Grundbau eingeschrumpft und außerdem jämmerlich verkommen. Daß einst das Riesengehöft mit Bauwerken vollkommen ausgefüllt war, ist leicht zu sehen. An den Innenseiten der großen Umfassungsmauer erkennt man noch die Löcher, in welche die Tragbalken eingelegt waren; galerieartig umgaben hier Ställe und Gesindehäuser auf der einen Seite, Frauengemächer auf der andern die Höfe und Rüstkammern, von denen heute nicht mehr als einige Trümmer aus dem hohen Unkraut und Gestrüpp aufragen, und an die der Fuß der königlichen Prinzen manchmal stoßen mag, wenn sie die heutige Bestimmung des internen Palasthofes erfüllen, nämlich, ihre Bedürfnisse darauf zu erledigen. Einst ragte hier ein pomphaftes Gebäude aus richtigen gebrannten Ziegeln, geschmückt mit Ziegelkacheln und allerhand Ornamenten empor! Einst stampften hier Rosse, einst dampften hier Rauchopfer empor, und manches Menschenleben ist hier unter den. Gebeten der höchsten Priester dieses merkwürdigen Landes hingeschlachtet worden.Andere Zeiten, andere Bilder! Sehen wir erst, was der Oni heute ist, besuchen wir einige seiner Audienzen!
Wir durchschreiten die drei kleinen Impluvialhöfe, die wir nach dem Passieren des alten großen Empfangsplatzes erreicht haben, nach links hin und werden am Ende des letzten unter dem baldachinartigen Verandavorbau zum Sitzen aufgefordert. Vor uns erhebt sich nun eine Nische, die in der Mitte eine geschnitzte Türe aufweist, und zu der zwei hohe, an der ganzen Wand sich hinziehende Stufen emporführen. Nachdem wir uns niedergelassen haben, erscheint ein lilari, der dadurch als solcher charakterisiert ist, daß sein Oberkörper entblößt, höchstens mit einem Umschlagtuch, nie aber mit einer Tobe bedeckt, und daß sein Kopf auf der einen Seite glatt geschoren ist, während auf der andern die Haare einen Zentimeter hoch bürstenartig emporstehen. Der lilari teilt uns mit, daß der Oni sogleich erscheinen werde.
In der Tat deutet das auch das Auftreten zweier anderer Diener an (man muß sich diese lilari oder Diener ebenso wie diejenigen der Mossi, Dagomba, Kotokolli als etwa zwanzig bis dreißig Jahre alte Männer, nicht aber als junge Burschen vorstellen), deren einer mit einem Besen die Mittelteile der Stufen reinfegt, während der andere davor auf dem Boden eine Matte ausbreitet. Ein dritter lilari bringt ein dickes Lederpolster, das vor die Stufen hingelegt wird, und auf dem Seine Heiligkeit nachher Platz nimmt.
Darauf erscheinen schon einige alte Männer, jeder mit einem runden
Feilfächer, der meist mit aufgelegten Mustern bedeckt und entsprechend der Längsrichtung des Stieles diagonal zu einem Halbmonde zusammengeklappt werden kann. Dieser Fächer wird als Unterlage vor die unteren Stufen auf der linken Seite neben dem Onikissen hingelegt, und der Alte setzt sich nieder. Diese Alten auf der linken Seite des Kirchenfürsten sind nicht eigentlich derart hohe Herren, wie die nachher kommenden, sondern nur angesehene Familienälteste. Nach ihnen kommt aber aus den geheimen Gebäuden des Hintergrundes der Zug der eigentlichen Prälaten, der Egarefe. Sie sind alle mit einer eigenartigen, mitraähnlichen, feinen, strohgeflochtenen Mütze geschmückt. Sie sind sehr alt, treten in Gemeinsamkeit und sehr feierlich auf und lassen sich auf der rechten Seite des Onisitzes vor den Stufen nieder, nachdem sie ihre Fächer untergelegt haben. Eine längere Pause verstreicht, und dann endlich erscheint Seine Heiligkeit. Vor der Öffentlichkeit ist der Oni stets in reiche, bunt gemusterte, aus europäischen Seidenstoffen hergestellte Toben gekleidet, und trägt auf dem Kopfe eine Mitra aus ähnlichem Stoffe und reich mit Goldborte besetzt. Im Privatleben ist er wie jeder Ilifer in eine Toga gehüllt.Der derzeitige Oni ist jung, etwa zwischen zwanzig bis dreißig Jahre alt, etwas fett und schwerfällig, ein an sich gutmütiger Mensch, seit der Mitte des Jahres 1910 auf dem Throne und dementsprechend noch etwas schüchtern und leicht verlegen. Gleich den Mossiherrschern hat er an sich und von sich aus nicht viel zu sagen, und somit ist es alles in allem kein Wunder, wenn er nicht sehr sicher auftritt, vielmehr zurückhaltend und etwas scheu ist. Dieser kirchliche Fürst tritt zusammen mit seinen lilari auf, die zwei Reihen hinter ihm in der Nische Platz nehmen und die ihm, nachdem er sich auf dem Lederkissen niedergelassen hat, Wind zufächeln oder die weite Tobe auf und nieder wehen, so daß sie ihm Kühlung gewährt.
Der Oni sitzt nun ziemlich steif da. Jeder Anwesende oder noch Ankommende wirft sich zum Gruße auf die Knie nieder und berührt die Erde erst mit der Mitte der Stirn, dann mit der linken, endlich mit der rechten Schläfe. Das wird dreimal wiederholt. Der Fürst dankt durch ein leises Gemurmel und unmerkliche Kopfbewegung. Nach morgenländischer Art sitzt er möglichst gleichgültig da, und das mag ja einem aufgeweckten, erfahrenen und energischen, will sagen einem verhältnismäßig selbständigen Herrscher nach afrikanischer Art ganz wohl anstehen. Der gegenwärtige Oni ist aber weder aufgeweckt noch erfahren, noch energisch, noch, im geringsten selbständig. Und so kann seine Gleichgültigkeit und das vorsichtige Hinäugen nach den Alten nicht gerade sehr imposant wirken. Das läßt sich besonders bei jeder Wendung der Unterhaltung und Besprechung bemerken. Der Oni ist in seiner Stellung viel
zu vorsichtig, um irgendeine direkte Zusage oder Ablehnung auszusprechen. Wird ihm etwas vorgeschlagen, so sieht er dem alten Sprecher in die Augen, läßt sich das Wünschenswerte einflüstern, betont dann und wann bei passenden Gelegenheiten die Güte und Vortrefflichkeit der gegenwärtigen Prälaten und Patriarchen und hat im übrigen, wie ich aus seinem eigenen Munde gehört habe, eine heilige Angst davor, daß seine Geschäftsführung den gestrengen Alten mißfallen könnte, und diese ihn demnach mit kräftigen Mitteln aus dem Wege schaffen könnten. Der Oni ist Puppe in den Händen der so harmlos dreinschauenden Alten, genau so, wie so mancher andere Sudanfürst, zu dem die ihn umgebende Greisenschaft ostentativ ergeben und unterwürfig aufschaut, solange andere anwesend sind, und den sie doch in jeder wichtigen Sache so beeinflußt, wie es ihr paßt. Dieses Spiel finden wir immer wieder, ganz besonders hier im Onipalast. Man braucht nur über die Reihen der an den Thronstufen entlang bockenden Alten hinzuschauen, um auf den ersten Blick zwar nur den Ausdruck der ehrerbietigsten Ergebenheit wahrzunehmen, die man kaum anders als wie mit dem häßlichen Worte "Speichelleckerei" bezeichnen kann. Beobachtet man aber dann länger und eindringlicher, dann nimmt man eine ganz entgegengesetzte Tendenz wahr; man sieht, daß diese Greise ununterbrochen scharf aufpassen, was der hohe Herr nun wohl sagen und tun werde; und an dem gelegentlichen Winken mit den Augen erkennt man, wie eifersüchtig sie über der Aufrechterhaltung und Durchführung ihres Willens wachen.Geht somit vom Oni selbst keinerlei Kraft im produktiven Sinne aus, so gilt das von seinem Prälatenstab noch viel mehr. Alle diese Leute kleben lediglich am Alten, am Ererbten, an Privilegien und Ansprüchen und dem sorgfältigen Innehalten von Zeremonien und Zelebrationen, welche beiden letzteren aber durchaus unverstanden bleiben und nur immer wieder äffisch nachgeahmt werden. Dabei sind sie augenscheinlich von ständiger Eifersucht geplagt. Jeder beobachtet aufs schärfste den Nachbarn und die andern Greise und ist offensichtlich darauf bedacht, daß nicht etwa ein anderer einen größeren Machteinfluß auf den Herrscher gewinne als er selbst. Es ist ein ungemein kleinliches Spiel, ein widerliches Haschen um die kleinsten Erfolge des Einflusses, ein beständiges Abwiegen der Bedeutung der eigenen Person und der eigenen Familie gegenüber den andern.
Ich will hier die Schilderung des Hofhaltes damit abschließen, daß ich die Prälaten und Patriarchen aufzähle, und zwar werde ich bei ihnen gleichzeitig die Götter angeben, die sie heute verehren. Man zählt im ganzen siebzehn Kirchenfürsten, von denen ich die ersten acht wohl besser als "Prälaten", die andern neun als "Patriarchen" bezeichnen kann.
| diese fünf verehren die gleiche Gottheit wie der Oni selbst, also den Orischa Lajamisan Osun Orimfe Omitoto Obalufan Orise-teko t seinen verehrt Leuten mit allen den Orischa (La) Orischa Olu-orogbo Elefan Oroninyan Abagede Oba-dio Olokun |
Es war recht schwierig, über die soziale Stellung dieser siebzehn Herren etwas Spezielles zu vernehmen. Ich will hier versuchen, das wiederzugeben, was aus den Traditionen noch zu erkennen ist. Die Machtstellung und die historische Vergangenheit der Ämter scheint eine recht verschiedene zu sein. Die ersten fünf Herren sind aus dem eigenen Klan der jetzigen Onidynastie, und der Oni darf nichts ohne sie unternehmen. Diese hohen Herren, deren Stellung wie die aller andern erblich ist, pflegen alimorgendlich im Palaste zu einer ersten Begrüßung anzutreten und mit dem Oni alles zu besprechen; da sie sich auch stets untereinander einigen, so ist er immer informiert über den Willen seiner "Ratgeber". Daß sie bei solcher Audienz sehr unterwürfig tun, ändert nichts an der Tatsache, daß sie die eigentlichen Herren der Stadt und des Staates sind.
Während die ersten fünf heute zum Klan des Oni gehören, haben die andern zwölf ein jeder seinen eigenen Orischa. Sie sind Vorstände von Stadtteilen, die früher mit der Einteilung in Klansiedelungen identisch waren. Die Söhne siedeln sich immer beim Vater, die Brüder aber durchweg nebeneinander an. Wenn nun diese Aufstellung der Fürsten im Reiche der alten Verhältnisse entsprechend war, so müßten demnach um den einen Wohnsitz des Oni herum zwölf andere Klane gebildet und angesiedelt gewesen sein. Das ist aber nicht so. Der Tradition nach besteht Ife in alter Zeit eben aus siebzehn Stadtteilen, d. h. einem zentralen, vier nach den vier Himmelsrichtungen gelegenen, und zwölf zu je drei dazwischen geschobenen. Die Zahl ist also in der Gesamtzahl der Prälaten und Patriarchen wohl erhalten, dagegen die Gruppierung und Verehrung der Götter eine veränderte. Wir wollen zunächst daran festhalten,
daß also Ife in alter Zeit in siebzehn Gebiete zerfiel, vergessen dabei aber nicht, daß die Verehrung der Klangruppe sich, den Angaben der Eingeborenen entsprechend, seit der alten Zeit stark verschoben hat. Ich werde auf diese Tatsache zurückkommen.Die Stellung der Patriarchen und Prälaten ist erblich. Jeder von ihnen hat Rechtsprechung, Gebührenerhebung und Verwaltung eines Stadtteiles und somit Quartiervorherrschaft. Dabei geben die Leute selbst an, daß das Zusammenwohnen nach bestimmten Klanen durchaus nicht mehr so gesetzmäßig ist wie früher. In alter Zeit war das Stadtrund verschiedenen Orischas zugeteilt. Heute wohnen die verschiedenen Göttersöhne ohne bestimmte Ordnung durcheinander. Feststellen konnte ich, daß, genau dem alten Gehöftverteilungssystem entsprechend, die Agbafe heute noch bei Audienzen und öffentlichen Sitzungen links vom Herrscher, die Egarefe aber rechts von seinem Sitz Platz zu nehmen haben. Weiterhin erinnerte sich mein alter Schamane noch der Angabe eines Greises, derzufolge sowohl die Agbafe, als auch die Egarefe je acht gewesen sind, daß der neunte Agbafe aber der Nachkomme einer inzwischen verdrängten Onidynastie sei.
Das Auftreten der Egarefe ist ganz besonders feierlich. Wenn solch ein alter Mann mit seiner Strohmitra über die Straße schreitet, gehen kleine Buben vor ihm her, die eine eiserne Glocke schlagen, so daß die Ankunft des hohen Herrn und Würdenträgers immer sehr weit voraus bekannt gegeben wird.
Das wichtige und wesentliche der Oniherrschaft besteht darin, daß der Fürst als Besitzer aller alten Heiligtümer des Landes und als Papst aller Joruben gilt. Das ist eine Stellung, die ihm niemand bestreitet, wenn auch der Anspruch auf Macht ein recht schwach fundierter ist. In Wahrheit ist der Fürst nur noch der Tradition nach der kirchliche Fürst; und zwar deshalb, weil die Dynastie des jetzigen Oni die eines Usurpators ist. Der Oni ist nicht mehr ein Nachkomme derjenigen Gottheit, die hier eigentlich herrschen soll. Den meisten Eingeborenen ist dies nicht mehr bekannt. Wohl aber hat sich die Erinnerung an solche Verschiebung noch vielfach in der Provinz erhalten. Eingeborene Ojos und Oschogbos sagten mir, daß aus diesem Grunde die Fürsten der andern Jorubastädte sich auch nur noch nominell vom Oni bestätigen ließen. Irgendwie in die Staatsgeschäfte anderer Fürsten hineinzureden, darf der Oni heute nicht mehr wagen. Und die Tradition hat mehrere Geschichtsperioden vermerkt, in denen der Oni von seinen Weltfürsten arg gedemütigt und seine Macht von ihnen gebrochen wurde. Wir werden das aus den Bruchstücken der Überlieferung, soweit ich diese sammeln konnte, erkennen und werden dann auf die Stellung des Oni zu seinen Prälaten und Patriarchen zurückkommen.
Diese Legende war weder in Ibadan, noch in Ilife bekannt, ihr Vorhandensein wurde mir aber von Leuten aus Bagdagry bestätigt. Wie schon im Verlaufe unserer Darlegungen auseinander gesetzt, weicht die Darstellung der Ilifer und Ibadaner hiervon stark ab, und ich werde nachfolgend darauf hinzuweisen haben, daß Odudua nicht, wie an der Küste, als eine Göttin, sondern als ein Gott, als der Gott der Erde, bekannt und verehrt war. Von der eigentlichen Schöpfungssage der Ilifer will ich hier einige Versionen geben:
Erste Version der Schöpfungssage:
Vordem gab es keine Erde. Es gab nur Okun (Olokun) das Meer, ein Wasser, das unten überall ausgebreitet war. Oben war Olorun. Olorun (der Orischa des Himmels) und Olokun (der Orischa des Meeres) waren gleich alt. Sie hatten alles inne (oder besaßen alles). Olorun hatte zwei Söhne. Der ältere hieß Orischala (gleich Obatalla, der hier auch einfach Orischa genannt wird), der jüngere Odudua. Olorun rief Orischa. Er gab ihm Erde. Er gab ihm ein Huhn mit fünf Fingern (Adje-alesse-manu). Er sagte zu ihm: "Steige hinab (gleich gehe hinunter zur Erde), und mache auf dem Okun die Erde". Orischa ging. Unterwegs fand Orischa Palmwein. Orischa begann davon zu trinken und betrank sich. Dann schlief er ein. Olorun sah das. Da rief Olorun Odudua und sagte zu ihm: "Dein älterer Bruder hat sich auf dem Wege nach dort unten betrunken. Gehe du, nimm den Sand und das Huhn mit den fünf Fingern und mache die Erde auf dem Okun". Odudua ging. Er nahm den Sand. Er ging hinab und legte ihn auf das Meer. Er setzte das Huhn mit den fünf Fingern darauf. Das Huhn begann zu scharren und dehnte den Sand aus und drängte das Wasser beiseite. Die Stelle, wo das geschah, war Ilife, um das zuerst noch das Meer floß. Odudua herrschte als erster König über dem Lande Ilife. Das Olokunmeer wurde kleiner und kleiner und rann durch ein kleines Loch von dannen, durch ein Loch, aus dem man heute noch das Gotteswasser nehmen kann, sehr viel, ohne daß es versiegt. Man nennt es Oscha. Orischa aber war erzürnt darüber, daß er die Erdschöpfung nicht ausgeführt hatte, er
begann einen Krieg gegen Odudua. Sie kämpften lange miteinander, danach aber schlossen sie Frieden. Sie gingen später beide in die Erde, und man sah sie nicht wieder. —Zweite Version der Schöpfungssage:
Im Anfange gab es keine Erde. Es gab nur Wasser. Olorun sandte Oschalla hinab. Er gab ihm einen Ballen Sand mit. Er sagte: "Breite das auf dem Wasser aus". Oschalla ging. Unterwegs griff Oschalla eine Flasche mit Palmwein auf. Er versuchte und sagte: "Das ist gut"! —Er ging und trank. Er trank immer, wenn er durstig war, einen Schluck. Er trank sehr früh schon den ersten Schluck. Er wurde dann müde, schlief ein und vergaß, was Olorun ihm übertragen hatte. — Darauf nahmen die andern Orischas einen Spiegel (Awo-aje), sahen hinein und erkannten, daß Oschalla unten getrunken hatte, eingeschlafen war und vergessen hatte, was Olorun ihm aufgetragen hatte. Danach sandte Olorun Odudua und sagte zu ihm: "Tue das, was ich Oschalla gesagt hatte". Odudua war ein starker Mann. Er nahm einen Erdballen mit. Er ging hinab. Er machte die Erde und drückte das Wasser zur Seite, Olorun gab dem Odudua ein Huhn, das war Adje alesse manu genannt, es war ein Huhn mit fünf Fingern, das trieb das Wasser zurück, so daß es zum Meere ward. Als Odudua und Oschalla ihr Werk vollendet hatten, gingen sie in Ilife, wo sie ihre Arbeit angefangen hatten, in die Erde und wurden zu Steinen. Seitdem verehren die Menschen diese Steine. Oba-diu ist der oberste Priester Oschallas. Odudua ist sehr gefürchtet. Ehe die Leute in Ife den Namen Odudua aussprechen können, müssen sie ein Schaf schlachten und sein Blut trinken, so stark ist diese Gottheit!
Außer diesen empfing ich noch eine andere Schöpfungslegende, welche sich auf Ife bezieht, mir aber von einem Priester aus Offa mitgeteilt wurde.
Diese lautet:
Dritte Schöpfungssage.
Im Anfange war alles ein Wasser. Es war aber in der Mitte eine Insel (Illa-odo). Darüber irrten die ersten Häuptlinge umher und wußten nicht, was sie tun sollten. Nach längerer Zeit kam Olorun vom Himmel. Der setzte sich mitten auf die Insel. Mit ihm kamen die andern Götter. Olorun sagte: "Edschu setze dich hinter mich, Schango setze dich vor mich. Ogu, setze dich zu meiner Rechten, Obatalle, setze dich zu meiner Linken. Ihr andern Götter, setzt euch rund herum. Olorun rief die Häuptlinge und sagte zu ihnen: "Ihr seht, was hier ist. Nun merkt wohl auf. Diese Stadt soll in Zukunft Ife heißen. Der Hügel, auf dem ich sitze, wird drei Palmen tragen. Besser als an einem andern Orte können die Babalawos hier die Odus erkennen. Mit mir sind sechzehn Götter gekommen. Diese werden
Kinder haben, und sie werden um euch herumwohnen. So wird Ife reich bevölkert werden. Du aber, Oni, du sollst hier herrschen und sollst den Alafinen sagen, was die Götter wollen".Olorun ging. So entstand die Stadt Ife, in der einst die sechzehn Götter wohnten.
Die letzte Überlieferung läßt nichts zu wünschen übrig. Jetzt ist nur noch die Frage, in welcher Beziehung die siebzehn Patriarchen und Prälaten zu der Ursprungslegende aus Offa stehen. In Ife trat ich in nähere Beziehung zu einem alten Ada-usche. Er war der einzige, dessen Angaben sich stets als zuverlässig erwiesen haben. Der Alte wies verschiedentlich darauf hin, daß er als Schamane ja außerhalb der Streitereien, der Neidereien der einzelnen Klane stehe, und dies war sicher richtig. Der alte Wahrsager sagte mir: Viele von den andern werfen sich gegenseitig vor, ihre Orischas gestohlen zu haben, also gar nicht von dem Gotte abzustammen, von dem sie ja abzuhängen behaupten. Er sagte: Viele hätten absolut nicht ein Anrecht auf die Herkunftsangabe, denn in früheren kriegerischen Zeiten wäre oftmals alles durcheinander gekommen. Die beiden Klane des Orischa Olokun und die des Orischa Odudua gäbe es überhaupt kaum mehr. Und wer heute sich nach diesen Göttern benenne, der lüge. Am schlimmsten sei es aber mit dem Onistamme selbst. Ein Vorfahre des jetzigen Oni sei ein Mann aus dem Westen gewesen, der eines Tages in seiner Farm ein Steinbild fand, dasselbe als Orischa Lajamisan ausgab, ein Orischa, den man vorher gar nicht gekannt hatte (?) und ihn auch zu seinem Orischavater gemacht habe. Danach hätte der schlaue Mann den Oni eines Tages gestürzt und sich selbst auf dem Oke-Ado (dem Hügel der Krönung) die Onimitra aufsetzen lassen.
Diese Angabe macht durchaus den Eindruck ehrlicher Meinung, so daß ich sie schon damals glaubte annehmen zu können. Sie ist aber insofern außerordentlich wichtig, als sie uns die Art der Klanbildung in Ilife gründlich kennen lehrt. Ich habe dann in späteren Zeiten mich noch eingehender erkundigt, in welcher Beziehung denn überhaupt die Klane zu den Götternamen ständen. Ich glaube folgende Beobachtung als Grundsatz aufstellen zu können: Jeder Orischa der Joruben hat nicht nur seinen eigenen Namen, sondern auch die verschiedensten Beiworte. So heißt Schango auch "Steinwerfer", "Feuerhaucher", "der im Gewitter Spaltende", "der Befruchtende" usw. Aber nicht nur dadurch wird der Name variiert, sondern jede Gottheit empfängt auch noch nach den verschiedenen Plätzen, an denen sie sich ganz besonders kräftig erwiesen hat, ein Beiwort. Wenn z. B. eines Tages in Ilescha im Schankpannaheiligtum irgend jemand eine ganz besondere Gnade erfährt und seine Gebete in ganz besonders reicher Weise erfüllt sieht, so werden die Leute aus den umgebenden Orten ebenfalls dieses Heiligtum aufsuchen,
und dann wird der "Schankpanna von Ilescha" sehr einflußreich werden und auch die Schankpannaleute von Oschogbo werden z. B. ein Opfer in Ilescha einem Opfer in Oschogbo vorziehen, wenn ihnen etwas ganz besonders am Herzen liegt. Dann sagt das Volk: "Der Schankpanna von Ilescha ist stärker als der Schankpanna von Oschogbo". Ganz ähnlich verhält es sich nun mit den Denkmälern. Die Bildnisse erhalten bestimmte Beiworte. Wenn z. B. auf einem Grundstück, das Olokun heilig ist, ein Kopf gefunden wird, der sich durch seine Schönheit auszeichnet, so wird der Kopf z. B. "der Schöne"genannt. Er wird angesehen als ein Olokun, wird aber bezeichnet als "der Schöne". Fernerhin, und das ist die Hauptsache, kann aber dieser Kopf auch nach dem betreffenden Finder genannt werden. Findet z. B. ein Mann mit Namen Adeke einen Olokunkopf, so wird dieser als Olokun Adekes bezeichnet. Olokun fällt schließlich fort und er heißt nur Adeke! Einen solchen Fall erlebte ich mit einer Frau, die Alaja hieß. An einer Stelle ward ein Kopf ausgegraben, von dem niemand wußte, welchem Gott er heilig war. Als ich nach dem Namen fragte, wurde mir gesagt, der Kopf hieße Alaja. Ich erkundigte mich nach einem entsprechenden Orischa Alaja und erfuhr, daß es einen solchen nicht gäbe. Aber eine alte Frau mit diesem Namen habe gesagt, von ihrem Vater gehört zu haben, daß an dieser Stelle ein altes Bildnis vorhanden sein müsse. Auf diese Angabe der Alaja hätten sie nachgegraben, und da sie durch die Tatsache bestätigt worden sei, so hieße der aufgefundene Kopf eben Alaja.In dieser Weise haben sich aber nicht nur Namen in Ife verschoben, sondern haben ganz bedeutende Umwälzungen sozialer Natur die Zusammensetzung der Klane geändert. Der Oni selbst sagte, daß einige der Patriarchenfamilien ausgestorben seien, und daß daraufhin andere an ihre Stelle getreten wären. Vor allen Dingen hat aber ein alter Oni in einer Periode, welche sehr weit zurückliegen muß, einmal unter seinen Prälaten und Patriarchen energisch aufgeräumt. Er hat einige Familien ganz vertrieben und andere bis auf das kleinste Kind töten lassen. Die vertriebenen Familien flohen zum größten Teil nach Ojo, und deren Nachkommen haben von diesem Gewaltakt Bericht erstattet, den Bürger aus Ilife später bestätigten. Vor allen Dingen hat dieser Oni, der sich offenbar von der Übermacht seiner Fürsten hat befreien wollen, aus seiner eigenen Familie heraus die Vertreter der vier obersten Plätze erwählt. Als Namen dieser vier neuen Klanfürsten nannte mir mein Ojoberichterstatter klipp und klar Igaru, Agoru, Arotte, Djarra. Ich bitte, diese vier Namen mit der auf Seite 107 angegebenen Liste der Fürsten des Oni zu vergleichen. Fernerhin sagte mir der gleiche Berichterstatter, daß der Oni selber den Namen Rojamisa gehabt hätte. Wir sehen
also die Mitteilung des Schamanen in Ife bestätigt. Ein Usurpator, mit Namen Lajamisan, hat eben einmal gründlich aufgeräumt, hat die schlimmsten Gegner vollkommen ausgerottet und Anhänger seiner eigenen Familie eingesetzt. Aber er hat doch noch ein anderes getan. Nach der Angabe des Schamanen hat er zwar den vorhergehenden Oni getötet, hat aber dessen Sohn den Stadtteil in der Mitte von Ife überwiesen, und ein Nachkomme dieses so neukreierten Stadtbezirkes ist der neunte Agbafe.Wir erkennen also ganz klar, daß Ife in seinem Mittelpunkte, dem berühmten Hügel, auf dem die drei Palmen stehen, in alter Zeit der Mittelpunkt der jorubischen Weltanschauung gewesen ist. In den sechzehn alten Himmelsrichtungen müssen die sechzehn Nachkommenschaften der sechzehn Götter gewohnt haben, während die Mitte eingenommen wurde von dem Palaste des Oni, der als Mittelpunkt der Welt galt. Durch gewalttätige Umwälzungen, durch allerhand Verschiebungen in Benennung der Götter, Vertreibung ihrer Nachkommen und Ersetzung durch neue Familien wurde die alte Klarheit um ein weniges gestört; bis heute ist sie aber noch in den Fundamenten nachweisbar. Das, was an diesem Ergebnis so sehr wichtig ist, soll besonders hier noch betont werden.
Es ist nämlich der Beweis erbracht, daß in der Zeit, der die Herstellung der Terrakotten und Steinbildnisse angehört, in diesen Ländern schon dasselbe Weltbild lebendig gewesen ist, welches heute noch im ganzen Jorubalande den Ifadienst regelt.
Es erscheint aber wünschenswert, aus der Entwickelungsgeschichte der Stadt noch dasjenige zu erzählen, was wir als historische Wahrheit feststellen können, und einer solchen Darlegung will ich den letzten Abschnitt widmen.
Diese Leute wurden im Westen der Stadt angesiedelt. Es ist mir unverständlich geblieben, wie die englische Generalstabskarte den Ort "Modakale" (d. i Modeke) beinahe südlich von Ilife angeben
konnte. Ich fand die sehr wohlerhaltenen Ruinen im Westen und Nordwesten.Mit dem Auftauchen dieser eigenartigen Nachbarn trat für Ilife ein Umschwung in die Verhältnisse ein. Die Modekeleute zahlten ihre Abgaben - was sehr bezeichnend ist -nicht an das Ilifeoberhaupt, das ihnen Gastrecht gewährte, sondern an den Ojoherrscher, den sie bis zuletzt als ihren Herrn ansahen. Sie nahmen also schon äußerlich eine isolierte Stellung ein, die dadurch mehr Bedeutung gewann, daß die Ojo-Modekeleute in ständigem Zusammenhang mit der Außenwelt blieben. Der alte Ada-usche sagte: "Die Ojoleute führten Schango wieder ein, der vorher von Ifeleuten verjagt war". Sie übten also ihren Einfluß auf die wesentlichsten intern-religiösen Angelegenheiten aus. Viele Ilifeleute begannen denn auch wieder den alten Schangodienst aufzunehmen.
So hat offenbar von Anfang an das frische Element dem Erstarrten gegenüber die anregende Oberhand gewonnen. Dem entsprach der Konflikt. Die Modekeleute baten eines Tages um die Erlaubnis, auch in Ilife ein großes Schangofest zu feiern. Der Oni und seine alten Berater schlugen es ab. Die Folge war, daß eine große Zahl von Ifefamilien nach Modeke auszog. Das war der Anfang der Streitigkeiten. Die Modekeleute sollten das Weichbild der Stadt verlassen, erklärten die Prälaten. Die Modekeleute sagten, das fiele ihnen gar nicht ein; sie fühlten sich den Alteingesessenen entschieden gewachsen. Die Ilifer wollten ihre entwichenen Bürger mit Gewalt zurückholen. Es kam zum Kriege. Die Ilifer wurden geschlagen. Der Oni und seine Leute verschanzten sich im Palaste. Nur eine gewisse gläubige Furcht der Siegenden vor dem Heiligen und dem Heiligtume seiner Burg bewahrten ihn und seine Patriarchen und Prälaten damals wie später vor der Vernichtung. Diese selbe Furcht, die traditionelle Pietät gegenüber diesem Uralten hat überhaupt Ilife vor der völligen Zerstörung wohl manchesmal schon geschützt.
Es wurde ein Friede geschlossen, der aber durchaus faul war. Modekes Macht stieg. Ilife wurde offenbar (wenn die Erzähler das auch naturgemäß nicht betonten) durch den Blutegel Modeke geschwächt. Die Modekeleute schielten nun aber nach der Quelle, aus der der Reichtum Ilifes floß, nach Ebolokun, das nordöstlich von der Stadt lag (siehe nächsten Abschnitt). Der Zeitpunkt der zweiten Periode von Streitigkeiten, die im Gedächtnis der Leute geblieben ist, wird festgestellt. Ein Ilifemann, der mir in Ibadan alles dieses im großen und ganzen bestätigt hat, sagte: "In dem Jahre, in dem die Fulbe form einnahmen, begann der Krieg der Leute von Modeke und Ilife".
Dadurch, daß im fernen Norden die Fulbe die Jorubaherrschaft vernichteten, wurden die Modeke eingeschüchtert. Dadurch ward das Ringen in die Länge gezogen. Ein Babalawo soll damals in Ife
geweissagt haben, daß die Ilifer durch weiße Leute von den Plagegeistern, genannt Modeke, befreit werden würden. Man glaubte damals, daß das die Fulbe seien. "Wir haben uns geirrt", sagen sie, "das sind die Europäer (Engländer) gewesen". Aber wie dem auch sei, wie lange der Streit auch währte, die Ilifer wurden geschlagen und die Modeke beschlagnahmten Ebolokun. Sie sollen es gewesen sein, die die meisten der Schächte gruben, die Ebolokun aufgewühlt haben. Die Ilifeleute haben dann nie wieder gegraben, aber sie haben den Modekeleuten, als sie vertrieben wurden, alle Perlen abgenommen, die sie in der Besitzperiode gewonnen hatten.Jedenfalls wurden die Modeker nun also reich. Sie hatten nun die psychische, physische und wirtschaftliche Obergewalt. Sie regierten die wunderliche Zwillingsstadt, ohne aber die Oniherrschaft, äußerlich genommen, anzutasten. Aber sie gewannen in dieser Zeit eine große Anzahl von Steinbildnissen, und da an diesen der Hauch der Heiligkeit hängt, kamen sie nachgerade auch in ein religiös-archaistisches Fahrwasser, so daß sie sich in dieser Zeit sogar in recht dünkelhafter Weise dem Alafin gegenüber benommen haben sollen.
Dann traten die kriegerischen Wirren ein, die am Ende der siebziger und Anfang der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Jorubaländer arg in Aufregung versetzten. In diesem Kriege haben die Ilifeleute, wie Ellis berichtet, eine schiefe Stellung zwischen denen Modeke-Ibadans einerseits und denen Ilescha-Ekitis anderseits eingenommen. Natürlich haben die Ilifeleute uns das gegenüber bestritten. Sie sagen, sie hätten nie eine Freundschaft mit den Ibadanern geheuchelt, sondern wären immer für Ilescha eingetreten. Jedenfalls war das Ende vom Liede, daß in diesem Kriege Ilife überfallen und zerstört wurde, daß alle Ilifer auf dem Wege nach Ilescha flohen, dann aber bald zurückkehrten. Ein großer Teil der Stadt war verbrannt, und das ist der Grund, weshalb meine Sammlungsstücke angekohlt sind. Sie sind unter den Trümmern hervorgezogen worden.
Im Jahre 1886 ward unter Vermittlung des Gouverneurs von Lagos der Friede geschlossen. Dieser Vertrag bedingte vor allem, daß Ilife den Ilifern zurückgegeben und Modeke weiter weg zwischen Oschun und Oba zu verlegen sei. Damit war dem ferneren Streite ein Ende gemacht. Aber die Modeker waren damit gar nicht zufrieden. Mit ihrem Fortzuge fiel Ilife wieder dem starren Schlafe anheim, der es seit Jahrhunderten umfängt, und aus dem es durch diesen Streit und die Einmischung der fremden, frischen Elemente nur für kurze Zeit erweckt war. Es wurde wieder die bewegungslose, religiösunfruchtbare, dumpfe Kleinstadt, als die wir es kennen lernten.
Die Prälaten und Patriarchen hocken wieder stumpfsinnig und unbeirrt im Stumpfsinn auf den Denkmälern, die sie aus vorhistorischer Zeit ererbten, ohne sie zu verstehen.
II
DIE GÖTTER
7. Kapitel: Hohe Götter
Nachdem nunmehr schon so mancherlei über Sinn, Einfluß und Organisation der Götterlehre gesagt ist, wird es an der Zeit sein, einige Götter im speziellen in Augenschein zu nehmen.
Obatalla, der Gott des Himmels (und Olufan). —Sachgemäß beginnen wir mit dem großen Weltelternpaare, das ursprünglich aus Obatalla, dem Himmelsgotte, und Odudua, der Erdgöttin bestand*. An einigen Orten, zumal an der Küste, sind diese Götter in dieser Form noch sehr wohl bekannt; im Norden sind sie an mehreren Orten stark umgebildet und sogar im Verschwinden begriffen. Odudua, die Göttin der Erde, wird überhaupt in Ibadan nicht verehrt, und in Ife ist aus der Göttin ein Mann geworden. Obatalla hat dagegen hier in dem Namen Oscha-la (Oscha Orischa, la = Obatalla) eine verstümmelte Bezeichnung erhalten, und der einzige Priester, von dem ich einiges über diesen Gott zu hören vermochte, war sich nicht einmal ganz klar darüber, ob Oschalla ein Mann oder eine Frau sei.
Es soll einige Orte geben, an denen Oschalla ausgesprochen als Frau angesehen wird. Wir hätten also die Erscheinung vor uns, daß der Himmelsgott und die Erdgöttin einmal miteinander vertauscht wurden. Dagegen tritt in dieser Gruppe im zentralen Jorubalande ein neuer Name auf, der dem Süden ganz zu fehlen scheint, das ist die Gottheit Olufan. Der Priester sagte mir: "Oscha (=Orischa) Olufan ist der eigentliche Name des Gottes Oschalla, und Olufan bedeutet
Man sieht im wilden Durcheinander die Meinungen über eine Gottheit, die in diesem Landstriche keine rechte Sippenvertretung hat. Daß dennoch vieles dabei, ähnlich wie im Süden, an die klare und einfache Legende von der Vaterschaft des Himmelsgottes und der Mutterschaft der Göttin Erde erinnert, geht daraus hervor, daß die Gottheit Oschalla durch zwei aufeinanderliegende, d. h. also zugedeckte und weißbemalte Kalebassen dargestellt wird. Das ist ein Symbol, das dort, wo die Sage noch klar im Bewußtsein der Joruben lebt, die Geschlossenheit der Welt darstellt; die untere Kalebasse repräsentiert dann die Erde, die obere den darüberliegenden Himmel. Wenn also auch der volle Gehalt der Mythe verloren ist, so dürfen wir doch aus allerlei Anzeichen schließen, daß die Legende ursprünglich allenthalben dieselbe war.
Die Nachkommen Oschallas dürfen nicht genießen: Palmwein, Hund und Ziege. Geopfert werden den Göttern vor allen Dingen Schaf, Schnecke, Henne und Kola. Oschalla hat vor vielen Göttern besondere Kraft für Kindersegen. Wenn verheiratete Frauen gerne Mutter werden wollen, dann begeben sie sich zum Ille-Schole (oder Scharre) — das ist der Ort, an dem weder Palmwein getrunken, noch Hunde gegessen werden dürfen -, dort ist der. Tempel des Gottes Oschalla, den ich immer, nur in verschiedener Form, inmitten der Gehöfte sah. Einen eingebauten, rechteckigen Tembenbau, eine Banga Oschallas, habe ich nicht kennen gelernt. In diesem runden Tempelchen werden nun je nach den Wünschen der Frauen entsprechende Opfergaben und Gebete dargebracht.
Alle vierzehn Monate (also einmal im Jahre) ist das große Fest Oschallas, das fünf Tage in Anspruch nimmt und von der ganzen Bevölkerung feierlich begangen wird. An jedem Morgen dieser fünftägigen Festwoche wählt die Gottheit sich eine Frau aus, die dann solches als eine besondere Auszeichnung betrachtet. Den Frauen ist an dem Morgen des Tages, an denen sie vom Gotte erwählt werden, versagt, irgend etwas zu sprechen. Schweigend müssen sie die Wassertöpfe aufnehmen, schweigend müssen sie zum Bach herabgehen, unterwegs dürfen sie weder mit irgend jemand sprechen, noch irgendeinen andern begrüßen. Schweigend schöpfen sie das Wasser, und ebenso schweigend müssen sie, ohne einen Begegnenden zu beachten, den Rückweg antreten. Im Tempel wird dann das Wasser in den großen Krug des Gottes gegossen, und danach sind die Frauen von der Pflicht des zeremoniellen Schweigens befreit. Sie dürfen sprechen und begrüßen, wen sie wollen.
Die heilige Trommel Oschallas heißt Egwi. Ich sah eine ganze Reihe von Exemplaren, die in mancherlei Form geschnitzt waren und in Bangba, einem Orte nahe Ife standen. Sie gehörten paarweise zusammen, und jedes Exemplar, das ausdrucksvoll als männliches geschnitzt war, stand stets neben einer Trommel, die eine Frauenfigur repräsentierte. Allem Anschein nach wurden sie außerordentlich hoch verehrt. Auf diesen und ähnlichen Trommeln wird in der heiligen Woche zum emsigen Tanze eifrig der Takt geschlagen.Heilige Trommeln aus dem Tempel des Orischalla, wahrscheinlich die Einheit Himmel-Erde symbolisierend (Frobenius-Expedition; C. Arriens del.)
Jedermann tanzt. Stets soll auf diesen Festen der eine oder der andere inspiriert werden, und solche Inspirierten nennt man dann Elegun Oschalla. Der Orischa nimmt in dem Kopf des Elegun Platz. Er spricht aus seinem Kopfe, und was er dann sagt, gilt als strenger Befehl. Durch ihn verkündet die Gottheit ihren Willen, dem in nächster Zeit unbedingt Folge zu leisten ist, und gibt genau an, was das Volk zu tun und zu unterlassen habe, um den Gott günstig zu stimmen. Solche Botschaft bezieht sich vor allen Dingen auf die Frauen, die sich bis dahin vergeblich nach einem Kind gesehnt haben, und denen nun Mutterschaft zugesagt wird. Die mit guten
Die zelebrierenden Priester, die an einigen Orten Adje, an andern Obo-Orischa heißen, schenken den Inspirierten, wenn sie in bedeutsamen Orakelsprüchen gute und erfreuliche Nachrichten verkünden, wertvolle Kleider, Armbänder aus Zinn usw.
In Ibadan wurden diese Feste weniger gefeiert als in benachbarten Städten, und Odudua ist hier, wie schon erwähnt, gänzlich unbekannt.
Merkwürdig ist nun die häufige und von absoluter Unklarheit zeugende Vermischung des Obatalla mit dem Gotte Olufan. Ich benötigte längere Zeit, um dem schemenhaften Gotte auf die Ursprungsfährte zu kommen. Den ersten Lichtblick erhielt ich in Ife, wo die Priester vor dem Eintritt in den Tempel dreimal das Wort "Allah"wiederholen. Ein Priester aus Ilescha sagte mir dann ferner, daß Ziegen, Hunde und Pferde die Speiseverbote der Angehörigen des Gottes bildeten. Das sind aber Dinge, die den Mohammedanern versagt sind. Also wurde mir dann klar, daß das Wort "Olufan" nichts anderes als das Wort "Al(u)fan" oder "Alfa" sein könne. Mit Alfa bezeichnen die Joruben aber die Islamiten. Speiseverbote und Name zeigen uns daher, daß der oberste Himmeisgott der Joruben, der Orischa Obatalla, mit dem obersten göttlichen Wesen des Islam identifiziert worden ist. Auch hat sich dann eine Erscheinung eingestellt, die in der Mythologie nicht selten ist. Es wurde von dem Islam eben eine Übertragung vorgenommen, wie sie von den modernen christlichen Missionaren auch häufig ausgeführt wird. Wenn die Missionare ein neues Land betreten, finden sie meist sehr bald heraus, daß das eingeborene Volk ein oberstes göttliches Wesen anerkennt; um nun das Verständnis für den Christengott anzubahnen, sagen sie dann wohl: "Unser Gott ist niemand anders als euer Obrun. Ihr müßt ihn nur alle sieben Tage verehren". So schmuggelte sich der siebentägige Sonntag bei vielen christianisierten Joruben ein, so wurde es an vielen Orten in neuerer Zeit Sitte, Olorun, der früher gar nicht verehrt worden war, anzubeten, und so wurde von dem Islam gesagt: "Unser Allah ist niemand anders als euer Obatalla oder Oschalla. Ihr müßt also, wenn ihr den großen Gott feiern wollt, Ziege, Hund und Pferd vermeiden". Derart schmuggelte sich der Alfa unmerklich ein und rief den Gott Olufan ins Leben.
Links: Krone des Schangooberpriesters; rechts: Ledertasche für Donnerkeile, eiserne Blitzschlangen und sonstige Symbole (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Schango war der bedeutendste Mann, der der Küstensage nach in Ife von der Alimutter Jemaja geboren wurde. Er ist ein gewaltiger, kriegerischer, ein mächtiger Gott, wie er nur je die Phantasie eines nach großen Formen strebenden Volkes in diesen Ländern befriedigen konnte. Er ist der Gott des Gewitters, der im Blitz den Donnerkeil schleudert, er ist der Gott, der die Gehöfte und die Städte niederbrennt, die Bäume zerspaltet und die Menschen erschlägt. Er ist grausam und wild, prächtig und doch wieder durch seine gewaltigen Taten segensreich. Denn mit seinen Fluten, die er aus den schwarzen Wolken herabsendet, gibt er der dürstenden Erde Keimkraft und verleiht er den Feldern Fruchtbarkeit. Deshalb fürchten ihn die Menschen, aber sie lieben ihn auch. Sie fürchten seinen Zorn, aber sie erflehen sein Herannahen. Sie stellen sich ihn vor als reitend auf einem Rosse, dem sie den Namen des Widders geben, weil er so schnell und fröhlich ist. Sie stellen ihn dar mit dem Donnerhammer in der Hand und umgeben von seinen Frauen, die die Flüsse und Lagunen sind. Denn er ist ein Gott, der das Wasser vom Himmel herniedersendet; und die Flüsse schwellen an, wenn er herabsteigt. Er wohnt in einem Palaste, der ganz aus funkelndem Messing besteht, und aus dem die Blitze erstrahlen. Er hat eine gewaltige Medizin. Die hat er durch den Mund zu sich genommen, und deswegen erstrahlt ein mächtiges Feuer, sobald er den Mund öffnet. Die Sage weiß zu erzählen, wie seine Gattin Oja, der Nigerstrom, einst von dieser Medizin gestohlen habe, wie dann auch ihr Mund erleuchtet sei; sie berichtet, wie der erzürnte Gott hinter der Flüchtenden herstürzte, die Götter niederwarf, die ihm entgegentraten, und endlich um Sonnenuntergang mit dem letzten Widerstande, den er selbst nicht zu überwinden vermochte, kämpfte und in die Erde stieg. Vom Gotte Schango wissen alle Völker des Jorubalandes zu erzählen. Viele von den Legenden enthalten Widersprüche, aber alles in allem bleibt die Grundgestalt dieselbe. In einem ist man sich nicht ganz einig, nämlich in der Frage, aus welchem Lande der Gott denn eigentlich stamme. Es wird aber möglich sein, auch diesen wichtigen Punkt klarzustellen. Hier einige Legenden:
In Ibadan erzählte man mir: Der Vater Schangos war Oronjan(g). Seine Mutter Jemodia; Oronjan(g)s Vater aber war Laro, Jemodias Vater hieß Aussi. Oronjan(g) war ein großer Krieger im Jorubalande. Er eroberte sich einmal Ilife, ward aber wieder daraus vertrieben. Er kam ins Okugebiet; da lebte Jemodia, die von den Takpa (das sind die Nupe) stammte. Dort heiratete Oronjan(g) die Jemodia.
Heilige Figuren des Schangodienstes.Links: Bild des Gottes Schango; in' der Mitte und rechts: Bilder der Göttin Oja; alle mit dem Donnerkeil-Doppelbeilsymbol auf dem Kopf (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Als Schango in Ojo König ward, hatte er dort zwei Ironse (das sind hohe Beamte oder Höflinge). Der eine war Mokwa (oder Mogba), der andere Timi Agbali-Olofa-no. Schango liebte den Krieg über alle Maßen, und so sandte er denn oft Mokwa und Timi aus, daß sie für ihn Krieg führten und Städte zerstörten. Er war so kriegerisch, daß die Ojaleute zuletzt zusammentraten und sprachen: "Unser König vernichtet alles Land ringsum; wir wollen aber einen König haben, der uns nicht Sklaven gibt, sondern Essen"! Sie sandten nun Botschaft zu Schango. Die Gesandtschaft sagte: "Du bist König gewesen! Du warst zu streng; du warst zu grausam; du bist schlecht. Deshalb mußt du aufhören, König zu sein". Schango hörte die Botschaft an. Er sagte: "Ich sehe das alles. Mokwa wird euch das später erklären. Ich bin ein großer Oni-Scheggo (Magier). Niemand kann mich zwingen. Ich bin aber selbst dieses kleinen Lebens überdrüssig". Schango ging fort. Er nahm einen Strick mit sich und ging in den Busch. Den Strick befestigte er an einem bestimmten Baume. Dann erhängte er sich. Er hing sich selbst an dem Stricke auf.
Das Volk kam zu dem Baume. Das Volk sah und hörte, was geschehen war. Das Volk rief: "Ist das Schango? Ist das Schango? Ist das Schango"? —"War das der König von Ojo? War das der König von Ojo? War das der König von Ojo"? — "Hat Schango sich erhängt? Hat Schango sich erhängt? Hat Schango sich erhängt"? — Mokwa hörte das und sagte zu den Leuten: "Wenn Schango hört, wie ihr über seinen Tod sprecht, so wird er euere Häuser verbrennen; denn er ist nicht gestorben. Ich will euch aber erklären, wie das alles gekommen ist".
Mokwa sprach weiter:
"Schango sandte alle Tage Mokwa und Timi aus, daß sie Krieg führten und Völker vernichteten und Städte zerstörten. Morgens sagte er: ,Geht hin und tut das und das'! Wir gingen hin und taten das. Abends kamen wir wieder und sagten: ,Wir haben das ausgeführt'! —Schango antwortete: ,Nein, das genügt mir nicht. Morgen müßt ihr fortgehen und weiteres tun'. Wir gingen täglich. Schango spie Feuer aus dem Munde und hieß uns gehen. Wir gingen und taten. Mokwa und Timi, wir beide, kamen eines Tages und sagten: ,Wir gingen in deinem Auftrage vorgestern fort, um eine Stadt zu zerstören. Wir gingen heute fort, um eine Stadt zu zerstören. Wir mußten alles tun; wir müssen alles tun. Du aber hauchst Feuer aus deinem Munde. Das ist alles'! Darauf sagte Schango: ,Ich sehe, ihr seid unzufrieden mit meinem Willen, aber ich bin so stark,
Heiliges Gerät des Schangodienstes;Schangostäbe und Donnerkeilsymbole (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Mokwa sagte zu dem Volke: ,Jeden Tag sendete der König Schango, Mokwa und Timi aus, Städte zu zerstören und das Volk zu vernichten. Mokwa und Timi wurden müde. Mokwa und Timi kamen sich zu beschweren. Schango zwang Mokwa und Timi gegeneinander zu kämpfen. Mokwa und Timi kämpften. Mokwa tötete Timi. Mokwa sagte zum Könige Schango: ,Du hast mich gezwungen, Timi zu töten. Timi war nicht mein Feind. Nun werde ich dich töten'. Schango sagte: ,So rufe das Volk'. Ich, Mokwa, habe das Volk gerufen, nun seid ihr hier, nun bestimmt'!
Das Volk sagte: ,Schango muß das Land in fünf Tagen verlassen'. Das Volk sagte es Schango. Schango nahm einen Strick und ging in den Wald. So ist die Sache. Es ist wahr, niemand hätte Schango töten können. Schango ging aus eigenem Willen".
So sagte Mokwa zum Volke. Mokwa sagte weiter zum Volke: "Wenn nun in Zukunft einer sagte: ,Schango erhängte sich', so soll ihm die Ogumedizin ins Haus gesetzt werden, die ihn verbrennen macht". Mokwa erwählte fünfzig andere Mokwa (dies ist der Titel der Priester Schangos) und setzte das Ogu in jedes Haus, in dem ein Mann sagte: "Schango hängte sich auf". Nach Schangos Tode wuchsen auf seinem Grabe zwei Ketten; das war infolge von Schangos starker Medizin. An diesen Ketten stieg Schango dann zum Himmel empor. Schango hatte seine magische Kraft nicht von sich selbst. Schango erlernte und ererbte die Kraft von dem Schamanen Adja Ganti. Adja Ganti aber war der Großvater (?) Oronjan(g)s, also Schangos Urgroßvater. So lernte er das Feuer hervorzurufen, das als Flamme aus seinem Munde schoß. Schangos einzige Ehefrau war (nach Ibadanglauben) Oja, die Lagune. Diese Oja war eine gewaltige, ausgezeichnete Jägerin und betrieb ihr Handwerk mit ungeheurer Geschicklichkeit. Sie jagte alle wilden Tiere im Busch, Leoparden, Antilopen und Elefanten. Oja hatte einen jüngeren Bruder, der begleitete die Schwester überall hin auf den Jagdzügen. Als
Schango sie geheiratet und später sich erhängt hatte, verwandelte Oja sich in den Nigerstrom.Ein Mann aus Ilescha gab dazu noch folgende ergänzende Berichtigung: Oja war Schangos Weib; sie geht auch heute noch als Gattin vor ihm her und fegt vor ihm den Weg rein. Vorher war Oja schon einmal verheiratet gewesen, mit Ogun, der aber sehr böse war, so daß sie zuletzt zu Schango lief, ihn heiratete und bei ihm blieb. Oja gilt als die Mutter der Kinder Schangos, also als die Mutter der Alafine, des Königsgeschlechts in Ojo. In ihrer jetzigen Gestalt lebt sie heute mit Schango im Himmel. Wenn die Zeiten der Festlichkeiten der Oja herannahen, d. 1. Dezember oder Januar, gehen viele Leute zum Flusse und opfern ihr. Die Priester und Priesterinnen Ojas töten stets Schafe, nie aber Ziegen für die Göttin. Ziegen zu töten oder zu verzehren, ist ein Verbot.
Das Hinabsteigen des Gottes zur Erde wird in vielen Legenden berichtet. Einige Versionen müssen hier noch eingefügt werden. Als Mokwa einst im Kriege war, sandte Schango dem Volke von Ojo die Nachricht, man solle Holz aufstapeln, nicht weniger als vierundzwanzig Fuß hoch, und zwar mitten auf der Straße. Darauf solle man Palmkerne werfen und Palmöl gießen. So ward alles bereitet, und dann legte Schango Feuer daran. Als das Feuer dann hoch emporlohte, warf Schango Mokwa oben darauf. So ward Mokwa zu Asche verbrannt. Sobald aber Mokwa verbrannt war, wurde er wieder zu einem lebendigen Manne. Darüber war Schango sehr erstaunt. Schango sagte: "Was Mokwa kann, soll ich auch können. Ich will aber nicht zum Menschen werden, sondern zum Orischa"! Darauf nahm er sein Schurzfell und sechzehn Kauri (Muscheln). Er ging in den Busch zu einem Anjobaume. Er erhängte sich. So wurde Schango ein Orischa, denn er stieg zum Himmel auf; so wurden die Kauri ihm heilig, denn man wirft sie für ihn; und so wurde Mokwa sein erster Priester.
Noch interessanter ist die andere Legende von den beiden Heerführern, schon allein deswegen, weil sie im Anfange einige organisatorische Anordnungen Schangos bringt, welche in starkem Gegensatze zu dem sonstigen Mangel an ethischen Postulaten bei diesen Völkern steht. Sie stammt aus der Umgebung Ibadans und lautet:
Der König Schango war im Takpalande geboren. Er verlangte als erste Sache die Wahrheit und haßte die Lüge. Er wollte auch nicht, daß die Leute einander vergifteten. Zum dritten wollte er nicht, daß die Joruben einander bestahlen, daß sie in den Städten einer in das Haus des andern gingen und Sachen wegnahmen, die ihnen nicht gehörten. Wenn jemand gegen diese drei Gebote verstößt, wird er von Schango, der heute ein Orischa ist, getötet. Schango kommt
dann im Ara, im Gewitter, und tötet die Menschen mit dem Steine Ara-dung, das ist unser Donnerkeil.Schango war zu Lebzeiten ein Oni-Scheggo und ging an einer Kette zum Himmel empor. Oben tötete er sich, und das kam so: Er hatte im Kriege zwei Enondje (das sind Vertreter oder Boten), von denen der eine sehr schlecht, der andere sehr gut war. Der schlechte Enondje war Edschu, der gute Ossenj. Eines Tages sagte Ossenj zu dem in Ojo lebenden König Schango, daß Edschu erklärt habe, Schango dürfe nicht wiederkommen. Edschu war aber damals in Kuschi im Jorubagebiete. So machte sich denn Schango auf den Weg, um Edschu in Kuschi zu treffen. Unterwegs hängte sich Schango aber an einem Anjobaume auf. Deswegen nennt das Volk ihn bei seinem Anruf immer noch Obaku-su! Schango ging dann an einer Kette in den Himmel.
Ohne Schwierigkeit erkennen wir hier an den beiden deutlich benannten Angestellten des Königs den oftmals als bösartig bezeichneten Gott Edschu, den Oberaufseher der Götter überhaupt, und in dem Gotte Ossenj, die segensreiche Kraft des Schamanen, die Divinationskraft, die magische Kraft, durch die ja auch die Götter sich den Menschen nur mitteilen können. Ich sagte schon oben, daß die ethischen Postulate, die Forderungen, Gutes zu tun, zunächst unnegerhaft klingen, und will deswegen das einfügen, was ich hierüber von Ojoleuten hörte. Nach einem von ihnen, der selbst Mitglied der Königsfamilie war, stammen allerdings die Alafine von dem Donnergotte Schango ab. Es hat aber zwei verschiedene Schangos gegeben. Der eine, der ältere, ist der Schango Takpa oder Schango Taba, und der andere der Mesi Schango. Jener, der ältere, muß schon seinem Namen nach aus dem Nupelande gekommen sein. Der zweite aber kam aus Borgu. Dieser Mesi kam an der Spitze der Alledjennu ins Jorubaland und wurde der erste Mesi. Mesi heißt nun in allen alten Geschichten und Erzählungen "König". Ein heute noch angewendeter Titel ist es nicht, und die Sage berichtet, daß die Dynastie der Mesi Schango von den später wieder zur Herrschaft gelangenden Taba Schangos unterworfen und verdrängt, und daß damit alle Mesis wieder abgesetzt worden seien. Mesi Schango sei stets als Reiter auf einem Pferde dargestellt. Mit Mesi Schango sei diese Darstellungsweise überhaupt erst Sitte geworden. Schango Taba wurde dagegen in einer Widdermaske gedacht. Von dieser Art Widdermaske gibt es in Ojo zwei, die als Deckel einer Schachtel dienen, in der die Feuermedizin des Gottes gelegen hat.
Ganz deutlich und klar unterscheidet die Sage hier zwei Dynastien, von denen die eine, die ältere, die zeitweilig durch die andere verdrängt wurde, den Gott in Widdergestalt mit der Zaubermedizin auffaßt, während die inzwischen regierende das Reiterbild und vor allen
"Osse Schango";doppelbeilartige Szepteramulette des Schangodienstes; die unteren zum Aufstellen in den Feldern (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
2. Der Kultus des widderliduptigen Biitzgotles. — Keinem Gotte werden im Jorubalande auch nur annähernd so große Opfer und Zeremonien gewidmet, wie dem Götterkönige Schango. Das Verschiedenartigste wird dargebracht am Tage des großen Festes, das, wie die Joruba sagen, jeden vierzehnten Monat, d. h. in jedem November und in jedem Gehöft eines Schangosprossen unter Leitung eines Mokwa festlich begangen wird. Arme schlachten nur einen Schafbock und feiern dann drei Tage, Wohlhabende aber lassen vom Oberpriester eine ganze Zahl opfern und halten dann wochenlang Fest. Wir hatten in Ibadan einen Nachbarn, der war Omo-Schango, Schangosproß, er war wohlhabend und prunksüchtig und hat drei Wochen lang Schafböcke schlachten lassen. Das Getrommel der Jubilierenden hörte nicht eher auf, unsere Ohren zu erquicken, als bis wir nach Ife abmarschierten. Jedes opferte den Schafbock oder die Böcke in seinem Hause, aber ein Mokqua oder Mokwa, ein hoher Priester Schangos, muß das Opfer vollziehen. Er erhält dafür seinen Anteil am Festbraten und nimmt den mit heim. Leider wollte mir niemand Genehmigung geben, dem Opferfeste beizuwohnen.
Sind die familiären Privatopfer schon in ihrer Art prunkvoll, so muß das Gemeindefest geradezu großartig sein. Im Hofe des alten Mokwa versammeln sich alle älteren und angesehenen Mitglieder der Schangogemeinde. Es wird allerhand Opfergetier gebracht. Vor allen Dingen natürlich einige möglichst alte und würdige Schafböcke. Dann aber auch Ziegen, denn nur dem Ojapriester ist es verboten, Ziegen zu genießen, den Schangokindern nicht. Ferner werden gebracht Hühner, dann Krüge mit Palmwein und Maisbier, Paketchen mit Kolanüssen usw. usw. Die heilige Opferung wird vorgenommen. Das Blut fließt über die Donnerkeile, wird gegen die Altardecke gespritzt und über Töpfe und Bildnisse gegossen. Es scheint eine bestimmte Gesetzmäßigkeit daran zu walten, denn nur wenige und bestimmte Stellen im Tempel und auf dem Altar fand ich blutbedeckt. Vor allem, wie gesagt, die "Blitzsteine"und die Altardecke.
Nach Vollzug des Opfers beginnt das versammelte Volk ein Mahl. Es wird abgekocht und geschmaust. Nur der leitende Oberpriester
muß sich der Speise enthalten und auch seinen Anteil an den Schafböcken verteilt er an die Leute seines Hauses. Der Mokwa muß fasten, die Gebete absolvieren und all seine Gedanken dem Gotte widmen. Er muß zuvörderst vom Gotte die Botschaft erhalten, wen er sich als Bambeke, als Orakelwerfer, wünsche. Denn das Orakel des Schango liest der Hohe Priester nicht selbst. Den Orakelleser wählt die Gottheit, und zwar erleuchtet sie den Mokwa so, daß er ihre Gedanken versteht. Das Orakel selbst wird nach zweierlei Art abgelesen, einmal durch Wurf von sechzehn Kaurimuscheln, das soll mehr im Süden üblich sein, dann durch Aufbruch und Auswurf von mehreren Kolanüssen. Letztere Form, die im Sangodienste Aquaobi oder Agba-obi genannt wird, herrscht in Ibadan entschieden vor. In beiden Fällen handelt es sich beim Ablesen um die Frage, ob mehr Stücke auf die flachen oder konvexen Flächen fallen. Und in der Sache handelt es sich um die Frage des Wohiwollens der Gottheit, die der Gemeinde oder besonderen Persönlichkeiten ein besonders ereignisreiches oder glückliches oder unglückliches Jahr verheißt. Wiederholte Opferungen (bei augenscheinlicher Verstimmung), Schmausen und Trinken lösen dann einander ab, bis man zum Tanze übergeht.Die Batte wird geschlagen. Der Tanz hebt an. Die Tänze der Schangofeste sind keine gemeinüblichen Belustigungen, es sind hochheilige Maßnahmen mit einem tiefen Sinn, und die ganze Gemeinde wartet mit Spannung darauf, ob sich das "Große" und "Bedeutungsvolle" diesmal ereignen wird oder nicht. Das Bedeutsame liegt aber in einer direkten Inspiration durch den Gott selbst. Solches Ereignis erfolgt unvorhergesehen, impulsiv, plötzlich. Ich sprach einen Mann, der von allen sehr hochgeachtet war. Denn vor einigen Jahren hatte sich Schango in ihm niedergelassen und durch seinen Mund zum Volke gesprochen. Der schlichte Mann machte weder einen affektierten, noch betrügerischen, noch irgendwie berechnenden Eindruck. Aber er sprach mit so natürlicher Wärme von dem großen Ereignis seines Lebens, daß ich keine Spur von Schwindel wahrzunehmen vermochte. Ich fragte ihn, wie es damals zugegangen sei und erfuhr nun von ihm ganz einfach folgendes: Er hätte getanzt wie alle andern. Er hätte sehr stark getanzt. Dann hätten einige Leute neben ihm gesprochen, ob es wohl heute einen Elegun Schango (einen Inspirierten) geben würde. Einer hätte gesagt, man könne das nie vorhersagen, auch nicht durch das Agba-obi, auch der Mann selbst könne es nicht vorher wissen, denn es könne jedem zufallen. Da sei ihm sehr eigenartig geworden, er hätte in die Banga springen, eine Ose Schango ergreifen müssen und was dann weiter geschehen sei, wisse er nicht mehr. Es sei sehr angenehm gewesen. Abends habe er dann viel getrunken und sei betrunken eingeschlafen. Am andern Tage hätten
ihn alle sehr geehrt und da hätte er erst gehört, was sich mit ihm ereignet hätte. — Ich glaube, diesen Bericht hier einzuflechten, hat seinen Wert; es braucht nicht alles Betrug und Schwindel zu sein.Die Erzählungen von Leuten, die solche Feste und hochwogende Stimmungen miterlebt haben, klingen ganz gleichlautend. Ohne daß es vorherzusehen ist, läßt sich Schango in den Kopf eines Tänzers, Mann oder Weib, nieder. Der (oder die) Inspirierte rennt in die Banga, ergreift eine Ose Schango, eine jener schönen keulenartigen Schnitzwerke, oder ein Sere Schango, eine Klapper dieses Gottesdienstes. Die Person beginnt zu tanzen vor den andern. Man sieht ihr die Inspiration sogleich an. Ein vom Schango oder überhaupt von einem Orischa Ergriffener tanzt ganz anders als andere Menschen. Und sicher geben solche Ekstasen uns fast unbekannt gewordene Physiognomien ab. Dem Tanzenden schließt sich der Battaschläger, der Schläger der heiligen Trommel, dann das Volk an. Der Begeisterte verläßt den Tempelhof. Er tanzt seinem Hause zu. Alles Volk folgt ihm. Jeder weiß und sagt, daß das ein Freund (ein Liebling) Schangos sei. Daheim wird der vom Gotte Geehrte für Schafbock und Kauri, für Kola und Getränke aufkommen, sodaß sein Dankesgefühl aller Welt offenbar werde. Sind an dem Tage noch andere, dem Gott Gefällige da, so wallt der Zug von einem Manne zum andern. Er kann mehrere Menschen inspirieren, aber nur nacheinander, nicht gleichzeitig. —Und was diese Begeisterten und Inspirierten reden, das ist Orakelweisheit.
Für Ibadan ist noch eines Weges zu gedenken, den die Begeisterten stets ziehen. Der Zug jedes Inspirierten geht zum Hause des jeweiligen Bale. Im Hofe des Balehauses wird wieder getanzt, und der hohe Herr wird auf jeden Fall den von Gott Begnadigten selbst ehren. Er nimmt seine Balemütze, die Akitajo, ab und setzt sie vor dem Gotte im Menschenkörper zur Erde. Das ist die höchste Ehre, die ein solch hoher Herr überhaupt erweisen kann, da seine Stirne, ehe nicht das Henkerschwert sie etwa plötzlich vom Körper trennt, nie den Erdboden berührt.
Mokwa und Bambeke haben den Zug des Inspirierten nicht begleitet. Sie liegen inzwischen daheim im Tempel im Gebet. Aber der Bale hat ihnen zu spenden und sendet durch den Inspirierten, der einfach nur als Schango selbst oder als Elegun Schango bezeichnet wird, ein ganz rotes Kleid, Kauri und Kolanüsse. Diese Gaben werden unter die Priester verteilt, die ihrerseits der Gemeinde dieses oder jenes Geschenk geben.
Die Inspiration durch die Gottheit wird oftmals durch Namensänderung dem Gedächtnisse erhalten. In solchem Falle soll es hier und da Sitte sein, alle Versammelten mit neuen Namen zu bedenken. Als typisch wurde mir genannt:
Schango Lade, d. h. etwa "der Reichtum Schangos kommt zu uns." Schango Jemi, d. h. etwa "Schango ist gut für mich". Schango Dunusi, d. h. etwa "Schango ist gut zu verehren". Schango Obati, d. h. etwa "der Erste, den Schango inspirieren wird". |
Wenn jemand bei solcher Gelegenheit einen solchen Namen gewann, so wird der alte Name nicht mehr geführt. Die Person wird nur noch beim neuen Namen gerufen. Wenn sie dann aber vom Schango inspiriert wird, so erhält sie für die ganze Zeit eben immer den Namen "Schango" oder "Schango selbst" oder so und die Bezeichnung mit dem alten Namen ist dann nicht zugelassen.
In diesen Festtagen werden allerlei altertümliche und bizarre Kultformen und Kulthandlungen ausgeführt. Eine der interessantesten besteht im Feuertanz. Folgendes erfuhr ich davon: Der Feuertänzer hat einen Feuertopf (= Adjeri) oder auch nur einen Korb (=Agba) auf dem Kopfe, indem das Jena Schango, das Feuer Schangos brennt. Er macht erst einige anscheinend ziemlich wilde Runden und ist dann mit magischen Kräften gefüllt. Dann kann er leicht wunderbare Handlungen ausführen. Mit der Hand ergreift er z. B. Erde, und während er sie berührt, wird sie zu Salz oder auch zu Kaurimuscheln. Er vermag sich ein Ohr abzuschneiden und das heilige Feuer, das auf seinem Haupte brennt, wird es einsetzen. Er kann die Zunge aus dem Halse trennen, und das heilige Feuer wird sie wieder anwachsen lassen. Er reißt sich ein Auge heraus, er brennt es im Feuer und verzehrt es dann. Das Auge des Feuertänzers wird wieder ersetzt und er wird tagklar sehen können wie vorher. Solcher Tanz wird im großen siebentägigen Fest aufgeführt und die Batta begleiten ihn.
Eins ist aber außerordentlich wesentlich in allen diesen Dingen. Die Möglichkeit, solche Wunderwerke zu Ehren Schangos auszuführen stammt nicht vom Gott selbst, sondern sie sind verliehen von dem Ossenj oder Ose(i)nj, das der Ada-Usche, der Schamane verleiht. Es geht nicht von dem Donnergotte selbst aus. Es ist auch hier wieder die Schamanenkraft. Man hat Ossenj auch als Orischa bezeichnet. Aber eine Gottheit in unserem Sinne ist dieser Ossenj ebenso wenig, wie etwa Sigidi oder verwandte Erscheinungen. Man treibt unter den Joruba selbst Mißbrauch mit dem Worte Orischa, bezeichnete Ibedji wie Oro und Egun als Orischa, ohne daß deren Entwicklungsform oder -höhe auch nur die geringste Berechtigung hierzu böte. Was nun Ossenj anbelangt, so haben wir es nicht mit einem Gott, sondern mit einer Kraft zu tun, die eben die magische Kraft der Schamanen, das "Belebende", das "Wunderwirkende" ist und die, wie schon oben gesagt, jeder priesterlichen Handlung den Konnex mit der zugehörigen Gottheit verleiht.
Am Ende jenes Zaubertages nun, an dem zu Ehren des Donnerers so viele wunderbare Dinge ausgeführt sind, wird der Feuertopf zum Schangopriester zurückgebracht. Der verlöscht das Feuer. Und wenn es übers Jahr wieder entzündet werden soll, muß der Schamane erst Kopf und Oberkörper des Tänzers gut vorbereiten, so daß die Flamme ihm nichts anhaben kann. Ohne Ossenj keine Wundertat. Hat doch die Gottheit selbst ihre magische Kraft durch einen Schamanen erhalten, so daß der große König aus seinem Munde Feuer hauchte. Wenn dieser Feuertanz des Schango in den Tagen stattfindet, in denen die Sonne sich wendet, so wird allenthalben das Feuer gelöscht und jeder Mann nimmt einen Brand von Schangos Feuer mit. Den Schangodienern ist dies dann das Fest des neuen Jahres.
Selbstverständlich gehört in den Schangodienst, wie in jedes ausgebreitete und ältere Verehrungssystem, eine Unmasse von Kleinkram des Aberglaubens. So gilt seit Schangos Todesfahrt das Kraut Ogbo, auch Ogungun, Odidin oder Tete genannt, als ausgezeichnetes Medikament gegen alle möglichen Krankheiten, heut die durch den Blitz Getroffenen und die im Gewitter Erkrankten. Niemand anders als Schango selbst hat das Mittel den Alten gezeigt und sie angewiesen, es mit Schibutter, Palim- oder Nußöl zu mischen und anzuwenden. Irgendeine ähnliche Bewandtnis muß es mit den im Schangodienst geschlagenen Battatrommeln haben und mit einem Zauberspruch von "Ninis Tod". Man erzählte mir u. a.: Schango hatte einen Sohn, der hieß Nini. Der ging häufig in den Krieg und wurde im Kriege getötet. Das Volk schlug die Trommel Batta und verkündete allenthalben: "Schangos Sohn Nini ist gestorben". Aber seit damals darf niemand von Ninis Tod sprechen, wenn ein Nachkomme Schangos stirbt. —Die Quintessenz dieser Legende, die auf einen Zauberspruch herauslaufen soll, habe ich nicht verstanden.
Wie jede totemistische Gruppe dieses großzügigen, sozialfeingliedrigen Kultes, hat auch die Schangogemeinde, die Nachkommenschaft des Donnerers, ihr Ewou, ihr religiöses Speiseverbot. Die Omo-Schango dürfen weder die Maus Eku oder Ego, noch das Eichhörnchen Esuro verspeisen. Eigenartig ist es mit den exogamischen Gesetzen der Familie. Daß kein Schangosohn eine Priesterin der Oja, der einstigen Gattin des Gottes, die heute noch als Göttin im Winde vor ihm (dem Gewitter) herbraust und den Weg reinfegt, heiraten darf, daß die Ehe unter den Schangokindern im allgemeinen verboten ist, versteht sich nach dem oben Gesagten von selbst. Anders ist es mit dem Gesetz, dem die Ehe der Mokwa, der Priester unterworfen ist. Der Mokwa darf an einigen Orten Schangotöchter ehelichen, an andern Orten müssen seine Frauen Schangotöchter sein. Das erinnert daran, daß bei manchen hochedlen Stämmen und Familien
des Sudans die Fürsten ihre eigenen Töchter ehelichen, so die Kaiserfamilie der Mossi und die Regenten der Asande-Avungara.Einige weitere Worte mögen nun dem Kultusgeräte des Gottes gewidmet werden. Fast auf allen fürstlichen Türen sehen wir das Abzeichen des Gottes, erstens die Steinbeile (Donnerkeile), dann die außerordentlich variantenreichen Tanzkeulen, die Ose Schango, und endlich die langstieligen, offenbar aus der Form der Flaschenkürbisse hervorgegangenen Tanzrasseln, die Sere Schango abgebildet, dann auch Tänzer mit diesem Gerät. Es ist eben die Gottheit der herrschenden Familie, die allenthalben ihr Vorrecht geltend macht. Auf den Altären sehen wir die mit Kaurimuscheln besetzten Ibauri Schango, die Priesterhüte, an den Wänden der Tempel die Laba Schango, die hübsch gemusterten großen Ledertaschen, deren Sinn und Bedeutung ich durch keinerlei mythologische Erklärung zu verstehen vermochte. Hier und da sind die geflochtenen Gürtelbänder, die den lnspirierten über geworfen werden, zusehen. Die Oko-Schango, heilige Töpfe mit allerhand Figuren, zuweilen auch sehr ausgesprochene phallische Ornamente bergen das Opferwasser. Es ist ein reicher Schatz von Emblemen, die im Tempel und auch über den Weg zu den Feldern angebracht sind und aus deren Anwendung immer die doppelte Bitte spricht nach fruchtbarem Regen und Gewitter, ohne Menschenverlust durch Blitzschlag.
Wo aber der Bauer auf seinen Feldern alte Steinbeile findet, da hebt er sie sorgsam auf und legt sie zur Saatfrucht oder auf dem Altare des Gottes als sein Symbol, als sein Werkzeug nieder, mit der Bitte, seine Felder immer richtig zu bedenken und ihm Regen und Erntesegen gewähren zu wollen.
Werden wir durch die Bezeichnung der Steinbeile als "Donnerkeile" schon an unsere eigene alte Mythologie erinnert, so fällt solche Parallelität doppelt auf, wenn wir hören, daß das dem Gotte als liebste Nahrung geltende Tier neben dem Huhn der Bock ist. Schango liebt und fördert den Schafbock, den Widder. Als ich am letzten Tage meines Aufenthalts in Ibadan schon das zum Abmarsch bereitstehende Pferd im Hofe besichtigte, scharrte es frisch und munter. Ein alter Jorube betrachtete es wohlgefällig und sagte meinen Leuten offenbar etwas dem Pferde sehr Schmeichelhaftes. Ich fragte, was er gemeint habe, und hörte zu meinem Erstaunen, daß er die Munterkeit des Pferdes mit der Fröhlichkeit "der Schafböcke Schangos"verglichen habe. Weiter befragt, sagte der alte Freund: "Schango steht, wenn er im Gewitter über den Himmel hinzieht, auf Schafböcken, und die liebste Speise des Gottes besteht im Widder". Oben erzählte ich aber, daß Schango in Ojo durch eine Widdermaske dargestellt wurde, unter der seine heilige, leuchtende Medizin verborgen liege.
Schankpanna. — Das ist der grauenvolle Gott der Pocken, von odem ich im Norden und Süden recht verschiedenartige Legenden hörte. Dieser fürchterliche Gott scheint uns so recht ungeeignet, der Stammvater einer großen Nachkommenschaft zu sein. Die Leute in Ibadan führen seine Abstammung ebenso wie die des Donnerers Schango auf das Volk der Takba, der Nupe, zurück. Dort soll er einer bedeutenden Familie entsprossen sein, die sich aber später außerordentlich gespalten hat. Schankpanna soll nach Ibadananschauung ein ebenso großer König gewesen sein wie Schango. Er wird überhaupt von den Ibadanleuten in der Legende stets mit Schango in Parallele gestellt; dies stimmt aber, wie wir gleich sehen werden, nicht mit den besseren Angaben des Nordjoruben überein. Betrachten wir aber erst einmal die eigentümlichen Sitten der Feste und des Kultes dieses Gottes.
Als wichtigstes Verbot wurde mir der Anbau der Pflanze Njamati (Sesam), die im Haussa Sure heißt, angegeben. Sie darf nicht nur in der ganzen Stadt nicht angepflanzt werden, sondern ihr Samen soll sogar nie dem Gehöfte einer Schankpannafamilie nahekommen. Ereignet sich solches, so tötet Schankpanna viele, viele Leute, alte und junge Männer und Weiber. Schankpannas Leute dürfen nicht davon genießen oder den Samen in ihr Haus nehmen, sonst tötet die erzürnte Gottheit sie durch Pocken. Eine Pockenepidemie ist in einem solchen Falle sicher.
Haben die Pocken sich eingestellt, so können die Kranken in Schankpannas Tempel gehen. Hier sehen wir recht deutlich, daß jede Gottheit nicht nur ständig von ihrem Klan, ihrer Nachkommenschaft verehrt wird, sondern daß ihr nach Bedürfnis alle Leute nahen, die im besonderen mit ihrer Wirkungskraft oder ihrer Eigenart oder ihrer Betätigungsform es zu tun haben wollen. Daher geht der Erkrankte, ganz gleichgültig, ob er ein Schankpannasohn ist oder nicht, in den Tempel des fürchterlichen Gottes und bittet um Erlösung. Die Priester waschen den Erkrankten erst mit heißem Sande, dann aber mit einem Medikament, das selbstverständlich geheim gehalten wird. So behandelt, genest der Kranke schnell, wenn er nicht eine besondere Freveltat gegen den schrecklichen Gott begangen hat.
Das große Fest des Gottes wird im September begangen. Geopfert werden dann Ziegen und Palmöl, Hühner und Bananen. Die aufgeteilte Ziege wird in einem großen Topfe unter Beifügung von Mais und viel Palmöl zubereitet. Man stellt vier große Töpfe mit diesen Gerichten her. Danach tragen einige Leute Sand an die vier Ecken der Stadt, d. h. nach den vier Himmelsrichtungen. Auf die vier Sandhaufen werden die vier Töpfe mit dem wohlbereiteten Ziegengericht gesetzt. Die Prozession der Omo-Schankpanna zieht
von einer Himmeisrichtung nach der andern und besucht die Opfertöpfe, indem sie den Weg im Osten beginnt. Sie zieht dann zu den Töpfen im Norden, dann im Westen und schließt im Süden. Hier treffen wir zum ersten Male auf die hohe, bedeutungsvolle Grundfigur des jorubischen Templum. Hernach wird geschmaust und außerordentlich viel Palmwein getrunken, worauf dann der Haufe sich zerteilt und eine jede Familie in ihr Gehöft zurückkehrt.Daß die Familien Schankpannas nur exogamisch heiraten dürfen, versteht sich von selbst. Die Speiseverbote beruhen aber nicht nur in der untersagten Njamatispeise, sondern auch in der Versagung des Pferdefleisches, und zwar wird dies ganz außerordentlich streng gewahrt, wie überhaupt der ganze Schankpannakultus sich durch rigorose Handhabung auszeichnen soll. Wenn z. B. der Mann einer Schankpannatochter Pferdefleisch genießen will, so muß er es sich schon selbst zubereiten, da die Schankpannafrau es nicht in ihrem Wohnraum nehmen, nicht anfassen, geschweige denn kochen darf; und die Priester werden ihm nahelegen, solche Gerichte in einem Gehöfte bereiten zu lassen, in welchem sich keine Schankpannanachkommen befinden.
Die Schankpannatöchter tragen eine Haartracht, ähnlich derjenigen der Schangotöchter. Sie heißt Ogba-langwe. Zöpfe sind in der Richtung von vorn nach hinten über den Kopf gelegt, so daß eine Art Helmtracht zustande kommt. Sie weicht aber doch etwas von der Tracht der Schangofrauen ab. An den Schangodienst erinnert fernerhin die Handhabung schwerer Holzkeile, die aber meistens oben blau bemalt und grob in der Arbeit, nie aber so graziös wie die oft an polnische Schmuckwerke erinnernden Osse-Schango gearbeitet sind. Eigenartig für den Kultus des Schankpanna sind die hohen, meist halb rot, halb weiß bemalten Hocker, die vor dem Altar stehen.
Wie gesagt, weiß die Mythologie der Nordjoruben nichts davon, daß Schankpanna aus dem Takbalande gekommen sei. Die Angaben dieser Leute sind so klar und übersichtlich, daß wir ihnen unbedingt folgen müssen. Sie unterscheiden sehr scharf zwei verschiedene Schankpanna, von denen der eine als Schankpanna-boku, der andere als Schankpanna-aero oder Schankpannaero bezeichnet wird; der erste ist ein böser, der zweite ein guter Gott.
Schankpanna-boku macht krank; er macht so krank, daß der Mensch, der von ihm mit seiner Krankheit belegt wird, meist stirbt. Dieser Schankpanna ist kein eigentlicher Jorube. Seiner Familie nach stammt er von den Egun oder von den Dahomey ab. Er war zu Lebzeiten ein streitsüchtiger Mann, der die Sprache des Egunlandes redete, und daher kommt es, daß ein Jorube oder ein Nupe, wenn er von dieser Krankheit erfaßt wird, auch diese Sprache redet; er redet
dann wie die Egun, denen man eine lallende und plappernde Redeweise nachsagt.Dieser schlimme Mann siedelte einst mit seiner ganzen Familie aus dem Dahomeylande nach Ojo (Altojo) über. Diese Familie war eine Egunfamilie. Der Mann Schankpanna hatte sehr, sehr viele Ogus (Zaubermittel), und damit hatte er in Dahomey Streit angefangen, weshalb ihn die Dahomey mitsamt seiner ganzen Familie vertrieben hatten; und Schankpanna zog nun mit seinem ganzen Anhange an jungen und alten Leuten nach Ojo. Hier bemühte er sich, den Alafin zu überreden, seine eigene Streitsache zur königlichen zu machen und das Egunland mit Krieg zu überziehen. Als Schankpanna also nach Altojo gekommen war, ging er zum Alafin und sagte ihm bald alles, was geschehen war. Schankpanna hatte dabei in der Hand eine Schere mit einer Kette daran. Als Schankpanna gesprochen hatte, sagte Alafin: "Du hast also viel Streit gehabt. Wir brauchen dich nicht in Joruba". Der abgewiesene Schankpanna ging mit Zorn hinweg. Er nahm Sesam (Njamati) aus seiner Tasche. Er streute die Sesamkörner weit über den Boden hin. Dann schlug er mit der Schere und Kette auf den Boden. Die Erde spaltete sich sogleich und Schankpanna stieg hinein. Kaum aber war Schankpanna in die Erde gestiegen, so kam seine Krankheit über das Volk. Viele, viele Menschen erkrankten, und viele Leute starben. Alle Leute kamen zum Alafin und sagten: "Hemme diese Krankheit! Sieh, daß wir nicht alle sterben"! Der Alafin sagte: "Was kann man dagegen tun? Diese Krankheit kommt von Schankpanna, der in die Erde gegangen ist. Was sagte nun dieser Schankpanna, ehe er starb"? Die Leute sagten: "Frage den Babalawo. Das kann nur der Babalawo sagen". Der Alafin ließ einen Babalawo rufen.
Der Babalawo des Alafin kam. Der Alafin fragte ihn: "Was können wir gegen die allgemeine Krankheit tun"? Der Babalawo sagte: "Ich will meine Oquelle nehmen". Der Babalawo nahm das Oquelle und fragte: "Wer hat diese Krankheit gebracht"? Der Babalawo nannte alle Orischas. Er nannte den Namen Schangos. Er nannte den Namen des Gottes Schankpanna, er nannte den Namen Oguns. Das Oquelle sagte: "Das ist die Sache des Mannes, der hier weggetrieben worden ist, der Mann ist aber nicht gestorben, sondern er ist in das Land der Egun, aus dem er stammte, zurückgegangen". Der Alafin fragte: "Wie kann man es erreichen, daß kein Mensch mehr an der Krankheit stirbt"? Der Babalawo warf wieder das Oquelle. Der Babalawo sagte: "Daran, daß viele Menschen an der Krankheit Schankpannes sterben, ist zunächst nichts zu ändern. Der Alafin gehe aber mit angesehenen Leuten zu der Stelle, an der Schankpanna in die Erde gestiegen ist. Er nehme einen Topf, der mit Wasser gefüllt ist, mit sich. An der Stelle, wo der Schankpanna in die Erde
gestiegen ist, liegt noch die Schere und Kette. Nehmt die Schere und Kette auf und legt sie in den Topf mit Wasser. Dann bringt den Topf mit der Schere und der Kette in die Stadt". Der Alafin machte sich mit vornehmen Leuten auf den Weg. Sie nahmen einen Topf mit Wasser mit sich. Sie gingen an die Stelle, wo Schankpanna in die Erde gestiegen war. Sie fanden da die Schere. Sie nahmen die Schere auf und legten sie in den Topf mit Wasser. Dann trugen sie den Topf in die Stadt Ojo.Der Alafin ließ den Babalawo rufen und fragte: "Was soll nun geschehen"? Der Babalawo warf das Oquelle und sagte: "Nun muß ein Owua (als Owua bezeichnet man eine Art riesiges Becken, mit dem heilige oder unheilige Flüssigkeiten ausgesprengt werden) genommen werden, den soll man in den Wassertopf tauchen, in dem Schankpannas Schere liegt, und mit dem Wasser soll man dann jeden besprengen, der an der gräßlichen Krankheit erkrankt. Jeder Besprengte wird dann gesunden". Dies geschah.
Dann warf der Babalawo das Oquelle wieder und sagte: "Als Schankpanna in diese Stadt flüchtete, brachte er seinen ganzen Anhang mit. Darunter muß sich auch der Vater (Baba, dieser Baba braucht nicht nur der Vater, sondern kann jeden älteren Verwandten, also Onkel, Großvater usw. bedeuten) befinden. Diesen müßt ihr suchen. Bringt den Topf mit der Schere zu diesem. Er soll für ihn sorgen". Die Leute suchten den Vater Schankpannas, sie brachten dem Vater Schankpannas den Topf. Der Mann fragte: "Was soll ich mit dem Topfe"? Der Mann ging zu dem Babalawo.
Der Mann fragte den Babalawo: "Die Leute brachten mir einen großen Topf, in dem Wasser und die Schere Schankpannas ist. Was soll ich damit"? Der Babalawo sagte: "Wenn du in dieser Sache Schankpannas nicht opferst, wird ganz Ojo sterben". Der Mann sagte: "Dann will ich es tun. Wie soll ich aber das Opfer darbringen"? Der Babalawo warf das Oquelle, dann sagte er: "Du opferst ihm allerhand Tiere: Huhn, Ziege, Schaf, Pferd. Du darfst sie aber nicht mit dem Messer töten. Du mußt sie mit deinen Händen fassen und die Arme, mit der Innenseite gegeneinandergelegt, weit vorstrecken. Wenn du die Arme dann zur Seite führst (etwa dem Turnkommando: "Seitwärts streckt"entsprechend), so stirbt das Tier, das so auseinandergezogen wird, von selbst. Dann darfst du das Tier nicht mit deinem Messer zerlegen. Du mußt hierzu ein hölzernes Messer nehmen". Der alte Egunmann sagte: "So werde ich es tun".
Der alte Schankpannapriester führte das das erstemal aus. Da kam ein Käfer herangeflogen, der flog immer um den Schankpannatopf herum. Man suchte den Käfer zu verscheuchen. Der Käfer ließ sich nicht verscheuchen. Er kam immer wieder. Zuletzt wollte man den Käfer totschlagen. Man vermochte ihn aber nicht zu töten. Also
fing man den Käfer und brachte ihn zum Alafin. Man sagte zum Alafin: "Dieser Käfer fliegt immer um den Topf Schankpanrias. Wir können ihn nicht verscheuchen. Wir können ihn nicht weg treiben. Wir können ihn nicht töten. Was ist das mit dem Käfer"?Der Alafin sagte: "Das kann ich euch nicht sagen. Ich will den Babalawo rufen". Der Babalawo des Alafin kam. Er warf das Oquello. Der Babalawo sagte: "Dieser Käfer ist der Enniferri Schankpannas. Er ist der Bläser Schankpannas. Der Käfer ist deshalb so laut. Er wird immer kommen, wenn Schankpanna etwas will. Er wird konimen, wenn Schankpanna eine Krankheit bringen will. Er wird koinmen, wenn Schankpanna ein Opfer verlangt. Also laßt diesen Ennifern Schankpannas fliegen, wie und wo er will". — Seitdem sagt man von einem Menschen, der immer mit aller Welt Händel anfangen will: "Er macht Lärm wie der Käfer Schankpannas", und das bezieht sich nicht nur auf Schankpanna selbst, sondern auch auf seinen "Bläser".
Die Anhänger und Verwandten dieses Schankpanna-boku sind zunächst und vor allen Dingen demnach die Egunleute. Danach scheint es so, als wenn dieser abstoßendste Gott von den Ewe herübergekommen sei, und in der Tat finden sich dort ganz ähnliche unheimliche Krankheitsgötter. Dann aber schlossen sich der Verehrung dieses unheimlichen, mordlustigen Gottes viele schlechte Menschen an, die Schlechtes geübt haben und Schlechtes vorhatten. Unter den eigentlichen Joruben aber, so behaupten die Nordostjoruben, von denen dieser Bericht stammt, gäbe es keine Nachkommenschaft von ihm. In der Legende aber scheint es, als wenn-viele Überlieferungen von Schango auf Schankpanna übertragen worden sind. Auch die Nupe haben mir bestätigt, daß Schankpanna nicht aus ihrem Lande gekommen sei. Wir haben also hier einen Gott aus dem Südwesten vor uns, der dem Jorubensysteme assimiliert worden ist.
Ganz anders verhält es sich mit Schankpanna-aero, d. h. dem Gotte, dessen Anhänger in Nordjoruba Armbänder von Kauris, "Uaero" oder "Wuaero", tragen. Er gilt im Gegensatze zudem Schankpannaboku als eigentlicher Joruba-Orischa, wenn wir seinen Ursprung auch sogleich als einen ziemlich mühsam konstruierten erkennen werden. Die Legende von diesem Schankpanna-aero besagt auch hier:
Früher kannte man Schankpanna-aero nicht. Die Frau einer Orunfamilie (also der Familie eines Sonnengottes) in der uralten Stadt Oru, die zwischen Ibadan und Ilorin liegt, fühlte einmal ihre Mutterschaft herannahen. Als das Kind geboren war, war es ganz heiß. Auch hatte es an der Kehle ein großes Geschwür. Das Kind lebte nur ganz kurze Zeit, dann starb es. Bald darauf fühlte die Frau wieder ihre Mutterschaft herannahen. Es wurde wieder ein Kind geboren. Das Kind war wieder ganz heiß und es hatte an der Kehle ein
Geschwür. Auch dieses Kind lebte nur ganz kurze Zeit, dann starb es. Die Frau ward zum dritten Male Mutter. Es ward wieder ein Kind geboren mit einem großen Geschwür an der Kehle. Auch dieses Kind starb dann bald.Der Vater der Kinder ging nun zu einem angesehenen Babalawo und befragte ihn über die Sache. Der Babalawo warf das Oquelle und sagte dann: "Ich sehe, ihr seid Nachkommen Oruns (des Sonnengottes). Dieses ist aber ein Zeichen Schankpannas. Schankpanna will euch damit zeigen, daß ihr dasselbe seid, wie Orun. Da es aber eine Angelegenheit Schankpannas ist, so geht zu den Leuten Schankpannas".
Nun sind die Babalawo aber Ifa-Anbeter, also die Orakelleute der Schangodynastie. Die Schankpannaleute haben aber einen eigenen Orischa, der ihnen das Orakel deutet, das ist der Orischa Osoko. Osoko ist eine Figur, die mit Kaurimuscheln besetzt ist und in der Hand ein Schwert aus Zinn hält. Das Orakel Osokos besteht aus fünfzig halben Kaurimuscheln, die geworfen werden. Aus der Lage, wie sie fallen, erkennt man das Schicksal.
Die Familie ging also zum Priester Osokos. Der Priester Osokos warf die Kaurimuscheln. Dann sagte er: "Ihr sollt in Zukunft das Opfer Oruns machen; ihr sollt es wie früher tun; von nun an sollt ihr es aber nicht mehr für Orun, sondern für Schankpanna bereiten, da dieser Schankpanna-aero derselbe ist, wie Orun. Tragt in Zukunft das Kauriarmband Schankpannas". Die Leute taten es. Danach wurden genügend Kinder geboren, die leben blieben. Wir sehen hier also ganz deutlich ausgesprochen, wie mit dem aus Südwesten gekommenen Schankpannadienste der alte Orundienst neu belebt wird.
Das Heiligtum dieses Joruba-Schmiedegottes liegt nicht in der Stadt, sondern weit draußen im Busch. Es ist das Ibo-Ogun, das hier draußen außerordentlich häufigen Besuch erlebt. Das erinnert uns daran, daß bei vielen afrikanischen Völkern auch die Schmiedewerkstätten nicht in der Stadt, sondern vor den Toren angelegt werden müssen, angeblich wegen der drohenden Feuersgefahr. Der oberste Priester Oguns, der Queto-Oschin, lebt gemeiniglich in der Stadt, kommt aber zu jedem größeren Feste hinaus. Der Gott selbst wird in dem Busch durch ein starkes Ida, eines jener Schwerter, die den Bronzezeitformen so ähnlich sind, repräsentiert. Heute finden diese schönen alten Waffen wohl schon seit geraumer Zeit keine kriegerische Verwendung mehr; aber auf den verschiedensten Altären, zumal denen des Gottes Ogun, trifft man sie nicht selten an, und die Exemplare, die ich für die Sammlung gewinnen konnte, stammen nicht aus Waffenkammern, sondern von Altären. Der Gott Ogun wird als Schwert dargestellt, so wie Mars im alten Italien und der Kriegsgott bei den Skythen.
Vor diesem Symbol des Gottes wurden bei mancherlei Gelegenheiten reiche Opfer und Gaben dargebracht. Man nannte mir als vorzüglich beliebt und dem Gotte angenehm: Ente, Schafbock, Ziege, Palmwein, einmal nannte man auch den Hund; das wurde aber mit dem Hinweis, daß nur der Ogun der südlichen Egba Hunde liebe, bestritten. Eigenartig berührt es, daß gerade diesem kriegerischen Gotte fein verflochtener Blätterschmuck geweiht wird, der in seiner Zierlichkeit an den leicht vergänglichen Schmuck der Südseeinsulaner erinnert. Man nennt ihn Miruo-Oquo und fertigt ihn aus den zarten Herzblättern der Palmbäume an. Den Schmuck legen die Teilnehmer erst vor Beginn des Festes an, am Eingange des Heiligtums, kehren aber mit ihm nach vollendeter Weihe in die Stadt zurück. Begegnen sie nun auf dem Heimwege andern Anhängern und Nachkommen des Gottes, die irgendwie abgehalten waren, das Fest im Busch mit zu begehen, so ziehen sie sich einige Blätterstreifen aus dem Kranze und legen sie dem Entgegenkommenden um den Hals, um zu zeigen, daß sie auch Nachkommen des Eisen- und Erzgottes sind.
Ganz besonders prunkvoll werden vor Beginn eines Krieges solche Feste begangen. Dann ziehen nicht nur die Kinder des Gottes und die Schmiede, sondern auch alle andern Krieger zum Oguntempel hinaus und sparen nicht an Opfern. Sie bitten dann um alles, was das Herz eines schwarzen ausziehenden Kriegers bedrängen kann, um Schutz, um Erhaltung der Gesundheit, um Beute, reiche Beute, um viele tote Feinde und großen Kriegsruhm. Ich hörte, daß bei solchen Festen nicht selten ein Mensch geopfert wird, daß man dessen Herz herausschneidet, zerbricht und in eine Speise tut, die dann die
Führer gemeinsam genießen; Mut und Kraft soll dadurch wachsen. Dagegen konnte mir niemand von einem Dankesfeste nach vollendetem Kriegszuge berichten.Ein anderes Fest, das diesem Eisengotte gut ansteht, wird vor Beginn der Regenzeit begangen, nicht eigentlich draußen im Buschheiligtume, sondern in der Stadt, und zwar von jeder Familie im eigenen heiligen Winkel. Da werden dann alle Hackenblätter, die der nächsten Feldbaukampagne dienen sollen, zusammengelegt und mit einer aus Jams und Palmöl bereiteten Speise bedeckt. Darauf folgt das Gebet. Der Hausherr bittet, daß während der folgenden Arbeitszeit seinen Kindern nichts Böses geschehen möge, daß ihre Arbeit gedeihe, daß niemand mit dem Werkzeug sich beschädige, daß keine Leoparden, keine Schlangen die Buscharbeiter verletzen oder gar töten möchten. Danach essen die, die zur Arbeit hinausziehen, von der Speise, aber nur das, was obenauf liegt, so daß noch genug an den Eisenblättern hängen bleibt. Und so beginnen viele Arbeiter mit einem Gebete ihre Unternehmungen, und dies nicht nur, wenn das Ambo-Ogun oder Ambogun, das größte Fest, begangen wird, zu dem alle Anhänger und Angehörige, geschmückt mit den besten Kleidern, in den Busch hinauspilgern.
Die eifrigsten Verehrer des Gottes sind fraglos die zwei Gruppen der Schmiede, die Alagwede-Ille-Dudu, die Schwarzschmiede, und die Alagwede-Sude, die Gelbgießer, gleichgültig, ob sie nun eigentliche Nachkommen des Gottes sind oder nicht. Im Allgemeinen verdient hier vor allem Beachtung, daß die Schmiede ihre Ofenwerke und Schmelzarbeiten mit einer Bitte an Ogun zu beginnen pflegen, und daß außerdem hier der Anschluß an einen alten Schlangendienst vorzuliegen scheint. Die Schmiede nämlich, und vor allem diejenigen, die Nachkommen Oguns sind, haben eine Medizin, die von dem Gotte stammt; wenn sie die ihren Frauen und Kindern eingeben, werden diese dadurch in den Stand gesetzt, im Busche Schlangen zu greifen und mit ihnen zu spielen, ohne daß die Tiere ihnen schaden können. Ich sah in Ibadan mehrere Frauen, die sehr hübsch mit Schlangen spielten, solche Spiele auf den Märkten vorführten und von den Zuschauern kleine Gaben einheimsten. Giftige Schlangen waren aber nicht darunter. Es waren Schmiedefrauen, die mir berichteten, es sei wahr, daß viele Frauen in ihren Häusern Schlangen hielten. Sicher ist auch, daß der zeremonielle Repräsentations-oder, wenn wir so wollen, Zauberstab der Schmiede, der sog. Ewoana-Ogun, mit einer Biegung in einen Haken auszulaufen pflegt, der ganz deutlich einen Schlangenkopf darstellt. Das sind dann gleichermaßen Symbole des Ogundienstes und der Schmiedevereinigung.
Das führt uns zum Vergleich mit den allgemein üblichen Ewoana oder Ewuana, oder auch schlechtweg Uana, d. h. Gelbgußfiguren
von mehr oder weniger stilisierter Form. Es gehört, wenn man sie auch einzeln zu bestellen oder einzukaufen pflegt, immer ein Paar zusammen, nämlich eine männliche und eine weibliche Figur, die dann durch eine am Scheitel befestigte Kette miteinander verbunden werden. Diese Ewuana werden unbedingt entweder als Darstellung irgendwelcher Eltern- oder Großelternpaare, oder als Urahnen der dem Gotte Ogun entsprungenen Schmiedefamilien, oder endlich merkwürdigerweise als Symbole des Ogboni in Anspruch genommen. Hinsichtlich letzterer muß allerdings zugegeben werden, daß die Eda-Ogboni und die Ewuana-Ogun sich zum Verwechseln ähnlich sind.Nun berichtet eine Sage, daß der Ogbonibund einst von Schmieden, und zwar von Schmieden aus dem Stamme des Gottes Ogun gegründet worden sei. Also nicht nur, daß die Ogbonileute heute noch die Symbole des Gottes Ogun als ihre eigenen tragen! Wir werden später darauf zurückkommen und zeigen, wie bei vielen höher entwickelten Völkern Westafrikas die Schmiede in alter Zeit die zeremonielle Leitung und Gerichtsbarkeit in Händen gehabt haben. — Also ist sehr wohl anzunehmen, daß die Behauptung, Ogun sei ursprünglich ein Hauptgott aller Orischas gewesen und habe seinen Machtbereich niemals auf einzelne Kreise beschränkt, den Tatsachen entspricht.
Die Speiseverbote (Ewuo) der Nachkommen Oguns sind Hühner und Schlangen.
Anhangsweise möge erwähnt werden, daß der Hauptgott Ogun noch einen andern bedeutungsvollen, wenn auch in der Mythologie wenig hervortretenden Gott in seinem Gefolge hat, den Orischa Ogilion. Dies ist der Gott des Zinngusses, der die Menschen seinerzeit eine besondere Legierung, das Tschinkall, gelehrt hat. —Die große Bedeutung dieser Legende für den Ursprung der Metalliegierungen wird an anderer Stelle dargelegt werden.
Bei einer Stadt Irao, die ziemlich weit weg von Ibadan, in westlicher Richtung gelegen ist, lebte vor längerer Zeit ein sehr, sehr alter Mann in den Farmen. Dieser alte Mann war vom Himmel gekommen und nicht auf der Erde geboren. Dieser sehr alte Mann hatte sehr viele Kinder (will sagen: Nachkommen), die aber nicht
Darstellungen des Gottes "Oko",die linke 22,5, die rechte 21 cm. hoch (col!. L. Frobenius; C. Arriens de!.)
Als er ganz alt geworden war, kamen seine Kinder aus der Stadt und sagten zu ihm: "Du hast es in den Farmen schlecht; komm mit uns in die Stadt. Wir wollen dort gut für dich sorgen". Erst wollte der Alte nicht, dann überredeten sie ihn. Er ging aus der Farm in die Stadt. Er ging an seinem Stock Schritt für Schritt. Er ging langsam, ganz langsam. Wenn er ermüdet war, legte er den Stock zur Seite und hockte nieder, um sich auszuruhen. Er erhob sich, ging ein Stück und ruhte dann wieder aus. Er kam ganz langsam zu der Stadt und dann in das Gehöft seiner Kinder. Er wohnte nun im Gehöft seiner Kinder (will sagen: Nachkommen).
Eines Tages kam ein Mann aus den Farmen, durch die der alte Mann früher immer gewandert war. Er kam in die Stadt und brachte einen Korb Feldfrüchte und Hühner mit. Er fragte die Stadtleute: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Die Stadtleute zeigten ihm das Gehöft. Bald kam ein anderer aus den Farmen mit Geschenken und fragte: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Es kamen immer mehr Leute aus den Farmen, brachten Geschenke und fragten die Stadtleute: "Ist nicht ein ganz alter Mann hier angekommen? Wo wohnt er"? Endlich sagten die Stadtleute untereinander: "Welch merkwürdiger Mann, dem die Farmleute so viel Jamsiasten als Geschenk bringen. Wir wollen ihn auch einmal besuchen". Einige Stadtleute nahmen Geschenke, gingen in das Gehöft und begrüßten den alten Mann. Andere nahmen Geschenke, gingen in das Gehöft und begrüßten den alten Mann. Alle Stadtleute kamen zuletzt mit Geschenken zu dem alten Manne, um ihn zu begrüßen. So ward der alte Mann in der Stadt allgemein verehrt. Eines Tages war der alte Mann aber gestorben. Als man ihn nun begraben wollte, war die Leiche des alten Mannes verschwunden. Es war nur noch der Stock da, auf den er sich immer gestützt hatte. Da brachte man dem Stock die Ehren dar, die man sonst dem alten Manne, das war der Orischa
Öko, erwiesen hätte. Alle Leute jedoch, die aus der Stadt und aus den Farmen kamen, um dem Orischa Öko die Ehren zu erweisen, legten an seinem Platze die Gaben nieder. Und seitdem feiert man ihm alljährlich ein großes Fest, das wird mit vielen Opfern und allerhand Schmausereien begangen. —Das ist die Okolegende der Ibadanleute.Den Nachkommen des Orischa Öko ist es verboten, erstens von einer Schlange zu essen und zweitens neuen Jams, d. h. Ischuegbado zu genießen, ehe das große Fest des Orischa Öko begangen ist. Als würdigstes Opfer für ihn wurde mir hier häufig das Perihuhn genannt. Dargestellt wird die irdische Gestalt oder das Symbol des Orischa Öko stets mit Kaurimuscheln. Zuweilen hängen dicke Stränge davon einfach in einer Nische der Wand, ein anderes Mal sind sie um eine Holzfigur gewunden oder über einen Stock geschlungen oder aber an einem Messer befestigt. Verehrung zollen dem Gotte außer seinem Klan besonders die Farmbesitzer, die von ihm vielfältige Ernte erflehen und erhoffen.
In den Okodienst fällt nun eine sehr interessante Sitte, die volle Beachtung verdient!
Einige Tage vor Beginn der Regenzeit wird im Busch ein Fest gefeiert, welches Odu-Oscha-Arugu (besser Aruru) genannt wird. Zwei priesterliche Persönlichkeiten wachen über den Vollzug der Zeremonien. Die eine ist der Ob genannte Priester, die andere die Jemo genannte Priesterin. Um sieben Uhr abends machen sich alle Frauen und Mädchen, die an dem Feste teilzunehmen wünschen, auf den Weg, um zu der Stelle im Busch zu gehen. Eine jede hat vorzügliches Essen bereitet und ihre besten Kleider angezogen. Sie trägt die Speisen mit in den Busch und nimmt außerdem eine Matte mit. An ihrer Spitze hält die Jemo Einzug auf den Festplatz. Nur solche Frauen gehen zu dem Feste, die sich nach einem Kinde sehnen. Sobald nun die Männer gewahren, daß sich die Weiber auf den Weg gemacht haben, so gehen die, die an solchen tollen Streichen Lust finden, auch dorthin. Der Olopriester führt sie.
Im Busch wird zuerst Feuer angezündet, und es hebt zunächst ein behagliches Essen und Trinken an. Wenn jedermann gesättigt ist, kann sich jeder Bursche auf dem Umwege durch den Ob von der Jemo das Recht zum Beischlafe mit dem Weibe ausbitten, das ihm unter den Anwesenden am meisten zusagt. Und wenn nicht schon ein anderer vorher von dieser Frau eine Zusage erhalten hat, so legen sich diese beiden gemeinsam auf eine Matte. Es herrscht dann Dunkelheit; denn das Fest wird immer in die Zeit absoluter Dunkelheit verlegt. Im übrigen begnügen sich die Leutchen nicht mit diesem einmaligen Genuß; vielmehr vermischen sie sich nachher und bis zum Morgen nach allem Vermögen, aber anscheinend immer so, daß die Priester darum wissen.
Dieses höchst eigentümliche Fest, das im Sudan durchaus nicht vereinzelt ist, soll, wie gesagt, in einem ganz unklaren Zusammenhang mit dem Okodienste stehen. Daß die Periode im Jahre, in die es fällt, eine allgemeine Beziehung zum Ackerbau und der Fruchtbarkeitsförderung anzeigt, ist ziemlich selbstverständlich. Noch bedeutungsvoller wird die Zeremonie durch zwei Angaben, die ich kurz vor Abschluß meines Aufenthalts im Jorubalande erhielt. Erstens sagte mir nämlich ein alter Mann: "Das Fest wird zum Andenken an die Verehelichung Oranjas mit Jemaja gefeiert, aus welcher Verbindung der Hauptgott Schango hervorgegangen ist". Diese Erklärung könnte zunächst als volksetymologische Auslegung der Ähnlichkeit der beiden Namen Oranja und Arugu einerseits, Jemo und Jemaja anderseits angesehen werden.
Größere und gewissermaßen ältere Perspektive gewinnt diese Erklärung aber, wenn man hört, was mir eine alte Jemopriesterin dazu gesagt hat: "Wenn das Fest Osa Arugu nicht gefeiert wird, wird die Ernte ausbleiben, weil es nicht regnen kann". Ich entgegnete ihr, daß doch wahrscheinlich genügend ehelicher Beischlaf geübt würde, um den Ansprüchen der Orischa zu genügen. Da antwortete sie prompt: "Die Göttin Jemaja wurde im Busch unehelich beschlafen; so wurde Schango geboren". Mehr erfuhr ich nicht. Aber im Süden existiert allerdings die Legende, daß Oranja oder Orungan seine Schwester Jemoja oder Jemaja vergewaltigt habe, worauf Schango und die andern Götter geboren wurden. Es scheint mir aus diesem Bruchstück doch die eine Tatsache sich klar erweisen zu lassen, daß ursprünglich zwischen alledem ein fester Zusammenhang bestanden hat, ein so klares Bild, wie es überhaupt von einer Mythologie in unseren Zeiten nur zu erwarten ist. Solch wilder Befruchtungsdienst erinnert stark an die Sitten und Zeremonien, die ich bei den Mmianka und andern Stämmen am oberen Niger kennen lernte.
Nun die Nordjoruben. Bei ihnen wird diese Gottheit als Orisch-Oko oder gar als Oroko angeredet, und hat einen Oberpriester, der als Ja-Osa bezeichnet wird und im Haupttempel zu Rawo nahe Ojo dem Kultus obliegt. Von einem Mitgliede dieser Ja-Osa-Familie erhielt ich folgende Erklärung: "Orischoko war vordem in einem Eialate (d. I ein Pilztermitenhaufen). Es war ein Mann in der Stadt Rawo, der hatte viele Schulden, aber kein Kleid. Er hatte viel verpfändet, aber keinen Wohnraum, er hatte vieles vertan, aber nichts zu essen. Er hatte zuletzt nur noch eine Hacke und ein Grasschneidemesser, und damit ging er in den Busch, weit, weit und immer weiter. Da schlug er an einer Stelle alles Gras ab. Als er das getan hatte, stand in der Mitte nur noch ein Pilztermitenhaufen, in dem Öko lebte. Abends legte der Mann sich zum Schlafen nieder. Als der Mann eingeschlafen war, hörte er jemand sprechen. Der Termitenhaufen
sagte: "Wer ist denn der Mann"? Der Mann richtete sich auf. Er sah niemand. Er sah sich um, aber er sah nichts. Nach einiger Zeit sprach der Eialate wieder. Die Stimme aus dem Eialate sprach: "Komm näher"! Der Mann stand auf und ging näher auf den Eialate zu. Der Eialate sagte: "Was ist dir"? Der Mann sagte: "Ich bin ein Mann aus der Stadt. Ich habe viel Schulden, aber ich habe kein Kleid. Ich habe viele verpfändet, aber ich habe keinen Wohnraum. Ich habe vieles vertan, aber ich habe nichts zu essen. Ich habe nur noch eine Hacke und ein Grasschneidemesser. Damit bin ich hierhergekommen, um hier zu arbeiten". Der Eialate sagte: "Du sollst ein reicher Mann werden". Der Mann sah den Eialate an und dachte: "Wie kann dieser Mann etwas geben, und hat selbst nicht einmal Hände"? (Mit dem Manne ist natürlich der Termitenhaufen gemeint.) Der Eialate sagte: "Ich sehe, was du denkst. Ja, ich will dich zu einem reichen Manne machen. Du darfst aber niemand sonst etwas davon erzählen". Der Mann sagte: "Nein, ich will es niemand sagen". Der Eialate sagte: "Säubere diesen Platz zuerst und dann wird alles andere kommen". Am andern Morgen machte der Mann den Platz sorgfältig sauber. Bei dieser Arbeit fand er einen Knochen, der war wie eine Pfeife (Signaipfeife) zugeschnitten. Es war ein Gesicht darauf. Als es aber Mittag war, stand oben auf dem Eialate eine Schüssel mit Speise. Und als es Abend war, stand wieder eine Schüssel mit Speise darauf. Der Mann aß die Speisen, ohne zu wissen, von wo sie kamen. Am andern Tage war es ebenso. Der Mann arbeitete. Als es Mittag war, stand auf dem Eialate wieder eine Schüssel mit Speise. Und als es Abend war, stand wieder eine Schüssel mit Speise darauf. Der Mann aß die Speise, ohne zu wissen, woher sie kam. Das ging alle Tage so, und dem Manne erging es sehr gut.Als der Mann drei Jahre lang seine Farm um den Eialate gebaut hatte, nahm er eines Tages den Knochen, der wie eine Pfeife geschnitten und auf dem ein Gesicht abgebildet war, und ging damit in eine andere Stadt. In der Stadt suchte er einen Babalawo auf und fragte ihn: "Hier ist ein Knochen; ich weiß nicht, was es mit diesem Knochen ist, kannst du es mir vielleicht sagen"? Der Babalawo sagte: "Ich will einmal sehen". Der Babalawo warf sein Oquelle und sagte: "Der kleine Knochen gehört deinem Farmherrn. Auf deiner Farm muß ein Eialate stehen, lege den Knochen auf den Eialate. Auf dieser Farm pflanze aber alles Gute, was du nur kannst - es wird dir alles geraten. Wenn du deine Farm sonst gut bestellst, wirst du mit Hilfe des Knochens ein reicher Mann werden". Der Mann nahm den Knochen zurück und sagte: "Wie heißt der Knochen, den ich hier habe"? Der Babalawo sagte: "Der Knochen gehört einem Orischa". Der Mann fragte: "Wie heißt denn dieser Orischa"? Der Babalawo sagte: "Der Orischa heißt Orischa Öko". Der Mann ging.
Der Mann ging an seinen Ort zurück. Der Mann bestellte seine Farm und pflanzte soviel er nur konnte. Im nächsten Jahre hatten aber alle Menschen großen Hunger. Auf den meisten Farmen war nichts gewachsen. Daher hatten die meisten Menschen nichts zu essen. Der Jams des Mannes, der seine Farm um den Eialate angelegt hatte, war aber sehr gut geraten. Der Mann hatte sehr vielen und sehr guten Jams. Der Mann ging nun zu dem Eialate, aus dem der Orischa immer zu ihm sprach, und sagte: "Alles, was ich pflanze, ist gut geraten. Was soll ich nun tun? Ich bitte dich, mir das zu sagen". Der Orischa sagte: "Nimm deinen Jams, nimm viel davon, und trage ihn in deine Stadt. Frage dort nach einem Manne, der ihn kaufen kann. Es ist großer Hunger in der Stadt, aus der du kommst". Der Mann packte am andern Tage vielen Jams auf. Der Mann trug ihn in seine Stadt. Der Mann sagte: "Ich habe viel Jams. Ist jemand hier, der meinen Jams kaufen will? Wer will meinen Jams kaufen"? Die Leute kamen sogleich aus den Häusern. Die Leute kauften den Jams. Die Leute bezahlten viel Geld. Die Leute sagten: "Wenn du noch mehr Jams hast, so wollen wir zu deiner Farm kommen und von dort kaufen". Der Mann sagte: "Kommt nur mit mir hinaus". Die Leute kamen mit hinaus zu der Farm des Mannes. Die Leute sagten, als sie ankamen: "Ach, was sind das für Farmen"! Die Leute betrachteten die Farmen. Die Leute sagten: "Wir wollen auch an dem Platze bleiben, wo ein so guter Orischa ist wie der Orischa Öko. Wir wollen auch unsere Farm hier bauen". Viele Leute kamen heraus und legten ihre Farmen um die des Mannes an.
Der Mann verkaufte Saat und Steckfrucht an die Leute. Der Mann ward sehr reich. Der Mann konnte nun in der Stadt alle seine Schulden bezahlen. Der Mann konnte sich schöne Kleider kaufen. Der Mann konnte sich eine schöne, junge Frau kaufen. Nach einiger Zeit schenkte die Frau ihm ein Kind. Das Kind war ein Knabe. Der Knabe konnte aber lange Zeit nicht gehen. Es war ein Kind, das nicht aufstehen konnte. Der Mann ging aber wieder in die Stadt, in der der Babalawo war. Der Mann fragte den Babalawo: "Was soll ich machen? Ich habe ein Kind geboren, aber das Kind kann nicht aufstehen. Was soll ich tun"? Der Babalawo warf sein Oquelle und sagte: "Mache dir einen eisernen Stock (dieser wird Oqua Osoko genannt) und gehe mit dem Stock zum Orischa Öko. Frage Orischa Öko, was es damit sei, daß der Knabe nicht gehen kann". Der Mann ging wieder zurück. Der Mann ließ sich vom Schmiede einen eisernen Stock machen und sagte: "Ich will nun zu meinem Alledjennu gehen". Der Mann ging nun zu dem Eialate und sagte: "Mein Alledjennu! Mein Knabe ist nun schon lange geboren. Aber mein Knabe kann nicht gehen. Was soll ich tun"? Der Orischa antwortete aus dem Eialate: "Gib dem Knaben den eisernen Stock in die Hand.
Wenn der Knabe ihn acht Tage in der Hand hat, wird er gehen können". Der Mann tat es. Der Mann gab dem Knaben den eisernen Stock in die Hand. Nachdem der Junge den Stock acht Tage in der Hand gehabt hatte, konnte er gehen.Da ging der Mann wieder zu dem Eialate und sagte: "Mein Alled. jennu! Du hast mich zu einem reichen Manne gemacht. Ich möchte nun aber in die Stadt gehen". Der Orischa sagte: "Gut, gehe in die Stadt zurück. Ich will dir aber etwas geben, damit du mich nicht vergessen kannst". Der Orischa gab dem Manne darauf Kola (d. h. Bitterkola!). Der Orischa sagte: "Schneide die Kola zurecht. Iß sie aber nicht. Hebe die vier Stücke wohl auf. (Die Kola wird zu diesem Zwecke so geschnitten, daß zuerst winkeirecht zur Längsachse die beiden Enden abgeschnitten und entfernt, der Rest der Nuß danach ihrer natürlichen Beschaffenheit zufolge in zwei Teile gespaltet wird.) Wenn du nun mit mir zu sprechen wünschest, kannst du mich stets finden. Ich will aber nicht, daß du mich als Alledjennu verehrst. Rede mich nur mit meinem Namen ,Osoko' an"! — Der Mann nahm den Knochen, der wie eine Pfeife war und ein Gesicht hatte. Der Mann nahm den Stock aus Eisen und die vier Kolastücke und ging damit in die Stadt zurück. In der Stadt machte der Mann sein Haus zurecht. Dann rief er Osoko und fragte: "Was soll ich denn jetzt tun"? Osoko sagte: "Binde an den Knochen lange Schnüre aus Kaurimuscheln, bringe dann den Knochen an der Wand an, so daß die Kaurischnüre herabfallen. Lege die vier Kolastücke in eine Kalebasse und stelle den Eisenstab an die Wand. Wenn du nun etwas wissen willst, so wirf die vier Kolastücke. Jedesmal, wenn der Jams reif ist, gehe in den Busch und fange ein lebendiges Perihuhn. Dieses Perlhuhn mitsamt Palmöl und einem Jamsknollen bringe dann zu mir. Du selbst darfst aber in keinem Falle von den Jamsknollen eher essen, als die andern Leute, die nichts mit mir zu tun gehabt haben, davon genießen werden. Wenn die andern Leute, die nichts mit mir zu tun haben (die also keine Omoschoko sind), schon drei Monate lang von dem neuen Jams essen, erst dann darfst du und dürfen deine Nachkommen etwas davon essen. Nach Ablauf dieser drei Monate sollst du aber mit deiner Familie von meinem neuen Jams genießen. Mit dem Ebo (Opfer) verfahre aber so: Schneide den Jamsknollen ebenso zurecht, wie du die beiden Bitterkola für mich hergerichtet hast. Schneide ihm also oben und unten die Spitze ab und schneide den Rest der Länge nach in zwei Stücke, so daß alles zusammen vier Stücke sind. Nimm die beiden Mittelstücke, nimm Öl und lege sie mit in die Kalebasse, in der die vier Kolastücke aufbewahrt werden. Dann erbitte dir von mir, was du dir in diesem Jahre wünschest, und was dir in diesem Jahr notwendig erscheint. Nachdem nimm die beiden Spitzenstücke, die du oben und unten von
dem Jams abgeschnitten hast, und koche diese in Öl. Du sollst nun in Zukunft mein Ja-Osa sein, und nach dir sollen es deine Kinder werden. Jeder Mann aber, der mir zu opfern gedenkt und mein Nachkomme werden will, soll dieses Jamsopfer verrichten und soll die in Öl getauchte Jamsspitze in das Haus des Ja-Osa bringen. Einen Teil von jedem solchen Opfer soll der Ja-Osa auf die Schale legen, in der schon die vier Kolastücke liegen. Einen Teil (von diesem Jamsopfer, aber von sonst keinem jungen Jams) soll die Ja-Osa-Familie verzehren. Alle aber, die mir opfern, sollen erst drei Monate, nachdem sie diese Gaben im Hause des Ja-Osa niedergelegt haben, mit ihrer Familie von dem neuen Jams essen. Der Ja-Osa soll das Perihuhn am Erstlingsopfertage über der Kalebasse mit der Kola richten, das Blut über die Kolastücke fließen lassen und die Kolastücke mit dem Blute mischen. Der Ja-Osa soll eine Feder aus dem geschlachteten Perihuhn ziehen und soll sie in den Mund der Knochenfigur, von der die Kaurimuscheln herabhängen, stecken. Danach soll alles trommeln und tanzen. Jeder aber, der ein Kind wünscht, ob er nun mein Kind (Nachkomme) ist oder nicht, der kann an diesem Opfertage zu dem Ja-Osa nach Rawo kommen und mich in dieser Zeit mit Opfern um Kinder bitten. Jedes Kind aber, das nach solchen Opfern und Bitten geboren wird, muß dann jedes Jahr sein Ebo (gleich Opfer, in diesem Falle das Jahresopfer) mir darbringen, denn es ist mein Kind, ganz gleichgültig, ob der Vater schon mein Kind war oder nicht".Hiermit schließt die Tradition. Zu dieser Erzählung des Mannes, des derzeitigen Ja-Osa von Rawo, ist nun noch folgendes zu bemerken:
Wer nach Rawo zum Opfern geht, dem werden mit einem Tuche die Augen verbunden. Das Ewuo, das Enthaltungsgebot dieser Anhänger des Ackergottes besteht darin, daß die Leute die ersten drei Monate hindurch keinen jungen Jams essen dürfen. Das Ewuo soll so streng durchgeführt werden, daß es den Anhängern dieses Kultes überhaupt verboten ist, den jungen Jams zu brechen oder zu sehen. Andere Leute müssen für die Okoanhänger den Jams aus den Farmen nehmen. Im allgemeinen nähren die Okoanhänger sich in den drei Monaten der Enthaltungszeit von Sorghum. Sollte es nun aber doch geschehen, daß ein Nachkomme Okos durch Zufall jungen Jams sieht, so muß er schnell in das Heiligtum des Gottes gehen, muß über die vier Kolastücke Wasser gießen, muß mit diesem Wasser sich die Augen waschen und den Gott bitten, ihm diesen Anblick zu verzeihen und ihn nicht blind zu machen.
Anders aber ist der Okodienst bei den Joruben nahe Jebba. Dort gilt Öko nicht als großer Orischa, wenn er auch eine sehr zahlreiche Anhängerschaft hat und sich auch viel Leute als seine Kinder (Nachkommen)
betrachten. Im allgemeinen haben diese Nordjoruben für das Jamsopfer am Wege zur Farm (Farm =Öko) unter den großen Bäumen ihre Opferstelle. Um den Stamm des alten Baumes ist dann ein Band geschlungen, so wie man es im Sudan, zumal im Mossilande, häufig sieht. Unter diesem Baume wird dann das Aquako genannte Opfer dargebracht, und zwar auch hier zur Zeit, wenn der neue Jams aufgenommen wird. Dann zieht die Anhängerschaft mit einem Trommler, der die drei- bis vierfüßige Ageretrommel schlägt, und mit sechs Früchten des Agaubaumes, die als Würfel dienen, auf den Aquakoplatz. Es wird geopfert und durch Würfeln die Prognose vom glücklichen oder schlechten Verlauf des nächsten Jahres gewonnen. Wie sonst kommt es auch hierbei darauf an, ob die Frucht mit der konvexen Seite (geschlossen =~) oder mit der konkaven Ausfiachung (offen =~) nach oben fallen. Es gilt:wenn zwei geschlossen ~ vier offen ~ für gut und es wird dann ein weißer Hahn und Wasser geopfert; wenn drei geschlossen ~ und drei offen ~ für schlecht, dann fragt der Priester, ob der Orischa einen Widder oder aber einen Ziegenbock als Sühnopfer genießt; wenn vier ~geschlossen und zwei offen ~für gut, dann gibt man aber gern reiche Opfer; wenn fünf geschlossen ~ und eine offen fur sehr wenn eine geschlossen ~ und fünf offen ~ für sehr schlecht, dann muß auf jede Weise eine Sühne mit der Gottheit erreicht werden; wenn sechs - _ _ _ ——geschlossen _____ __ > so gilt das aber für sehr gut, wenn sechs ~ — — —offen vielleicht das letztere noch besser als das erstere. Jedenfalls erkennt man aus diesem Würfelfall, daß die Gottheit keinerlei Opfer begehrt, und damit ist der Jorube natürlich sehr zufrieden. |
Die Würfelablesung ist also hier eine andere als anderweitig. Bei schlechtem Falle sind Huhn oder Ziegenbock als Sühnopfer darzubringen. Nach dem Würfeln wird geschlachtet und gekocht und Bier getrunken. Für Sorghum wird kein Opfer bereitet.
In diesem Okokultus sehen wir offenbar eine Verehrungsform, die mit der Verbreitung der Jamsknollen in Verbindung steht und sich in keiner Weise um die Ernte der Körnerfrüchte, vor allen Dingen des Sorghums kümmert. Es ist also eine typische westafrikanische Verehrungsform. Sehr interessant ist gerade in der letzten Legende die scharf und klar ausgesprochene Kultusverordnung. Fast klingt es hier so, als ob einige Sätze des "Alten Testaments"umgeschrieben wären. Und zumal die Erklärung am Schlusse der Gesetzverordnung derzufolge sich ein jeder den Gott Öko als Stammvater erwählen
kann, gemahnt außerordentlich an die Erzählungen des "Alten Testaments", in denen die Gotteskindschaft durch Kultus und Verehrung erworben werden kann.
8. Kapitel: Die Schar der Götter
Die Zahl der Götter Jorubas ist in Wahrheit grenzenlos, da täglich Neubildungen entstehen und Altgötter neu benamst werden können. Ich habe das in dem Kapitel über die heilige Stadt Ife dargelegt. In Wahrheit bedeutet dieser starke Stoffwechsel natürlich Beschleunigung des Verfalls, der aber anderseits wieder durch ganz klare mythologische Dogmen aufgehalten wird. Die klipp und klare Erklärung aller gelehrten Joruben geht nämlich dahin, daß es im ganzen sechshundert Götter gebe, von denen zweihundert zur rechten Seite und vierhundert zur linken Seite hausen und in dieser Richtung verehrt werden.
Hier nun möge in der Schilderung von einigen weniger ansehnlichen Göttern noch weiteres Material zur Beurteilung lebendiger Bildung der Jorubamythologie geboten werden.
Orun, der Gott der Sonne. — Der Sonnengott Orun ist im ganzen Jorubalande eine der Verehrung nach aussterbende Gottheit. Ich erhielt von den Nordjoruben eine Legende, die das so recht deutlich zeigt. Viele junge Leute derselben Familie waren einmal gemeinsam auf der Jagd hinter Antilopen her. Sie vermochten aber kein Tier zu erlegen. Sie hatten sonst immer Jagderfolg, indem sie die Antilopen nicht mit Pfeil und Bogen erlegten, sondern indem sie mit Holz nach ihnen warfen. An diesem Tage hatten sie keinen Erfolg. Als sie nun wieder durch den Busch strichen, kamen sie auf einen großen freien Platz. Der Platz war kreisrund und er war sauber und reinlich. Es war kein Messer dazu verwendet worden, ihn zu reinigen. Er war aber ganz sauber. In der Mitte war ein großer leuchtender Gegenstand. Dieser strahlte, und als die Menschen das sahen, wurden sie von Furcht gepackt und liefen, so schnell sie konnten, von dannen.
Die Burschen liefen nach Hause und erzählten ihren Vätern, was sie gesehen hätten. Die aber kamen zusammen, hörten die Burschen an und sagten: "Was das ist, wissen wir nicht. Es muß jemand zum Babalawo gehen." Es ging also ein Vater zum Babalawo und sagte dem alles. Der Babalawo sagte: "Ich habe diese Sache nun gehört und werde das Oquelle werfen". Nachdem der Babalawo das Oquelle geworfen hatte, sagte er: "Ihr alle seid von einer Familie. Ihr seid Omo-Orun, ihr seid Kinder Oruns. Eure Alten aber haben Orun Opfer dargebracht. Ihr aber habt ihm kein Opfer dargebracht. Deshalb ist Orun den Burschen im Busch begegnet und hat sich ihnen
so gezeigt. Orun will, daß ihr ihm wieder anhängt. Ihr sollt ihm wieder, wie im Altertume, Opfer bringen". Die Leute fragten: "Wie ward das in alter Zeit gehalten"? Der Babalawo sagte: "Zunächst müßt ihr Asche nehmen. Mit Asche müßt ihr einen großen Kreis streuen. (Es ist das ein Kreis in Bandform, der ungefähr eineinhalb Meter im Durchmesser hat.) In die Mitte des Kreises müßt ihr dann einen kleinen Haufen von Asche tun, und dahinein müßt ihr dann ein Ei werfen und eine große Schnecke setzen. Dann nehmt eine Kolanuß und zerbrecht sie in vier Teile. Einen Abschnitt legt in die Mitte, zu dem Ei und der Schnecke. Die andern drei Abschnitte werft in den Kreis. Fallen zwei gedeckt (d. h. mit der konvexen Seite nach oben) und eine offen (d. h. mit der konkaven Seite nach oben), so ist das ein gutes Zeichen. In dem Aschenkreis macht dann euer Opfer wie für Orun".Im Anschluß an diese Orunlegende mag eine Notiz Aufnahme finden, die ich bezüglich der Resse empfing.
Skarabäusdienst der Resse*. Die Resse verehren den Jimijimi genannten Mistkäfer in einer eigenartigen Weise. Sie sagen, daß sich dieser Orischa -denn ein solcher ist Jimijimi -, ihnen einmal als Wegweiser geoffenbart hätte. Als irgendein Stammvater einmal auf der Flucht vor fremden Leuten, die er angegriffen hatte, mit seinen Leuten zusammen den Weg verloren hatte, kam er an eine Stelle, wo der Weg sich kreuzte (Kreuzweg =Jiana). Sie wußten
Die angesehenen Verehrer und Priester Orischa Jimijimis heißen Olosajanna. Wenn ein angesehener Mann vordem in Ssare starb, dann wurde ihm ein großer Holzsarg, ein Boschi, geschnitzt. Ehe der Tote darin Aufnahme fand, wurde von allen Tieren dahineingeopfert, vor allem aber ein Jimijimi und ein Ekulo (ein Regenwurm) beigefügt. Außerdem mußte die Tochter des Toten reichlich Ekulos ansammeln. Sie mußte sie mit Palmöl kochen. Sie mußte das Regenwurmgericht kochen, sonst müßte sie selbst sterben, so sagt man.
Sehr eigenartig nun ist es, daß Jimijimi in einem gewissen Zusammenhang mit dem Schankpannadienste stehen muß. Jedes Jahr zu Beginn der Erntezeit suchen die Ssareleute einen Jimijimi im Busch zu fangen. Den hängen sie dann mit Mai (d. I im Haussas Jero, wohl Panicum) zusammen im Hause auf. Das ist ein Amulett, das Fruchtbarkeit verleiht und auch vor Übel schützt. Wenn es den Leuten nämlich nicht gelang, einen Jimijimi zu fangen, dann können sie am Ende der Ernte auch nicht Schankpanna opfern oder aber sie sind gewiß, in der kommenden Zeit arg von Pocken heimgesucht zu werden. Deshalb muß Jimjimi im Kreise Schankpannas Aufnahme finden und in der Tat hörte ich, daß in den Haussaländern, aus denen der Schankpannadienst kommen muß, auch dem Bususu (= Mistkäfer I Haussa) eine bestimmte Verehrung gezollt wird. (Bususu oder Bususu Maiwari.)
Verschiedene Kultusgeräte.Unten: tönerner Stuhl des Gottes Okun; rechts oben: eiserne Blitzschlange (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Osun. — Osun ist eine Göttin, die in dem Flusse Osun wohnt und in Ibadan und allen andern nahe dem Flusse gelegenen Ortschaften eine ganz spezielle Verehrung erfährt. Vater der Göttin war Oba Djumu (der Häuptling von Djumu), Mutter Oba-Do (die Herrin von Do). Von den Ereignissen ihrer Lebenszeit konnte ich nichts weiteres erfahren, doch wurde mir gesagt, daß sie nach ihrem Tode eben den Fluß Osun als bevorzugten Aufenthaltsort aufgesucht hat.
Wie allen Göttern, wird der Göttin Osun alle vierzehn Monate (also einmal im Jahre) ein Fest gefeiert, welches den Namen Ibo-osun oder Ibosun führt. Erst wird sehr viel Jams gegessen und dann getanzt und getrommelt. Bei diesem Tanze pflegt dann Osun sich eine der anwesenden Frauen auszuwählen, um in ihr zur Inspiration zeitweiligen Aufenthalt zu nehmen. Solcher Art ausgezeichnete Weiber erhalten dann besondere Namen, von denen einige wichtigere hier wieder gegeben werden mögen.
Osun Djinni = etwa: Osun gibt mir. Osun Leje = etwa: Osuns freie Gabe. Osun Kega = eine Frau, die kinderlos alt wird, so daß die Leute sie verspotten, pflegt sich kurz vor Tores Schluß noch an die Göttin Osun zu wenden, sie mit Bitten und Flehen anzugehen und ihr reiche Geschenke zu versprechen. Wird ihr Wunsch nun erfüllt, so daß sie trotz ihres Alters noch konzipiert, so nennt man sie eine Kega. Osun Tola = Tola ist eigentlich eine Sache, die man ersehnt, bis man ihrer teilhaftig wird. Wir werden aber gleich sehen, daß man mit Tola alle Priesterinnen dieser Göttin bezeichnet. |
Wenn nun eine solche Inspiration erfolgt ist und die Göttin derart aus einem der Weiber spricht, so wendet sich jeder, der irgendwie krank oder leidend, oder von besonderer Sorge behaftet ist, an die inspirierte Frau, trägt ihr, niederfallend und sie verehrend seine Sache vor und erhofft den erlösenden Ratschlag. Es sind anscheinend immer Frauen, die sich an die Inspirierte wenden. Wenn die große Konsultation vorüber ist, schließt das Fest ab.
Aber nicht nur in der Festzeit ist die Göttin Osun hilfsbereit. Das ganze Jahr hindurch nimmt sie Gesuche gnädig entgegen, und viele pilgern jahraus, jahrein zu den Ufern des Flusses. Die Priesterin, die sogenannte Tola (siehe oben) waltet dann ihres Amtes. Die bittende Person pflanzt einen Stab ans Ufer in die Erde. Die Tola aber opfert Taube (Ejele), Schaf oder Hühner, viele Kola, und vor allen Dingen Maisbier (segete). Dagegen ist den Klanmitgliedern, den Nachkommen der Göttin, als Ewuo verboten: I Schnecken (Igui), 2. Sor ghumbier (Oti-oka) und 3. Bohnen (Bere), so daß solche Gerichte
auch als Opfer nicht der Göttin geboten werden dürfen. — Bei den Tänzen preist das Volk Osun mit den Worten Oreje-Jeo in vielfachen Wiederholungen.Die Göttin Osun soll zu Lebzeiten schon sehr wilifährig gewesen sein, auch in sehr privaten Dingen. Einige behaupten, sie habe einige Zeit mit Oschalla, andere, sie habe mit Schango gelebt. Jedenfalls war sie nach mehreren Angaben, immer geneigt zu gewähren, und diese Eigenart hat sie als Göttin gewahrt. Die Göttin gibt gern und gut, lindert und hebt alle Mängel und Unbilden. Deshalb ist sie eine der meist umworbenen Gottheiten und nicht nur ihr Klan, ihre Nachkommenschaft, fleht hoffend zu ihr.
Nicht ganz im Einklang mit diesen durchaus weiblichen Eigentümlichkeiten steht das auffallendste Kultusgerät dieser hohen Frau. Man findet vor ihren Altären außer der gleich zu besprechenden Tonschale, Bogen und Pfeile, große Kriegsmesser, die aus den Spannmesserformen zu stammen scheinen, mehrzinkige Speere. Diese Waffen sollen bei den großen Festen in die Flußufer gesteckt werden. In der Mitte jedes Altares finden wir aber regelmäßig eine runde flache Tonschale, stets bedeckt, im Innern mit kleinen Scheidewänden in Abteilungen gegliedert. Darin liegen als Symbol der Göttin einige im Bett des Osun aufgesammelte Kiesel. Dann sah ich mehrfach ein mich sehr interessierendes Gerät in Osuntempeln, einen Frauenhocker, fast einem umgekehrten Topf gleichend, in der Mitte oben mit einem Loch versehen. Ganz ähnliche kleine Tonhocker sah ich seiner Zeit bei den Soroko-Bossoweibern am oberen Niger, oberhalb Timbuktus. Hier soll er der heilige Sessel der Tola, der Priesterin sein.
Sehr auffallend ist die Bevorzugung aller Gelbgußarbeiten im Kultus. Von den Gelbgußwaffen sprach ich schon. Aber alle Osunsprossen pflegen Armringe aus Gelbguß zu tragen, besonders die kleinen Kinder, so daß unbedingt darauf geschlossen werden muß, daß der Kultus dieser Göttin mit diesem uns so interessanten Material in einem ganz bestimmten Zusammenhang stehen muß. Weiterhin sei bemerkt, daß neben den Altären der Göttin Osun fast stets kleine Enjille oder hie-Eisen vom Ossenjtypus im Boden stecken. —
was ich an ethnologischen Notizen sammeln konnte, wurde mir oftmals gesagt, es gäbe in Südtogo zwei starke Gewalten göttlicher Natur. Ihre Benennung ist bei den verschiedenen Stämmen die folgende: Haussa, Madjuro; Kotokolli, Sua; in Atakpame, Enge; Ewe, Tro; das ist nichts anderes als Orischa im Joruba und Kuti in Nupe. Der eine dieser Suas sei "Dadume" in der Dumestadt (Dahomeygrenze), der andere aber wohne auf dem Wege von Bassari nach Kratschi, und zwar auf dem Berge Babambure. Dieser zweite hieße: Buruku. Und es gebe keine Gewalt, die besser Kinder geben könne als Buruku, zu dem viele Frauen alljährlich mit Ziegen, der Häuptling von Atakpame aber mit einer Kuh walifahrte, alle immer und immer wieder bittend um Nachkommenschaft. Das weitere, zumal Soziale, muß ich der Arbeit über Togo überlassen. Wir freuen uns, einmal einen Orischaklan bis zu so entfernter Quelle verfolgen zu können.
Die Priesterin Burukus in Ibadan fuhr in ihrem Bericht nun folgendermaßen fort: Buruku ist ein Orischa, der viele Kinder hatte, die ihn heute verehren. Buruku sorgt für Verbesserung aller Geschäfte, vor allen Dingen aber für Kindersegen. Es kommen nicht nur Burukuleute mit allen solchen Bitten, sondern auch die Nachkommen anderer Götter. Wenn eine Frau vergebens auf Nachkommenschaft wartet, geht sie mit grünen jungen Blättern zum Burukuhause. Sie reibt damit den Raum, in dem die Gottheit wohnt, sehr sauber. Der Raum heißt (wie jede Götterwohnstätte) hie also Ille Buruku. Die Frau bringt allerhand Opfergaben, Hühner, Ziegen, jede Art Tier bis auf Rindvieh (siehe dagegen das Opfer des Atakpamehäuptlings) und Schafbock (= Agbo). Der Schafbock ist ihr in den Jorubaländern anscheinend ebenso verhaßt, wie mir das in Togo einmal gesagt wurde. Ferner liebt die Göttin (denn Buruku wird hier ausgesprochenermaßen als weibliche Gottheit bezeichnet!) Kauri und ähnliche kleine Gaben. Kinder, die auf solche Opfer bei Buruku hin geboren werden, bekommen Namen, die mit Nana zusammengesetzt werden. Ich erhielt an solchen Namen:
Nana Fumike = etwa: Nana gab das Kind freiwillig. Nana Kenu = etwa: Nana sorgt für mich. Nana Toki = etwa: Nana zu Dank verpflichtet. Nana Toibo '1 Nana tokung j = etwa: als die Frau das Kind ersehnte, gab es Buruku. Nana Sonja etwa: Nana ist dafür verantwortlich, daß die Mutter ein Kind bekommt. |
Wenn die sehnende Frau mit der Priesterin das erstemal spricht, den Tempel reinigt und das Opfer darbringt, werden zwischen beiden Frauen gleich alle Abmachungen getroffen, die gelübdeartig das Leben des erhofften Sprossen, wenn er erscheint, durchdringen und
durchziehen. Am häufigsten ist natürlich das Gelübde, daß das Kind sein Leben lang außer dem Ewuo seines Klanes noch die Verpflichtung übernimmt, nie vom Rind und Schafbock zu essen. Aber das ist keine absolute Notwendigkeit. Es kann auch nur ein weniger hartes Versprechen von seiten der Mutter übernommen werden. Anderseits kann die Mutter eventuell auch für sich selbst ein solches Gelübde übernehmen. — Sicher ist, daß das so gewonnene Kind im späteren Leben seine Verehrung zwischen dem angestammten Orischa seines Klanes und der segnenden Fee Buruku zuteilen hat. Ebenso, daß z. B. ein solches Kind, auch wenn es ein Omo Schango, Omo Oschalla, Omo Schankpanna oder sonst ein anderer Sippenzugehöriger ist, sich nie mit einem richtigen Omo Buruku, einem Nachkommen aus dem Klan der Göttin Buruku, geschlechtlich einlassen darf.Interessant ist, daß als spezielle Eigenart der Burukuleute, ihre große Ehrlichkeit mehrfach gepriesen wird. Die Göttin fordert einen unbedingt ehrlichen Lebenswandel und das wird soweit übertrieben, daß ein Burukukind in einem fremden Hause weder etwas nehmen noch als geschenkt annehmen darf.
Interessant ist noch eine andere Kleinigkeit: Die Burukuleute dürfen zum Ziegenschlachten -Ziege scheint Hauptopfer zu sein - nur ein Messer nehmen, das nicht aus einem gewöhnlichen, sondern aus einem ganz besonderen Holze (Efa oder Pampru) geschnitzt ist. Das hat seinen Grund in einem Streit, der einst zwischen Ogun und Buruku ausbrach und der irgendeine Prioritätsfrage zum Ausgangspunkt hatte. Ferner wird gesagt, daß Ossenj den Leuten gezeigt habe, wie sie die Ziege dem Gotte mit in die Banga gehaltenem Kopfe weihen müssen, so daß das Tier von selbst stirbt und eben nur ein Holzmesser zum Aufteilen vonnöten ist. — So tritt also wieder Ossenj, die magische Kraft der Schamanen, vermittelnd im Kultus auch dieses Gottes auf.
Nachher ging Ogillon dann in die Erde., Er bringt das Blei oder Zinn (odje) für die Schmiede hervor. Daher verehren ihn die Schmiede. Sie pflegen ihm Ziegen, Jams, Agidi (Eko), Schnecken zu opfern
und schlachten ihm sogar Kühe (malu). Sie bitten ihn, ihnen Geld, Kinder und alles, was ihnen sonst fehlt, zu geben. Wenn die Wünsche erfüllt werden, bringen sie wieder Opfer an Hühnern, Pairnwein usw. dar und danken ihm. Sein Priester heißt Alfa, ein Wort, das aber keinerlei Beziehung zu der Bezeichnung für "Mohammedaner" haben soll. Der Alfa versammelt gegebenen Falles Trommler und viel Volk, bindet Metallringe um den Arm und läßt tanzen. Alljährlich werden von den Schmieden Ogillon während dreier Monate Tanzfestlichkeiten veranstaltet. Es ist das im Anfange der Regenzeit. Zeichen der Priesterwürde dieses Alfa Ogillon ist ein weißer Turban. Ein Tempel für Ogillon existiert nicht.Wir haben es hier überhaupt nicht mit einem richtigen Orischa im Sinne des sozial-religiösen Systems zu tun, sondern mit einer verhältnismäßig unbedeutenden Nebenverehrung.
Der Ursprung der recht zahlreichen Nachkommenschaft ist in der Stadtgemeinde Logu zu suchen, aus der später Orischa in den Fluß zog. Das Ewo oder Ewuo seiner Nachkommen ist Eri, der Elefant. Kinder tragen, um ihre Zugehörigkeit zum Klan zu beweisen, eiserne Armbänder, wie überhaupt alles Jägerische als Lebenssymptom und alles Eisen als sein Bevorzugtes gilt. Die Namen der unter seinem besonderen Wohlwollen und auf Fürbitte bei ihm hin geborenen Kinder sind:
Ode-inde = d. h. etwa: Jäger, der ihn besucht. Ode-bumi = d. h. etwa: als Jäger gab er sein Geschenk (das ist das Kind). Omisaja = d. h. etwa: das Wasser hat ihr wieder bezahlt (nämlich was vorher als ein Opfer dargebracht wurde). |
An Opfern für die Gottheit sind bevorzugt: Hahn, Ziegenbock, Kolanüsse, viele Getränke, auch der Schafbock, also männliches Getier. Verboten ist: Pferdefleisch und Palmwein. Repräsentiert wird die Gottheit ähnlich Osun durch eine Schale mit Kieselsteinen aus dem Enjilleflusse. Das aber, was uns an diesem Gottesdienste am auffallendsten erscheint, ist das eiserne kleine Gebilde von fünfzehn bis fünfzig Zentimeter Höhe, das vom Gotte Enjille seinen Namen erhalten haben soll und in vielfältiger Vertretung in andern Kultusformen Aufnahme gefunden hat. Es ist das eine Art kleiner, man möchte sagen Kandelaber, auf dessen Spitzen Vögelchen angeschmiedet sind, oft sehr zierlich, oft sehr roh. Man findet sie in jeder Stufe der Vollendung an außerordentlich vielen Kultusplätzen aufgestellt.
Das Volk nennt diese kleinen Eisenständer, die wir ja als hochgewachsene Exemplare schon oben bei der Beschreibung des Kultusgerätes Ifas kennen lernten, Enjille oder Ille und schreibt ihre Herkunft dem Gotte Enjille zu. Es ist aber durchaus möglich, das dies eine Volksetymologie ist. hie heißt an sich einfach Haus, Wohnung eines Gottes. Das Wort scheint keineswegs eine Abwandlung des Namens Enjille. Außerdem ist derjenige, der die hlleeisen ausgibt, verbreitet, zur Verteilung bringt, der Ada-usche, der Schamane, der zu dem Orischa Enjille keinerlei andere Beziehung zu haben scheint als zu irgendeinem andern Orischa. Die Beziehung der Enjilleeisen zu dem Orischa Enjille scheint mir also eine künstliche, und vorsichtigerweise wird man diese Kandelabereisen zunächst als hie bezeichnen. Immerhin trat durch diese anscheinend unmotivierte Volksetymologie der Orischa Enjille im nördlichen Joruba eine große Verbreitung im Volksinteresse gefunden.
In alter, alter Zeit kamen die Elefanten (Aerri[n]) auf den Markt, und zwar meistens auf die Landmärkte. Sie legten im Busch, ehe sie kamen, ihre Haut ab und traten dann als Menschen heraus. Es waren das sehr große Leute, die in weiße Stoffe gehüllt waren. Hatten sie ihr Marktgeschäft vollendet, so kehrten sie in den Busch zurück, legten ihre Haut an und liefen als Elefanten wieder von dannen.
Eines Tages nun sah eine Frau auf dem Markte einen solchen
sehr großen weißgekleideten Mann. Die Frau sagte zu dem Manne: "Ich will mit dir dahingehen, wo du zu Hause bist". Der Mann sagte: "Das ist nur dann möglich, wenn du mich heiraten und meine Frau werden willst". Die Frau sagte: "Das will ich. Ich will als deine Frau bei dir bleiben". Der Mann sagte: "Laß es! Tue es nicht"! Die Frau sagte: "Ich will deine Frau werden". Der Mann sagte: "Dann komm mit"!Der Mann ging. Die Frau folgte ihm. Der Mann kam in den Busch. Der Mann sagte zu der Frau: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück". Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren; ich will deine Frau werden"! Der Mann ging in den Busch. Die Frau folgte ihm in den Busch. Als sie weit im Busch gegangen waren, sagte der Mann: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück"! Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren, ich will deine Frau werden"! Der Mann ging weiter in den Busch hin. Die Frau folgte ihm immer weiter. Als sie an die Stelle kamen, wo der Mann seine Elefantenhaut abgelegt hatte, sagte er zu der Frau: "Ich rate dir, kehre wieder nach Hause zurück"! Die Frau sagte: "Ich will nicht zurückkehren; ich will deine Frau werden"!
Darauf nahm der Mann seine Elefantenhaut wieder um. Der Mann war nun wieder ein Elefant. Der Elefant hob seinen Rüssel (= Enjerri) auf, um die Frau zu fangen. Die Frau erschrak. Sie wandte sich um und lief fort. Die Frau lief so schnell sie konnte wieder ihrem Heimatsorte zu. Die Frau kam an ihrem Orte an und sagte zu dem Olodja (die Olodja waren die Marktschulzen der alten Märchenzeit, so wie die Mesi die Könige, die Olodumare die Göttlichen damals waren. Vor den Mesis gab es aber Olodjas, das sind die Dorfschulzen): "Ich sah einen großen Mann in einem weißen Kleide auf dem Markte. Ich wollte ihn heiraten. Ich ging mit ihm. Er sagte, ich solle nicht mit ihm gehen. Ich ging doch mit ihm. Im Busch nahm der Mann eine Elefantenhaut um. Er war ein Elefant. Er hob den Rüssel auf, um mich zu packen. Ich lief fort".
Der Olodja rief fünf Männer und sagte: "Sucht auf dem Markte den großen Mann mit dem weißen Kleide. Macht mit ihm Freundschaft und bringt ihn hierher". Die fünf Männer gingen auf den Markt. Auf dem Markte trafen sie den großen Mann in der weißen Kleidung. Die Männer machten mit dem großen Manne Freundschaft. Die Männer sagten zu dem großen Manne: "Wir wollen mit dir in dein Dorf gehen". Der große Mann sagte: "Ich rate euch, laßt es"! Die Männer sagten: "Wir wollen aber doch mit dir gehen"! Der große Mann sagte: "Dann kommt mit".
Der große Mann ging. Die fünf Männer folgten ihm. Der große Mann kam in den Busch. Der große Mann sagte zu den Männern: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück"! Die Männer sagten:
"Wir wollen nicht nach Hause zurückkehren. Wir wollen als deine Freunde mit dir gehen"! Der große Mann ging in den Busch. Die Männer folgten ihm in den Busch. Als sie weit im Busch gegangen waren, sagte der große Mann: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück"! Die Männer sagten: "Wir wollen nicht zurückkehren, wir wollen als deine Freunde mit dir gehen"! Der große Mann ging weiter in den Busch hinein. Die fünf Männer folgten ihm immer weiter nach. Als sie zu der Stelle kamen, wo der große Mann seine Elefantenhaut abgelegt hatte, sagte er zu den Männern: "Ich rate euch, kehrt wieder nach Hause zurück". Die Männer sagten: "Wir wollen nicht zurückkehren. Wir wollen als deine Freunde mit dir gehen".Darauf nahm der große Mann seine Elefantenhaut wieder um. Der große Mann war nun wieder ein Elefant. Der Elefant hob den Rüssel auf, um die Männer zu fangen. Die Männer erschraken. Sie wandten sich um und liefen fort. Die Männer liefen so schnell sie konnten wieder ihrem Heimatsorte zu. Die Männer kamen in ihrem Heimatsorte an und sagten zu ihrem Olodja: "Wir haben den großen Mann in dem weißen Kleide auf dem Markte gesehen. Wir haben mit ihm Freundschaft gemacht. Wir wollten mit ihm in sein Dorf gehen. Der große Mann sagte, wir sollten nicht mitgehen. Wir gingen doch mit ihm. Im Busch nahm der große Mann eine Elefantenhaut um. Er war ein Elefant. Er hob den Rüssel auf, um uns zu packen. Wir liefen fort".
Der Olodja sagte zu allen seinen Männern: "Paßt gut auf dem Markte auf! Wenn er wieder auf den Markt kommt, packt ihn und bringt ihn zu mir". Die Leute gingen nach fünf Tagen wieder auf den Markt. Der große weißgekleidete Mann kam aber nicht wieder auf den Markt. Die Elefantenmänner blieben seitdem von den Märkten weg und verwandelten sich auch nicht wieder in Menschen.
9. Kapitel: Edschu und das Weltbild
Unter all den vielen Holzschnitzereien, die wir aus dem Jorubalande mit nach Hause brachten, hatte keine Gruppe das allgemeine Interesse so sehr in Anspruch genommen, wie die der Orakelbretter des Ifadienstes. Es sind dies meist kreisrunde, nur zuweilen viereckige Holzplatten, die einen erhabenen und meist reich beschnitzten breiten Rand haben, so daß sie unseren Brottellern nicht ganz unähnlich sind.
Diese Bretter sind auch den Joruba heiligstes Kultgerät. Denn auf ihnen werden alimorgendlich mit Sonnenaufgang die Würfel geworfen, um von ihrem Fall Auskunft über den Verlauf des Tages zu gewinnen.
Die Schnitzereien auf dem Rand der Bretter sind sehr mannigfaltig, figürlich wie ornamental. Aber mehreres muß im Vergleich auch ein ungeschulteres Auge bald sehen: am häufigsten wiederholt sich eine gewisse Vierteilung, und diese wird dann wieder oft dargestellt durch vier Tiere: Schildkröte, Krebs, Fisch, Spinne. An einer Seite ist aber stets in prominenter Weise ein Kopf angebracht, manchmal mit Händen rechts und links, so daß es aussieht, als klimme ein Mensch von unten her über den Rand der Schale empor.
Dieser Kopf ist das Abbild des Gottes Edschu. Der Gott Edschu, dessen Bild beim Orakel immer nach Osten gewendet ist, präsidiert dem Ifaorakel. Der ganze Ifadienst ist eigentlich ein Edschudienst. Daher gilt es erst, die Art dieses Edschu verstanden zu haben, uni nachher den Ifadienst in seiner ganzen Bedeutung erfassen zu können.
Bildliche Darstellungen des Gottes Edschu
(coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Edschu lehrte die Götter, was er gelernt hatte. Die Götter sagten: "Dieses ist gut". Dann lehrten die Götter ihre Nachkommen dies Wissen, und nun konnten die Menschen täglich den Willen der Götter und die Geschicke der Zukunft erfahren. Als die sahen, was alles Böses in der Zukunft liege, und was sie dadurch, daß sie opferten,
Oben: "Origi", ein mit Topfscherben und Stein besetzter ca. 90 cm hoher Lehmkegel des Ifadienstes für den sakralen Turnus; unten: hölzerner Sockel des Schangodienstes (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Allenthalben gilt Edschu als eine Art Anführer oder Aufseher der Götter, und zwar der sechzehnzähligen Göttergruppe, deren Mutter nach der Küstenlegende Odudua war. Er ist aber nur in dem Sinne der "Götteraufseher", daß er als ihr Anordner und Obermarschall gewissermaßen für die Ordnung auf dem jorubischen Olymp Sorge trägt. Die Edschuverehrer versichern, daß ohne diesen Gott alle andern Orischa nichts auszuführen imstande seien, und da die Nachkommen der andern Götter zu dieser Behauptung schwiegen und kleinlaut zur Seite sahen, so erkannten sie gewissermaßen die Oberhoheit dieses eigentümlichen Gottes an. Dabei ist er aber gar nicht etwa als König der Götter aufzufassen. Vielmehr als Ordnungsmarschall, wie etwa im Parsivalliede der gestrenge Zeremonienmeister der Tafelrunde des Königs Artus. Der Gott Edschu wohnt an jedem Kreuzwege Orita. Kleine Lehmkegel sind hier errichtet. Lehmkegel stehen auch in den Gehöften der großen Priester des Ifadienstes, und um diese Lehmkegel werden in bestimmter Anordnung zu bestimmten Jahreszeiten Tänze und Rundgange aufgeführt. Edschu ist häufig plastisch dargestellt und stets zeigen die Edschubilder, sei es nun auf Türen oder Brettern oder sonst wo, wenn sie nicht nur als Kopf, sondern auch in ganzer Gestalt auftreten, ein bestimmtes Schema: alle Bilder dieser Art sind im Profil dargestellt, was sonst niemals vorkommt. Alle Edschufiguren zeichnen sich durch unverhältnismäßig große Füße aus. Alle Edschufiguren sind unbekleidet, aber geschlechtslos. Alle Edschufiguren haben einen langen Zopf. Alle Edschufiguren haben etwas im Munde oder in der Hand, oft auch eine Keule über der Schulter. Auffallend häufig wird dem Edschu eine Tabakspfeife oder eine Signaipfeife in die Hand gedrückt.
Wenn er sonst nichts hat, um es in den Mund zu stecken, so ist es wenigstens der eigene Daumen. Außerordentlich bezeichnend sind diejenigen Darstellungen von Edschu, auf denen rechts und links vom Kopfe des Gottes Schlangen herauswachsen, die dann oft in ein Gerinnsel übergehen. Es ist die charaktervollste Götterfigur in der ganzen Darstellungswelt der Joruben.Die nördlichen Joruben betonen ebenfalls, daß Edschu der wahre Gott der Aufwiegelei und ein ständiger Hetzer sei, der überall Unfrieden und Unruhe stiften müsse. Wo viele Leute zusammenstehen, muß Edschu sich dazwischen drängen, um sie zu entzweien. Sein eigenstes Element ist das Feuer, die Flamme. Wo ein Haus brennt, da hat Edschu seine Hand im Spiele. Seine eigentliche Wohnstätte ist bei einem unterirdischen Ina (d. h. Feuer). Man sagte mir sogar, er wohne in Bergen, die inwendig ein Ihu (d. h. eine Höhle) haben, die mit Feuer gefüllt sei. Von Zeit zu Zeit breche ein Berg auf, und Edschu, der alte Mann - er gilt immer als ein alter Mann -komme in der Flamme heraus. Es scheint fast so, als ob nach diesen Erzählungen eine dunkle Erinnerung an irgendwelche Ausbrüche von Vulkanen noch lebendig sei. Mit dem Feuer steht er auch insofern in Verbindung, als man ihm kein Opfer ohne Feuer darbringen kann. So wird der Platz, an dem Edschu ein Heiligtum errichtet wird, immer erst mit einem Feuerbrand und mit Asche gereinigt. Das ist genau das gleiche, wie im Dienst Oruns, der Sonne, der aber so gut wie ausgestorben ist. Edschu ist vor allen Dingen auch der unruhige, der ewig wandernde Gott. Der heilige Vogel Edschus im Okmelande ist Equo, die Eule. Das Ewuo der Edschufamilie ist Adi, das schwarze Öl, das aus verbrannten Palmkernen gewonnen wird.
Nun vor allen Dingen das Fest! Das große Fest, das zu Ehren Edschus gefeiert wird, das Odu-Edschu, findet statt im Monat Aroadung, das ist also etwa Ende Juni oder Anfang Juli. (Nach dem, was wir gleich hören werden, muß es Ende Juni sein.) Die Hauptzeremonie dieses Festes scheint in der Errichtung einer neuen, holzgeschnitzten Edschustatue zu bestehen. Der Ille-sude, der Oberherr der Stadt, bringt dann die Figur selbst an ihre Stelle, hebt sie mehrmals im zeremoniellen Rhythmus empor und stellt sie dahin, wo die alte Figur inzwischen entfernt wurde. Die neue Edschufigur empfängt ein kleines Beil, über die Schulter gelegt, und einen Kauribehang. Sie ist für ein Jahr höchstes Heiligtum der Familie. Inzwischen wird die entfernte alte Figur des vorigen Jahres irgendeinem neugeborenen Kinde aus angesehener Edschufamilie anvertraut. Die Figur ist für das ganze Leben dieses Menschenkindes sein erstes Heiligtum. Wenn dieses Fest stattgefunden hat, werden die Tage kürzer. Würde das Fest nicht gefeiert, so würde keine Nacht kommen. —Man sieht also, das ist das Fest der Sonnenwende. Von einem Feuer, das bei
dieser Gelegenheit angezündet wurde, habe ich allerdings nichts gehört, was ich besonders betonen möchte.Um den Charakter dieses Gottes noch näher kennen zu lernen, wollen wir einige weiteren Legenden von ihm buchen:
Edschus Schandtaten. Olokun (der Gott des Meeres), Orun (der Gott der Sonne) und Oschu (der Gott des Mondes) hatten im Anfange ein jeder seine eigene Wohnstätte. Olokun lebte im Flusse, also im Wasser. Oschu pflegte jeden Abend sein Haus zu verlassen und bald dahin, bald dorthin in die Welt hinauszugehen. Orun aber stieg jeden Morgen hoch über seinem Hause empor und kam abends wieder zurück.
Eines Tages kam Edschu zu Olokun und sagte zu ihm: "Dein Haus ist nicht gut; komm, ich will dir etwas Besseres zeigen". Obkun sagte: "Gut, zeige es mir"! Edschu ging zu Oschu und sagte: "Dein Platz ist nicht gut! Komm, ich will dir einen besseren zeigen". Oschu sagte: "Gut, zeige ihn mir"! Edschu ging zu Oru und sagte: "Dein Platz ist nicht gut! Komm, ich will dir einen besseren zeigen". Oru sagte: "Gut, zeige ihn mir". Edschu brachte Olokun in Oschus Haus, Orun in Olokuns Haus, Oschu in Oruns Haus.
Oschalla war der Oberherr aller Götter. Er lebte auf einem Kreuzwege, auf dem er sein Haus hatte, und an dem er an jedem Tage Orun und in jeder Nacht Oschu vorbeikommen sah. Am andern Tage aber sah Oschalla Oschu vorbeikommen. Oschalla fragte Oschu: "Was ist das? Du kommst am Tage"? Oschu sagte: "Es kam ein alter Mann und veranlaßte das". Oschalla sagte: "Oschu, du gehst sogleich dahin zurück, wohin ich dich gestellt habe, den alten Mann aber schicke mir einmal her". Oschu ging. Als es Nacht war, kam Orun. Oschalla sah und fragte: "Was ist das? Du kommst in der Nacht"? Orun sagte: "Ein alter Mann hat mir gesagt, er wolle mir das Leben wegnehmen, wenn ich nicht diesen neuen Weg gehe". Oschalla sprach noch mit Orun, da kam Olokun dazu. Oschalla fragte Olokun: "Was machst du hier? Warum bist du nicht im Wasser"? Olokun sagte: "Ein alter Mann hat mir gesagt, ich solle diesen Weg gehen". Oschalla sagte: "So, du gehst sogleich zurück in dein Haus und auf den Weg, den ich dir gesagt habe. —Orun, du gehst auch sogleich in dein Haus und tust das Werk, das ich dir gesagt habe". Orun ging nach Hause. Olokun ging in sein Haus. Edschu ging zu Oschu und sagte zu ihm: "Du, Oschu, wenn du heute nicht das tust, was ich will, dann töte ich dich heute. Geh also in Oruns Haus, und damit du keinen Streit mit Oschalla hast, geh um Oschallas Platz im Bogen herum". Oschu sagte: "Wenn du es so willst, muß ich es tun". Oschu machte sich auf den Weg. Er ging um Oschallas Haus herum und kam zu Oruns Platz. Orun sah Oschu
Gefäße für die heiligen Ifafarben (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Dann ging Edschu in das Wasser zu Olokun und sagte: "Komm heraus, sonst nehme ich dir das Leben". Olokun sagte: "Du hast mir das Leben nicht gegeben". Edschu sagte: "Komm oder ich nehme dir das Leben"! Olokun kam heraus. Edschu zeigte ihm den Weg in den Busch. Oschalla hörte, daß Olokun aus dem Wasser in den Busch gekommen war. Oschalla gab Schankpanna einen Grashalm und sagte: "Geh zu Olokun. Olokun ist gegen meinen Willen in den Busch gegangen. Sage Olokun, er solle und dürfe nicht wieder in das Wasser zurückkehren; denn er war nicht bei mir, als er das Wasser, das ich ihm als Wohnstätte gab, verließ."Schankpanna nahm den Grashalm. Er ging damit zu Olokun und sagte: "Oschalla sendet dir diesen Grashalm. Du hast gegen seinen Willen das Wasser verlassen. Verwandle dich in einen Oke (Hügel)". Olokun verwandelte sich in einen Hügel. Danach kamen alle Kinder Olokuns aus dem Wasser, um Olokun auf dem Hügel aufzusuchen. Edschu traf sie auf dem Wege. Edschu sagte zu ihnen: "Geht durch den Busch zu eurem Vater. Geht nicht bei Oschalla vorüber". Oschalla hörte es. Oschalla sah, daß Olokuns Kinder um ihn herumgegangen waren. Oschalla verwandelte alle Kinder Olokuns in Affen. Seitdem hüpfen Olokuns Kinder als Affen herum.
Oschalla rief nun aber Schankpanna und sagte ihm: "Bringe mir Edschu"! Schankpanna machte sich auf den Weg. Er kam an einen Kreuzweg und fragte: "Wo ist Edschu"? Die Leute sagten: "Edschu ist auf dem Markte". Schankpanna nahm sein Auwo (Binsenbesen zu Zeremonialzwecken) zur Hand und ging damit auf den Markt, auf dem den Angaben nach Edschu sein mußte. Schankpanna traf Edschu. Schankpanna sagte: "Oschalla hat mich hergesandt, um dich zu strafen". Schankpanna nahm seinen Binsenbesen und begann, auf Edschu einzuschlagen. Edschu aber nahm sein Ogo (d. i. Schulterstock). Damit wehrte er die Schläge Schankpannas ab und schlug auf Schankpanna. Orun hörte die Schläge und das Reden der Streitenden. Orun sagte: "Schankpanna ficht mit Edschu. Ich muß unbedingt Schankpanna helfen". Orun kam zu den Streitenden. Orun sagte zu Schankpanna: "Wenn ich meine Augen aufmache, kann Edschu nicht sehen. Das will ich also zuerst machen". Schankpanna
sagte: "Es ist gut. Tue das"! Orun ging auf Edschu zu. Oruri öffnete seine Augen. Edschu war blind. Schankpanna schlug mit seinem Besen auf Edschu ein. Edschu konnte sich nicht wehren. Oschalla sah das. Oschalla sagte: "Alle kleinen Kinder sollen zu Schankpanna und Orun gehen und jubeln, weil Schankpanna Edschu besiegt hat". Alle kleinen Kinder gingen hin und sagten: "Schankpanna ist stark im Kampfe". Schankpanna schlug inzwischen immer auf Edschu ein. Alle Schläge Schankpannas hinterließen auf dem Körper Edschus Wunden (Striemen). Edschu lief zum Flusse, um sich zu baden. Edschu badete sich. Als Edschu im Wasser war, sagte er: "Nun sollen die Schläge Schankpannas durch das Wasser auf alle Menschen, die in diesem Wasser baden, übergehen, und sie sollen alle Leute wie Feuer brennen. Wer nachher in dem Wasser, in dem Edschu die Striemen Schankpannas gewaschen hat, badet, bekommt die Pocken und die Pockennarben". So ging Edschus Rache auf die Menschen über und ist unter ihnen lebendig geblieben. —Während in dieser Mythe kosmogonische Züge überwiegen, und der Streit sich unter den Göttern abspielt, so gibt es doch eine ganze Reihe von Erzählungen, in dem die Freude am Geschichtenerzählen sich des schönen Stoffes bemächtigt hat, um möglichst variantenreiche Schilderungen der Bosheit des Gottes zu produzieren. Aus Ojo stammt folgende Geschichte Edschus, in welcher sich ein Zug findet, den wir später als sehr wesentlich erkennen werden.
In alter Zeit machte Olorun erst Enja, den Menschen, dann erst Edschu, den Gott. —Zwei Menschen waren einmal Freunde. Wenn sie ausgingen, trugen sie immer gleiche Kleidung. Alle Leute sagten: "Das sind die besten Freunde". Edschu sah es. Edschu sagte: "Diese beiden sind die besten Freunde. Diese beiden werde ich auseinanderbringen, und damit wird ein guter Anfang für ein ganz großes Idja (ein Rechtsfall, ein Palaver) gegeben sein". Die beiden Freunde hatten ihre Felder nebeneinander. Ein Weg führte zwischen beiden hindurch. Auf dem Wege pflegte Edschu morgens einherzugehen, und zwar hatte er dann eine schwarze Filla (Mütze) auf.
Als Edschu nun den Streit beginnen wollte, machte er sich eine Mütze aus grünem, schwarzem, rotem und weißem Stoff, so daß sie von jeder Seite betrachtet eine besondere Farbe zeigte. Diese Mütze setzte er eines Morgens auf, als er sich auf den Weg durch die Felder machte. Dann nahm er seine Tabakspfeife, aber nicht so wie gewöhnlich in den Mund, sondern er steckte sie in den Nacken, als ob er mit dem Hinterkopfe rauche. Endlich nahm er noch, wie stets, einen Stock, aber er trug ihn ebenfalls umgekehrt, so nämlich, daß er nicht vorn über der Brust, sondern hinten über die Schulter hing. Beide Freunde arbeiteten auf ihren Feldern. Sie sahen einen Augenblick
auf. Edschu rief ihnen einen Gruß zu. Die Freunde antworteten und arbeiteten dann sogleich weiter.Nachher gingen die beiden Freunde gemeinsam nach Hause. Der eine sagte zum andern: "Der alte Mann (Edschu) ging heute in anderer Richtung als sonst den Weg zwischen den Feldern. Ich sah es an seiner Pfeife und an seinem Stock". Der andere Freund sagte: "Du irrst dich; er ging in derselben Richtung wie sonst, ich sah es an seinen Schritten". Der erste sagte: "Es ist nicht wahr; ich habe die Pfeife und den Stock zu deutlich gesehen. Auch hatte er heute nicht eine schwarze, sondern eine weiße Kappe auf". Der andere sagte: "Du mußt blind sein oder du hast geschlafen; er hatte eine rote Kappe auf". Der erste sagte: "Du mußt heute morgen schon Palinwein getrunken haben, daß du weder die Farbe, noch die Richtung gesehen hast". Der andere sagte: "Ich habe heute noch keinen Palmwein gesehen. Du scheinst mir aber verrückt zu sein"! Der erste sagte: "Das lügst du alles, um mich zu kränken". Der andere sagte: "Du bist ein Lügner! Ich habe es schon sonst gesehen"! Der eine zog sein Messer und schlug auf den andern ein. Der andere bekam eine Wunde. Er zog sein Messer und schlug es dem einen über den Kopf. Beide liefen fort. Beide bluteten, als sie in der Stadt ankamen. Die Leute sahen es. Die Leute sagten: "Die beiden Freunde sind überfallen worden, es kommt Krieg"! Der eine sagte: "Nein, der Lügner ist nicht mein Freund"! Der andere sagte: "Glaubt dem Lügner nur kein Wort. Wenn er den Mund auftut, fliegen die Lügen heraus".
Edschu war inzwischen zum Könige der Stadt gegangen. Er sagte zum Könige: "Frage doch nur einmal die beiden Freunde, was sie haben! Sie haben sich die Köpfe mit Messern blutig geschlagen". Der König sagte: "Was, diese beiden Freunde, die immer die gleichen Kleider trugen, haben sich geschlagen? Ruft sie"! Die beiden Freunde wurden gerufen. Die beiden Freunde kamen. Der König fragte sie: "Ihr seid beide in einem schlechten Zustande. Wie seid ihr in Streit geraten"? Die beiden sagten: "Wir sind darüber in Streit geraten, was den Weg zwischen unseren Feldern hingegangen ist." Der König fragte: "Wieviel Leute gingen denn über euren Feldweg"? "Es war ein Mann, der alle Tage denselben Weg geht. Erging heute in einer andern Richtung und hatte statt einer schwarzen Kappe eine weiße auf", sagte der eine Freund. Der andere rief: "Er lügt! Der alte Mann hatte eine rote Kappe auf und ging in derselben Richtung wie sonst"! Der König fragte: "Wer kennt den alten Mann"? Edschu sagte: "Ich bin es selbst gewesen. Die beiden streiten sich nur, wie ich es wollte". Edschu zog seine Mütze hervor und sagte: "Ich habe diese Mütze aufgesetzt. Sie ist auf der einen Seite rot, auf der andern weiß. Vorn grün, hinten schwarz. Jeder sah mich
Geräte des Ifadienstes;links: Orakeischnüre (Oquelle), rechts: Tasche für die Würfel (cou. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Der König hörte Edschu. Der König sagte: "Fangt diesen Mann; bindet ihn; er ist ein Hetzer"! Die Leute wollten Edschu binden. Aber Edschu lief sehr schnell auf einen benachbarten Hügel. Dort schlug er Steine gegeneinander. Er wiederholte das, bis das trockene Gras Feuer fing. Das brennende Gras warf er hinab auf die Stadt. Das Gras fiel auf die Dächer. Die Dächer begannen zu brennen. Edschu warf hierhin Feuer, er warf dorthin Feuer. Er brannte hier ein Haus ab, er brannte dort ein Haus ab. Alle Leute rannten durcheinander. Darauf kam Edschu wieder in die Stadt. Er sah, daß jeder aus den Häusern heraus retten wollte, was er konnte. Der eine trug einen Korb heraus. Der andere trug einen Sack heraus. Der dritte trug Kalebassen heraus. Der vierte trug Töpfe heraus.
Edschu ging unter die Leute. Er sprang zu und nahm die Lasten ab. Wem er die Lasten abnahm, der sah nicht, wem er sie gab; er sprang zurück in das brennende Haus, um noch mehr herauszuholen. Edschu aber trug die Lasten mit den Töpfen zu den Sachen dessen, dem die Lasten mit den Kalebassen zukamen. Die Lasten mit den Kalebassen trug er zu dem, dem die Lasten mit den Körben zukam. Die Last mit den Körben trug er zu dem, dem die Last mit den Säcken zukam. Die Last mit den Säcken trug er zu dem, dem die Last mit den Töpfen zukam. Das Feuer brannte herab. Viele Häuser waren niedergebrannt.
Nach dem Feuer suchte ein jeder seine Sachen zusammen. Der Mann, dem die Kalebassen gehörten, fand sie bei dem Korbmanne. Da sagte er zu dem Korbmanne: "Du bist ein Dieb! Du hast die Verwirrung dazu benützt, meine Lasten zu stehlen"! Der Korbmann selbst sagte: "Die andern sind Diebe"! Der Mann, dem die Töpfe zukamen, sagte zu dem, bei dem er sie fand: "Nun habe ich doch den Dieb! Ich habe schon lange gedacht, daß du ein Dieb bist". In der Wut nahmen alle Stöcke. Sie schlugen aufeinander ein. Sie trafen auf die Kalebassen und Töpfe. Die Töpfe und Kalebassen wurden zerbrochen. Der Mann der Töpfe und der der Kalebassen wurde noch zorniger. Beide begannen mit der Stoßkeule der Frauenmörser aufeinander loszuschlagen. Was das Feuer nicht vernichtet hatte, das zerstörte jetzt die Wut der Menschen. Auch wurden einige Menschen totgeschlagen.
Der König ließ die Wütenden auseinanderbringen. Er fragte sie: "Was ist hier geschehen"? Ein jeder rief immer vom andern: "Das ist ein Dieb! Er hat mich bestohlen, als es brannte". Die andern schrien: "Nein, jener hat mich bestohlen, als es brannte". Die Leute
schrien alle durcheinander. Der König fragte: "Sind denn alle meine Leute Diebe"? Edschu kam und sagte: "Nein, mein König! Deine Leute sind keine Diebe. Sie sind nur dumm. Ich habe mit ihnen nur gespielt, und sie haben es sehr gut gemacht. Wenn ich wieder einmal sehr lachen will, komme ich wieder hierher". Edschu lief fort. Niemand konnte ihn fangen. —Nachdem somit ein allgemeines Bild von der mythologischen Eigenart Edschus gegeben ist, soll dem Ifadienst die gebotene Beachtung zuteil werden.
Der Novize hat zunächst folgende Ingredienzien zu besorgen: I Ikode, das sind Papageienschwanzfedern; 2. den Fisch Boli; 3. eine Ekete; 4. eine Eku (Maus); 5. die Wurzel Kanka, mitder man wäscht. Der Lehrling hat einen Babalawo gebeten, sein Lehrer zu sein und ihn in die Geheimnisse einzuführen. Seinen Lehrer redet er an mit: Oluwo. Oluwo ist im allgemeinen der oberste Priester des Ifa; aber jeder Novize redet auch seinen Lehrer mit diesem ersten Titel an. Der Oluwo führt den Schüler der die fünf Gegenstände zusammenpackt und auf den Kopf genommen hat, zum nächsten Flusse, in Ibadan zum Oschun. Priester und Novize sind beide ganz weiß gekleidet. Der Priester führt sein heiliges Gerät bei sich. Am Flusse legen sie ihre Dinge nieder, und der Babalawo wäscht den Neuling. Danach wenden sie sich in den Busch. Im Busche befindet sich eine heilige Stelle, welche aus drei aufeinander folgenden breiten Plätzen besteht. Den ersten dürfen alle Leute betreten. Auf dem zweiten findet die erste Einführung des Novizen statt, den dritten, das Allerheiligste,
darf nur der Priester betreten. Das Zeremoniell beginnt mit einem Mahle. Boli, Ekete und Eku werden gekocht, ein gutes Gericht daraus bereitet und verspeist. Dabei sind anwesend: nur der Priester, der Novize, dem es um Einführung in die Wahrheit zu tun ist, und als Zeuge ein Mitglied aus dessen Familie.Alsdann öffnet der Priester seine Tasche, eine Ledertasche, deren Rand meistens mit Kauri besetzt ist. Er entnimmt ihr zunächst die sechzehn Palmkerne, die das wichtigste, das fundamentale Gerät bei der Prozedur sind. Ferner birgt die Tasche noch das Oqua-Ifa, das Ifabrett, auf dessen freien Mitteiraum feines Holzmehl gestreut wird. Hier, vor den Augen des Novizen, wird nun einmal das Ifaorakel in der Weise gelesen, wie ich es nachher schildern werde. Aus dem geraden oder ungeraden Fall der geworfenen und aufgegriffenen Kerne ergibt sich eine Reihe von paarweisen oder einzelnen Strichen, von denen immer vier einen Odu ergeben, und nun kommt es darauf an, ob die in dem weißen Mehl des Ifabrettes sich bildenden Zeichen den Willen der Odu verkünden, daß der Jüngling aufgenommen werden soll. Ist die Frage von den Odu bejaht, so ist für heute die Hauptsache erledigt. Hat der Jüngling nun noch irgendeine Frage auf dem Herzen, so kann er sie bei dieser Gelegenheit vorbringen und kann nun zum ersten Male sehen, wie der Babalawo Tages- und Schicksalsfragen aufwirft und die Antwort darauf erhält. Jedenfalls hat damit - um den Ausdruck der Joruben zu wiederholen -"der Herr seinen Knecht gnädig angesehen". Dieser Herr ist aber nicht etwa ein Gott, ein Orischa, um das noch einmal zu betonen, sondern einer der Odu, der Köpfe, die aus dem Zeichen der Palmkernlage sprechen. Danach reibt der Priester dem Jünglinge die Haare weiß ein, bindet ihm die Papageienfedern um und legt ihm das Oquelle (siehe weiter unten) so an, daß die Mitte über die Schulter fällt und die Enden vorn herunterhängen. Er gibt dem jungen Mann sechzehn Palmkerne und sagt zu ihm: "Dies ist dein Ifa".
Sie gehen heim. Der Priester voran. Der Priester trägt das Messer, an dem unten die Glocke ist, voran. Sie treten in das Haus des Priesters und an seine Orakelstelle. Wenn der Neuling die Schwelle überschreitet, streut der Priester weißes Mehl, und heißt ihn damit in dem Hause und im Namen des Ifa willkommen. Denn alles, was weiß ist, und demnach auch das weiße Mehl, ist Ifa heilig. Andere Babalawos kommen nun dazu. Alle begrüßen den Neuling, alle sprechen mit ihm, sie reden von der Tiefe der Weisheit Ifas und der Ehrwürdigkeit dieses Kultus. Und damit befindet er sich in der neuen Gemeinschaft der Babalawo, die viele, viele Leute umfaßt, die dem Ifa ihre Reverenz erweisen, täglich sein Orakel legen und allmorgendlich den Ifa begrüßen.
Ifabretter; das obere 24 cm, das untere 29 cm im Durchmesser (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Die Einführung in die Orakelkunst geht sehr langsam vor sich Sie währt im allgemeinen drei Jahre. Im ersten Jahre hat der Neuling nichts anderes zu tun, als die Namen der Odu zu lernen. Im zweiten Jahre prägt er sich die heiligen Wahrheiten, soweit er sie versteht und sein Gedächtnis dafür ausreicht, ein. Im dritten Jahre endlich bemüht er sich, die eigentliche Praxis, die Verwertung zu erlernen. Wer es nur darauf abgesehen hat, ein einfacher Babalawo zu werden, ein Mann des einfachen Grades der in drei Klassen gegliederten Weisheitslehrer des Ifadienstes, hat nach diesen drei Jahren das Studium erledigt, und ist nun imstande, jeden Morgen für den Hausbedarf aus dem Fallen des Oquelle oder der Ifakerne Sinn und Wesen des Tages zu erkennen. Wer als Priester den Ifadienst als eigentlichen Beruf erwählt, muß noch einige Jahre studieren, um höheres Ansehen und noch intimere Kenntnis der Weisheiten und Wahrheiten, der Bedeutung der Odus zu erlangen. Als Priester kommt er dann in die zweite Klasse. Den höchsten Grad erreicht nur der Oberpriester, von dem wir nachher sprechen werden. Infolge der vielen Wahrheiten und Weisheitssprüche, die mit jedem Odu verbunden sind, erlernt sich die Orakelkunst Ifas sehr schwer. Die einfache Grundlage der Weisheitssprüche soll allein nicht weniger als 1680 Weisheiten für jeden der 4096 verschiedenen Odus betragen. Es ist natürlich, daß kein Mensch diese immense Summe in seinem Kopfe haben kann, und da es noch immer auf die Auffassung und Anwendung des betreffenden Spruches im Verhältnis der Lage der verschiedenen Odus ankommt, so ist der Auslegung freier Raum gelassen, und dieses Orakel ist ebenso geheimnisvoll wie das einer Pythia oder eines Ammon. Allabendlich geht der Novize zu seinem neuen Lehrmeister. Mit Eintritt der Dunkelheit versenkt er sich täglich in die göttliche Weisheit. Er begleitet den Lehrer hierhin und dorthin und sieht aufmerksam zu, wie der Meister sein Werk betreibt und aus dem Wurfe der Palmkerne oder der Palmkernkette das Orakel liest. Es versteht sich von selbst, daß solcher Unterricht nicht umsonst erteilt wird, und daß ein gutes Einkommen dem Hause des Priesters zufließt.
Der Schüler kauft sich nun ein Adjelle-Ifa, abgekürzt Adjelefa genannt, das ist eine Schale, die von einer Figur getragen wird (siehe "Und Afrika sprach" 1 Abbildungen S. 259-265). Diese Ifaschalen sind von erstaunlicher Mannigfaltigkeit. Einige sind nur mit durchbrochenen ornamentalen Füßen versehen, andere zeigen Tauben, Antilopen, Hühner mit Schlangen im Schnabel, Fische usw. Sehr hübsch sind die Formen, die einen bewaffneten Reiter als Träger haben; diese sind zum Teil mit Speeren, teilweise mit altertümlichen Flinten bewaffnet. Einer hat auf seine Lanze ein Kind aufgespießt, hält aber mit der andern Hand eine Pfeife, die vom Munde bis zum
Boden reicht, das Bild des ausgebildeten Gemütsmenschen. Ganze Gruppen angesehener Männer und Frauen und Trommler tragen solche Schälchen. Am beliebtesten sind aber Darstellungen aus dem Frauenleben. Bald sitzen zwei Freundinnen nebeneinander; bald nährt eine Frau ein Kind, bald bietet die Frau eine Schale dar, bald sitzt eine Frau am Webstuhl, bald trägt sie in landesüblicher Weise das Kind auf dem Rücken. Eine unendliche Lebensfrische spricht aus dem allen. Vielleicht tritt weniger monumentale Götterdarstellung dabei hervor, desto mehr aber Beobachtung des menschlichen Lebens. Es sind hübsche, kleine Schnitzereien, die, wenn wir nicht wüßten, um was es sich handelt, eher in die Kategorie afrikanischer Frauenstühlchen als in die würdiger Heiligenschreine gerechnet werden müßten.Außer diesen Schalen, in denen diese sechzehn Kerne liegen, die beiliegende Opfer aus Nußöl und Maismehl mit Wasser empfangen, muß als zweiter, wesentlicher Bestandteil das schon erwähnte Oqua-Ifa, ein Brett, beschafft werden, das dem Süden zu mehr eine viereckige, dem Norden zu vorzüglich eine kreisrunde Form zu haben pflegt. Solche Bretter könnte man mit Brottellern Mitteldeutschlands vergleichen. Diese Bretter sind von ganz außerordentlicher ornamentaler Schönheit und fallen ebenso wie die Osche-Schango aus dem Rahmen der afrikanischen Schnitzformen heraus. Es muß ein tiefer Sinn in diesen Dingen liegen.
Daß dies der Fall ist, geht schon aus der Anordnung hervor. Wohl stets ist oben im Ifabrett ein dominierendes, zum Teil tief in das Brett hineinragendes Antlitz geschnitzt, das wie ein Wächter über der kahlen Innenfläche thront, auf die das Holzmehl gestreut wird und die Zeichen dann mit den Fingern gemalt werden. Dies Antlitz ist zuweilen seitlich mit Händen oder mit Schlangenohren oder mit einfachen Ornamenten abgegrenzt. Dem Antlitz gegenüber oder in genauer Vierteilung auch noch rechts und links finden wir abermals eine Teilung des Raumes, sei es durch einfache Ornamente, stärker betonte Erhabenheiten oder aber Wiederholung von Gesichtern, so daß das ganze gleichsam nach den vier Himmelsrichtungen in vier Abschnitte gegliedert ist, die nun zuweilen mit vornehmer, flacher, feinerer, bald mit einfacherer ornamentaler Musterung bedeckt, bald mit Tieren, Ereignissen aus dem Leben oder sonstigen plastischen Skulpturen ausgefüllt sind. Diese erinnern mehr an mittelamerikanische, streng ornamentale Raumgliederung, als an afrikanische Unmäßigkeit im Phantasiespiel. Es sind eben die schönsten Produkte westafrikanischen alten Kunstgewerbes, und besonders diejenigen Stücke, die dem eigentlichen Oluwo dienen, zeichnen sich durch besondere Schönheit aus. Gelangt ein Babalawo zu der höchsten Stelle eines Oluwo, so erhält er aus dem alten Familienbesitze meist das
schönste Brett. Und wenn der Babalawo gestorben ist, so wurde ihm in alter Zeit dieses Brett als Unterlage mit in das Grab gegeben. Aus den alten Gräbern haben wir verschiedene derartige Bretter erhalten. Sie sind die schönsten, die von uns aufzutreiben waren. Wenn es überhaupt möglich ist, die Grundlage und die Entstehungsgeschichte des Ifadienstes verstehen zu lernen, so werden wir die Symbolik dieser Bretter studieren und deswegen nachher auf ihren Sinn und ihre Bedeutung zurückkommen müssen.Als weiteres Ausstattungsstück des Ifadienstes ist das Iroke zu erwähnen. Es ist eine Klapper, ursprünglich wohl aus den Stoßzähnen der Elefanten hergestellt, wie ich nicht nur der ganzen Form, sondern auch der Tatsache entnehme, daß heute noch eine große Reihe aus diesem Material hergestellt wird, und daß auch die in Holz geschnitzten in der vorderen Zuspitzung, in der Krümmung und in der hinteren Aushöhlung so genau den Elfenbeinvorbildern nachgeformt sind, daß oft ein scharfes Hinsehen dazu gehört, um das Holzmaterial des Stückes zu erkennen. In der hinteren, bei Elfenbeinzähnen von Natur vorhandenen trichterförmigen Öffnung ist häufig ein kleiner Schwengel oder Klöppel angebracht, so daß, wenn die Hand das Mittelteil hält, und mit der Spitze gegen das Ifabrett klopft, ein Holzglockengeklapper hervorgerufen wird. Die Mitte des hinteren Teiles des Iroke ist meist in sehr geschmackvoller Weise, sei es mit einfachen Ornamenten, sei es mit einem Kopfe oder einer Figur geschmückt. Mit diesem Iroke klopft der Babalawo jeden Morgen um die Zeit, wenn die Sonne aufgeht, gegen das Ifabrett und begrüßt damit die über dem Ifa thronende Gottheit Edschu.
Ganz besonders wohlhabende Leute haben zudem noch ein Okwong-Ifa, eine Art Koffer mit mehreren inneren Einteilungen. Diese Koffer haben zum Teil und in der Idee eine außerordentliche Ähnlichkeit mit den Mungerri, den schön geschnitzten Holzbüchsen der Bakuba.
Im Zentrum der Innenteilung befindet sich eine Aushöhlung, in der die Ifakerne zu liegen pflegen. Der umgebende Raum zwischen dem mittleren und dem Rande ist in den weitaus meisten Fällen in vier Abteilungen gegliedert, und zwar enthalten diese vier Aushöhlungen der Reihe nach: Lehm, Holzkohle, Kalk und Rotholzfarbe. An Stelle des Lehms ist bei ganz wohlhabenden Leuten auch Emi-Orun (d. h. Exkremente der Sonne), das ist Schwefel, aufbewahrt. Auf die Bedeutung dieser vier Schalenfüllungen werde ich nachher zurückkommen. Außen sind diese Koffer meist sehr hübsch geschmückt mit einer eingeschnittenen oder erhabenen Verzierung. Oft befindet sich dabei ein Kopf, der häufig von Schlangen umgeben ist. Dann finden wir aber auch das Bild einer Schildkröte oder einer Varanus oder eines Kriegers, der einen Gefangenen gepackt hält. In
Ifabretter; das obere 41 cm breit, das untere 30 cm hoch (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)Zuletzt sei das Oquelle erwähnt. Das ist eine Schnur, an der acht halbe Palmkerne befestigt sind und die den Enden zu meist in ein zierliches Perlenornament ausläuft. Der Oberpriester in Ife hat ein solches Oquelle, welches mit gelben Nußstücken statt der halben Palmkerne versehen war, und Schüler, die sich in der Kunst des Orakelns übten, verwandten meistenteils eine Oquelle, bei dein die Palmnußkerne durch Kalebassenstücke ersetzt sind. Derjenige, der das Orakel mit dem Oquelle befragen will, ergreift die Schnur in der Mitte, so daß nach den beiden Seiten je vier halbe Palmkerne herabhängen. Beim Hinwerfen der Schnur kommt es nur darauf an, welche von den Palmkernen mit der konvexen, welche mit der konkaven Seite nach oben fallen. Hieraus allein entsteht schon ein Odu oder eine Figur.
Das eigentliche Orakellesen findet nun, je nach dem Zweck, in ganz verschiedener Form statt. Allmorgendlich wirft jeder Babalawo, d. h. also jeder Mann, der überhaupt in die Geheimnisse des Ifakultus eingeweiht ist, das Oquelle. Und die entsprechende Auskunft, die die Odu ihm geben, beziehen sich dann auf das Privatleben und auf die Ereignisse des Tages. Dagegen wird bei allen großen Unternehmungen der Gemeinde oder Ortschaft der Hauptpriester herangezogen. Jeder Herrscher, sei es der Alafin oder der Oni oder einfache Fürstlichkeiten, wie der Bale, haben ihre eigenen Priester, welche vielfach mit dem Titel Araba bezeichnet werden. Dies Wort Araba hat nun aber nichts mit den Arabern zu tun, wie dies hier und da eigentümlicherweise behauptet wird. Als Araba bezeichnet der Jorube jeden hervorragenden Gegenstand. Stehen mehrere Baumwollbäume beieinander, so wird der höchste als Araba bezeichnet Aber Araba ist auch kein eigentlicher Titel des Oberpriesters. Die Priesterherrschaft besteht vielmehr aus folgenden Beamten:
I Der oberste Babalawo oder Oluwo. Oluwo ist der Oberpriester der Gemeinde, aber jeder Zögling redet auch seinen Lehrer so an.
2. Der Stellvertreter des Gemeindeoluwo ist der Odofin. Ist der Oluwo in irgendeiner Weise behindert, so tritt der Odofin an seine Stelle.
3. Der Stellvertreter des Odofin wird als Aro bezeichnet, und dieser nimmt die priesterliche Amtshandlung vor, wenn Oluwo und Odofin gehindert sind.
Weiterhin hat ein jeder Oluwo, Odofin und Aro seinen Gehilfen, welcher als Adjigbona bezeichnet wird. Als Boten, Diener, Pagen fungieren die sog. Asare-Pawo, die wiederum unter sich die Asawo haben. Unter sich sind die Priester auch wieder eingeteilt in Oluwo-
Ifabretter;das obere 41 cm, das untere 32,5 cm im Durchmesser (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Diese Priester nun lesen das Orakel, und zwar wird die Zeremonie des Palmkernwerfens in folgender Weise vorgenommen: Die sechzehn Palmnüsse heißen Iki oder Aki. Außer ihnen wird noch eine siebzehnte Figur zu Hilfe genommen, die Oduso heißt und in Elfenbein geschnitzt ist. Sie heißt auch Iki, hat aber keine runde oder schalenförmige Gestalt, sondern stellt einen Kopf, und zwar den Kopf des Edschu, dar, was man an dem hinten lang herunterhängenden Zopf erkennen kann. Die Figur steht neben dem Ifabrett und hält gewissermaßen die Wache über die Handlung des Babalawo und den Fall der sechzehn Iki. Der Babalawo bestreut das Ifabrett mit weißem Mehl. Er nimmt die sechzehn Ifakerne und wirft sie in die Luft, der linken Hand zu. Die linke Hand greift sie. Nun kommt es darauf an, ob die Zahl der gefangenen Kerne eine gerade oder ungerade ist. Wenn die linke Hand eine ungerade Zahl faßt, so werden zwei senkrechte Striche gezogen (II). War die Zahl eine gerade, so ergibt sich ein einzelner Strich, der mit dem Finger der rechten Hand auf dem Brette ausgeführt wird (1). Viermal wird geworfen und die Zeichen untereinander geschrieben. Die so entstehende Figur aus vier Zeichen wird als "Medji" oder "Paar" bezeichnet. Achtmal wird dies Verfahren wiederholt, und zwar werden immer zwei Medji nebeneinander, also viermal zwei untereinander, gezeichnet. Die niedergeschriebenen Zahlen sind die Odus, die dem Tagesorakel vorstehen. Abgelesen wird das auf dem Brette in das Mehl gemalte Bild von rechts nach links. Jedes dieser Medji repräsentiert ein Odu, von welchem man annimmt, daß es aus sechzehn Odus besteht, von denen jedes wieder aus sechzehn Odus zusammengesetzt ist usw. Die Odus sind nun die eigentlichen geistigen Faktoren in dem Orakelwesen. Ganz gleichgültig ist es fürs erste, welche Wahrheiten und Weisheiten mit jedem Odu verbunden sind. Für die Erkenntnis des Ursprungs und der Bedeutung des Ganzen ist vor allen Dingen von Wert, festzustellen, welche Bedeutung diese Dinge ursprünglich hatten.
Das Ifabrett und die Himmelsrichtungen. — Um den ursprünglichen Sinn zu erkennen, der diesem komplizierten System des Orakels das Leben gegeben hat, werden wir die einzelnen Tatsachen miteinander vergleichen müssen. Auf den vorhergehenden Seiten habe ich die sechzehn Grundfiguren, die Odus, die Hauptköpfe erwähnt. Jeder dieser Köpfe hat seinen Namen, jeder sein symbolisches Zeichen. Weiterhin habe ich oben die Ifabretter geschildert und gesagt,
daß auf ihnen fast stets die vier Himmelsrichtungen in irgendeiner Weise betont sind, nicht selten durch vier das ganze in vier Teile gliedernde Köpfe. Der Priester, der das Orakel liest, wendet sich stets mit dem Gesicht nach Osten und legt das Brett immer in derselben Weise vor sich auf den Boden. Zum mindesten ist auf jedem Brette ein Antlitz dargestellt. Auf dieses Antlitz schaut der betende Priester, so daß er es zwischen sich und der Sonne hat. Dieses Antlitz nun heißt Edschu-ogbe. Es entspricht ganz genau dem Odu Nr. I Auf Brettern, die mit vier Gesichtern verziert sind, entspricht das dem Edschu-ogbe gegenüberliegende, also mit der Stirne dem Betenden zugekehrte, dem Zeichen Ojako-Medji, das, welches der Babalawo rechts hat, dem Evori-Medji, das, welches der Babalawo links hat, dem Odi-Medji. Wir haben also eine vollkommen klare Gliederung, welche auch den Babalawos noch allgemein bekannt zu sein scheint. Wenigstens habe ich diese grundlegende Erklärung sowohl in Ibadan als in Ife, als auch bei den Joruben in Lokoja erhalten. Hinsichtlich weiterer Mitteilungen versagten meine Mitarbeiter so gut wie ganz. Nur ein alter Babalawo in Lokoja konnte mir noch hinsichtlich der vier Köpfe sagen: "Als in alter, alter Zeit einmal alles durcheinandergemengt und jung und alt gestorben war, da rief der Olodu-mare (= Gott) Edschu-ogbe und sagte: "Du, ordne die Gegend im Sonnenaufgang". Er sagte zu Ojako-Medji: "Du, ordne die Gegend um Sonnenuntergang". Darauf machte am Morgen Edschu-ogbe die Gegend im Osten gut, und am Abend Ojako-Medji diejenige im Westen". —Damit hört die Legende auf und mit dem wirklichen Wissen des alten Babalawo war es zu Ende. Als ich nun über die Tätigkeit des Evori-Medji Nachricht einziehen wollte, sagte er, daß er eine Gegend von Sonnenaufgang bis Abend geordnet habe und daß Odi-Medji ihm dabei helfe. Letzteres kam sehr zögernd heraus, der Mann war offenbar unsicher. Dann faselte er noch einigen Unsinn und war am Ende.In Wahrheit ist für uns die Sache nicht ganz so schwierig zu erklären, wie es im ersten Augenblick scheint. Nachdem wir einmal erkannt haben, daß die vier Himmelsrichtungen auf den Brettern dargestellt sind und nachdem die vier Himmelsrichtungen mit den wichtigsten vier Odus identifiziert sind, nachdem sich ergeben hat, daß das Brett immer in derselben Weise gehalten und abgelesen werden muß, können wir verschiedene Dinge in Parallele setzen. Der Priester, der mir die Einteilung des Brettes in vier Glieder erklärte, malte in den Sand das Bild, welches ich neben dem Ifabrett auf S. XIV abgebildet habe. Er stellte als die vier Zeichen für Osten und Westen, Norden und Süden gleichsam die Hügel zu einem Kreuz zusammen, so daß Edschu-ogbe nach Ojako-Medji überging und Evori-Medji nach Odi-Medji. Er bezeichnete dann die von Osten
nach Westen verlaufende Linie als den "Hauptweg" und die von Süden nach Norden gezeichnete als "den zweiten Weg". Über die Bedeutung der Wege befragt, sagte er, auf dem Hauptwege besuche Edschu den Schango, und auf dem zweiten Wege besuche Obatalla den Ogun. Es ist also ganz klar, daß dem Osten der Gott Edschu, dem Westen der Gott Schango, dem Süden der Gott Obatalla und dem Norden der Gott Ogun vorsteht. Wenn irgendwelche Zweifel über die Ursprünglichkeit dieser Angaben bestehen, so können diese leicht zerstört werden.Ich erwähnte oben die Koffer der Ifaleute, welche in der Mitte die sechzehn Ifakerne und in vier Schalen, die nach den vier Himmelsrichtungen geordnet sind, vier verschiedene Stoffe enthalten. In Ifa erklärte mir nun ein Oluwo, daß die mit Schwefel oder Lehm gefüllte Schale das Opfer für Edschu aufnehme, die mit Kohlen gefüllte das für Schango und die mit Kalk gefüllte das für Obatalla, die mit Rotholz gefüllte dasjenige für Ogun. Daraus ergibt sich, daß in der Tat die Richtungslage der Götter damit ganz genau übereinstimmt. Wir finden auch hier wieder, genau wie in der Angabe über den Weg, Obatalla den Ogun gegenübergestellt (auf dem zweiten Wege) und Edschu dem Schango (auf dem Hauptwege). Dazu können wir noch eine dritte Angabe heranziehen, die sich ganz harmlos in eine der vorhergehenden Edschulegenden eingeschlichen hat. Als Edschu nämlich den Streit unter die Leute bringen will, geht er zwischen den Feldern der beiden Freunde hin. Er geht wohlgemerkt in umgekehrter Richtung seinem Schritte nach. Er hat eine Mütze auf, die vier verschiedene Farben hat. Es steht ausdrücklich in der Legende, daß die Mütze vorn grün, hinten schwarz, demnach auf der linken Seite rot, auf der rechten weiß war. Grün ist hier gleich zu setzen mit Gelb. Dann haben wir aber das Bild, daß der Gott, auf der Hauptstraße umgekehrter Richtung gehend, gelb dem Osten, schwarz dem Westen und die beiden Farben Obatallas und Oguns nach den beiden Enden des zweiten Weges (Norden und Süden) den herrschenden Göttern zuwendet. Also haben wir in dieser Legende das Bild der Wanderung über den Hauptweg, und zwar einer umgekehrt gerichteten Hauptwanderung (in der Umkehrung liegt der Grund des Streites), beschrieben. Es würde demnach also zu folgern sein, daß die vier Himmelsrichtungen, nach denen die sich kreuzenden beiden Weltwege sich wenden, von vier Göttern beherrscht werden. Es handelt sich nun um die Frage, ob wir vielleicht nicht noch anderes Beweismaterial für die Richtigkeit dieser verschiedenen, soweit untereinander glänzend übereinstimmenden Angaben finden.
Das ist nun in der Tat so.
Ifabretter;das obere 41 cm hoch, das untere 54 cm breit (coll. L. Frobenius; C. Arriens del.)
Die Götter der Woche und der Jahreszeiten. — Die entsprechende Parallele finden wir in der Gliederung der Jorubawoche. Die Joruben haben fünf Wochentage, welche ihrem Zeremoniell nach folgendermaßen geordnet sind:
I Odjo-awo, das ist der Tag des Geheimnisses, also der Tag Ifas.
2. Odjo-Ogun, das ist der Tag des Schmiede-, Schwert-und Kriegsgottes Ogun.
3. Odjo-Jakuta. Jakuta bedeutet so viel wie Steinschleuderer und bezieht sich stets auf den Gott Schango, welcher eben die Donnerkeile zur Erde sendet.
4. Odjo-Osche-Oschalla. Dies ist der heilige Tag des Himmeisgottes Oschalla oder Obatalla. Das ist gleichzeitig der heilige Tag für alle Götter, welche eine weiße Perlenkette, das Tschedsche-feng, um den Hals zu tragen pflegen.
5. Endlich haben wir den Odjo-Osche, das ist der heilige Tag, an dem die sämtlichen Götter in der Weise verehrt werden, daß ihre Tempel gereinigt und gewissermaßen sonntäglich geschmückt werden.
In Ife heißen die betreffenden Tage: der erste Odjafe (Ifas Tag), der zweite Aje-badju (Schangos Tag), der dritte Iremo (Oschallas Tag), der vierte Nikogun (Oguns Tag), der fünfte Aje-Osche (der heilige Tag). Die Woche als solche heißt Arun-Osche, d. h. die heilige Woche. Die Gliederung findet sich noch bei verschiedenen Stämmen der Westküste, während sonst im allgemeinen im großen südwestlichen Kassai- und Kongobecken die viertägige Woche und im Sudan die sieben- und neuntägige Woche vorherrscht. Die Woche gliedert sich also demnach in zwei verschiedene Teile, von denen der erste Teil die vier den bestimmten Göttern geweihten Tage enthält, während der zweite einen heiligen Tag hat, der gewissermaßen in der Mitte steht. Sehr wichtig ist nun die Angabe, die ich von einem Manne aus Alt-Ojo erhielt, der zufolge nämlich an allen vier Tagen vordem nicht je einer, sondern vier Götter verehrt werden, dies also zusammen eine Verehrung von sechzehn Hauptgöttern ergab.
Vergleichen wir nun den einen Teil der Woche, so sehen wir sich einander folgen: I die Verehrung des im Osten wohnenden Edschu, 2. die Verehrung des im Norden wohnenden Ogun, 3. die Verehrung des im Westen wohnenden Schango, 4. die Verehrung des im Süden wohnenden Obatalla. Daraus folgt, daß diese Gliederung genau dem Bilde entspricht, das wir von der Stellung der vier Haupt-Odu gewonnen haben. Aber wir sind in der Lage, noch ein anderes Vergleichsmoment heranzuziehen. Bei Ilescha gab es in alter Zeit einen Hügel, der als ganz besonders heilig galt und um den herum dementsprechend eine Stadt gegründet war. In der Mitte des Hügels war der Beschreibung nach ein Denkmal errichtet, das vier nach den
verschiedenen Himmelsrichtungen gewandte Köpfe zeigte. Diese vier Köpfe mußten in regelmäßigen Zeitabständen viermal im Jahre beopfert werden, und zwar ward jedesmal ein kleines Kind dargebracht. Als Opfertage wurden mir angegeben: Im Juni ein Opfer für den nach Osten gewandten Kopf, im September ein Opfer für den nach Norden gewandten Kopf, im Dezember ein Opfer für den nach Westen gewandten Kopf, im März ein Opfer für den nach Süden gewandten Kopf. Dazu bemerke ich, daß der Priester, wenn er mit seinen Anhängern um den im Hofe des Edschuheiligtums errichteten kleinen Erdhügel den zeremoniellen Tanz aufführt, zuerst auf der Ostseite ein Opfer darbringt und dann nach Norden, Westen und Süden herumschreitet. Vergleichen wir damit unsere andern Angaben, so sehen wir, daß genau ebenso den vier Köpfen auf den Hügeln bei Ilescha in den vier Vierteln des Jahres geopfert wurde, und daß in genau derselben Reihenfolge die Wochentage heilig sind, nämlich der erste dem im Osten wohnenden Edschu, der zweite dem im Norden wohnenden Ogun, der dritte dem im Westen wohnenden Schango, der vierte dem im Süden wohnenden Obatalla. Eine größere Übereinstimmung ist unmöglich. Die Reihenfolge der Gebete (der sakrale Turnus), die Bedeutung der Formen des Kuitgerätes, die Reihenfolge der Wochentage, die Reihenfolge der Jahreszeitenopfer und die Umwendung beim Gebete (der sakrale Turnus also) entsprechen einander ganz haarscharf.Aber noch mehr. In der Legende, in welcher erzählt wird, wie Edschu seinerzeit in den Besitz der Ifakerne gekommen ist, wurde angegeben, daß der Gott die Geheimnisse und die Wahrheiten der Würfel auf einer Wanderung, und zwar im Verlaufe eines Jahres an sechzehn Stellen in Erfahrung bringen müsse. Also treffen wir hier wieder die sechzehn Götter, die dem viermalviergliedrigen Systeme genau entsprechen, die sechzehn Götter, von denen die Ursprungslegende sagt, daß sie einstmals gleichzeitig von Jemaja in Ife geboren worden seien, die sechzehn Götter, die genau den sechzehn Odus des ganzen Orakelsystems entsprechen.
Wir haben also ein System, das in einem Hauptwege, der Sonnenfahrt entsprechend, den Osten mit dem Westen und auf dem zweiten Wege den Süden mit dem Norden verbindet. Ein System, welches das Weitrund im Kreislauf von Osten über Norden gehend umschreibt. Die Mütze auf Edschus Haupt, die vier Köpfe auf den Ifabrettern, der Inhalt der Kofferausschalungen entsprechen einander ganz genau. Wir haben also nicht eine Gruppe zusammengewürfelter Einzelheiten vor uns, sondern ein großes System, eine Weltauffassung, deren Zusammengehörigkeit heute den Eingeborenen zwar nicht mehr bekannt ist, aber aus den Einzelheiten noch mit großer Leichtigkeit rekonstruiert werden kann. In diesem Systeme ist uns der
Grund geboten, weswegen das System der Götter sowie jede Einrichtung des politischen und des sozialen Lebens von einem Rechts und einem Links ausgeht, da eben die Welt, entsprechend der Direktion der Hauptstraße, auch in ein Rechts und Links zerfällt.Verbreitung der Welt bildidee in Westafrika. —Ehe wir die Schilderung des Weltbildes der Joruben abschließen, ist es aber wichtig, die Frage aufzuwerfen, ob diese Vorstellung der Vierteilung der Welt in Afrika allein bei den Joruben heimisch ist oder auch bei andern Afrikanern. Da muß ich sagen, daß ich außerhalb des eigentlichen Nigergebietes bisher nichts Entsprechendes gefunden habe. Dagegen vermag ich auf zwei Anschauungen hinzuweisen, welche eine gewisse Verwandtschaft mit solchen Ideen belegen. Schon eine bei den Songai, von denen ich bei Mopti folgende Erklärung in bezug auf die Weltanschauung gewann: Im Himmel gibt es acht Wesen, welche den Regen auf die Erde senden. Zwei heißen Gala und wohnen im Osten, zwei heißen Sala und wohnen im Westen, zwei heißen Arba und wohnen im Norden, zwei heißen Mika und wohnen im Süden. Je nach dem Vorherrschen der entsprechenden Paare gibt es Regen oder Trockenheit. Im allgemeinen gilt als Anführer Gala, und zwar Gala-Babila. Welchen Gegenden die einzelnen Götter vorstehen, haben wir gesehen, welchen Jahreszeiten, das vermochte ich nicht mehr festzustellen.
Ferner fand ich ein ähnliches System bei den Mande, und zwar dasselbe, an das wir oben gelegentlich des Gewittergottes erinnert wurden (vgl. Bd. VIII). Saga-djigi, Tulluguri, Kunato und Fianto heißen hier die vier Himmeisgötter. Von diesen wohnt Saga-djigi, der Gewitterwidder, im Westen, also wie bei den Joruben, während an den drei andern eine entsprechende Verteilung nach den drei Himmelsrichtungen den verschiedenen Angaben nach schwankt. Ähnliche Anschauungen haben auch die Mahnke. Wir sehen also, daß von Senegambien aus eine gleiche Vorstellung bis über den mittleren Niger hinaus bei den Völkern, die nahe am Strome wohnen, noch heimisch ist, daß sie sich aber am unteren Niger bei den Joruben in vollkommenster Ausbildung erhalten hat. Ich werde Gelegenheit haben, über diese Verteilung im letzten Bande zu sprechen, betone aber hier, daß für die Beurteilung der afrikanischen Heimat oder des Einzuges in Afrika wesentlich sein muß, Ausläufer in Nachbargebieten zu finden.
Die größte und wichtigste Frage ist nun für uns die, ob wir irgendwo in der alten Kulturwelt ein annähernd gleiches Weltbild wieder finden. Im ersten Kapitel dieses Bandes ist die Antwort ausgedrückt.
III
VOLKS DICHTUNG
10. Kapitel: Das Volk dichtet
Der afrikanische Erdteil hat nur zwei Gebiete der Kulturformen einer hohen Mythologie: Ägypten und Joruba. Ägypten ein Oasenland strenger Isolierung und harter Ausstilisierung, dazu als mythologisches eines der vergangenen. Joruba imWalde und Steppenland mit weiten Beziehungen und kulturellen Übergängen in das Hinterland, ein weiches Tropenland, noch heute eine hohe Mythologie archaischen Stiles bergend wenn auch wiederum ein afrikanisches Negergebiet.
In Joruba also ein Stil im Volksleben. Ein Stil in Architektur und Kunst. Ein Stil in der Götterlehre. |
Und das gegenüber dem durch hundert Provinzen fast schleimig alles Spezielle verwaschenden afrikanischen Kontinentalstil, dem nur eben diese beiden Gruppen sich entziehen konnten: Joruba und das Land der Bakuba am Sankurru!
Da ist es selbstverständlich, daß die Dichtkunst des Volkes ebenfalls unser Interesse in Anspruch nehmen darf in der Aussicht, daß auch in ihr sich ganz spezielle Symptome ausgesprochener Stilbildung äußern müssen.
Und da fällt denn zuvörderst der außerordentlich große Anteil auf, den Ahun, die Schildkröte, der tierische Fabelheld der Joruba, im Gesamtbau einnimmt. Ist unser Augenmerk erst nach dieser Richtung gewendet, so kann auch die zweite Tatsache uns nicht entgehen, daß nämlich Ahun viel mehr als in andern Fabuleien seine tierische Natur abgelegt hat. Ahun ist hier nicht nur der Listige und Schelm unter den Tieren. Ebenso selbstverständlich tritt er in der menschlichen Gemeinschaft auf, ist ein emsiger Bote zwischen den Menschen, tritt sogar in Gemeinschaft mit den Göttern. Ja, wir stoßen auf bedeutsame kosmogonische Motive. Ahun tötet den Vogel Orischas, er bringt die Geschlechter zusammen. Unser Märchen "Tischlein deck dich" verbindet Ahun mit dem Gotte Olokun. In dem Märchen von den drei erfüllten Wünschen wird die Sonne der Welt gegeben. Ahun wird vom Orischa als Stock benutzt und so weiter. Gewiß ist, daß bei der intensiven Verbindung des Alltagslebens mit dem Götterglauben die Götter naturnotwendig oft mehr als es für Erhaltung ihrer Erhabenheit
wünschenswert wäre, in das Alltägliche herabgezogen werden und somit auch eines Tages in den Volkserzählungen Einzug halten konnten. Das Merkwürdige aber ist, daß die Orischas nur unter den Erzählungen und Märchen des 11. Kapitels ihren Platz haben, die sowieso motivmäßig in dem Geruch stehen müssen, aus einer hohen Mythologie zu stammen, daß sie sich aber in den das rein Menschliche behandelnden Stücken nicht eingebürgert haben.Ahun, der tierische Fabelheld, hat also eine nähere Beziehung zum Götterkreise erreicht als die Menschheit des Alltags.
Diese beiden Erscheinungen, die für afrikanische Verhältnisse ungemein umfassende Wirkungsfläche der tierischen Fabelhelden und das Übergreifen dieses Ahun vorzüglich bis in die Götterlehre geben der Volksdichtung der Joruba eine besondere Bedeutung. Hierzu erläuternd und aufklärend tritt dann noch, daß Ahun, die Schildkröte, ein durchaus (eine Ausnahme wird an besonderer Stelle Erwähnung finden) westafrikanischer Fabelheld ist und ganz ausgesprochen dem atlantischen Kulturkreis zugehört.
Aus der Beschreibung der Joruba als Menschen ist ersichtlich, daß dieses Volk keine besonders edlen Charakterzüge besitzt. Bei ungeheurer Klugheit verschlagen, boshaft, verlogen, gewinnsüchtig, roh bis zur Brutalität bei äußerer Geschmeidigkeit, Eleganz und großem Talent den Biedermann zu spielen. Wenn man nun die ersten der nachfolgenden Erzählungen und Märchen liest, tritt ein scharfer Gegensatz zu der Erfahrung des alltäglichen Lebens im Verständnis für das rein Menschliche im Sinne einer höheren Menschlichkeit hervor, das den Volkskenner geradezu erstaunt.
Das erste Stück vom "guten Mann" mag noch aufzufassen sein als eine sentenziöse Charakteristik, in der der Gute dem Schlimmen gegenübergestellt ist. Aber die Tatsache, daß ein so mildtätiger Mann überhaupt unter diesem Volke vorkommen soll, möchte den Kenner im ersten Augenblick verblüffen. Eine Erzählung wie die von der wiedergefundenen Tochter ist als liebenswürdiges Ideal in einem schweren Schicksalen unterworfenen Lande verständlich und wäre noch einzugliedern. Dagegen ist die lyrische Stimmung in der Geschichte von der ausgesetzten Henne stimmungsgemäß einfach der scharfe Gegensatz zu dem Charakterzug der klar berechnenden Nüchternheit, die echt jorubisch ist.
Es ist an dieser Stelle nur meine Aufgabe, auf das Merkwürdige dieser Erscheinung aufmerksam zu machen, ohne auf das bedeutungsvolle
Problem, das sich hier wie in allen stilstärkeren Volksdichtungen aufdrängt, auf die merkwürdige Beziehung zwischen Charakter und Erzählung eines Volkes eingehen zu wollen. Jedenfalls ist soviel sicher, daß Volksdichtung nicht nur Spiegelbild des Volkstypus in psychischer Hinsicht ist.
11. Kapitel: Erzählungen und Märchen
1. Der gute MannEin alter Mann hatte draußen seine Farm. Wenn er jemandem begegnete, pflegte er den Gruß zu wechseln: , ,Otscherre-Osche furae; botschere-Osche furae (Soll bedeuten: Wenn man gut handelt, fällt es auf einen zurück; wenn man nicht gut handelt, tut man es auch für sich selber.) Der alte Mann erhob sich jeden Morgen schon um fünf Uhr. Dann kochte er Maisspeise; dann kochte er Jamsspeise; dann bereitete er Bohnenkuchen. Er nahm Maisspeise und Jamsspeise und Bohnenkuchen mit sich. Er hängte seine Tasche um, in die steckte er Tabak und eine Tabakspfeife. Er rief seinen Jungen, dem gab er einen großen Wassertopf, den füllte er, so daß er mit viel Wasser, vieler Speise, vielem Tabak jeden Morgen auf seine Farm ging.
Auf seiner Farm stellte er das Essen beiseite, stellte er das Wasser beiseite und hängte er die Tasche mit Tabak und Pfeife hin. Wenn nun irgend jemand an seiner Farm vorüber ging, so begrüßte er ihn erst mit seinem Gruß und sagte dann: "Wenn du etwas Speise haben willst, dort steht welche! Wenn du etwas zu trinken wünschst, dort steht Wasser! Wenn du rauchen willst, dort liegen Pfeife und Tabak in der Tasche!"Jedermann in der Stadt und im Land kannte Otscheere und jeder wußte, daß Otsche-ere das tat um Gutes zu tun. Deshalb hatte er einen sehr guten Namen.
Eines Tages gingen zwei Brüder an Otsche-eres Farm vorüber. Sie waren auf dem Wege zu der Farm ihres Vaters. Der jüngere Bruder ging voran. Der ältere folgte. Der jüngere ging an einer giftigen Schlange vorüber, ohne sie zu sehen. Der ältere sah sie, hob sie, ohne daß der andere etwas davon sah, auf und steckte sie in die Tasche. Sie kamen an Otsche-ere vorüber. Otsche-ere begrüßte sie. Otsche-ere sagte dann: "Wenn ihr etwas Speise haben wollt, da steht welche, wenn ihr etwas zu trinken wünscht, da steht Wasser, wenn ihr etwas rauchen wollt, da stecken Tabak und Pfeife in der Tasche." Der ältere Bruder sagte: "Ich möchte etwas Jamsbrei essen!" Otsche-ere sagte: "Dort steht er! Nimm du nur!" Der jüngere Bruder sagte: "Ich möchte
eine Pfeife Tabak rauchen!" Otsche-ere sagte: "Dort hängt die Tasche mit Pfeife und Tabak. Nimm dir!"Der ältere Bruder ging hin und nahm von dem Jamsbrei. Er aß. Der jüngere Bruder ging hin, füllte sich eine Pfeife mit Tabak und rauchte sie. Der Otsche-ere sagte: "Ist mein Name unter den Leuten gut?" Der jüngere Bruder sagte: "Dein Name ist besser, als der aller andern Leute in der Stadt." Der ältere Bruder ärgerte sich hierüber und sagte: "Ich werde den Namen dieses Mannes vernichten." Der jüngere Bruder rauchte die Pfeife aus und steckte sie in den Sack. Der ältere Bruder aß seinen Jams auf und sagte: "Ich möchte noch eine Pfeife mit Tabak rauchen." Otsche-ere sagte: "Dort hängen Pfeife und Tabak in der Tasche. Nimm dir!" Der ältere Bruder nahm sich. Er rauchte; dann steckte er die Pfeife wieder in die Tasche. Dazu legte er aber die giftige Schlange, die er vordem gefangen hatte. Der jüngere Bruder sah es nicht. Otsche-ere konnte es nicht sehen. Er war vom Alter fast blind. Dann gingen die beiden Brüder zu ihrer Arbeit auf ihre Farm.
Später ging der ältere Bruder wieder heim. Er hatte seine Arbeit vollendet. Der jüngere Bruder blieb noch im Busch, um Feuerholz aufzusammeln. Auf dem Heimweg kam der ältere Bruder an Otsche-eres Farm vorbei. Otsche-ere fragte ihn: "Wenn du etwas Speise willst, dort steht solche; wenn du etwas zu trinken willst, dort steht Wasser; wenn du rauchen willst, dort stecken Pfeife und Tabak in der Tasche." Der ältere Bruder sagte: "Ich möchte nur etwas Wasser trinken."Otsche-ere sagte: "So schöpfe dir aus dem Kruge!" Der ältere Bruder schöpfte sich Wasser, trank es und ging dann weiter nach Hause. Inzwischen hatte auch der jüngere Bruder seine Arbeit im Busch beendet. Er kam mit einem Bündel Feuerholz auf dem Kopfe an der Farm Otsche-eres vorbei. Otsche-ere sagte zu ihm: "Wenn du etwas Speise haben willst, dort steht solche; wenn du etwas zu trinken wünschst, dort steht Wasser; wenn du rauchen willst, dort stecken Pfeife und Tabak in der Tasche!" Der jüngere Bruder sagte: "Ja, gib mir ein wenig Tabak und eine Pfeife." Otsche-ere sagte: "Nimm dir nur!" Der jüngere Bruder legte am Wege seine Holzlast ab und kam auf die Farm. Er ging dahin, wo die Tasche hing, dann griff er hinein, um Pfeife und Tabak zu nehmen.
Als er aber in die Tasche griff, biß ihn die kleine giftige Schlange, die der Bruder heute früh hineingesteckt hatte, so daß der jüngere Bruder sogleich starb. Als der Bursche starb, schrie er. Auf den Schrei hin kamen Menschen herbei. Die Menschen sahen, daß der
Junge tot war und daß ihn eine kleine Schlange gebissen hatte. Die Leute fragten: "Was ist hier geschehen?" Der alte Otsche-ere sagte: "Dieser junge Mensch wollte gerne eine Pfeife Tabak bei mir rauchen. Ich zeigte ihm die Tasche, in der der Tabak war. Er ging hin, er schrie und ist tot." Die Leute sahen in die Tasche. Sie fanden die Schlange. Die Leute sagten: "Du bist schuld an dem Tode dieses Burschen, denn du hast eine giftige Schlange in deiner Tasche!"Die Leute brachten Otsche-ere vor den Osi. Sie sagten dem Osi alles. Alle Leute kamen bei dem Osi zusammen und sprachen über die Sache. Der Osi sagte endlich: "Ich werde dich töten lassen müssen." Die Leute des Königs standen da und schliffen die Messer. Man wollte Otsche-ere töten, da trat der ältere Bruder in die Mitte und sagte: "Ich will etwas sagen!" Die Leute waren alle still. Der ältere Bruder sagte: "Laßt diesen Otsche-ere leben. Er ist ein guter Mann, der jedem immer das beste gegeben hat, was er hatte. Ich war ärgerlich darüber, daß alle Leute von diesem guten Manne soviel Aufhebens machten. Er sprach mit meinem Bruder über seinen guten Namen. Das ärgerte mich noch mehr. Ich hatte die kleine giftige Schlange in meinem Kleid. Ich steckte sie im Ärger in seine Tasche. Nachher wollte mein Bruder aus dieser Tasche Tabak und Pfeife herausnehmen und ward von der Schlange, die ich hineingesteckt hatte, so gebissen, daß er starb. Otsche-ere ist aber nicht schuld daran, ich bin schuld daran. Otsche-ere sagte selbst immer: "Handle gut, dann wird es dir vergolten; handle nicht gut und es wird dir vergolten. Ich habe schlecht gehandelt."
Der Osi sagte: "Dieser Otsche-ere ist ein sehr guter Mann." Der Osi schenkte ihm viele gute Sachen. Den älteren Bruder gab man seiner Familie, damit die ihn strafe.
2. BerufeEine Frau hatte drei Kinder. Die Frau wurde alt, die Kinder wurden größer. Es waren drei starke Burschen. Als sie größer waren, fragte die Frau den ersten: "Was willst du werden?" Der älteste sagte: "Ich möchte die Farm bestellen. Das ist eine gute Arbeit." Die Mutter fragte den zweiten: "Was willst du werden?" Der zweite sagte: "Ich möchte die Wege in Ordnung halten (vom Gras befreien); dafür wird man mir danken."Die Mutter fragte den dritten: "Was willst du werden?" Der dritte sagte: "Ich möchte ein Jäger werden. Als Jäger braucht man nicht soviel zu arbeiten."
Darauf kaufte die Mutter ein Gewehr und gab es dem jüngsten.
Der wurde nun Jäger. Sie kaufte einen Besen (Owuo; der Owuo dient zum Wegkehren), gab ihn dem zweiten und der wurde nun Straßenreiniger. Sie kaufte nun eine Öko, gab ihn dem ältesten und der wurde nun ein Mann, der seine Farm bestellt. Jeder von den dreien ging seiner Arbeit nach. Der älteste wurde bald wohlhabend. Der zweite wurde angesehen. Der dritte lebte meist im Busch.Jeden Abend kam der Mann von der Farm heim, jeden Abend der zweite von den Wegen. Aber der Jäger blieb oft vier bis fünf Tage weg, ohne in die Stadt zurückzukehren. Eines Tages war er im weiten Busch, als ein Regen anfing. Der Regen währte sehr lange. Er wurde nicht schwächer, sondern stärker. Als der Regen immer weiter herablief, sagte der Jäger: "Ich werde lieber nach Hause gehen." Er wollte nach Hause gehen. Er fand den Weg nicht. Er wußte nicht, wo er war. Er begann zu schreien. Er heulte: "Ich finde nicht den Weg nach Hause!"
Von allen Seiten floß das Wasser wie Bäche. Die Rinnen vereinigten sich. Das Wasser packte den jungen Jäger und führte ihn fort. Der Jäger konnte schwimmen. Er hielt sich über Wasser. Er wurde weiter und weiter getragen. Endlich war da ein alter Jäger. Als er an dem vorbeikam, faßte ihn der mit der Hand und zog ihn heraus. Der alte Jäger brachte den jungen in sein Lager (Abule). Er zündete ein Feuer an und sagte: "Wärme dich!" Er gab ihm Speise und sagte: "Iß!" Dann stellte er sich selbst ans Feuer, um trocken zu werden. Der alte Jäger sang:
"Die Mutter hat dem Jungen ein Pferd (Esin) gegeben. Wenn der Junge das Pferd totgeschossen hat, Weiß er, ob er die Antilope treffen wird, Der Junge hat es aber nicht getan. Die Mutter hat dem Jungen einen Ochsen gekauft, Wenn der Junge den Ochsen totgeschossen hat, Weiß er, ob er die Antilopen treffen wird. Der Junge hat es nicht gewollt. Er ist als Jäger in den Busch gelaufen. Weil der Jäger das nicht tat, Kann er nun nicht schießen!" |
Dann sagte der alte Jäger zu dem Jungen: "Ich habe dich aus dem Wasser aufgefischt. Nun bist du mein Sklave!" Der Junge dachte bei sich: "Das kommt davon, daß ich nicht arbeitete, wie meine Brüder gearbeitet haben. Nun bin ich ein Sklave." Der junge Jäger starb dann.
3. KindesuntersdziebunßE in Mann heiratete eine Frau. Aber diese erste Frau (Jale) ward nicht schwanger. Dann kaufte sich der Mann eine Sklavin. Er beschlief die Sklavin. Sie ward schwanger. Ihr Bauch ward dick. Als die Jale sah, daß die andere Frau einen dicken Bauch hatte, nahm sie eine Kalebasse, band sie sich unter und sagte: "Ich bin auch schwanger." Dann ging sie immer mit der Kalebasse umher.
Eines Tages begannen bei der Sklavin die Wehen. Die Jale sagte: "Komm mit hinter das Haus, ich will dir helfen." Sie gingen hinter das Haus. Die Jale nahm aber einen großen Stein mit. Als das Kind der Sklavin nun geboren ward, fing die Jale es auf, wickelte es in ihr Umschlagtuch und legte dafür den Stein hin. Sie wälzte den Stein im Blute hin und her und sagte: "Sieh, du hast ja kein Kind geboren, sondern einen Stein." Dann ging sie mit dem Kinde in das Haus. Am andern Morgen zeigte sie das Kind den Leuten und sagte: "Dieses Kind habe ich in dieser Nacht geboren." Das Kind war ein Junge.
Als der Junge größer war, ging er auf die Jagd. Er ging in den Busch und jagte. Er erlegte ein Etu (wildes Perihuhn). Als das Perihuhn starb, sang es: "Gib mich deiner Mutter, das ist die Sklavin deines Vaters! Gib mich nicht der Jale. Die Jale hat eine Kalebasse unter dem Lendentuch getragen. Sie schob deiner Mutter einen Stein unter. Sie hat dich deiner Mutter gestohlen." Der Knabe nahm das tote Perihuhn und ging heim.
Zu Hause legte er das Perihuhn der Sklavin hin. Der Jale aber brachte er einen Stein. Die Jale fragte ihn: "Wie kannst du das Perlhuhn der Sklavin bringen? Bin ich nicht etwa deine Mutter? Wie kannst du mir nur einen Stein geben?" Der Junge sagte: "Mein Blut sagte mir, daß die Sklavin meine Mutter ist. Mein Blut sagte mir, daß du eine Kalebasse unter dem Lendentuch getragen hast. Mein Blut sagte mir, daß du meiner Mutter einen Stein untergeschoben hast. Mein Blut sagte mir, daß du mich meiner Mutter gestohlen hast. Aber, wenn du willst, kannst du klagen!" Die Jale sagte: "Wir wollen nicht darüber sprechen."
Seitdem wagt man nicht mehr Kinder zu vertauschen, denn das Blut spricht.
4. Die wiedergefundene TochterTalekuru (ein Mann) heiratete Adji-befun (eine Frau). Die Frau ward schwanger und gebar ein Kind, das war ein Mädchen. Es war eine große Not. Niemand hatte viel zu essen. Lalekuru und Adji-befun
waren damals arm. Adji-befun gab dem Kinde jeden Morgen zehn Kaurimuscheln (ewoa). Damit kaufte sich das Kind jeden Tag auf dem Markt Zuckerrohr und aß das. Auf dem Markte blieb das Mädchen, legte sich unter einen Baum und schlief und abends rannte es dann wieder heim. Am andern Morgen bekam es abermals zehn Kauri und so lebte es mehrere Jahre.Eines Tages kam aber Krieg von auswärts. Das Mädchen Laiekurus und Adji-befuns ward gefangen und mit fortgeschleppt. Der neue Herr war schlecht. Er verkaufte das Mädchen an einen andern. Der war wieder schlecht. Inzwischen ging es Lalekuru besser, und er konnte eine zweite Frau heiraten. Es ging ihm besser und er konnte sich Sklaven kaufen. Adji-befun ging hin und suchte für sich ein Sklavenmädchen. Sie kaufte sich dann ihre eigene Tochter, aber weder die Mutter sah, daß es ihr Kind war, noch erkannte das Kind seine Mutter. Sie nahm das Mädchen mit nach Hause.
Daheim gab sie dem Mädchen die schlechte Rinde des Jams, daß es sich daraus Essen mache. Dann gab sie ihm ein Bündel Guineakorn und sagte: "Ich gehe fort. Stampfe dies inzwischen!"Adjibefun ging fort. Das Mädchen wußte nicht, daß die zweite Frau Laiekurus in dem Nebenraum war, wo sie alles hören konnte. Das Mädchen begann das Korn zu stampfen und sang dazu:
"Tintin-redjegene! Tintin-redjegene! Meine Mutter Adji-befun! Mein Vater Lalekuru! Jeden Morgen gabt ihr mir zehn Kauri; Jeden Tag schlief ich auf dem Markt. Dann kam der Krieg ins Land! Dann wurde ich verkauft! Nun finde ich den Weg nicht mehr heim!" |
Die zweite Frau Lalekurus hörte das im Nebenraum. Sie verhielt sich ganz still. Als Adji-befun am Abend heimkam, sagte sie: "Gib dem neuen Sklavenmädchen morgen wieder Korn zu stampfen. Geh hinaus, steige aber hier auf den Zwischenboden und höre zu, was das Mädchen singt." Am andern Tag gab Adji-befun dem Mädchen erst Rinde vom Jams, daß es sich Essen daraus koche. Dann gab sie ihm ein Bündel Guineakorn und sagte: "Ich gehe fort, stampfe das inzwischen."Adji-befun ging hinaus.
Adji-befun ging aber nicht weit fort, sondern stieg auf den Zwischenboden. Das Mädchen begann das Korn zu stampfen und sang dazu:
"Tintin-redjegene! Tintin-redjegene! Meine Mutter Adji-befun! Mein Vater Lalekuru! Jeden Morgen gabt ihr mir zehn Kauri! Jeden Tag schlief ich auf dem Markt! Dann kam der Krieg ins Land! Dann wurde ich verkauft! Nun finde ich den Weg nicht mehr heim!" |
Als Adji-befun das hörte, sprang sie vom Zwischenboden herab und sagte zu dem Mädchen: "Wenn du mein Kind bist, dann kann deine Haut nicht fortgehen!"Adji-befun goß meinen großen Kessel heißes Wasser. Sie setzte das Mädchen hinein. Dann machte sie Feuer darunter. Es wurde das Wasser ganz heiß, so daß man nicht hineinfassen konnte. Das Mädchen aber sagte: "Ach, es ist mir so kalt!" —Daran erkannte die Mutter, daß es ihre eigene Tochter sein müßte.
Seitdem gibt man den Erru (Sklaven) nicht mehr schlechtes Essen.
5. Das dreimal versprochene MädchenEin Mädchen war sehr hübsch. Ein Jäger kam zum Vater des Mädchens und sagte: "Gib sie mir zur Frau!" Der Vater war einverstanden. Das Mädchen war einverstanden. Ein Bauer (Agbe) kam zum Vater des Mädchens und sagte: "Gib sie mir zur Frau!" Der Vater war einverstanden. Das Mädchen war einverstanden. Ein Babalawo kam zum Vater des Mädchens und sagte: "Gib sie mir zur Frau!" Der Vater war einverstanden. Das Mädchen war einverstanden. Der Jäger zahlte. Der Bauer zahlte. Der Babalawo zahlte. Keiner von ihnen traf je einen der andern beiden.
Das Mädchen wuchs heran. Das Mädchen wurde groß. Der Jäger kam und sagte: "Nun gib mir meine Frau!" Der Vater sagte: "In acht Tagen werde ich sie dir geben!" Der Bauer kam und sagte: "Nun gib mir meine Frau!" Der Vater sagte: "In acht Tagen werde ich sie dir geben!" Der Babalawo kam und sagte: "Nun gib mir meine Frau!" Der Vater sagte: "In acht Tagen werde ich sie dir geben!" Der Jäger sagte in der Stadt: "In acht Tagen werde ich dies Mädchen heiraten!" Der Bauer sagte in der Stadt: "In acht Tagen werde ich dies Mädchen heiraten!" Der Babalawo sagte in der Stadt: "In acht Tagen werde ich dies Mädchen heiraten!" Die Leute in der Stadt sagten: "Wer hat gehört, daß ein Vater seine Tochter drei Männern zur Frau gibt und sich von drei Männern zahlen läßt?!"
Die Stadt, in der der Vater mit dem Mädchen wohnte, lag in der
Nähe einer andern, die Krieg gegen sie führte. Alle Frauen kamen zu dem Mädchen und sagten: "Du wirst heiraten? Wen wirst du heiraten ?" Am Tage, ehe die acht Tage verstrichen waren, ging das Mädchen zum Tor ihrer Stadt hinaus und sagte: "Alle sagen: Wen wirst du heiraten? Soll ich den Jäger heiraten? Er bringt immer Fleisch nach Hause! Soll ich den Bauern heiraten? Er hat Korn und Jams im Hause! Soll ich den Babalawo heiraten? Er hat viel Gift und ist mächtig! Wen soll ich heiraten? Das Mädchen ging durch die Farmen. Ein Mann aus der andern (feindlichen) Stadt sah sie. Der Mann ergriff sie. Der Mann schleppte sie in die andere Stadt.Am andern Tag kam der Jäger zu dem Vater und sagte: "Wo ist meine Frau?" Es kam der Bauer und sagte: "Wo ist meine Frau?" Es kam der Babalawo und sagte: "Wo ist meine Frau?" Alle drei gingen zum Bale. Der Bale sagte: "Der Vater muß das Geld zurückzahlen." Der Mann konnte nicht bezahlen. Er ward verkauft.
Wer verheiratet auch seine Tochter dreimal?!
6. Jäger und Bauer (gekürzt erzählt)Ein Jäger (ode) und ein Bauer (Joruba agbe, Haussa menuma, Nupe enunusi) streiten miteinander. Jäger zum Bauer: "Was kannst du Besonderes?" Bauer zum Jäger: "Was kannst du Besonderes ?"Jäger: "Ich kann einen Affen mit sechzehn Schwänzen fangen." Der Bauer sagt: "Ich kann einen Kornhalm mit sechzehn Händen heimbringen." Keiner glaubt dem andern. Großer Streit. Beide gehen zum Mesi (König). Der hört die Behauptungen beider an und verspricht jedem, der seine Behauptung zu bewahrheiten vermag, vierzigtausend Kauri.
Der Agbe begibt sich sogleich auf seine Farm, sucht nach einem Kornhalm mit sechzehn Händen und findet keinen.
Der Ode reibt seinen Körper grau ein, nimmt Pfeil und Bogen, geht in dem Wald dahin, wo der sechzehnschwänzige Affe immer vorbeikommt und legt sich auf den Boden wie schlafend, in der rechten Hand die Pfeile, in der linken Hand den Bogen neben sich. Ein roter Affe (der sechzehnschwänzige ist der Husarenaffe) kommt auf dem Wege zum Wasser an dem scheintoten, grauen Jäger vorbei, sieht ihn an und berichtet den andern dann am Flusse. Alle Affen, unter ihnen auch der sechzehnschwänzige kommen zum scheintoten Jäger. Ein alter Affe singt: "Der Jäger ist gestorben; jetzt liegt er am Boden, den Bogen in der linken Hand, die Pfeile in der rechten Hand!" Der alte Affe springt dem Jäger auf die Brust,
dann auf die andere Seite wieder auf die Erde und von dannen. Ein zweiter Affe kommt und singt: "Wer weiß, ob der Jäger tot ist. Er hat den Bogen in der einen Hand und den Pfeil in der andern. Niemand sah einen toten Menschen vorher so!" Dann kommt auch der sechzehnschwänzige Affe. Der sechzehnschwänzige Affe springt auf den Jäger, setzt sich auf seine Brust und singt: "Der Jäger hier ist tot. Der kann niemand mehr etwas tun." Dann will der sechzehnschwänzige wegspringen. Der Jäger packt ihn aber an seinen sechzehn Schwänzen und schwenkt ihn einige Male hin und her. Dann nimmt ihn der Jäger und bindet dem Sechzehnschwänzigen die Füße zusammen. Er nimmt ihn auf, und geht mit ihm in die Stadt.Der Jäger bringt den gebundenen Sechzehnschwänzigen dem König. Der König erklärt sich sehr erfreut und fragt nach dem Bauern. Der Bauer wird gesucht und endlich gefunden. Vor den König gebracht, erklärt er, das sechzehnhändige Korn vordem gesehen, aber seitdem aus dem Auge verloren zu haben. Der König beschenkt nun den Jäger mit vierzigtausend Kauri und einem Kleid. Den Bauern aber erklärt er für einen Lügner, der getötet werden müsse. Der Bauer bittet um sein Leben und bietet dafür zweihunderttausend Kauri. Der König nimmt das an. Der Bauer hat zwei Kinder. Ein Mädchen mit Namen Detolla und einen Knaben mit Namen Bodjuriennu-dake. Beide Kinder verkaufte er an verschiedene Leute, für je eine Million, um so das Lösegeld zu gewinnen. Der Knabe sagte zu seinem neuen Herrn immer: "Wenn ein Auge sieht (bodjuri) der Mund (ennu) soll still sein (dake). Hätte ein Vater nicht soviel gesprochen, wäre ich noch daheim!"
7. Die ausgesetzte HenneEine alte Frau kaufte eine Henne (Adje) für drei Kauri. Nach einiger Zeit wurde die Henne krank. Die Frau nahm die Henne und trug sie in den Busch. Sie setzte sie im Busch aus. Im Busch wurde die Henne gesund. Die Henne wurde dick. Die Henne legte drei Eier. Die Henne brütete die Eier. Die Eierschalen zerbrachen; es kamen drei Hühner heraus. Die Henne gab den drei Kücken die Namen: Akisoro, Alliosu und Aroduque.
Eines Tages trug die alte Frau Schmutz in den Busch. Die Frau sagte: "Mein Huhn wird in diesem Busch gestorben sein, aber ich will es rufen." Die Frau rief: "Kukukukukukukuku!" Das Huhn hörte es. Das Huhn kam mit seinen drei Kücken angelaufen. Das Huhn sang: "Du kauftest mich für drei Kauri. Ich wurde krank. Du
brachtest mich in den Busch. Ich legte im Busch drei Eier. Ich brütete sie aus. Drei Kücken kamen heraus. Ich nannte sie Akisoro, Alliosu und Aroduque. Jetzt will ich mit dir und meinen Kindern in dein Haus zurückkehren." Die Frau hörte das Huhn singen. Die Frau erschrak. Die Frau sagte: "Bin ich nicht alt? Habe ich je in meinem Leben ein Huhn singen gehört?" Die Frau lief so schnell sie konnte in die Stadt zurück.Die Frau kam zu dem Manne. Sie sagte: "Ich bin alt geworden und habe das noch nicht gehört. Im Busch ist mein Huhn. Mein Huhn singt. Geh hin und hör' es selbst!"Der Mann nahm ein Messer. Er ging mit der Frau in den Busch. Der Mann sagte: "Rufe dein Huhn." Die Frau rief: "Kukukukukukukukuku!" Das Huhn kam. Das Huhn sang: "Du kauftest mich für drei Kauri. Ich wurde krank. Du brachtest mich in den Busch. Ich legte im Busch drei Eier. Ich brütete sie aus. Drei Kücken kamen heraus. Ich nannte sie Akisoro, Alliosu und Aroduque. Jetzt will ich mit meinen Kindern in dein Haus zurückkehren." Der Mann und die Frau hörten das Huhn singen. Der Mann und die Frau erschraken. Der Mann sagte: "Bin ich nicht alt? Bin ich nicht alt? Habe ich je ein Huhnsingen hören?" Der Mann warf sein Messer weg und lief schnell mit der Frau wieder nach Hause.
Der Mann ging zum Bale und sagte: "Meine Frau und ich sind alt geworden und wir haben das noch nicht gehört. Im Busch ist das Huhn meiner Frau. Das Huhn singt. Schick hin und laß das auch andere hören!" Der Bale sagte: "Wir wollen es alle hören. Ich will auch mitgehen." Der Bale rief alle Leute zusammen. Die Leute kamen mit Stöcken und Lanzen und Bogen und Pfeilen und Messern. Der Bale sagte zu der Frau: "Zeige uns den Weg!" Die Frau ging voran. Die Frau sagte: "Hier herum ist es!" Der Bale sagte: "Rufe dein Huhn!" Die Frau rief: "Kukukukukukukukuku!" Das Huhn kam. Das Huhn kam mit seinen Kücken an. Das Huhn sang: "Du hast mich für drei Kauri gekauft. Ich wurde krank. Du brachtest mich in den Busch. Ich legte im Busch drei Eier. Ich habe sie ausgebrütet. Drei Kücken kamen heraus. Ich nannte sie Akisoro, Alliosu und Aroduque. Jetzt will ich mit dir und meinen drei Kindern in dein Haus zurückkehren!" Der Bale und alle Leute hörten das Huhn singen. Der Bale und alle Leute erschraken. Der Bale sagte: "Bin ich nicht alt? Bin ich nicht schon zwei Jahre Bale gewesen? Habe ich je ein Huhn singen gehört? Sollte das nicht eine schlechte Sache für mich sein?"Der Bale und alle Leute warfen Stöcke und Lanzen
und Bogen und Pfeile und Messer weg. Der Bale und alle Leute liefen schnell zur Stadt zurück.Der Bale sagte in der Stadt: "Das ist eine Sache für die alten Leute und die Babalawos." Alle alten Leute und Babalawos kamen zusammen. Sie taten alle magischen Mittel (Ogun) zusammen. Sie sagten zu der Frau: "Zeige uns den Weg!" Die Frau ging voran. Die Frau sagte: "Hier herum ist es!" Die alten Leute und Babalawos sagten: "Rufe dein Huhn!" Die Frau rief: "Kukukukukukukuku!" Das Huhn kam. Das Huhn kam mit seinen Kücken an. Das Huhn wollte anfangen zu singen. Ein alter Mann stand auf und sagte: "Singe nicht! Sage nur, was du willst." Das Huhn sagte: "Die Frau soll mich und meine Kinder mit nach Hause nehmen." Der alte Mann sagte: "Dann wollen wir nach Hause gehen!" Die Frau ging voran. Das Huhn und die drei Kücken liefen hinterher. Sie kamen nach Hause. Der Mann baute dem Huhn und den Kücken einen Stall.
8. Die entführte SprödeEin Mann hatte eine Tochter. Die Tochter war sehr schön. Erri (der Elefant) sagte zu dem Mädchen: "Ich möchte dich heiraten!" Das Mädchen sagte: "Ich mag dich nicht heiraten!"Der Vater sagte: "Was, du willst diesen großen Mann nicht heiraten? Ich möchte den Mann sehen, den du einmal heiraten wirst."
Ina (das Feuer) kam und sagte zu dem Mädchen: "Ich möchte dich heiraten." Das Mädchen sagte: "Ich mag dich nicht heiraten." Odjo (der Regen) kam und sagte zu dem Mädchen: "Ich möchte dich heiraten." Das Mädchen sagte: "Ich mag dich nicht heiraten." Ina ward zornig. Odjo ward zornig.
Ina (das Feuer) kam aus der Ferne heran. Ina sagte: "Jetzt werde ich dich mit Gewalt nehmen!" Das Feuer kam näher heran. Das Mädchen rief: "Das Feuer kommt! Das Feuer ist rot! Du Odjo bist schwarz! Komm, hilf mir Odjo!"Odjo kam schwarz am Himmel empor (die Gewitterwolkenwand). Das Feuer kam näher und sagte: "Jetzt werde ich dich mit Gewalt nehmen!" Das Mädchen rief: "Das Feuer kommt! Das Feuer ist rot! Das Feuer will mich nehmen! Du bist schwarz Odjo! Komm, hilf mir Odjo!"Odjo stieg höher hinauf.
Das Feuer war ganz nahe. Das Feuer wollte nach dem Mädchen greifen. Das Mädchen rief: "Hilf mir Odjo! Ehe Ina kommt, will ich dich heiraten!" Das Feuer war bei dem Mädchen. Das Mädchen sang: "Meine ganze Haut ist heiß. Das Feuer will mich packen. Aber
du Odjo am Himmel wartest noch!"Der Regen fiel. Der Regen tötete das Feuer. Der Regen nahm das Mädchen mit hinauf in den Himmel. Ein Mädchen soll nicht alle Männer ausschlagen, die es begehren.9. Die verwöhnte TochterEine Frau hieß Aweru. Sie lebte im Marktplatze Udjedje. Sie hatte eine Tochter, die hieß Udjedje. Udjedje aß aber nichts als Eier. Udjedje aß nur Eier und nichts anderes. Die Mutter gab ihre Tochter Udjedje einem Manne zur Frau. Der Mann wohnte weit fort. Die Frau begleitete ihre Tochter. Sie gab ihrer Tochter noch vierzig Eier. Dann ging die Frau zurück nach Udjedje.
Die Frau Udjedje aß nur Eier. Der Mann Udjedjes heiratete eine zweite Frau. Udjedje ging einmal zum Ufer, um Wasser zu holen. Inzwischen nahm die andere Frau vier Eier Udjedjes, kochte sie und aß sie auf. Es blieben Udjedje nur vier Eier übrig. Nach einiger Zeit kam Udjedje mit dem Wasser vom Ufer zurück.
Udjedje sah, daß nur vier Eier übriggeblieben waren. Udjedje begann zu weinen und sang: "Meine Mutter gab mir Eier. Orungun (die zweite Frau) stahl davon. Orungun aß sie. Ich habe niemand, der nach dem Udjedjemarkt zu meiner Mutter geht. Ich habe niemand, der meiner Mutter sagen kann, daß die Orungun mich bestahl." Udjedje sang. Udjedje sank bis an die Knie in die Erde.
Udjedje weinte und sang: "Meine Mutter gab mir Eier. Orungun aß sie. Ich habe niemand, der zum Udjedjemarkt zu meiner Mutter geht. Ich habe niemand, der meiner Mutter sagen kann, daß die Orungun mich bestahl."Udjedje sang. Udjedje sank bis an den Haarschopf in die Erde. Nur die Haare blickten noch aus der Erde heraus.
Die Mutter Udjedjes kam. Die Mutter Udjedjes wollte Udjedje aus der Erde ziehen. Die Mutter Udjedjes packte die Haare. Die Haare rissen ab. Udjedje blieb in der Erde. Andere Leute zogen an den Haaren. Sie rissen ab. Wer die Haare an seinen Kopf hielt, dem wuchsen die Haare lang. Udjedje blieb aber in der Erde.
Man soll sein Kind nicht so erziehen, daß es nur eine Sache essen mag.
10. Nachtflucht des FlötenbläsersEin Mann heiratete eine Frau. Sie hatten ein Kind, das war ein Sohn. Der Sohn wuchs heran. Der Vater fragte den Buben: "Welche Arbeit macht dir Freude ?" Der Sohn entgegnete: "Ich blase gerne Flöte." Der Sohn bekam eine Flöte und blies immer
Flöte (Ferre). Der Vater nahm den Jungen immer mit, wenn er auf die Farm ging. Der Junge blies auf dem Wege hin. Der Junge blies beim Ausruhen. Der Junge blies, wenn sie nach Hause gingen.Eines Abends war der Junge mit seinem Vater von der Farm wieder fortgegangen, um nach Hause zu wandern. Sie waren schon ein Stück gegangen. Es begann schon dunkel zu werden. Der Junge sagte zu seinem Vater: "Ich habe meine Flöte vergessen. Ich muß noch einmal zurücklaufen." Der Vater sagte: "Laß das bis morgen. Es wird Nacht bis du heimkommst. Man soll nicht nachts auf der Farm herumlaufen!" Der Junge sagte: "Ich muß aber zurückgehen, denn ich kann meine Flöte nicht liegen lassen." Der Vater sagte: "Laß es!" Der Junge sagte: "Ich muß!"
Der Junge lief zurück. Als er zur Farm zurückkam, war es Nacht, aber der Mond schien. Er sah, daß alle Tiere da waren. Die Tiere standen um die Flöte. Ein Tier nach dem andern versuchte darauf zu blasen. Es konnte aber keines. Die Tiere sahen den Burschen. Der Elefant sagte: "Komm, Junge! Dir gehört die Ferre. Zeige uns, wie man die Ferre bläst." Sie gaben ihm die Flöte. Der Bursche nahm die Flöte. Er begann die Flöte zu blasen. Der Elefant sagte zu dem Burschen: "Wir wollen auf und ab tanzen!" Der Elefant sagte zu dem Affen: "Bleib du bei dem Jungen, daß er nicht wegläuft!"
Der Junge blies die Flöte. Alle Tiere begannen zu tanzen. Die Tiere tanzten immer weiter fort. Als die andern Tiere ganz weit fortgetanzt waren, sagte der Affe: "Nun blase für mich! Ich will auch ein wenig tanzen!" Der Junge blies für den Affen. Der Affe tanzte. Dann kamen die andern Tiere zurückgetanzt. Der Leopard sagte: "So, nun blase für mich besonders. Der Affe soll solange bei dir bleiben!" Die andern Tiere waren wieder weggetanzt. Der Leopard tanzte weg. Dann blieb auch der Affe nicht mehr da. Er tanzte auch weg. Als auch der Affe fortgetanzt war, begann der Junge wegzulaufen, so schnell er konnte.
Zwischen der Farm und seinem Vaterdorfe waren sieben Hügel. Der Junge lief fort so schnell er konnte. Er kam ungehindert bis auf den vierten Hügel. Als er auf dem vierten Hügel war, kamen die Tiere auf den Spielplatz zurück. Der Leopard fragte den Affen: "Wo ist der Junge? Ich sagte dir doch, auf ihn aufzupassen!" Der Affe sagte: "Ich sehe ihn nicht." Die Tiere sagten: "Es muß jemand hinter ihm herlaufen und ihn zurückbringen." Die Tiere sagten: "Der Elefant soll hinterher laufen." Der Elefant sagte: "Ich will nicht!" Die Tiere sagten: "Dann soll der Leopard hinter ihm herlaufen
und ihn holen." Der Leopard sagte: "Ich will nicht!"Die Tiere sagten: "Für dich hat er zuletzt geblasen! Du mußt ihn zurückholen!" Der Leopard sagte: "Gut, ich will hinlaufen, wenn Ulingini (Hauskatze) meinen Sack trägt und vor mir herlaufen will."Die Tiere sagten: "Das muß die Hauskatze tun!"Der Leopard und die Hauskatze machten sich auf den Weg. Ehe der Junge auf den fünften Hügel kam, war der Leopard mit der Hauskatze schon auf dem vierten. Vom vierten Hügel sah der Leopard den Jungen und er sang: "Aquode-Illide! Aquode-Illide!"(ein Zaubergesang, der den Jungen zwingen soll, langsam zu gehen, bis der Leopard ankommt). Als der Junge das hörte, sang er: "Ojibenjakaja ferekujae oji!" (ein Zaubergesang, der den Wind veranlassen soll, ihn schnell zu seiner Mutter zu tragen). Als der Junge das gesungen hatte, nahm ihn der Wind auf und setzte ihn vor der Tür des Elterngehöftes nieder. Der Leopard war ganz dicht hinter ihm. Seine Mutter war im Hause gerade mit der Wäsche mit Seife beschäftigt. Sein Vater war gerade mit dem Färben mit Indigo beschäftigt. Als der Junge nun in der Tür ankam und die Eltern den Leoparden hinter ihm sahen, spritzten sie die beschmutzten Händegegen den Leoparden. So konnte der Leopard mit seinen Pranken nur noch am Rücken des Jungen herabfahren.
Von diesem Prankenstreich kommt es, daß die Menschen eine Vertiefung längs des Rückens haben. Von den Seifen- und Indigospritzern kommen die Flecken des Leoparden.
11. Bestrafter HerrenwilleEin alter Mann hatte sehr viel Geld und Besitztum. Er hatte zwölf Kinder, von denen waren sieben Burschen und fünf Mädchen. Außerdem hatte er einen Uofa*. Eines Tages rief der Alte seine Söhne zusammen und sagte: "Mein Kopf möchte einen Ekun (Leoparden) haben. Mein Kopf möchte eine Irre (Schlange mit zwei Hörnchen) haben. Mein Kopf möchte etwas ganz Besonderes (heißt soviel: Ich habe nun mal den Einfall oder die Marotte usw.)."Die Söhne sagten: "Es ist gut! So laß es dir doch besorgen!" Der alte Mann rief den Uofa und sagte: "Ich werde dich heute aussenden.
Der Uofa ging mit einem der Söhne des alten Mannes in den Busch. Sie gingen bis zum Wasser; als sie am Wasser angekommen waren, rief der Uofa: "Das, was der alte Herr mir gesagt hat, kann ich nicht. du, Olorun, du aber kannst es!" Der Uofa sang:
"Der Uofa soll Feuer auf Wasser anzünden. Der Uofa ist ein Mensch. Der Uofa weiß, daß ein Mensch das nicht kann. Du aber, Olorun, kannst es. Olorun, tu du es für den armen Uofa! Zünde auf diesem Wasser Feuer an!" |
Darauf entzündete Olorun auf dem Wasser ein Feuer. Der Uofa fragte den Sohn des alten Mannes: "Siehst du das Feuer auf dem Wasser?" Der Sohn sagte: "Ja, ich sehe es!" Der Uofa fragte ihn: "Wirst du das deinem Vater sagen?" Der Sohn antwortete: "Ja, ich werde das meinem Vater sagen."
Darauf ging der Uofa mit dem Sohn seines Herrn zu einem trockenen Baum, zog die Nadel heraus und sang:
"Der Uofa soll mit der Nadel Feuerholz schlagen. Der Uofa ist ein Mensch. Der Uofa weiß, daß das ein Mensch nicht kann. Du aber, Olorun, kannst es. Olorun, tu du es für den armen Uofa! Schlage mit dieser Nadel Feuerholz!" |
Darauf schlug die Nadel den trockenen Baum klein, so daß er als Feuerholz zuletzt dalag. Der Uofa fragte den Sohn des alten Mannes: "Hast du gesehen, wie die Nadel das Feuerholz geschlagen hat?" Der Sohn sagte: "Ja, ich habe es gesehen." Der Uofa fragte: "Wirst du es deinem Vater sagen?" Der Sohn sagte: "Ja, ich werde es meinem Vater sagen."
Darauf gingen der Uofa mit dem Sohn seines Herrn in den Busch, dahin, wo ein Ekun wohnte. Der Uofa sang:
"Nur du, Olorun, kannst dem Uofa helfen, Den Ekun zu fangen. Der Uofa bittet dich, Hilf ihm!" |
Er ging in den Busch. Er fand zwei Ekun, einen männlichen und einen weiblichen. Er fing beide. Dann ging er mit dem Sohne seines Herrn in den Busch, in dem ein Irre lebte. Der Uofa sang:
"Nur du, Olorun, kannst dem Uofa helfen Die Irre zu fangen. Der Uofa bittet dich, Hilf ihm!" |
Er ging in den Busch. Er fand die Irre. Er fing sie. Der Uofa sang:
"Olorun entzündete für den Uofa das Feuer auf dem Wasser. Olorun schlug für den Uofa mit der Nadel Feuerholz. Olorun half dem Uofa die Ekun zu fangen. Olorun half dem Uofa, die Irre zu fangen!" |
Der Uofa nahm die beiden Leoparden und die Schlange. Er sagte zu dem Sohne des alten Mannes: "Nun bin ich fertig. Komme heim!" Sie gingen zusammen nach Hause. Als sie daheim ankamen, fragte der alte Mann seinen Sohn: "Was hat der Uofa gemacht?" Der Sohn sagte: "Er hat Feuer auf dem Wasserspiegel angezündet. Er hat mit der Nadel Feuerholz geschlagen. Er hat zwei Leoparden und eine Irre gefangen." Der alte Mann sagte: "Der Uofa soll den Leoparden und die Irre hinter dem Hofe anbinden. Ich komme sogleich, um sie anzusehen."
Der Uofa hatte gesagt: "Alle Leute sollen zusammenkommen. Alle Leute sollen sehen, was ein Mensch mit Oloruns Hilfe kann!" Alle Leute kamen. Dann wurden die Leoparden und die Irre im Agballa (d. h. hinter dem Hause) angebunden. Der alte Mann ging hin, um sie anzusehen. Kaum trat er näher, so sprangen die Leoparden auf ihn und bissen ihn tot.
Der Uofa ging nach vorn und sagte zu den Söhnen des alten Mannes: "Was steht ihr hier und guckt?! Geht einmal ins Agballa und seht, was eures Vaters Kopf gerne möchte. Es ist ihm erfüllt worden." Die Kinder des alten Mannes gingen nach hinten. Sie sahen, daß ihr Vater von den Leoparden getötet war. Als sie dastanden und hinschauten, sprangen die Leoparden auf und unter die Kinder des alten Mannes. Sie töteten von ihnen neun,
Wenn jemand eigene Kinder hat, soll er anderer Leute Kinder nicht schlechte Aufgaben geben, sondern sie durch seine eigenen Kinder ausführen lassen.
12. Ell-Etsu-oma (der Teufelsjunge)Eine Frau schlief die Nacht bei ihrem Manne. Am andern Tage war sie schwanger. Am gleichen Tage gebar sie. Als der Junge aber eben geboren war, sagte er: "Ich will mit meinem Vater auf die Farm gehen!" Der Vater antwortete: "Was? Du bist eben erst geboren und willst am gleichen Tage schon auf die Farm gehen? Nein, das tu ich nicht. Ich nehme dich nicht mit auf die Farm." Das Kind sagte: "Ich will aber heute mit dir gehen!" Der Vater sagte: "Ich werde dich doch nicht mitnehmen." Der Junge sagte: "So gebt mir Öko (Hacke) und Ada (Grasmesser). Ich werde dann allein gehen!" Der Vater gab dem eben geborenen Kinde Öko und Ada.
Der Vater ging fort. Das Kind ging weg. Der Vater stieg auf einen Palmbaum, um die Krone zu kuppen. Das Kind ging eben dahin. Als der Vater oben war, sagte das Kind: "Schneide die Spitze nur ab und wirf sie herunter; ich bin stark genug, sie aufzufangen (was kein erwachsener Mann kann)!" Der Vater stieg von der Palme herab und sagte: "Wie kannst du eben geborenes Kind solche Dinge reden!" Das Kind sagte: "Nun, so werde ich hinaufsteigen und etwas herunterwerfen, was du auffangen kannst." Der Vater sagte: "Das soll mir recht sein."
Das Kind stieg hinauf. Der Vater stand unten. Als das Kind oben auf dem Baume angelangt war, begann es die Krone abzuschlagen. Die Krone brach endlich. Der Vater stand unten, bereit, sie aufzufangen. Die Krone stürzte hinunter und dem Vater gerade in die Arme. Der Vater wollte sie auffangen. Die Krone aber schlug ihn tot. Als das eben geborene Kind sah, daß sein Vater totgeschlagen war, kam es von dem Palmbaume herab.
Das eben geborene Kind ging mit dem Ada zu dem totgeschlagenen Vater. Das Kind schob die Palmspitze beiseite und begann den Vater mit dem Ada zu zerhacken. Es zerhackte den Vater in ganz kleine Stücke. Das Kind nahm die Augen aus dem Kopf und die Leber aus dem Leibe. Alle andern Stücke streute das Kind weithin aus. Dann nahm es die Augen und die Leber und ging damit heim.
Daheim ging das Kind mit den Augen des Vaters zu der ersten Frau und sagte: "Dies ist ganz besonders gut. Der Vater sendet es und läßt dir sagen, du sollst es essen." Die Frau nahm die Augen. Dann
ging das Kind mit der Leber des Vaters zu der zweiten Frau und sagte: "Der Vater sendet dir dies. Es ist ganz besonders gut, du sollst es essen." Die erste Frau bereitete die Augen des Vaters und aß sie. Die zweite Frau bereitete die Leber des Vaters und aß sie. Als beide gegessen hatten, schrie das kleine Kind durch die Türe hinein: "Die erste Frau meines Vaters hat seine Augen gegessen. Die zweite Frau meines Vaters hat seine Leber gegessen!" Als die beiden Frauen das hörten, schrien sie laut auf. Sie stürzten auf das Kind zu. Sie riefen andere Leute.Das Kind lief fort. Andere Leute kamen. Die Leute liefen hinter dem Kind her. Sie wollten es fangen. Das Kind lief in den Busch und dann immer weiter im Busch. Endlich kam das Kind zu Etsu (oder Etschu-Elegba). Das Kind sagte zu Etsu: "Ich bin aus der Stadt wegen nichts weggelaufen. Laß mich bei dir bleiben. Ich will für dich arbeiten." Etsu sagte: "Es ist gut! Bleibe!" Das Kind blieb da. Am andern Morgen sagte Etsu zu dem Kinde: "Bringe mir meinen Eko! (Eko ist gleich dem Kaffa Togos, ist bereitet aus Sorghummehl, das aufgebrüht ist wie Kakao.) Das Kind ging hin, um den Eko zu bereiten. Es nahm aber nicht nur Sorghum, sondern vor allem Adi (Adi ist das letzte schwarze Öl, das nach dem Brennen der Palmkerne noch aus ihnen gewonnen wird. Das gute rote Öl aus dem Fleisch der Palmfrüchte heißt Equo.) Das Adi machte das Kind in dem Eko für Etsu zu unterst. Das Kind wollte sehen, ob Etsu daran sterben würde, denn Adi ist das Ewuo (das Speiseverbot) der Etsu. Diesen Eko setzte er dann dem Etsu vor und der trank es bis zur Neige aus. Das Kind sah ihm eine Zeitlang zu und sagte dann: "Ich bin ein Etsu-oma und habe immer gehört, daß Adi das Ewuo des Etsu ist. Wenn Etsu ein Gericht mit Adi ißt, soll er sterben. Ich habe dir deinen Eko mit Adi zubereitet, aber du bist noch ganz gesund. Wirst du nicht daran sterben ?"Etsu nahm einen dicken Knüppel, um auf das Kind zu schlagen. Etsu wollte das Kind töten. Das Kind aber lief fort.
Das Kind lief weit, weit fort, bis der Etsu es nicht mehr erreichen konnte. Es kam zu einer alten Frau, die war krank und lag auf einer alten Matte. Die alte Frau schlief. Das Kind weckte die alte Frau und sagte: "Hilf mir, ich bitte dich! Das Unglück ist hinter mir! Laß mich bei dir bleiben; ich will für dich arbeiten."Die alte Frau sagte: "Bleibe bei mir! Ich habe kalt! Mach' mir Feuer!" Das Kind sagte: "Das will ich schnell tun!" Die alte Frau drehte sich um und schlief schnell wieder ein. Das Kind sagte (bei sich): "Es ist kein
Feuerholz hier. Es ist sehr lästig noch herumzulaufen und Holz zu suchen. Werde ich denn nichts anderes finden, womit ich Feuer machen kann?" Die alte Frau ernährte sich durch Spinnen. Die Leute brachten ihr Baumwolle. Sie spann Fäden. Die alte Frau hatte viel Baumwolle und ganze Bündel Garn daliegen. Das Kind sagte: "Dies wird besser brennen als Holz!" Das Kind nahm die Baumwolle und zündete sie an. Das Kind warf alle Garnknäuel hinein und machte ein großes Feuer damit.Am andern Morgen ganz früh erwachte die alte Frau. Sie erhob sich und wollte an ihre Arbeit gehen. Sie sah nach ihrer Baumwolle und fand sie nicht. Sie sah nach ihrem Garn und fand es nicht. Sie fragte das Kind: "Wo ist meine Baumwolle? Wo ist mein Garn?" Das Kind sagte: "Ich habe damit Feuer gemacht. Es war ein sehr gutes Feuer und du hattest Wärme davon." Als die Frau das hörte, schrie sie auf. Das Kind lief fort, so schnell es konnte.
Das Kind lief, bis es endlich zu Orisa (oder Orisalle oder Obatalla) kam. Das Kind sagte zu Orisa: "Das Unglück ist hinter mir. Hilf mir! Ich will für dich arbeiten! Laß mich bei dir bleiben." Orisa sagte: "Es ist gut. Du kannst bei mir bleiben." Das Kind blieb da. Am andern Morgen sagte Orisa zu dem Kinde: "Geh hin und kaufe mir meinen Eko!" Das Kind sagte: "Ich werde sogleich gehen!" Das Kind ging hin. Das Kind kaufte Emu (Palmwein; Palimwein ist aber das Ewuo, das Speiseverbot Orisas); dann mischte es den Emu in den Eko und brachte die Schüssel zu Orisa. Orisa versuchte und trank dann. Orisa sagte: "Das ist ja ausgezeichneter Eko! So guten Eko habe ich noch nicht getrunken." Orisa trank den Eko aus und sagte: "So guten Eko habe ich noch nicht gehabt. Wo hast du ihn denn herbekommen?" Das Kind sagte: "Das kommt nur, weil ich ihn von ganz unten her genommen habe." (Der Art des Getränkes entsprechend ist in der Tiefe des Kübels die dicke, gute Masse, während die dünnere oben schwimmt.)
Einige Zeit aber, nachdem Orisa den Eko getrunken hatte, begann es ihn um den Mund her zu jucken. Er kratzte sich. Das Jucken ward immer schlimmer. Es zog über das ganze Gesicht hin. Orisa sagte: "Sollte mein Eko heute so gut gewesen sein, weil dieser Teufelsjunge mir von meinen Ewuo hineingetan hat?" Orisa ward sehr zornig. Er ergriff einen Knüppel und schlug auf das Kind. Er rief: "Weg mit dir!" Das Kind aber sprang auf und lief so schnell es konnte davon. Orisa konnte es nicht einholen.
Das Kind lief durch den Busch und kam zu einem Ode, einem
Jäger. Der Ode stieß gerade in einem Mörser Inja (Jams). Das Kind kam heran und sagte: "Laß mich ein wenig bei dir. Ich will für dich arbeiten." Der Jäger sagte: "Es ist gut. Nimm hier die Mörserkeule und stampfe mir zunächst einmal den Jams!" Das Kind nahm die Keule. Das Kind begann die Arbeit. Der Jäger ging abseits, Das Kind schaute umher. Neben dem Jamsmörser hing das Jagdgerät des Jägers in den Zweigen. Das Kind griff nach dem Behälter, in dem das Gift für die Pfeile (Pfeilgift heißt Oro) aufbewahrt war und mischte es in den Brei. Dann stampfte das Kind den Jams fertig und bereitete das Essen.Der Jäger kam inzwischen zurück. Er sagte: "Wir wollen essen." Er sagte zu dem Kinde: "Komm, iß mit mir!" Das Kind sagte: "Ich kann jetzt nicht essen." Der Jäger aß alles allein auf. Als er fertig gegessen hatte, wurde ihm sehr übel und er mußte sich übergeben. Da merkte er, daß er an einer schlechten Sache beinahe gestorben wäre. Er nahm sein Gewehr. Das Kind lief fort. Das Kind rannte in den Busch. Der Jäger sprang hinterher. Das Kind rannte weit weg, aber der Jäger legte das Gewehr an, schoß und tötete es. Darauf nahm er sein Jagdmesser heraus und teilte das Kind auf. Von dem Fleische gab er einen Teil der alten Spinnerin, einen Teil Orisa, einen Teil der ersten und einen Teil der zweiten Frau des Vaters des Teufelsjungen.
Man soll sehen, daß die Kinder nicht zu schnell aufwachsen.
13. Der starke KnabeDer Osi nahm eine Frau. Die Frau gebar ein Kind, das wurde Akisonwoa genannt. Dieses Kind war sehr stark. Dann gebar die Frau noch ein zweites Kind. Als Akisonwoa heranwuchs, fragte ihn der Osi: "Welche Arbeit willst du lernen?"Akisonwao sagte: "Ich will fechten lernen." (Damit ist zunächst wohl das Ringen, Jakadi, gemeint. Es kann aber vielleicht auch nicht gemeint sein, da die Niedergeworfenen in der Legende herausfliegen, was auf Boxen ä la Nupe-Anecho schließen läßt, wenn man nicht annehmen will, daß die Leute durch Akisonwoas Kraft so gewaltig gegen die Erde geschleudert wurden, daß ihnen die Sehorgane beim Aufschlagen herausplatzten.) "Laß mich ringen. Ich will mit aller Welt streiten." Der Vater sagte "Gut, tu wie du willst."Akisonwoa begann mit allen Leuten zu streiten. Er warf alle Sklaven hin, daß ihnen die Augen aus dem Gesicht sprangen. Er warf seine Angehörigen hin, er warf seinen Vater hin, so daß dem das rechte Auge heraussprang.
Dann ging Akisonwoa auf den Markt. Er rief: "Wer will mit mir streiten? Ich will mit allen, die es wollen, ringen." Es kamen einige starke Leute heran, um mit ihm zu ringen. Akisonwoa warf sie auf die Erde, so daß ihnen die Augen heraussprangen. Er kämpfte mit allen starken Männern der Stadt. Er warf sie alle zu Boden, so daß ihnen die Augen heraussprangen. Er, Akisonwoa, zog im Lande umher. Er kämpfte mit allen alten Leuten. Er rang mit ihnen und warf sie alle zu Boden, so daß ihnen allen die Augen heraussprangen. Er zog von einem Lande zum andern. Er schlug sich mit allen Leuten in allen Ländern und warf sie zu Boden, so daß ihnen die Augen herausflogen. Akisonwoa fand auf Erden niemand mehr, um sich mit ihm zu schlagen. Er hatte alle zu Boden geworfen, so daß ihnen die Augen herausgeflogen waren.
Als Akisonwoa auf Erden niemand mehr fand, um mit ihm zu ringen, machte er sich auf den Weg und ging zu Orisas (Orisallas) Stadt. Er kam an das Tor und sagte zu den Wächtern: "Ich bin Akisonwoa! Ich will mit euch ringen." Die Wächter sagten: "Es ist recht!" Sie begannen mit Akisonwoa zu ringen. Akisonwoa rang mit ihnen und warf sie zu Boden, daß ihnen die Augen herausfiogen.
Als Akisonwoa mit den Leuten rang, sah dieser seinen jüngeren Bruder. Als der jüngere Bruder das sah, verwandelte er sich in einen Vogel und flog hinter seinem Bruder her. Er folgte Akisonwoa überall hin, wo er Streit anfing und rang. Akisonwoa sagte zu ihm: "Geh zurück, ich will dich nicht immer bei mir sehen!" Der jüngere Bruder sagte: "Es ist besser, wenn ich immer bei dir bin!" Akisonwoa sagte: "Mach' wie du willst." Als Akisonwoa die Wächter zu Boden gerungen hatte, ging er in die Stadt Orisallas. Sein Bruder flog als Vogel hinter ihm her.
Akisonwoa ging zum Orisa selbst. Als er vor Orisa trat, bedeckte er sein Gesicht mit den Händen und warf sich zur Erde. Er warf sich auf die Erde und begrüßte Orisa. Orisa sagte: "Öffne die Hände! Akisonwoa nahm die Hand herab und hob sie auf das Knie. Akisonwoa sagte: "Du hast mich gemacht. Ich bin stark. Das hast du mir gegeben. Ich habe mit allen Leuten auf der Welt gerungen. Ich habe sie alle zu Boden geworfen. Nun ist niemand mehr da, um mit mir zu ringen. Deshalb bin ich zu dir gekommen." Orisa sagte: "Was willst du von mir?" Akisonwoa sagte: "Ich will mit dir ringen!" Orisa sagte: "Meine Kinder sollen kommen, um mit dir zu kämpfen."
Die Kinder Orisas kamen. Akisonwoa rang mit ihnen. Er warf sie
alle zu Boden, so daß ihnen die Augen aus dem Kopfe flogen. Als alle Kinder Orisas auf dem Boden lagen, ging Akisonwoa wieder ZU Orisa. Orisa sagte: "Es ist gut! Ich will deinen Willen erfüllen und mit dir ringen." Dann packte Orisa den Akisonwoa und warf ihn ZU Boden, daß Akisonwoa die Augen aus dem Kopfe flogen. Der jüngere Bruder Akisonwoas aber flog als Vogel herbei und setzte sich auf dem Hause Orisas nieder.Als Akisonwoa von Orisa auf den Boden geworfen war, nahm Orisa die Blätter eines Baumes und tropfte sie auf die Augenhöhlen seiner Söhne, die von Akisonwoa hingeworfen waren. Als der Saft der Blätter auf die Augenhöhlen fiel, traten die Augen wieder hinein. Die Söhne Orisas konnten wieder sehen. Sie standen auf. Orisa sandte einige an den Bach, Wasser zu holen, andere in den Busch, Feuer. holz zu holen, andere auf den Markt, Pfeffer und Salz zu holen. Orisa selbst ging in das Haus, um ein Messer zu holen. Mit dem Messer wollte er Akisonwoa aufschneiden. Er wollte ihn kochen und essen.
Orisa war in das Haus gegangen. Alle seine Leute waren auseinandergegangen. Akisonwoa lag mit ausgeschlagenen Augen auf dem Boden. Da kam der Bruder, der sich vordem in einen Vogel verwandelt hatte, herbeigeflogen. Er nahm von den Blättern, deren Saft Orisa auf die Augenhöhlen seiner Kinder getropft hatte. Er verwandelte sich in einen Menschen und drückte den Saft der Blätter auf die Augenhöhlen Akisonwoas. Darauf traten Akisonwoas Augen wieder in die Höhlen. Akisonwoa wurde wieder sehend. Akisonwoa sprang auf und rannte von dannen. Sein Bruder sang: "Akisonwoa kann mit allen in der Welt ringen. Wenn er ihn hinwirft, so fallen dessen Augen heraus." Der jüngere Bruder kam nach Akisonwoa wieder zu Hause an. Er sagte zu Akisonwoa: "Wenn ich nicht rechtzeitig dagewesen wäre, hätte Orisa dich gegessen. Orisa hatte schon sein Messer geschärft." Akisonwoa sagte: "Du hast recht!"
Laß also deinen Bruder dir folgen, wenn er es gerne möchte.
14. Die Gute und die SchlechteMeine Geschichte handelt von einer Frau, die war ganz arm. Sie hatte keinen Stoff, um sich ein Kleid daraus zu machen. Sie ging mit Bananenblättern. Sie hatte ein Kind; sie ging in den Busch; sie hatte Bananenblätter um den Leib, in denen trug sie das Kind. Im Busche ging sie umher, um Blätter zu sammeln, die sie auf dem Markte verkaufen wollte. Sie legte das Kind unter einen Busch und
ging dann umher, um Blätter und Wurzeln zu suchen. Als sie sich suchend ein wenig von der Stelle entfernt hatte, schoß ein großer Vogel vom Himmel herab und ergriff das kleine Kind. Der Vogel nahm das Kind mit empor in die Luft.Nach einiger Zeit kam die Frau zu der Stelle zurück, an der sie das Kind zurückgelassen hatte. Sie fand das Kind nicht. Sie blickte empor. Sie sah den Vogel ganz oben in der Luft. Er hatte das Kind in dem Schnabel. Sie sah, daß der Vogel das Kind forttrug. Die Frau schrie; die Frau rief: "Ich bin eine arme Frau! Ich habe nichts als das Kind! Warum nimmst du mir alles, was ich habe!" Der Vogel schrie: "In sieben Tagen sei wieder an dieser Stelle, dann werde ich dir dein Kind zurückgeben!" Die Frau ging nach Hause. Sie weinte alle Tage.
Nach sieben Tagen ging die Frau zurück zu der Stelle, an der ihr Kind von dem großen Vogel gestohlen worden war. Sie kam an den Ort. An dem Orte lag ein Ballen von Stoff. Die Frau öffnete den Ballen. Da waren erst schöne Stoffe, dann lagen da Perlen von mehrerer Art. In dem Ballen war das Kind und um es herum waren sehr viele schöne Stoffe aufge~schichtet. Als die Frau das sah, nahm die Frau das Kind heraus und drückte es und hielt es hoch. Danach warf die Frau die Blätter weg. Sie setzte dem Kind eine kleine Mütze auf. Sie wickelte das Kind in ein schönes Tuch, das band sie sich um. Die Frau legte sich eine schöne Perlenkette um und wickelte sich in sehr schöne Kleider. Dann ging die Frau nach Hause. Als die Frau nach Hause kam, wollte sie den andern etwas schenken. Sie reichte der einen zweihundert Kauri und der andern zweihundert Kauri. Die andern Frauen sahen erstaunt und neidisch auf die schöne Kleidung und sagten: "Du besitzt ja nichts!" Die andern Frauen blickten auf die eine Frau, die vorher so arm gewesen war und jetzt so schöne Sachen besaß, sehr böse.
Die erste Frau sagte zu der Frau, die früher so arm war: "Wie kommst du zu den Sachen?" Die Frau sagte: "Ich war im Busch, um wie immer Kräuter für den Marktverkauf zu suchen. Ich legte mein Kind unter den Busch; ich ging umher und suchte. Da kam ein großer Vogel und nahm mein Kind empor und mit sich fort. Als ich kam, war der Vogel schon oben in der Luft. Ich schrie dem Vogel zu, daß ich arm und daß das Kind mein einziger Besitz sei. Der Vogel rief, daß er mir das Kind in sieben Tagen wiederbringen wolle. Als ich sieben Tage nachher an den Ort kam, fand ich mein Kind in schöne Stoffe gewickelt und mit Perlen verziert. So bin ich zu den
Stoffen und zu den Perlen gekommen." Die erste Frau sagte: "Es ist gut!"Am andern Tage legte die erste Frau ihre guten Kleider, die sie sonst trug, ab. Sie band wie die arme Frau Blätter vor und legte Bananenblätter um, in die sie ihr Kind steckte, wie die arme Frau. Sie ging mit dem Kinde bis zu der Stelle, die ihr die arme Frau genannt hatte. Dort legte sie ihr Kind unter einen Baum und wartete, ob der große Vogel nicht kommen würde, ihr Kind zu nehmen. Nach einiger Zeit kam der große Vogel. Er flog aber über den Busch hin. Die erste Frau aber rief jedoch: "Nimm doch mein Kind. Nimm doch mein Kind." Der Vogel antwortete: "Nein, dein Kind nehme ich nicht!" Die Frau schrie: "Nimm doch mein Kind! Nimm doch mein Kind! Du kannst es mir dann ja in sieben Tagen wiederbringen." Darauf kam der große Vogel herab, er nahm das Kind und sagte: "Also in sieben Tagen kannst du es wiederbekommen!"Er nahm das Kind und flog damit von dannen. Die Frau ging nach Hause.
Nach sieben Tagen ging die Frau an den gleichen Platz, um zu sehen, ob der Vogel die schönen Stoffe und Perlen hingelegt hatte wie für die andere Frau. Sie fand unter dem Busche auch einen alten Sack. Sie öffnete den Sack und fand die Knochen ihres Kindes darin. Der große Vogel hatte das Kind aufgefressen. Er hatte die Knochen in den alten Sack gelegt. Sonst nichts. Als die Frau die Knochen ihres Kindes sah, schrie sie! Sie rief: "Was soll ich dem Vater des Kindes sagen, wenn er heimkommt!" Die Frau ging nach Hause. Sie weinte. Sie sagte: "Ich war über den Fluß gegangen. Ich hatte dein Kind bei mir. Der Fluß riß uns fort. Ein fremder Mann zog mich heraus. Das Kind konnten wir nicht finden. Das Wasser nahm es fort." Der Vater sagte seinen Leuten: "Geht an den Fluß, geht den Fluß hinab; seht, wo er die Leiche des Kindes hingelegt hat." Die Leute gingen. Sie gingen den Fluß hinab. Sie suchten lange. Sie konnten aber die Leiche des Kindes nicht finden. Sie gingen heim. Sie sagten dem Vater: "Wir konnten die Leiche des Kindes nicht finden." Der Vater sagte zu der Mutter des Kindes: "Ich werde mit dir schlafen. Du kannst mir ein anderes Kind geben. Wenn dann aber das Wasser wieder geschwollen ist, gehe mir nicht wieder an den Fluß mit dem Kinde."
15. Orisas GabeEin Bursche hatte keinen Vater. Der Bursche hatte keine Mutter. Der Vater hatte eine zweite Frau gehabt, die hatte ein Kind, ein
Mädchen. Die Frau und das Mädchen nahmen alles, als der Vater starb. Das Mädchen hatte vieles, der Bursche hatte nichts. Der Bursche hatte nichts zu essen. Er ging zu einem Freunde seines Vaters und lieh sich viertausend Kauri. Er ging mit den viertausend Kauri zu einem Schmiede und ließ sich eine Öko (Hacke) machen. Mit der Öko ging er auf den Markt, und dort verkaufte er sie. Er ging zum Schmied zurück und ließ sich eine zweite Öko machen. Er hatte aber genug übrig, um zu essen. Er verkaufte auch die zweite Hacke. So ließ er sich jeden Tag eine Hacke machen, und die verkaufte er dann. Davon lebte er.Eines Tages saß er mit seiner Hacke auf dem Markte. Es kam eine Orisafrau (eine Priesterin Osallas). Die Priesterin nahm die Öko und sagte: "Ich werde sie dir in fünf Tagen bezahlen." Der Bursche sagte: "Das geht nicht, dann müßte ich fünf Tage lang hungern. Wenn du die Hacke nicht gleich bezahlen kannst, kann ich sie dir auch nicht verkaufen." Die Orisafrau sagte: "Ich will die Hacke aber haben, ich nehme sie mit und zahle in fünf Tagen." Der Knabe sagte: "Dann gebe ich dir die Hacke nicht!" Die Orisafrau sagte: "Ich nehme aber die Hacke!" Die Frau ging mit der Hacke fort. Der Bursche lief hinterher. Die Frau wandte sich um und sagte: "Mach, daß du fortkommst! Lauf zurück!" Der Bursche lief ihr immer nach.
Die Orisafrau ging mit der Hacke fort. Der Bursche folgte ihr. Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an den Blutfluß. Mach, daß du zurückgehst!" Der Bursche sagte: "Du schreckst mich nicht. Ich gehe auch durch den Blutfluß." Sie gingen weiter. Sie gingen durch den Blutfluß. — Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an den schwarzen Fluß! Mach, daß du zurückgehst!" Der Bursche sagte: "Du schreckst mich nicht. Ich gehe auch durch den schwarzen Fluß." Sie gingen weiter. Sie gingen durch den schwarzen Fluß. Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an die Himmeisbäume (egigun owa loke orun, das sind die Bäume, die zum Himmel emporragen. Es war schwer, die Vorstellung der Eingeborenen zu erkennen. Einige Leute sagten, man ginge an den Bäumen zum Himmel empor, sie ständen vor dem Eingange zum Himmel)! Mach, daß du zurückgehst!" Der Bursche sagte: "Du schreckst mich nicht. Ich werde auch über die Himmeisbäume hinweggelangen." Sie gingen weiter. Sie gelangten über die Himmelsbäume hinweg. Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an die Himmelstür! Mach, daß du zurückgehst!" Der Bursche sagte: "Du schreckst mich nicht! Ich gehe auch durch die Himmelstür!"
Sie gingen weiter. Sie gingen durch die eiserne Himmelstür. Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen nun an das Schlangenwasser!" Der Bursche sagte: "Mach, was du willst, ich gehe nicht fort!" Sie kamen an das Wasser. Die Frau legte die Kleider ab und stieg in das Wasser. Da kamen viele Schlangen aus ihrer Haut heraus. Die Frau stieg drüben an das Land. Die Schlangen krochen in die Haut zurück. Die Frau legte die Kleider an, sie gingen weiter. —Als sie durch das Schlangenwasser gekommen waren, wandte sich die Orisafrau um und sagte: "Nun aber kommen wir zu Orisa selbst." Der Bursche sagte: "Ich werde Orisa selbst sehen!" Der Bursche ging weiter. Der Bursche kam zu Orisa. Der Bursche bedeckte das Gesicht mit den Händen und warf sich vor Orisa nieder. Orisa (der Gott Osalla) sagte: "Öffne die Hände!"Der Bursche nahm die Hände vom Gesicht. Orisa fragte: "Was willst du?" Der Bursche sagte: "Ich habe keinen Vater. Ich habe keine Mutter. Ich habe nichts zu essen. Ich kaufe jeden Tag beim Schmied eine Hacke. Ich verkaufe die Hacke jeden Tag auf dem Markt. Dann habe ich jeden Tag zu essen. Eine Orisafrau nahm meine Hacke. Sie sagte, sie wolle in fünf Tagen bezahlen. Ich sagte, dann müsse ich fünf Tage hungern. Ich ging hinter der Frau her. Ich kam hierher." Orisa sagte: "Es ist gut!"
Orisa sagte: "Setze dich!" Der Bursche setzte sich. Orisa ließ für den Burschen Essen bringen. Der Bursche aß. Orisa sagte zu dem Burschen: "Nun rasiere mir den Kopf!" Der Bursche rasierte Orisa den Kopf. Aus dem Kopfe Orisas kroch ein Regenwurm (ekolo) durch das Haar. Der Bursche betrachtete ihn. Orisa fragte: "Was siehst du auf meinem Kopfe ?" Der Bursche sagte: "Ich sehe nichts." Orisa sagte: "Es ist gut!"
Orisa sagte zu dem Burschen: "Wasche mein Kleid! Geh hin und wasche mein Kleid mit Sand!" Der Bursche sagte: "Ich werde dein Kleid waschen!" Der Bursche nahm das Kleid Orisas und Seife. Er ging zum Wasser und wusch das Kleid mit Seife. Er brachte das Kleid Orisa. Orisa fragte: "Womit hast du das Kleid gewaschen?" Der Bursche sagte: "Ich habe das Kleid mit Seife gewaschen!"Orisa sagte: "Es ist gut!"
Orisa sagte zu dem Burschen: "Reibe den Fußboden meines Hauses mit Hundemist ein!" Der Bursche sagte: "Ich werde den Fußboden deines Hauses einreiben." Der Bursche ging hin in das Haus. Er holte Pferdemist (also entsprechend der Jorubasitte, die Fußböden
und Wände mit Pferdemist abzureiben) und rieb den Fußboden mit Pferdemist ein. Er ging zu Orisa und sagte: "Ich habe den Fußboden abgerieben!" Orisa fragte: "Womit hast du ihn abgerieben?" Der Bursche sagte: "Ich habe ihn mit Pferdemist abgerieben!" Orisa sagte: "Es ist gut!"Orisa gab dem Burschen noch drei Tage Essen. Dann sagte Orisa zu dem Burschen: "Du kannst nun zurückkehren. Geh vorher aber in mein Agballa (Hinterhof). Im Agballa wachsen meine Ado (Kalebassen, die mit magischem Inhalt gefüllt werden). Einige der Ado sagen: ,Kami! Kami! Kami!' (Nimm mich, nimm mich, nimm mich.) Diese Kalebassen nimm nicht. Andere Kalebassen sind still und sagen nichts. Von diesen Kalebassen nimm drei Stück. Nimm drei von den stillen Kalebassen und gehe mit ihnen nach Hause. Auf dem Wege nach Hause wirst du erst an eine Stelle kommen, an der der Weg sich in drei Teile teilt. Dort wirf die erste Ado zu Boden. Nach einiger Zeit wirst du an eine Stelle kommen, an der du den Weg nicht mehr weiter wissen wirst. Dort wirf die zweite Ado auf den Boden. Wenn du nach Hause kommst, geh in dein Zimmer und schließ es hinter dir. Dann wirf die dritte Ado auf den Boden. Nun geh!"
Der Bursche ging in das Agballa Orisas. Er fand da viele Ado, die dort wuchsen. Einige Ado sagten: "Kami, kami, kami!" Andere Ado sagten nichts. Der Bursche ging nun und pflückte drei von den stillen Ados ab. Dann machte er sich auf den Heimweg.
Nach einiger Zeit kam er an eine Stelle, da teilte der Weg sich in drei Arme. Der Bursche sagte: "Hier soll ich die erste Ado hinwerfen!" Er nahm eine der Ados und warf sie auf den Boden. Sie zersprang. Es kamen viele Sklaven aus der Ado, die gingen mit dem Burschen weiter.
Nach einiger Zeit kam der Bursche an eine Stelle, an der wußte er nicht mehr den Weg. Der Bursche sagte: "Nun ist es Zeit, die zweite Ado hinzuwerfen!" Er nahm eine zweite Ado und warf sie auf den Boden. Sie zersprang. Es kamen einige Trommler heraus. Sie gingen vor dem Burschen her und wiesen ihm den Weg.
Nach einiger Zeit kam der Bursche heim. Er hatte seine Sklaven und seine Trommler bei sich. Er wies ihnen Plätze an. Dann ging er in sein Haus. Er schloß die Tür hinter sich und sagte: "Nun werde ich die dritte Ado auf den Boden werfen müssen." Der Bursche nahm die dritte Ado. Er warf sie auf den Boden. Sie zersprang. Es kamen viele Lecke (Perlen) und Kaurimuscheln heraus. — Der Bursche
war nun wohlhabend. Er hatte viele Sklaven, Trommler, Perlen und Kauri.Der Bursche sagte (bei sich): "Ich bin nun ein reicher Mann. Ich muß meiner (Stief) schwester ein Geschenk machen." Er sandte einen Sklaven mit zwanzigtausend Kauri zu seiner (Stief) schwester. Er sandte sie als Geschenk. Die (Stief) schwester wohnte an ihrem Platze. Sie empfing das Geschenk ihres Bruders. Sie sagte: "Ist mein Bruder reich? Woher hat er solchen Reichtum, daß er solche Geschenke machen kann ?" Der Mann (Überbringer) sagte: "Dein Bruder verkaufte jeden Tag eine Hacke auf dem Markte. Eine Orisafrau kam und nahm eine Hacke. Sie sagte, sie wolle in fünf Tagen bezahlen. Da sagte dein Bruder, er müsse die Hacke behalten. Die Frau ging fort. Dein Bruder hinterher. Die Frau ging bis zu Orisa. Dein Bruder lief bis zu Orisa. Orisa schenkte ihm drei Ados. Aus den drei Ados ist aller Reichtum deines Bruders gekommen."Die (Stief)schwester sagte: "Das Geschenk meines Bruders brauche ich nicht. Ich kann es mir selber von Orisa holen. Bring ihm den Sklaven und die Kauri zurück!" Der Mann brachte das Geschenk zurück. Der Bruder sagte: "Sie muß wissen, was sie tut!"
Die Schwester des Burschen sagte: "Ich werde auch zu Orisa gehen. Ich will auch von Orisa Reichtum haben. Ich werde geradeso anfangen, wie mein Bruder." Das Mädchen ging zu einem Schmied. Es ließ sich eine Hacke machen. Als die Hacke fertig war, setzte sie sich mit der Hacke auf den Markt und verkaufte sie. Am andern Tag ließ sie vom Schmied eine neue Hacke machen. Sie setzte sich auf den Markt und verkaufte sie. Sie ließ nun jeden Tag vom Schmied eine Hacke herstellen und verkaufte die dann auf dem Markt.
Eines Tages kam eine Orisafrau über den Markt. Das Mädchen sprang auf und lief hinter ihr her. Das Mädchen hielt die Orisafrau am Kleide fest und fragte sie: "Willst du nicht eine Hacke kaufen?" Die Orisafrau sagte: "Ich brauche keine Hacke." Das Mädchen zog die Orisafrau zu ihrem Platze und sagte: "Kaufe doch diese Hacke!" Die Orisafrau sagte: "Ich mag aber keine Hacke kaufen!"Das Mädchen sagte: "Kaufe sie! Du brauchst sie auch nicht sogleich bezahlen." Die Orisafrau sagte: "So gib sie her. Wieviel soll ich dafür zahlen ?" Das Mädchen sagte: "Zahle dafür später einmal, was du willst." Die Orisafrau sagte: "Nein, ich will sogleich bezahlen."Das Mädchen sagte: "Ich will aber jetzt nichts dafür haben."Die Orisafrau sagte: "Ich will aber doch zahlen!" Das Mädchen aber sagte: "Ich will nichts dafür bezahlt haben. Ich will hinter dir her zu Orisa
laufen."Die Frau sagte: "Was willst du? Du willst hinter mir her zu Orisa laufen?" Das Mädchen sagte: "Ja, ich will hinter dir her zu Orisa laufen."Die Frau sagte: "Kennst du den Weg?" Das Mädchen sagte: "Der Weg schreckt mich nicht." Die Orisafrau nahm die Hacke, legte die Kauri hin und sagte: "Bleib zurück!" Das Mädchen nahm die Kauri, legte sie der Orisafrau auf die Last und sagte: "Ich mag keine Bezahlung!"Die Orisafrau ging mit der Hacke fort. Das Mädchen folgte ihr. Die Orisafrau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an den Blutfluß. Mach, daß du zurückgehst!" Das Mädchen sagte: "Das schreckt mich nicht. Ich gehe auch durch den Blutfluß." Sie gingen weiter. Sie gingen durch den Blutfluß.
Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an den schwarzen Fluß. Mach, daß du zurückgehst!""Das Mädchen sagte: "Du schreckst mich nicht. Ich gehe auch durch den schwarzen Fluß." Sie gingen weiter. Sie gingen durch den schwarzen Fluß.
Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen an die Hirnmelsbäume. Mach, daß du zurückgehst!" Das Mädchen sagte: "Du schreckst mich nicht. Ich werde auch über die Himmeisbäume hinweggelangen." Sie gingen weiter. Sie gelangten über die Himmelsbäume hinweg.
Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen nun an die Himmelstür. Mach daß du zurückgehst!" Das Mädchen sagte: "Du schreckst mich nicht, ich gehe auch durch die Himmelstür. Sie gingen weiter. Sie gingen durch die eiserne Himmelstür.
Die Frau wandte sich um und sagte: "Wir kommen nun an das Schlangenwasser!" Sie kamen an das Wasser. Die Frau legte die Kleider ab und stieg in das Wasser. Da kamen viele Schlangen aus der Haut der Orisafrau heraus. Sie stieg drüben ans Land. Die Schlangen krochen in die Haut zurück. Die Frau legte die Kleider an. Sie gingen weiter.
Als sie durch das Schlangenwasser gekommen waren, wandte die Orisafrau sich um und sagte: "Nun aber kommen wir zu Orisa selbst." Das Mädchen sagte: "Das ist es gerade, was ich will. Ich erschrecke nicht davor. Ich werde von ihm erbitten." Das Mädchen ging weiter. Das Mädchen kam vor Orisa. Das Mädchen bedeckte das Gesicht mit den Händen und warf sich vor Orisa nieder. Orisa sagte: "Öffne die Hände!" Das Mädchen nahm die Hände vom Gesicht. Orisa fragte: "Was willst du?" Das Mädchen sagte: "Mein Bruder war hier. Du hast ihn reich gemacht. Ich möchte auch reich
werden, denn ich habe nicht viel. Was ich habe, hat meine Mutter mit vieler Mühe meinem Vater abgeredet. Ich habe mich mit einer Hacke auf den Markt gesetzt wie mein Bruder. Ich habe jeden Tag eine Hacke gekauft. Als eine Orisafrau kam, habe ich sie festgehalten und habe ihr gesagt, sie solle die Hacke nur nehmen. Sie wollte mich bezahlen. Ich habe das Geld nicht genommen. Ich wollte den Weg zu dir wissen. Sie wollte mich wegjagen. Ich bin ihr nachgelaufen. Sie ist über den Blutfluß gegangen und wollte mich wegjagen. Aber ich bin ihr nachgelaufen, denn ich will von dir viele Geschenke haben. Sie ist über den schwarzen Fluß gegangen und wollte mich wegjagen. Aber ich bin ihr nachgegangen, denn ich will von dir viele Geschenke haben. Sie ist an den Himmeisbäumen entlanggegangen und wollte mich wegjagen. Aber ich bin ihr nachgelaufen, denn ich will von dir viele Geschenke haben. Sie ist durch das eiserne Himmelstor gegangen und wollte mich wegjagen. Aber ich bin ihr nachgelaufen, denn ich will von dir viele Geschenke haben. Sie ist über das Schlangenwasser gegangen und viele Schlangen kamen aus ihrer Haut. Sie wollte mich wegjagen. Aber ich bin hinter ihr hergelaufen, denn ich will von dir viele Geschenke haben. Ich bin bis zu dir gekommen, denn ich will viele Geschenke haben und will so reich werden wie mein Bruder."Orisa sagte: "Setze dich!" Das Mädchen setzte sich. Orisa ließ für das Mädchen Essen bringen. Das Mädchen aß. Orisa sagte zu dem Mädchen: "Nun rasiere mir den Kopf!" Das Mädchen rasierte Orisa den Kopf. Auf dem Kopf Orisas kroch ein Regenwurm durch das Haar. Das Mädchen sah den Regenwurm. Orisa fragte: "Was siehst du auf meinem Kopf?"Das Mädchen sagte: "Ich sehe einen häßlichen Regenwurm, der durch dein Haar kriecht." Orisa sagte: "Ah!"
Orisa sagte zu dem Mädchen: "Wasche mein Kleid. Geh hin und wasche mein Kleid mit Sand!" Das Mädchen nahm das Kleid Orisas und ging damit zum Wasser. Das Mädchen nahm Sand und wusch das Kleid Orisas mit Sand. Dann brachte das Mädchen Orisa sein Kleid. Orisa fragte: "Womit hast du mein Kleid gewaschen?"Das Mädchen sagte: "Ich habe dein Kleid mit Sand gewaschen."Orisa sagte: "Äh!"
Orisa sagte zu dem Mädchen: "Reibe den Fußboden meines Hauses mit Hundemist ein!" Das Mädchen sagte: "Ich werde den Fußboden deines Hauses mit Hundemjst einreiben." Das Mädchen ging hin und tat, wie Orisa gesagt hatte; es rieb den Fußboden mit Hundemist ein. Das Mädchen ging dann zu Orisa und sagte: "Ich habe den
Fußboden deines Hauses eingerieben." Orisa fragte: "Womit hast du den Fußboden eingerieben?"Das Mädchen sagte: "Mit Hundemist!" Orisa sagte: "Äh!"Orisa gab dem Mädchen noch drei Tage Essen. Dann sagte Orisa zu dem Mädchen: "Du kannst zurückkehren. Du hast Geschenke von mir erbeten. Du sollst Geschenke von mir haben. Die Geschenke werden dich bezahlen. Geh in mein Agballa. Im Agballa wachsen meine Ado. Einige der Ado sagen Kami, kami, kami! Diese Ado nimm nicht. Andere Ado sagen nichts und sind still. Von diesen stillen Ado nimm drei Stück und gehe mit ihnen nach Hause. Auf dem Wege nach Hause wirst du erst an eine Stelle kommen, an der der Weg sich in drei Teile teilt. Dort wirf die erste Ado zu Boden. Nach einiger Zeit wirst du an eine Stelle kommen, an der du den Weg nicht mehr weiter wissen wirst. Dort wirf die zweite Ado auf den Boden. Wenn du dann nach Hause kommst, gehe in dein Zimmer und schließe es hinter dir zu. Dann wirf die dritte Ado auf den Boden. Nun geh!"
Das Mädchen ging in das Agballa Orisas. Das Mädchen fand dort viele Ado, die dort wuchsen. Einige Ado sagten: "Kami, kami, kami!" Andere Ado sagten nichts. Das Mädchen sagte bei sich: "Weshalb hat Orisa mir gesagt, ich solle die stillen Ado pflücken. Orisa wird nichts Gutes gemeint haben. Die Ado müssen selbst wissen, was in ihnen ist. Die immer Kami sagen, müssen die vollsten sein. Orisa wird sie für sich behalten wollen." Das Mädchen ging hin und pflückte drei von den Ado, die immer Kami, kami, kami sagten. Dann machte das Mädchen sich auf den Heimweg.
Nach einiger Zeit kam das Mädchen an eine Stelle, da teilte sich der Weg in drei Arme. Das Mädchen sagte: "Hier soll ich die erste Ado hinwerfen!" Das Mädchen nahm eine Ado und warf sie auf den Boden. Die Ado zersprang und heraus kam ein Schwarm von Agban (Stechfliegen wie die in Ilife). Die fielen über das Mädchen her und verstachen es, so daß es so schnell wie möglich weiter lief.
Nach einiger Zeit kam das Mädchen an eine Stelle, an der wußte es nicht mehr den Weg. Das Mädchen sagte: "Nun ist es Zeit, die zweite Ado hinzuwerfen." Es nahm eine zweite Ado und warf sie auf den Boden. Sie zersprang. Es kam eine Sklavin heraus, die hatte eine Trommel. Sie hatte nur ein Auge. Das Mädchen lief. Die Trommlerin ging hinter ihr her.
Nach einiger Zeit kam das Mädchen heim. Es rannte schnell in ihr Haus. Es schloß die Tür hinter sich zu und sagte: "Nun werde ich die
dritte Ado hinwerfen. In ihr wird das viele Geld sein!" Das Mädchen warf die Ado zu Boden. Die Ado zersprang. Es kam ein Leopard heraus und biß das Mädchen tot.Der Bruder schnitt dem Mädchen den Kopf ab und legte ihn neben seine Haustür zu Boden. Jeden Morgen spie er auf den Kopf und sagte: "Du hast dich selbst getötet."
Man soll jedes Geschenk annehmen, wenn es auch nur klein ist.
16. Olokuns GabeEs gab kein Essen auf der Erde. Niemand hatte etwas zu essen. Ein junger Mann ging zu einem Wohlhabenden und sagte: "Laß mich bei dir arbeiten, damit ich zu essen habe." Der Wohlhabende sagte: "Niemand hat jetzt zu essen. Ich kann dich erst zum Arbeiten annehmen, wenn es wieder mehr zu essen gibt. Bis dahin verkaufe ich mein Gold, um selbst etwas zu haben." Der junge Mann ging weg.
Der junge Mann ging an das Ufer des Meeres (Okun). Am Meere fand er einen Palmbaum, der trug eine Frucht. Er stieg mit seinem Messer auf den Baum und schlug die Frucht ab. Die Frucht fiel in das Meer. Der junge Mann stieg herab und ging in das Meer. Er ging im Meer unter dem Wasser hin und suchte seine Frucht. Er kam an Olokuns Haus. Olokun sagte zu ihm: "Was willst du hier?"Der junge Mann sagte: "Ich hatte nichts zu essen. Ich ging an das Meer. Da stand eine Palme. Ich stieg hinauf und schlug die Frucht ab. Sie fiel ins Wasser. Nun suche ich sie." Olokun sagte: "Es ist gut. Bleib ein wenig hier. Ich werde dir zu essen geben lassen." Olokun hieß dem jungen Mann Essen geben. Der junge Mann blieb einige Tage und aß und schlief in Olokuns Gehöft.
Nach einigen Tagen sagte der junge Mann: "Ich möchte jetzt nach Hause gehen." Olokun sagte: "Es ist gut. Ich will dir etwas mitgeben. Hinter meinem Haus sind Adokürbisse. Geh hin und pflücke dir sieben Stück. Nimm sie mit nach Hause. Schließ daheim die Tür und zerbrich sie. Nimm aber keine von den Ado, die sprechen." Der junge Mann ging hinter Olokuns Haus. Er sah viele Kürbisse. Einige sagten: "Nimm mich! Nimm mich!" Die nahm er nicht. Einige Ado sagten nichts. Von denen nahm er sieben und mit den sieben ging er nach Hause. Daheim trat er in sein Zimmer, verschloß es und zerschlug die Kürbisse. Es kamen viele Stoffe und Perlen und Pferde und Sklaven und Essen und Weiber heraus. Er war ein reicher Mann.
Der wohlhabende Mann sah das. Der wohlhabende Mann sagte: "Das kann ich auch machen." Der wohlhabende Mann ging zu einer Palme, die am Meere stand. Er stieg hinauf, schlug eine Frucht ab und warf sie ins Meer. Dann sprang er von seiner Palme aus auch gleich ins Meer. Er ging im Meer unten im Wasser hin. Er suchte Olokuns Haus. Er kam zu Olokuns Haus. Olokun fragte ihn: "Was willst du hier?" Der wohlhabende Mann sagte: "Du hast meinem Bruder viele Sachen geschenkt. Mein Bruder ist nichts. Ich aber bin ein angesehener Mann. Gib mir auch. Deshalb bin ich gekommen." Olokun sagte: "Ich will dir zeigen, wie ich die angesehenen Männer ansehe!" Olokun ließ den wohlhabenden Mann binden und in ein dunkles Zimmer legen.
Nach einigen Tagen sagte Olokun: "Nun bindet den wohlhabenden und angesehenen Mann los und bringt ihn mir her!" Die Leute banden ihn los und brachten ihn zu Olokun. Olokun sagte: "Was willst du nun von mir haben, du angesehener Mann?" Der wohlhabende Mann sagte: "Gib mir sieben von deinen Ado!" Olokun sagte: "Es ist gut. Nimm sie. Nimm aber nicht von denen, die sprechen. Nimm von denen, die nicht sprechen!" Der wohlhabende Mann ging hinter Olokuns Gehöft. Da wuchsen viele Ado. Einige Ado sagten: "Nimm mich! Nimm mich! Andere Ado sagten nichts. Der wohlhabende Mann sagte: "Die sprechenden Ado werden noch mehr enthalten, als die stummen. Olokun wird sie nur für sich behalten wollen. Ich will von den sprechenden Ado mit mir nehmen." Der wohlhabende Mann brach sieben von den sprechenden Ado ab und nahm sie mit nach Hause. Zu Hause ging er in seinen Raum, schloß ihn hinter sich und zerwarf die sieben Ado. Aus den Ado kamen Leoparden, Löwen und große Schlangen. Die fielen über ihn her, töteten ihn und verschlangen ihn.
17. Jäger und SclzlangenfrauEin Jäger ging mit seinem Burschen alle Tage in die Farm. Wenn der Vater essen wollte, sandte er den Jungen fort, Feuer zu holen. Es zweigten sich drei Wege ab. Der eine Weg war gut instand gehalten, auf dem wohnte eine Feindin des Jägers. Der zweite Weg war mit Gras bewachsen. An dem wohnte ein Mann mit vielen Wunden. Der dritte Weg war mit Busch bewachsen, an dem war das Feuer. Der Jäger sagte jedesmal zu seinem Jungen: "Geh, und hole von dem bewachsenen Weg das Feuer! Gehe aber ja nicht den Weg, der gut gereinigt ist!"
Eines Tages regnete es. Der Jäger sagte zu dem Jungen: "Geh und hole mir Feuer. Geh aber nicht den gereinigten Weg, sondern den bewachsenen." Der Junge sagte: "So will ich tun!" Der Junge ging. Es regnete. Der Bursche sagte (bei sich): "Weshalb soll ich immer den schlechten Buschweg gehen. Ich werde lieber den guten Weg gehen, da wird es sicher auch Feuer geben." Der Junge ging den guten Weg. Er kam an das Haus der Frau. Er trat hinein. Er sah die Frau. Es war eine sehr schöne Frau. Die Frau kochte gerade Kerne im Wasser. Die Frau sagte: "Was willst du?" Der Bursche sagte: "Mein Vater sendet mich, daß ich Feuer hole!" Die Frau sagte: "Dein Vater hat dich zu mir gesandt?" Der Bursche sagte: "Nein. der Vater sandte mich den andern Weg, aber es regnete so arg und der andere Weg ist so verwachsen." Die Frau sagte: "Hier hast du Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast." Der Junge sagte: "Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe!" Der Junge nahm den Feuerbrand und ging.
Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er (bei sich): "Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!" Der Junge löschte den Feuerbrand aus und kehrte zurück, Er trat wieder in das Haus der Frau. Die Frau fragte: "Was willst du ?" Der Junge sagte: "Das Feuer ist verlöscht. Gib mir einen andern Brand." Die schöne Frau gab ihm einen neuen Feuerbrand und sagte: "Hier hast du anderes Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast." Der Junge sagte: "Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe."Der Junge nahm den Feuerbrand und ging wieder.
Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er (bei sich): "Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!" Der Junge löschte den Feuerbrand aus und kehrte zurück. Er trat in das Haus der Frau. Die Frau fragte: "Was willst du?"Der Junge sagte: "Das Feuer ist wieder verlöscht. Gib mir einen andern Brand." Die schöne Frau gab ihm einen andern Feuerbrand und sagte: "Hier hast du anderes Feuer. Sage deinem Vater aber nicht, daß du das Feuer bei mir geholt hast." Der Junge sagte: "Ich will meinem Vater nicht sagen, wo ich das Feuer erhalten habe." Der Junge nahm den Feuerbrand und ging wieder.
Der Junge ging mit dem Feuerbrand ein gutes Stück, dann sagte er: "Diese Frau war sehr schön. Ich muß sie noch einmal sehen!" Der Junge löschte das Feuer aus und kehrte zurück. Er trat in das
Haus der Frau. Die Frau fragte: "Was willst du?"Der Junge sagte: "Das Feuer ist verlöscht. Gib mir einen andern Brand." Die schöne Frau sagte: "Ich werde deinem Vater selbst das Feuer bringen. Sage ihm aber nicht, auf welchem Wege du mich getroffen hast."Der Bursche sagte: "Nein, das will ich nicht sagen." Die Frau nahm einen Feuerbrand und ging mit dem Jungen zu der Farm des Jägers.Der Junge kam mit der Frau auf die Farm des Jägers. Die Frau trug das Feuer. Der Vater sah sie. Der Vater sah, daß die Frau sehr schön war. Der Vater sagte zu dem Jungen: "Wo hast du diese Frau getroffen?" Der Junge sagte: "Ich traf sie an dem verwachsenen Weg." Die Frau sagte: "Schilt den Jungen nicht! Er hat mich getroffen. Hier ist das Feuer." Der Vater nahm das Feuer. Der Vater sah die Frau. Die Frau war sehr schön. Der Vater wußte nicht, daß die schöne Frau die große Schlange Irri (oder liii) war, weil er nicht wußte, daß sie von dem guten Wege kam. Die schöne Frau sagte: "Ich will mit dir nach Hause gehen und mit dir schlafen." Der Vater sagte: "Es ist mir recht. Komm mit mir in mein Haus und schlafe mit mir."
Der Jäger ging mit der schönen Frau nach Hause. Der Jäger nahm sie mit in sein Zimmer und schlief mit ihr. Der Jäger beschlief die schöne Frau. Nachher sagte die Frau: "Ich will gehen. Begleite mich durch den Busch." Der Jäger sagte: "Das will ich tun." Der Jäger wollte seine Flinte nehmen. Die Frau sagte: "Nimm nicht deine Flinte mit dir, sonst fürchte ich mich vor dir."Der Jäger hatte drei Hunde. Er wollte sie mitnehmen. Die Frau sagte: "Laß die drei Hunde zu Hause. Schließ sie ein. Ich fürchte mich sonst vor ihnen." Der Jäger schloß die drei Hunde ein. Er ging ohne Hund und Gewehr mit der schönen Frau.
Die schöne Frau ging mit dem Jäger durch den Busch. Nach einiger Zeit sagte er: "Nun will ich heimkehren."Die schöne Frau sagte: "Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück."Darauf begleitete er die Frau noch ein gutes Stück. Nach einiger Zeit sagte er dann: "Nun will ich heimkehren." Die schöne Frau sagte: "Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück." Nach einiger Zeit sagte er dann: "Nun will ich heimkehren." Die schöne Frau sagte: "Bleibe noch. Begleite mich noch ein Stück." Darauf begleitete er die Frau noch ein gutes Stück.
Nach einiger Zeit sagte die schöne Frau: "Sieh die Früchte auf jenem Baum! Wirf mir doch von den Früchten herab. Steige hinauf und pflücke mir von den Früchten!" Der Baum war sehr hoch. Der
Jäger stieg aber hinauf. Der Jäger stieg bis oben hin und warf der Frau von oben her Früchte zu. Er warf viele Früchte herab. Der Mann stieg immer höher. Als er ganz oben war, rief die schöne Frau von unten herauf: "Wenn du nach oben zum Himmel hin fortwillst, so versuche es! Wenn du nach unten hin zur Erde herab fliehen willst, so versuche es! Wo du auch hinwilist, ich werde dich heute doch noch fressen." Der Jäger sah herunter. Er sah, wie die schöne Frau sich in eine gewaltige Irri (Schlangenart) verwandelt hatte, die sich um den Fuß des Baumes geschlungen hatte.Der Jäger sah das. Er schrie! Er schrie die Namen seiner Hunde. Die drei Hunde hießen: "Oke Makeren (das war der Abschneider), Osoquako Gwenini (der Zuschnappende und Verschlucker) und Ogballe Gbarawes (der Reiniger des Platzes). Als der Jäger schrie, waren die drei Hunde daheim eingeschlossen. Als der Jäger schrie, begann Oke Makere die Tür des Hauses aufzuschneiden. Alle drei Hunde liefen eiligst durch den Busch. Sie kamen unter dem Baume an, auf dem der Jäger saß. Osoquako Gwenini stürzte sogleich auf die Irri zu, biß ihr den Kopf ab und verschluckte ihn. Die Schlange war tot. Darauf begann Oke Makeren die Schlange in Stücke zuzerschneiden und Ogballe Gbarawe schichtete das Fleisch auf. Dann reinigte er den Platz vom Blute.
Der Jäger kam von seinem Baume herab. Er ging erst zu den Hunden und dankte ihnen. Dann betrachtete der Jäger das Fleisch und sagte: "Soviel Fleisch! Wer wird mir das nach Hause tragen können!" Die drei Hunde sagten: "Versprich uns, daß du nichts darüber sprechen willst, so wollen wir dir das Fleisch nach Hause tragen. Du darfst aber auch deiner Frau nichts davon sagen!" Der Jäger sagte: "Ich verspreche euch, daß ich niemanden, auch meiner Frau, nichts davon sagen will." Darauf gingen die drei Hunde in den Busch und holten sich Palmblätter. Sie machten aus dem Fleisch drei Pakete. Sie nahmen die Pakete auf und richteten sich empor. Sie waren nun drei Männer. Als Menschen trugen sie das Fleisch nach Hause und zum Agballa (Hinterhaus) des Jägers. Sie gingen von hinten hinein, während der Jäger von vorn kam.
Die drei Männer legten hinten das Fleisch nieder, dann verwandelten sie sich wieder in Hunde. Der Jäger kam von vorn herein. Er begegnete beim Eintritt seiner Frau und sagte zu ihr: "Sieh das Fleisch, das ich dir in das Agballe geschickt habe!" Die Frau sagte: "Du hast mir ins Agballa Fleisch geschickt? Wen hast du mit dem Fleisch geschickt? Wer hat das Fleisch gebracht?" Der Jäger sagte:
"Die Leute sind schon wieder fortgegangen. Ich traf sie unterwegs. Ich kannte sie gar nicht. Es waren wohl Fremde." Die Frau ging in das Haus und sah das viele Fleisch. Die Frau sagte: "Das müssen drei starke Männer gewesen sein!" Am andern Tag ging die Frau zu einem Babalawo und fragte den: "Was waren das für Leute, durch die mein Mann gestern das Fleisch hat heimschicken lassen?" Der Babalawo sagte: "Kaufe Emu (echtenpalmwein) und Agoro (Wein von der Bambuspalme), mache gutes Essen. Setze das deinem Manne vor, dann kannst du es erfahren." Die Frau des Jägers ging nach Hause. Die Frau kaufte Emu und Ogoro. Sie bereitete gute Speise. Sie setzte dem Mann die gute Speise vor. Als er gegessen hatte, gab sie ihm den Emu und Ogoro. Der Mann trank beides. Der Mann ward betrunken. Die Frau fragte den Mann: "So sage mir doch, wer neulich das Fleisch heimgetragen hat!" Der Jäger sagte: "Eigentlich kann ich es nicht sagen. Du bist meine Frau. Du wirst nichts darüber sprechen. Ich kann dir es schon sagen. Das Fleisch haben mir meine Hunde heimgetragen. Die drei Hunde verwandelten sich in Menschen. Aber behalte es bei dir." Die Frau sagte: "Ich will es bei mir behalten."Die Hunde lagen jeden Morgen vor dem Zimmer des Jägers. Am andern Morgen wollte die Frau dort auffegen. Sie jagte die Hunde, die dort lagen, fort und sagte: "Macht, daß ihr fortkommt, die ihr weder richtige Hunde, noch richtige Männer seid!" Als die Hunde das hörten, sagten sie zueinander: "Der Jäger hat das seiner Frau aufgeschwatzt." Darauf liefen die Hunde fort in den Busch.
Die Frau des Jägers war damals schwanger gewesen. Drei Monate später gebar sie ein Kind. Das Kind konnte nicht hören, das Kind konnte nicht sprechen (taubstumm). Der Jäger wandte sich an alle Orisas, an alle Ada-Uschis. Kein Mensch konnte dem Kinde zur Sprache verhelfen. Das Kind blieb stumm. Der Jäger gab viel Geld dafür aus. Kein Mensch konnte helfen. Eines Tages aber kam Akuko (der Haushahn) und sagte: "Sollte ich nicht eurem Kinde das Sprechen lehren können!" Die Mutter sagte: "Wir würden dir viel Geld geben." Der Jäger sagte: "Wir würden dir viel Geld geben." Akuko sagte: "Der Vater des Kindes, der Jäger soll mir hundert Peitschen bringen. Bringt die hundert Peitschen in den Busch! Bringt das Kind in den Busch!" Man brachte die hundert Peitschen und das Kind in den Busch. Akuko sagte zu dem Jungen: "Warte, ich werde dir Honig bringen!" Er ging weg und stellte eine leere Kalebasse neben den Jungen. Er sagte: "Laß das! Ich bringe gleich mehr." Er ging.
Akuko kam zurück. Er blickte in die Kalebasse und schrie den Jungen an: "Warum hast du allen Honig aufgegessen?!" Damit fing er an, mit den hundert Peitschen auf das Kind zu schlagen. Als es mit siebenundneunzig Peitschen geschlagen war, stieß es tönende Schreie aus. Als es mit hundert Peitschen geschlagen war, sagte es: "Du lügst ja."Der Hahn aber sagte: "Siehst du, nun kannst du sprechen."Von da an konnte der Junge sprechen. Der Hahn brachte ihn nach Hause. Die Mutter gab alles, was sie hatte, dem Hahn. Der Vater gab alles, was er hatte, dem Hahn. — Deshalb spricht der Hahn von allen Hühnern zuerst und trägt außerdem ein großes Ade auf dem Kopfe.
18. Der Jäger und die TierfrauEin großer Jäger war der Führer aller andern Jäger. Der Mann hatte zwanzig Frauen. Aber keine seiner Frauen ward schwanger. Der Orisa dieses Jägers war (natürlich) Ogun. Er opferte Ogun fleißig und bat um Kinder. Aber keine seiner Frauen ward schwanger. Da ging der Jäger zu den Alufa (den Mohammedanern) und betete fleißig und trank nur Wasser. Aber keine seiner Frauen ward schwanger. Darauf sagte er sich: "Mohammed ist nicht gut für mich. Ich will zu Ogun zurückkehren."
Darauf bereitete der Jäger Ogun ein großes Opfer und sprach: "Wenn mein erstes Kind geboren wird, will ich dir auch einen Leoparden opfern." Nachdem der Jäger dies dem Orisa Ogun versprochen hatte, vergingen keine drei Monate und alle seine zwanzig Frauen waren auch insgesamt schwanger. Als der Jäger das hörte, ging er voller Freude in den Busch. Er traf einen Leoparden. Er sagte: "Warte; wenn mein erstes Kind geboren wird, will ich Ogun einen Leoparden schlachten." Er ging weiter und traf einen andern Leoparden. Er sagte: "Warte; wenn mein erstes Kind geboren ist, will ich Ogun einen Leoparden schlachten." Er ging weiter und traf einen andern Leoparden. Er sagte: "Warte; wenn mein erstes Kind geboren ist, will ich Ogun einen Leoparden schlachten."Er ging durch den Busch und traf viele Leoparden. Aber er tötete keinen, Er wollte warten, bis sein erstes Kind geboren war. Er sagte: "Ich kann euch nicht töten, bis meine Frauen geboren haben. Dann aber will ich euch töten."
Als die Zeit gekommen war, gebaren alle zwanzig Frauen Kinder. Als der Jäger das gehört hatte, nahm er seine Flinte und ging in den Busch, um für Ogun einen Leoparden zu töten. Er ging durch den
Busch und sah keinen Leoparden. Er ging weithin durch den Busch und sah keinen Leoparden. Nirgends war ein Leopard zu sehen. Der Jäger lief überall umher und suchte, aber er konnte keinen Leoparden finden. An einem Baume traf der Jäger Ahun (die Schildkröte). Ahun fragte den Jäger: "Was suchst du?" Der Jäger sagte: "Ich habe Ogun einen Leoparden zu opfern versprochen, wenn ich ein Kind erhalte. Nun sind mir heute zwanzig Kinder geboren. Ich kann aber keinen Leoparden finden." Ahun sagte: "Ich weiß einen Leoparden, der wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern daheim. Jetzt ist die Mutter der Kinder zu Hause. Wenn sie aber weggegangen ist, kannst du die drei Kinder mitnehmen und Ogun schlachten."Der Jäger sagte: "Es ist gut. Ich werde wiederkommen."Als der Jäger wiederkam, sagte er: "Ist die Leopardenmutter jetzt bei den Kindern?" Ahun sagte: "Ich bin hier aufgestellt, darauf zu achten, daß niemand hineinkommt. Ich weiß also, daß die Leopardin nicht zu Hause ist. Komm! Ich werde es dir zeigen." Ahun zeigte dem Jäger den Weg. Der Jäger fand die drei jungen Leoparden. Er nahm sie mit nach Hause. Er tötete sie für Ogun. Er pflockte ihre Felle zum Trocknen in der Sonne auf die Erde.
Nach einiger Zeit kam die Leopardin nach Hause. Sie suchte ihre Kinder und fand sie nicht. Sie fragte Ahun: "Wo sind meine Kinder?" Ahun sagte: "Während du fort warst, kam der große Jäger und nahm sie mit. Ich bat ihn, sie hier zu lassen. Er kümmerte sich aber nicht darum, sondern nahm sie mit nach Hause in das Dorf." Die Leopardin sagte zu ihrem Manne (dem Leoparden): "Komm, wir wollen unseren Jungen nachgehen!" Der Leopard sagte: "Ich mag nicht mitgehen. Er schießt mich auch noch!" Die Leopardin sagte: "Komm!" Der Leopard sagte: "Ich bleibe!" Die Leopardin sagte: "Dann gehe ich allein!"
Die Leopardin machte sich auf den Weg. Sie ging aus dem Busche, dem Orte zu. Als sie aus dem Busche in die Farm kam, legte sie alle Kleidung ab und ward eine schöne Frau (in Me,nschengestalt). Die schöne Frau kam in das Dorf. Sie fragte einen Mann: "Wo wohnt hier der große Jäger?" Der Jäger zeigte es ihr. Die Frau ging dahin. Sie kam an das Haus des großen Jägers und fragte: "Wohnt hier der große Jäger, der letzthin wieder drei Leoparden getötet hat?" Die Leute sagten: "Ja, der wohnt hier!" Die schöne Frau ging hinein. Sie traf den großen Jäger. Die schöne Frau sagte: "Bist du der erste der Jäger?" Der Jäger sagte: "Ja, das bin ich." Die schöne Frau sagte: "Ich will heute bei dir schlafen." Der Jäger sagte: "Es
ist recht. Setz' dich." Nachher fragte der Jäger die schöne Frau: "Was willst du essen? Darf ich dir Leopardenfleisch anbieten. Ich habe davon."Die schöne Frau sagte: "Ich esse nie Leopardenfleisch. Gib mir eine Suppe! "—Nachher schlief der Jäger mit der schönen Frau.Die schöne Frau blieb fünf Tage bei dem ersten Jäger und schlief mit ihm. Am fünften Tage sagte sie: "Ich will nun heute heimgehen. Willst du mich ein wenig begleiten?" Der Jäger sagte: "Ja, ich will dich begleiten." Er ging hinein und zog sein Jagdkleid (ein altes Kleid, mit dem die Jäger immer zur Jagd gehen und das auch seine Amulette hat) an. Als er aber in dem Kleide wieder herauskam, sagte die schöne Frau: "So sollst du nicht mit mir gehen, als wenn du zur Jagd gingest. Geh zurück und lege dein gutes Kleid an."Der Jäger ging zurück und legte seine Stadtkleider an. Im Hause sah er seine erste Frau. Die erste Frau sagte zu ihm: "Wenn du mit der schönen Frau fortgehst, nimm dir ja ein gutes Messer mit!"Darauf steckte der Jäger ein Messer zu sich und kam heraus. Die schöne Frau sagte: "So komm mit mir. Ich will dir mein Haus zeigen."
Der Jäger ging mit der schönen Frau durch das Farmland. Als sie an den Busch kamen, sagte die schöne Frau: "Warte hier eine Weile. Ich komme sogleich wieder." Sie trat in den Busch und legte die Kleider wieder an, die sie hier zurückgelassen hatte. Nun wurde wieder aus der schönen Frau eine Leopardin. Als sie wieder aus dem Busche kam, sagte der Jäger: "Jetzt sehe ich erst. Du bist eine Leopardin." Die Leopardin sagte: "Das macht nichts aus. Komm nur bis an mein Haus!"
Der Jäger ging mit der Leopardin weiter. Sie kamen an das Haus, aus dem der Jäger neulich die drei jungen Leoparden genommen hatte. Sie kamen zu dem Leoparden hinein. Die Leopardin sagte: "Das ist der Jäger, der meine drei Kinder genommen hat."Der Jäger sagte: "Ahun hat sie mir gezeigt."Ahun sagte: "Nichts habe ich ihm gezeigt. Er hat das allein gefunden. Ich habe ihm noch gesagt: ,Geh hier fort!' Da hat er mich fortgejagt. Ich bin ihm mit meiner Frau entgegengekommen. Ich will euch zeigen, wie er es gemacht hat. Denkt einmal, ihr wäret Ahun und seine Frau. Legt die Hände vors Gesicht und werft euch vor mir nieder. Ich werde dann so tun, als sei ich der große Jäger."
Der Leopard und die Leopardin legten darauf die Hände vors Gesicht und warfen sich vor Ahun auf die Erde. Der Jäger nahm sein Messer heraus und tötete sie alle beide. Er beschenkte Ahun reichlich und kehrte nach Hause zurück.
12. Kapitel: Ahun bei den Tieren
19. Die Frau des HahnesEine Frau hatte nichts zu essen. Sie hatte nichts anzuziehen. Sie hatte keine Kleider. Sie war arm. Sie trug Blätter. Sie hatte schon als Kind nichts. Ihre Brüste schwollen. Ein Mann sagte: "Ich schicke dir Stoffe. Schlafe bei mir." Die Frau sagte: "Nein, ich weiß nichts von einem Manne." (Heißt etwa: bin Mädchen und will Mädchen bleiben, bis ich heirate.) Die Frau hatte nichts zu arbeiten. Sie hungerte. Sie ging zu dem Manne abends und sagte: "Ich will bei dir schlafen." Sie schlief mit dem Manne. Sie blieb bei dem Manne bis zum andern Morgen. Der Mann gab ihr am andern Morgen ein Kleid und sagte zu ihr: "Bleibe bei mir!" Die Frau blieb bei dem Manne.
Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar Zwillinge. Eins der Kinder war ein Mädchen. Als die Frau die Zwillinge geboren hatte, stellte der Mann seine erste Frau beiseite, und seine zweite Frau beiseite (d. h. er stellte die Frau, die ihm die Nachkommenschaft beschert hatte, über seine rechtmäßigen Frauen). Er schenkte der Mutter der Zwillinge schöne Kleider. Er gab ihr Perlen.
Das Mädchen (von dem Zwillingspaar) war sehr hübsch. Alle Leute kamen und wollten es heiraten. Das Mädchen sagte: "Ich will diese nicht heiraten." Der Leopard kam und sagte: "Ich möchte dich zur Frau haben." Das Mädchen sagte: "Ich will dich nicht zum Manne!" Der Elefant kam und sagte: "Ich möchte dich zur Frau haben." Das Mädchen sagte: "Ich will dich nicht zum Manne!" Der Büffel sagte: "Ich will dich zur Frau haben." Das Mädchen sagte: "Ich will dich nicht zum Manne!"Jedes Tier kam und sagte: "Ich will dich zur Frau haben." Das Mädchen sagte jedem: "Ich will dich nicht zum Manne!" Der Osi (König) sagte: "Ich will dich zur Frau haben!" Das Mädchen sagte: "Ich will auch den König nicht zum Manne!"
Das Mädchen sah den Akuko (Haushahn). Das Mädchen sagte: "Ich will den Akuko zum Manne haben." Alle Leute sagten: "Wie viele und angesehene Männer wollten dich zur Frau haben, und du wolltest nicht! Und jetzt willst du den Akuko zum Manne nehmen?" Der Akuko hörte es. Er kam zu dem Mädchen und sagte: "Ich möchte dich zur Frau haben!" Das Mädchen sagte: "Es ist mir recht; ich möchte dich auch zum Manne haben!" Das Mädchen ging zu seinem Vater und sagte: "Ich möchte den Akuko heiraten!" Der Vater sagte: "Wir werden sehen, was er kann; wer am meisten kann,
soll dich zur Frau haben. Wir wollen das schon sehen. Alle sollen meine Farm bestellen, und wer mit seinem Acker zuerst fertig ist, dem werde ich dich zur Frau geben."Als der Akuko das hörte, ging er zu einem Babalawo und sagte: "Kannst du mir einen Rat geben?" Der Babalawo sagte: "Du willst das Mädchen heiraten, das viele Leute zur Frau haben wollen. Wenn du nicht aufpaßt, kannst du sie nicht zur Frau gewinnen. Wenn sie deine Frau wird und du sie nicht gut bewachst, wird sie dir genommen werden. Wenn du nun mich verläßt und aus dem Hause gehst, wirst du eine alte Frau treffen. Diese Frau wird eine Last am Boden stehen haben. Hilf ihr, sie auf den Rücken nehmen und du wirst Vorteil haben!" Akuko sagte: "Es ist gut!" Akuko ging.
Akuko ging fort. Bald traf er eine alte Frau, die hockte am Wege und neben ihr am Boden stand ihre Last. Die alte Frau sagte: "Hilf mir die Last auf den Kopf nehmen!" Akuko ging weiter und sagte: "Ich mag nicht!" Die alte Frau rief ihm nach: "Mufi Oloru(n)beo!" (Tue es um Gottes willen.) Da wandte sich Akuko um und half der alten Frau die Last auf den Kopf. Die alte Frau sagte: "Ich kann dir etwas zu essen geben. Wenn du das ißt, wird dir jeder Wunsch erfüllt werden!" Akuko sagte: "So gib mir das nur zu essen!"Die Frau fuhr mit ihrer Hand in die Nase und zog ihren Nasenschleim heraus. Sie sagte: "Schlucke dies hinter!" Akuko nahm es und verschluckte es. Akuko ging nach Hause.
Am andern Tage gingen der Vater und die Mutter des Mädchens mit ihrer Tochter auf die Farm. Auf der Farm standen sechs Termitenhaufen. Der Vater setzte seine Tochter auf das Feld. Der Vater teilte das Feld in lauter gleiche Teile und sagte: "Jeder soll einen Teil meines Feldes bearbeiten. Wer mit seinem Teil zuerst fertig ist, kann meine Tochter mit nach Hause nehmen." Alle nahmen ihre Hacken, um die Arbeit zu beginnen.
Die andern kamen zu Akuko und sagten: "Der Griff deiner Öko (Hacke) ist ja zerbrochen!" Der Griff der Hacke Akukos war in der Tat zerbrochen. Akuko sagte: "Der Nasenschleim der alten Frau ist so stark, daß die Hacke die Arbeit aushalten wird. Seht her!"Damit schlug Akuko gegen einen Ogan (Termitenhaufen). Die Hacke Akukos zersprang nicht. Aber der Termitenhaufen stürzte um, die fliegenden Ameisen kamen heraus und alle stürzten sich darauf, sie zu fangen und zu verzehren. Während die andern die Ameisen fingen und fraßen, begann Akuko seine Arbeit und brachte das Farmwerk ein gut Teil vorwärts.
Als die andern alle fliegenden Ameisen gegessen hatten, kamen sie zu Akuko zurück und sagten: "Der Griff deiner Öko ist zerbrochen!" Akuko sagte: "Der Nasenschleim der alten Frau ist so stark, daß die Hacke die Arbeit aushalten kann. Seht hier!" Damit schlug Akuko gegen einen zweiten Ogan (Termitenhaufen). Die Hacke zersprang nicht. Aber der Termitenhaufen stürzte um; die fliegenden Ameisen kamen heraus, und alle stürzten sich darauf, sie zu fangen und zu verzehren. Während die andern Ameisen fingen und fraßen, setzte Akuko seine Arbeit fort und brachte das Farmwerk ein gut Teil weiter.
Als die andern alle fliegenden Ameisen gegessen hatten, kamen sie zu Akuko zurück und sagten: "Der Griff deiner Öko ist zerbrochen!" Akuko sagte: "Der Nasenschleim der alten Frau ist so stark, daß die Hacke die Arbeit aushalten kann. Seht hier!" Damit schlug Akuko gegen einen dritten Ogan. Die Hacke zersprang nicht. Aber der Termitenhaufen stürzte um; die fliegenden Ameisen kamen heraus und alle stürzten sich darauf, sie zu fangen und zu verzehren. Während die andern die Ameisen fingen und fraßen, setzte Akuko seine Arbeit fort und brachte das Farmwerk ein gut Teil weiter.
Als sie auch die fliegenden Ameisen gegessen hatten, kamen sie zurück. In gleicher Weise und Wiederholung stürzte Akuko ihnen einen vierten und dann einen fünften und endlich auch den sechsten Termitenhaufen um (bis dahin genau wörtlich wiederholt wie beim ersten bis dritten Termitenhaufen). Die fliegenden Ameisen kamen (auch beim sechsten Termitenhaufen) heraus und alle stürzten sich darauf, sie zu fangen und zu verzehren. Während die andern nun aber sich daran machten, die fliegenden Ameisen zu fangen und zu verzehren, setzte Akuko seine Arbeit fort, und nun hatte er nur noch ganz wenig zu tun.
Während die andern der wohlschmeckenden Speise nachgelaufen waren, hatte Akuko sein Farmstück fast aufgearbeitet. Als sie mit dem letzten Schmause fertig waren, riefen sie: "Seht, der Akuko hat seine Farm fast vollendet. Er hat seine Farm mit der zerbrochenen Hacke vollendet. Sollten wir uns nicht eilen, doch noch vor ihm mit unserer Arbeit anzukommen? Sollten wir uns nicht eilen, weil er sonst die junge Frau mit heim nimmt?" Die andern Tiere arbeiteten schnell. Sie waren groß und kamen schnell vorwärts. Als sie aber beinahe bei dem Vater und der Mutter des Mädchens ankamen (man muß sich vorstellen, daß sie mit der Hackarbeit auf das Elternpaar zukamen), hatte Akuko diese gerade erreicht.
Akuko kam bei dem Vater des Mädchens an und sagte: "Ich habe mein Farmstück vollendet! Gebt mir jetzt das Mädchen zur Frau." Der Vater sagte: "Ja, du bist mit deiner Arbeit zuerst fertig geworden. Hier hast du meine Tochter!" Er gab Akuko seine Tochter. Die andern sahen es, sie kamen auch heran und sagten: "Hat Akuko nicht doch noch die Frau bekommen? Hat er nicht mit seiner zerbrochenen Hacke die Arbeit schneller vollendet als wir?"
Alle gingen in die Stadt zurück. Die andern sprachen untereinander: "Wir wollen Akuko auf dem Heimwege seine Frau fortnehmen." Die andern kamen zu Akuko und fragten: "Welchen Weg willst du nach Hause gehen?" Akuko sagte: "Ich werde den Weg an dem großen Flusse entlang nehmen." Die andern sagten: "Dann gehen wir ja den gleichen Weg." Alle gingen nun mit Akuko nach Hause.
Nachdem die andern eine Weile mit Akuko dahingegangen waren, kamen sie an den großen Fluß. Die andern sagten: "Wir wollen baden." Akuko sagte: "Ich mag nicht baden." Die andern sagten: "Wir wollen doch baden und du mußt mit uns baden." Da sagte sich Akuko: "Die andern wollen dir deine Frau wegnehmen. Ich werde meine Frau lieber in den Mund nehmen." Akuko nahm seine Frau in den Mund. Die andern stießen, als sie das sahen, Akuko in das Wasser. Um ihm seine Frau wegzunehmen und um ihn zu zwingen, seine Frau aus dem Munde zu geben, steckten sie Akukos Kopf unter das Wasser. Sie sagten: "Nun muß er den Mund aufmachen. Dann nehmen wir die Frau heraus." Als Akuko das hörte, schluckte er seine Frau hinunter, so daß sie in seinem Bauche war.
Als Akuko die Frau hinuntergeschluckt hatte, ließen ihn die andern heraus. Er kam ans Land. Akuko wollte die junge Frau nun wieder aus dem Bauche heraus haben. Die junge Frau hieß Aruege. Er schrie also immer: "Aruege! Aruege! Aruege!" Aber die Frau kam nicht wieder heraus, und so schreit er noch immer: "Aruege! Aruege! Aruege!"
20. Das Mädchen, das nur den Sklaven heiraten willEin Mann heiratete eine Frau. Sie hatten ein Kind. Es war ein Mädchen. Das Mädchen wurde Omanide genannt. Das Mädchen wuchs heran. Oka (die kleine Schlange) kam und sagte: "Ich will das Mädchen heiraten." Das Mädchen sagte: "Ich mag Oka nicht." Edjula (die große Schlange) kam und sagte: "Ich will das Mädchen heiraten." Das Mädchen sagte: "Ich mag Edjula nicht."Alle Tiere
kamen und wollten das Mädchen heiraten. Das Mädchen sagte zu jedem: "Ich mag dich nicht!"Vor dem Hause des Vaters Omanides stand ein Zitronenbaum (Ossa). Der Vater fragte Omanide: "Wen willst du heiraten?" Das Mädchen sagte: "Laß sie versuchen, von unseren Ossa eine Zitrone herabzubringen. Ich will einen von denen nehmen, die das können." Alle Tiere kamen zusammen und versuchten auf den Ossa zu steigen. Edjula (die große Schlange) kroch an dem Baume hinauf. Edjula pflückte eine Zitrone. Edjula sang: "Alle wollten dich heiraten. Du mochtest keinen. Du wolltest nicht Oka. Du wolltest nicht Agwari (kleine Antilope; Haussa: Maso). Du wolltest nicht mich. Du wolltest den, der dir die Zitrone bringt. Nun habe ich aber die Zitrone!" Edjula kam herab. Edjula gab Omanide die Zitrone. Omanide sagte: "Du warst der erste, der mir eine Zitrone vom Ossa meines Vaters brachte. Ich nehme dich aber doch nicht, denn ich mag dich nicht."
Alamu (Siedleragave, Eidechse; Haussa: gadangare; Nupe: jekumgwara) war der Sklave aller Tiere. Nach Edjula versuchten alle Tiere auf den Baum zu steigen. Aber keines kam auf den Ossa. Alamu sagte: "Ich will es versuchen." Alamu begann hinaufzuklettern. Alamu kam hinauf. Alamu pflückte eine Zitrone. Alamu begann mit der Zitrone herabzusteigen. Alamu gab Omanide die Zitrone. Omanide sagte: "Dich mag ich. Dich werde ich heiraten." Alle Tiere sagten: "Omanide will Alamu heiraten. Alamu ist unser Sklave. Alamu hat kein eigenes Haus. Wir wollen Alamu kein Haus geben!" Die Tiere waren böse.
Alamu nahm seine Frau und ging mit ihr zur Stadt. Vor der Stadt sagte er zu ihr: "Warte hier. Ich will erst nach meinem Hause gehen. Dann komme ich wieder und hole dich. Omanide blieb vor der Stadt zurück. Alamu ging in die Stadt, um ein Haus zu suchen. Er hatte selbst kein Haus. Alamu suchte und suchte. Er bekam kein Haus. Da ging er dahin zurück, wo er seine Frau zurückgelassen hatte. Er kam an den Platz. Er sah sich um. Omanide war nicht mehr da.
Omanide hatte gewartet. Die Tiere waren vorbeigekommen und hatten gefragt: "Wo ist dein Mann?" Omanide sagte: "Mein Mann sieht nach seinem Hause!" Die Tiere sagten: "Dein Mann hat gelogen. Dein Mann hat kein Haus! Dein Mann ist unser Sklave." Omanide ging wieder nach Hause. Omanide versteckte sich hinter dem Hause ihres Vaters. Alamu kam. Alamu fragte den Vater Omanides: "Wo ist Omanide? Wo ist meine Frau?" Omanides Vater
sagte: "Du hast sie ja mitgenommen! Wo soll ich nun wissen, wo du Omanide hingebracht hast?"Seitdem hebt die Eidechse, wenn sie auf Mauern und Bäumen sitzt, immer den Kopf in die Höhe. Alamu schaut dann nach seiner Frau aus. Aber er findet Omanide nicht.
21. Scheidung der Busditiere und der HaustiereIm Lande Ab heiratete Wauwa (Guineakornblätter als Mann gedacht) die Ekan (ein Buschgras, als Frau gedacht). Sie hatten fünf Söhne: Erri (den Elefanten), Rakum (das Kamel), Effan (den Büffel), Esi (das Pferd) und Ketekete (den Esel). Der Vater sagte eines Tages: "Es gibt kein Essen. Geht mir, alle meine fünf Söhne zum Flusse und fangt mir Fische!" Die fünf Söhne nahmen große Kalebassen und gingen zum Fluß hinab. Sie kamen an den Fluß und sangen: "Faßt alle an! Faßt alle an! Schöpft das Wasser heraus! Schöpft das Wasser heraus! Es sollen nur die Fische bleiben!"Sie schöpften alles Wasser heraus. Es blieben zehn Fische im Loche. Die fünf Söhne teilten. Jeder erhielt zwei Fische. Erri erhielt zwei Figche, er röstete einen, aß ihn und hob den andern auf. Effan erhielt zwei Fische, er röstete einen, aß ihn und hob den andern auf. Rakum erhielt zwei Fische, er röstete sie und aß sie beide auf. Esi erhielt zwei Fische, er röstete sie und aß sie beide auf. Ketekete erhielt zwei Fische, er röstete sie und aß sie beide auf.
Die fünf Söhne begaben sich auf den Heimweg. Die fünf Söhne kamen heim. Der Vater fragte sie: "Habt ihr Fische gefangen?" Rakum sagte: "Wir haben keine Fische gefangen." Esi sagte: "Wir haben keine Fische gefangen." Ketekete sagte: "Wir haben keine Fische gefangen." Erri zog seinen Fisch heraus und sagte: "Hier habe ich dir einen Fisch mitgebracht." Effan zog seinen Fisch heraus und sagte: "Hier habe ich dir einen Fisch mitgebracht."
Da sagte der Vater zu den ersten drei Söhnen: "Ihr drei, die ihr keinen Fisch für mich mitgebracht habt, für euch drei will ich nicht mehr sorgen. Mit Esi will ich nichts mehr zu tun haben. Jedermann soll auf dir reiten, und so magst du Nahrung gewinnen. Mit Rakum will ich nichts mehr zu tun haben. Jedermann soll seine Lasten auf dich laden, und so sollst du deine Nahrung gewinnen. Mit Ketekete will ich nichts mehr zu tun haben. Jedermann soll dich beladen, und dich schlagen, bis du blutest, und so sollst du deine Nahrung gewinnen!"
Dann nahm der Vater Baumrinde und legte die auf Erris Kopf. Er
nahm eine Hand und steckte sie ihm in die Nase. Er nahm zwei Stöcke und steckte sie auf Effans Kopf. So wurden dem Erri der starke Schädel, die dicke Haut und der Rüssel. So wurden dem Büffel die Hörner. Der Vater sagte zu ihnen beiden: "So will ich für euch sorgen, weil ihr mir Fische mitgebracht habt. Nun seid ihr stark und könnt bei mir bleiben, ohne daß euch jemand etwas anhaben kann."Seitdem leben Kamel, Pferd und Esel bei den Menschen, der Elefant und der Büffel aber im Busch. Jeder Sohn soll für seinen Vater sorgen und ausführen, was er verlangt.
22. Antilope und Ziegenbock (Auszug)Oruko (der Ziegenbock), Erri (der Elefant) und Effa (der Büffel) haben eine gemeinsame Mutter. Sie legen ihre Farm nebeneinander an, und zwar baut an: Erri Okro (Joruba: illa; Haussa: kubewa; Nupe: moami), Effa Tomaten (Joruba: jka[ng]; Haussa: gauta; Nupe: jiengi), Oruko grüne Tomaten (Joruba: bobo; Haussa: gautang-kurra; Nupe: jiengi-luku[n]g). Alles Gepflanzte keimt. Mutter geht täglich hinaus nach dem Rechten zu sehen, bringt dann die ersten Früchte heim. Eines Nachts kommt dann eine Antilope (Joruba: Galla) und frißt alles ab. Dann läuft sie wieder in den Busch zurück. Am andern Morgen kommt die Mutter auf die Farm und sieht den Schaden. Die Mutter sagt: "Wer hat dies alles gefressen? Gott soll ihn strafen!" Galla hörte das, kommt sogleich aus dem Busche und schlägt die Mutter, daß sie sich vor Angst entleert. Galla zwingt sie, die eigenen Exkremente zu essen. Dann rennt die Mutter angstvoll heim und erzählt alles ihrem Sohne, dem Elefanten. Der Elefant geht nun mit seiner Mutter zur Farm hinaus und sagt ihr, sie solle ihren Fluch wiederholen. Die Mutter sagte wieder: "Gott soll den Dieb strafen." Darauf kommt die Galla wieder aus dem Busche heraus und schlägt auf den Elefanten ein, so daß Elefant und Mutter entsetzt nach Hause laufen. Darauf macht sich der Büffel mit seiner Mutter auf den Weg, um an der Galla Rache zu nehmen. Die Rache endet aber genau ebenso. —Endlich bietet sich auch Oruko, der Ziegenbock, an, mit seiner Mutter den Weg zur Farm zu unternehmen und sich an Galla zu rächen. (Galla eine Antilope; Joruba: Galla; Haussa: barrewoa; Nupe: eko.) Die andern beiden spotten. Die Mutter warnt. Oruko besteht darauf. Sie kommen zur Farm. Mutter muß den Fluch wiederholen. Galla kommt heran, will Oruko schlagen. Aber Oruko schluckt Galla hinunter.
Galla kommt zum Anus Orukos wieder heraus. Dann verschluckt Galla Oruko. Oruko kommt zum Anus Gallas wieder heraus. Mutter bekommt Schreck, will entsetzt heimlaufen. Aber Oruko verschluckt Galla und bittet seine Mutter, ihr Kleid zusammenzuballen und damit seinen Anus zu verstopfen, so daß Galla nicht wieder heraus kann. So geschieht es. Oruko geht mit Galla im Leibe und Mutters Tuch im Anus samt Mutter heim. Elefant und Büffel laufen entsetzt in den Busch und werden Buschtiere. Galla aber, der keinen andern Ausweg findet, rutscht in Orukos Hodensack (Joruba: egba(n] Haussa: suan; Nupe: suba), und daher hat der einen gewaltigen Hodensack.23. Der Ziegenbock verjagt den LeopardenEkun (der Leopard) ging umher und suchte einen Platz, um darauf sein Haus zu bauen. Er kam an eine Stelle zwischen Bäumen, die war mit hohem Gras bewachsen. Ekun betrachtete die Stelle und sagte: "Dieser Platz ist sehr gut für mein Haus. Man braucht nur das Gras zu schneiden, so ist die Sache sehr gut."Ekun ging weiter. Nach einiger Zeit kam Oruko (der Ziegenbock) an die gleiche Stelle. Er betrachtete die Stelle und sagte: "Dieser Ort ist ja ausgezeichnet für ein Haus. Ich will mir hier ein Haus bauen. Man braucht nur das Gras zu schneiden. Ich werde das gleich tun."Oruko nahm sein Grasmesser heraus und begann das Gras abzuschlagen. Als er den Ort gereinigt hatte, betrachtete er ihn und sagte: "Morgen werde ich nun Stangen für den Hausbau schlagen." Dann nahm Oruko sein Grasmesser und ging von dannen. Als Oruko fortgegangen war, kam Ekun mit dem Grasmesser zurück, um den Platz zu säubern. Er sah, daß der Ort schon gereinigt war. Ekun sagte: "Ob. run (Gott) hat für mich den Platz gereinigt. Morgen werde ich dann die Stangen für den Hausbau schlagen." Ekun ging.
Am andern Tage kam Oruko in aller Frühe, schlug die Stangen und legte sie nebeneinander hin. Dann ging er fort. Als Oruko fortgegangen war, kam Ekun, um die Stangen zu schlagen. Ekun sah die Stangen und sagte: "Olorun hat für mich die Stangen geschlagen! Morgen werde ich das Gerüst aufstellen!" Ekun ging.
Am andern Tage kam Oruko in aller Frühe. Er steckte das Haus ab und pflanzte die Stangen in die Erde. Dann ging er fort. Als Oruko fortgegangen war, kam Ekun, um das Gerüst aufzustellen. Ekun sah das aufgerichtete Gerüst und sagte: "Olorun hat für mich das Gerüst aufgestellt! Morgen werde ich das Dachgerüst binden." Ekun ging.
Am andern Tage kam Oruko in aller Frühe. Er nahm Stangen und band das Dachgerüst. Dann ging er fort. Als Oruko fortgegangen war, kam Ekun, um den Dachstuhl zu binden. Ekun sah den aufgebundenen Dachstuhl und sagte: "Olorun hat für mich das Dachgerüst gebunden. Morgen werde ich also das Dach decken." Ekun ging.
Am andern Tage kam Oruko in aller Frühe. Er schnitt Blätter und Gras und deckte das Dachgerüst. Dann ging er fort. Als Oruko fortgegangen war, kam Ekun, um das Dach zu decken. Ekun sah das gedeckte Dach und sagte: "Olorun hat für mich das Dack gedeckt, er hat für mich das ganze Haus gebaut, morgen werde ich in aller Frühe einziehen." Ekun ging.
Am andern Morgen kam Oruko mit Ewure (der Ziege, seiner Frau). Dann kam Ekun. Ekun sagte: "Olorun hat mir ein schönes Haus gebaut." Oruko sagte: "Was, das Haus hat Olorun gebaut? Habe ich denn nicht das Haus gebaut? Bin ich denn Olorun ?" Ekun sagte: "Den Platz für das Haus habe ich ausgesucht." Oruko sagte: "Den Platz habe ich ausgesucht!" Ewure (die Ziege) sagte: "Streitet euch nicht! Ihr könnt beide darin wohnen. Ekun soll die eine Seite des Hauses nehmen. Du nimmst die andere." Ekun sagte: "Es ist mir recht!" Oruko sagte: "Es ist mir recht. Wir können zusammen wohnen und zusammen essen." Ekun zog in die eine Seite des Hauses. Oruko zog mit Ewure in die andere Seite des Hauses.
Ekun ging in den Busch. Er tötete viele Antilopen und brachte sie heim. Oruko ging auf den Markt und kaufte ein. Ewure kochte. Sie aßen gemeinsam einen Tag wie den andern. Eines Tages ging Ekun in den Busch, um Antilopen zu jagen. Er fand aber keine. Da ging er in das Dorf und tötete einen Ziegenbock. Er deckte den Ziegenbock zu und brachte ihn heim. Er sagte zu Oruko: "Schau, was ich für eine gute Antilope habe!" Oruko hob die Decke auf und sah darunter. Als das Essen fertig war, sagte Ekun zu Oruko: "Komm, wir wollen essen!" Oruko sagte: "Von der Antilope esse ich nicht!" Am andern Tage ging Oruko in den Wald und suchte einen Jäger auf. Er begrüßte den Jäger und sagte: "Tu mir einen Gefallen!" Der Jäger sagte: "Ich will es gerne tun!" Oruko sagte: "Töte mir einen Leoparden." Der Jäger sagte: "Das will ich tun." Nach einigen Tagen gab der Jäger Oruko einen Leoparden. Oruko sagte: "Ich danke dir!"Oruko nahm den Leoparden mit nach Hause. Er deckte ihn zu. Als Ekun nach Hause kam, sagte Oruko: "Schau unter die Decke, ob ich nicht auch schöne Antilopen fangen kann!"
Ekun hob die Decke auf. Da sah er den Leoparden. Ekun sagte: "Von dem Tiere esse ich nicht." Ekun ging in den Busch und brachte eine Antilope.Nach einigen Tagen traf Ekun Ewure am Wasser, als er von der Jagd heimkehrte. Er fragte Ewure: "Wie hat dein Mann, der Oruko, neulich den Leoparden getötet?" Ewure sagte: "Eigentlich ist es ein Geheimnis, über das ich nicht sprechen soll. Aber dir kann ich es schon sagen. Oruko hat die Agbaragabe (Agbara ist der böse Blick). Wenn er ein Tier besonders ansieht, so stirbt es. Er hat wieder ein solches Tier getötet, du wirst es heute essen können. Geh nur nach Hause!" Ekun sagte: "Es ist gut, ich gehe nach Hause."
Ekun ging. Als er ein Stück weit auf das Haus zugegangen war, sagte er: "Wenn ich Oruko einmal ärgere, oder wenn er einmalnicht genug zu essen hat, wird er mich auch so ansehen. Ich will lieber aus dem Hause wegbleiben." Ekun lief in den Busch.
Von der Zeit an leben die Leoparden im Busch. Früher lebten sie auch in den Häusern.
24. Die Ohrentrommel der Tiere (Bruchstück)Ehoro fordert alle Tiere zu einer Zusammenkunft auf. Sie haben keine Trommel. Auf Ehoros Vorschlag wird aus allen Ohrmuscheln der Tiere eine Trommel hergestellt, die ein Tier nach dem andern bewachen soll, während die andern sich im Busche verteilen. Nacheinander bewachen die Trommel Elli (oder Erri), der Elefant, Galla, wohl die Schirrantilope, Koko, die Hyäne, Ehoro, das Eichhörnchen, Etta, der Gepard (?). Jedes der Tiere schläft nachts ein, und dann kommt Ulingini und schlägt gegen die Trommel. Ehe noch der Schläfer recht erwacht, ist Ulingini dann auch immer wieder fort, die andern Tiere kommen aber aus dem Busche zusammen und verprügeln den Wächter. Endlich gelingt es Edung, anscheinend auch Ednu-olokun genannt, einer Guerezza (Seidenaffenart) die Katze zu fangen, indem der Affe sich in einem Loch unter der Trommel versteckt und nicht einschläft. — Aus Angaben der sehr unklaren Erzähler scheint hervorzugehen, daß die Tiere selbst, aus deren Ohren das Instrument verfertigt war, nicht damit umzugehen wissen.
25. Der König der TiereAlle Tiere im Busch wählten Keneun (den Löwen; Haussa: saki; Nupe: gaba) zum König. Keneun sagte: "Ich will euer König
sein; es darf mir aber niemand zu nahe kommen." Keneun ward König. Das war für die Tiere sehr schlecht. Er schlug alle, die ihm nahe kamen, tot. Es konnte ihm keiner über seine Wanderungen, über Kriege und über den Handel berichten. Keneun tötete jeden, der ihm nahe kam. Da wählten die Tiere Ekun, den Leoparden, zum König. Ekun sagte: "Ich kann aber tagsüber nicht herauskommen. Ich gehe nur nachts aus. Die Tiere (eraku; Haussa: namandaji; Nupe: ujekunji) waren wieder nicht zufrieden. Auch Ekun fiel über die Tiere her und tötete sie.Die Tiere hatten nichts zu trinken. An dem Bache, aus dem sie tranken, wohnte Keneun, der nicht mehr König war. Niemand ging zum Bach Wasser zu holen. Alle fürchteten Keneun. Die Tiere sagten: "Wer dreimal hingeht und aus dem Bache Wasser holt, den machen wir zum König." Ahun sagte: "Wollt ihr mir jeder eine Kalebasse bringen? Wollt ihr mir jeder eine Glocke bringen? (Glocke in Joruba agogo; Haussa: kule; Nupe: eku.) Dann will ich euch Wasser geben." Die Tiere sagten: "Das wollen wir tun."Jeder brachte eine Kalebasse und eine Glocke. Ahun hing sich alle Glocken und alle Kalebassen um.
Als es nachts ein Uhr war (die Stunde heißt in Joruba adje-oru; Haussa: sakamdere; Nupe: sadu) ging Ahun mit allen Kalebassen und Glocken zum Bache herab. Ahun sang: "Wenn Erri am Wasser ist, werde ich ihn töten. Dann werde ich seinen Rüssel essen. Wenn ich Effan am Wege treffe, werde ich ihn töten und sein Gehirn essen." Ahun nahm eine Kalebasse und warf sie gegen den Boden. Sie zersprang. Er klapperte mit allen Glocken und Kalebassen. Er kam zum Bache herab. Er nahm Wasser in eine Kalebasse. Er ging zurück. Keneun sah ihn. Keneun sagte: "Was ist das für ein Tier? Was singt so? Was ist stärker als Erri und Effan? Weshalb erschrak ich?"
Ahun brachte das Wasser zu den Tieren. Ahun sagte: "Nun bin ich euer König!" Die Tiere sagten: "Du mußt noch zweimal Wasser holen. Dann machen wir dich zum König!" Ahun sagte: "Es ist gut!" Ahun band wieder alle Kalebassen und Glocken um und machte sich auf den Weg. Ahun kam zum Bache. Ahun warf seine Kalebasse hin. Sie zersprang. Ahun klapperte mit allen Glocken und Kalebassen. Ahun sang: "Wenn Erri am Wasser ist, werde ich ihn töten. Dann werde ich seinen Rüssel essen. Wenn ich Effan am Wege treffe, werde ich ihn töten und sein Gehirn essen!"
Keneun hörte Ahun. Keneun sah Ahun. Er schlich heran. Er
sprang auf Ahun. Er zerbrach die Glocken und Kalebassen. Er warf die Glocken und Kalebassen nach allen Seiten auseinander. Er sah Ahun. Er sagte: "Was, das bist du, Ahun? Du, Ahun, wagst das?" Ahun sagte: "Töte mich nicht. Ich will dir alles sagen. Ich will dein Sklave sein." Keneun sagte: "Es ist gut! Komm mit in mein Haus und koche für meine Kinder." Keneun nahm Ahun mit auf den Berg in sein Haus. Es war eine tiefe Höhle in den Steinen. Keneun ging nun alle Tage in den Busch. Er brachte die Tiere heim. Ahun bereitete die Speise und setzte sie Keneuns Kindern vor.Eines Tages hatte Ahun wieder Speise für Keneuns Kinder gemacht. Ahun roch daran. Das Essen war sehr gut. Ahun gab das Essen nicht den Kindern Keneuns. Er aß alles selbst auf. Darauf tötete Ahun alle Kinder Keneuns. Ahun zog ihnen das Fell ab und fraß sie auf. Dann füllte Ahun das Fell der jungen Löwen mit Sand und legte sie auf die Erde. Er schloß die Tür, daß sie von außen nicht aufzumachen war.
Nach einiger Zeit kam Keneun heim. Er rief in sein Haus hinein: "Zeige mir meine Kinder!" Ahun sagte: "Ich kann die Tür nicht öffnen!" Keneun sagte: "Das macht nichts." Er sprang über die Felsen in seine Höhle. Er sagte: "Wo sind meine Kinder?!"Ahun sagte: "Die Kinder sind krank!" Keneun ging und sah. Keneun sagte: "Das ist ja nur Fell und Sand!" Keneun sprang auf Ahun zu. Ahun schlüpfte unter einen Felsen. Keneun wollte ihm nachspringen. Der Spalt war zu eng. Keneun warf die Felsen nach rechts und nach links auseinander. Er konnte nicht zu Ahun gelangen. Ahun rief aus seinem Winkel: "Du kannst mir hier nichts tun!"
Keneun ging. Keneun rief alle Tiere zusammen. Alle Tiere kamen. Keneun sagte: "Ich will keinem von euch etwas tun. Sagt mir nur, wer mit Ahun Freund ist." Alle Tiere sagten: "Ich bin nicht Freund mit Ahun."Adja (der Hund) sagte: "Ich bin Freund mit Ahun. Ich weiß nicht, wo er wohnt. Wir treffen uns aber immer auf dem Kreuz-Wege." Keneun sagte: "Wenn du mir Ahun hierher schaffen willst, werde ich dir Gutes tun."Adja sagte: "Gib mir erst Essen!"Keneun gab Adja Essen. Adja aß. Adja sagte: "Nun werde ich ihn treffen."
Adja ging auf den Kreuzweg (Joruba: ori-ta; Haussa: magamihanja; Nupe: jekokeschi). Nach einiger Zeit kam Ahun auch auf den Kreuzweg. Adja sagte: "Ich habe dich lange nicht gesehen." Ahun sagte: "Alle Tiere im Busche verfolgen mich und wollen mich töten."Adja sagte: "Es ist gut; so komm doch mit mir in das Haus meiner Schwiegermutter; da werde ich mit dir mein Essen teilen."
Ahun sagte: "Das ist mir recht. Wir wollen gute Freunde bleiben." Adja sagte: "Schlüpfe in den Korb, den ich hier auf dem Kopfe trage. Damit dich der Zollwächter des Königs (Wegsteuereinnehmer Joruba: ennebode; Haussa: serki-nkoffa; Nupe: bwamisun-kose) nicht sieht und fängt!" Ahun sagte: "Es ist gut!" Dann kroch Ahun in Adjas Korb und Adja nahm den Korb auf und ging mit ihm von dannen.Nach einiger Zeit kam Ahun mit seinem Korbe zum Ennebode. Der Steuereinnehmer war Ekun. Ekun sagte zu Adja: "Zahle mir den Wegzoll."Adja sagte: "Ich besitze gar nichts!" Ekun sagte: "Wie kannst du behaupten, daß du gar nichts besitzt! Bist du verrückt?!" Adja sagte: "Ich bin nicht verrückt. Verrückt ist nur die Last auf meinem Kopfe!" Ekun sagte: "Sonst bist du nicht schlecht gewesen. Darum will ich dir heute deine Ungezogenheit hingehen lassen. Mach also, daß du weiter kommst."Adja lief mit Ahun auf dem Kopfe von dannen.
Adja lief mit Ahun auf dem Kopfe in das Haus seiner Schwiegermutter. Im Hause nahm er Ahun heraus. Die Schwiegermutter brachte Essen. Adja und Ahun aßen alle Speise auf. Ahun fragte Adja: "Was hast du auf dem Wege für einen Streit angefangen?" Adja sagte: "Ich war es nicht. Der Steuereinnehmer begann Streit mit mir." Als sie gegessen hatten, sagte Adja: "Nun wollen wir wieder zurückgehen. Krieche wieder in den Korb!" Ahun kroch wieder in den Korb. Adja nahm Ahun auf den Kopf und ging mit Ahun den Weg wieder zurück.
Nach einiger Zeit kam Adja dahin, wo Ekun am Wege stand. Adja ging an ihm vorüber, ohne ihn zu grüßen. Ekun rief: "Was, du gehst hier vorbei, ohne mich zu grüßen? Hast du keinen Verstand (Gehirn) im Kopfe?"Adja sagte: "Ich habe schon Gehirn (Joruba: kokoro; Haussa: kaiba-gida; Nupe: jtio-dom-boa) im Kopfe. Aber meine Last hat kein Gehirn im Kopfe!" Ekun wollte auf Adja springen. Adja warf seine Last hin und sprang in den Busch. Ahun kroch aus dem hingeworfenen Korbe heraus. Ekun sah Ahun. Er lief nicht Adja nach. Ekun sagte: "Was, bist du das? Du, Ahun, den der König solange sucht? Da werde ich den Adja laufen lassen und dich mitnehmen." Ekun packte Ahun.
Adja lief inzwischen zum Mesi. Er sagte zu Keneun: "Ich fing Ahun und übergab ihn Ekun." Nach einiger Zeit kam Ekun und sagte: "Hier ist Ahun!" Keneun sagte zu Adja: "Geh du zu den Menschen und bleibe bei ihnen." Keneun sagte zu Ekun: "Ich bin
Mesi; dich will ich zu meinem Bale machen. Du sollst über alle andern nach mir Herr sein. Zuerst zieh mir aber Ahun aus seiner Schale."Ekun kratzte mit seinen Krallen über Ahuns Schale hin. So entstanden die Schrammen, die heute noch Ahun hat. Dann sagte Keneun: "Mach' ein Loch hinein, so daß ich eine Kette hindurchziehen kann, die ich an einem Baume befestigen will. Danach soll dann Ahun nichts Böses mehr tun."
26. Ahun und EtaAhun ging immer mit Eta (muß Zibetkatze sein. Die Eingeborenen sagen, die Eta streife an Baumstämmen ihre wohlriechenden Drüsensekrete ab, sei eine Buschkatze und ein Bananenfresser). Ahun hatte mit Eta Freundschaft gemacht. Sie gingen immer gemeinsam zur Farm. Eines Tages fand Ahun drei Tomaten. Er gab die drei Tomaten seiner Frau. Er sagte: "Bereite sie gut! Mache ein gutes Essen! Ich will Eta mit zum Essen bringen." Die Frau Ahuns nahm die Tomaten. Sie bereitete eine Speise. Sie versuchte die Speise. Die Speise war so gut, daß sie alles selbst aufaß. Ahun sagte zu Eta: "Iß heute bei mir. Meine Frau bereitet etwas Gutes." Eta sagte: "Es ist gut. Ich komme mit dir." Eta ging mit Ahun. Ahun kam nach Hause. Ahun sagte zu seiner Frau: "Wo ist die Tomatenspeise?" Die Frau sagte: "Die Speise war so gut, daß ich sie aufaß."Ahun ward zornig. Ahun zog ein Messer. Die Frau ergriff die Rührstange (Orogun) und hielt sie ihm (schlagbereit) entgegen. Beide standen einander gegenüber.
Ahun sagte: "Ich packe meine Last und gehe fort. Ich verlasse das Haus." Eta sagte: "Ich gehe mit dir!" Ahun packte seine Last und ging hinaus. Die Leute sagten: "Ahun, so bleibe doch! Geh doch nicht fort!" Ahun sagte: "Ich verlasse das Haus. Ich bleibe nicht." Ahun ging zum Osi und sagte: "Meine Frau ißt meine Tomaten. Dann nimmt sie die Rührstange und will mich schlagen. Ich habe meine Last gepackt. Ich verlasse das Haus!" Der Osi sagte: "So bleibe doch!" Ahun sagte: "Ich gehe. Ich bleibe nicht!"Ahun kam an der Bodi vorbei (bodi =Wachtmannschaft). Er sagte zu den Wächtern: "Meine Frau ißt meine Tomaten, dann nimmt sie die Rührstange und will mich schlagen. Ich habe meine Last gepackt und verlasse das Haus." Die Wächter sagten: "So bleibe doch." Ahun sagte: "Nein, ich bleibe nicht, ich gehe fort." Ahun ging mit Eta in den Busch.
Nachts stand Eta heimlich auf, ging in die Stadt und schlief bei der Frau Ahuns. Ahun aber wußte das. Ahun sagte zu Eta: "Die Lüge tötet den Menschen!" Eta sagte: "Nein, wenn der Mensch mit dem Messer zerschnitten wird, so ist das schlimm. Aber die Lüge tötet nicht." Ahun sagte: "Wir werden es sehen!" Ahun nahm einen Topf. Dahinein entleerte er sich. Dann füllte er Honig darauf, kaufte Salz, Pfeffer und Zwiebeln und fügte sie zu. Das Ganze kochte er. Mit dem Gericht ging er in den Wald und suchte Ekun (den Leoparden). Drei Monate lang suchte er nach Ekun, dann traf er ihn. Ahun griff in seine Tasche, nahm von dem Gericht heraus, das er zubereitet hatte und reichte davon Ekun. Er sagte: "Versuche diese Speise." Ekun nahm davon und schmeckte. Ekun fragte: "Hast du mehr davon?" Ahun sagte: "Ich habe noch einiges." Dann reichte er Ekun die gefüllte Tasche hin. Ekun aß sie leer. Dann sagte Ekun: "Wo gewinnst du die Speise?" Ahun sagte: "Das ist nichts Besonderes. Es ist Etas Losung." Ekun fragte: "Wie bekommt man sie?" Ahun sagte: "Du mußt Eta hoch nehmen. Du mußt ihn schlagen. Die erste Losung, die er fallen läßt, ist schlecht. Du mußt ihn nochmals schlagen. Die zweite Losung, die er fallen läßt, ist auch schlecht. Du mußt ihn nochmals schlagen. Die dritte Losung, die er fallen läßt, schmeckt so gut wie dieses Gericht." Ekun sagte: "Es ist gut!"
Ekun ging hin und fing Eta. Er ergriff ihn und schlug ihn, bis er kackte. Er schlug ihn nochmals, bis er kackte. Er schlug ihn nochmals, bis er kackte. Diese letzte Losung versuchte er. Er sagte: "Dieses ist ein schlechter Eta. Auch seine dritte Losung schmeckt schlecht." Er warf Eta fort und ging weiter. Darauf war Eta drei Monate lang schwer krank. In dieser Zeit begegnete Ahun einem Dieb. Der schnitt ihn mit dem Messer. Ahuns Wunden waren in zehn Tagen heil. Einige Zeit später kam Ahun zu Eta und sagte: "Du bist immer noch krank?" Eta sagte: "Ja, ich bin immer noch krank!" Ahun sagte: "Ich bin schon lange wieder gesund!" Eta sagte: "Du hast Recht gehabt. Aber ich mag nun nicht mehr mit dir verkehren, sonst werde ich noch einmal getötet." Ahun sagte: "Weshalb hast du mit meiner Frau geschlafen. Ich will auch nichts mehr von dir wissen." Ahun ging. —
Ahun machte nun mit Ekun Freundschaft. Ekun fragte Ahun eines Tages: "Welches Fleisch ist das beste?" Ahun sagte: "Die Tiere, die nicht am Boden arbeiten, sind gut. Versuche einmal den Affen. Der Affe muß sehr gut schmecken." Ekun sagte: "Wie bekomme ich aber den Affen? Er ist das flüchtigste aller Tiere." Ahun
sagte: "Laß mich nur machen! Lege dich hin. Ich werde sagen, du seiest gestorben." Ekun legte sich hin. Ahun warf Blätter über ihn, setzte sich an sein Kopfende, weinte und schrie: "Ekun ist gestorben! Ekun, mein Freund ist gestorben." Ahun rief alle Tiere und sagte: "Ekun ist gestorben, kommt und begrüßt ihn!" Er ging zum Affen und sagte: "Ekun ist gestorben. Willst du nicht kommen und ihn begrüßen?" Der Affe sagte: "Mein Kopf ist schlecht." Ahun sagte: "Ekun ist gestorben. Du mußt ihn begrüßen!" Alle Tiere gingen hin und begrüßten Ekun.Der Elefant trat an Ekun heran, er beroch ihn und berührte die schlaffe Hand. Dann ging er zur andern Seite. Alle Tiere kamen heran, berochen Ekun, berührten die Hand und gingen zur andern Seite. Der Affe kam heran. Er beroch Ekun. Dann wollte er die schlaffe Hand berühren. Aber Ekun sprang auf und packte ihn. Der Affe sagte: "Behandle mich richtig, sonst wird mein Fleisch nicht zart schmecken. Wenn du mich siebenmal in die Luft wirfst und wieder auffängst, ehe du mich tötest, dann wird mein Fleisch gut schmecken und weich sein." Ekun nahm den Affen. Er warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf. Jedesmal warf er ihn höher, als er ihn das siebente Mal in die Luft warf, ergriff der Affe einen Zweig, und schwang sich in die Bäume. Der Affe rannte von dannen. Voller Zorn schüttelte Ekun an dem Baume. Da tropfte das Nebeiwasser von den Blättern und machte alle Tiere naß. Da fingen die andern Tiere Ahun, töteten ihn und zerschnitten ihn.
Die einzelnen Stücke von Ahun lagen umher. Der Hund lief vorüber. Ahun sagte zum Hunde: "Lies doch meine Stücke zusammen! Der Hund tat es. In seiner Gier fraß er aber jedes zweite Stück auf. Daher kommt es, daß Ahun nicht wieder ganz hergestellt wurde und eine zerschnittene Oberfläche behielt. Früher war Ahun glatt.
27. Ahun an dem Brunnen (Bruchstück)Die Tiere haben in einer Zeit, in der weder auf Erden noch im Himmel Trank vorhanden ist, einen Brunnen gegraben. Es wird eine für alle geltende Bestimmung getroffen, derzufolge niemand allein zur Tränke gehen darf. Ich verstand den recht undeutlichen Erzähler so, daß immer regelmäßig Wasser ausgegeben wird oder werden soll, daß aber nachts mehrmals ein Dieb kommt, der Wasser stiehlt. Darauf verabreden Oquollo, der große Frosch und Ake, der kleine Frosch (kann auch eine Kröte sein), den Dieb zu fangen. Sie verstecken sich in Löcher so, daß sie nur mit den Augen herauslugen.
Sie fangen Ahun. Ahun wird auf eine Sandbank geschleudert, stirbt da aber nicht. Dann wird er auf den Felsen geworfen und zerbricht. Der tote Ahun (?) bittet nun Anja (die Fliege) und Akeke (den Skorpion) ihn zu beißen; aus dem ganz unverständlichen Verlauf geht hervor, daß aus diesem Vorgange die Giftigkeit der Skorpionbisse resultiert. Nachher wollen die Tiere Janibo, die Frau Ahuns, fangen und auch als Diebin töten. Sie wird vor den Osi gebracht, erklärt von den Diebereien des Gatten nichts gewußt zu haben, und damit bricht die Erzählung unbeendet ab.28. Ahun und AnjaEs gab kein Essen. Im Busch starben zweihundert Tiere. In der Stadt starb der Mann Olomumu. Der Hunger war wie ein Elefant und alles Essen wie eine Jamswurzel. Ahun hatte nichts zu essen. Anja (Fliege) hatte Essen. Ahun sah, daß Anja jeden Tag einen vollen Bauch hatte. Ahun machte mit Anja Freundschaft. Ahun sagte zu Anja: "Du bist alle Tage satt. Wo gewinnst du dein Essen?"Anja sagte: "Wenn ich es dir sagen würde, würdest du es überall erzählen und dann bekäme ich auch nichts mehr." Ahun sagte: "Wir haben Freundschaft gemacht. Sage es mir und ich will es sicher nicht weiter erzählen."Anja sagte: "Es ist besser, ich sage es nicht." Ahun sagte: "Erzähle es. Wir sind Freunde. Mein Mund soll verbrennen, wenn ich es erzähle!"Anja sagte: "Es ist gut. Ich will es dir morgen zeigen. Komm morgen früh zu mir!" Ahun sagte: "Ich werde kommen."
Am andern Tag kam Ahun ganz früh zu Anja und sagte: "Du wolltest mir heute den Platz zeigen, an dem du dein Essen gewinnst." Anja sagte: "Warte noch ein wenig. Es ist noch früh." Nach einiger Zeit kam Ahun wieder und sagte: "Du wolltest mir heute den Platz zeigen, an dem du dein Essen gewinnst."Anja sagte: "So komm, wir wollen zusammen hingehen." Ahun ging mit Anja fort. Sie gingen aus der Stadt heraus. Sie gingen weit durch den Busch. Sie kamen weit draußen an eine Farm.
Anja sagte: "Hier ist es! Komm mitten hinein." Ahun und Anja gingen mitten in die Farm. Anja nahm zwei Jamswurzeln und sagte: "Nimm auch zwei Jamswurzeln und dann komm schnell mit zurück." Ahun sagte aber: "Wenn dieser Fuß nicht viel trägt, kann er auch nicht viel arbeiten." Damit band er sich zwei Jamsknollen an das eine Bein. Ahun sagte: "Wenn dieser Fuß nicht viel trägt, kann er auch nicht viel arbeiten." Damit band er sich zwei Jamsknollen
an das andere Bein. Ahun sagte: "Wenn diese Hand nicht viel trägt, kann sie auch nicht viel arbeiten." Damit band er sich zwei Janisknollen an den einen Arm. Ahun sagte: "Wenn diese Hand nicht viel trägt, kann sie auch nicht viel arbeiten." Damit band er sich zwei Jamsknollen an den andern Arm. Ahun sagte: "Wenn dieser Mensch nicht viel trägt, kann er auch nicht viel arbeiten."Damit band er sich eine Menge Jamsknollen um den Leib. Ahun sagte: "Wenn dieser Kopf nicht viel trägt, kann er nicht gut reden."Damit nahm er eine starke Last Jams auf den Kopf.Anja sagte zu Ahun: "Die Marken auf deinem Rücken sind schlecht. Wenn die Leute (Bauern) dich sehen, werden sie dich totschlagen. Ich gehe nicht mit dir, wenn du es so treibst." Ahun sagte: "Wenn du wegläufst, schreie ich. Du mußt mit tragen helfen."Anja sagte: "Mach das allein ab!" Ahun sagte: "Ich schreie, wenn du wegläufst!" Anja lief von dannen.
Ahun sah Anja weglaufen. Als Anja so von dannen lief, begann Ahun zu schreien: "Anja! Anja! Anja!" Auf der andern Seite der Farm war der Bauer. Der Bauer hörte Ahun schreien. Er sagte zu seinem Sohn: "In der Mitte der Farm schreit jemand. Geh doch einmal hin und siehe, was das bedeutet!" Der Bursche lief hin in die Mitte der Farm. Er fand Ahun. Ahun schrie so stark er konnte: "Anja! Anja! Anja!" Der Bursche sagte: "Ah! Ist das nicht unser Jamsdieb? Haben wir nicht schon lange auf den gewartet?"Der Bursche nahm Ahun und führte ihn zu dem Bauer. Ahun rief immer: "Anja! Anja! Anja!"
Der Bursche zeigte Ahun seinem Vater und sagte: "Sieh, wie dieser mit Jams bepackt ist! Haben wir nun endlich den Jamsdieb!" Ahun schrie: "Anja! Anja! Anja!" Der Bauer fragte: "Was soll dieser Anja?" Ahun sagte: "Ich ging auf der Landstraße, da kam Anja auf mich zu und sagte: ,Komme in die Farm, da will ich dir etwas zeigen.' Ich ging mit hinein. Anja aber packte mir den Jams auf und sagte: ,Trage mir diesen Jams nach Hause. Ich geb dir dann davon ab!' Ich begann zu rufen: ,Du bist ein Dieb und willst mich auch zum Dieb machen.' Anja lief fort. Ich schrie: ,Anja! Anja! Anja!' Aber Anja fürchtete sich. Er kommt nicht wieder!"Der Bauer sagte: "Wir werden Ahun zum Osi bringen. Der kann sagen, wer der Dieb ist." Sie nahmen Ahun mit sich in die Stadt.
Anja sagte (bei sich) als er heimging: "Man kann nicht wissen, wie das wird. Soll ich nicht zu einem Babalawo gehen und mir raten lassen? Gewiß werde ich zu einem Babalawo gehen."Anja ging zu
einem Babalawo und sagte: "Erzähle mir von mir. Kannst du mir etwas raten?" Der Babalawo nahm sein Brett und sagte dann: "Die Leute sind hinter dir her. Lege dich ins Bett. Nimm ein Ei in den Mund. Laß allen sagen, du seist schon seit drei Monaten krank und während dieser Zeit nicht aus dem Haus gekommen."Anja sagte: "So werde ich es machen!"Anja ging nach Hause. Er nahm ein Ei in den Mund und legte sich in das Bett. Nach einiger Zeit kam ein Bote des Osi. Die Frau Anjas öffnete die Tür. Der Bote des Königs sagte: "Anja soll sogleich mit mir zum Osi kommen." Die Frau sagte: "Der Mann kann ja nicht auftreten! Seit drei Monaten ist er nicht auf den Hof gegangen. Er kann nicht den weiten Weg bis zum König machen. Er stirbt unterwegs." Der Bote ging zurück. Er sagte zum Osi: "Anjas Frau sagt mir, ihr Mann sei seit drei Monaten sehr krank und liege immer im Bett; er würde unterwegs sterben, wenn er bis hierher gehen würde!" Ahun schrie: "Da seht, wie der Dieb lügt. Heute früh war er noch mit mir auf der Farm."
Der Osi sagte: "Was wollen wir da machen ?"Ahun sagte: "Bringt mich zum Anja!" Der Osi sagte: "Es ist gut; ich will auch mit hingehen!" Der Osi ging mit Ahun und seinen Leuten zu dem Hause Anjas. Der Osi ging hinein. Der Osi sagte zu Anja: "Was ist dir!" Anja sagte: "Seit drei Monaten habe ich hier ein Zahngeschwür. Die Backe ist ganz dick." Der Osi sagte: "Ja, die Backe ist dick. Ahun sagte, du seist heute morgen auf der Farm gewesen. Ahun sagt, du habest ihm den Jams aufgebunden, daß er ihn heimbringe!"Anja rief: "Ah! Dieser Lügner! Ich bin krank! Aber bringt mich hinaus! Bringt mich zu Ahun!" Die Leute nahmen Anja und trugen ihn hinaus.
Als Anja draußen war, sagte er: "Ihr seht dieses dicke Geschwür, das ich seit drei Monaten habe. Schlagt mir darauf! Wenn ich Ahun heute in der Farm den Jams aufgebunden habe, soll der Schlag machen, daß das Geschwür immer bleibt. Wenn ich es nicht war, wenn Ahun der Dieb dieses Jams ist, so soll es damit heilen!" (Art Schwur.) Der Osi sagte zu einem seiner Leute: "Schlage darauf!" Einer der Leute des Osi schlug Anja auf die Backe. Da platzte das Ei. Die Flüssigkeit lief Anja aus dem Munde. Seine Backe war wieder wie die andere. Anja sagte: "Ihr seht, wie die Sache steht. Olorun hat es entschieden!" Der Osi sagte: "Ja, Ahun ist der Dieb in der Farm gewesen. Tötet ihn!"
Ahun sagte: "Wenn ihr mich nun töten wollt, so tötet mich nicht auf dem Stein, sondern auf dem Sand am Fluß!" Die Leute warfen
ihn auf den Flußsand. Ahun aber grub sich sogleich ein und lief von dannen.29. TierwettlaufEffa, der Büffel, ging an einen Fluß. Er wollte trinken. Er trat in das Wasser und begann zu trinken. Das hörte Oquollo (der Frosch). Oquollo steckte den Kopf aus dem Wasser und rief: "Wer ist denn da an dem Flusse?"Effa antwortete:,, Ich bin es! Ich Effa!" Oquollo antwortete: "Trinkt denn da nicht einer aus dem Fluß?"Effa antwortete: "Ich bin es! Ich Effa trinke aus dem Fluß."Oquolloantwortete: "Und du fragst mich nicht um Erlaubnis? Hast du mich nicht um Erlaubnis zu fragen? Gehört dieser Fluß nicht mir?"Effa sagte: "Ich weiß nicht, wem dieser Fluß gehört! Ich will das auch nicht wissen! Ich trinke dich mitsamt deinem Fluß weg."Oquollo sagte: "Du denkst, ich fürchte dich, weil du glaubst größer und stärker zu sein?" Effa sagte: "Du glaubst gar noch stärker zu sein als ich!" Oquollo sagte: "Soll ich dir einmal zeigen, daß ich stärker bin als du?" Effa sagte: "Es ist mir recht."Oquollo sagte: "Wollen wir morgen hier zusammenkommen um ein San (Wettrennen) zu veranstalten?" Effa sagte: "Es ist mir recht."
Am Abend rief Oquollo alle, alle Frösche im ganzen Lande, zwischen dem Meer und Niger zusammen. Nachts kamen sie alle und Oquollo sagte: "Effa hat mich heute beleidigt. Effa hat alle Frösche beleidigt. Effa hat gesagt, er könne alle unsere Flüsse und Bäche austrinken und uns dabei mitsamt herunterschlucken. Morgen will er mit Oquollo um die Wette laufen. Er sagte, er käme überall früher an als Oquollo. Ihr müßt euch nun in allen Flüssen und Bächen verteilen und überall, wo er an Wasser kommt, rufen: Hier ist der Frosch! "Hier istder Frosch! So müßt ihr tun und wohl aufpassen." Die andern Frösche sagten: "Es ist recht. So wollen wir es tun!"
Am andern Tag kam Effa am Fluß Oquollos an. Effa sagte: "Hier bin ich!" Oquollo sagte: "Wir wollen nun um die Wette laufen." Effa sagte: "Gut, das wollen wir tun."Oquollo sagte: "Ich bin ein Wassertier; ich werde durch die Bäche und Flüsse laufen." Effa sagte: "Ich bin ein Tier der Steppe. Ich werde durch den Busch laufen."Oquollo sagte: "Wenn du an einen Fluß kommst, kannst du jedesmal rufen, ob ich hinten oder vorn bin."Effa sagte: "Es ist gut.' Oquollo sagte: "Ich will sagen, wann wir anfangen." Effa sagte: "Sage es!" Oquollo sagte: "Wir wollen anfangen." Dann sprang Oquollo in das Wasser.
Effa begann durch den Busch hinzulaufen. Er lief so schnell er konnte. Er lief bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bach streckte ein Frosch den Kopf heraus und sagte: "Ich bin hier vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief so schnell er konnte. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Wasser streckte ein Frosch den Kopf hervor und rief: "Ich bin vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief so schnell er konnte. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bach steckte ein Frosch den Kopf hervor und sagte: "Ich bin vor dir!" Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und lief weiter. Er lief, bis er an einen Bach kam. Als er an das Wasser kam, rief er: "Ich bin da. Bist du auch schon da?" Aus dem Bache steckte ein Frosch den Kopf heraus und sagte:,, Ich bin hier vor dir!"Effa sagte: "Du bist schneller angekommen." Dann trank er und wollte weiter laufen, Er fiel aber nach einigen Schritten am Bachrande hin und starb.
Als Effa gestorben war, kamen alle Frösche zusammen. Die Frösche sangen: "Der große Effa konnte nicht mit Oquollo laufen!" Die Frösche sagten: "So nun wollen wir Effa zerschneiden und verteilen. Wir wollen uns gutes Essen machen. Effa wird uns sein Fleisch geben." Die Frösche sagten: "Wir wollen Effa zerschneiden. Wer kann uns ein Messer leihen?" Die Frösche sagten: "Wir haben kein Messer." Die Frösche sagten: "Wir wollen Effa zerschneiden und haben nun kein Messer."
Ahun hörte es. Er war im Busch. Er hatte einen Gürtel um, in dem staken sechzehn Messer. Ahun kam. Er sagte zu den Fröschen: "Ihr habt Effa getötet. Nun könnt ihr ihn essen."Die Frösche sagten: "Wir haben kein Messer zum Zerschneiden." Ahun sagte: "Ah! Ihr habt kein Messer zum Zerschneiden?" Die Frösche sagten: "Leih uns dein Messer. Wir geben dir von dem Fleisch ab!" Ahun sagte: "Es ist gut. Ich will euch fünfzehn Messer leihen. Den Messern gehört dann alles, was beim Hinfallen que (soll den Ton einer auffallenden Fleischmasse markieren) macht. Was beim Auffallen (auf den Boden, also beim Hinfallen) aber Bum (soll das Auffallen eines harten Gegenstandes anzeigen), macht, das gehört euch." Die Frösche sagten: "Es ist recht."
Die Frösche nahmen die fünfzehn Messer Ahuns und begannen
Effa aufzuschneiden. Sie schnitten ein Stück Fleisch los und warfen es hin. Es machte (beim Fallen) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern." Sie schnitten ein zweites Stück Fleisch ab. Es machte (beim Fallen) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern."Sie schnitten ein drittes Stück Fleisch ab. Es machte (beim Hinfallen) (durch Geste angedeutet) que. Ahun sagte: "Das gehört den Messern." Sie schnitten alle Fleischstücke ab. Sie machten (beim Hinfallen) alle que. Jedesmal sagte Ahun: "Dies gehört den Messern."So war zuletzt ein großer Haufen Fleisch für Ahuns Messer da und die Frösche hatten nichts. Da schnitten die Frösche die Stirn mit den Hörnern ab. Die Hörner machten (beim Hinfallen, das durch Geste angedeutet wird) bum! Da sagte Ahun: "Seht ihr, das gehört von Rechtswegen nicht den Messern, sondern euch!"Ahun sagte: "Ich will nun in den Busch gehen, um mir Palmblätter zu schneiden. Damit will ich mein Fleisch zusammenbinden und es dann forttragen, ehe es dunkel wird."Ahun ging fort in den Busch. Er schnitt Palmblätter. Er blieb lange im Busch. Als er aus den Busch zurückkam, war es dunkel. Die Frösche hatten sich zum Schlafen hingelegt. Es lagen immer zwei umklammert da. Nur ein Frosch war noch wach und saß allein da. Der Frosch war noch wach, weil kein zweiter zum Zusammenschlafen mehr dawar. Daneben lag das Fleisch.
Ahun kam aus dem Busch. Er sah all die Frösche zu zweit liegen und nur den einen noch wach dasitzen. Ahun sagte: "Sind diese Frösche alle gestorben?"Oquollo (der eine Frosch) sagte: "Ja, diese Frösche sind alle gestorben. Der Orisa (dieses Ortes) ist gekommen Lind hat gesagt: ,Alles Fleisch und ihr alle gehört mir. Umfaßt euch miner zu zweien und dann werdet ihr sterben!' Sie haben es alle ge~an und nun liegen sie tot da. Ich aber warte nur auf dich, um auch mit dir mich zu umfassen und zu sterben. Komm!"Ahun sagte: ,Ah! Ich will aber nicht sterben!"Oquollo sagte: "Komm, der Orisa hat es gesagt, und ich möchte auch gerne sterben!"Ahun sagte: "Aber ich will gar nicht!"Oquollo ging auf Ahun zu. Ahun wandte sich um und lief so schnell wie möglich von dannen.
Die Frösche blieben mit allem Fleisch zurück. Das Fleisch gehörte nun nur ihnen allein. Und das war auch ganz recht so.
30. HimmelsleiterEs war eine große Hungersnot. Niemand hatte etwas Rechtes zu essen. In der Stadt starben sechs Menschen, weil sie nichts zu essen hatten. Im Busch starben zweihundert Antilopen, weil sie
nichts zu essen hatten. Die Ziegen (Ewure) schärften die Messer und leckten sie ab. Die Menschen fragten sie: "Weshalb eßt ihr die Messer?" Die Ziegen sagten: "Wir denken (stellen uns vor), es sei Jams, und das (d. h. die Vorstellung) ist angenehm." Es fiel Regen (Odjo). Die Hühner liefen hin und pickten die Tropfen auf. Die Leute fragten sie: "Weshalb eßt ihr Regentropfen?" Die Hühner sagten: "Wir denken (stellen uns vor), es sei Mais und das (d. h. die Vorstellung) ist angenehm."Erri (Elephant) rief alle Tiere im Busch zusammen und sagte zu ihnen: "Wir wollen alle unsere Mütter, jeder die seine rufen, und jeder soll seine Mutter töten, soll sie schlachten und aufessen." Die Tiere sagten: "Es ist recht!" Alle Tiere gingen in den Busch. Jedes Tier rief im Busch seine Mutter und tötete sie, schlachtete sie dann und aß sie nach und nach auf.
Nur Ehoro (Kaninchen) tat nicht so. Ehoro rief seine Mutter und sagte: "Alle andern Tiere töten ihre Mütter, schlachten sie und essen sie auf. Ich will dich aber nicht töten. Ich will dich vor den andern Tieren verstecken, und du machst mir dann jeden Tag guten Jamsbrei zurecht." Dann ging er mit seiner Mutter fort. Er versteckte sie nun ganz nahe am Himmel. Da machte Ehoros Mutter jeden Tag Jamsbrei, während Ehoro unten auf der Farm arbeitete. Wenn Ehoro ausgearbeitet hatte, ging er an die Stelle und sang: "Meine Mutter, schicke die Keke (Spindel; die modernen Joruba bezeichnen charakteristischerweise auch den Wagen als Keke)." Seine Mutter ließ die Spindel am Faden herab, dann setzte sich Ehoro schnell hinauf und die Mutter zog ihn nach oben. Wenn Ehoro sich satt gegessen hatte, sang er: "Mutter! Mutter! Laß die Spindel herunter! Ich will wieder heruntergehen!" Dann fuhr er auf der Spindel am Spindelfaden wieder herab. So hatte Ehoro immer gutes Essen, während die andern Tiere hungerten.
Ahun sah, daß Ehoro immer gut zu essen hatte. Ahun schloß mit Ehoro Freundschaft. Ahun ging mit Ehoro auf seine Farm und half ihm arbeiten. Als sie von der Farm fortgingen, sagte Ahun zu Ehoro: "Du hast immer gut zu essen. Sage mir doch, wo der Platz ist, an dem du dein Essen gewinnst?" Ehoro sagte: "Wenn ich es dir sagen würde, würdest du es allen andern Tieren erzählen. Du würdest herumlaufen und überall sagen: ,Ich weiß den Platz, an dem Ehoro viel Essen findet!' "Ahun sagte: "Nein, ich will es niemand erzählen, Ich verspreche es dir, ich will es niemand sagen!" Ehoro sagte: "So komm an die Stelle, dann werde ich es dir zeigen."
Ahun lief nach Hause. Er nahm eine Tasche und versteckte sie in seinen Kleidern. Er kam nun mit Ehoro an der Stelle zusammen. Ehoro sang: "Meine Mutter, schicke die Spindel herab!" Seine Mutter ließ darauf die Spindel am Faden hinab. Dann setzte sich Ehorc schnell hinauf, und die Mutter zog ihn nach oben. Als sie oben waren setzte Ehoros Mutter ihnen eine große Schüssel mit Essen vor. Ehorc aß wenig. Ahun aber steckte immer nach einem Bissen für den Mund einen in die Tasche, bis auch die Tasche voll war. Als Ehoro und Ahun gegessen hatten, sang Ehoro: "Mutter! Mutter! Laß die Spindel hinunter, wir wollen wieder hinuntergehen!" Dann setzten sie sich auf die Spindel und fuhren wieder hinunter. Als sie unten waren, trennten sie sich. Ehoro ging auf seine Farm.
Ahun aber lief in den Busch zum Erri (Elefant) und sagte: "Laß alle, alle Tiere zusammenkommen. Ich weiß einen guten Platz, wo es viel Essen gibt." Der Erri rief alle Tiere. Alle Tiere kamen zusammen. Als sie zusammengekommen waren, zog Ahun den Beute! mit der Speise Ehoros heraus und sagte: "Ist das nicht gute Speise?" Alle sagten: "Ja, das ist gute Speise." Die Tiere sagten: "Gewiß ist das gute Speise." Ahun sagte: "Wir alle haben unsere Mütter getötet, geschlachtet und aufgegessen. Nur Ehoro hat das nicht getan. Ehoro hat seine Mutter nahe am Himmel versteckt. Da macht sie ihm gute Speise. Jeden Tag fährt er zu ihr empor und läßt sich von ihr gute Speise geben. Wenn ihr wollt, können wir alle dahin gehen und es sehen!" Die Tiere sagten: "Gewiß wollen wir das sehen!" Ahun sagte: "So kommt mit!"
Alle Tiere gingen mit Ahun zu der Stelle. Als sie dort angekommen waren, sang Ahun: "Meine Mutter, schicke die Spindel herab."Ehoros Mutter dachte, es sei Ehoro gewesen, der da sang, und ließ die Spindel am Faden herab. Alle Tiere setzten sich schnell darauf und wurden in die Höhe gezogen. Als sie oben angekommen waren, schlugen sie Ehoros Mutter tot und schlachteten sie. —Nach einiger Zeit hatte Ehoro seine Arbeit auf der Farm beendet. Er sagte (bei sich): "Ich bin hungrig und werde hingehen, um zu essen."Erging an die Stelle. Er sang: "Meine Mutter, schicke die Spindel herab!" Als die Tiere das hörten, ließen sie die Spindel herab. Ehoro setzte sich darauf. Die Tiere zogen ihn hinauf. Dann töteten sie auch Ehoro selbst und schlachteten ihn. Sie aßen Ehoro und seine Mutter auf.
Jeder, der etwas zu verbergen hat, soll es bei sich behalten und niemand, auch nicht seinem besten Freunde, erzählen.
31. Ahun veranlaßt Adja, seine Mutter zu tötenAhun und Adja (der Hund) machten Freundschaft. Es gab kein Essen in der Welt. Ahun sagte zu Adja: "Es gibt kein Essen in der Welt. Es ist besser, wir töten erst deine Mutter und verzehren sie, ehe wir einen andern Menschen töten!"Adja sagte: "Es ist gut, das wollen wir tun." Sie gingen zu Adjas Haus. Sie töteten Adjas Mutter und zogen ihr die Haut ab. Dann teilten sie das Fleisch der Mutter Adjas. Sie gingen damit nach Hause. Als Ahun nach Hause kam, sagte er zu seiner Mutter: "Mutter, es wird Zeit, daß du wegkommst, sonst schlachten sie dich auch noch und dann bekomme ich gar nichts Gutes mehr zu essen!" Die Mutter sagte: "Es ist gut!" Danach brachte Ahun seine Mutter in den Himmel. Wenn Ahun nun etwas zu essen haben wollte, so ging er zu einem Strick, der vom Himmel herabhing. Daran zog er. Dann zog ihn seine Mutter an dem Strick in die Höhe. Er aß bei ihr, dann ließ sie ihn am Strick wieder herunter.
Nach einiger Zeit kam Adja zu Ahun und sagte: "Das Fleisch meiner Mutter ist zu Ende. Wo ist nun deine Mutter? Wir wollen sie schlachten." Ahun sagte: "Ich habe meine Mutter seit heute morgen nicht gesehen. Sie muß weggegangen sein. Warten wir also, bis sie wiederkommt."Adja sagte: "Es ist gut! Warten wir, bis sie wiederkommt!"
Ahun ging jeden Tag zu dem Strick und ließ sich von seiner Mutter zum Himmel emporziehen, aß und kam dann zurück. Eines Tages sah Ofafa (?),wie Ahun an dem Strick zum Himmel hinaufgezogen wurde. Ofafa war ein Freund Adjas. Er ging hin und sagte zu Adja: "Dein Freund Ahun geht jeden Tag zu einem Stricke, wird zum Himmel hinaufgezogen, bleibt oben, kommt am Strick wieder zurück und geht dann hin, sich zu entleeren. Er ißt also im Himmel!" Adja sagte: "Es ist gut!" Am andern Tage versteckte sich Adja in der Nähe. Als Ahun kam, um sich am Stricke in die Höhe ziehen zu lassen, hing er sich unten mit an den Strick. Der Strick war nicht stark genug. Der Strick riß. Beide fielen zu Boden.
(Der Schluß ist schlecht erzählt. Adja macht Ahun nun Vorwürfe, daß er nicht auch seine Mutter getötet habe. Ahun redet lange hin und her. Adja droht, daß er es auch andern Tieren sagen werde, wenn Ahun nicht seine Mutter auch töten wolle. Ahun sagt, daß seine Mutter gestorben sei. Dann sagte Adja, daß er den Begräbnisplatz zeigen solle. Ahun erinnert sich im Busche einen Ochsen-
schädel gesehen zuhaben, der bis an die Augen in der Erde vergraben war. Den will er als Kopf seiner Mutter ausgeben. Die zusammengerufenen Tiere beschließen eine Lokalbesichtigung. Alle gehen mit Ahun hin. Als sie aber an den Platz kommen, ist er leer. Der Schädel ist inzwischen vom Regen weggespült worden. Darauf wird Ahun kurzer Hand am Platze getötet.)32. Ahun und Adjas tote MutterEs war kein Essen in der Welt. Niemand in der Welt hatte Essen. Die Mutter Adjas (des Hundes) war krank. Adja sagte: "Meine Mutter, du bist krank. Wenn du nun stirbst, wo soll ich dann Essen bekommen?"Adjas Mutter sagte: "Wenn ich sterbe, so begrabe mich dort unter jenem Stein; so oft dich dann hungert, gehe an den Stein, klopfe an und sage: ,Okutela! Okutela' (Stein öffne dich! Stein öffne dich!) Dann werde ich dir aufmachen und dich hereinlassen und dir gutes Essen geben! Singe dann nur an der Tür. Wenn ich dich an der Tür singen höre, werde ich dir aufmachen."Adja sagte: "Es ist recht. Ich werde es mir merken."
Nach einem Monat starb Adjas Mutter. Adja begrub seine Mutter, wie ihm geheißen war, unter dem Stein. Alle Welt hatte nichts zu essen. Die Hühner hatten kein Essen; die Schafe hatten kein Essen; die Menschen hatten kein Essen. Zwei Monate vergingen und Adja sagte: "Meine Mutter sagte mir, ich solle, wenn ich hungere, zu ihrem Grabe kommen, jetzt werde ich hingehen!"Adja ging zu dem Stein, unter dem seine Mutter begraben war. Adja sang: "Okutela! Okutela! Meine Mutter soll mir Essen geben! Meine Mutter soll mich baden. Nachher will ich dann wieder fortgehen!" Der Stein öffnete sich. Adja ging hinein. Seine Mutter gab ihm alles. Der Hund blieb sechs Tage darin.
Adja kam wieder heraus. Adja traf Ahun. Ahun sagte: "Alle Leute sind trocken (soll heißen: haben vor Hunger welke Haut). Nur du hast eine fette Haut. Laß mich Freundschaft mit dir machen und sage mir dann alles."Adja sagte: "Ahun, du bist nicht gut. Duwürdest alles, was ich dir sage, aller Welt erzählen."Ahun sagte: "Nein, das werde ich nicht tun!"Adja sagte: "Dann setze dich heute zu mir!" Adja ließ Ahun bei sich sitzen. Dann ging Ahun fort. Adja ging auch fort. Adja ging zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben war. Adja ging hinein. Adja blieb drei Tage darin. Seine Mutter gab ihm viel Essen. Dann kam Adja wieder heraus.
Ahun traf Adja. Ahun sagte: "Was mich früher so viel reden
machte, das waren drei Ogun (magische Mittel). Die machten, daß ich alles allen immer erzählen mußte. Das eine Ogun habe ich auf einem Baume liegen lassen; das zweite verlor ich vor Hunger am Wege; das dritte habe ich in einem Sacke unter meinem Arm. Wenn es herauskommen will, bekommt es Schläge. Seitdem rede ich nichts mehr." Adja sagte: "Es ist gut. Wenn es so ist, werde ich dich einmal mitnehmen dahin, wo ich immer Essen bekomme. Aber sage niemand etwas davon."Ahun sagte: "Ich will sicher niemand davon erzählen."Adja nahm Ahun mit sich. Er ging zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben lag. Er sagte: "Okutela! Okutela! Stein öffne dich! Stein öffne dich für den Sohn meiner Mutter und seinen Freund!" Der Stein öffnete sich. Adja ging mit Ahun hinein. Die Mutter Adjas gab ihnen zu essen. Sie aßen sich beide satt. Drei Tage blieben sie darin. Adja sagte: "Nun wollen wir wieder gehen!" Ahun sagte zu Adjas Mutter: "Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an das eine Bein binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an das andere Bein binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an den einen Arm binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir an den andern Arm binde. Gib mir ein Bündel Speise, das ich mir auf den Kopf binde." Adja sagte: "Habe ich dir nicht vorher gesagt, daß du schlecht bist? Fängst es jetzt schon an?" Ahun sagte: "Was soll ich tun, wenn ich hungrig bin? Du kannst zu deiner Mutter gehen und dir Essen geben lassen, wann du willst. Mir gibt niemand etwas. Wo soll ich nachher nehmen?"Adjas Mutter sagte: "Laß deinen Freund nur mitnehmen!" Ahun erhielt alles. Adja und Ahun gingen nach Hause.
Als Ahun nach Hause gekommen war, sagte er: "Lauft zum König und sagte ihm, daß ich weiß, wo man viel Essen bekommen kann." Die Leute gingen. Die Leute sagten es dem König (Mesi). Der König sagte zu einigen Leuten: "Geht hin in Ahuns Haus und seht, was daran wahr ist." Die Leute kamen zu Ahun. Ahun gab ihnen vom Essen der Mutter Adjas. Die Leute brachten die Speise dem Mesi und sagten: "Hier ist davon! Es ist wahr!" Der Mesi aß davon und sagte: "Das ist sehr gut. Gebt Ahun einige Leute mit und laßt sehr viel davon bringen!"
Die Leute des Mesi kamen zu Ahun. Ahun ging mit den Leuten zu dem Steine, unter dem Adjas Mutter begraben lag. Ahun sang: "Okutela! Okutela!" Aber der Stein öffnete sich nicht. Die Leute, die mit Ahun gekommen waren, sagten: "Willst du uns hier etwa belügen?" Die Leute nahmen Ruten. Sie schlugen Ahun. Sie schlugen Ahun sehr. Sie schlugen Ahun tot.
Am andern Tage ging Adja zu dem Steine, unter dem seine Mutter begraben lag. Er sah den toten Ahun davor liegen. Er sagte: "Habe ich nicht vorhergesagt: ,Ahun, dich wird dein Mund töten?"Adja sang: "Okutela! Okutela! Stein öffne dich für den Sohn meiner Mutter." Der Stein öffnete sich. Adja ging hinein. Adjas Mutter kam ihm entgegen. Adjas Mutter sagte: "Gestern sang einer an der Tür. Ich sandte ein Mädchen, daß es nachsehe, was es sei. Das Mädchen sagte, es seien viele Leute. Das Mädchen sagte, du seiest nicht dabei. Ich ließ die Türe geschlossen."Adja sagte: "Sagte ich nicht, daß Ahun ein schlechter Mann ist?!"
33. Ahun und OnjiAhun (Schildkröte) ging mit Onji (der Biene). Ahun sagte: "Ich will einen Freund haben, der nicht so laut spricht."Onji sagte: "Glaube mir, ich spreche immer nur leise." Ahun sagte: "Dann wollen wir Freunde sein!" Onji sagte: "Das ist mir recht."Ahun sagte: "Wie gewinnen wir viel Fleisch?"Onji sagte: "Laß uns zusammen eine Grube anlegen, in der sich wilde Tiere fangen. Wir teilen dann die Beute." Ahun sagte: "Es ist gut! Am einen Tag gehört die Beute dem einen, am andern Tage gehört die Beute dem andern."Onji sagte: "Es ist mir recht." Ahun und Onji machten nun ein tiefes Loch im Busche, dann gingen sie wieder nach Hause.
Am andern Tage gingen sie in den Busch zu ihrer Grube. Sie sahen hinein. In der Grube hatte sich eine Etu (kleine Antilopenart) gefangen. Onji blickte hinein und sagte: "Morgen wird sich ein größeres Tier darin fangen." Ahun sagte: "Wir wollen so teilen, daß du heute die Etu nimmst." Onji sagte: "Es ist mir recht. Onji nahm die Etu heraus. Er teilte sie auf. Er nahm das Fleisch mit nach Hause und verkaufte das Fleisch. Am andern Tage gingen sie wieder in den Busch zu ihrer Grube. Sie sahen hinein. In der Grube hatte sich ein großer Effan (wilder Büffel) gefangen. Onji blickte hinein und sagte: "Es ist ein Effan. Den kannst du nun nehmen. Morgen wird sich ein größeres Tier darin fangen." Ahun sagte: "Wir wollen so teilen, daß du heute auch den Effan nimmst!" Onji sagte: "Es ist mir recht." Onji nahm den Effan heraus. Er teilte den Effan auf und nahm das Fleisch mit nach Hause. Er verkaufte das Fleisch und bekam sehr viel Geld dafür. Das Geld lieh er einem Manne. Der Mann mußte ihm dafür eine Farm anlegen, die war groß. Am andern Tage gingen sie wieder in den Busch zu ihrer Grube. Sie sahen hinein. In der Grube hatte sich ein Erri (ein großer Elefant) gefangen. Onji blickte
hinein und sagte: "Es ist ein Erri. Den kannst du nun nehmen. In den nächsten Tagen wird sich ein Odju Koriri (Augen, noch nicht gesehen! soll so viel andeuten, wie ein Tier, so groß wie es noch kein Auge gesehen hat) darin fangen!" Ahun sagte: "Wir wollen so teilen, daß du heute auch den Erri nimmst!"Onji sagte: "Es ist mir recht."Onji nahm den Erri heraus. Er teilte den Erri auf und schaffte ihn nach Hause. Er verkaufte das Fleisch und bekam sehr viel Geld dafür. Das Geld lieh er zwei Leuten. Die Leute mußten ihm dafür zwei Farmen anlegen, die waren beide groß.Dann aber nahm Onji alle Knochen des Elefanten zusammen und füllte sie in Säcke. Die Säcke trug er zu der Grube und warf sie hinein. Nach fünf Tagen sagte Ahun zu Onji: "Es wird Zeit, daß wir wieder nach unserer Grube sehen!"Onji sagte: "Es ist recht. Wir wollen morgen früh hingehen." Am andern Morgen gingen sie wieder in den Busch zu ihrer Grube. Sie sahen hinein. In der Grube lagen die Säcke mit den Elefantenknochen. Onji blickte hinein und sagte: "Das ist Odju Koriri! Der kommt dir zu!" Ahun stieg hinein und sah, daß es Säcke waren, die mit Elefantenknochen gefüllt waren. Er kehrte zu Onji zurück und sagte: "Du hast mich betrogen. Das sind Säcke mit den Knochen des Elefanten. Ich habe dir alles Wild und Fleisch gelassen. Du aber gibst mir nur Knochen."Onji sagte: "Du hast stets selbst gewählt!" Ahun sagte: "Diesmal hast du mich gefangen. Ein anderes Mal fange ich dich!"Onji sagte: "Sei nur vorsichtig!" Onji ging. Ahun ging.
Die Leute, die Onjis Farm bestellten, waren fleißig gewesen. Das Korn ging auf. Das Guineakorn stand hoch, aber es war noch nicht reif genug, um geschnitten zu werden. Onji ging durch die Farmen und sah sein Korn an. Ahun kam ihm entgegen. Ahun sagte: "Weißt du, daß morgen der Osi kommen wird? Weißt du, daß er jedem den Kopf abschlagen lassen will, dessen Korn noch auf den Feldern steht?"Onji sagte: "Nein, das wüßte ich nicht! Aber mein Korn ist noch nicht reif. Es würde verderben, wenn ich es abschlage." Ahun sagte: "Ich meine, besser das Korn weggeschlagen, als den Kopf abgeschnitten."Onji sagte: "Das ist wahr! Komm! Hilf mir beim Umschlagen!" Ahun sagte: "Sehr gerne!" Dann gingen Ahun und Onji an die Arbeit und schlugen Onjis gesamtes Korn um. Ahun ging nach Hause. Nachher ging Onji durch die Farmen derandern Leute. Onji sah, daß alles Korn der andern Leute noch stand. Onji sagte: "Diesmal hat mich Ahun gefangen. Ahun wird mir dafür viel zahlen müssen."
Eines Tages versteckte Onji seine alte Mutter auf dem Boden
seines Hauses. Er sagte zu ihr: "Mache nur alles so, wie ich es unten sage. Hier hast du alle meine Perlen, Stoffe und Sklaven."Dann ging Onji hinaus und sagte zu allem Volke: "Meine alte Mutter ist gestorben! Meine alte Mutter ist gestorben! Meine alte Mutter ist gestorben!" Die Leute kamen, um die Leiche zu begrüßen und um Onjis Mutter zu feiern. Onji ging zu Ahun und sagte: "Meine alte Mutter ist gestorben. Komme zu mir und begrüße sie."Ahun sagte: "Natürlich werde ich kommen!" Es kamen viele, viele Leute, um Onjis Mutter zu begrüßen, denn Onji war reich geworden. Es wurde sehr viel gegessen und getrunken und es gab von allerhand Speise. Nach dem Essen sagte Onji: "Ich habe die Leiche meiner alten Mutter auf dem Zwischenboden hier über uns gestellt." — Dann begrüßte Onji die Leiche seiner Mutter und sagte: "Meine alte tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so wirf mir Perlen herunter!" Alle Leute begannen zu weinen. Darauf fielen von oben viele Perlen herab, die Onji in Kalebassen aufsammelte und beiseite stellte. — Nach einiger Zeit begrüßte Onji wieder die Leiche seiner Mutter und sagte: "Meine alte tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so schicke mir einige Sklaven herunter!" Alle Leute begannen zu weinen. Darauf kamen von oben viele Sklaven herunter, die ließ Onji in Eisen legen und auf den Hof führen. —Nach einiger Zeit begrüßte Onji wieder die Leiche seiner Mutter und sagte: "Meine alte, tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so wirf mir einige hübsche Stoffe herunter." Alle Leute begannen zu weinen. Darauf fielen von oben viele Stoffe herab, die ließ Onji zusammenlegen.Ahun sah das. Ahun sah, daß die Perlen herabfielen. Ahun sah wie die Sklaven herabkamen. Ahun sah, wie die Stoffe herabgeworfen wurden. Ahun stand auf und ging zu Onji. Ahun sagte: "Ich kann nicht lange bei dir bleiben, denn meine eigene Mutter ist recht krank und sie kann jeden Augenblick sterben!"Onji sagte: "Wenn sie stirbt, sage es mir, daß ich dir auch helfe um sie zu weinen!" Ahun ging. Ahun ging nach Hause. Ahun ging zu seiner Mutter. Ahun sagte zu seiner Mutter: "Was willst du hier noch? Weshalb stirbst du nicht?" Die Mutter sagte: "Wenn Ahun mich nicht tötet, kann ich nicht sterben." Ahun sagte: "Wenn Ahun dich auch nicht tötet, mußt du doch heute sterben. Onjis Mutter ist gestorben. Da mußt du auch sterben. Onjis Mutter hat Onji nach ihrem Tode Perlen, Sklaven und Stoffe geschenkt. Du sollst mir nun auch schenken." Ahun suchte einen dicken Stock. Ahun faßte den Stock an und schlug seine Mutter tot.
Dann ging Ahun heraus und sagte zu allem Volke: "Meine alte Mutter ist gestorben! Meine alte Mutter ist gestorben! Meine alte Mutter ist gestorben!" Die Leute kamen, um die Leiche zu begrüßen und um Ahuns alte Mutter zu feiern. Ahun ging zu Onji und sagte: "Meine alte Mutter ist gestorben! Komme zu mir und begrüße sie!" Onji sagte: "Natürlich werde ich kommen!" Es kamen viele Leute, um Ahuns Mutter zu begrüßen. Es wurde gegessen und getrunken. Nach dem Essen sagte Ahun: "Ich habe die Leiche meiner Mutter hier auf den Zwischenboden über uns gestellt." Dann begrüßte Ahun die Leiche seiner Mutter und sagte: "Meine alte, tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so wirf mir Perlen herunter!" Alle Leute begannen zu weinen. Darauf fielen aber keine Perlen herunter. Ahun wartete. Es fielen keine Perlen herunter. —Nach einiger Zeit begrüßte Ahun seine Mutter und sagte: "Meine alte tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so schicke mir einige Sklaven herunter!" Alle Leute begannen zu weinen. Darauf kamen aber keine Sklaven herunter. Ahun wartete. Es kamen keine Sklaven herunter. —Nach einiger Zeit begrüßte Ahun seine Mutter und sagte: "Meine alte tote Mutter! Wenn ich jetzt so um dich weine, so wirf mir einige Stoffe herunter!" Alle Leute begannen zu weinen. Darauf fielen keine Stoffe herunter. Ahun wartete. Es kamen keine Stoffe herunter. Ahun schrie: "Nun habe ich keine alte Mutter, die für mich kocht, und keine Perlen und keine Sklaven und keine Stoffe!" Alle Leute gingen auseinander.
Am andern Tage ging Ahun aus. Er ging über den Markt. Als er vom Markte zu Onjis Haus kam, saß da Onjis alte Mutter. Onjis alte Mutter spann. Ahun schrie Onji an: "Ah! Ist denn deine Mutter nicht gestorben?"Onji sagte: "Nein, meine Mutter lebt und kocht mir alle Tage gute Speise." Ahun sagte: "Du sagtest mir, daß deine Mutter gestorben sei und dir viele Perlen, Sklaven und Stoffe schenkte. Dann schlug ich meine Mutter auch tot. Sie gab mir nichts. Nun habe ich keine alte Mutter, die für mich kocht, keine Perlen und keine Sklaven und keine Stoffe! Daran bist du schuld."Onji sagte: "Ich sagte dir da: ,Sei nur vorsichtig!" Ahun ging. Ahun sagte sich: "Ich werde doch noch Onji fangen!"
Ahun wollte eines Tages zu seinem Schwiegervater gehen. (Wie aus dem späteren Text hervorgeht, war er mit der Tochter dieses Mannes noch nicht eigentlich verheiratet. Diese seine Frau war noch Mädchen und nicht so weit entwickelt, daß Ahun sie hätte wirklich ehelichen können.) Ahun ging zu Onji und sagte: "Komm mit mir,
wir wollen meinen Ana (Schwiegervater) begrüßen."Onji sagte: "Es ist gut!" Beide machten sich auf den Weg. Unterwegs kamen sie an einen breiten Fluß. Als Onji den Fluß sah, sagte er: "Ich will lieber heimkehren! Da kann ich nicht hinüber."Ahun sagte: "Ich muß zu meinem Ana gehen, begleite mich! Ich will dich über das Wasser hinübertragen." Onji sagte: "Ich will aber nicht getragen werden."Ahun sagte: "Ich will dich auch gern auf dem Kopfe tragen."Onji sagte: "Ich will mich nicht auf dem Kopfe tragen lassen."Ahun sagte: "Ich will dich auf meinem Rücken tragen."Onji sagte: "Ich will mich aber nicht tragen lassen." Ahun sagte: "Wie soll ich dich denn hinüberbringen bringen?"Onji sagte: "Nimm mich in deine Nase!"Ahun sagte: "Es ist mir recht."Onji schlüpfte in Ahuns Nase.Ahun trug Onji bis in die Mitte des Flusses und sagte: "Wir sind über dem Flusse. Du kannst nun wieder herauskommen."Onji sagte: "Nein, ich will noch nicht herauskommen."Ahun trug Onji wieder ein Stück weiter, dann sagte er: "Wir sind über den Fluß. Du kannst wieder herauskommen."Onji sagte: "Nein, ich will hier immer bleiben." Ahun mußte Onji über den Fluß tragen. Ahun mußte Onji bis zu seines Schwiegervaters Dorf tragen. Onji blieb immer in Ahuns Nase. Ahun sagte: "Nun komm aber heraus. Wir sind in meines Schwiegervaters Dorf!" Onji sagte: "Ich mag nicht."Ahun sagte: "Ich will jetzt aber, daß du herauskommst." Da stach Onji Ahun und sagte: "Sei still!" Ahun war still.
Der Schwiegervater begrüßte Ahun und sagte: "Setze dich auf eine Matte!"Ahun setzte sich und sagte zu Onji: "Willst du nun herauskommen ?"Onji stach Ahun. Ahun sagte nichts. Nach einiger Zeit sagte Onji zu Ahun: "Nun sage deinem Schwiegervater, daß du hungrig bist und Essen haben willst." Ahun sagte: "Das mag ich nicht!" (Weil das nämlich für den Ankommenden, auch besonders für den Schwiegersohn, sehr ungezogen ist.) Onji stach Ahun. Ahun sagte zu seinem Schwiegervater: "Ich bin hungrig, gib mir zu essen!"Onji sagte zu Ahun: "Sage deinem Schwiegervater, daß du deine Frau sehen willst. Sie soll dich begrüßen."Ahun sagte: "Meine Frau (eigentlich Braut) ist aber noch ganz klein!"(Auch ist es sehr unschicklich, die Anverlobte zu zitieren.) Onji stach Ahun so, daß er blutete. Ahun sagte zu seinem Schwiegervater: "Ich will meine Frau sehen! Schicke sie mir!" Der Schwiegervater schickte die (kleine) Frau. Onji sagte zu Ahun: "Sage deinem Schwiegervater, daß du heim willst."Ahun sagte: "Nein, das sage ich nicht, das ist unschicklich."Onji stach Ahun, daß er blutete. Ahun sagte zu seinem Schwiegervater: "Ich
will wieder heimgehen!" Der Schwiegervater sagte: "Was? Du willst schon wieder heimgehen?" Onji sagte zu Ahun: "Sage deinem Schwiegervater, daß du deine junge Frau mitnehmen willst!" Ahun sagte: "Das kann ich nicht sagen. Sie ist noch ein Kind!"Onji stach Ahun, daß er blutete. Ahun sagte zu seinem Schwiegervater: "Ich will meine kleine Frau mit heimnehmen." Der Schwiegervater sagte: "Was? Du willst jetzt schon deine kleine Frau mit heimnehmen?" Ahun nahm seine kleine Frau mit. Nach einiger Zeit sagte Onji zu Ahun: "Nun töte deine kleine Frau!" Ahun sagte: "Was soll ich?" Onji stach Ahun, daß er sehr stark blutete. Ahun tötete seine kleine Frau.Die Leute fingen Ahun. Der Schwiegervater brachte Ahun zum Osi. Der Schwiegervater sagte: "Ahun hat meine Tochter, seine kleine Frau getötet." Der Osi fragte: "Warum hast du das getan?" Ahun sagte: "Onji befahl es mir." Der Schwiegervater und seine Leute sagten: "Das ist nicht wahr. Es war niemand dabei."Darauf schnitt man Ahun die Füße ab. Onji flog aus Ahuns Nase heraus und sagte: "Das Schlechte, das du mir einmal angetan hast, das will ich jetzt vergelten!" Onji sang: "Oro (Gift) odami (hast mir gegeben) modeisang (habe vergolten) !" Ahun ward umgebracht und das war alles, weil er einmal die Ernte Onjis verdorben hatte.
Die Biene summt aber heute noch: "Oro odami modeisang!"
34. Ahun fällt bei der großen Fliege herein. NasenstidiAhun ist mit Alabombon (große Stechfliege; Haussa = kudarkaschi; Nupe =bimbidji) befreundet. Beide pflanzen Korn. Ahuns Korn ist schlechter als das der großen Fliege. Ahun überredet die große Stechfliege, ihr Korn vorzeitig abzuschlagen. Nachher Hungersnot. Ahun kommt zu Alabombon und überredet sie, die Mutter zu töten, weil alle Welt das jetzt in der Hungersnot tue. Alabombon will das auch tun, geht zu seiner Mutter und kündigt ihr ihr Schicksal an. Die Mutter gibt ihm aber unversehens eine hinter die Ohren und sagt: "Laß dich nicht überreden. Das tut kein Mensch. Jeder freut sich darüber, wenn er eine lebende Mutter hat. Ich werde mich verstecken. Du hast aber in Ahun einen guten Freund. Dem spiel' einmal mit. Überrede ihn, dich in seine Nase zu setzen. Nachher muß er tun, was du willst." —Ahun fordert nach einiger Zeit Alabombon auf, ihn zu seiner (Ahuns) Schwiegermutter zu begleiten. Alabombon ist einverstanden, wenn Ahun ihn tragen wolle. Ahun: "Will dich gerne tragen, aber wie!" Alabombon: "Nimm
mich in deine Nase!" Es geschieht. Sie kommen in das schwiegermütterliche Dorf. Nun beginnt Alabombon Ahun zu tyrannisieren. Alabombon geht nicht aus dem Nasenloche Ahuns. Ahun muß tun, was Alabombon will. Tut es Ahun nicht, so wird er gestochen. Zuletzt muß Ahun seine eigene Braut töten. Als das geschehen ist, sagt Alabombon: "Das tat ich, weil du von mir verlangtest, daß ich meine Mutter töte." Dann fliegt Alabombon weg, und Ahun wird von der erzürnten Familie getötet.
13. Kapitel: Ahun bei Menschen und Göttern
35. Bestrafte UnmütterlicizkeitEin Osi (König) hatte eine Frau. Diese Frau (Ajolodja) hieß Molu. Die Frau Molu ward schwanger. Sie gebar einen Knaben. Der Osi gab ihr hierauf zwei Mädchen, die ihr helfen sollten, das Kind zu warten und zu pflegen. Die beiden Mädchen waren aber nicht gut. Sie gingen mit dem Kinde nicht gut um. Die Mutter sah das nicht. Als das Kind erst einige Tage alt war, ging die Mutter fort in den Busch, um sich einen Stein zum Reiben von Rotholz (Olo-ussu) zu suchen.
Während die Mutter fort war, töteten die beiden Mädchen, die den Sohn des Königs warten sollten, das Kind. Das sah aber Ahun (die Schildkröte), und Ahun lief sogleich zum König und erzählte ihm das. Als der Osi das hörte, ward er sehr zornig. Er ließ sogleich ein tiefes Loch graben und seine langen Messer (Ida) schärfen,
Inzwischen flog ein kleiner Vogel in den Wald und sagte zur Ajo-Lodja: "Die beiden Mädchen haben das Kind des Osi getötet. Der Osi ist sehr böse. Er will dich mit dem langen Messer töten, weil du so früh ausgegangen bist." Molu erschrak und sagte: "Was soll ich tun?" Der Vogel sagte: "Ehe du in das Haus gehst, mußt du singen (ori). Dann kann der Osi dich nicht töten."
Molu machte sich sogleich auf den Heimweg. Als sie am Tore war, sang sie: "Omolumolu (der Name der Mutter) igbeni ma ge; igbeni ma que (hundert Fragen; hundert Antworten). Aloguru bara, olodaoloda (lange Messer scharf gemacht)(?)." Die Frau sang so. Sie trat in das Torhaus. Der Osi hatte das Ida und tötete sie damit, weil sie nicht auf das Kind geachtet hatte.
Seitdem ist bei den Joruba Gesetz, daß eine Frau nicht eher Von daheim weggehen soll, ehe der siebente Tag nach der Geburt verfloß. Erst nach dem siebenten Tag soll sie in den Busch gehen.
36. Der Hunger des WaisenkindesEin Knabe hatte keine Mutter und keinen Vater. Er war ein Omonekere-bete. Der Knabe ging in den Busch. Er aß da Palmkerne. Er begegnete Ahun. Ahun fragte ihn: "Was ist mit dir?" Der Waisenknabe antwortete: "Ich bin hungrig. Man kann mich nicht satt machen (wörtlich: mir den Bauch nicht füllen)." Ahun sagte: "Komm, ich will dir genug zum Essen geben." Der Waisenknabe sagte: "Ich glaube nicht, daß du mich satt machen kannst." Ahun sagte: "Das wollen wir nun doch erst einmal sehen!" Dann holte Ahun vielen Jams von seiner Farm, ließ viel, viel Brei machen und ihn dem Waisenknaben vorsetzen. Der Waisenknabe aß allen Jams von den Feldern Ahuns auf, aber sein Bauch war doch noch nicht gefüllt. Da holte Ahun alle Bohnen und alles Guineakorn von seinen Farmen. Er ließ all das kochen und zubereiten. Er setzte es dem Waisenkinde vor. Aber das Waisenkind ward nicht satt. Ahun gab ihm alles, was er hatte, aber der Bauch des Waisenkindes war nicht zu füllen. Dann rief Ahun seine ganze Familie zusammen und sagte: "Kommt, wir wollen diesem Waisenkinde alles geben, was wir haben, und wollen sehen, ob sein Bauch voll werden wird." Seine Familie sagte: "Wir wollen es sehen." Sie brachten alles Essen von den Feldern und aus den Hütten und setzten es dem Waisenkinde vor. Das Kind aß alles, alles auf, was man ihm gebracht hatte, und sagte: "Ich bin noch nicht satt."
Da nahm Ahun den Waisenknaben mit sich in die Stadt und brachte ihn zum Osi. Ahun sagte zum Osi: "Hier ist ein Waisenknabe, dessen Bauch ist nicht zu füllen! Ich habe ihm alles gegeben, was auf meinen Feldern und in meinen Scheunen war. Er war nicht satt zu machen. Alle meine Angehörigen haben alles von ihren Feldern geholt und ihm zu essen gegeben, aber des Jungen Bauch ist nicht voll zu machen." Der Osi sagte: "Lasse mir den Jungen hier. Wir wollen sehen, ob wir ihm in der Stadt den Bauch auffüllen können." Der Osi rief alle seine Leute zusammen. Der Osi sagte: "Seht diesen Waisenjungen! Ahun und alle seine Angehörigen haben ihm alles gegeben, was sie an Jams, Bohnen und Guineakorn auf den Farmen und in den Speichern hatten. Dieser Waisenjunge hat alles gegessen, was sie besaßen. Sie haben aber seinen Bauch nicht füllen können. Nun macht viel Brei und Speise und seht, ob ihr den Jungen satt machen könnt." Alle Leute gingen hin. In der ganzen Stadt wurde aus Jams, Bohnen und Guineakorn Speise bereitet. Aus
allen Gehöften wurde die Speise und der Brei herbeigebracht. Der Waisenjunge aß alles, was sie ihm brachten. Als er alles gegessen hatte, sagte er: "Mein Bauch ist noch nicht voll!" Da holten die Leute alles herbei, was draußen auf den Farmen und in den Speichern war. Die Frauen neben und mahlten und kochten alle Töpfe voll, die sie hatten. Alles, was im Lande war, ward zubereitet und dem Waisenknaben hingesetzt. Der Waisenknabe aß alles, alles auf und sagte dann: "Mein Bauch ist noch nicht voll!"Die Leute kamen zum Osi und sagten: "Wir haben für den Waisenjungen alles zubereitet, was wir in der Stadt, auf den Farmen und in den Speichern hatten. Es ist nichts übriggeblieben. Der Waisenjunge hat alles gegessen. Aber sein Bauch ist noch nicht voll geworden." Da sagte eine alte Frau: "Es ist nicht schwer, den Waisenjungen satt zu machen." Der Osi sagte: "Versuche es!" Die alte Frau nahm darauf den letzten, ganz kleinen Jams, der noch übrig war, und bereitete ihn. Es war eine Handvoll Jamsbrei. Dann kaufte sie für 4000 Kauri (= I Schilling, entspricht 3200 Kauri im Nupeland) roten Pfeffer. Der Pfeffer war eine Kalebasse voll. Sie setzte dies Gericht auf den Herd und kochte die eine Handvoll Jamsbrei mit der ganzen Kalebasse Pfeffer. Als es genug gekocht hatte, setzte sie das dem Waisenjungen vor. Der Waisenjunge aß es auf. Als er die Speise aufgegessen hatte, sagte er: "Mein Bauch ist voll!"
Der Waisenknabe hatte aber mittlerweile alles gegessen, was im Lande war. Es gab keinen Jams mehr, keine Bohnen mehr, kein Guineakorn mehr. Der Osi sagte: , ,Ahun hat uns diesen Burschen gebracht, der alles aufaß. Nun ist nichts mehr da zu essen. Das ist ein Geschenk Ahuns. Bringt Ahun her!" Die Leute gingen aus, Ahun zu fangen. Ahun aber entschlüpfte. Nun wollten sie den Waisenjungen fangen. Der Waisenjunge aber schlüpfte unter die Matte.
Wenn einer abends gegessen hat, ist er morgens wieder hungrig. Aber Omo-nekere-bete kroch unter die Matte und war nun nicht mehr hungrig.
37. Die Tochter des OsiDer Osi (König) hatte ein Kind, das war eine Tochter, die hieß Oriri (oder Olili). Dieses Mädchen war einem Manne mit Namen Elidjibo versprochen. Elidjibo brachte seinem Schwiegervater jedes Jahr viele Feldfrüchte. Als Oriri groß war, gab er sie dem Elidjibo zur Frau, und zwar sandte er mit ihr vierzig Sklaven als Geschenk in die neue Ehe. Diese vierzig Sklaven sollten dem Manne folgen.
Zuerst ließ der Mann die vierzig Sklaven den Busch bei seinem Hause schlagen und so einen breiten Weg zum Osi hin anlegen.Elidjibo hatte vorne einen weit hervorragenden Zahn. Oriri sagte zu den vierzig Sklaven: "Schlagt meinem Manne den Zahn heraus!" Die vierzig Sklaven taten es, denn sie war die Tochter des Osi. Oriri sagte zu den vierzig Sklaven: "Schneidet meinem Manne den Schwanz ab!" Die vierzig Sklaven taten es, denn sie war die Tochter des Osi. Oriri sagte zu den vierzig Sklaven: "Schneidet meinem Manne das Skrotum ab!" Die vierzig Sklaven taten das, denn sie war die Tochter des Osi. Oriri sagte zu den vierzig Sklaven: "Schneidet meinem Manne den Kopf ab!" Die vierzig Sklaven taten es. Sie schlugen Elidjibo den Kopf ab, denn Oriri war die Tochter des Osi.
Der Osi hörte, daß Oriri dem Elidjibo hatte den Kopf abschlagen lassen. Er sandte Ahun und ließ Oriri sagen, sie solle zu ihm kommen. Oriri kam zu ihrem Vater Osi. Der Osi fragte sie: "Warum ließest du deinem Manne den Kopf abschlagen?" Oriri sagte: "Ich bin die Tochter des Osi!" Der Osi sandte einen Mann mit einer Agogo (Eisenschelle, Eisenglocke) herum, der sollte alle Leute zusammenrufen; alle Leute kamen zusammen. Als alle Leute zusammengekommen waren, sagte der Osi zu ihnen: "Meine Tochter tötete gestern ihren Mann!" Die Leute sagten: "Ja!" Der Osi sagte zu den Leuten: "Nun sollt ihr meine Tochter töten!" Die Leute schrien: "Nein, wir wollen deine Tochter nicht töten, denn sie ist die Tochter des Osi!" Oriri ward nicht getötet.
Der Osi ließ aber Ahun mit einer Eisenglocke herumgehen und ausrufen: "Wenn jemand eine neue Frau heiratet und diese in das Haus kommt, soll in Zukunft der Mann fortlaufen!" Seitdem läuft der Gatte weg, wenn die neu einziehende Frau ihm etwa begegnet.
38. Ahun sticht den König ausEine Frau hieß Betjubetje. Sie war sehr schön. Der Osi (König) sandte zu ihr und ließ ihr sagen: "Schlafe mit mir!"Betjubetje ließ ihm sagen: "Ich will nicht mit dir schlafen." Der Osi sandte viermal zu der Frau und ließ ihr sagen: "Schlafe mit mir!"Betjubetje antwortete immer: "Ich will nicht mit dir schlafen!" Ahun hörte das. Er sagte zum Osi: "Du bist nun Osi und kannst nicht erreichen, daß Betjubetje bei dir schläft. Ich bin nur Ahun und doch braucht es nur eine einzige Rücksprache und sie nimmt mich mit zu sich." Der Osi sagte: "Das müßte ich erst noch sehen!"
Ahun begab sich in den Busch. Er schlug dort eine Schlange tot.
Mit der toten Schlange ging er an den Weg, der zu seiner Farm führte. Dort legte er die Schlange quer über den Weg. Nach einiger Zeit kam Betjubetje, die auf ihre Farm gehen wollte. Sie gewahrte die Schlange. Sie sah Ahun, der auf seiner Farm arbeitete, und rief: "Ahun! Komm! Schlage die Schlange tot, die hier im Wege liegt!" Ahun kam herbei, schlug auf die Schlange, richtete es aber so ein, daß er sich dabei auch in den Fuß schlug. Ahun rief: "Oh, das kommt davon! Ich schlage für dich, Betjubetje, eine Schlange tot und verwunde mich! Oh, wer hilft mir nun!"Betjubetje sagte: "Komm, ich will dich auf meinen Rücken nehmen und heimtragen. Wo soll ich dich hintragen?" Ahun sagte: "Trage mich in dein Haus!" Betjubetje trug Ahun heim.Als Betjubetje mit Ahun in ihrem Hause angekommen war, sagte sie: "Wo soll ich dich nun hinlegen?" Ahun sagte: "Laß mich die Nacht mit auf deinem Bette schlafen."Betjubetje legte ihn also auf ihr Bett. Abends legte sie sich daneben auf die andere Seite. Nachts nahm nun Ahun ein Stück Rotholzfarbe (Osun) heraus und malte, als Betjubetje schlief, ihr ein Kreuz auf den Unterleib.
Am andern Tage ging Ahun zum König und sagte: "Sagtest du nicht gestern, du glaubtest mir es nicht, daß ich sogleich bei Betjubetje schlafen könnte, was dir nicht gelang?" Der Osi sagte: "So ist es!" Ahun sagte: "Ich habe es aber doch gekonnt." Der Osi sagte: "Wie willst du das beweisen ?"Ahun sagte: "Wenn du Betjubetjes Unterleib sähest, würdest du ein mit Osun gemaltes Kreuz darauf sehen. Das habe ich darauf gemalt."
Der Osi ließ Betjubetje rufen. Man nahm ihre Kleider hoch. Man sah das Zeichen. Betjubetje lief voller Scham in den Busch.
39. Ahun heiratet die SprödeDjobi-Alaqua war ein Mädchen. Djobi-Alaqua war sehr schön. Viele Leute sagten: "Djobi-Alaqua! Ich möchte dich heiraten." Djobi-Alaqua antwortete stets: "Ich mag dich nicht heiraten!"Der König sagte: "Ich möchte Djobi-Alaqua heiraten."Djobi-Alaqua sagte: "Ich mag den König nicht heiraten." Der König sagte: "Ich will Djobi-Alaqua beschlafen. Sie soll haben, was sie verlangt." Djobi-Alaqua sagte: "Ich will nicht mit dem König schlafen. Ich will mit keinem Manne schlafen. Ich will vom König nichts geschenkt haben. Ich will von keinem Manne etwas geschenkt haben."
Alle Männer sagten: "Kein Mann wird Djobi-Alaqua heiraten können. Kein Mann wird Djobi-Alaqua beschlafen können."Ahun
hörte das. Ahun sagte: "Ich werde Djobi-Alaqua beschlafen." Die andern sagten: "Das sagst du, Ahun? Bist du nicht Ahun? Du willst das können, Ahun? Wie willst du es machen?" Ahun sagte: "Ihr werdet es sehen!"Ahun ging zu Djobi-Alaquas Mutter. Ahun fragte Djobi-Alaquas Mutter: "Was ißt deine Tochter gerne ?"Djobi-Alaquas Mutter sagte: "Meine Tochter ißt alle Früchte von allen Bäumen gerne. Sie ißt gerne Nüsse." Ahun fragte Djobi-Alaquas Mutter: "Aufweichen Markt geht Djobi-Alaqua?"Djobi-Alaquas Mutter sagte: "Meine Tochter geht auf den Markt Sekumasse."
Ahun ging an den Weg, der zum Markte Sekumasse führt. Ahun stieg am Ende des Weges auf einen Palmbaum. Ahun warf eine Frucht herunter. Djobi-Alaqua kam vorbei, um auf den Markt Sekumasse zu gehen. Djobi-Alaqua sah die Frucht. Djobi-Alaqua nahm die Frucht auf. Djobi-Alaqua aß die Frucht. Ahun kam vom Baume herab. Ahun sagte: "Djobi-Alaqua, du hast meine Frucht weggenommen. Du bist ein Diebsmädchen. Ich werde es aller Weit sagen. Gib mir die Frucht wieder oder laß dich von mir beschlafen!"Djobi-Alaqua sagte: "Laß mich, ich will mich nicht beschlafen lassen!" Ahun sagte: "Dann sage ich aller Welt, daß du ein Diebsmädchen bist."Djobi-Alaqua sagte: "Nein, sage es niemand. Ich bitte dich!" Ahun sagte: "Die Frucht oder den Beischlaf!"Djobi-Alaqua sagte: "Ich will dir tausend Kauri geben, aber laß mich!" Ahun sagte: "Die Frucht oder den Beischlaf!"Djobi-Alaqua sagte: "Ich will dir zwei Sklaven geben!"Ahun sagte: "Die Frucht oder den Beischlaf!" Djobi-Alaqua sagte: "Ich will dir alles geben, was ich habe, aber laß mich!" Ahun sagte: "Frucht oder den Beischlaf!" Djobi-Alaqua sagte: "So komme mit in das Haus da!"
Ahun ging mit Djobi-Alaqua in das Haus. Ahun beschlief Djobi-Alaqua. Dann nahm Ahun Djobi-Alaquas Kopftuch (Gaelle; Haussa Lufita; Nupe =Lufuta) und versteckte es. Djobi-Alaqua ging. Ahun ging. Ahun ging zum König. Ahun sagte zum König: "Wolltest du Dijobi-Alaqua heiraten?" Der König sagte: "Ja, ich wollte Djobi-Alaqua heiraten. Djobi-Alaqua wollte sich aber nicht beschlafen lassen. Djobi-Alaqua will sich von keinem Manne beschlafen lassen." Ahun sagte: "Ich habe soeben Djobi-Alaqua beschlafen!" Der König sagte: "Du lügst." Ahun zog die Gaelle Djobi-Alaquas heraus und sagte: "Hier ist mein Beweis!"
40. Hyäne wird Ahuns ReittierEine Frau hatte eine Tochter. Ikoko (die Hyäne) kam und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Die Frau sagte: "Du sollst sie haben!" Ahun kam zu der Frau und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau!" Die Frau sagte: "Du sollst sie haben!" Ikoko sagte zu Ahun: "Das Mädchen werde ich heiraten."Ahun sagte: "Wer kann das wissen?"
Ahun ging zu der Mutter. Ahun sagte: "Ich höre, du willst deine Tochter Ikoko geben, der nur mein Reittier ist." Die Mutter sagte: "Du reitest auf Ikoko ?" Ahun sagte: "Ja, ich reite auf Ikoko. Willst du es sehen, so reite ich hier einmal vorbei." Die Frau sagte: "Ja, ich möchte es sehen. Wenn du auf Ikoko reitest, so sollst du das Mädchen zur Frau haben, und ich will kein Geld von dir annehmen." Ahun sagte: "Du wirst es sehen." Ahun ging fort.
Ahun ging zu Ikoko und sagte: "Da drüben ist ein Tier gestorben." Ikoko sagte: "Mein Freund Ahun, sage mir, wo das ist!"Ahun sagte: "Warte, bis ich mich erholt habe; ich komme von einem weiten Gang." Dann ging Ahun in sein Haus und nahm Pferdegebiß (Joruba =djanu; Haussa =insami; Nupe =sami), Sporen (Joruba = kesse; Haussa = kemi; Nupe kemi) und Sattel (Joruba = gari; Haussa =ssirdi; Nupe = jssa). Er trug sie in den Busch auf den Weg zur Mutter des Mädchens. Als er ein Stück weit gegangen war, hing er das Gebiß am Wege auf. Als er wieder ein Stück weit gegangen war, hing er die Sporen auf einen Ast. Als er noch ein Stück weit gegangen war, stellte er den Sattel auf den Weg. Dann ging er heim.
Nach einiger Zeit kam Ikoko und sagte: "Nun hast du dich erholt. Nun zeige mir den Weg zu dem Tiere, das gestorben ist. "Ahun sagte: "Aber ich bin so müde, daß ich noch nicht gehen kann." Ikoko sagte: "So steige auf meine Schulter." Ahun sagte: "Ich will es versuchen." Ahun stieg auf Ikokos Schulter und sagte: "Nun laufe den Weg da hin!" Ikoko lief zu.
Nach einiger Zeit kamen sie an die Stelle, an der Ahun das Gebiß aufgehängt hatte. Ahun sagte zu Ikoko: "Sieh, was hier hängt! Wenn man das in den Mund nimmt, kann einem niemand sehen." Ikoko sagte: "Lege es mir in den Mund." Ahun legte das Gebiß Ikoko in den Mund und sagte: "Ich werde die Riemen in die Hand nehmen und dir so tragen helfen." Ahun nahm die Zügel. Ikoko lief weiter.
Nach einiger Zeit kamen sie an die Stelle, an der Ahun die Sporen auf den Ast gelegt hatte. Ahun sagte: "Sieh, was hier liegt. Wer das an den Füßen hat, ist ganz leicht, wie ein trockenes Blatt." Ikoko sagte: "So stecke es dir an die Füße, damit ich schneller laufen kann." Ahun steckte die Sporen an seine Füße und sagte: "Ich werde sie dir in die Seiten drücken, damit du auch leichter wirst." Ahun gab Ikoko die Sporen. Ikoko lief weiter.
Nach einiger Zeit kamen sie an die Stelle, an der Ahun den Sattel hingestellt hatte. Ahun sagte: "Ich halte es nicht mehr aus. Ich falle von deinem Rücken, wenn du nicht etwas unter meinen Hintern legst." Ikoko sagte: "Was soll ich dir unterlegen?" Ahun sagte: "Was liegt denn dort auf dem Wege? Sollte das nicht geeignet sein?" Ikoko sagte: "Wir wollen es versuchen." Ahun stieg ab. Ahun legte Ikoko den Sattel auf. Ahun stieg wieder auf. Ahun ergriff die Zügel. Ahun gab Ikoko die Sporen. Ikoko lief weiter.
Nach einiger Zeit kamen sie in die Nähe des Hauses, in dem die Mutter des Mädchens wohnte. Ikoko sagte: "Nun halt an und steig' ab. Ich will hier nicht vorbeilaufen." Ahun gab Ikoko die Sporen und sagte: "Wir brauchen nur bis zur andern Seite des Hauses zu laufen, da ist es." Ikoko lief weiter. Ahun ritt am Hause der Frau vorbei. Die Frau sah hinaus. Ahun sagte: "Weißt du nun, wer mein Pferd ist? Weißt du nun, wem du deine Tochter gibst?"
Ahun ritt an dem Hause der Frau vorbei. Ahun kam an einem Stein vorbei. Als Ikoko neben dem Steine war, sprang Ahun von Ikoko herab und versteckte sich unter dem Steine. Ikoko lief weiter. Er riß den Sattel herab. Er schüttelte das Gebiß ab. Ahun ging zur Frau zurück. Die Frau gab Ahun ihre Tochter zur Frau.
Nach einiger Zeit kam Ikoko zur Frau. Die Frau sagte zu ihm: "Laß dich nicht wieder hier sehen. Du bist ein ganz niederes Tier!"
41. Alle Welt muß tanzenEin Mann hatte eine Frau. Er hatte von der Frau drei Söhne. Es zwar eine Hungersnot. Niemand hatte zu essen. Der Vater gab seinen drei Söhnen Jams und sagte zu ihnen: "Geht in das Kornfeld und paßt den Tag über auf, daß die Affen nichts davon essen." Die drei Burschen gingen auf das Kornfeld.
Als es Mittag geworden war, legten sie ihren Jams (Joruba = issu; Haussa =doja; Nupe =esi) ins Feuer, um ihn zu rösten. Als der Jams im Feuer röstete, kam Ahun mit einer Trommel unter dem Arm aus dem Busche und fragte: "Will niemand tanzen ?" Die Bur
schen sagten: "Wir wollen schon tanzen." Ahun begann zu trommeln. Die Burschen begannen zu tanzen. Sie tanzten näher heran. Sie tanzten weiter fort. Ahun trommelte und sang: "Hier sind drei Burschen, die Jams im Feuer rösten. Ich will ihnen trommeln, daß sie tanzen und tanzen. Ich will ihnen trommeln, daß sie mir den Jams schenken müssen. Wenn sie weitab getanzt sind, werde ich den Jams aus dem Feuer nehmen." Die Burschen tanzten nahe heran. Die Burschen tanzten weit weg. Als sie weit weg waren, nahm Ahun den Jams aus dem Feuer, aß ihn auf und ging wieder in den Busch.Die Burschen gingen heim. Der jüngste Bursche sagte: "Ich will es dem Vater erzählen." Der älteste Bursche sagte: "Du sagst nichts dem Vater." Der jüngste Bursche sagte: "Dieser alte Trommler hat uns aber unseren Jams gestohlen." Der älteste sagte: "Du sagst nichts!"
Am andern Tage gingen die drei Burschen mit ihrem Jams auf das Kornfeld. Als es Mittag geworden war, legten sie ihren Jams wieder in das Feuer, um ihn zu rösten. Als der Jams im Feuer röstete, kam Ahun mit seiner Trommel unter dem Arme aus dem Busche und fragte: "Diese drei Burschen wollen heute nicht tanzen?" Der jüngste Bruder machte böse Augen. Der älteste Bruder sagte: "Gewiß wollen wir tanzen." Ahun begann zu trommeln. Die Burschen begannen zu tanzen. Sie tanzten hin. Sie tanzten her. Ahun trommelte und sang: "Hier sind drei Burschen, die Jams im Feuer rösten. Ich will ihnen trommeln, daß sie tanzen und tanzen. Ich will ihnen trommeln, daß sie mir den Jams schenken müssen. Wenn sie weitab getanzt sind, werde ich den Jams aus dem Feuer nehmen."Die Burschen tanzten nahe heran, die Burschen tanzten weit weg. Als sie weit weg waren, nahm Ahun den Jams aus dem Feuer, aß ihn auf und ging wieder in den Busch.
Die Burschen gingen heim, der Vater sah sie. Der Vater sagte: "Eure Haut sieht so trocken aus (bedeutet: ihr seht so verhungert aus)." Der jüngste Sohn sagte: "Komm mit mir." Der Vater ging mit dem jüngsten Sohne hinter das Haus. Der Jüngste sagte: "Jeden Tag kommt ein alter Mann, gerade wenn wir unseren Jams rösten. Er trommelt und wir müssen danach tanzen. Dann nimmt er unseren Jams, und wir haben nichts zu essen." Der Vater sagte: "Es ist gut! Ich werde morgen auch meinen Jams mitnehmen und mit auf das Kornfeld kommen."
Am andern Morgen gingen die drei Burschen mit ihrem Vater auf das Kornfeld. Jeder hatte seinen Jams bei sich. Als es Mittag war,
legten sie ihren Jams in das Feuer, um ihn zu rösten. Als der Jams im Feuer röstete, kam Ahun mit seiner Trommel unter dem Arm aus dem Busche und fragte: "Dieser Mann und seine drei Söhne wollen heute nicht tanzen?" Der Vater sagte: "Gewiß wollen wir tanzen." Ahun begann zu trommeln. Der Vater und seine Burschen begannen zu tanzen. Sie tanzten hin. Sie tanzten her. Ahun trommelte und sang: "Hier sind ein Vater und seine drei Burschen, die Jams im Feuer rösten. Ich will ihnen trommeln, daß sie tanzen und tanzen. Ich will ihnen trommeln, daß sie mir den Jams schenken müssen. Wenn sie weit fortgetanzt sind, werde ich den Jams aus dem Feuer nehmen." Der Vater und seine Burschen tanzten nahe heran. Der Vater und seine Burschen tanzten weit weg. Als sie weit weg waren, nahm Ahun den Jams aus dem Feuer, aß ihn auf und ging wieder in den Busch.Der Vater und seine drei Burschen gingen heim. Der Vater ging zum Bale (Familien- und Gehöftherrn) und sagte: "Jeden Tag kommt ein alter Mann auf mein Kornfeld, gerade wenn der Jams geröstet wird. Er trommelt, und wir müssen danach tanzen. Dann nimmt er unseren Jams, und wir haben nichts zu essen." Der Bale sagte: "Es ist gut. Ich werde morgen meinen Jams mitnehmen und auch mit auf das Kornfeld kommen!"
Am andern Morgen gingen die drei Burschen mit ihrem Vater und dem Bale auf das Kornfeld. Jeder hatte seinen Jams bei sich. Als es Mittag war, legten sie ihren Jams in das Feuer, um ihn zu rösten. Als der Jams im Feuer röstete, kam Ahun mit seiner Trommel unter dem Arme aus dem Busche und fragte: "Dieser Bale und dieser Vater und diese drei Burschen wollen heute nicht tanzen?" Der Bale sagte: "Gewiß wollen wir tanzen." Ahun begann zu trommeln. Der Bale und der Vater und die drei Burschen begannen zu tanzen. Sie tanzten hin. Sie tanzten her. Ahun trommelte und sang: "Hier sind ein Bale und ein Vater und seine drei Burschen, die Jams im Feuer rösten. Ich will ihnen trommeln, daß sie tanzen und tanzen. Ich will ihnen trommeln, daß sie mir den Jams schenken müssen. Wenn sie weit fortgetanzt sind, werde ich den Jams aus dem Feuer nehmen." Der Bale und der Vater und seine drei Burschen tanzten nahe heran. Der Bale und der Vater und seine drei Burschen tanzten weit weg. Als sie weit weg waren, nahm Ahun den Jams aus dem Feuer, aß ihn auf und ging in den Busch.
Der Bale und der Vater und seine drei Burschen gingen heim. Der Bale ging zum Osi (König) und sagte: "Jeden Tag kommt ein alter
Mann auf unser Kornfeld, gerade wenn der Jams geröstet wird. Er trommelt, und wir müssen danach tanzen. Dann nimmt er unseren Jams und wir haben nichts zu essen." Der Osi sagte: "Es ist gut; ich werde morgen meine Leute und Jams mitnehmen und auch mit auf das Kornfeld gehen!" Alle Leute hörten es. Alle Leute sagten: "Morgen wird auch der König nach Ahuns Trommel tanzen. Morgen wird Ahun auch des Königs Jams essen!" Alle Leute hörten es. Alle Leute sagten: "Ahun wird noch allen Jams essen. Es wird für niemand etwas übrigbleiben." Ein Jäger (Joruba =ode; Haussa = mahalubi; Nupe = dasi) hörte es. Der Jäger sagte: "Ich werde hinter den andern hergehen und werde keinen Jams mitnehmen."Am andern Morgen gingen die drei Burschen mit ihrem Vater und dem Bale und dem König und viele Leute auf das Kornfeld. Jeder hatte seinen Jams bei sich. Als es Mittag war, legten Sie ihren Jams in das Feuer, um ihn zu rösten. Als der Jams im Feuer röstete, kam Ahun mit seiner Trommel unter dem Arm aus dem Busche und fragte: "Dieser König und dieser Bale und dieser Vater und diese drei Burschen und all die andern Leute wollen heute nicht tanzen?" Der König sagte: "Gewiß wollen wir tanzen." Ahun begann zu trommeln. Der König und der Bale und der Vater und die drei Burschen und alle andern Leute begannen zu tanzen. Sie tanzten hin, sie tanzten her. Ahun trommelte und sang: "Hier sind ein König und ein Bale und ein Vater und seine drei Burschen und viele andere Leute, die Jams im Feuer rösten. Ich will ihnen trommeln, daß sie tanzen und tanzen. Ich will ihnen trommeln, daß sie mir den Jams schenken müssen. Wenn sie weit fortgetanzt sind, werde ich den Jams aus dem Feuer nehmen." Der König und der Bale und der Vater und die drei Burschen und alle andern Leute tanzten nahe heran. Der König und der Bale und der Vater und die drei Burschen und alle andern Leute tanzten weit weg.
Als sie weit weg waren, wollte Ahun den Jams aus dem Feuer nehmen. Der Jäger kam durch den Busch heran. Der Jäger sah, wie der König und der Bale und der Vater und seine drei Burschen und viele andere Leute weit weggetanzt waren. Der Jäger sah, daß Ahun den Jams aus dem Feuer nehmen wollte. Der Jäger griff Ahun schnell am Beine. Der Jäger sagte: "Was, alter Ahun? Also solche Sachen machst du alle Tage ?" Der Jäger hielt Ahun am Beine fest. Der König und der Bale und der Vater und die drei Burschen und alle andern Leute kamen zum Feuer zurück. Der Jäger sagte: "Dieser Alte wollte euch gerade allen Jams stehlen."
Ahun ward heimgebracht. Ahun sollte getötet werden. Ahun sagte: "Begrabt mich im Sande, dann werde ich schnell sterben." Die Leute taten es. Ahun wollte entschlüpfen. Der Jäger hielt ihn fest. Der Jäger brachte ihn auf einen Hügel und warf ihn auf einen Stein herab. Seitdem ist die Rückenschale Ahuns in viele Stücke zerbrochen.
42. Ahun betrügt Osi um die eigene TochterAhun hatte eine Frau. Mit der Frau zeugte Ahun ein Kind; das war ein Mädchen. Das Mädchen war sehr hübsch. Der Osi sagte: "Ich will das Mädchen heiraten!" Der Osi gab Ahun Geld und sagte: "Achte mir auf meine Frau!" Das Mädchen war sehr hübsch. Ahun sagte: "Kein anderer soll mit meiner Tochter schlafen!" Ahun betrachtete sein Mädchen. Das Mädchen war sehr hübsch. Ahun betrachtete seine Tochter. Das Mädchen war sehr hübsch. Ahun sagte: "Kein anderer soll mit meiner Tochter schlafen!" Dann beschlief er sie selber. Ahun beschlief seine eigene Tochter nun selbst.
Eines Tages starb Ahuns Mädchen.
Ahun sandte sogleich eine Nachricht an den Osi (König) und ließ ihm sagen: "Meine Tochter ist so weit. Du kannst sie nun heiraten. Laß sie abholen!" Der Osi sandte sogleich ein Pferd, das war sehr schön gesattelt. Auf dem sollte Ahuns Tochter zu ihm gebracht werden. Ahun setzte seine Tochter sogleich darauf. Er hatte ihr einen kleinen Stock in den Mund gesteckt. Ahun setzte sich dahinter, so daß das tote Mädchen nicht herunterfallen konnte.
Sie kamen in das Gehöft des Osi. Der Osi hatte ein schönes Haus anweisen lassen. Ahun trug seine Tochter hinein. Der Osi sandte gutes Essen. Ahun aß gründlich. Ahun ließ dem Osi sagen: "In sieben Tagen kannst du zuerst bei deiner Frau schlafen. Ich werde noch sechs Tage bei ihr bleiben." Ahun blieb noch sechs Tage bei seiner (toten) Tochter. Dann ließ er dem Osi sagen: "Ich gehe jetzt heim! Morgen kann der Osi mit meiner Tochter schlafen." Ahun ging heim.
Sobald Ahun heimgegangen war, ging der Osi zu der Tochter Ahuns hinein. Der Osi sprach sie an: "Iao (meine Frau)!" Das Mädchen antwortete nicht. Der Osi ergriff die Hand des Mädchens. Die Hand fiel ab. Der Osi ging hinaus. Der Osi sagte zu seinen Leuten: "Geht sogleich zu Ahun und sagte ihm, daß seine Tochter gestorben ist!" Die Leute gingen zu Ahun und sagten zu ihm: "Der Osi läßt dir sagen, daß deine Tochter gestorben ist." Als Ahun das
hörte, begann er zu schreien. Ahun sagte: "Das kommt davon, daß der Osi meine Tochter beschlafen wollte, ehe ich noch daheim war! Der Osi hat meine Tochter getötet!" Ahun ging in sein Haus. Ahun nahm Blätter und machte sie ganz naß. Er legte die Blätter mit dem Wasser unter seine Mütze. Er röstete sich viel Jams. Er machte in der Wand eine Höhlung hier, legte Jams hinein und schloß sie mit Lehm. Er machte in der Wand eine Höhlung da, legte Jams hinein und schloß sie mit Lehm. Er versteckte viel gerösteten Jams in seinem Zimmer.Die Leute kamen in sein Haus, um ihn wegen dem Tode seiner Tochter zu begrüßen. Wenn jemand herein kam, drückte er den Kopf mit der Mütze gegen die Wand. Das Wasser der Blätter lief ihm über das Gesicht; er sagte: "Ich muß weinen, weil meine Tochter getötet ist. Ich muß weinen, weil meine Tochter getötet ist. Ich will nicht mehr essen, sondern sterben. Ich will nicht mehr essen, sondern sterben." Die Leute sagten: "So iß doch ein wenig; du wirst sonst auch krank!" Ahun sagte: "Ich will nicht essen, denn ich will sterben!" Wenn die Leute fort waren, nahm er von dem gerösteten Jams aus der Wand und aß sehr viel davon. Die Leute sagten: "Ahun weint so viel; er wird bald nicht mehr sehen können. Er hat solange nichts gegessen. Er wird bald krank werden und sterben." Die Leute kamen zu Ahun und sagten: "Komm mit hinaus, deine Tochter hat viel Jams hinterlassen. Wir haben den Jams in zwei Haufen auf dem Felde hingelegt. Wähle dir dein Teil!"Ahun sagte: "Ich muß weinen, weil meine Tochter getötet ist. Was soll ich auf dem Jamsfelde? Ich kann vor Weinen nichts sehen. Ich will auch nicht essen, sondern sterben!"Die Leute führten Ahun auf die Farm hinaus. In der Nacht schlief er in einer kleinen Hütte mitten in der Farm. Als alle fort waren, ging er hin, wo die Jamshaufen waren. Er tat alles auseinander. Dann machte er zwei neue Haufen, den einen von Ewura (großen, weniger geschätztem Jams), den andern von Okosu (guten, besseren Jams). Dann ging er in seine Hütte zurück. Am andern Morgen kamen die Leute und sagten: "Nun komm und nimm deinen Jamshaufen." Ahun sagte: "Ich muß weinen, weil meine Tochter getötet ist. Was soll ich auf dem Jamsfelde? Ich kann vor Weinen nichts sehen. Ich will nicht essen, sondern sterben." Die Leute sagten: "So komm nur!"Ahun sagte: "Ist es weit?" Die Leute sagten: "Nein, es ist ganz nah!"Ahun sagte: "In welcher Richtung ist es denn ?" Die Leute sagten: "Es ist in dieser Richtung!" Ahun ließ sich hinführen. Sie kamen an den Ort. Zur Linken
war der schlechte, zur Rechten der bessere Jams aufgestapelt. Die Leute sagten: "Hier sind die zwei Haufen Jams. Nun wähle einen!" Ahun sagte: "Wie soll ich wählen. Ich kann vor weinen nichts sehen. Es ist ja ganz gleich. Gebt mir nur den rechten Haufen." So bekam Ahun den guten Jams. Dann ließ er sich wieder nach Hause führen.Die Leute brachten Ahun heim. Die Leute fragten Ahun: "Der Osi begräbt deine Tochter. Willst du nicht hingehen und deine Tochter begrüßen?" Ahun sagte: "Ich muß weinen, weil meine Tochter getötet ist. Ich kann vor Weinen nicht sehen. Ich werde meine Tochter nicht sehen können. Aber führt mich hin!" Die Leute führten Ahun zum Hause des Osi. Der Osi ließ ihm Palmwein vorsetzen. Ahun trank. Ahun trank. Ahun wurde betrunken. Als Ahun betrunken war, sah er die Leiche seiner Tochter. Da mußte er (wirklich) weinen und sagte zu einem Manne: "Ich habe oft mit ihr geschlafen. Es war meine gute (so viel wie süße) Frau." Der Mann ging hin und sagte dem Osi: "Ahun ist betrunken. Er hat gesagt, er habe oft mit seiner Tochter geschlafen." Der Osi sagte: "Laß ihn jetzt. Bringe ihn mir morgen früh!"
Am andern Morgen ließ Osi Ahun holen. Er sagte zu ihm: "Du hast vorher mit deiner Tochter geschlafen und mich betrogen. Ich werde dich töten." Ahun warf sich hin und sagte: "Mein Herr, mein Herr, vergib mir!" Der König sagte: "Ich werde dich vom Berge herunterstürzen lassen." Ahun sagte: "So sorge, daß ich schnell sterbe. Der Stein ist mein Freund. Der wird mich nur langsam sterben lassen. Der Sand ist mein Feind. Der wird mich schnell töten." Sie warfen Ahun in den Sand. Ahun grub sich schnell ein und war entschlüpft.
43. Ahun als DiebEs war eine sehr große Hungersnot. Niemand hatte recht zu essen. ile Leute hungerten. Ahun lief umher. Ahun kam an einen Garten (Ogba; von der Farm dadurch ausgezeichnet, daß er umzäunt ist). Ahun lugte durch die Gitterstäbe. Ahun griff mit der Hand hindurch, pflückte einiges und zog es heraus. Damit lief er heim. Am andern Tage lief er wieder zum Gitter, pflückte einiges und zog es heraus. Damit lief er heim. Jeden Tag ging er zu dem Garten und stahl.
Eines Tages ging der Mann (Besitzer) in den Garten und sagte: "Ah! Stiehlt mir da nicht immer einer eines aus meinem Garten?
Soll ich den nicht fangen können ?" Dann versteckte sich der Mann mit einer Ida hinter dem Gartenzaun. Als nun Ahun wiederkam und seine Hand durch den Zaun steckte, schlug er zu und trennte einen Finger von Ahuns Hand. Der Mann ging zum Osi und sagte: "Ein Dieb hat immer aus meinem Garten gestohlen. Ich habe ihm einen Finger der rechten Hand abgeschlagen." Der König sagte: "Den werden wir schon finden."Der Osi sagte: "Alle Leute sollen zusammenkommen. Zu einem großen Tanzfest. Meine Leute sollen dann sehen, wem an der rechten Hand ein Finger abgeschlagen ist." Die Leute des Osi gingen in der Stadt umher und riefen alle zusammen zu dem Tanzfeste. Alle gingen zu dem Tanzfeste. Auch Ahun ging zu dem Tanzfeste. Er hatte aber die rechte Hand in eine Kalebasse gesteckt, schlug mit der linken darauf und sang immer: "Nur wer den Jams selbst baut, kann wissen, was sein Jams (Idju) kostet." (Weil er allein weiß, wieviel er daran gearbeitet hat). Ahun ging mit der Hand in der Kalebasse umher und sang. Niemand sah, daß ihm ein Finger abgeschlagen war.
Der Osi sagte: "Alle Leute sollen noch einmal zu einem großen Tanzfest zusammenkommen. Diesmal sollen alle ganz genau untersucht werden." Die Leute des Osi gingen in der Stadt umher und riefen alle zusammen zum Tanzfeste. Alle gingen zu dem Feste. Auch Ahun ging zu dem Tanzfeste. Er hatte wieder die rechte Hand in eine Kalebasse gesteckt, schlug mit der linken darauf und sang immer: "Nur wer den Jams selbst baut, kann wissen, was sein Jams kostet." Ahun ging mit der Hand in der Kalebasse umher und sang. Als er mehrmals umhergegangen war, kamen die Leute des Osi auf ihn zu und sagten: "Zieh doch einmal deine Hand aus der Kalebasse." Ahun sagte: "Nein, das will ich nicht." Die Leute sagten: "Wir wollen aber!" Ahun sagte: "Nein, ich will nicht!"Da zogen die Leute ihm die Hand heraus. Sie sagten: "Da seht hin! Ein Finger von seiner rechten Hand ist abgeschlagen. Sie brachten darauf Ahun zum Osi und sagten: "Hier ist der Gartendieb." Der Osi sagte: "Tötet ihn!" Man tötete Ahun.
44. Ahun (Schildkröte) und PalmbaumEs war eine Zeit, in der niemand etwas Rechtes zu essen hatte, denn es gab nicht viel. Da kam eines Tages ein Palmbaum auf den Markt gegangen. Als die Leute aber erschrocken aufblickten und aufsprangen, fiel der Palmbaum der Länge nach hin. Da ließen
alle Leute ihre Körbe stehen und liefen so schnell als möglich von dannen.Dieser Palmbaum war aber hohl und in seiner Höhlung war Ahun. Als die Leute nun alle weggelaufen waren, kam Ahun aus seinem hohlen Palmbaum heraus und fraß von allen den Sachen, die die fortgelaufenen Leute hatten stehen lassen. Einiges packte er auch noch in einen Sack und dann ging er in die Höhlung seines Palmbaumes zurück. Kaum war Ahun aber wieder in seinen Palmbaum, da stand der auf und ging wieder fort in den Busch. Die Leute kamen zu ihren Körben zurück und sagten: "Wer hat wohl inzwischen von unserem Brei gegessen? Sicher hat einer davon gegessen. Und hat der nicht einen guten Appetit gehabt? Sicher hat er einen guten Hunger gehabt!"
Als es wieder Markt war und alle Leute mit ihren Körben und Speisen gekommen waren und sie hingestellt hatten, kam der Palmbaum wieder an. Er schlug wieder hin, Ahun kam aus der Höhle, sobald die Leute weggelaufen waren, und fraß sich satt und packte auch noch gründlich in seinen Beutel. Dann ging er in der Höhlung des Palmbaums wieder fort. Als die Leute nun zurückkamen und sahen, daß wieder soviel von ihren Speisen fehlte, da liefen sie zum Osi und erzählten ihm, daß der Palmbaum immer auf ihren Markt komme und dann ihre Speisen weggenommen würden. Der Osi sagte: "Das werden wir schon machen."
Als es wieder Markt war, ging der König zeitig auf den Platz und versteckte sich. Nach einiger Zeit kam dann der Palmbaum. Alle Leute sprangen auf. Der Palmbaum schlug hin. Die Leute liefen fort. Ahun kam aus der Höhlung des Palmbaums heraus und begann zwischen den Körben hinzugehen, überall essend und einsteckend. Als er nun aber in die Nähe des versteckten Osi kam, sprang der hervor, fing Ahun und sagte: "Du also bist es, der meinen Leuten immer den Brei wegißt!" Dann rief er alle Leute zusammen und sagte: "Seht, das und kein anderer ist der Dieb eueres Breies."
Darauf fielen die Leute über Ahun her und töteten ihn. Seitdem ging aber der Palmbaum nie wieder auf den Markt.
45. Der Elefant als Opfer auf dem KönigsgrabOba (Herr, Fürst) von Odjege war der Herr einer sehr wohlhabenden und guten Stadt. In der Stadt waren alle Leute reich. Jeder Mann, jede Frau, jeder Bursche, jedes Mädchen, jedes Kind hatte Geld. Der Oba wurde sehr alt. Er wurde sehr, sehr alt. Sie setzten
ihn zuletzt in die Sonne. Denn er fror immer, so alt war er. Endlich starb der Oba. Die Leute kamen zusammen. Die Leute sagten: "Dieser Oba war so gut, daß wir auf seinem Grabe einen Elefanten schlachten müssen!" Alle Leute kamen zusammen. Alle Leute sagten: "Ja, dieser Oba war so gut, daß wir auf seinem Grabe einen Elefanten schlachten müssen! Wir wollen in den Busch schicken und einen Elefanten fangen lassen."Es wurden zwanzig gute Jäger ausgewählt, die gingen in den Wald und suchten einen Elefanten zu fangen. Sie blieben tagelang im Walde, dann kehrten sie unverrichteter Sache zurück. —Es wurden andere. zwanzig gute Jäger ausgewählt, die gingen in den Wald und suchten einen Elefanten zu fangen. Sie blieben neun Tage im Walde, dann kehrten sie unverrichteter Sache zurück. — Es wurden fünfundzwanzig alte Jäger ausgewählt, die gingen in den Wald und suchten einen Elefanten zu fangen. Sie blieben sieben Tage im Walde, dann kehrten sie unverrichteter Sache zurück. — Es wurden dreizehn Sklaven ausgesandt, die gingen in den Wald und suchten einen Elefanten zu fangen. Sie blieben neun Tage im Walde, dann kehrten sie unverrichteter Sache zurück. — Es wurden sechs alte erfahrene Männer in den Wald gesandt, um einen Elefanten zu fangen. Sie bemühten sich vier Tage, dann kehrten sie unverrichteter Sache zurück.
Die Leute von Odjege wurden traurig. Ahun kam vorbei. Er fragte: "Was ist euch? Ihr seid ja so traurig!" Die Leute von Odjege sagten: "Unser ausgezeichneter alter Oba ist gestorben. Wir haben versprochen, einen lebenden Elefanten auf seinem Grabe zu opfern, denn er hat jeden Mann in dieser Stadt wohlhabend gemacht. Wir haben die besten Jäger, die geschicktesten Leute ausgesandt, einen Elefanten lebend zu fangen. Es ist aber nicht gelungen. Wir wissen nun nicht, wie wir unser Versprechen erfüllen sollen!"Ahun sagte: "Was? Ihr alle, die ihr so viele Pfeile habt, ihr solltet nicht imstande sein, einen Elefanten zu fangen, was bei uns alle Leute können?" Die Leute sagten: "Nein, wir können das nicht."Ahun sagte: "Gut, so will ich das euch sogleich vormachen. Es ist keine große Sache!"
Ahun sagte dann: "Macht hier unter der Veranda des Osi-Hauses eine Grube! Macht sie zwölf Fuß tief; macht sie zwölf Fuß lang; macht sie zwölf Fuß breit! Bringt alle Erde aus der Stadt, so daß man keine Unreinlichkeit sieht. Dann deckt die Grube mit einer feinen Matte zu, die für einen Oba gut ist." Die Leute sagten: "Es ist gut. Das werden wir machen." Die Leute bauten die Grube. Sie
trugen alle Erde fort. Sie breiteten eine Matte darüber aus. Ahun sagte: "Nun bereitet mir viel guten Eko! Macht den besten Eko! Macht so viel, als zehn Männer tragen können. Gebt mir zehn Männer, die den Eko tragen; dann gebt mir drei sehr gute Trommeln!" Die Leute sagten: "Wir wollen den Eko machen. Wir wollen dir die Trommeln und die zehn Mann geben!" Die Leute machten den besten Eko. Sie machten zehn große Körbe voll Eko.Dann ging Ahun mit den Leuten, die den Eko trugen, und mit drei Trommeln in den Busch. Im Busche ging er an einen Platz, an dem sich ein alter Elefant aufhielt. Als er in einiger Entfernung von dem Elefanten angelangt war, warf er sich grüßend vor ihm nieder und bedeckte das Gesicht mit den Händen. (Also begrüßte er ihn wie einen Fürsten oder Orischa.) Ahun sagte: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Mögest du lange leben, mein Herr! Wie geht es dir, mein Herr?" Der Elefant sah Ahun. Der Elefant sah die Trommler. Der Elefant sah die Träger mit den Speiselasten. Der Elefant hörte Ahun und sagte: "Was soll das alles bedeuten?"
Ahun warf sich wieder vor ihm nieder und sagte dann: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Du sollst unser aller Herr werden! Der Oba von Odjege ist gestorben. Es war ein sehr großer Oba. Er war ein sehr guter Oba. Er hatte alle Leute in der Stadt reich gemacht. Wir haben einen gleichen Oba in der Stadt gesucht. Keiner ist in der Stadt so gut und so mächtig. Wir haben nachgedacht, wer wohl sonst in der Stadt ein gleich guter Oba sein könne. Wir haben beschlossen, dich zu bitten, unser Oba zu sein. Wir haben dich tagelang gesucht. Nun haben wir dich gefunden. Nun bitten wir dich: Komm und sei unser Oba! Mein Herr! Mögest du lange leben, mein Herr!" Der Elefant sah Ahun. Der Elefant hörte Ahun. Der Elefant sagte: "Du lügst!"
Ahun warf sich vor dem Elefanten wieder nieder und sagte: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Die Stadt sendet dir als ersten Gruß zehn Körbe voll Eko. Verzehre sie in guter Gesundheit, mein Herr!" Der Elefant sah den Eko. Die zehn Leute stellten den Eko vor ihm nieder. Der Elefant nahm den ersten Korb, führte den Eko zum Munde und fraß ihn samt den Korb auf. Ahun klatschte in die Hände und sang: "Unser großer Oba ißt! Unser Herr ißt! Mögest du lange leben, unser Herr!" Die Trommler trommelten. Die Leute sangen: "Unser großer Oba ißt. Unser Herr ißt. Mögest du lange leben, unser Herr!" Der Elefant nahm einen zweiten Korb und fraß ihn mit dem Eko auf. Er nahm einen dritten Korb und fraß ihn mit dem Eko auf. Die
Trommler trommelten, Ahun und die Leute sangen, der Elefant aß alles Eko mitsamt den Körben auf (Körbe =Agban).Als der Elefant alles aufgegessen hatte, begann Ahun vor dem Elefanten her zu tanzen. Er tanzte nach der Stadt zu. Die Trommler trommelten und folgen ihm. Ahun und die Leute sangen: "Erri geht in sein Haus in Odjege. Erri (der Elefant), der neue Oba von Odjege, kommt. Erri, unser Herr! Der neue König von Odjege kommt!" Ahun tanzte voraus. Die Trommler trommelten und gingen hinter ihm. Ahun und die Leute sangen. Der Elefant begann (nach Elefantenart) hin und her zu schwanken und tanzend (schaukelnd) Ahun und den Trommiern zu folgen.
Sie kamen an die Stadt. Sie kamen an das Stadttor. Sie kamen in die Stadt. Ahun tanzte voran und sang: "Erri geht in sein Haus in Odjege. Erri, der neue Oba von Odjege, kommt. Erri, unser Herr! Der neue König von Odjege kommt!" Ahun tanzte voran. Die Trommler trommelten und gingen hinter ihm. Ahun und die Leute sangen. Der Elefant tanzte gehend. Er ging tanzend durch das Tor in die Stadt. — Alle Leute von Odjege jubelten und sangen: "Erri geht in sein Haus in Odjege. Erri, der neue Oba von Odjege, kommt. Erri, unser Herr! Der neue König von Odjege kommt!"Alle Leute liefen hinter Erri her und sangen.
Ahun ging auf das Haus zu, in dem die Grube gemacht war. Alles sang, trommelte und schrie. Der Elefant tanzte hinter her. Ahun warf sich neben der Matte, die über die Grube ausgebreitet war, auf die Erde und begrüßte den Erri und sagte: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Unser Oba! Setze dich hier auf diese Matte nieder. Es ist die Matte des Königs. Wir wollen dich als König begrüßen!"Der Elefant ging über den Rand der Grube. Die Matte zerriß. Der Elefant stürzte in die Grube. Ahun sagte zu den Alten von Odjege: "Hier ist euer Elefant!"
Die Leute von Odjege schlachteten den Elefanten. Sie gossen sein Blut auf das Grab des verstorbenen Oba. Am andern Tage rief Ahun alle Leute von Odjege zusammen und sagte zu ihnen: "Ihr sucht einen neuen Oba! Sucht den neuen Oba nicht unter den besonders großen und starken Leuten. Wenn der Mann einen klugen Kopf hat, ist er der beste Oba." Die Leute von Odjege dankten Ahun für den Elefanten. Sie schenkten ihm einen Rock, der nie alt wird und noch gut ist, wenn der Mann, der ihn sein ganzes Leben lang getragen hat, stirbt. Deshalb bleibt nach Ahuns Tode immer die Schale übrig.
46. Tag und NachtEine alte Frau hatte drei Kinder. Alle drei Kinder waren Mädchen. Die Mädchen waren sehr schön. Viele Männer kamen und wollten die Mädchen zur Frau haben. Die Mutter gab sie niemandem. Der Osi sagte: "Ich will Odedere Mamiu, Odedere Osuli und Ogdiba Ossosi (die Namen der drei Mädchen) zur Frau haben!" Die Mutter sagte: "Ich gebe diese drei Mädchen niemandem zur Frau." Die drei Mädchen hatten noch keine Männer kennen gelernt.
Eines Tages kamen die drei Mädchen zur Mutter und sagten: "Wir möchten gerne zum Markt gehen." Die Mutter sagte: "Das taugt nichts. Bleibt daheim!" Die drei Mädchen sagten: "Laß uns zum Markt gehen!" Die Mutter sagte: "Das taugt nichts. Bleibt daheim!" Die Mädchen sagten untereinander: "Wir müssen einmal auf den Markt gehen." Nachher gingen sie auf den Markt, ohne daß die Mutter es merkte. Ahun sah die drei Mädchen auf dem Markte. Er lief zum Osi und sagte: "Die drei Mädchen, die du gerne besitzen möchtest, sind auf dem Markte." Ahun war der Sklave des Osi. Der Osi (König) sagte zu Ahun: "Geh hin und bringe sie mir." Ahun ging auf den Markt. Er sah die drei Mädchen und sagte zu ihnen: "Kommt mit, der Osi will euch sprechen." Die Mädchen gingen mit Ahun zu dem Osi. Der Osi fragte sie: "Wollt ihr mit mir schlafen?" Die Mädchen sagten: "Nein, wir wollen dich nicht heiraten." Der Osi fragte: "Wollt ihr mit mir schlafen?" Die Mädchen sagten: "Nein, wir wollen dich nicht heiraten." Darauf ließ der Osi sie alle drei töten.
Als es Abend ward, suchte die Mutter ihre Töchter. Sie fragte jeden, der vom Markte kam: "Hast du meine Töchter nicht gesehen ?"Jeder sagte: "Ich weiß nicht, wo deine Töchter geblieben sind." Die Frau hatte zweihunderteine Ado (Ogukalebassen). Sie nahm die zweihunderteine Ado. Sie ging hinaus. Es waren tausend Menschen da. Die alte Frau sagte: "Odedere Mamiu, Odedere Osuli, Ogdiba Ossosi! Wer hat sie gesehen? Wo seid ihr hingekommen ?" Die tausend Menschen sagten: "Der Osi hat sie alle drei getötet."Die alte Frau nahm eine Ado, schlug sie auf die Erde, daß sie zersprang, und rief: "Mögen alle diese tausend Menschen sterben!"Die tausend Menschen starben. Die alte Frau ging zu den Bode (Wachmannschaft der Tore) der Königsstadt. Sie zerschlug eine Ado und rief: "Mögen alle Wächter sterben!" Darauf starben alle Wächter. Die Frau ging auf den Markt, zerschlug eine Ado und rief: "Mögen alle
Menschen hier sterben!" Darauf starben alle. Die Frau ging in den Königspalast, zerschlug eine Ado auf dem Boden und rief: "Mögen alle Menschen hier sterben!"Darauf starben alle Menschen und auch der Osi selbst.Zuletzt war nur noch eine alte Frau am Leben. Diese alte Frau hatte die gleichen Ogu, wie die Mutter der drei Mädchen. Die Mutter der Mädchen konnte die andere Frau nicht töten. Wenn die eine alte Frau eine Ado (Kalebasse) zertrümmerte, ward alles hell. Wenn die andere eine Ado zertrümmerte, ward es dunkel. Sie zerwarfen abwechselnd alle ihre Adokalebassen. Als sie alle zerworfen hatten, verwandelten sie sich in zwei Sträucher im Busche.
Seit damals gibt es aber Tag und Nacht.
47. Ahun und der SchädelEs gab kein Essen. Es gab kein Essen im Himmel und keines auf der Erde. Alle Leute hungerten. Die Männer hatten besonders Hunger, denn keiner gab ihnen. Wenn eine Frau umherzog und bettelte, erhielt sie leichter Geld und Essen. Einem Manne gab man nichts. Ahun hatte Hunger. Die Frau Ahuns hatte eine Ziege. Es war eine ausgezeichnete Ziege. Die Ziege warf immer vier Junge. Die Ziege hatte damals gerade vier Junge. Ahun hatte Hunger. Er sah die Ziege. Er sah die vier Jungen der Ziege. Ahun hatte Lust, sie zu verspeisen.
Ahun ging zu einem Babalawo. Ahun sagte zu dem Babalawo: "Wenn meine Frau nachher zu dir kommt und dich fragt, so sage ihr, daß ich sehr krank sei." Der Babalawo sagte: "Es ist gut!"Ahun ging nach Hause. Ahun legte sich an das Feuer und sagte zu seiner Frau: "Geh doch einmal zu dem Babalawo und frage meinetwegen!"Die Frau sagte: "Ich sehe, du bist krank; ich werde sogleich zum Baba. lawo gehen." Ahun lag am Feuer. Die Frau ging zum Babalawo. Sie fragte den Babalawo: "Was ist mit meinem Manne?"Der Babalawo sagte: "Dein Mann ist recht krank!" Die Frau sagte: "Was kann ich für meinen Mann tun?" Der Babalawo sagte: "Bringe deinen Mann mit der alten Ziege und den vier Jungen in den Busch. Dein Mann soll mit der alten Ziege und den vier Jungen im Busche bleiben. Dein Mann soll die alte Ziege und die vier Jungen ganz allein im Busche essen; dann wird er wieder gesund werden!"Die Frau Ahuns sagte: "Es ist gut!"Sie ging nach Hause. Ahun lag am Feuer. Ahun fragte: "Was ist?" Ahuns Frau sagte: "Du sollst mit der alten Ziege und den vier Jungen in den Busch gehen und sie dort ganz
allein aufessen." Ahun sagte: "Nein, das will ich nicht. Diese alte Ziege ist eine sehr gute Ziege. Sie hat immer vier Junge geworfen. Es ist besser, ich sterbe. Die Ziege soll leben bleiben!" Die Frau sagte: "Du sollst die alte Ziege und ihre vier Jungen essen. Ich bekomme schon anderweitig für uns etwas nachher." Ahun sagte: "Glaubst du denn, daß es nützen wird? Sonst wollen wir es nicht tun." Die Frau sagte: "Der Babalawo hat es gesagt. Wir wollen es tun."Ahun ging mit der alten Ziege und den vier Jungen in den Busch. Im Busche schlachtete er die Ziegen, machte Feuer und begann sie zu kochen. Als das Fleisch auf dem großen Feuer kochte, ging Ahun derweilen umher und suchte Irre (anscheinend Maulwurfsgrillen oder irgendeine Larve, die von den Kindern viel aufgelesen, aus dem Boden aufgepickt und gerne gegessen wird). Ahun ging umher und suchte Irre, um sie auszugraben und zu verzehren. Als er so die Erde aufkratzte, kam er an den Schädel eines Verstorbenen.
Der Schädel sagte: "Nimm mich auf und heraus!" Ahun sagte: "Ah! ich mag dich aber nicht herausnehmen!" Der Schädel sagte: "Wenn du mich nicht nimmst, sollst du sterben!"Sogleich starb Ahun! Als Ahun ein wenig tot dagelegen hatte, sagte der Schädel: "Nun wache wieder auf!" Ahun erhob sich. Der Schädel sagte: "Wirst du mich nun auf- und herausnehmen ?" Ahun nahm ihn auf und aus seiner Grube. Der Schädel sagte: "Nun gib mir von deinem guten Essen!" Ahun sagte: "Ich mag dir aber nichts abgeben!" Der Schädel sagte: "Wenn du mir nichts von deinem Essen gibst, sollst du sterben!"Sogleich starb Ahun. Als Ahun ein wenig tot dagelegen hatte, sagte der Schädel: "Nun wache wieder auf! "Ahun erhob sich. Der Schädel sagte: "Wirst du mir jetzt von deinem guten Essen abgeben?" Ahun gab ihm. Der Schädel aß es. Der Schädel sagte: "Gib mir mehr." Der Schädel aß es. Der Schädel sagte: "Gib mir mehr." Ahun gab ihm. Der Schädel aß es. Der Schädel aß ein Stück nach dem andern. Der Schädel aß den ganzen Brei und die alte und die vier jungen Ziegen auf. Es blieb für Ahun nichts übrig. Ahun sah es und hatte großen Hunger.
Als der Schädel alles gegessen hatte, sagte er: "Nun lege mich wieder hin!" Ahun sagte: "Nun hast du soviel gegessen von meinen Ziegen, daß du auch ein wenig die Stadt sehen mußt!" Der Schädel sagte: "Es soll mir recht sein! Wie du willst!" Ahun nahm den Schädel und ging mit ihm auf die Stadt zu. Als Ahun in die Stadt kam, sagte der Schädel: "Nun sage den Leuten, daß viel Aufregung
kommt!" Ahun sagte: "Das mag ich nicht sagen!"Der Schädel sagte: "Wenn du das nicht sagst, mußt du sterben!"Ahun starb. Als Ahun eine Zeitlang tot dagelegen hatte, sagte der Schädel: "Nun wache wieder auf!" Ahun erhob sich. Der Schädel sagte: "Wirst du jetzt den Leuten sagen, daß viel Aufregung kommt?"Ahun sagte: "Ich bringe große Aufregung!" Als die Leute das hörten, sagten sie: "Wenn du viel Aufregung bringst, so geh nur gleich wieder zurück!" Der Schädel sagte: "Wenn die Leute so etwas sagen, sollen sie sogleich alle sterben!" Darauf starben alle Leute der Stadt.Als alle Leute nun eine Zeitlang tot dagelegen hatten, sagte der Schädel: "Nun wacht wieder auf!" Darauf erhoben sich alle Leute. Der Schädel sagte: "Ich bringe euch viel Aufregung. Bringt mir zunächst einmal eine Matte, daß ich mich darauf niederlegen kann!" Die Leute brachten eine Matte. Der Schädel legte sich darauf. Der Schädel sagte: "Ich habe Hunger. Ich habe Durst!" Es gab kein Essen. Es gab kein Essen im Himmel und keins auf der Erde. Alle Leute hungerten. Der Schädel hatte aber Hunger. Der Schädel hatte Durst. Da kauften die Leute viel Essen. Da kauften die Leute viel Palmwein. Sie brachten dem Schädel viel zu essen und viel Palmwein.
Der Schädel aß. Der Schädel trank. Der Schädel ward betrunken. Dann schlief der Schädel ein. Als der betrunkene Schädel eingeschlafen war, gingen alle Leute aus dem Gehöfte. Die Leute schlossen das Haus. Die Leute zündeten Feuer an. Die Leute zündeten das Gehöft an. Das Gehöft brannte. Als alles brannte, gebar der Schädel in den Flammen Kinder. Alles brannte ab.
Als alles abgebrannt war, sagte Ahun: "Ich muß einmal sehen, was übriggeblieben ist. Ich will in die Asche sehen." Er strich mit seinem Stabe durch die Asche. Die Asche wirbelte auf und ihm in die Nase. Seitdem kann Ahun nur noch durch die Nase sprechen. Der Name des Schädels ist Irri-bigbe (Kopftrockner).
48. Ode (Papagei) und Olorun (Gott)Ode (der Papagei) sagte zu Olorun(Gott): "Wenn ich mein Haus baue, werde ich es schöner bauen als deines." —Olorun baute ein Haus. Sein Haus war aus Kaurimuscheln (Joruba =Uwejo; Haussa =Ferrinkudi; Nupe Uwowara). Das Haus war sehr schön. Ode sah das Haus. Ode sagte "Gut, nun will ich auch mein Haus bauen." Ode begann sein Haus zu bauen. Ode baute sein Haus aus roten Schwanzfedern. Das Haus war sehr schön. Alle Leute
gingen hin, um Odes Haus zu sehen. Die Leute sagten zu Olorun: "Odes Haus ist schöner als deines!"Darüber wurde Olorun böse. Er sagte zu seinen Leuten: "Ich will Odes Haus zerstören. Tragt Odes Haus fort, wenn er einmal weggegangen ist."Einige Leute sagten das Ode. Ode sagte: "Ich werde sehen." Ode nahm einen großen Topf. In den Topf tat er Agbo (Ogun = Medizin). Daneben legte er einen Staubbesen. Ode holte Oquollo (den Frosch). Er setzte Oquollo in sein Haus. Ode machte aus einer Fere (Baumfrucht) eine Flöte, die gab er Oquollo. Er sagte: "Wenn ich weggehe, hüte mein Haus. Wenn Leute kommen, um mein Haus wegzutragen, so pfeife auf der Fere und ich werde sogleich kommen."
Ode ging zum Essen in den Busch. Man sagte es Olorun. Olorun sandte viele Leute, um Odes Haus wegzunehmen. Die Leute kamen zu Odes Haus. Oquollo sah sie kommen. Oquollo begann sogleich auf seiner Fere zu blasen. Ode hörte es. Ode kam herbei. Er steckte den Binsenbesen in den Topf mit Agbo. Er spritzte ihn nach rechts auf die Leute aus. Da starben viele. Er steckte den Binsenbesen wieder in den Topf mit Agbo. Er spritzte ihn nach links auf die Leute aus. Da starben auch die auf dieser Seite. So tötete Ode zweihundert Leute.
Ahun ging zu Olorun und sagte: "Wenn du Odes Haus erhalten willst, kann ich dir helfen." Olorun sagte: "Es ist gut; ich werde dir Leute mitgeben." Ahun ging mit vielen Leuten Oloruns zu Odes Haus. Ahun nahm Bohnenmehl und Öl mit sich. Ahun versteckte die Leute in der Nähe von Odes Haus. Ahun ging in das Haus Odes. Er traf Oquollo. Er sagte zu Oquollo: "Wir wollen Freundschaft machen."Oquollo sagte: "Es ist mir recht." Ahun sagte zu Oquollo: "Bringe mir ein wenig Wasser zum Trinken vom Flusse herauf!" Oquollo ging.
Als Oquollo gegangen war, schüttete Ahun Bohnenmehl und Öl in Oquollos Ferepfeife. Dann rief er die Leute Oloruns. Die Leute sollten das Haus nehmen. Oquollo kam zurück. Oquollo sah die Leute kommen. Oquollo ergriff seine Fereflöte und wollte pfeifen. Die Ferepfeife war voll Bohnenmehl und Öl. Er konnte keinen Ton hervorbringen. Oloruns Leute kamen ganz dicht heran. Ein Vogel sang auf einem Baume, nahe dem Hause Odes. Er sang: "Oquollo, drehe die Fere um und klopfe gegen sie, dann fällt das Bohnenmehl und Öl heraus."Oquollo drehte die Fere um und klopfte dagegen. Das Bohnenmehl und Öl fiel heraus. Oquollo setzte die Pfeife an den
Mund. Er blies. Ode hörte es. Ode kam. Ode sah Oloruns Leute. Er steckte den Binsenbesen in den Topf mit Agbo. Er spritzte ihn nach rechts gegen die Leute aus; da starben viele. Er steckte den Binsenbesen wieder in den Topf mit Agbo. Er spritzte ihn nach links auf die Leute aus. Da starben auch die Leute auf dieser Seite. Nur Ahun versteckte sich und lief dann fort. Alle andern starben.Ahun kam zu Olorun und sagte: "Gib mir noch einmal Leute. Dieses Mal bringe ich dir das Haus Odes. Olorun gab Ahun vierzig Leute. Ahun steckte Gummi (Joruba ate; Haussa =danku; Nupe =ete) zu sich. Er versteckte die Leute in der Nähe von Odes Haus. Er ging hinein. Er traf Oquollo. Er sagte zu Oquollo: "Ich habe Schlechtes getan. Ich komme, um dir zu sagen, daß ich es nicht wieder tun will. Wir wollen Freundschaft machen."Oquollo sagte: "Es ist gut!"Ahun sagte: "Bringe mir doch ein wenig Korn!" Oquollo ging fort, um ein wenig Korn zu bringen. Als Oquollo fort war, füllte Ahun die Ferefrucht mit Gummi. Dann rief er Oloruns Leute. Oloruns Leute kamen. Oquollo kam und sah Oloruns Leute. Oquollo ergriff die Fer~pfeife und wollte blasen. Sie war mit Gummi gefüllt. Er drehte sie um und wollte sie ausklopfen. Es fiel nichts heraus. Die Leute Oloruns kamen heran. Oquollo schlug stärker auf die Ferefrucht. Die Ferepfeife zerbrach. Die Leute Oloruns nahmen das Haus und trugen das Haus fort.
Ode kam zurück. Er sah, daß sein Haus fort war. Er fragte Oquollo: "Weshalb hast du mich nicht gerufen?"Oquollo sagte: "Meine Ferepfeife zerbrach." Ode schlug mit dem Besen nach Oquollo. Daher hat er die narbige Haut bekommen. Seitdem aber fliegt Ode umher und lernt jede Sprache sprechen.
49. Orisa gibt Ahun die KalebasseAhun (die Schildkröte) hatte keine Egba-momi (Trinkkalebasse) wie die Jäger und andern Leute. Ahun ging auf den Markt und sah sich nach einer Kalebasse um. Er fand aber keine Kalebasse. Ahun ging zu Orisa. Orisa fragte ihn: "Was willst du?"Ahun sagte: "Ich bin überall herumgegangen und habe mich umgesehen, ob ich keine Trinkkalebasse kaufen kann. Der Jäger und alle Leute haben eine Trinkkalebasse. Ich habe keine Trinkkalebasse und weiß auch nicht, wie ich sie gewinnen kann. Auf dem Markte gibt es auch keine zu kaufen." Orisa sagte: "Was willst du ?"Ahun sagte: "Ich möchte dich um eine Trinkkalebasse bitten!" Orisa sagte: "Ich will deinem Wunsche nachkommen. Nimm diesen Kürbis (=Kalebassen-)
samen. Pflanze ihn. Du wirst einen sehr schönen Kürbis haben. Vergiß aber eins nicht: Wenn die Pflanze in deiner Farm aufgeht, darfst du nie mit ihr sprechen. Von euch beiden darf keiner antworten, sonst ist es schlecht. Merke dir das!" Orisa gab Ahun den Samen. Ahun nahm ihn und sagte: "Ich werde nicht vergessen, was du mir sagtest. Das ist sehr gut für mich."Ahun pflanzte den Kürbissamen in seiner Farm. Ahun ging jeden Tag hin und sah nach den Samen. Der Same keimte. Ahun ging hin, sah nach dem Samen und sagte: "Samen, keimst du?" Der Kürbiskeim sagte: "Du keimst auch." — Der Keim zeigte zwei Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Du wächst mit zwei Blättern." Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du wächst auch mit zwei Blättern." — Die Pflanze bekam nach einiger Zeit vier Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du hast schon vier Blätter!"Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du hast auch vier Blätter!" —Die Pflanze bekam mit der Zeit viele Blätter. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du bekommst viele Blätter!" Die Kürbispflanze sagte: "Mein Ahun, du bekommst auch viele Blätter." — Die Kürbispflanze wuchs nach verschiedenen Seiten. Ahun kam hin, sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du wächst rund herum." —Die Kürbispflanze sagte: "Du wächst auch rund herum." Die Kürbispflanze setzte endlich eine Frucht an. Ahun ging hin. Er sah es und sagte: "Meine Kürbispflanze, du setzt eine kleine Frucht an." Die Kürbispflanze sagte: "Du setzt auch eine kleine Frucht an." — Der Kürbis wurde groß. Ahun ging hin. Ahun sah es. Ahun sagte: "Mein Kürbis, du wirst schon groß." Der Kürbis sagte: "Mein Ahun, du wirst auch schon groß." — Der Kürbis wurde reif. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Mein Kürbis, du bist bald reif, gepflückt zu werden." Der Kürbis sagte: "Du bist auch reif, gepflückt zu werden." — Der Kürbis bekam eine harte Schale. Ahun ging hin, sah es und sagte: "Du scheinst hart." Ahun faßte den Kürbis an, drückte den Fingernagel hinein. Der Kürbis sagte: "Du scheinst auch hart." Der Kürbis drückte Ahun mit dem Fingernagel. —Der Kürbis ward reif und hart.
Ahun ging hin und sah, daß der Kürbis reif war und hart. Ahun nahm ein Messer. Ahun sagte: "Mein Kürbis, jetzt werde ich dich abschneiden!" Der Kürbis sagte: "Mein Ahun, ich werde dich auch abschneiden!" Ahun sagte: "Ich schneide." Ahun schnitt den Kürbis ab. Der abgeschnittene Kürbis sagte: "Ich schneide." Der abgeschnittene Kürbis sprang auf und auf Ahun zu. Ahun wandte sich
um und lief fort. Ahun rief: "Der Kürbis jagt mich fort. Der Kürbis hat keine Hände. Der Kürbis hat keine Füße zum Laufen. Der Kürbis jagt mich fort." Ahun lief sehr schnell von dannen. Der Kürbis rannte sehr schnell hinter ihm her.Ahun lief schnell von dannen. Er kam zu einem Manne. Er sagte zu dem Manne: "Hilf mir! Der Kürbis Orisas ist hinter mir!"Der Mann sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen." —Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis lief hinter ihm her. Ahun kam zum Elefanten (Erri). Ahun sagte zum Elefanten: "Hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!" Der Elefant sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen!" —Ahun lief schnell weiter, der Kürbis lief hinter ihm her. Ahun kam zum Leoparden (Ekun). Ahun sagte zum Leoparden: "Hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!" Der Leopard sagte: "Nein, ich kann dir gegen den Kürbis Orisas nicht helfen!" —Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis Orisas lief hinter ihm her. Ahun kam zum Büffel. Der Büffel wollte ihm nicht helfen. Ahun kam zur großen Antilope. Die große Antilope wollte ihm nicht helfen. Kein Buschtier wollte ihm helfen.
Ahun lief schnell weiter. Der Kürbis Orisas lief hinter ihm her. Ahun kam zu Agbo (Schafbock). Ahun sagte: "Agbo hilf mir, der Kürbis Orisas ist hinter mir!"Agbo sagte: "Komme nur! Verstecke dich hinter mir! Ich will es fertig machen!" Ahun versteckte sich hinter Agbo. Der Kürbis kam herangelaufen. Agbo erwartete ihn. Als der Kürbis sich über Agbo auf Ahun stürzen wollte, packte Agbo ihn mit den Hörnern und zertrümmerte ihn. Der Kürbis Orisas war zertrümmert.
Agbo sagte zu Ahun: "Ich habe für dich den Kürbis zertrümmert. Nun zahle mir!" Ahun sagte: "Ich habe nichts, was ich dir geben könnte. Ich will für dich arbeiten!"Agbo sagte: "Es ist mir recht, Komm und arbeite auf meiner Farm!" Ahun kam mit. Agbo ging mit der Hacke voraus bei der Arbeit. Ahun folgte ihm. Wenn Ahun von der Arbeit aufsah, erblickte er den Hodensack Agbos. Ahun sagte (für sich, aber halblaut): "Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen." Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, daß deine Farm groß ist."Agbo sagte: "Es ist besser, du gehst vor mir und schlägst Gras ab!" Ahun sagte: "Als Orisas Kürbis hinter mir kam, sagtest du, ich solle hinter dich treten. Seitdem fühle ich mich hinter dir so sicher. Laß mich hinter dir!"Agbo sagte: "Es ist gut. Bleib denn hinter mir!"
Ahun blieb hinter Agbo. Ahun ging immer hinter Agbo her. Ahun sah immer Agbos Egban (Skrotum). Ahun sagte (für sich, aber halblaut): "Sieh nur Agbos Hodensack! Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen."Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, wie herrlich dein Guineakorn steht!"Agbo sagte: "Ja, mein Guineakorn steht recht gut!"
Nach einiger Arbeit kamen Agbo und Ahun an die andere Seite der Farm. Sie begannen die Arbeit von neuem zurückkehrend. Ahun ging hinter Agbo her. Ahun sah immer Agbos Hodensack. Ahun sagte (für sich aber haiblaut): "Sieh nur Agbos Hodensack! Agbos Hodensack muß gutes Fleisch haben. Ich möchte Agbos Hodensack wohl abschneiden und essen."Agbo wandte sich um und sagte: "Was sagst du?" Ahun sagte: "Oh, ich sagte nur, wie herrlich dein Hodensack sei. Ich sagte, daß dein Hodensack gutes Fleisch haben müsse. Ich möchte deinen Hodensack wohl abschneiden und essen." Ahun nahm eine Hacke auf, um nach Agbos Hodensack zu schlagen. Agbo hörte, was Ahun sagte. Agbo sah die erhobene Hacke. Agbo sprang auf und lief fort. Agbo lief zu einem Baum mit großen Wurzeln. Agbo wollte unter die Wurzeln kriechen.
Agbo wollte unter die Wurzeln kriechen. Er stieß aber mit den Hörnern an und kam nicht herunter. Ahun griff unter die Wurzeln. Er packte Agbos Bein und zog daran. Ahun wollte Agbo wieder herausziehen. Agbo sagte: "Mein Ahun, weshalb ziehst du an dem Wurzelholz? Mein Bein ist daneben!" Ahun ließ Agbos Fuß frei und packte die Wurzel. Ahun zog und zog. Agbo lief (inzwischen) auf der andern Seite heraus. Ahun sah es, kam auch aus der Höhle unter den Baumwurzeln heraus und versteckte sich hinter dem Baume.
Nach einiger Zeit kam Agbo mit einem Feuerbrande wieder. Er glaubte, daß Ahun in der Höhle unter den Baumwurzeln sei und wollte ihn durch Feuer und Rauch töten. Agbo hielt den Brand unter die Baumwurzeln. Inzwischen nahm Ahun ein Gabelholz. Er kam von hinten auf Agbo zu und drückte den Kopf Agbos mit dem Gabelholze nieder. Ahun drückte Agbos Kopf in den Feuerbrand. Agbos Kopf verkohlte. Agbo war tot.
Ahun nahm den toten Agbo auf. Er trug ihn heim. Er zerlegte ihn. Er gab das Fleisch seiner Frau und sagte: "Tue das Fleisch in einen Topf. Wir wollen es essen." Die Frau tat es. Als der Topf mit dem Fleische auf dem Feuer stand, ging Ahun fort. Ahun ging zu Adja (dem Hunde), der ein Schmied war und bei dem er den Blasebalg
stoßen mußte. Ahun setzte sich bei Adja an das Feuer und stieß den Blasebaig. Ahun sang dazu: "Das Fleisch von Agbo ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht. Das Fleisch von Agbo ist im Topfeauf dem Feuer und gut gekocht!"Adja hörte das. Adja sagte: "Stoße nur weiter. Ich gehe nur ein wenig hinaus. Sieh, daß das Feuer nicht ausgeht."Adja ging hinaus. Ahun stieß den Blasebaig und sang: "Das Fleisch von Agbo ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht! Das Fleisch von Agbo ist im Topf auf dem Feuer und gut gekocht!"Adja ging in Ahuns Haus. Adja sagte zu Ahuns Frau: "Dein Mann sagt mir, Agbos Fleisch sei im Topfe auf deinem Feuer. Es sei jetzt genug gekocht. Du sollst mir den Topf geben."Die Frau Ahuns gab Adja den Topf mit dem Fleische Agbos. Adja nahm den Topf, ging beiseite und fraß alles auf. Dann ging Adja zurück zur Schmiede. In der Schmiede saß Ahun und sang: "Das Fleisch Agbos ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht. Das Fleisch Agbos ist im Topfe auf dem Feuer und gut gekocht!"Adja sagte: "Du stößt den falsch. Singe lieber: Das Fleisch Agbos war im Topfe. Es war gut gekocht. Jetzt ist es zu Ende."
Ahun sprang auf. Ahun ging hinaus. Ahun ging nach Hause zu seiner Frau. Er sagte zu seiner Frau: "Jenibo (das ist der Name der Frau Ahuns)! Wo ist mein Essen?"Jenibo sagte: "Hast du nicht Adja gesandt, es zu holen? Hat nicht Adja den Topf von hier mitgenommen ?"Ahun sagte: "Nein, ich habe Adja nicht gesandt."Dann nahm Ahun eine alte Hacke und ein Stück Eisen. Er brachte sie zu Adja und sagte: "Schmiede mir dieses gut!"Adja nahm das Eisen. Er legte es ins Feuer. Als es glühend war, sprang Ahun auf, riß es aus dem Feuer und brannte damit die Nase Adjas.
Daher ist bis heute die Nase des Hundes schwarz.
50. Ahun wird weiterverkauftEs war kein Essen im Himmel. Es war kein Essen auf der Erde. Kein Mensch hatte etwas zu essen. Alle hungerten. Ahun stand am Boden (das ist heute so viel wie Zollgatter). Orisa kam von seiner Farm. Orisa (Orisa-la) hatte einen ganz langen, dünnen Jamsknollen. Der war länger als ein Mensch. Den benützte Orisa als seinen Stock und er stützte sich darauf. Ahun sah das. Ahun hatte großen Hunger.
Ahun trat an Orisa heran und sagte: "Du hast da einen langen Jams, den du als Stock benützt. Ich habe gar nichts zu essen. Gib mir deinen Jams und benutze mich dann als Stock."Orisa sagte:
"Es ist gut!" Ahun bekam den Jams. Ahun verzehrte den Jams. Orisa nahm Ahun und benutzte Ahun als seinen Stock. Er hielt ihn am Schwanze und setzte den Kopf auf die Erde. Ahun bekam einen heißen Kopf. Ahun wurde sehr übel.Ahun sagte zu Orisa: "Das halte ich doch nicht aus. Mein Kopf schmerzt mich sehr. Es gibt einen Mann, der heißt Frabrecise (von ise = Arbeit und abre = Nägel; weil man von diesem Manne sagt, daß er die Farmarbeit nicht mit einer Hacke, sondern mit den Nägeln verrichtet). Verkaufe mich an diesen Mann, so bleibt dir dein Besitz. Du kannst dir für das Geld einen besseren Stock kaufen und ich kann diese Arbeit leisten." Orisa sagte: "Es ist gut!"
Orisa verkaufte Ahun an Frabrecise. Frabrecise sagte zu Ahun: "Geh und bestelle meine Farm mit deinen Nägeln. Ahun ging hin. Als er ein wenig gekratzt hatte, sah er, daß seine Nägel häßlich und kurz wurden. Da ging er zu Frabrecise und sagte: "Ich sehe, daß ich diese Arbeit nicht recht machen kann. Verkaufe mich doch dahin, wo die Leute immer ihre Lasten tragen, ohne sie abzusetzen. So gewinnst du deine Auslage zurück, kannst dir einen geeigneteren Arbeiter kaufen und ich komme an einen Platz, wo ich wirklich meine Kraft ausnützen kann." Frabrecise sagte: "Es ist gut!"
Ahun ward zu den Leuten gebracht, die ihre Lasten den ganzen Tag tragen, ohne abzusetzen. Diese Leute gaben ihm eine Last und sagten: "Trage die!" Ahun sagte: "Es ist gut!" Er nahm sie auf den Kopf und ging damit ein Stück weit. Dann konnte er nicht mehr. Er sagte: "Nehmt mir doch die Last noch einmal ab; sie sitzt schlecht." Die Leute kamen und rückten ihm die Last, ohne sie abzunehmen. Ahun sagte: "So geht es nicht. Ihr müßt die Last noch einmal abnehmen!" Die Leute sagten: "Das tut bei uns niemand. Man behält seine Last vom Morgen bis zum Abend auf dem Kopfe." Ahun aber ließ sich mit der Last auf den Boden fallen. Darüber waren die Leute sehr böse. Sie sagten: "Wir wollen diesen töten. Er ist nicht zu gebrauchen!" Ahun sagte: "Tötet mich nicht, verkauft mich lieber dahin, wo die Leute vom Pfeffer verbrannte Münder haben und sich doch nicht darüber beschweren. So gewinnt ihr euer Geld wieder, könnt euch einen geeigneteren Arbeiter kaufen und ich komme an einen Platz, wo ich wirklich meine Kraft ausnützen kann." Die Leute sagten: "Es ist gut!"
Ahun ward an die Leute verkauft, die immer vom Pfeffer verbrannte Münder haben und sich doch nicht darüber beschweren. Sie setzten ihm sogleich Speise vor und er begann zu essen. Sogleich verbrannte
ihn der Pfeffer so, daß er schrie: "Gebt mir schnell etwas zu trinken!" Die Leute sagten: "Niemand trinkt zwischen dem Essen."Ahun sagte: "Der Pfeffer beißt mich aber so, daß ich nicht mehr weiter essen kann. Der Pfeffer beißt mich so, daß ich sterbe! Ich kann nicht bei euch bleiben. Verkauft mich lieber nach der Stadt Ariginja (in dieser sagte man immer nur "Ja" und niemand darf da "Nein" sagen). So gewinnt ihr euer Geld wieder, könnt euch einen angenehmeren Genossen kaufen und ich komme auch an einen Ort, an dem ich mich wohlfühle." Die Leute sagten: "Es ist gut!"Ahun ward nach der Stadt Ariginja verkauft. Als er in Ariginja angelangt war, sagten ihm die Leute: "Gehe hinaus vor die Stadt, um da Farmarbeit zu verrichten." Ahun sagte: "Nein, das tue ich nicht. Ich habe mich an diese Stadt verkaufen lassen, um immer ,ja' zu sagen, aber nicht um zu arbeiten." Die Leute sagten: "Ahun hat ,nein' gesagt. Nun wollen wir ihn für den Orisa Male opfern." Der Priester des Orisa Male war Ahuru. Ahuru nahm Ahun auf seine Schulter und ging mit ihm in den Busch. Auf dem Wege kamen sie an einen Bach, den sie überschreiten mußten. Ahuru ging mit Ahun auf der Schulter in das Wasser. Als Ahuru im Wasser war, sagte Ahun: "Die Fische beißen mich in den Schwanz!"Ahuru sagte: "Nein, das ist gelogen!" Da sang Ahun: "Der Mann, der mich trägt, hat ,nein' gesagt, und das ist nicht erlaubt in diesem Lande! Der Mann, der mich trägt, hat ,nein' gesagt, und das ist nicht erlaubt in diesem Lande!"
Ahuru trug Ahun weiter. Er trug ihn an den Platz des Orisa Male. Ahun sang: "Der Mann, der mich trägt, hat ,nein' gesagt und das ist nicht erlaubt in diesem Lande!" Dann zog er sein Messer heraus und tötete Ahuru. Er ließ den toten Ahuru liegen und lief in den Busch. Als Ahuru nicht wiederkam, gingen die Leute in den Busch, um zu sehen, was es gäbe. Sie suchten rings umher. Sie konnten nichts finden. Endlich fand einer Ahuru, der war aber tot. Sie nahmen den toten Ahuru auf und trugen ihn heim.
Danach sandten die Leute Orisa aus, daß er Ahun suche und finde. Orisa ging hin und suchte. Er konnte aber Ahun nicht finden. Danach sandten die Leute Ogun aus, daß er Ahun suche und finde. Ogun ging herum und suchte. Er konnte aber Ahun nicht finden. Danach fragten die Leute Oseni (oder Osenj): "Willst du hingehen und Ahun suchen? Wirst du ihn finden ?"Osenj sagte: "Das ist ein Leichtes."
Osenj nahm drei kleine Akara, das sind Brote der Eingeborenen, und legte sie in sein Haar. Osenj ging an die Stelle im Busch und machte Feuer. Osenj steckte ein spitzes Eisen in das Feuer und legte sich neben das Feuer. Die drei kleinen Brote waren ganz frisch. Sie dufteten weithin. Ahun roch die Brote. Er kam heran. Er sah Osenj. Ahun näherte sich Osenj und sagte: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Mein Herr hat eine Ina (Wanze oder Laus?) im Haar. Darf ich die Ina wegnehmen?"Osenj sagte: "Tu es!" Ahun kam mit seiner Hand heran, nahm eine der drei Akara und aß es. Ahun sagte: "Mein Herr! Du bist mein Herr! Mein Herr hat eine Ina im Haar. Darf ich sie wegnehmen?"Osenj nickte: "Tu es!" Ahun kam mit seiner Hand heran und nahm das zweite der drei Akara und aß es. Dann kam er nochmal mit seiner Hand heran und ergriff das dritte der drei Akara. Osenj zog aber das Eisen aus dem Feuer und steckte es Ahun durch das Septum der Nase. Dann nahm Osenj Ahun auf und trug ihn heim.
Daheim sagte Orisa: "Sieh, Osenj hat Ahun gefangen! Was die Menschen mit zwei Füßen nicht können, das konntest du, der du nur einen Fuß hast!" (Nach der Volksanschauung hat Osenj nämlich nur einen Fuß.) Alle Orisas aber sagten: "Andere Orisas können im Jahre nur einmal Ahun essen; das ist, wenn sie ihr großes Fest haben. Der Osenj aber kann das ganze Jahr Schildkröten haben!"
Von der Zeit an sagt Ahun immer, wenn er Osenj trifft: "Mein Herr! Du bist mein Herr!" Und Osenj tötet ihn dann und ißt ihn zu allen seinen Festen.
51. Ahun wird weiterverkauft (Bruchstück)Ein interessantes, weil ergänzendes Bruchstück zu diesem Thema erhielt ich von Ilifeleuten. Der Beginn dieser Version ist, daß in einer allgemeinen Hungersnot, in der sich sechs Männer um eine Schüssel mit Agidibrei erschlugen, Ahun den Koko genannten Jams im Busche stiehlt und dann gefangen wird. Er wird vor Gericht gebracht, von Osi verurteilt, aber auf Orisas Bitte freigegeben. Er wird Orisas Diener, schlägt wie in Nr. 50 vor, Orisas Stock zu essen, um dann als Stock selbst verwendet zu werden. Hierbei fährt dann der Erzähler fort:
Orisa nahm Ahun als Stock. Er setzte dabei immer Ahun mit dem Kopf auf den Boden. Davon bekam Ahun einen heißen Kopf. Ahun wurde krank. Ahun sagte: "Mein Herr! Verkaufe mich lieber und kaufe dir dafür einen besseren Stock. Ich fühle, daß ich nicht genug
Kraft besitze. Verkaufe mich an die Leute, die immer Wasser im Munde haben. Sie werden viel Geld für mich bezahlen."Darauf verkaufte Orisa Ahun an die Leute, die immer Wasser im Munde haben. Einige Zeit, nachdem Ahun das geübt hatte, bekam er solchen Durst, daß er das Wasser hinunterschlucken mußte. Die Leute sahen das und sagten: "Dieser Ahun hat das Wasser hinuntergeschluckt. Er gehört nicht zu uns. Er paßt nicht zu uns."Ahun sagte: "In der Tat habt ihr recht. Wenn ich Durst habe oder sprechen will, muß ich das Wasser hinunterschlucken. Ihr habt für mich nun bezahlt. Ich möchte euch also raten, mich wieder zu verkaufen, damit ihr wieder zu eurem Gelde kommt. Ich rate euch, mich zu den Leuten zu schicken, die alle Tage opfern!" Die Leute, die immer Wasser im Munde hatten, sagten: "Das ist recht."
Ahun wurde an die Leute verkauft, die alle Tage opfern. Bei diesen Leuten ging es Ahun recht gut. Alle Tage wurden Schafe, Hühner und Ziegen geopfert und alle Tage gab es viel zu essen. An einem Tage senkte sich einem der Leute ein Fuß. Am andern Tage war das wieder gut. Darum wurde geopfert und gegessen. Beim Essen verdarb sich einer den Magen. Das war am andern Tage wieder geheilt. Darum wurde geopfert und gegessen. Beim Opfern schnitt sich einer in den Finger. Am andern Tage war es geheilt. Darum wurde geopfert und gegessen. Dabei verbrannte sich einer die Hand. Am andern Tage war er geheilt. Darum wurde geopfert und gegessen. Dabei betrank sich einer. Am andern Tage wurde er wieder nüchtern. Darum wurde geopfert und gegessen. — Also gab es alle Tage Opfer und Festschmaus.
Eines Tages standen die Leute auf und sagten: "Wem opfern wir heute? Wofür opfern wir heute?" Niemand konnte etwas finden. Alle Leute fragten: "Wem opfern wir heute? Wofür opfern wir heute?" Niemand konnte etwas finden. Alle Leute erschraken, daß ein Tag sein könnte, an dem man nichts opfern und essen konnte. Endlich fragten sie in ihrer großen Bedrängnis Ahun: "Weißt du nicht etwas, warum wir opfern und essen müssen?" Ahun sagte: "Was, ihr wißt nicht, daß ihr heute mehr als sonst opfern und essen müßt? Was? Ihr wißt es nicht?" Die Leute sagten: "Nein, wir wissen es nicht. Sage es uns!" Ahun sagte: "Wißt ihr nicht, daß der Osi Ina (Wanzen oder Läuse) auf dem Kopfe hat ?" Die Leute sagten: "Ja, das wissen wir!" Ahun fragte: "Wißt ihr nicht, daß heute vier der Ina Ibedji (Zwillinge) zur Welt gebracht haben?" Die Leute riefen: "Nein, das wußten wir nicht! Da müssen wir opfern und essen.
Kannst du uns sagen, was wir opfern und essen müssen?" Ahun sagte: "Es sind des Königs (Osi) Haare, in denen die Ibedji geboren sind. Ihr müßt Menschen und Ziegen opfern und essen."Die Leute opferten Menschen und Ziegen und aßen sie. Als das aber Orisa sah, ward er böse. Denn Menschen soll man nicht für die Tiere in den Haaren eines Menschen opfern. Er sagte zu den Leuten: "Morgen müßt ihr nun Ahun töten, opfern und essen!" Die Leute taten es.
52. Drei erfüllte Wünsche und AhunEine Frau hatte drei Söhne. Alle drei Söhne gingen jeden Tag auf die Farm und verrichteten da ihre Arbeit. Der Osi (König) des Landes hatte zweihundert Frauen, zweihundert Stück Rindvieh und zweihundert Pferde. Eines Tages waren die drei Söhne auf der Farm bei der Arbeit. Der Älteste sagte: "Wenn der König mir die schönste Frau aus seinem Hause schenkte, würde ich einen Pfeil bis in den Himmel schießen." Der zweite sagte: "Wenn der König mir sein bestes Pferd schenkte, würde ich über Okun (das Meer) hin und zurück schwimmen." Der dritte sagte: "Wenn der König mir seine beste Kuh schenkte, würde ich auf die höchste Palme bis an die Spitze klettern!" Ahun war in der Nähe. Ahun hörte das.
Ahun ging zum Osi und sagte: "Ich sah heute drei Männer, von denen sagte der erste: ,Wenn der König mir die schönste Frau aus seinem Hause schenkte, würde ich einen Pfeil bis in den Himmel schießen.' Von denen sagte der zweite: ,Wenn der König mir sein bestes Pferd schenkte, würde ich über den Okun und zurück schwimmen.' Von denen sagte der dritte: ,Wenn der König mir seine beste Kuh schenkte, würde ich auf die höchste Palme bis auf die Spitze klettern." Der Osi sagte: "Bringe mir die .drei Leute, wir wollen sehen, was daran ist!"Ahun rief die drei Burschen. Der Osi rief alles Volk zusammen.
Als die drei Burschen gekommen waren, sagte der Osi: "Wenn der erste von euch bis in den Himmel schießt, will ich ihm die schönste von meinen Frauen schenken. Wenn der zweite von euch über das Meer hin und zurück schwimmt, will ich ihm mein bestes Pferd schenken. Wenn der dritte von euch auf die höchste Palmspitze klettert, will ich ihm meine beste Kuh schenken." Der dritte Bursche begann. Er legte sich einen Kletterring an, kletterte bis an die höchste Spitze der höchsten Palme und kam wieder herab. Der Osi sagte: "Das ist richtig gemacht." Der Osi gab ihm eine Kuh. Der zweite
Bursche kam. Er begann. Er sprang am Morgen in das Meer. Er schwamm bis zum Mittag hinüber und kam wieder zurück. Als er wieder zurückkam, sagte der Osi: "Das ist richtig gemacht."Der Osi gab ihm sein bestes Pferd. Der Osi sagte: "Nun soll der erste Bursche in den Himmel schießen!"Der erste Bursche wurde herangerufen. Der Osi sagte: "Gebt ihm sieben Pfeile! Mit einem dieser Pfeile muß er den Himmel treffen." Der Bursche trat mit dem Bogen heran. Er nahm die sieben Pfeile. Er schoß den ersten Pfeil ab. Der Pfeil traf nicht; er kam wieder herab. Der Bursche schoß den zweiten Pfeil. Der Pfeil traf nicht. Er kam wieder herab. Der Bursche schoß den dritten Pfeil. Der Pfeil traf nicht. Er kam wieder herab. Der Bursche schoß den vierten Pfeil. Der Pfeil traf nicht. Er kam wieder herab. Der Bursche schoß den fünften Pfeil. Der Pfeil traf nicht. Er kam wieder herab. Der Bursche schoß den sechsten Pfeil. Auch der sechste Pfeil traf den Himmel nicht. Auch der sechste Pfeil kam wieder herab.
Der Bursche nahm den siebenten Pfeil. Der Bursche sagte: "Das ist mein letzter Pfeil. Mein zweiter Bruder hat das beste Pferd des Osi gewonnen. Mein dritter Bruder hat die beste Kuh des Königs gewonnen. Mein letzter Pfeil muß mir die schönste Frau des Königs gewinnen. Olorun (Gott), hilf mir dazu!" Der Bursche legte den siebenten Pfeil auf die Sehne und sang: "Olorun, hilf mir! Hilf meinem Pfeil!" Der Bursche schoß. Der Pfeil flog zum Himmel, er traf den Himmel. Er blieb im Himmel sitzen. Der Pfeil kam nicht wieder. Als der Osi das sah, sagte er: "Das ist auch richtig gemacht! Sucht die schönste Frau in meinem Hause heraus und gebt sie dem Burschen." Die Leute brachten dem Burschen die schönste Frau aus dem Hause des Osi. Der Pfeil aber, den der Bursche in den Himmel abgeschossen hatte, wurde die Sonne. —
Ahun sagte bei sich: "Ich war es, der diesen Burschen das beste Pferd des Osi und die beste Kuh des Königs besorgt hat. Warum geben mir diese kein Geschenk? Sollten sie mir nicht ein Geschenk geben? Sicher werden sie mir ein Geschenk geben. Ich werde einmal mit ihnen zu tun haben."*
Ahun ging zu dem Manne, der die Kuh gewonnen hatte. Er sagte:
Die Kuh war gestorben. Der Bursche sagte: "Die Kuh ist doch gestorben." Ahun sagte: "Ja, die Kuh ist doch gestorben." Der Bursche sagte: "Wir wollen sie nun gleich schlachten. Gib mir das Messer!" Ahun sagte: "Ich will dir helfen und mein Messer leihen, wenn alles Fleisch, das ,que' macht, mir gehört. Du kannst alles behalten, was ,bum' macht (also schwer auf die Erde fällt)." Der Bursche sagte: "Es ist gut!" Sie teilten die Kuh auf. Alles Fleisch machte beim Niederfallen que. Das nahm Ahun. Nur die Hörner machten bum. Ahun nahm alles Fleisch und ging damit nach Hause. Ahun sagte: "Der eine Bursche hat mir für den Dienst gut bezahlt."
Ahun ging zu dem Manne, der das Pferd gewonnen hatte. Er sagte zu ihm: "Hast du Lust, mit mir in mein Land zu reisen? Für dich ist das nicht schwer, denn du hast ja nun ein Pferd. Du kannst nun reiten." Der Bursche sagte: "Es ist mir recht." Ahun und der Bursche machten sich auf den Weg. Ahun ging zu Fuß. Der Bursche ritt auf dem Pferde. Der Bursche sagte: "Weshalb willst du gehen? Komm, sitze hinter mir auf dem Pferde auf!"Ahun setzte sich hinter dem Pferdebesitzer auf das Pferd. So ritten sie sieben Tage weit.
Als sie nahe der Stadt angelangt waren, sagte Ahun zu dem Burschen: "Wir wollen hier andere Namen annehmen. Ich werde mich Aledjo (Fremder) nennen. Nenne du dich Ale-idjo (weggejagt beim Tanz)." Der Bursche sagte: "Es ist gut." Sie ritten in die Stadt. Sie begrüßten die Leute der Stadt. Sie nannten ihre Namen. Nachher sandten die Leute die Speise. Der Mann, der die Speise brachte, sagte: "Das ist für Aledjo!" (für den Fremden). Ahun sagte: "Das ist für mich." Er aß alles auf. Der Bursche fragte: "Ist für Ale-idjo kein Essen da?" Die Leute sagten: "Nein, es ist kein Essen für Ale-idjo da!" Am andern Tage war es ebenso. Ahun bekam alle Tage Speise.
Er brachte aber keine Speise für den Burschen. Der Bursche hungerte. Eines Tages starb der Bursche. Da nahm Ahun das Pferd und ritt nach Hause. Er sagte: "Der andere Bursche hat mich für den Dienst auch gut bezahlt." So bekam Ahun das Pferd des einen Burschen und aß die Kuh des andern auf. Seit damals ist aber die Sonne am Himmel.53. Tischlein deck dichEs war keine Speise auf der Erde. Es war keine Speise im Himmel. Kein Mensch hatte Speise. Alle Welt hungerte. Ahun hatte Hunger. Er stieg auf einen Palmbaum. Die Früchte waren noch nicht reif. Sie waren noch weiß (also Aban genannt). Die Palme stand neben einem Flusse. Ahun schlug mit seinem Messer ein Fruchtbündel ab. Es glitt aber aus seinen Händen, fiel in den Fluß und sank gleich unter.
Als die Aban in den Fluß fielen, war da gerade ein Omo-Olokun (ein Sohn des Jorubischen Poseidon). Der Omo-Olokun nahm die Aban und trug sie in das Haus seines Vaters. Ahun sah das. Er lief hinterher und kam am Haus Olokuns an. Olokun stand vor der Haustür. Ahun warf sich vor Olokun nieder. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und sagte: "Ida!" Das heißt so viel, wie ich bitte euch um Gnade. Es ist das ein durchaus üblicher Unterwürfigkeitsgruß gegenüber Persönlichkeiten, die viel höher stehen und gewissermaßen als Omnigotunse erachtet werden, dargebracht wird. Olokun sagte: "Das ist gut so! (So viel wie: Das ist auch ganz in der Ordnung.) Sonst würde ich dich mit einem langen Messer köpfen lassen. — Was willst du von mir ?"
Ahun sagte: "Niemand im Himmel hat Speise. Niemand auf der Erde hat Speise. Ich stieg auf einen Palmbaum, um mir Aban zu schlagen. Ich schlug ein Fruchtbündel ab. Es fiel in den Fluß. Einer deiner Söhne nahm es und trug es nach Hause."Olokun sagte: "Komm!" Olokun führte Ahun hinter sein Haus. Da wuchsen viele Kürbiskalebassen von der Ebakoart (Flaschenkürbisse), aus denen man durch Längsteilung je zwei Löffel schneidet. Olokun sagte: "Schneide dir einen Kürbis ab!" Ahun schnitt sich einen Kürbis ab. Olokun sagte zu ihm: "Nun frage ihn, wie er heißt."Ahun fragte ihn: "Wie heißt du ?" Da antwortete die Kalebasse: "Akonjal'L* Dann füllte sich die Ebako bis oben hin mit sehr guter Speise, so daß
Als er daheim ankam, aß er wieder von dem Brei. Dann stellte er die Akonja in ein Zimmer und sagte zu seiner Frau: "Geh auch in dieses Zimmer, dann frage die Kalebassenschale, wie sie heißt." Ahun ging hinaus. Er machte die Tür zu. Die Frau Ahuns hieß Enjibo. Sie fragte die Kalebassenscherbe: "Wie heißt du ?"Die Kalebasse sagte: "Ich heiße Akonja!" Dann füllte sie sich bis oben hin mit Speise. Die Frau Ahuns aß alles auf. Als sie fertig war, kam Ahun herein und nahm die Kalebassenscherbe mit.
Ahun nahm die Kalebassenscherbe und ging damit zum Osi und sagte: "Laß alle Leute zusammenkommen. Ich habe sehr viel zu essen."Der König ließ alle Leute zusammenrufen. Als alle da waren, legte Ahun die Kalebassenscherbe hin und sagte zum Osi: "Frage diese Kalebasse, wie sie heißt!" Der Osi fragte: "Wie heißt du?" Die Kalebasse antwortete: "Ich heiße Akonja!"Sogleich fing sie an sich zu füllen und Speise hervorzubringen. Der Osi begann sogleich zu essen. Wie das die andern Leute sahen, fragten sie auch: "Wie heißt du?" Darauf sagte sie: "Ich heiße Akonja! Ich heiße Akonja! Ich heiße Akonja!" Die Speise kam hervor, immer mehr, immer mehr. Alle Leute aßen und aßen, und je mehr kamen und fragten: "Wie heißt du?" desto öfter antwortete sie: "Ich heiße Akonja!" und immer mehr Brei kam heraus, bis alle, alle Leute gegessen hatten und satt waren und keiner mehr fragte.
Als aber alle Leute gegessen hatten, da zerbrach sie Ahun und fragte sie noch einmal: "Wie heißt du ?" Die zerbrochene Kalebasse gab keine Antwort und es kam auch kein Brei mehr heraus. Da sagte Ahun: "Meine Akonja ist zerbrochen, sie gibt keinen Brei mehr."Der Osi sagte: "Ja, die Akonja ist zerbrochen und gibt keinen Brei mehr." Alle Leute sagten: "Die Akonja ist zerbrochen und gibt keinen Brei mehr." Ahun ging nach Hause.
Ahun nahm sein Grasmesser. Er ging zu der Palme am Fluß. Er stieg auf die Palme. Er schlug ein Abanbündel ab und warf das herunter
in den Fluß. Das Abanbündel fiel herab, es ging unter. Unten war gerade ein Omo-Olokun. Als der das Abanbündel Ahuns sah, nahm er es und warf es zurück an das Ufer. Als Ahun das sah, nahm er es und warf es zurück. Er sagte zu dem Omo-Olokun: "Behalte es doch! Ich bitte dich!" Der Omo-Olokun sagte: "Wie du willst!" Dann tauchte der Omo-Olokun mit dem Abanbündel unter und ging zum Hause seines Vaters.Ahun ging auch in das Wasser. Er lief hinter Omo-Olokun her und kam am Hause Olokuns an. Olokun stand vor der Haustür. Ahun warf sich vor Olokun nieder. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen und sagte: "Ida!" Olokun sagte: "Das ist gut so! Sonst würde ich dich mit einem Ida köpfen lassen. Was willst du von mir ?" Ahun sagte: "Niemand im Himmel hat Speise. Niemand auf der Erde hat Speise. Ich stieg auf einen Palmbaum, um mir Aban zu schlagen. Ich schlug ein Fruchtbündel ab. Es fiel in den Fluß. Einer deiner Söhne nahm es und trug es nach Hause."Olokun sagte: "Komm!" Olokun führte Ahun auf einen Hof. Auf dem Hofe lagen viele Lagbas (Peitschen). Olokun sagte: "Nimm eine Lagba auf!" Ahun nahm eine Peitsche auf. Olokun sagte zu Ahun: "Nun frage deine Lagba, wie sie heißt." Ahun fragte: "Wie heißt du?"Die Lagba sagte: "Afuma-bioje (d. h. ich mache fest oder starr wie Kälte; oje =Kälte). Ana maligwedu (d. h. ich schlage wie auf eine Trommel; igwedu heißt die Königspauke)." Darauf fuhr die Peitsche aus Ahuns Hand und schlug und schlug auf ihn ein. Er wollte weglaufen, aber die Peitsche lief immer hinter ihm her, bis sie endlich wieder in seine Hand kam.
Als Ahun die Lagba wieder in der Hand hatte, hielt er sie ganz fest und ging so schnell wie möglich damit heim. Daheim sagte er zu seiner Frau Enjenibo: "Ich habe heute etwas mitgebracht! Komm schnell mit in das Zimmer!" Die Frau kam herein. Ahun reichte ihr die Peitsche hin und sagte: "Frage diese Lagba, wie sie heißt!"Dann machte er die Tür von außen schnell zu und verschloß sie noch. Enjenibo fragte: "Wie heißt du?" Darauf sagte die Peitsche: "Afuma-bioje! Ana maligwedu!" Sie fuhr ihr aus der Hand und schlug ununterbrochen auf ihren Rücken ein. Die Frau schrie Ahun zu: "Tschikumi !"(Mach die Tür auf!) Ahun rief: "Tigbaibai!"(Mach zu! halt zu!) Die Peitsche schlug. Die Frau schrie: "Tschikumi!" Ahun sagte: "Tigbeibei!" Endlich war die Peitsche fertig und kehrte in Enjenibos Hand zurück. Ahun machte die Tür auf. Enjenibo warf die Peitsche weit weg zur Tür hinaus.
Ahun nahm die Peitsche auf. Er ging damit zum Osi und sagte: "Laß alle Leute zusammenkommen. Ich habe eine neue Sache!" Der König ließ alle Leute zusammenkommen. Als alle beisammen waren, sagte Ahun: "Ich habe Leibweh vom vielen Essen und muß schnell in den Busch laufen. Fragt nur die Peitsche, wie sie heißt!" Ahun lief fort, so schnell er konnte. Der Osi sagte: "Er hat sich daran überessen. Nun wollen wir aber auch satt werden." Alle Leute drängten sich dicht um den Osi. Der Osi fragte schnell: "Wie heißt du?" Alle Leute schrien: "Wie heißt du? Wie heißt du?" Die Peitsche sagte: "Afuma-bioje! Ana maligwedu! Afuma-bioje! Ana maligwedu!" Sie fuhr herum und schlug dem Osi die Ade (Königsmütze) vom Kopfe und dann ihm und allen Leuten auf den Rücken. Einer nach dem andern wollte, wie er das sah, weglaufen, aber einer fiel über den andern, und wie sie alle so auf der Erde herumlagen, prügelte die Peitsche alle, die gefragt hatten, einen nach dem andern ganz gründlich und schnell durch. Als jeder seine Schläge bekommen hatte, blieb sie in der Hand des Osi. Der Osi setzte seine Ade wieder auf.
Der Osi sagte: "Diesen Ahun müssen wir töten. Er bringt uns ja sonst noch den Krieg in die Stadt." Sie fingen Ahun und töteten ihn. — Seitdem soll man langsam essen.
Und so kam die Peitsche zu den Menschen. Einen Akonja bekamen sie nicht wieder, aber die Peitsche wurden sie nicht wieder los.
54. Ahun tötet den Vogel OrisasEs war ein sehr hübsches Mädchen. (Wörtlich: Meine Geschichte handelt von einem sehr hübschen Mädchen.) Dieses Mädchen wollte niemand zum Manne, der sich um sie bewarb. Alle Tiere kamen und sagten: "Ich möchte dich zur Frau haben!" Das Mädchen antwortete aber einem jeden: "Geh weg, ich mag dich nicht zum Manne!" Sie wies jeden ab.
Ahun sagte eines Tages zu den Tieren: "Ich werde mit dem Mädchen schlafen." Die andern Tiere sagten: "Die andern Tiere sind nicht zum Manne von ihr angenommen worden. Sie wird auch dich nicht nehmen und nicht mit dir schlafen wollen." Ahun sagte: "Wir werden sehen!"
Eines Tages saß das Mädchen auf dem Markte und verkaufte Honig. Ahun ging zu ihr. Er betrachtete den Honig. Er sagte: "Wieviel bekomme ich für eine Kauri ?" Das Mädchen füllte ein und sagte: "Soviel bekommst du für eine Kauri." Ahun besah es
und sagte: "Ich weiß nicht, ob das genug ist. Wenn es nicht recht ist, komme ich heute abend wieder und muß dann aber meine Kaurimuschel haben. Bist du damit einverstanden?" Das Mädchen sagte: "Ja, damit bin ich einverstanden." Als es Abend war, kam Ahun mit dem Honig zu dem Hause, in dem der Vater des hübschen Mädchens wohnte und sagte: "Ich habe heute von deiner Tochter für eine Kauri Honig mitgenommen. Ich muß den Honig zurückgeben." Der Vater rief seine Tochter und sagte: "Ahun hat etwas mit deinen Honigsachen."Das Mädchen sagte: "Ja, er hat für eine Kauri Honig von mir gekauft, will ihn aber, wenn er nicht recht ist, gegen seine Kauri zurückgeben." Ahun sagte: "So ist es. Hier ist der Honig! Gib mir meine Kauri."Das Mädchen nahm den Honig und gab Ahun eine Kauri hin. Sie sagte: "Hier hast du deine Kauri wieder." Ahun betrachtete die Kauri und sagte dann: "Dies ist nicht meine Kauri. Ich will meine Kauri wiederhaben." Das Mädchen nahm die Kauri aus ihrem Korbe und sagte: "So suche dir selbst eine Kauri aus."Ahun betrachtete die Kauri, die in dem Korbe waren, und sagte: "Meine Kauri ist nicht dabei." Das Mädchen sagte: "Es ist wahr. Ich habe einen Teil der Kauri schon der Mutter gegeben. Ich werde die Mutter rufen." Die Mutter ward gerufen. Sie kam mit einem Sack Kauri und sagte: "Sieh, ob du deine Kauri hierunter findest." Ahun betrachtete die Kauri und sagte: "Meine Kauri ist nicht hierbei."Die Frau sagte: "Es ist wahr. Ich habe einen Sack Kauri heute dem Vater gegeben." Der Vater brachte einen großen Sack Kauri an und sagte: "Sieh, ob du deine Kauri hierunter findest." Ahun betrachtete die Kauri und sagte: "Meine Kauri ist nicht hierbei."Der Vater sagte: "Es ist wahr, ich habe heute allerhand bei fahrenden Kaufleuten gekauft."
Ahun sagte: "Ich muß aber meine Kauri wiederhaben." Der Vater sagte: "Ich will dir zweihundert andere Kauri dafür wiedergeben." Ahun sagte: "Ich muß aber meine Kauri wiederhaben." Der Vater sagte: "Ich will dir ein Pferd dafür geben." Ahun sagte: "Ich muß aber meine Kauri wiederhaben." Der Vater sagte: "Ich will dir ein Pferd und einen Ochsen dafür geben." Ahun sagte: "Ich muß aber meine Kauri wiederhaben." Der Vater sagte: "Was willst du haben, wenn ich dir deine Kauri nicht wiedergeben kann?" Ahun sagte: "Ich will auf meine Kauri verzichten, wenn ich bei deiner Tochter schlafen kann." Der Vater sagte: "Nein, das will ich nicht."Ahun sagte: "Dann gib mir meine Kauri wieder!"
Der Vater sagte: "Du kannst mit meiner Tochter schlafen, aber die Matte muß zwischen euch (als Wand) hängen!" Ahun sagte: "Gib mir meine Kauri wieder!" Der Vater sagte: "So schlafe denn bei meiner Tochter!" Die Mutter sagte: "Ich werde dann aber meiner Tochter zweihundert Kleider anziehen, so daß Ahun nicht an sie kommt." Ahun sagte: "Gib mir meine Kauri wieder." Der Vater sagte: "Nein, du sollst bei meiner Tochter schlafen, aber merke dir eins. Nachts kommt der Orisavogel (der Eje-Orisa; das ist der eigenartige Vogel, der in der Dämmerung mit zwei seitlichen Fahnenfedern wie zwei folgende kleine Vögelchen durch die Luft zittert), der schreit. Du darfst ihm nicht antworten. Sonst tötet er dich." Ahun sagte: "Ich werde es mir merken." Der Vater sagte: "Ist es nicht besser, daß ich drei Mörser über dich decke, so daß er dich nicht bemerken kann?"Ahun sagte: "Gut, decke drei Mörser über mich."
In der kommenden Nacht schlief Ahun in der Hütte des jungen, hübschen Mädchens. Der Vater hatte drei Mörser über ihn gedeckt. Ahun lag unter den drei Mörsern. Als es Nacht wurde, kam der Eje-Orisa und sang: "Ejeo! Ejeo!" (Ich bin der Vogel! Ich bin der Vogel!) Als Ahun das hörte, rief er: "Ahungo! Ahungo!" (Ich bin Ahun! Ich bin Ahun!) Als er das gerufen hatte, kam der Vogel herab. Er stürzte auf die Mörser. Er zertrümmerte alle Mörser. Er pickte nach Ahun. Er verschluckte Ahun. Ahun kam in seinen Bauch. Er flog mit Ahun empor.
Als Ahun im Bauch des Vogels war, zog er sein Messer heraus. Er begann den Vogel im Innern zu zerschneiden. Er zerschnitt ihm das Herz. Der Vogel starb; er fiel herab. Ahun schnitt den Bauch auf und kam heraus. Er begann den Vogel zu zerschneiden. Er zerschnitt ihn in ganz, ganz kleine Stücke. Die Fleischstückchen streute er überall aus.
Inzwischen war es Zeit zur Morgendämmerung geworden. Es blieb aber dunkel und wurde nicht hell. Es kam kein Tageslicht. Als es immer weiter dunkel blieb, rief der Osi alles Volk zusammen. Ahun hörte das und versteckte sich. Das Volk kam zusammen. Der Osi (König) sagte: "Warum wird es kein Licht? Die Nacht ist zu Ende und es wird nicht Tag!" Man rief einen Babalawo. Der Babalawo sagte: "Man muß Orisa fragen (Orisalla)!" Man fragte Orisalla. Orisalla sagte: "Es bleibt alles schwarz (dunkel), weil man meinen Vogel getötet hat. Wenn ihr mir dagegen viel Essen macht, will ich es wieder Tag werden lassen." Der Osi sagte: "Das wollen wir!" Das Volk rief: "Das wollen wir!"
Alle gingen auseinander. Jedermann ging hin, um für Orisa viel Essen zu bereiten. Es wurde viel Essen. Es war eine Unmasse von Essen. Das wurde Orisa dargebracht. Darauf begann der Hahn zu schreien. Es wurde Tag.
Der Osi wollte nun den Mann finden, der den Vogel Orisas getötet hatte. Er ließ einen Knaben sehr schön anziehen. Der Knabe ward auf ein Pferd gesetzt. Der Knabe ward auf dem schöngesattelten Pferde überall herumgeführt. Alles Volk jubelte dem Knaben zu. Sie führten ihn zu dem Hause des Osi und dann wieder herum. Alles Volk jubelte. Ahun sah das von seinem Verstecke aus. Ahun sagte: "Was mag mit dem Knaben sein?" Ahun kam heraus und fragte den Mann, der das Pferd führte: "Was ist mit dem Jungen?"Der Führer des Pferdes sagte: "Er hat den Vogel Orisas getötet; deshalb feiern wir ihn." Da schlug Ahun dem Jungen ins Gesicht und sagte: "Du Lügner! Den Vogel des Orisa habe ich ja getötet! Setzt mich auf das Pferd!" Darauf packte das Volk Ahun und rief: "Wir haben den Mann, der den Vogel Orisas getötet hat." Sie packten ihn. Man schnitt Ahun in ganz kleine Stücke.
Die kleinen Stücke Ahuns lagen umher. Das Fleisch sagte: "Packt mich zusammen!" Ein Mann, der vorbei ging, sagte: "Das kann ich machen." Er legte das Fleisch auf einen Haufen. —Seitdem ist die Schale Ahuns so gegliedert. Früher war sie glatt.
55. Ahun bringt die Geschlechter zusammenFrüher lebten die Frauen in einem Lande zusammen und kannten den Mann nicht. Und die Männer lebten in einem Lande für sich und kannten die Frau nicht. Oku (der Penis; Haussa =bora; Nupe eba) ging im Lande umher und trachtete danach, etwas zu verzehren. (Bildlich. Wenn der Penis etwas essen will, so ist das die Vagina; das bedeutet: er verlangt nach dem Geschlechtsgenuß, bei dem er der stärkere ist.) Oku fand aber nichts.
Eines Tages kam Ahun in das Land der Männer. Ahun fragte: "Wo habt ihr denn die Frauen? Habt ihr keine Frauen? Was verzehrt denn euer Oku ?" "Wir haben nichts derartiges da. Unser Oku geht umher und sucht etwas zu verzehren. Er findet aber nichts. Was sind denn das, Frauen?" Ahun sagte: "Wenn ihr mir vierhunderttausend Kauri und zweihundert Ziegen gebt, will ich euch für euren Oku etwas bringen. Ich will euch Frauen verschaffen!" Die Männer sagten: "Es ist gut! Tue das!" Ahun sagte: "Folgt mir, versteckt euch am Wege. Am dritten Tage kommen die Frauen."
Ahun ging voran. Die Männer folgten. Die Männer versteckten sich am Wege. Ahun ging weiter. Ahun kam in das Land der Frauen. In dem Frauenlande ging er in das Haus der Jalode (Frauenherrin). Die Jalode sagte: "Ahun, woher kommst du?" Ahun sagte: "Ich bin ein Trommler." Die Jalode sagte: "Wir möchten gerne tanzen. Wir möchten gerne einmal trommeln hören. Seit fünf Jahren hörten wir keine Trommel." Die Jalode gab Ahun zu essen. Als Ahun gegessen hatte, sagte sie: "Nun beginne zu trommeln. Alle Frauen sind begierig, zu tanzen." Ahun sagte: "Ihr müßt mir vorher etwas versprechen. Ihr müßt mir zweihunderttausend Kauri versprechen." Die Jalode sagte: "Das wollen wir dir geben." Ahun sagte: "Ich kann aber nicht an einer Stelle trommeln. Ich muß immer gehen beim Trommeln. Ich kann nicht in der Stadt trommeln. Ich kann nur im Busche trommeln. Ihr müßt mit in den Busch kommen und im Busch vor mir tanzen." Die Jalode sagte: "Es ist gut!"
Ahun ging am andern Morgen vor die Tore der Stadt. Alle Frauen kamen mit vor die Tore der Stadt. Ahun begann zu trommeln. Alle Frauen begannen zu tanzen. Ahun trommelte und sang: "Hier sind viele Obo (Vagina; Haussa = duri; Nupe =djuko). Dort sind viele Oku. Die Oku wollen die Obo verzehren. Die Obo wollen dicke, dicke Okus haben. Die Obos werden sehr zufrieden sein!" Ahun trommelte und ging auf das Land der Männer zu. Die Frauen tanzten vor ihm her. Die Frauen tanzten weit vor ihm her. Sie trommelten und tanzten den ganzen Tag. Als es Abend war, legten sich die Frauen im Busche nieder zum Schlafen. Nachher kam Ahun und blieb an dem Platze.
Am andern Morgen begann Ahun zu trommeln. Die Frauen wachten auf. Die Frauen standen auf. Die Frauen begannen zu tanzen. Ahun sang: "Heute werden die Oku die Obo verzehren. Die Oku werden tanzen. Die Obo werden tanzen. Ahun ist ein großer Trommler. Nachher werden Kinder geboren werden. Oku und Obo werden einander nicht wieder verlassen!" Die Frauen tanzten vor Ahun her. Ahun trommelte. Die Frauen kamen an die Grenze des Männerlandes. Die Männer sahen aus dem Busch her die Frauen tanzen. Die Oku begannen aufzustehen. Ahun kam zur Stelle und trommelte. Die Frauen tanzten um Ahun. Die Männer tanzten hinter den Büschen. Alle tanzten den Idikire (Geschlechtstanz; Haussa = kanjendi; Nupe =jschingi). Die Männer kamen näher. Die Frauen sahen die Männer. Ahun trommelte.
Die Frauen tanzten mit den Männern. Die Männer tanzten so, als
ob sie die Obo nicht sähen. Die Frauen aber tanzten so, daß sie die Oku sahen. Als die andern es nicht sehen konnten, faßte die Jalode den Oku eines Mannes an. Die Frauen tanzten nur mit den Männern, die einen kleinen Oku hatten. Die Frauen fürchteten sich vor den großen Okus. Die Jalode aber suchte einen Mann mit einem großen Oku. Die Frauen schliefen im Busch mit den Männern mit den kleinen Oku. Die Jalode aber schlief mit einem Manne mit einem großen Oku. Die Jalode sagte zu den andern Frauen: "Ihr seid dumm, ihr wißt nicht, was gut ist!"Die Frauen gingen mit in die Stadt der Männer und kochten ihnen Essen. Sie gingen nicht wieder heim. —So wurde durch Ahun der Beischlaf auf der Erde eingeführt.