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DÄMONEN DES SUDAN
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Der Spruch: freie Übersetzung: Kirsi Kirsi Kirsi Kirsi dikisse tuntung die Bienengeseilschaft akeme boire koloma Blut fällt in das Loch tuba tura Daringebliebene boba bora Herausgegangene (anscheinend: die mit dem Leben Davongekommenen) |
ne gabo boba lufe Ich will mit den Herausgekommenen herausgehen ne gane kanatu lufe Ich will nicht mit den Gestorbenen darin bleiben. |
Auf religiösem Gebiete gibt es bei sämtlichen Mandestämmen eine Einrichtung, die im ersten Augenblick sehr leicht mit den
Entwicklungserscheinungen des Bundwesens verwechselt werden kann, die sich aber näher betrachtet als ein durchaus eigenartiges und selbständiges Gebilde erweist, für welches man als treffenden Ausdruck sowohl Schamanismus als Prophetentum wählen kann. Als Namen für diese Propheten erhielt ich bei Malinke Niama oder Diama, oder Djiama, bei Bammana Somma oder Somma-di oder Somading, bei Kassonke Niang-kurang oder Djang-kurang. Die Djama entsprechen den Djegu-tu der Bosso-Soroko (siehe unten!) den Hogon der Habe. Die Mande geben an, daß nicht nur unter den Heidenstämmen, sondern auch unter den Mohammedanern genau die gleiche Erscheinung sehr lebendig sei, und sollen diese Propheten der Mohammedaner überall im Sudan den Namen Uledju führen. Ja, es wird behauptet, daß dieses Schamanentum, das Prophetentum bei den Mohammedanern, den Hauptteil der Religion ausmache, und daß jeder große Marabut ein sehr großer Prophet sei. Im Gegenteil zum heutigen Wesen dieses Schamanentumes bei den heidnischen Mande soll bei den mohammedanischen Stämmen das Schamanentum in mächtigem Aufschwunge begriffen sein. Mit heller Begeisterung erzählten meine Leute mir in Timbuktu, daß in dieser Stadt ein Ulidju sei, der unglaublich hellseherisch und mit wunderbaren Gaben ausgestattet sei, daß dieser Mann z. B. ohne jede Beschwerde jede Wand heraufgehen könne, wie hoch und glatt sie auch sei.Im Gegensatz zu dem Schamanentume des sudanischen Islam ist das Djamatum bei den heidnischen Mande in ständigem und starkem Rückgange begriffen. Ja, die Leute erklären das nicht nur mit aller Bestimmtheit, sondern sie geben auch in sehr plausibler Weise den Entwicklungsgrund der Untergangserscheinungen an. Sie sagen, die Bünde Naina und Komma wären mit dem großen Einfluß, den die Djama früher genossen hätten, nicht einverstanden gewesen und arbeiteten ständig gegen die Djama. Fernerhin registriere ich die häufig gegebene Mitteilung, daß das Djamatum als viel, viel älter gelte, als der Islam eine Erklärung, die sicher die Wahrheit trifft.
Recht schwierig war es, eine klare Vorstellung von dem zu gewinnen, was die Eingeborenen unter einem solchen Djama verstanden. Die Angaben, die ich erhielt, widersprachen sich nicht, aber sie sind bunt. Ich fasse zunächst einmal die Hauptsätze zusammen, die mir häufiger wiederholt wurden.
Ein Djama ist halb wahnsinnig er redet zuweilen wie irre; dann richtet er wohl die Augen gen Himmel, sieht ganz starr weit fort. Er öffnet den Mund und sagt vieles, was man nicht versteht und was man deuten muß; denn in Wahrheit ist es nicht Wahnsinn. In Wahrheit ist der Djama (in solchem Augenblick) Gott geworden.
Die Djama sind die Götter im alten Mande wie die Lagamme bei den Tombo. —Jeder Mensch kann Djama werden, die meisten wissen das aber nicht, viele sind es auch nur für einige Stunden. — Wenn man Djama ist, so weiß man nicht mehr den Unterschied von dem, was vergangen ist und von dem, was kommt dann vergißt man, daß man ein Mensch ist und spricht eben deshalb Dinge, die zukünftig sind, die die Menschen nicht wissen können, die nur Gott sonst weiß. — Aber man ist ja dann Gott. Das ist die Sache. — Die andern Menschen sagen: Der ist wahnsinnig geworden, weil sie nicht wie Gott sind.Ich fragte oft nach handgreiflichen Beobachtungen, die irgend jemand gemacht hatte, weil solche Sätze wie die oben berichteten nicht genügen konnten. Ich wollte etwas von dem Leben der Djama wissen. Da wurde mir etwa folgendes zuteil:
Die Menschen, die Djama werden, kommen hierzu, wenn sie lange, manchmal sehr lange allein waren. Sie sind dann im Busch: aber immer da, wo Wasser ist; wenn einer Djama wird und geht auf einen hohen Berg, auf dem es sonst unmöglich ist, Wasser zu finden, so trifft dieser Djama doch sicherlich oben ein Wasser an; der Mann, der Djama wird, kann aber auch am Flusse, in einem Walde lange Zeit sein; daß er ein Djama ist oder wird oder bleibt, belehrt ihn das Traumleben; die Menschen werden im Traume Djama; die wissen es, wenn sie träumen.
Nie vermochte ich in Erfahrung zu bringen, ob bei den alten Mande in gleicher Weise Opfer oder bestimmte Zeremonialvorbereitungen getroffen werden wie bei den Djegutum oder Bosso-Soroko. Ich habe keinen Djama mehr gesehen und bleibt uns somit diese Lücke. — Sie verschwinden wie gesagt.
Der Djama, der als solcher voll entwickelt ist, bleibt selten lange an einem Orte. Er zieht meist umher.
Außer dem Prophetentume scheint sein Hauptzweck zu sein, Subaga, Vampirgeister aufzuspüren und unschädlich zu machen. Deshalb wurde er häufig von einer Ortschaft zitiert, in der so ein Geschöpf sein Unwesen trieb. Wenn er eintraf, so versammelte sich abends die Bewohnerschaft. Es wird getrommelt und alle Welt tanzt. Sie tanzt vor dem Djama und für den Djama, bis er in voller Begeisterung war. In der Hand trug er eine Schnur. Wenn er in Exstase war, nahm er Wasser in den Mund, das mit magischen Mitteln irgendwelcher Art gemischt war. Er spie das in die Luft. Dann ward der Subaga sogleich erkannt. Der Subaga ließ bei den Malinke in seiner Angst und von dieser höheren Macht gezwungen, nicht wie bei andern Stämmen ein Ei, wohl aber ein Fleischstück dem Anus entfallen. Darauf warf der Djama seine Schnur um die Hand des entdeckten Unholdes.
Dieses ist wie gesagt, der Hauptzweck seines Daseins. Außerdem ist der Djama aber hellsehend und zwar blickt er grenzenlos weit durch Raum und Zeit. Er ist aber auch Prophet. Doch beherrscht er auch einige ganz besondere Fähigkeiten. So sollen viele ihre Zunge aus dem Munde nehmen und im Kreise der Zuhörer herumreichen können. Manche Djama der alten Zeit vermochten ihre Augen der Höhle zu entnehmen, und sie wieder einzusetzen. Mit solchen Fähigkeiten nähern diese Leute sich den magischen Künstlern.
Aber noch eine Sache ist den Djama eigentümlich, die mir sehr bedeutsam zu sein scheint: sie sind imstande den Feuertanz auszuführen. Sonst wird hier das einzuschieben sein, was seinerzeit betreffend der Kussi-Kuronni in Kankan beobachtet wurde. Wie weit die Kussi Kuronni in den Rahmen dieser Anschauungs- und Sittenkreise gehören, vermag ich nicht zu sagen.
Weiterhin sei aber als sehr beachtenswert mitgeteilt, daß die Djama der Malinke auch über heilige Musikinstrumente verfügen. Einer hat eine kleine Trommel, einer eine Gitarre. Wenn der Mann etwas sucht und suchend umhergeht, so tönt ihm das Instrument leiser oder lauter werdend zu. Er weiß, je leiser es klingt, desto weiter entfernt er sich von dem Orte, an dem das oder der Gesuchte verborgen ist und je lauter es ihm erschallt, desto mehr nähert er sich dem betreffenden Orte. Es erinnert das z. B. an ein Spiel, das z. B. in Deutschland früher viel geübt wurde, nämlich "nach Klavierbegleitung suchen".
o) Die RegenmacherDie Regenmacher heißen bei den Malinke Sanding, bei den Bammana Samoding. Wenn der Regen in gefährlicher Weise ausbleibt, so daß Saat und Ernte gefährdet sind, so wendet das gesamte Dorf sich an einen Regenmacher, zu dessen Fähigkeiten man erfahrungsgemäß Zutrauen hat. Oft wird der Mann aus großer Entfernung herbeigerufen..
Seine Opferzeremonie beansprucht vor allen Dingen schwarze Bohnen. Jeder Haushalt muß zwei Schalen voll von dieser Frucht beitragen. Der Familienvater bringt diesen Beitrag selbst auf den großen Platz der Ortschaft. Jeder Familienvater legt seine Hand auf die Bohnen. Dann erst tritt der Sanding heran und nimmt aus jeder Haushaltslieferung eine Handvoll. Diese Bohnen tut er beiseite. Sie stellen seine Besoldung dar. Er vollführt nun seine zeremoniellen Gesten, d. h. er spuckt in die Hand, macht allerhand Bewegungen und versucht einige Worte zu murmeln. Jeder Haushaltvater aber nimmt von den nun zauberkräftigen Bohnen, begibt
sich auf seine Felder und legt sie auf einen im Acker aufragenden Termitenhaufen. Den Rest verzehrt er. Man sagt, noch am gleichen Tage begänne es dann zu regnen -, vorausgesetzt, daß der Regenmacher seine Sache gut gemacht hat. Jedenfalls erwartet man ein starkes Gewitter.In bezug auf das Gewitter selbst bestehen so ziemlich überall im oberen Nigerlande die gleichen Anschauungen. Wenn man mit einem Hunde während des Tornados in einer Hütte weilt, und das Tier plötzlich heulend aus dem Hause rennt, so ist das ein Zeichen, daß der Blitz sehr bald einschlagen wird und daß man eiligst den Ort verlassen muß, um nicht einem schnellen Tode durch die Sankalimakaba zu verfallen. Hat der Blitz in eine Hütte eingeschlagen und sie beginnt zu brennen, löscht alle Welt daheim das Herdfeuer und holt neuen Brand von dem Hause. Dieses frische Herdfeuer, vom Blitze stammend, bringt Glück! Will man das so durch den Blitz entzündete Hüttenfeuer löschen, dann darf man nicht Wasser dazunehmen. Das gelingt nur mit Ziegenmilch und Eiern.
Die Regenmacher bilden unter sich eine Art Genossenschaft und Gesellschaft. Angeblich haben nur solche Leute Zutritt zu diesem Berufe und Verbande, die selbst vom Blitze getroffen und drei Tage wie tot liegen geblieben sind.
Als Zaubermittel, Abwehrmittel gegen Gewitter und Blitz nehmen die in den Hügelländern wohnenden Malinke einige Blätter vom Manassee und hängen sie vor ihren Hütten auf.
Dämonen in Legenden
1. Der erste Jäger
Der erste Jäger der Welt hieß Korne. Seine Mutter hieß Njagalle njuba. Korne hatte alle Tiere gejagt. Er hatte viele, viele Tiere getötet. Es blieben von jeder Sorte Tiere nur ein Männchen und ein Weibchen übrig.
Er schickte seine Frau, um nach den Tieren zu sehen. Er folgte seiner Frau. Sie sahen alle Tiere und kamen weit, sehr weit, weiter, als die Strecke von Bamako bis Kayes beträgt. Er nahm eine Schnur, um ein Giraffenweibchen zu töten. (Dieser Satz ist unverständlich.) Er wollte die Giraffe töten und legte einen Pfeil auf den Bogen. Die Giraffe sagte: "Laß mich Gottes wegen." Korne sagte: "Ich lasse dich nicht, auch nicht Gottes wegen." Die Giraffe sagte: "Schieß nicht, so will ich dir große Worte sagen." Korne sagte: "Sprich schnell, sonst schieße ich dich!" Die Giraffe sagte: "Morgen
werden alle Tiere unter einem großen Baum versammelt sein, denn am Donnerstag will man meinen Sohn verheiraten. Geh zu dem Baum. Setze dich auf den Baum, so wirst du bei den Tieren etwas erleben." Korne sagte: "Es ist gut."Die Giraffe führte den Jäger zu dem großen Baum. Korne stieg auf den Baum. Um sieben Uhr kamen alle Tiere zusammen. Die Tiere sprachen. Korne hörte alles. Die Tiere sagten: "Korne hat zu viel gejagt. Nun werden wir Kakinjella (Sandorakel?) machen." Die Tiere nahmen Mankaran (Luchs) und Sosanni und machten Kakinjella, um etwas vorzubereiten.
Da befiel Korne die Furcht. Er floh von dannen.
Seit damals stammt das Gesetz, daß die, die die Gesetze nicht einhalten, sterben müssen.
2. Jäger und UokloEin Jäger erhielt von einem Uoklo (Waldgeist) ein Bassi (ein Grigri, ein Zaubermittel). Der Uoklo sagte: "Ich will dir das Bassi für die Zeit von sieben Jahren geben. Wenn die sieben Jahre abgelaufen sein werden, werde ich dir das Bassi wieder nehmen, und du wirst es mir dann mit deinem Leben bezahlen." Der Jäger sagte: "Es ist gut; ich warte also sieben Jahre."
Der Jäger hatte einen Hund (Ulu). Eines Tages vor Ablauf der sieben Jahre fiel der Uoklo den Jäger im Walde an. Der Jäger rief seinen Hund Fotokulumani. Der Hund kam herbei und tötete den Uoklo. Der Jäger nahm nun dem Uoklo alle seine Bassi. Er hatte nun viele Bassi und viel Glück. Auf dem Heimwege erlegte er schon einen Elefanten.
3. Der GoldfischEs war ein Jäger, der wollte sich mit der Koba (große Antilope) messen. Er war mit ihnen eines Fisches wegen in Streit geraten. Die Haut dieses Fisches bestand aus Gold. Die Koba sagten: "Der Jäger soll die Fische nicht haben." Der Jäger sagte: "Die Koba sollen die Fische nicht haben."
Der Jäger zog aus, den Fisch zu fangen. Der Fisch schlug aber zu, zerschlug ein Auge des Jägers, und der Jäger fiel in den Fluß. Dann ging der Jäger nach Hause und machte ein großes Netz (Djo), um den Fisch zu fangen. Er sagte: "Jetzt werde ich den Fisch im
Flusse sicher fangen." Er ging hin und warf das Netz aus. Er fing auch wirklich einen Fisch, den er für den Goldfisch hielt. Er kam nach Hause und sagte zu seiner Schwiegermutter (Mbramussu): "Ich werde morgen deine Tochter heiraten. Denn ich habe jetzt viel Gold."Als er aber am andern Morgen den gefangenen Fisch besah, erkannte er, daß er nicht den Djegge sanuma (Goldfisch; sanu = Gold), sondern den Sale (eine auch "Kapitän" genannte Art Fisch) erwischt hatte.
4. JägerlegendeIn sehr alten Zeiten lebte in dem Dorfe Sünga, das in Djenne-dugu (im Djennegebiet) gelegen ist, ein großer Jäger, der hieß Kelleserri. Der Jäger Kelle-serri war aber auch ein großer Trinker, und er pflegte sich alle Abende zu betrinken. Eines Tages hatte er sich auch wieder betrunken. Da sagte er zu seinem Sohne Konni: "Geh in jener Richtung in den Busch. Da wirst du die Tiere treffen. Die Tiere feiern gerade ein Fest und tanzen. Geh hin und sieh dir das an." Konni sagte: "Gut, ich werde gehen."
Konni machte sich auf den Weg. Er begab sich in der Richtung, die der Vater ihm angegeben hatte. Er kam auch nach einiger Zeit an eine Stelle, da tanzten viele Koba. Die Koba-Antilopen waren aber nicht allein. Es waren da auch noch die Djinne, das waren Geisterchen, die nicht höher waren, als ein Knie reicht, die auf dem Rücken eine Silbermütze trugen und in der Hand einen Wedel mit Zaubermitteln darin führten. Konni schoß auf die Koba. Er traf sie; sie fiel. Ein kleiner Djinne schlug die Koba aber mit seinem Wedel. Darauf sprang die getroffene Koba heil und lebendig auf. Der Djinne rief: "Das hat dein Vater nicht gesagt", und dann liefen alle Koba und Djinne in den Busch. (Ein "Beisitzender" erklärt, das wäre insofern falsch erzählt, als das nicht viele Koba und viele Djinne gewesen wären, die hier tanzten, sondern daß da nur ein Djinne und eine Koba ruhig des Weges gegangen wären. Erst nachher hätte Konni die vielen, und zwar tanzenden Kobas und Djinnes getroffen. Andere "Beisitzende" stimmen dem zu und beginnen mit dem sonst sehr sicheren Erzähler einen Streit.)
Konni ging weiter. Nach einiger Zeit kam er an eine Stelle, da waren sehr, sehr viele Koba und Djinne versammelt. Hier war ein sehr, sehr großes Tanzfest veranstaltet. Sowohl die Djinne als die
Koba hatten einen Balafon (Kalebassen-Pianino). Konni sah dem eine Weile zu. Dann nahm er seine Waffe und zielte nach einer trächtigen Büffelkuh. Das ungeborene Kälbchen im Leibe der Büffelkuh rief aber: "Töte nicht meine Mutter!" Dann ging Konni zu den Tanzenden hin. Er setzte sich am Boden nieder. Er schaute dem Spiel der Koba und Djinne zu und hielt dabei den Bogen stets gespannt in der Hand.Kelle-serri, der Vater Konnis, saß inzwischen daheim beim Topf mit Dolo und trank. Er sagte bei sich: "Mein Sohn Konni bleibt recht lange fort; ich werde ihm doch einmal nachgehen und sehen, was er macht." Kelle-serri nahm seinen Bogen und die Pfeile und machte sich auf den Weg. Er folgte so lange, bis er dahin kam, wo die Koba und Djinne tanzten und wo auch sein Sohn Konni saß. Konni erzählte dem Vater alles, was er gesehen hatte. Kelle-serri sagte: "Es ist gut. Wir wollen nun beide schießen. Wir wollen gleichzeitig schießen, du auf eine trächtige Kuh, ich auf einen Djinne." Die beiden schossen. Beide Pfeile trafen. Die trächtige Koba-Kuh und der Djinne fielen tot zu Boden.
Die andern Djinne flohen. Sie nahmen ihr Balafon mit. Die Koba rannten so kopflos von dannen, daß sie ihr Balafon am Boden liegen ließen. Darauf sagte Kelle-serri: "Ich werde den silbernen Armring des getöteten Djinne abstreifen. Den Armring und das Balafon wollen wir mit uns nehmen. Das andere lassen wir für heute liegen, denn es ist schon sehr dunkel. Morgen können wir zurückkommen und die Koba aufteilen." Sie taten es und kehrten so nach ihrem Dorfe zurück.
Am andern Tage kehrten Kelle-serri und Konni zu der Stelle zurück. Sie fanden aber, daß Schakal und Geier die Koba gefressen hatten. Sie waren ärgerlich und wollten den Geier und den Schakal jagen und töten, sahen dann aber nur an einem Baume einen Büffel stehen. Sie nahmen ihre Pfeile und schossen nach dem Büffel. Sie töteten den Büffel. Sie sahen noch einen Büffel. Sie nahmen ihre Pfeile und schossen auch noch diesen Büffel. Sie töteten den Büffel. Der Vater sagte zu Konni: "Nun wollen wir aber für die nötigen Medikamente für Schakal und Geier sorgen, damit es uns nicht heute wieder so mit den Büffeln geht wie gestern mit den Kobas. Kelle-serri und Konni strichen nun starken Vogelleim auf die Zweige des Baumes, unter dem die getöteten Büffel lagen. Sie bauten rund herum Fallen für die Schakale. Dann gingen sie nach Hause.
Als sie am andern Tage sich vorsichtig dem Platze näherten, sahen sie, daß die Schakale in den Fallen gefangen waren und daß die Geier auf den Baumzweigen festsaßen, von denen aus sie auf die Büffel hatten herunterfliegen wollen. Sie sahen in der Luft zwei kleine Kokako (Vögel mit hübschen Schnäbeln) herumfliegen. Sie hörten, wie ein alter Geier den Kokako zurief: "Kommt doch, meine beiden kleinen Dialli und helft mir. Singt mir ein hübsches Lied, damit die Jäger nicht alle Tiere töten können." Die beiden Kokako taten es. Sie holten ihre Jägergitarre und begannen zu singen. Die beiden Jäger hörten und sahen es aber.
So lernten die Menschen die Jägergitarre (die Dusu-ngonni) und das Balafon kennen. Zuerst war die Gitarre in den Händen der Balo (Jägerstamm), die von den Fanne abstammen.
5. Das Geheimnis des JägersIch habe einen Jäger gesehen (das ist die gewöhnliche Form, in den die Bammana-Erzähler die Geschichte ins persönliche Interessengebiet zu schieben suchen) mit Namen Djandjarriduga. Er hatte von jeder Hundeart 120. Er hatte viele Kobas (Pferdeantilopen) getötet. Der Rest der Kobas hatte sich dann in den Löchern des Kaimans versteckt.
Eine Kobafrau mit Namen Na bena djuma heiratete dann einen Menschen, den Jäger. Sie ging, um ihn zu betören, in den Wald und verwandelte sich in eine schöne Frau. Dann ging sie in die Stadt Djandjarridugas. Der Jäger sah sie. Der Jäger fragte: "Wovon lebst du? Von Reis?" Die Frau sagte: "Nein." Der Jäger fragte: "Lebst du von Fufu?" Die Frau sagte: "Nein." Der Jäger fragte: "Was ißt du denn?" Die Frau sagte: "Ich esse Hunde." Der Jäger schlachtete seine Hunde.
Der Jäger sagte: "Willst du bei mir schlafen?" Die Frau sagte: "Warum nicht, aber ich will etwas erhalten. Ich habe einen jungen Bruder, der soll das Jagdhandwerk lernen. Willst du mir einiges sagen, was ihm nützlich ist?" Der Jäger sagte: "Warum soll ich es nicht tun? Komm!" Sie gingen in die Hütte, um zu schlafen.
Als sie in der Hütte waren, fragte Na bena djuma den Jäger Djandjarriduga: "In was verwandelst du dich, wenn du die Koba jagst?" Der Jäger sagte: "In einen Berg, in einen Sumpf, in einen alten Knochen, in einen Kreuzweg (Silafarra)."Die Frau sagte: "Ach so!" Die Frau blieb lange bei dem Jäger.
Die erste Frau des Jägers (die alles gehört hatte) sagte zum Jäger: "Du schwatzt zu viel zu fremden Leuten. Du hast der Frau zu viel verraten." Da wurde der Jäger mit einem Male klug. Er sagte zu sich: "Was soll ich tun? Diese Frau weiß zu viel." Der Jäger sagte zu der Frau: "Ich will dich begleiten." Die Frau sagte: "Es ist gut." Sie gingen. Der Jäger ergriff Pfeil und Bogen. Die Frau sagte: "Laß das daheim, du willst mich unterwegs erschießen." Der Jäger sagte: "Nicht doch." Er stellte Pfeil und Bogen hin und ergriff das Gewehr. Die Frau sagte: "Laß das daheim, du willst mich unterwegs erschießen." Der Jäger sagte: "Nicht doch." Der Jäger stellte das Gewehr hin und ergriff sein Messer. Die Frau sagte: "Laß das daheim, du willst mich unterwegs nur erstechen." Der Jäger blieb zurück. Die Frau ging allein in den Wald zurück.
Der Jäger hatte seine Geheimnisse verraten und seine Hunde geschlachtet. Die Koba waren gerettet.
6. JägerlegendeEin großer Jäger (Donso) mit Namen Sigi Fara Bori* tötete alle Tage große Antilopen und wilde Büffel. Das wurde ihm möglich, weil er viele und sehr gute Hunde hatte. Da verwandelten sich eines Tages zwei wilde Büffel in zwei sehr schöne Mädchen und gingen in dieser Gestalt in das Dorf, in dem Sigi Fara Bori lebte. Auf dem Marktplatz saßen und lagen viele Männer, die betrieben Korbflechterei, Matten- und anderer Dinge Herstellung (Matte ullali, Strohplatte [in Sekko] kaarta, Türvorhang firrifirri). Die Männer riefen den Frauen zu: "Komm und wohne bei mir!" Die Frauen aber antworteten: "Nein, wir sind gekommen, um bei dem Jäger Sigi Fara Bori zu wohnen." Da zeigten ihnen die Leute den Weg.
Sigi Fara Bori wollte den Frauen ein gutes Gericht von Wildfleisch vorsetzen. Die Frauen aber sagten: "Laß das, wir essen nur Hundefleisch." Hierauf ging der Jäger zu seinem Hundestall und schlachtete zwei schöne Tiere. Das Fleisch schmeckte den Mädchen sehr gut. Nachher gingen sie mit dem Jäger schlafen. Die Mutter Sigi Fara Boris sammelte aber sorgfältig alle Knochen auf und rieb sie aneinander. Darauf liefen statt der Knochen viele kräftige junge Hunde auseinander, die lockte sie herbei, sammelte sie in einem seitwärts gelegenen neuen Stall und gab ihnen gutes Essen.
Als die Frauen die Hunde Sigi Fara Boris aufgegessen hatten, sagten sie: "Wir wollen nun wieder gehen." Der Jäger sagte: "Geht morgen, dann will ich euch noch ein Stück begleiten." Die Mutter des Jägers nahm ihn beiseite und sagte: "Du hast mit den zwei Frauen geschlafen und ihnen viel von deinem Charakter enthüllt (der Erzähler drückt das so aus: "Kani ikonno beffo sukilli mussuje" —wahrscheinlich soll das so viel heißen als: "Du hast ihnen viel von deinen Jagdgeheimnissen oder von der Wirkungsart deiner Zaubermittel enthüllt!"); sei also auf deiner Hut und nimm dieses weiße Pulver, das ein Zaubermittel ist, mit auf den Weg." Der Jäger steckte das Pulver in sein Gewand und sagte: "Es ist gut."
Am andern Tage sagte er zu den beiden Frauen: "Wir wollen gehen!" Er griff nach dem Gewehr in der Ecke. Die Frauen sagten: "Ach, du willst uns unterwegs töten. Laß das Gewehr!" Er sagte: "Gut!" und griff nach dem Säbel. Die Frauen sagten: "Ach, du willst uns unterwegs töten. Laß den Säbel!" Er sagte: "Gut!" und machte sich dann mit ihnen auf den Weg.
Als er mit ihnen ein Stück weit gegangen war, sagten die Frauen: "So, nun bist du weit genug mitgegangen; nun kannst du umkehren!" Sigi Fara Bori sagte: "Nein, hier kehre ich nicht um; hier habe ich eine Koba getötet. Ich werde euch noch ein Stück weit begleiten." Sie gingen noch ein Stück weiter; da sagten die Frauen: "So, nun bist du weit genug mitgegangen; nun kannst du umkehren!" Sigi Fara Bori sagte: "Nein, hier kehre ich nicht um; hier habe ich einen wilden Büffel getötet. Ich werde euch noch ein Stück weit begleiten."
Sie gingen noch ein Stück weiter, bis sie an einen großen Baobab (Sira) kamen. Die Frauen sagten: "Ach, steige hinauf und wirf uns von den Früchten herab!" Der Jäger sagte: "Es ist recht!" und stieg auf den Sira hinauf.
Als Sigi Fara Bori auf dem Baume war, verwandelten sich die Frauen wieder in Büffel. Dann riefen sie laut alle großen Antilopen und wilden Büffel zusammen und schrien: "Kommt alle her, wir haben den Jäger auf einen Baum gelockt; nun wollen wir den Baum umschlagen und den Jäger töten." Darauf kamen alle großen Antilopen und Büffel mit Beilen herbei und begannen den Baum umzuschlagen. Sigi Fara Bori rief seiner Mutter (wahrscheinlich durch Zaubermittel) zu, daß er in Not sei. Als der Baum fast durchgeschlagen war, so daß er beinahe stürzte, streute er einer Bassa (Eidechse) von dem weißen Zaubermittel seiner Mutter zu. Die schlug darauf mit
dem Schwanze gegen den Baum und der war dann wieder hergestellt. Dreimal schlugen die Tiere den Sirabaum fast um; dreimal streute Sigi Fara Bori der Bassa das Pulver zu; dreimal stand der Baum wieder heil und ohne Lücke da. Inzwischen hatte seine Mutter die vier Hundehütten geöffnet, die Hunde waren herausgestürzt und kamen nun herbei, um die wilden Büffel und Antilopen zu töten. Als das vollendet war, stieg Sigi Fara Bori wieder herab.7. Jäger und NjinaEin Jäger hatte alle Tiere bis auf eine Njina (d. i. Maus) getötet. Diese Njina hatte neun Köpfe. Njina hatte gesagt: "Am Tage, da ich den Jäger sehe, werde ich ihn töten." Der Jäger sagte: "Am Tage, da ich die Njina sehe, werde ich sie essen." Njina ließ dem Jäger sagen: "Morgen werden wir uns am Flusse treffen, um uns zu schlagen." Der Jäger ließ sagen: "Warte nur, bis ich ankommen werde." Njina ließ sagen: "Oh, ich bin alle Tage da."
Am andern Morgen trafen sie sich richtig. Der Jäger schoß mit der Flinte. Njina fiel hin und stand wieder auf und sagte: "Du hast zwar nach mir geschossen; ich lebe aber noch." Darauf nahm der Jäger die Njina und schluckte sie herunter. Njina sagte aus dem Bauche heraus: "So, nun trinke einmal!" Der Jäger trank. Darauf sagte Njina zum Jäger: "So nun scheiße einmal! Dann werden wir schon sehen!"
Der Jäger begann sich zu entleeren. Er kackte ununterbrochen, bis um ihn herum ein ganzer Wall angehäuft war. Njina kam auch heraus. Njina bohrte ein Loch in die Erde, das bis in einen Sumpf führte, und war damit gerettet. Der Jäger aber starb.
8. JägerlegendeEin Jäger ging alle Tage auf die Jagd. Eines Tages sah er Mballa (das Stachelschwein). Die Mballa liefen weg in ihr Loch in der Erde. Der Jäger setzte sich vom Morgen bis zum Abend vor das Loch und wartete, ob die Mballa nicht wieder herauskämen. Die Mballa kamen nicht wieder heraus. Dagegen kam gegen Abend der Familienvater der Suruku und begrüßte den Jäger. Der Jäger fragte: "Was willst du hier?" Der Suruku sagte: "Ich wohne hier im Loch über den Stachelschweinen. Die Stachelschweine haben aber auf der andern Seite noch ein Loch, und da sind sie weggelaufen."
Dann kamen auch die kleinen Schakale. Der alte Suruku schickte einen jüngeren Schakal auf den Weg, der rechts zu dem Dorfe führte, und er schickte einen auf den Weg, der links zum Dorfe führte. Der Jäger ging auf den Weg in der Mitte. Der alte Suruku sagte zum Jäger: "Jetzt lauf, sonst geht es dir schlecht." Der Jäger lief. Die kleinen Schakale jagten ihn rechts und links.
9. Die Jäger und die SamaDie Sama (Elefanten) schlugen sich wegen einer Frau mit den Jägern. Die Sama sagten: "Wir wollen die Frau." Die Jäger sagten: "Wir wollen die Frau." Alle Jäger des Landes versammelten sich. Alle Sama des Landes versammelten sich. Die Sama töteten 40 Jäger. Nur ein Jäger blieb übrig. Der Jäger sagte: "Ich will alle Sama töten."
Der Jäger nahm 40 Kanonen und 40 Pistolen. Er schoß die 40 Pistolen ab. Kein Elefant fiel. Er schoß die 40 Kanonen ab. Kein Sama fiel. Dann schlug er nur mit der Hand und mit der erschlug er gleich 40 Sama. Dann tötete er mit dem Bein 40 Sama. Es war sein Bein dann aber auch bis zum Knie zerbrochen. Nun stieß er mit dem Kopf und tötete 30 Elefanten. Er tötete alle Elefanten bis auf einen einzigen.
Er wollte diesen einen Elefanten angreifen; der ergriff ihn aber mit dem Rüssel und schluckte ihn hinunter. Dann entleerte sich der Elefant nach hinten. Da verwandelte sich der Jäger in eine Kokosnuß und ließ sich hinten wieder herausmachen.
10. JägerlegendeEs waren in dem Dorfe Kumbe drei tüchtige Jäger, nämlich Tegele, Mana und Njorogill. Sie waren Brüder und Kinder gleicher Mutter und gleichen Vaters. Tegele jagte auf Gazellen, Mana auf Strauße, Njorogill auf Elefanten. Alle diese Brüder waren weit und breit berühmt als außerordentlich tüchtig in ihrem Handwerk. Eines Tages ging der große Bruder wieder einmal in den Busch.
Als Tegele in den Busch kam, traf er da eine Gazelle. Er wollte sein Gewehr nehmen und auf sie schießen, da rief die Gazelle: "Wenn du mich heute tötest, wirst du auch sterben. Ich warne dich, dies zu tun." Der Jäger sagte: "Was kümmert mich dies Geschwätz!" Damit schoß er. Sofort wuchs der eine Hoden der Gazelle riesenhaft an. Tegele griff nochmals zur Büchse. Er schoß noch einmal. Da wuchs der Gazelle der andere Hoden zu riesenhafter Größe an. Tegele ergriff nochmals die Büchse, um auf die Gazelle zu schießen. Da pflückte aber die Gazelle nebenbei ein Zauberkraut ab. Tegele schoß, der Schuß ging ihm aber in seinen eigenen Arm. Darauf ging Tegele mit seinem verwundeten Arm nach Hause.
Zu Hause sagte er zu Njorogill: "Ich traf heute eine Gazelle, die warnte mich, auf sie zu schießen. Als ich es aber doch tat, bekam sie große Hoden, dann nahm sie ein Zauberkraut, und als ich auf sie schoß, ging der Schuß in meinen eigenen Arm." Der Bruder Njorogill sagte: "Wir wollen einmal zusammen auf den Platz gehen. Kennst du die Stelle wieder?" Tegele sagte: "Ja, den Ort kenne ich sicherlich wieder." Njorogill sagte: "So komm." Sie nahmen von ihrem Bruder Mana Abschied und sagten: "Wir gehen und machen auf eine Gazelle (-iua-) Jagd. Diese Gazelle scheint eigenartige Zauberkräfte zu haben." Mana sagte: "Seid ja vorsichtig."
Die beiden Jäger machten sich auf den Weg. Sie fanden die Spur. Sie kamen an die Stelle, an der Tegele auf die Gazelle geschossen hatte. Sie sahen sich im Busch um. Sie sahen im Busch die Gazelle stehen. Njorogill ergriff die Büchse. Er wollte auf die Gazelle schießen. Doch da versagte sein Gewehr. Darauf nahm er von seinem stärksten Toru (Zaubermittel) und mischte das in die nächste Ladung der Büchse. Er schoß noch einmal. Aber der Schuß tötete die Gazelle nicht. Die Gazelle verwandelte sich nun vielmehr in einen wilden Büffel (in Fulfulde = Edde; in Soroko = Schongoiua; in Bammana =Schigi). Der wilde Büffel stürzte sich aber auf die beiden Jäger und tötete sie.
Inzwischen blickte Mana oft auf den Weg, auf dem die beiden Jäger fortgegangen waren. Seine beiden Brüder kamen nicht. Mana sagte: "Meine Brüder sind nun schon lange fort." Es wurde Abend. Tegele und Njorogill kamen nicht. So machte sich denn Mana mit seiner Büchse auf, um seine Brüder zu suchen. Er kam dahin, wo die Brüder auf die Gazelle geschossen hatten. Da sah er den wilden Büffel. Der Büffel hatte aber auf jeder Seite am Ohre eine Lampe.
Als Mana das sah, befiel ihn Angst. Er lief schnell wieder nach Hause. Daheim fragte ihn seine Frau: "Wo sind denn deine beiden Brüder?" Mana sagte: "Die Gazelle hat sich in einen wilden Büffel verwandelt. Nun trägt er an jedem Ohre eine Lampe. Als ich diese Lampen sah, befiel mich Angst. Ich floh und bin so wieder nach Hause gekommen."In einem Soroko- (Bosso) Dorfe mit Namen Lau wohnte ein Donso. Der wollte gerne die Tochter Tegeles heiraten. Er machte sich auf den Weg und kam nach Kumba. Er traf im Dorfe Kumba die Tochter Tegeles und sagte: "Ich möchte dich gerne heiraten." Die Tochter Tegeles sagte: "Mein Vater Tegele ist von einer Gazelle getötet worden, die sich in einen wilden Büffel verwandelt hat. Der Büffel trägt jetzt an jedem Ohre eine Lampe. Wenn du den wilden Büffel tötest, will ich dich heiraten." Der Jäger aus Lau sagte: "Es ist gut. Ich werde den wilden Büffel jagen. Heute abend müßt ihr aber für mich tanzen." Die Tochter Tegeles sagte: "Wir werden heute abend für dich tanzen."
Abends kamen die Dorfbewohner mit Trommeln zusammen. Die Tochter Tegeles fragte: "Welchen Sang sollen wir vor dir jetzt tanzen?" Der Jäger sagte: "Singt folgendes Lied:
Kobi pinni nangi nange (Antilope Morgenstunde Sonne will fangen), Allah djabani (Gott will nicht). Njibi pini nangi nange (der Elefant Morgenstunde Sonne will fangen), Allah djabani (Gott will nicht). Donso pinni nangi nange (Jäger Morgenstunde Sonne will fangen), Allah djabi (Gott will es)." |
Das Lied sangen die jungen Mädchen bis zum andern Morgen. Am andern Morgen machte sich der Jäger aus Lau auf den Weg, den wilden Büffel zu suchen.
Der Jäger hatte in seinem Quersack aus Ziegenfell allerhand Toru. Er meinte: "Die müssen mir helfen. Ich werde den Weg finden." Er suchte und suchte, aber er fand den wilden Büffel nicht. Endlich traf er einen fremden Mann. Er fragte: "Hast du nicht den
wilden Büffel mit den beiden Lampen an den Ohren gesehen ?" Der Mann sagte: "Nein, ich habe dieses Tier nicht gesehen. Ich will dir aber sagen, wie du ihn treffen kannst. —Wenn du diesen Weg verfolgst, kommst du in eine alte, zusammengestürzte Dorfruine. Diese Dorfruine ist der Lagerplatz, den der Büffel immer aufsucht." Der Jäger sagte: "Es ist gut." Er ging weiter.Der Jäger kam an die Ruine. Aber der wilde Büffel war nicht an der Ruine, denn er war ausgegangen. Es stand da aber ein mächtiger Baum am Wasser. Auf diesen Baum kletterte der Jäger. Er wartete auf dem Baume bis zum Abend. Er wartete und wartete. Aber bis zum Abend kam der wilde Büffel nicht.
Gegen Mitternacht aber kamen zwei Löwen, ein männlicher und ein weiblicher. Diese beiden Löwen hatten auch vor, den wilden Büffel zu überfallen. Sie wollten den Büffel töten. Sie legten sich am Fuße des Baumes nieder und warteten wie der Jäger. Um Mitternacht kam der wilde Büffel. An seinen Ohren waren die beiden Lampen. Als der wilde Büffel kam, sagte der männliche Löwe zu der Löwin: "Geh du nun zur Seite." Darauf kroch die Löwin in den Busch. Der männliche Löwe aber nahm einen Anlauf, um auf den wilden Büffel zu springen. Der wilde Büffel aber packte ihn mit den Hörnern und tötete sogleich mit einem Stoße den Löwen.
Als die Löwin das sah, begann sie sehr zu heulen. Sie heulte so laut, daß ein anderer Löwe, der in dem Busch war, das hörte. Es war ein männlicher Löwe. Er kam herbei. Er sah, daß der wilde Büffel den Löwen getötet hatte, und er begann nun seinerseits den wilden Büffel anzugreifen. Er unternahm einen Sprung, aber der wilde Büffel überrannte ihn. Der wilde Büffel wollte den Löwen mit den Hörnern am Boden zermalmen, aber der Löwe rollte wie eine Kugel vor dem wütenden Büffel her.
Endlich paßte der Löwe einen günstigen Augenblick ab und sprang dem wilden Büffel an das Maul. Nun begann er in das Maul zu blasen. Er blies und blies, so daß dem wilden Büffel der Leib aufgeblasen ward und er mächtig anschwoll. Zuletzt hatte der wilde Büffel soviel Luft im Leibe, daß er hinfiel und starb. Der Löwe hatte aber so stark geblasen, daß er auch herunterfiel und tot war.
Als der wilde Büffel tot war, sprang die Löwin herzu und wollte beginnen den Büffel zu fressen. Da ergriff aber der Jäger seine Büchse und schoß die Löwin vom Baume aus tot. Er stieg alsdann
herab und schnitt den drei Löwen und dem wilden Büffel die Schwänze ab. Mit denen ging er in das Dorf Kumba zurück und erhielt nun die Tochter Tegeles zur Frau.11. Verbotener NameEine Frau Kundamussu hatte kein Kind. Alle ihre Freundinnen hatten Kinder. Sie allein war kinderlos. Eines Tages aber gebar sie ein Kind. Das Kind erhielt einen Namen, der nie gebraucht werden durfte, und wurde Sarramuke genannt. Eines Tages war der Knabe am Brunnen. Eine Frau kam und sagte: "Gib mir den Strick zum Wasserhochziehen!" Sarramuke hörte nicht. Die Frau sagte: "Gib mir den Strick zum Wasserhochziehen!" Sarramuke hörte nicht. Die Frau sagte: "Gib mir den Strick zum Wasserhochziehen!" Sarramuke hörte nicht. Da rief ihn die Frau mit dem Namen, der zu nennen verboten war. Sie rief: "Mingonikollodjerrani!" (mmgoni = eine Frucht; kollo =Fruchtschale; djerrani =trocken.)
Sogleich lief Sarramuke fort. Er lief und sang: "Bakonne ne ma Sarramuke! Bakonne ne ma Sarramuke! Bakonne ne ma Sarramuke (bakonne = Vater mein; ne =mir, ma =sagt; Sarramuke = der Name, d. h. mein Vater nennt mich Sarramuke). Der Knabe lief aus der Stadt auf einen Hügel. Auf dem Hügel stand ein Mingobaum. Sarramuke kletterte auf den Mingobaum und ward sogleich zu einer Frucht.
12. Das Feld SawunjimasEin Mann suchte weit umher, um einen geeigneten Platz für ein Feld zu finden. Lange fand er keine geeignete Stelle. Endlich fand er einen großen Busch. Wo der sich ausdehnte, legte er seinen Acker an. Dieser Acker hatte eine Ausdehnung wie von Bamako nach Timbuktu. Am andern Morgen zündete er das ausgerissene Reisig und Strohwerk an. Am dritten Morgen kam er mit einem einzigen Hirsekorn. Er begann das Hirsekorn zu säen. Er besäte damit den ganzen Acker. Und dann brachte er das eine Hirsekorn doch wieder mit nach Hause. Am nächsten Morgen ging er wieder zur Pflege des Ackers hinaus. Da war die Hirse schon hochgeschossen, war abgeblüht.
Die Frau des Mannes sagte: "Ich will morgen hingehen und dein Feld ansehen." Der Mann sagte: "Ich warne dich, gehe nicht hin!
Denn der Djinna (Teufel) Sawunjima, der da ist, ist sehr schlecht. Wenn du mit deinem Kinde dahin kommst, wird es von der Hirse verlangen. Du wirst es nicht abzuschlagen vermögen, wirst davon abreißen, und das wird dann Sawunjima übelnehmen." Die Frau ging mit dem Sohne doch hin. Sie kam an das Feld. Das Kind forderte eine Ähre. Sie schnitt eine Ähre ab.Kaum war die eine Ähre gefallen, so lagen auch alle Ähren des Feldes am Boden. Sawunjima hatte sie alle abgeschnitten. Die Frau kam entsetzt nach Hause. Der Mann sagte: "Du hast nicht hören wollen. Nun siehst du die Folgen! Setze dich allein mit Sawunjima auseinander. Ich kümmere mich nicht mehr darum. Es ist deine Sache."
Dann kam Sawunjima und versetzte der Frau einen Schlag. Da wurde die Frau in einen Berg verwandelt. Den Berg sieht man noch heute im Busch.
13. Uarra JelemaEs war ein Mann, der sich, um andere Leute anzufallen, ihnen Geld und Gut abzunehmen und sie zu töten, nicht des Pfeiles, Gewehres, Messers, Beiles oder anderer Waffen bediente, sondern der sich in einen Panther oder Löwen verwandelte. Er war eben ein Uarra Jelema, der gern die Reisenden anfiel. Er war im ganzen Lande bekannt. Im Süden wohnte ein Mann namens Sanke. Der hatte auch von diesem Uarra Jelema gehört und sagte: "Ich möchte doch sehen, ob ich nicht mit ihm fertig werde." Sanke packte seine Waren auf und nahm Marrfa (Flinte), Tamba (Pfeil), Mfang (Säbel) und Djende (Axt) mit. Er kam unbehelligt in der großen Stadt an, in der der Uarra Jelema wohnte.
Sanke suchte ausdrücklich das Haus des Uarra Jelema auf, stieg da ab und blieb über Nacht. Der Hausherr fragte ihn: "Ach, du bist unterwegs nicht von einem Panther angefallen?"Sanke sagte: "Ach, die Panther fallen nur die an, die sie töten können. Mich fallen sie nicht an. Morgen reise ich weiter nach Norden. Es wird keinem Panther einfallen, so dumm zu sein, mich anzugreifen." Der Hausherr: "Was du sagst! Dich sollten die Panther nicht anfallen, weil es für sie unmöglich sei, dich zu töten?" Sanke sagte: "Ja, so ist es!"
Sanke packte am andern Tage alle seine Sachen auf, um nach Norden weiterzureisen. Als er einige Zeit gereist war, kamen Leute gerannt, die riefen: "Im Busch ist ein Panther, der dich anfallen
wird!"Sanke sagte: "Panther fallen nur solche Leute an, die sie töten können. Mich können sie nicht töten." Sanke reiste weiter. Nach einiger Zeit kam ein Panther aus dem Gebüsch und sagte: "Rüste dich!" Sanke nahm seine Marrfa (Flinte) und schoß. Die Negede (Kugel) glitt am Panther ab; er legte sie zur Seite. Der Panther sagte: "Rüste dich!" Sanke nahm seine Tamba (Pfeil) und schoß. Der Tamba splitterte am Panther entzwei. Der Panther nahm die Splitter, legte sie zur Kugel und sagte: "Rüste dich!" Sanke nahm seinen Mfang (Säbel) und schlug. Der Säbel zersprang in Stücke. Der Panther ergriff die Stücke und legte sie zu der Kugel und den Pfeilsplittern. Der panther sagte: "Rüste dich!"Sanke nahrn seine Djende (Axt) und schlug. Die Axt zersprang in Stücke. Der Panther nahm die Stücke und legte sie zu der Kugel, den Pfeilsplittern und Säbelstücken. Der Panther sagte: "Rüste dich!" Der Panther sprang auf Sanke zu.Da packte Sanke den Panther mit der einen Hand am Schwanz, mit der andern an der Zunge im Rachen. Er krempelte den Panther vollkommen um und fragte: "Sage mir doch, Uarra Jelema, kannst du mich töten?" Der Panther sagte: "Nein!"
14. Subaga-LegendeEin kleiner Knabe war mit einem Mädchen sehr befreundet. Sie war seine Braut. Sie kamen fast alle Tage zusammen. Das Mädchen wußte aber nicht, daß der Bube ein Subaga (oder Subacha =Gespenster, Kannibale, gleich dem Muleschi der Baluba) war. Eines Nachts kam sie zu ihm. Er war nicht da, denn er war als Subaga fortgegangen. Sie setzte sich in einen Winkel und wartete. Nach einiger Zeit kam er.
Der Subagaknabe kam herein und kratzte mit einem Hölzchen in den Zähnen. Er sagte (vor sich hin): "Das Fleisch von Kindern bleibt einem doch immer in den Zähnen hängen!" Das Mädchen hustete. Der Bursche sprang entsetzt auf, verwandelte sich in einen Panther, glitt heraus und draußen empor an der Wand. Durch eine Lücke kam aber sein Schwanz einen Augenblick in die Hütte. Da packte das Mädchen den Schwanz. Das Mädchen schrie dann aus Leibeskräften. Der Panther konnte nicht fort. Es kamen Leute, die schossen den Panther tot.
Seitdem geht man abends und nachts nie in ein Zimmer, ohne erst genau umzusehen, was im Zimmer ist.
15. Die SubachamussuEine Subachamussu (Zauberin, die Menschen frißt; mussu = Frau) gebar jedes Jahr ein Kind und fraß es dann auf. Sie gebar wieder ein Kind. Der Knabe hieß Mamadu bomie. Seine Mutter wollte ihn alsbald essen. Der Knabe sagte: "Laß mich jetzt. Iß mich, wenn ich größer geworden bin. Dann werde ich fett sein und du wirst etwas von mir haben." Die Subachamussu ging. Nach einiger Zeit kam die Subachamussu wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Der Knabe sagte: "Laß mich erst noch mit den andern Knaben beschnitten sein, dann hast du etwas Rechtes von mir." Die Subachamussu ging. Sie kam nach einiger Zeit doch wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Mamadu bomie sagte: "Ich bin jetzt von der Beschneidungszeit etwas mager. Warte, bis ich mich herangefüttert haben werde, dann hast du etwas recht Gutes." Die Mutter ging.
Nach einiger Zeit kam die Subachamussu wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Mamadu bomie sagte: "Laß mich doch erst heiraten, denn dann hast du doch nachher zwei Menschen zu verzehren!" Die Mutter ging und ließ ihn heiraten.
Nach einiger Zeit kam die Subachamussu wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Mamadu bomie sagte: "Kaufe mir erst ein Pferd. Dann hast du nachher dreifach gute Speise." Die Mutter ging und kaufte ihm ein Pferd.
Nach einiger Zeit kam die Subachamussu wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Mamadu bomie sagte: "Kaufe mir erst ein Messer; wenn du das nachher verhandelst, kannst du noch einen Mann dafür einkaufen." Die Mutter ging und kaufte ihm ein Messer.
Nach einiger Zeit kam die Subachamussu wieder, um Mamadu bomie zu verzehren. Mamadu bomie sagte: "Kaufe mir erst ein Gewehr; wenn du das nachher verhandelst, kannst du noch einen Mann dafür kaufen." Die Mutter ging und kaufte ihm ein Gewehr.
Eines Tages sagte die Subachamussu: "Heute abend werde ich dich verzehren." Da nahm Mamadu bomie sein Messer und sein Gewehr, stieg auf sein Pferd, nahm seine Frau hinter sich und ritt heimlich von dannen.
Mamadu bomie kam zu den Blissi. Er sagte zu den Blissi (Teufeln): "Ich fliehe vor meiner Mutter, die eine Subachamussu ist." Die Blissi sagten: "Bleib hier. Deine Mutter kann dich hier nicht essen." Abends machte sich die Mutter auf und kam hinter
Mamadu bomie her. Sie kam wie der Wind: "Wi wu, wi wu, wiiii wuuu!" Sie zerbrach alle Bäume: "Krick krack, krick krack, krick krack!" Die Blissi sagten: "Ist das deine Mutter?" Mamadu bomie sagte: "Ja, das ist meine Mutter!" Die Blissi sagten: "Deine Mutter ist fürchterlich! Flieh weiter." Mamadu bomie nahm seine Frau, sein Gewehr, sein Messer und bestieg sein Pferd. Er floh weiter.Mamadu bomie kam zu den wilden Tieren. Er sagte zu den wilden Tieren: "Ich fliehe vor meiner Mutter, die eine Subachamussu ist." Die wilden Tiere sagten: "Bleib hier, deine Mutter kann dich hier nicht essen." Als aber abends die Mutter win wuuu, win wuuu, krick krack, krick krack ankam, sagten sie ihm: "Deine Mutter ist fürchterlich, flieh weiter!" Er bestieg sein Pferd und floh weiter.
Mamadu bomie kam zu Butani (auch Kosson =Skorpion). Er sagte zu Butani: "Ich fliehe vor meiner Mutter, die eine Subachamussu ist." Butani sagte: "Bleib hier, deine Mutter kann dich hier nicht essen." Mamadu bomie sagte: "Nicht einmal die Blissi und die großen Tiere konnten mich schützen, und du bist ein so kleines Tier." Butani sagte: "Laß nur!" Butani war Spinner. Butani nahm seine Fäden, setzte Mamadu bomie mit Pferd und Weib hinein und wartete.
Nach einiger Zeit kam win wuuu, win wuuu, krick krack, krick krack die Subachamussu. Sie fragte Butani: "Hast du Mamadu bomie versteckt?" Butani sagte: "Nein." Subachamussu sagte: "Wenn du es nicht sagst, töte ich dich."
Sie setzte Butani in ihr Ohr. Butani stach. Sie ließ ihn herausfallen. Sie sagte: "Wenn du es nicht sagst, töte ich dich!" Sie setzte Butani in ihr Auge. Butani stach. Sie ließ ihn herausfallen. Sie sagte: "Wenn du es nicht sagst, töte ich dich!" Sie setzte Butani in ihren Mund. Butani kroch in ihren Leib. Butani stach sie überall im Leibe. Der Leib der Subachamussu schwoll mächtig an. Die Subachamussu starb.
Butani kam hinten wieder heraus und nahm Mamadu bomie mit Pferd, Weib, Flinte und Messer wieder aus dem Gewebe.
16. Die drei TöchterEine Frau hatte drei Töchter. Die erste hieß Jamma wai (neunmal denkend), die zweite hieß Jamma jopoï (siebenmal denkend), die dritte hieß Jamma je (einmal denkend). Alle drei Schwestern wuchsen heran.
Eines Tages kam die Schwester des Vaters der drei Mädchen zu der Mutter der drei Mädchen und sagte zu ihr: "Höre, ich habe selbst nur ein Kind; du hast deren drei. Leih mir eines deiner Kinder, daß ich es mit dem meinen zusammen erziehe." Die Mutter sagte: "Gut, ich will das tun. Ich will dir Jamma wai leihen, wenn sie selbst damit einverstanden ist." Die Mutter rief Jamma wai und fragte sie in Gegenwart der Tante: "Willst du deine Vaterschwester begleiten. Deine Vaterschwester möchte dich mit ihrem Kinde zusammen erziehen." Jamma wai sah die Tante an und sagte: "Ja, ich will mit ihr gehen." Mutter und Tante sagten: "Es ist gut."
Nachher, als die Tante anderwärts war, nahm die Mutter Jamma wai beiseite und sagte zu ihr: "Du hast heute den Vorschlag der Vaterschwester angenommen und dich bereit erklärt, die Tante in ihr Dorf zu begleiten. Du weißt, daß man von ihr sehr Schlechtes erzählt. Sage mir nun, was wirst du tun, wenn die Tante dir etwas anhaben will?" Jamma wai sagte: "Wenn sie mich verfolgt, verwandle ich mich erst in einen Stein. Will sie einen Fuß auf mich setzen, so verwandle ich mich in einen stacheligen Zweig. Will sie den abhacken, so verwandle ich mich in langes Gras. Will sie das mit der Sichel abschlagen, so verwandle ich mich in einen Dongodo-Baum (Nerebaum der Mande)." Die Mutter sagte: "Es ist gut, sprich nicht weiter. Man kann nicht wissen, was die Tante hört. Behalte das übrige für dich."
Jamma wai reiste mit der Tante ab in deren Dorf und Gehöft. Dort schlief Jamma wai mit dem Kinde der Tante zusammen in einem Bett. Nun war die Tante wirklich eine Schoija (Joja, d. i. ein Vampirmensch, ein Subaga nach Mande-Ausdruck). Jede Nacht versuchte die Tante Jamma wai zu erwischen, um sie zu töten, aber da beide Mädchen, ihr eigenes Kind und Jamma wai, in einem Bett lagen, so war es ihr unmöglich, sie in der Dunkelheit zu unterscheiden.
Um nun aber doch ein Unterscheidungsmerkmal zu gewinnen, kaufte sie eines Morgens Salz und rieb die Decke Jamma wais heimlich damit ein. Sie sagte sich, wenn sie nun nachts daran lecke, so werde sie beide Kinder leicht voneinander unterscheiden können.
Als Jamma wai sich abends mit ihrem Baumwollüberwurf zudecken wollte, fühlte sie ihn an und sagte: "Das ist ein Gefühl, das ich sonst nicht wahrnahm." Sie leckte daran und sagte: "Meine Baumwolldecke ist in das Salz der Tante gefallen. Da ist es besser, daß das Kind der Tante die Decke über sich nehme." Und sie ver
tauschte unauffällig die Baumwolltücher, so daß in der Nacht das Kind der Tante, in den gesalzenen Stoff eingehüllt, im Bett lag, während sie das Tuch des andern Mädchens über sich geworfen hatte.Des Nachts nun machte sich die Tante als Schoija auf, ihr Opfer zu ergreifen. Sie trat an das Bett der Mädchen. Sie leckte erst an dem Laken, das über Jamma wai gedeckt war, und sagte: "Dieser Stoff ist nicht salzig; das ist nicht die richtige." Dann leckte sie an dem Stoff, in den ihr eigenes Kind gehüllt war, und sagte: "Diese Decke ist salzig; das ist die richtige." Sie tötete darauf ihr eigenes Kind; sie zerlegte es; sie kochte es. Dann aß sie. Sie aß fast ihr ganzes Kind auf und ließ nur den Kopf, die Beine mit den Füßen und die Arme mit den Händen übrig. Diesen Rest tat sie in eine Kalebasse und stellte die Kalebasse auf eine Ecke.
Am andern Morgen machte sich die Tante auf den Weg, um draußen Korn zu schneiden. Sie ging am Bett der Mädchen vorbei und rief dem darinliegenden Mädchen zu: "Ich gehe auf das Feld, Korn zu schneiden. Wenn du aufstehst und Hunger hast, greife auf die Ecke dort. Da ist in der Kalebasse Kopf, Arme und Beine als Speise für dich." Dann ging sie auf das Feld.
Nach einiger Zeit erhob sich Jamma wai, folgte der Tante aufs Feld nach und rief ihr aus der Entfernung zu: "Schwester meines Vaters, ich will dir nur sagen, daß ich solche Sachen, wie du sie mir heute morgen angeboten hast, nicht esse. Übrigens hast du dein eigenes Kind getötet. Endlich magst du wissen, daß ich ein Mensch bin, der neunmal denkt, daß es dir also nicht so leicht werden wird, mich zu erreichen." Als die Tante das hörte, wollte sie sich auf Jamma wai stürzen und sie töten.
Jamma wai aber verwandelte sich in einen Stein. Die Tante, die das Gespräch zwischen Jamma wai und ihrer Mutter gehört hatte, lief darauf zu, um den Fuß auf den Stein zu setzen. Jamma wai aber verwandelte sich nun sogleich in einen Stachelzweig. Die Tante wollte ihn zerhacken, Jamma wai aber verwandelte sich in ein Grasbündel. Das wollte die Tante abreißen. Jamma wai verwandelte sich aber in einen großen Dongodo-Baum. Die Tante begann den umzuschlagen.
Nun verwandelte sich Jamma wai in eine Nadel (Fö-ping). Die Tante suchte. Bis zur Verwandlung in den Dongodo-Baum hatte Jamma wai mit ihrer Mutter gesprochen, und das hatte die Tante mit angehört, aber die nächste Verwandlung kannte die Tante nicht.
Sie suchte überall, während Jamma wai als Nadel dalag. Endlich kehrte die Tante unverrichteter Sache heim. Sie hatte Jamma wai nicht finden können. Jamma wai aber kehrte unbeschädigt heim.Deshalb muß man, wenn man irgend jemand etwas sagen will, immer nur die Hälfte sagen.
Viele Männer bewarben sich um Jamma jopoi. Aber Jamma jopoi wollte keinen von ihnen zum Manne haben. Sie sagte stets: "Ich heirate keinen, den mir die Überlegungen meiner sieben Gedanken nicht besonders anempfehlen. Ich folge nur meinen sieben Gedanken." Es kam ein Mann mit einem schönen Pferd, sich um Jamma jopoï zu bewerben. Sie schlug ihn ab. Es kam ein Mann mit Kühen, sich um Jamma jopoi zu bewerben. Sie schlug ihn ab. Es kam ein Mann mit Sklaven, sich um Jamma jopoi zu bewerben. Sie schlug ihn ab. Sie nahm von allen denen, die ihr viel boten, keinen.
Das hörte ein Mann, der nur einseitig war, d. h. nur auf einer Seite ein sehendes Auge, einen brauchbaren Arm, ein brauchbares Bein hatte. Als der vernahm, daß Jamma jopoi alle ordentlichen Leute zurückwies, sagte er (zu sich): "Ich werde es versuchen." Der Mann ging in den Busch, da wo der Kansobere (ein Vogel mit dunkelblauen Federn, mit langem Schwanz und grünen Augen) wohnte. Er sagte zum Kansobere: "Leih mir dein Kleid." Im selben Busch wohnte Sansanga (ein bunter kleiner Vogel). Er sagte zu Sansanga: "Leih mir deinen Kopfputz!" Kansobere gab sein Kleid. Sansanga gab seinen Kopfputz. Der Mann kleidete sich dahinein. Nun konnte man nicht mehr sehen, daß er nur einseitig war. Er machte sich auf den Weg nach dem Dorfe, in dem die Mutter mit den drei Töchtern wohnte.
Als der Mann mit dem Kopfputz des Sansanga und im Kleide des Kansobere erschien, sagte Jamma jopoi sogleich: "Diesen Mann will ich heiraten." Sie ging auf den Mann zu und sagte: "Dich will ich zum Manne haben." Der Mann sagte: "Es ist gut; komm mit!" Sie wollten sich beide auf den Weg machen. Jamma wai nahm aber ihre jüngere Schwester Jamma jopoi beiseite und sagte zu ihr: "Geh nicht allein. Wenn du dem unbekannten Manne folgen willst, nimm ja einen kleinen Knaben mit dir. Zwei Menschen können immer weit mehr als einer allein." Jamma jopoi sagte: "Ich habe meine sieben Überlegungen." Jamma wai sagte: "Mit allen sieben Überlegungen bleibst du doch nur allein. Nimm noch einen Knaben mit." Jamma jopoi war einverstanden. Sie nahm einen kleinen Jungen mit.
Der Mann trat nun mit Jamma jopoi und dem kleinen Jungen den Hausweg an. Die drei gingen sehr, sehr weit. Sie kamen an den Busch, in dem der Mann bei Sansanga den Kopfputz und bei Kansobere das Kleid geliehen hatte. Er sagte zu seiner Frau: "Warte mit deinem Jungen hier einen Augenblick, ich will nur einmal in den Busch treten." Er ging in den Busch und gab das Kleid und den Kopfputz zurück. Dann kam er wieder auf die Straße. Nun sah man, daß er nur ein Auge, einen brauchbaren Arm, ein brauchbares Bein hatte. Er kam an den Weg zurück und sagte: "Nun kommt weiter mit." Jamma jopoi sagte: "Ich gehe nicht mit dir. Ich warte auf meinen Mann, der hier in den Busch getreten ist." Der einseitige Mensch sagte: "Ich bin dein Mann." Jamma jopoi sagte: "Das ist nicht wahr. Ich folge dir nicht." Der Mann sagte: "Es ist doch wahr, und wenn du mir nicht mit deinem Jungen folgst, so töte ich dich." Jamma jopoi fragte: "Wohin bringst du mich?" Der Mann sagte: "Das wirst du sehen. Wenn du nicht sogleich mitgehst, töte ich dich."
Jamma jopoi folgte dem hinkenden Manne mit ihrem Jungen. Er brachte sie in sein Haus; das war tief in einer Höhle gelegen. Der hinkende Mann schloß Jamma jopoi in dieses Höhlenhaus ein. Nun quälte er alle Tage Jamma jopoi, weil er sie essen wollte. Er war auch ein Schoija (Subaga), aber doch mehr Menschenfresser, denn er hatte die Angewohnheit, auch bei Tage Menschen zu essen. Jamma jopoi wußte nicht, was sie machen sollte. Jamma wai hatte aber vor der Abreise ihrer Schwester dem kleinen Jungen den Rat gegeben: "Wenn es meiner Schwester Jamma jopoi einmal sehr schlecht gehen sollte, soll sie sich tot stellen. Sie soll sich in einen Sarg legen lassen. Du mußt dann aber sagen, daß alle Leute unserer Art in unserem Lande begraben werden müssen, weil ein großes Unglück, Krankheit, Kindersterben, Wassernot in dem fremden Lande eintritt, in dem Leute unserer Art begraben werden. Darum muß man die Leichen auf jeden Fall zu uns zurücktragen."
Als es nun Jamma jopoi so schlecht ging, dachte der Junge daran, welchen Rat ihm Jamma wai gegeben hatte, und er sagte zu Jamma jopoi heimlich: "Stelle dich tot; ich werde dafür sorgen, daß der Mann dich dann sogleich heimschafft." Jamma jopoi sagte: "Es ist gut." Dann legte sie sich in dem Höhlenhaus hin und blieb liegen, als ob sie tot sei. Der Junge lief zu dem einseitigen Manne und sagte: "Jamma jopoi ist soeben gestorben." Der einseitige Mann ging sogleich in das Höhlenhaus. Er sah Jamma jopoi an. Er nahm
ihren Arm hoch und ließ ihn fallen. Er sagte: "Es ist wahr, sie ist gestorben. Ich will sie sogleich begraben."Der Junge sagte: "Man darf die Leute unseres Landes nicht an einem fremden Orte begraben. Tut man das, so widerfährt dem Orte großes Unglück, Wassernot, Krankheit, Kindersterben oder so. Du mußt schon wohl oder übel eine große Kiste machen. Du mußt Jamma jopoi hineinlegen. Du mußt einen Topf mit gekochten Bohnen hineinstellen. Du mußt die Kiste schließen und sie dann auf deinem Kopfe bis vor unser Dorf tragen. Tust du das nicht so, so wird es euch hier sehr schlecht ergehen."
Der einseitige Mann bekam Angst vor der toten Jamma jopoi. Er tat so, wie der Junge es ihm gesagt hatte. Er machte schnell eine große Kiste, legte Jamma jopoi hinein, stellte einen Topf mit Bohnen daneben und trug die Kiste mit der Frau und dem Bohnentopf auf dem Wege zurück, auf dem er gekommen war. Mittlerweile aß Jamma jopoi in ihrer Kiste von den Bohnen. Als sie in der Nähe des Heimatdorfes Jamma jopois und ihrer Mutter angekommen waren, sagte der Junge zu dem Manne: "Nun kannst du die Kiste hinstellen. Geh heim. Ich hole Leute aus dem Dorf, die das Weitere besorgen."
Der Mann ging. Als er fort war, stieg Jamma jopoi aus der Kiste und ging mit dem Jungen nach Hause. Als sie daheim ankam, sagte Jamma wai: "Du siehst, daß ich recht gehabt habe, meine jüngere Schwester; zwei vermögen immer mehr als einer allein. Ohne den Jungen wäre es dir schwer geworden, so leicht davonzukommen!"
Die dritte Schwester Jamma je verheiratete sich ebenfalls. Der Mann schlug aber Jamma je alle Tage, so daß sie sehr unglücklich war. Eines Tages glaubte sie es nicht mehr ertragen zu können. Sie lief ihrem Mann heimlich fort und wieder zu ihren Schwestern. Sie sagte: "Mein Mann ist sehr schlecht. Er schlägt mich alle Tage. Ich halte es nicht mehr aus." Die ältere Schwester Jamma wai sagte: "Meine kleine Schwester Jamma je; du bist sehr töricht. Man merkt dir sehr wohl an, daß du nur einen Gedanken hast. Wenn du so fortläufst, können wir dich nicht schützen vor deinem Manne. Wenn er fragt, ob du hier wärst, müssen wir sagen, daß du hier seiest. Aber ich will dir einen Rat geben. Verwandle dich in eine Katze und komm wieder zu uns." Jamma je sagte: "Es ist gut, meine ältere Schwester; so will ich es machen." Sie ging wieder zu ihrem Manne zurück.
Der Mann schlug wieder die kleine Jamma je. Jamma je lief aus dem Hause und verwandelte sich draußen sogleich in eine Katze. Als Katze lief sie auf dem Hofe hin. Sie lief als Katze bis zu dem Hause ihrer Mutter und Schwestern zurück. Im Hause ihrer Schwestern versteckte sie sich. Nach einiger Zeit kam auch ihr Mann an und sagte: "Jamma je, meine Frau, ist mir fortgelaufen. Ist sie hier angekommen?" Jamma wai sagte: "Hier ist heute niemand anders angekommen, als eine Katze (Njugua). Dort liegt die Katze. Ist das vielleicht deine Frau?" Der Mann sagte: "Nein, das ist meine Frau nicht, das ist eine Njugua!" Jamma wai sagte: "Etwas anderes als die Katze können wir dir nicht zurückgeben." Der Mann ging wieder nach Hause.
Seitdem ist die Katze ein eigenartiges Wesen geblieben. Wenn man sie schlägt oder ihr nichts zu essen gibt, läuft sie weg. (Damit ist ihre Untreue gemeint.)
II
BOSSO-SOROKOI
Das Volksleben der Bosso-Sorokoi
a) Das Allgemeine
Wer je auf einem Eingeborenenboote die herrlichen Kanäle und Flächen von den Mandestädten nach dem Debo-See und Timbuktu zu hinab- oder hinaufgleitet, wird als treue Schiffsmannschaft Leute haben, die allgemein als Bosso bezeichnet werden. Es sind dies die Schiffer und Fischer des Niltales zwischen Mande und Timbuktu, es sind auch die Bauern. Diese Menschen stellen einen eigenen Schlag dar, und es ist ganz gleichgültig, ob sie von einigen als Verwandte der Somonofischer am oberen Niger, von andern als Brüder der Macka-Sarakole oder von dritten als Nachkommen der Songhai bezeichnet werden. Es sind eben heute die Bosso-Soroko (oder Sorokoi), und hier kümmert uns weniger die Frage nach den Elementen, aus dem der Kulturkörper "Bosso-Soroko" zu einem geworden, als die Tatsache, daß dieser Kulturkörper einer der eigenartigsten Afrikas, ein stilstarker und klarer, ein in seiner Art und nach seinem Format sogar ein monumentaler ist.
Monumental sind die Riesentumuli im Bossoland, die seit Urzeiten mit rotem Schädel gen Himmel starren. Monumental ist auch die Dichtkunst dieser Menschen.
Äußere Erscheinung. — Die Bosso-Soroko sind als eine schwarze Rasse von ungemein kräftiger Körper- und Gliederentwicklung zu bezeichnen, der aber sichtlich eine sehr bedeutende Rassenmischung eigen ist, die nach keiner Richtung hin die Herauskristallisierung eines besonderen Rassentypes erreicht hat. Immerhin sind die kräftigen, breiteren Bammanatypen, die breiten, rohen, auseinandergehenden Physiognomien der Bammana bedeutend seltener als die Erscheinungen des langgestreckten großzügigen Markakopfes und Markaleibes. Die mongolischen Gesichter und zierlichen Körper der vornehmen Habbefamilien fehlen gänzlich, und die extreme Erscheinung des echten Fulbetypes ist der Körperwelt der Soroko gänzlich entgegengesetzt. Als rassenmäßig rein erhaltener Typ als "Urbevölkerung",wie man das versucht hat, kann man diese Fischervölker keineswegs hinstellen. Es ist vielmehr sehr deutlich, daß in südlichen, kleinen Dörfern Bammanaähnlichkeit, im nördlichen Faraka Markaverwandtschaft durchleuchtet. Aber wie dies der ganzen Nordsüdausdehnung nach vermerkt werden kann, so leuchtet das auch deutlich aus der Ostwestausdehnung hervor. Es ist mir aufgefallen, daß bei Soroko, die aus dem Südosten stammten, sogar die runden, unförmigen Schädelballen der Minianka und deren schiefe und weite Augenstellung vorkamen. So deutet nach jeder Richtung ein Weg auf zahlreiche verwandte Beziehungen hin.
Die psychologische Erscheinung der Soroko ist um so charaktervoller. Nicht nur die inhaltsreiche Anschauungswelt der Bosso-Soroko, die ich zu durchdringen vermochte, sondern vor allem die Übersichtlichkeit in der Anlage derselben, belegt das schon. Und diese Welt wird belebt von einem Geiste, dessen schlichte, charaktervolle, wenn auch durchaus unschöne Veranlagung mit ganz wenigen Strichen umschrieben werden kann.
Der Bosso-Soroko ist zwar fleißig, fröhlich, ein Gegner des Waffenkrieges, d. h. unkriegerisch, aber zugleich kriechend unterwürfig verstrickt in abergläubische Grübeleien, und dazu eigennützig, mißgünstig; d. h. also nach außen hin feige, im Innern geradezu bösartig. Solcherart schildern die Bosso-Soroko selbst ihre Stammesgenossen. Sie sagen selbst: "Wenn einer von uns mit seinen Booten nach Timbuktu fährt, um Salz einzukaufen und nach Djenne zu bringen, so ist er ganz sicher, daß viele seiner Dorfgenossen trotz aller äußeren Freundlichkeit sich emsig bemühen, durch Opfer an ihren Zaubermitteln und durch Verwünschungen aller Art es herbeizuführen, daß der Mann mit seiner Salzladung untergeht oder sie verliert - nur weil sie ihm das Geschäft mißgönnen." Das habe ich nicht einmal gehört, das wurde mir immer wieder versichert. Und ich habe selbst mitanhören müssen, daß Alte sagten, ich sei töricht, daß ich jedem einzeln ein Geschenk machte und nicht allen zusammen; denn nun würden die andern sich alle bemühen, mir die Arbeit zu erschweren, bis sie alle ein Geschenk erhalten hätten. Die Feigheit der Leute jedem Gewehr, jeder Lanze, jedem Bogen gegenüber habe ich mehrmals beobachtet, wenn einer von uns aus den Booten nach einem Kaiman schoß, wenn ein speerbewaffneter Tuareg in ein Bossodorf kam oder wenn auch nur meine Sammlungsbogen herausgezogen wurden, um bei ihnen nach alten Bogenkünsten (die Kunst des Bogenschusses kennen sie übrigens nicht mehr) zu forschen.
Aus dem blinden Glauben an die unwiderstehliche Gewalt der Zaubermittel stammt aber andererseits ein Mut, der schon mehr als Tollkühnheit bezeichnet werden muß. So sagen sie z. B., sie könnten, wenn sie ihren religiösen Lebensgesetzen folgten, niemals von einem Kaiman gebissen werden. Das Tannä der Soroko-Bosso sind die Fulbe. Nur wenn ein Bosso eine Fulbefrau beschläft, verliert er seine Kraft und kann von Kaimanen gebissen werden. —Was diese Burschen nun in dem festen Glauben an die Wahrheit dieses Gesetzes unternehmen, ist geradezu unglaublich. Sie springen auf den großen, verwundeten Kaiman, der in tollster Todeswut ist, und denken gar nicht daran, auch nur einen Augenblick zu zögern. Mehrere schnelle Hände packen zu und pressen dem Untier den Rachen zu. Es ist unheimlich und unglaublich, dieses Bild, aber wir haben es mehrmals gesehen. Nach jedem glücklichen Schusse
springen sie ins Wasser und kümmern sich absolut nicht darum, wie viele der unheimlichen Saurier um sie herum unten im Flusse kreisen.Das sind ausgesprochene Charakterzüge. Aus diesen Gegensätzen der kriegerischen Feigheit einerseits und der unglaublichen Glaubenstreue andererseits läßt sich schon eins erkennen: die Soroko gehören jenen Gruppen der Menschheit an, die fast völlig des staatlichen Schutz- und Trutzwesens entbehren und den offenen Waffenkampf zugunsten eines versteckten Kriegführens vernachlässigten, ja ihn ganz aufgaben. Solche Völker sind es aber immer, in denen sich alte religiöse Anschauungen und Zeremonien am besten erhielten und wenn auch nicht zur großzügigsten, so doch zur differenziertesten Entwicklung gelangten.
b) Das soziale LebenDie wesentlichen Stützen der Kultur, deren sich die Bosso erfreuen, stellen Ackerbau und Fischfang dar. Auf jeden Fall müssen die Bosso gleich den Mande zu den fleißigen Leuten gerechnet werden, und wenn sie es doch nirgends zu einer besonderen Wohlhabenheit gebracht haben oder zu starkem Nationalbesitz und zu einem nationalen Kraftausdruck in Staatsform, so mag daran vor allem die ungünstige geographische Lagerung ihres Landes verantwortlich zu machen sein. Denn die Bosso leben als Rest einer großen Wanderung der Sorongoi-Songhai zwischen den Marka- und den Segustädten. Sie haben aus ihrem Fischer- und Ackerbauerdasein heraus die Blüte der sudanischen Kultur, die Stadt Djenne mit ihren Bildungsanstalten aufwachsen sehen; aber das mohammedanische Großstadtleben konsumierte wohl einen Teil der Bevölkerung, der größere aber ward als "Heidenvolk" zu desto niederer Daseinsform herabgedrückt. Denn wir sehen das in der ganzen Welt und ebenso im Sudan, daß wenn irgendwo ein hervorragendes geistiges Zentrum entsteht, dann das Land um so leichter kulturell verflacht, resp. nur flacher erscheint. Denn in Wahrheit bietet ein altes Landleben mehr echte Kultur, mehr altererbte Charaktereigentümlichkeiten als ein neues, großes Stadtwesen. Indern aber die Landbewohner die hervorragende intellektuelle Tätigkeit und Veranlagung überschätzen, begeben sie sich vollständig auf eine niedrigere Stufe, von der sie der Dünkel der Städter sicher nicht freiwillig emporhebt.
So blieben denn die "heidnischen" Bosso trotz all ihres Fleißes den Djenneleuten gegenüber die nicht sonderlich geachteten Bauern, und nur die Tatsache, daß sie allein es sind, die die Kanäle und Wege des Niger kennen, nur diese Tatsache hat sie davor bewahrt, von
den Herrschern von Segu, von den Marka der Provinz Sokolo oder den Fulbe Massinas ausgerottet zu werden. Aber eingekeilt zwischen diese "Großmächte", anerkannt als wegkundige, findige Wilde lebten sie in den vergangenen letzten Jahrhunderten ein ziemlich ungetrübt glückliches Leben. —Ob sie als Songoi seinerzeit erst mit den Soninke ins Land kamen oder eine ältere Schicht darstellen, darüber wird an anderer Stelle zu reden sein.Daß also den Bosso unter diesen Umständen keine besonders ausgebildete Staatsform erwachsen konnte, versteht sich um so mehr, als das Land durch den Bani und den Niger in unendlich viele Inseln und Landstücke eingeteilt wird, denen etwa ebenso viele oder noch mehr Gemeinden entsprechen. Die Bosso erinnern sich nicht an eine Zeit der politischen Selbständigkeit. Sie haben immer irgendeinem Fama (König) Abgaben bezahlt oder ihm als Ruder- und Bootsleute Hörigendienste geleistet.
Jedes Dorf (Nogu) hat seinen Dorfschulzen oder Nogutu. Das "tu" entspricht dem tigi der Mande. Der Nogutu repräsentiert die Gemeinde nach außen und ist außerdem Richter. Darin gipfelt das Wesen der offiziellen "Staatsverfassung" der Bosso. Man kann noch hinzufügen, daß er sonst weiter gar keinen Einfluß hat, es sei denn, daß er im Rate der Alten eine besonders hervorragende Stelle einnehme - aber das ist nicht offiziell, das ist nur offiziös. Sehen wir den Mann erst von außen an, wie er sich in alten Zeiten darstellte. Auf dem Kopfe trug er eine gelbe, hinten weit herabfallende und mit Amuletten besetzte Mütze, Kunkurru bamfulla genannt. Sein Kleid war schwarzblau. In der Brusttasche steckten Amulette. Dies Kleid hieß Tuauju subenju (oder subensu). Am linken Arme trug er einen Ring aus Silber, genannt Suba uarri (uarri =Silber). Inder einen Hand trug er einen Speer, Ta genannt und mit je zwei Widerhaken an jeder Seite der Spitze versehen, in der andern den Na-ping genannten Fliegenwedel aus Ochsenhaut, in dessen Mitte geschickt allerhand Zaubermittel verborgen waren, so daß der Häuptling sich immer harmlos anwedeln konnte und doch derart ohne Aufsehen zu erregen dabei eine Atmosphäre von zauberischer Sicherheit verbreitete.
So war sein Äußeres. Sonst unterschied sich sein Lebenswandel wenig von dem anderer Leute. Wenn er arm war und keine Söhne hatte, die für ihn schafften, so mußte er seinen Acker bestellen oder zum Fischfang ausziehen wie jeder andere. War er wohlhabend oder verfügte er über viele Söhne, so saß er daheim herum und tat eigentlich gar nichts, außer daß er wie jeder andere alte Mann den Würdigen spielte. Seine einzige Einnahme als Nogutu floß ihm aus der Ausübung des Richteramtes zu. Wenn zwei sich uneinig waren und stritten, so hatte er über die Rechtslage zu entscheiden, und der
als im Unrecht befindlich Erkannte mußte ihm eine Buße zahlen. Fernerhin erhielt er noch mancherlei kleine Geschenke, von deren Üblichkeit in keinem, somit auch nicht in dem ungeschriebenen Gesetzbuch der Bosso ein Wort stand. Solche Gaben verabfolgten Leute, die gerne die Augen der Gesetzlichkeit mit Wohltaten zudrücken wollen.Die wahre Herrschaft im Dorfe hatte nicht der Nogutu, sondern die lag in den Händen der von den Alten geleiteten Geheimbünde. In dieser Hinsicht bestand das einzige, was der Häuptling vermochte, darin, daß er die Gründung resp. Einführung neuer Geheimbünde und großer Genossenschaften verbot - das stand ihm zu oder daß er sich bestrebte, auch im herrschenden Geheimbunde der Ortschaft, und zwar in der Klasse der Alten, möglichsten Einfluß auszuüben, d. h. eine möglichst angesehene Stellung in ihm zu gewinnen. Aber sonst konnte er auch im Bundwesen weder Verwalter irgendeines Heiligtums noch Vorsitzender werden.
Das Dorfschulzentum ist im großen und ganzen erblich und ging vom älteren Bruder auf den jüngeren oder aber in Ermangelung dessen auf den ältesten Sohn über. Doch werden wir gleich sehen, welche stillen Kräfte bei der eventuellen Neuwahl eines Häuptlings tätig waren. Wenn ein Nogutu starb, der sehr alt geworden war, und sich eines hervorragenden Ansehens erfreute, gab es alsbald ein großes Leichenfest. Die jungen Leute kamen mit viel Tumult, Gewehrschießen, Schreien und "Katzenmusik" — wie man bei uns sagen würde - ins Dorf und plünderten. Jeder durfte Huhn, Hammel, Ziege stehlen. Es war für einen Augenblick gesetzliche Anarchie und für das Geraubte weder etwas zu zahlen noch eine Buße zu erlegen.
Eine besondere Trauer war vor allem den Frauen der Nogutu auferlegt. Diese blieben fest eingeschlossen im Hause und durften mit niemand sprechen, außer mit denen, die im Auftrage des Bruders des Toten die Speisen brachten. Wenn sie einmal das Haus verließen, um ihre Notdurft zu verrichten, so hatten sie einen Dolch und ein Paar Schuhe des Verstorbenen in der Hand. Im übrigen war ihr Trauergewand weiß. Ihre Haare waren wild aufgelöst. — Ausgenommen von dieser Form der Trauer waren die Antarajugu (bei den Malinke und ebenso bei den Bammana Taramussu genannt). Das sind die Frauen, die als Sklavenkinder gekauft und dann als Weiber freigekauft sind. Diese Frauen werden nur am Montag und Freitag beschlafen. Ihre Kinder gelten als die Tüchtigsten, und man sagt auch bei den Malinke, daß jeder reichsgründende König das Kind einer Antarajugu gewesen sei. Die Antarajugu nun sind gezwungen, vierzig Tage im Hause eingeschlossen zu bleiben, während die andern Frauen fünf Monate lang eingeschlossen bleiben und dann
erst in den Hausstand des die Nogutuwürde erbenden Bruders übergehen.Dieser Amtsnachfolger ist, solange ein solcher vorhanden ist, ein jüngerer Bruder des Verstorbenen. Aber er muß ein Kind gleichen Vaters und gleicher Mutter sein. Ehe er sein Amt antrat, mußten drei Monate ins Land gehen. Während dieser Zeit verwalteten der älteste Kie (Skalde), der älteste Kurgu (Schmied) und der älteste Konjong (Haussklave) das Haus. Der Nachfolger opferte aber fleißig dem Verstorbenen, betend, daß es ihm vergönnt sei, noch lange und glücklich zu leben. Das war besonders berechtigt, wenn ein Bruder des Verstorbenen kandidierte, denn es ist ein offenes Geheimnis, daß der Nogutu sich in diesem Falle zu bemühen pflegt, dem Nachfolger die Amtsdauer möglichst zu kürzen. Er pflegt mit seinem Lieblingsweibe zusammen in der Mitte der Beratungshalle einen Topf mit starken Tungu zu vergraben, die dem nachfolgenden Bruder möglichst bald den Tod bringen und so seinen eigenen ältesten Sohn in Bälde die beliebte Stellung eines Nogutu eintragen sollen.
War ein jüngerer Bruder nicht vorhanden, so war die Sache schwieriger. Auf jeden Fall sollte die Würde aber in der Familie bleiben. So taten sich denn der älteste Skalde, der älteste Schmied, der älteste Haussklave zusammen und bestimmten unter den Erbschaftskandidaten einen Nachfolger. Ein so dem Dorfe erwachsender Schulze, der gewöhnlich der älteste Sohn irgendeines früheren Nogutu, aber nicht dessen jüngerer Bruder war, mußte zehn Monate bis zum Antritt der Amtswürde warten und sich mit allerhand Opferungen auf die Amtsführung vorbereiten.
Betrachten wir nun die Schichtung des Volkes, dem der Nogutu in seinem Dorfe vorstand. Vorher aber wird es gut sein, wenn wir uns mit den Volksnamen etwas befassen. Auch hier ein richtiges Kastensystem, und als oberste Kaste oder Schi wurde mir zuerst der Name Surruku oder Sorroko angegeben. Nach vielseitigem Umfragen erhielt ich die Auskunft, daß das falsch ist, wenn vielleicht auch historisch mehr gut Begründetes dafür spricht, als man glaubt. Wir betrachten das Wort Sorroko: Sorro heißt (bei den Bosso) die weibliche Scham. Koi heißt soviel wie stechen, wird z. B. angewendet für Harpune auswerfen, Fische stechen, Weberschiffchen werfen. Sorrokoi nennen sich die Leute von Djenne und Timbuktu. Sorrokonogo oder Sorrokonogu werden die Dorfbewohner der Bosso genannt, die, die nicht in den Städten, sondern auf dem flachen Lande wohnen. Sorroko oder Surruku oder Sorrokoni heißen bei den Bosso die Tuareg. Das "ni" am Ende soll so viel wie "klein" heißen, doch ist die Etymologie unsicher. Und als Ergänzung ist sicher die Feststellung interessant, daß bei den Mandestämmen der kleine Tierräuber, der Schakal, Surruku heißt, was entschieden an die räuberischen
Treibereien der Targi-Tuareg erinnert. — Aber als das bei weitem wichtigste dieser Worte möchte ich doch das erste bezeichnen. Es liegt in der Verbindung des Wortes Sorro mit dem Volksnamen eine tiefgehende Bedeutung. Sorro heißt weibliche Scham. Diese Menschen sind also die "der Mutter entsprossenen". Hier klingt das Matriarchat, die Betonung der weiblichen Abstammungslinie, durch. Und das ist genau das Entgegengesetzte zu dem, was wir bei den Mande finden. Bei denen heißen die Vornehmen Forro oder Horro und das heißt dort Penis, männliches Glied. Das sind die Menschen des Patriarchats, die die Abstammung vom Vater betonen. Das ist der direkte Gegensatz. Bemerkenswert ist, daß die alten Bosso-Sorokoi angeben, die Targisprache gut zu verstehen, was danach nicht auffallen kann.Nun kann man darauf hinweisen, daß Sorro = weibliches Geschlecht und Horro oder Forro = männliches Glied merkwürdig viel innere Uberseinstimmung aufweisen. Das ist aber nicht nur richtig, sondern auch anscheinend nicht selten. Auf meiner ersten Fahrt stellte ich in Bolombo am Sankurru fest, daß bei den Baluba und bei den Bangala des nördlichen Kongogebietes die Geschlechtsbezeichnungen direkt umgekehrt sind.
Nachdem das vorausgesandt ist, gehe ich zur Schilderung des Kastenwesens über. Das Volk der Bosso unterscheidet zwei Gruppen von Kasten.
I. Die Horrong (von Mande Horro ausgesprochen), das sind die Vornehmen. Aus ihrem Kreise allein können die Dorfschulzen hervorgehen. — Zu ihnen wird auch eine eigene Art von Leuten gerechnet, von denen ich leider bislang noch nichts Näheres hörte, das sind die Schabaschegu. Diese betreiben das Geschäft der Goldarbeiter und der Bronzegießer. Das Bronzegießen galt früher als besondere, und zwar geheime Kunst, deren Geheimnisse sich vom Vater auf den Sohn vererbten.
II. Diesen gegenüber standen die Niami-nja, das ist die Zusammmenfassung der drei unfreien Schi. Das Wort erinnert an Niami, im Fulfulde = essen, und nja, im Bosso = Mutter. Zu ihnen gehörte: i. Die Schi der Kuigu oder Kurgu = Schmiede, die auch hier Inhaber besonderer heiliger Gebräuche und Zaubermittel sind und so einen besonderen Einfluß, begründet auf den Glauben der Menge, ausüben. 2. Die Schi der Kie = Skalden, die hier wie in den südlichen Mandeländern Konian, Uassulu, Torong, Bate usw. gleichzeitig Lederarbeiter sind. Die Kie sind wie bei den Mandingo nicht allgemein gleichgestellt und üben verschiedene Zweige ihrer Kunst aus. So sind die Mitglieder des Diamu Kajanta oder Nkaianta nicht eigentlich Sänger und Gitarrenschläger, sondern Trommler, die die Tanzfeste mit ihrer Musik verschönern und
ermöglichen. 3. Die Konjuong oder Konjo, das sind die Haussklaven; sie entsprechen den Ulussu der Mande, und ihre Haltung, Verheiratung und Befreiung ist von den gleichen Gesetzen, Zahlungen usw. wie bei den Mande geleitet.Aus dieser Aufstellung geht die Kastenschichtung so deutlich hervor, daß es nicht schwer ist, sich ein Bild des allgemeinen Getriebes zu machen, besonders, wenn wir hinzufügen, daß Schmied und Horrong, Skalde und Goldarbeiter unabhängig von seiner Schizugehörigkeit seine Fische fing und seinen Acker baute. Am wesentlichsten für das Volksleben ist auch hier die Heiratsbeschränkung der Kasten. Ein jeder konnte in seinem Diamu, in seinem Stamme heiraten, er durfte in jedem Diamu seinen Schi ehelichen, aber er durfte nicht und niemals sein Weib aus einem andern Schi wählen. Man sagt, daß die Bosso in entfernteren Gegenden weniger, in der Nähe der großen Verkehrsstraße aber fester an diesen Gesetzen halten als die Mandignovölker. Ich weiß aber nicht, was hieran wahr ist.
Verfolgen wir nun das Aufwachsen der Staatsbürger bei den Bosso.
c) Das familiäre LebenDer männliche Same heißt: Saua. Während vierzig Tagen, heißt es bleibt er nach der Begattung im weiblichen Körper, ohne sich wesentlich zu verändern. Während vierzig weiterer Tage wird er wie Fleisch und nimmt Menschengestalt an. Aber erst gegen Ende des zweiten Abschnittes von vierzig Tagen bilden sich Knochen aus. Nach dieser Zeit entwickeln sich die Sehnen, die die Knochen verbinden. Endlich tritt die Haut auf. Alles das zusammen benötigt einer Zeitspanne von etwa neun bis zehn Monaten. Es ist aber nicht genau zu sagen, denn die Schwangerschaftsperiode schwankt sehr; so sagen die Bosso.
Die Gebärende liegt mit weitgeöffnetem Schoße auf einer Matte am Boden, die rückwärts gehaltenen Arme und Hände um den Nacken einer alten Frau schlingend, die hinter ihr kniet, mit den Händen den Leib der Duldenden hält und auch den Kopf stützt. Eine zweite Helferin sitzt vor ihr, streicht den zuckenden Leib und ist bereit, das junge Wesen in Empfang zu nehmen.
Ordnungsgemäß erscheint dieses mit dem Kopfe zuerst, und zwar im Afuru-nsinga, im "Sack", wie sich die Bosso ausdrücken (=dem Dusu, der Malinke). Der wird schleunigst in ein Loch gelegt, das vor der Haustür gegraben wird, und dann müssen die kleinen Kinder des Ortes zusammenkommen und darüber klatschen, tanzen und lachen. Dann erst wird er mit Erde ausgefüllt. Der Nabel (Afuru
numa) wird nahe dem Mutterleibe abgeschnitten und dann am Kinderkörper zu einem Knoten geschlungen. Alsdann beginnt die Wäsche. Dreimal wird das kleine Wesen, wenn es ein Knabe, viermal, wenn es ein Mädchen, mit Wasser und Seife gereinigt und abgerieben.Der Mutter wird inzwischen ein Gurt umgelegt. Dann aber muß sie sich über einen Mörser beugen und den durch die Schwangerschaft aufgetriebenen Leib hereindrücken. Das kräftige Schnüren mit dem Gurt wird anscheinend täglich wiederholt. Fernerhin ist inzwischen ein Huhn geschlachtet und mit viel Pfeffer zubereitet. Das wird nun der jungen Mutter als erste Speise vorgesetzt.
Eine Woche lang geschieht nichts weiter. Dann wird dem Kinde der Name gegeben. Man bringt das Messer herbei, mit dem nach der Geburt die Nabelschnur durchschnitten wurde. Der Vater schlachtet einen Hammel oder, wenn er keine Schafe hat, einige Hühner. Den nicht mohammedanischen Kindern gab man früher Tages- und Monatsnamen. Das ist aber heute selten geworden. Diese Namen lautetem
Wochentage: Ueiga Gaima (Freitag) Itanu Asibiti (Sonnabend) Arati (Sonntag) Gatini (Montag) Tarata (Dienstag) Garaba (Mittwoch) Gala Missa (Donnerstag). In alten Zeiten wurde am Montag und Freitag nicht gearbeitet. |
Monatsnamen: Lasiripana (Juni) Uampaku (Juli) Kobavue (August) Aradjabba (September) Schunun-Kudugu(n) (Oktober) Schungunku(n) (November) Schenemieguku(n) (Dezember) Schannipenn nanku(n) (Januar) Schannipurrunku(n) (Februar) Pentenku(ng) (März) Basabaku(ng) (April) Bajaku(ng) (Mai). |
Ein besonderes Fest war mit der Namengebung nicht verbunden. Zu gehen beginnen die Kinder mit etwa eineinhalb, zu sprechen angeblich erst mit drei Jahren, doch lege ich auf diese Behauptung kein großes Gewicht, trotzdem sie mehrmals vorgetragen wurde. Es ist auffallend, daß die Kinder, auch wenn sie bis fünf Jahre alt sind, keine Lendenschnur tragen. Im ganzen westlichen Innerafrika,
auch da, wo sonst keine Kleidung, auch nicht bei Erwachsenen, für notwendig erachtet wurde, konnte ich doch immer wieder sehen, daß schon den kleinen Kindern eine Schnur um die Lenden gebunden wurde. Es ist mir das immer wieder aufgefallen. — Dagegen bemüht sich die Mutter um so emsiger, dem Kinde möglichst schnell einige Gebete beizubringen, die das kleine Wesen vor dem Einschlafen stammeln muß und deren Zweck Schutz vor Menschenblut saugenden Tungutu ist.In alten Zeiten fand die Beschneidung bei den Knaben zwischen dem siebenten und dreizehnten Jahre statt. Bei vielen Familien ward die männliche Jugend nicht eher beschnitten, als bis der Bart keimte. Diese Verzögerung ward aber früher angeblich durchgeführt, damit die Familie für sie möglichst lange keine Abgaben an den König (von Massina) zu zahlen brauchte; denn das trat erst dann in Kraft, wenn die Burschen beschnitten waren. Die Beschneidung (Kine-do-koni) scheint nicht mit sehr großer Feierlichkeit und Förmlichkeit verbunden gewesen zu sein. Wenn behauptet wird, daß die Bosso in uralter Zeit keine Männerbeschneidung (nur Frauenbeschneidung) geübt hätten, so scheint das nicht unmöglich.
Für die weiblichen Mitglieder gab es dagegen zweierlei verschiedene Möglichkeiten, der Reifeoperation, die Exzision (Kupierung der Klitoris = Da-uorro), oder die Infibulation (Vernähung der Vagina mit einem Faden =Numa). Letztere Sitte übten angeblich besonders die Darra-bu, die bei andern Turre heißen sollen, und die es gewesen sein sollen, die die Einheit der Völker zwischen Timbuktu und Djenne herstellten. Weiterhin erhielt ich noch von einem ganz vereinzelt und versprengt vorkommenden kleinen Gebrauchsgebiet Nachricht, die ich mit allem Vorbehalt wiedergebe. Dieses soll nahe der Eisenbahnstation Badimbe zwischen Kayes und Tukotto liegen. Dort wohnt in vier Dörfern der Stamm Ku Maga, das sind Kèita Massassi. Der Hauptort heißt Gomu Kulluballa. Die Leute sind mächtig hochgewachsene Gestalten, Vertreter eines kräftig gebauten Volkes und außerordentlich tüchtige Jäger. Den Mädchen wird angeblich in der Jugend auch die Vagina vernäht. Diese Leute sind in ihrem die Keuschheit anbelangenden Ritual so streng, daß sie das Maliwort Kissi = Korn nicht einmal aussprechen dürfen. Für Korn sagen sie Kurru, also anstatt njo-kisse (Hirsekorn) njo-kurru. Das Wort Kisse erinnert diese strengen Leute zu sehr an das Wort Bie-kisse = Klitoris. Diese Angaben über Infibulation in Nordwestafrika sind unwahrscheinlich und nur deshalb interessant, weil diese fraglos aus dem Osten her bekanntgewordene Sitte hier ganz bestimmten Volkstypen extremster und märchenhafter Keuschheit zugeschrieben wird.
Aber wie gesagt, mit diesen Reifeoperationen sind im allgemeinen keine großartigen Feste verbunden, und sicherlich gleicht der dabei entfaltete Prunk in keiner Weise den entsprechenden Festen bei den Malinke. Die Operation findet an einem Donnerstag statt, welcher Tag überhaupt in früheren Zeiten der "Festtag" der Bosso gewesen zu sein scheint. Die Burschen schlafen nachher für etwa drei Monate in einer eigens für sie errichteten Hütte und haben diese tagsüber nur in geschlossenem Zuge zum Zwecke der Verrichtung der Notdurft zu verlassen. Nach drei Monaten ist die Heilung erfolgt. Die Nächte verbringen sie nicht im Dorfe, sondern im Busch. Ist bei allen die Wunde geheilt, so wird wiederum an einem Donnerstage ein Fest gefeiert. Man betrinkt sich, ißt möglichst viel und verknallt Pulver in Mengen.
Sehen wir nun, wie die Bossokinder in die Arbeit des Stammes und der Familie hineinwachsen. Bis zum dritten Lebensjahre etwa reicht die Mutter dem Kinde die Brust. Dann wendet sich aber der Knabe auch schon der Tätigkeit des Vaters zu. Vom dritten bis zum sechsten Jahre begleitet er ihn bei seinem Gange aufs Feld, wobei er ein wenig Gerät trägt, oder aber beim Fischfang. Wenn sie im Boot ausfahren und an die Stellung oder Aushebung der Netze und Wehre gehen, folgt er immer mit Aufmerksamkeit allen Vornahmen, ohne selbst zugreifen zu dürfen. Sehend lernt er. Zuweilen schenkt ihm der Vater einen Fisch -dann ißt er davon und bringt den Rest seiner Mutter. Mit dem sechsten Jahre wird er im Boote Aufseher der Geräte und Kleider aller Abwesenden, und mit dem achten Jahre beginnt für den jungen Bosso wie für den jungen Malinke die ernste Arbeit des Ackerbaues und die Periode fester Ansprüche.
Die Mädchen dagegen spinnen vom fünften Jahre an Baumwolle. Tagsüber haben sie für die Mutter zu arbeiten, aber die Zeit von sechs bis neun Uhr gehört ihnen, und was sie in diesen Stunden fertigen, gehört ihnen. Außerdem dürfen sie aber während dreier Tage im Jahre die ganze Tageszeit über für sich spinnen. Das ist ein Festtag, der Para genannt wird. Am Para vereinigen sich alle Mädchen zu gemeinsamem Spinnen. Es ist immer ein Tag, dessen folgende Nacht durch vollen Mond ausgezeichnet ist, und man sagt, daß der an diesem Tage gewonnene Faden nicht reißt. Gleiche Einrichtung und gleichen Glauben fand ich bei Malinke. Anscheinend ist mit diesen Spinntagen der Mädchen noch allerhand Glauben verbunden.
Das Bossomädchen muß bis zur Ehe auf jeden Fall Jungfrau bleiben. Dafür heiratet es auch sehr früh, nämlich angeblich mit zehn oder zwölf Jahren. Als ich dieser Angabe wegen Zweifel äußerte, ward mir die Antwort, die Bosso äßen eben sehr viel Fisch und deshalb würden sie schneller reif als andere. Ein Bursch, der
wohlhabend ist, heiratet schon mit fünfzehn, einer, der sein Geld erst zusammenbringen muß und in Fron arbeitet, erst mit zwanzig Jahren. Wenn der Vater es hat, zahlt er dem Sohne alles, was nötig ist, und das ist nicht gerade wenig. Gefällt dem Burschen ein Mädchen, so wird erst eine kleine Gabe an die Schwiegereltern gesandt, deren Zweck ist, das Feld zu sondieren. Es sind 10 Kola und 500 Kaurimuscheln. Werden sie freundlich angenommen, so weiß man, daß der Schwiegersohn keinen Widerstand finden wird, und es folgen nun 2500 Kauri und dann 5000 Kauri. Während der folgenden ein bis zwei Jahre macht man dem Schwiegervater bei jedem Feste kleine Geschenke, und dann geht man zu einer endgültigen Regelung der Angelegenheit über. Nun bekommt der Schwiegervater tam-penne = 20000 Kauri 20 Franken. Wert in zwei Raten, nämlich erst 17000 und dann 3000 Kauri. Zum Schluß wird am Hochzeitstage der Betrag von 2750 Kauri und 10 Kola überwiesen. Das ist die letzte Rate, aber das Genannte ist noch nicht alles, denn der Schwiegervater wird die ganze Werbe- und Wartezeit über reichlich mit kleinen und großen Geschenken bedacht.Mit der letzterwähnten Rate ist der Tag der Hochzeit erreicht. Es ist ein Donnerstag. Auf beiden Seiten ist alles würdig vorbereitet. Die Schwiegermutter hat dem Bräutigam schon seit längerer Zeit Stoffstreifen gesandt, aus denen er eine Decke genäht und, wenn er wohlhabend genug ist, sie mit Seide bestickt hat. Er hat vor allem ein eigenes Gehöft gebaut, entweder allein oder mit Hilfe seiner Freunde oder aber mit den Sklaven seines Vaters zusammen. Natürlich liegt es in oder am gleichen Dorfe, aber es ist ein wenig getrennt von dem des Vaters und möglichst weit entfernt von dem der Schwiegereltern. In diesem Hause hat er das Bett gerüstet und die Decke der Schwiegermutter darüber ausgebreitet.
Die Schwiegermutter sendet heute aber auch die Ausstattung, die je nach der Wohlhabenheit der Familie reich ist. Die Mutter legt in eine große Kalebasse einen dunkelblauen Schal aus Segu, ein Kleid, das für Festtage bestimmt ist. Die Tochter bekommt Messer und Lampe, Mörser und Keule, Kalebassen und zwischen fünfzehn und dreißig Körben Schalen und Schemel. Sie selbst wird geschmückt mit Halskette, Nasenschmuck, Arm- und Ohrringen, so daß sie stattlich dreinschaut. Wohlhabende Mütter gaben früher ihrer Tochter eine kleine Haus- und Stubensklavin mit, und ein reicher Vater sandte einen tüchtigen Küchensklaven in den jungen Haushalt, so daß wir am besagten Donnerstage das junge Gehöft schon in vollem Schmucke aller Arbeits- und Genußgeräte und auch schon von Menschen belebt sehen.
Wenn der Donnerstagmorgen anbrach, versteckte der Bräutigam
sich irgendwo bei seinen Freunden im Dorfe. An diesem Tage war kein Fest, denn man war doch stets ein klein wenig unsicher, hinsichtlich des Ausganges der Eheschließung. Für Feste war ja noch immer Zeit. —Abends kamen zunächst vier alte Weiber, zwei von diesen gingen in das Haus und deckten ein weißes, möglichst feines Laken über das Ehebett. Zwei warteten vor der Tür. Dann gingen sie hin und holten die Braut. Ihr Antlitz war, wie bei den Malinke, verhüllt, aber die langstielige Kalebasse der Malinkebräute trug sie nicht. Dagegen war sie begleitet von einem Bruder und einer Schwester, die nicht mit in das Brautgemach eintraten, sondern vor der Tür außen niederhockten. War die Braut auf dem Lager gebettet, so ward dem Bräutigam eine Nachricht gesandt, und daraufhin machte er sich auf den Weg, und zog mit seinen Freunden in sein neues Heim ein. Nun traten die alten Weiber, denen sich noch eine fünfte, die Fächerschwingerin, beigesellt hatte, und die Kanti genannt wurde, aus dem Hause. Die Freunde blieben auch auf dem Hofe und nur der Bräutigam ging in das Haus. Vorher aber übergab er den an der Tür bockenden Verwandten der Braut (Schwester oder Bruder derselben) ein Geschenk von 5000 Kauri, eine Sitte, die auch die Malinke kennen, nur daß diese ein Geschenk an Stoff im Werte von einem Frank für hinreichend erachten.Während nun im Brautgemache die Ehe geschlossen wurde, harrten die alten Weiber und die Freunde des Bräutigams gespannt darauf, welches der Ausgang des Ereignisses sein werde. Fand der Bräutigam, daß er noch jenes zarte Hindernis, das hinwegzuräumen Kultus und Natur hier dem siegbewußten Bräutigam vorbehalten hat, zu bewältigen habe, so war er hocherfreut und befriedigt. Er kleidete sich danach rasch an und stürzte freudestrahlend und jubelnd aus dem Hause und in den Jubel stimmten die Freunde ein und rannten pulverknallend und kreischend mit ihm zum Fluß. Während er sich nun im Flusse badete, und wusch, gingen die alten Weiber in das Brautgemach. Sie betrachteten die Spuren des stattgehabten Ringens und falteten das blutbefleckte Laken fein säuberlich zusammen. Die Kanti, die Fächerschwingerin, aber wehte der erhitzten Braut eifrig frische Luft zu.
Am andern Morgen zeigen die alten Frauen dies Laken mit großer Befriedigung im engeren und weiteren Familienkreise umher, und nun gewinnt die Ansicht Raum, daß es Zeit zu einer allgemeinen Festlichkeit sei.
Alle Frauen lassen sich die Haare ordnen, alles legt neue Kleidung an. Es wird getrommelt und getanzt und nach allen Seiten hin werden Geschenke vergeben. Jeder Mann bringt zunächst eine Gabe der Braut dar, Vieh, Kleider, Kauri usw. Die Braut behält sie nicht, sondern gibt sie ihrer Nio-mutia, d. i. die weibliche Person,
Verwandte, Freundin, Sklavin oder was es sonst sei, die ihr bislang die Haare geordnet hat. Denn diese dienende Freundin hat das bislang immer ohne Entgelt getan und heute wird sie mit den Geschenken bedacht, die der Braut überwiesen wurden, und zwar mit allen, wenn diese auch einen Wert von mehr als 1000 Frank haben. Damit ist der Dienst der Nio-mutia aber ein für allemal beendet.Dieses Tanzfest währt eine Woche. Gegen Ende desselben machen auch die Eltern des Bräutigams reiche Geschenke. Und zwar schenken sowohl der Vater wie die Mutter jeder der alten vier Frauen, die das Brautbett bereiteten, einen Überwurf und einen Schal, während die Kanti mit einem Schal und einem Überwurf, von den Eltern gemeinsam gestiftet, zufrieden sein muß.
Die eigentliche Ehefrau, die Forojugu (bei Malinke und Bammana =Foromussu, bei Marka =Foronjangare, bei Fulbe =Dimodebu), bleibt selten allein. Häufig, wenn der wachsende Wohlstand der jungen, durch Sprossen vermehrten Familie dies gestattet, wird vom Ehegatten ein drittes Gespann geehelicht, und hierzu erteilt gar nicht selten und besonders, wenn sie sich ihrer Stellung ganz sicher ist, die erste Gattin selbst einen Rat. So gibt z. B. zuweilen der Tod des Vaters des Gatten hierzu Veranlassung - denn nach Bossogesetz erbt der Sohn immer zwei, die Tochter nur einen Teil. So mehrt sich der Besitz und es wird Zeit zu einer neuen Kapitalanlage, bei der die mit ihren Kindern beschäftigte erste Frau auch nach anderer Richtung als auf dem Gebiete der Arbeit, Erleichterung und Herabminderung der Ansprüche erhofft.
Eine zweite Gattin, auch wenn sie eine Forromussu, eine geheiratete Freie ist, stört die erste Gattin in ihrer Stellung meist nicht. Im allgemeinen ist der Stellung der "ersten Frau" der Fungpanna (bei Malinke und Bammana =Mussufollo, bei Fulbe =Jeo) eine unerschütterliche, und wenn nicht gerade die Mutter des Gatten mit im Hause lebt und ihr so gewisse Einschränkung und Konkurrenz bietet, so ist sie im wahrsten Sinne des Wortes Herrin im Hause. Sie ist die Verwalterin der Vorräte, sie kennt alle Unternehmungen des Gatten und daher alle Besitzverhältnisse. Wenn irgendeine der nachfolgenden Frauen verdient oder einkauft, muß ihr Abgabe und Bericht erstattet werden. Sie ist den jüngeren Frauen Helferin in schwerer Stunde, und von ihr verlangt man, daß sie für alle Kinder insgesamt eine gütige Patronin ist, wenn auch jede Frau für sich eine Erzieherin und Fürsorgerin der einzelnen Kinder ist.
Aber der Bosso heiratet nicht nur Frauen, sondern er legt sich auch wohl eine Tarajo, Konkubine (Malinke und Bammana Taramussu; Marka =Tarajagare; Fulbe =Tarajumadebu), zu. Die Torojugu sieht das nicht sehr gerne -denn nicht nur, daß eine Taramussu nur dann ihre Stellung beim Hausherrn zu wahren
weiß, wenn sie ihm besonders lieb und wert ist, also ganz besondere Eigenschaften aufweist - nicht nur das, nein die Kinder der Taramussu werden mit Eifersucht beobachtet; denn es ist ein offenes Geheimnis, daß sie besonders tüchtige Menschen sind, und von allen größeren, frisch ins Staatsleben hereinwachsenden Königen behauptet man, daß sie die Kinder einer Tarajo oder Taramussu seien.Um das Kapitel der Weiblichkeit in geschlechtlichen Wettkampf zu beenden, sei bemerkt, daß auch den Bosso die Hure, hier Fongononjamma (bei Malinke =Fanasigimussu; bei Bammana = Sunguru-mba; bei Fulbe Schiba-Fungaru [oder Fasigi?] und Djebo Lamdu [letztere =Königshurej; bei Marka =Djanjuo und Pasigi), nicht fehlt, daß sie keine besonders mißachtete Stellung einnimmt, aber auch keine Gold- resp. Kauriberge sammelt. Auch hier wiederholt sich die alte Erfahrung, daß diese armen Geschöpfe das, was sie mit Darbietung ihres Leibes verhältnismäßig leicht verdienen, schnell und ohne Verstand zur Förderung ihrer Anziehungskraft in äußerem Kleiderprunk verschwenden müssen. Übrigens glaube ich aus dem mir hier erstatteten Bericht schließen zu dürfen, daß die Huren sich aus dem Kreise solcher bedauernswerter Weiber ergänzen, die an einer Nymphomanie zur Entwicklung gebracht, durch mangelnde Körperarbeit leiden. Die Fongonjamma sind übrigens auch hier nur in den kleinen Städten resp. großen Dörfern und in Djenne zu finden. Auf dem Lande und in den kleinen Weilern fehlen sie. Für Fremde sind sie wohl nur in Djenne zugänglich. — Päderastie, Onanie und ähnliche giftige Früchte der Kulturvölker fehlen hier ebenso wie bei den Mandingo.
Nun noch einige Worte den andern Familienverhältnissen. Auch hier wie bei allen Mandestämmen besteht beim Ehemann den Schwiegereltern gegenüber ein ganz besonderes Schamgefühl. Wenn die Hochzeit mit dem zugehörigen Festtrubel vorbei ist, d. h. gleich nach der Verehelichung, entsteht ihnen gegenüber bei ihm eine Art Scheu, die darin zutage tritt, daß er nie in ihrer Gegenwart ißt, daß er sie nicht beim Namen nennt, ja nicht einmal ihren Namen ausspricht. Auch das ist eine Sittenreihe, die genau mit den gleichen Beobachtungen, die ich bei den Mande machte, zusammenfällt. Diese Scheu läßt erst etwas nach, wenn die Kinder des jungen Paares so weit heranzuwachsen beginnen, daß man an die Verheiratung der Enkel der Schwiegereltern denken kann. Dann hebt der nun schon ältere Ehemann den Schwiegereltern gegenüber etwas kühner das Haupt. Aber ganz verschwindet die Scheu das ganze Leben hindurch nicht.
Ich erwähnte schon die Erbschaftsform. Die Töchter erhalten halb soviel als die Söhne. Das ist echt islamisch. Aber es bestehen
Spuren ebenso echter matriarchalischer Familiengliederung, wenn die e auch nicht sehr in die Augen fallen. Betont sei, daß auch hierin die Fami engesetze der Bosso genau denen der Mande entsprechen. — Im Leben der Kinder spielt der Bruder der Mutter, der Kokou (bei Malinke =Mbarri; bei Bammana =Benke; bei Marka =Bienke; bei Fulbe =Kau), eine ganz besondere Rolle. Der heranwachsende Bursche kann nämlich seinem Onkel gelegentlich einen Hammel, eine Ziege, Hühner, ja einen Ochsen - wenn der Kuhhirt nicht genügend aufpaßt - rauben, und der Kokou hat weder das Recht, den Jungen zu bestrafen noch von ihm oder seinen Eltern Ersatz zu beanspruchen. Es ist, als ob der Kokou die Pflicht habe, irgendwie zur Erhaltung seiner Neffen und Nichten von Schwesterseite beizutragen, und wenn er das auch nicht freiwillig tut, von den Schwesterkindern zur Unterstützung sich zwingen zu lassen.Noch deutlicher tritt das Neffen- und Onkelrecht hervor, wenn ein junges Mädchen, ohne einen Gatten zu besitzen, Kinder in die Welt setzt. Dann nämlich werden diese dem Mutterbruder der Leichtsinnigen zur Erziehung und als Besitz überwiesen.
Festtage der Bosso. — Außer verschiedenen Festen, von denen manche im Verlaufe der Beschreibung erwähnt und geschildert werden und von denen der größte Teil von Zufälligkeiten und in unregelmäßigen Abständen, in Szene geht, je nachdem ein Glück oder ein Unglück die Menschen heimsucht, hörte ich noch von folgenden, feststehenden Zeremonialen.
i. An der Spitze muß auch hier der mohammedanische Ramadan genannt werden, der hier Sali-ni-megu (bei Malinke = Sunkarusah; bei Bammana =Sahi-ni-djenni) heißt. Wenn Mitte November der Mond aufgeht, erschallen abends Gewehrschüsse. Alles wandert zum Flusse sich zu baden, und jeder Mann läßt sich die Haare schneiden. Es gibt sehr gutes Essen. Abends ist Tanz, und so feiert man unter allgemeiner Beteiligung auch der Nichtmohammedaner drei Tage lang.
2. Noch größer ist das zweite, noch berühmtere mohammedanische Sahi-mburru (bei Malinke = Bana Sah; bei Bammana = Sahba). Das fällt wohl auf den 10. Januar (?). Man wäscht einen tüchtigen Hammel und schlachtet ihn dann, aber man ißt ihn noch nicht. Es wird der große Salaam gebetet, man badet, rasiert sich; es ist abends Tanz und morgens Tanz. Man feiert drei Tage.
3. "Bonde" (bei Malinke = Fakarru oder Sanjillima Karu; bei Bammana =Djom-bene) wird gegen Mitte Februar begangen. Das Fest spielt sich in gleicher Weise ab, aber es fehlt das Hammelschlachten und die Dauer überschreitet nicht einen Tag. Man behauptet auch hier, bei den mohammedanischen Bosso, an diesem
Tage wiege Allah die Bosso, und die, welche nicht schwer genug befunden würden, töte er in Bälde.4. Im Mai findet ein echt nationales Fest der Bosso statt: Panai Taki genannt. Viele Bosso versammeln sich an einem bestimmten Seitenarm des Niger nahe Djenne. Erst treten alle erschienenen Boote in einer Reihe nebeneinander an und dann findet ein Wettfahren statt. Nur die, die gewinnen, dürfen an diesem Tage fischen.
5. Ein weiteres Nationalfest der Bosso ist Kuna Djobo Uarri genannt. Kuna Djobo ist ein Seitenarm des Niger nördlich von Djenne. -— Im Juni, wenn dieses Fest - und zwar an einem Dienstage - begangen wird, scheint dieses Gewässer schwachen oder keinen Abfluß zu haben. Die Männer tragen mächtige Hosen, in die bis zu 50 m Stoff vernäht worden ist - die Frauen haben feine Gürtel von vielen Kaurimuscheln. Man geht zum Fluß. Man tanzt, man trommelt und kocht. Am ersten Tage tanzen die Jungen, während die Alten, die schon über viel Zaubermacht verfügen, fischen und dem Flusse Opfer an Speise beibringen. Jeder hat das Recht zuzugreifen und zu essen, wo er eine gefüllte Kalebasse sieht. Am Ufer des Flusses wird einen Tag lang gefeiert, im Bossolande tanzt man eben während sieben Tagen.
Dies ist offenbar eine der Opferfeiern, von denen bei Gelegenheit der Beschreibung der Fischerei gesprochen wird. Es gibt übrigens wohl noch eine ganze Reihe anderer festliegender Lokalfeiern, von denen ich nicht hörte.
d) Das ErwerbslebenDie Bosso sind Ackerbauer und Fischer und sie haben wenig Vieh. Es gibt aber viele Fulbe im Lande, die die Wartung der Schafe und Rinder übernehmen, auch wenn diese Eigentum der Bosso sind. Als Hirten spielen die Bosso jedenfalls gar keine Rolle, als Fischer keine so bedeutende als man beim ersten Betrachten der Gegend annehmen zu müssen glaubt, nur als Ackerbauer sind sie voll und ganz in ihrem Berufe. Die Täuschung, der die wenigen Berichterstatter über die Bosso anheimfielen, indem sie das Volk als Fischervolk bezeichnen, ist leicht verständlich. Zunächst reisen die meisten der doch immer noch recht wenigen europäischen Besucher des Bossolandes in der Zeit der hohen Wasser auf der breiten Nigerstraße. Da sehen sie denn überall Netze aufgestellt, Leute beim Flechten der Reusen beschäftigt, und vor allem werden Augen und Nase wenig angenehm berührt durch die ungeheuren Mengen der in der Sonne zum Sonnendörren ausgebreiteten aufgeschnittenen Fische, über denen Tausende von Insekten umherschwirren und
die einen direkt pestilenzialischen Gestank ausströmen. Wer in solcher Zeit eines der Uferdörfer betritt, sieht allenthalben die Töpfe und Vorratsräume mit Fischen gefüllt, erhält überall Fische geschenkt und sieht in der Abendstunde die kleinsten Buben schnell hintereinander die leckersten Wasserbewohner mit den Angelschnüren aus dem Wasser reißen. Das, was aber am meisten täuscht, sind die ungenauen Angaben der begleitenden Eingeborenen, die alles Volk am Ufer für Bosso erklären, während doch die Kunst, mit den langen Schleppnetzen und den riesigen Reusen zu fischen, gar nicht den Bosso, sondern den dazwischen wohnenden Somono geläufig ist.Bei den Bosso verrichten lediglich die Männer die Landarbeit. Die Frauen beteiligen sich nicht dabei. In echt patriarchalischer Weise wandert der Vater mit Söhnen und Haushörigen des Morgens ins Gelände und bestellt den Acker. Die Frauen beteiligen sich weder beim Säen noch beim Ernten. An Feldbestellungsgerät sind verschiedene Arten Hacken im Gebrauche, die insgesamt Sommo oder Schommo genannt werden, jede aber noch einen eigenen Namen haben: i. die Singi, die kurzen, geraden Stiel und kleines Blatt hat. Das Blatt ist vorn spitz. Das Instrument wird zur Bestellung der Flachäcker für Reis und Forgnong verwendet. 2. Soli, eine Hacke mit kurzem geradem Stiel und breiter großer Klinge, die vorn gerade abschneidet, wird zum Bestellen der Äcker der Bataten und des Maniok verwendet. Sie dient also zur Haufenbestellung. 3. Die Uarra genannte Hacke hat langen gebogenen Stiel und großes, vorn glatt abschneidendes Eisen -mit ihr werden die Felder für "kleinen Mil", "groben Mil" und Mais bearbeitet. —Verfolgen wir nun die Reihe der angebauten Feldfrüchte, an deren Spitze genannt werden muß:
1. der Reis, Dugo-ping. Er wird im Juni oder Juli gesät, und zwar auf Planfeldern. Der Beginn des Anbaues ist mit einer gewissen Feierlichkeit verbunden. Der Familienherr hat sich schon beizeiten einen Fisch von der Kuana genannten Art besorgt. Der Kopf wurde getrocknet und pulverisiert und wird nun mit der ersten Reissaat zusammen ausgestreut. An diesem Tage ißt man keinerlei Speise, die aus Reis hergestellt ist, sondern Njemping, das sind kleine Kuchen aus Hirsemehl. — Die Reissaat ist im allgemeinen einen Monat früher als bei den Malinke, weil diese erst den Forgnong ins Erdreich bringen, für dessen Saat die Bosso erst hinterher sorgen. Dagegen fällt die Reisernte wie bei den Malinke in den November. Oftmals wird mit dem Reis zusammen auf einem Felde großer Mil und Mais gesät.
2. Fornong heißt Fung. Die Bestellung findet am Ende Juni oder Juli, jedenfalls nach dem Reis auf Plant eldern oder auf Haufen-
äckern statt. Letzteres ist der Fall, wenn allzuviel Unkraut den Boden erobert hat. Ernte: drei Monate nach Aussaat.3. Der kleine Mil, "Jim-ping" oder Jim-pi, wird im Juli auf Haufenäckern ausgesät und am Ende November, wenn alle andern Speis körner schon eingebracht sind, geerntet.
4. Mais, "Manjo", wird mit dem großen Mil und auch wohl mit Reis zusammen gesät - dies ist um so natürlicher, als er nur zweieinhalb Monate bis zur Reife benötigt. Werden Reis, großer Mil und Mais zusammen gesät, so scheint dies in Reihenrinnen, ein Korn neben dem andern, zu geschehen. Selbst gesehen habe ich das aber nicht.
5. Der große Mil, "Kondorong" oder "Njaping", hier zumeist als Futter für Pferde verwendet, wird mit Mais zusammen im Planfeld oder auch auf Haufenäcker gesät und nach 3-5 Monaten (je nach der Art) als letzte der Körnerfrüchte dieses Feldes geerntet.
6. Erdnüsse: Die kleine Sorte (Hypogaea?) wird Uo genannt, im Juni oder Juli auf Planfeld gesät und nach drei Monaten geerntet. Die mehrkörnige Erdnuß (Arachis), genannt Ma-ntiga, wird Anfang Januar gepflanzt und angeblich erst ein Jahr später geerntet.
7. Maniok heißt Barenanku. Er wird im November gesteckt. Im übrigen läßt man ihn mindestens ein Jahr lang im Boden, damit die Wurzeln kräftig genug werden. Ein Holzigwerden, wie das an der Westküste oft genug vorkommen dürfte, scheint hier nicht gefürchtet zu werden.
8. Bataten heißen Tumaule. Sie werden in Reihenfeldern, die unseren Spargeipflanzungen ähneln, aber schmale Kämme aufweisen, gesetzt. Man hackt von Zeit zu Zeit das Unkraut, d. h. man häufelt neu, aber man läßt sie zwei bis drei Jahre im Boden und holt die Knollen, die gebraucht werden, heraus.
9. Zu den Industriepflanzen übergehend, sei zunächst der Baumwolle (die Pflanze heißt Duo-tin[g], der Same Do) gedacht. Die Pflanzzeit ist August, die Pflückzeit die Periode der größten Hitze, also März/April. Die Anbauform bedingt ein Haufenfeld.
10. Das zweite wichtige Produkt liefert Gara-tin(g), die Indigopflanze, die ein Reihenfeld, d. h. einen Acker mit langen Beeten, wie ich solche schon bei den Bammana sah, bedingt. Wenn die Pflanze gut entwickelt ist, also etwa November (der Zeitpunkt wird durch leichtes Rotwerden der ersten Blätter angegeben), kann man in einem Monat die Blätter bis dreimal ziehen.
Des weiteren wird noch angepflanzt:
Fuo, bei Malinke Dafu, eine drei bis vier Meter Höhe erreichende Pflanze, deren Stengel Stoff zu gedrehten Fäden liefern. Bohnen, Saperra genannt, Pfeffer, Denti genannt (Forronto der Malinke,
Kelle-kelle der Bammana), zwei Kürbisarten, nämlich: Bugu (irrt Malinke =Dje) und die lange Mutu (in Malinke =Mulungu), welche beide für Suppen und Saucen verwertet werden. Aubergines bauen im Bossolande nur die Bammana; Bananen fehlen.Sirati, die Tabakspflanze, baut der Bosso nicht an. Er kauft den Tabak bei den Bammana. Der Tabak, Sira, wird auch nur gekaut und geschnupft, nie geraucht. Bei dieser Gelegenheit mag die Verbreitung der verschiedenen Arten des Tabakgenusses Erwähnung finden. Dem Rauchen sind nur Surraka (Mauren) und Tuareg diese beiden allerdings leidenschaftlich - ergeben. Beide schnupfen und priemen nicht. Malinke und Soninke kauen den Tabak nicht, rauchen nie und schnupfen sehr selten. Wenn der Soninke jemand Tabak kauen sieht, weist er ihn weit von sich. Bei den Malinke haben in vergangenen Zeiten die Alten ein wenig gepriemt und geschnupft. Das gleiche nachzuahmen war eben den Leuten unter 30 Jahren streng verboten, — sie konnten beim Übertreten dieses Verbotes gewärtigen, eventuell geschlagen zu werden.
Nun der zweitwichtigste Wirtschaftsbetrieb der Bosso: Die Fischerei. In alten Zeiten wurde die Periode des Fischfanges mit hochfeierlichen Opfern eingeleitet, die bezwecken sollten, die Ergebnisse der Jahreszeit möglichst günstig zu stellen. Denn wie alle Gewässer launisch sind, so gewährt auch der Niger nicht jährlich den gleichen Fischsegen. Im August jeden Jahres bereitete man emsig Hirsebier, das goß man in den Strom. Das gab den darin befindlichen Jine Gelegenheit zu Zechgelagen --denn die verwöhnten Geister genossen nichts als dieses edle Getränk, — und somit stimmte man sie gnädig, so daß man auf reiche Ergebnisse rechnen konnte.
Die Sampana opferten eine schwarze Ziege. Sie schnitten ihr die Kehle durch und ließen das Blut in den Fluß tropfen. Im Nebenfluß Para warf man zwei Kola in das Wasser und band einen Hammel am Ufer an. Der Arm Gonga gehört angeblich den Somono. Die bereiteten den dortigen Jine ganz besondere Opfer. Ein Albino mußte eine Kopflast mit Honig ans Ufer tragen. Da zerschlug man erst die Kalebasse, in der der Honig war, und dann den Kopf des Mannes. Wie gesagt, war das angeblich ein Opfer der Somono. Aber auch die Bosso sollen noch manche andern Gebräuche an verschiedenen Stellen pflegen, von denen man sich reichen Erfolg verspricht. In alten Zeiten sollen sie einmal das Opfer unterlassen haben. Als sie in der dann herannahenden Fangperiode ausfuhren, strich ein schwerer Wind über den Strom hin, warf die Kähne um und tötete so sämtliche Fischer. Wenn aber richtig geopfert ist, tuen auch die Kaimane den Fischern nichts.
Die Fischereivorrichtungen der Bosso sind folgende:
1. Fischwehre, bei Bosso =Schuon, bei Malinke =Ballang, bei Bammana = Ualan.
2. Scherennetze, wie die Bewohner des Senegal und die Südstämme sie benutzen, bei Bosso =Tien, bei Malinke = Dialla und Djo, bei Bammana =Djo.
3. Dann die große, primitive Trichterreuse der Bammana (in der Sammlung enthalten und gezeichnet), bei Bosso =Kong, bei Malinke =Songa, bei Bammana = Susu.
4. Die kleine Reuse Uan, bei Malinke =Nkaja, bei Bammana auch Nkaja.
5. Angelhaken (an Leine ohne Rute): Ja; bei Malinke =Doli, bei Bammana = Dole.
6. Fischlanzen: mit einer Spitze, Dungo, zweizinkig =Tintang, und wenn diese beiden Spitzen ohne Widerhaken sind =Magi, dreizinkig = Schumboi. Bei den Malinke heißt die Fischlanze =Sonong, bei den Bammana =Schogolong.
7. Der Harpunenspeer mit flacher Doppeispitze (deren zweite aus der ersten herauswächst) heißt = Ta. Die vordere Spitze wird meist vergiftet. Ist bei Bammana und Malinke unbekannt. Das "Fischbeil" mit einer Zacke führen nur die Bammana, das mit zwei Spitzen die Senuffo.
Die Somono verfügen über größere Apparate. Sie haben zunächst die viele Meter messenden Netze, die bei den Stämmen am Nigerufer Schou heißen. Dann haben sie mächtige Reusen, von denen die für kleine Fische bestimmte, die Djenne, an zwei Meter lang, die für große Fische dagegen, die Kundung, an zwei Meter Durchmesser hat.
e) Die GeheimbündeDie Bosso haben drei Geheimbünde, nämlich a) den Kumang, anscheinend auch Konno genannt (entspricht dem Komma der Bammana), b) den Diarra (eine angeblich ureigene Einrichtung) und endlich c) den Kaing (dem Naina der Bammana entsprechend), von dem es mehrere Abarten gibt. Die Mitglieder der sämtlichen drei Bünde bedienen sich eines Schwirrholzes aus Bambus, Doogu genannt. Hier das, was des Näheren über die Bünde zu erfahren war:
Sollte das siebenjährige Fest abgehalten werden, so sandte der Mare, der Leiter oder "Besitzer" (Verwahrer) des Kumang, Boten an alle Mitglieder nach allen Richtungen. Jeder der Alten rüstete dann sein Festkleid, das aus gelbem Stoff gefertigt war und vor allem aus Hose, Überhang und Mütze bestand. Die Mütze war mit Sibi, das sind Amulette mit Lederbezug, in Reihen besetzt. Daneben hatte jeder seinen zeremonialen und würdigen Fliegenwedel, einen Ochsenschwanz, der mit rotem Stoff und einer Kette geziert war. Die Kette ward über den Arm gestreift, so daß der Wedel, wenn nicht benutzt, wie ein Fächer herunterhing. Außerdem nahm jeder noch seine Gaben für die Sitzung mit, das waren Schlachttiere und berauschende Getränke. So ausgerüstet machte er sich auf den Weg zum Sitzungsplatze.
Der Mare, der Verwalter und Leiter der ganzen Veranstaltung, hatte inzwischen den Platz hergerichtet, eine Lichtung, die den Gelagen und Tänzen diente. Er selbst nahm auf einer Menschenhaut, und zwar auf der Haut eines Albino Platz, über die das Fell eines schwarzen Hammels ausgebreitet war. Darauf kam nun einer der Alten nach dem andern, begrüßte den Mare und lieferte seine Gaben ab. Jeder brachte, wie erwähnt, Stier und Duo (das ist das Getränk; duo meine =trinken)mit. Auch war jeder so vorsichtig, seine Kenken, das sind die Korti der Bammana oder Korte der Malinke (Zauber-mittel in Pulvern, die mit Blasen, Bogenschießen, Fingerschnipsen oder so auf den Feind oder in der Richtung, in der er ist, geschleudert werden und diesen krank machen oder töten), mitzubringen. Die Alten ließen sich um den Mare herum nieder und nun wurde geschlachtet, Speisebereitung besorgt und dann geschmaust und gezecht. Sieben Tage währte solch Gelage und während dieser siebentägigen Schlemmerzeit war noch nichts von der Maske zu sehen. Ich irre wohl aber nicht, wenn ich die verschiedenen nicht ganz
klaren Angaben meiner Berichterstatter dahin deute, daß man sich während dieser sieben Tage schon darüber einigte, wer etwa hinweggeräumt werden sollte und wie diese oder jene Volksangelegenheit durch Eingreifen des Kumang am einfachsten oder besten zu regeln sei. An einem Mittwoch war die siebentägige Eingangsschlemmerei abgeschlossen, und dann legte jeder Alte sein gelbes Staatskleid an, um sich würdig auf das Kommende vorzubereiten.Auf dem Zusammenkunftsplatze ragt ein Jagobaum - welche Art bei den Malinke Korromani heißt empor. Der Jagobaum gilt als Mutter des Kumang und aus seinem Holze wird die Holzmaske des Kumang geschnitzt. An dem Fuße dieses Baumes ist auf Anordnung des Mare eine Grube ausgehoben worden, in der ist der Kumang mit Maske und Federkleid untergebracht. An dem erwähnten Mittwoch nun stieg er etwa gegen drei Uhr zum Tageslicht empor. Zuerst wurden Opfergaben an Kola, Mehl, Blut des geschlachteten Ochsen und auch von den Sibi darauf geworfen, und dann begann der Kumang Dialli, der Vorsänger des Bundes, sein feierliches, heiliges Lied zu singen. Der Text desselben begann mit den Worten:
Erste Zeile: Bosso: tande kumang jugu Bammana: kollong komma dara jirri Deutsch: Loch (Erdgrube) kumang daneben Baum. |
Zweite Zeile: Bosso: kinga mbugi kinga furru Bammana: dobbe burru dobbe firri Deutsch: (eine) Blüte blüht ab (eine) Blüte knospet. |
Während das gesungen wurde, regte es sich im Loch und langsam erhob sich die Federmasse in der Grube. Die Kumangmaske begann zu schreien. Der Kumang begann einige Worte zu singen, und die Leute im Kreise antworteten. Die Alten saßen nämlich nun zunächst in einem Kreise, alle das Gesicht nach innen, den Rücken nach außen gewendet. Sie klatschten zum Tanze der Maske in die Hände. Aber keiner durfte sich bei Todesstrafe umsehen. Um diesen Kreis tanzte inzwischen der Kumang; aber jetzt schon starb der eine und andere unter dem gewaltigen Andrängen der richtenden Macht, die dem Kumang innewohnte.
Der Kumang selbst war erst klein wie ein Kind von zehn Jahren, dann aber wuchs die Maskengestalt mächtig empor zur Höhe der Palmbäume. Er wechselte beim Rundtanze ständig die Größe, die Form, die Geste, wie wir das ja auch beim Komma in Beledugu beobachteten. Er rückte empor und sank zusammen. Er wechselte die Farben seines Federkleides und schien bald grüner, bald weißer, bald grauer. Er tanzte schon an diesem Mittwoch, dem ersten Tage seines Auftretens, bis in die Nacht hinein. Und nachdem die ersten
Reigenlinien um den Kreis der Mitglieder gezogen waren, traten diese auseinander und jeder hatte nun das Recht, nach der Zukunft dieser oder jener Sache, nach dem zukünftigen Schicksal dieses oder jenes Menschen zu fragen. Und der Kumang erteilte Antwort und Auskunft über alles, was in den sieben Jahren bis zum nächsten Fest vorkommen wird.Dieses beides scheinen die wesentlichen, integrierenden Bestandteile im Treiben der Maskierten bei diesem Feste gewesen zu sein: der prophetische Tanz und soziale Reinigung. Man konnte fragen und war sicher, daß er auf alles Auskunft gab: Auf Fragen nach Krankheit und Tod, Besitz und Wohlfahrt, Aufkommen und Niedergang der Familien. Ja, die einzelnen Angehörigen der verschiedenen Berufe erhielten Bescheid und Ratschlag: Jäger und Fischer, Ackerbauer und Viehzüchter. Das währte drei Tage lang hintereinander, an einem Mittwoch, einem Donnerstag und an einem Freitag. An diesem Freitage sagte er endlich zum Schluß dem Mare kang kumang, dem Leiter oder Besitzer des Kumang, ob er noch bis zur nächsten Tagung, also noch sieben Jahre, leben würde oder nicht. Dabei war es gleichgültig, ob der Mare mitten in diesem Zeitraum, im Anfang oder auch nur einen Tag vor Beginn des nächsten Festes sterben würde. Er wurde aufgefordert, nach Hause zu gehen, sein Kleid abzulegen und es einem Manne zu übergeben, den der Kumang gleichzeitig als Nachfolger ernannte. Das war das letzte wichtige Ereignis, das während der Tagungen des Kumang vorkam. — Im übrigen fand, wie gesagt, ein gründliches soziales Aufräumen statt, und täglich starben während der Tagungen sowohl unter den Bewohnern der dem Zusammenkunftsplatze nahegelegenen Ortschaften, als unter den Alten im Walde mehrere. Man geht sicher nicht fehl, wenn man annimmt, daß dieses Aufräumen eine Folge der während der ersten sieben Gelagetage stattgefundenen Altersbesprechungen gewesen sei.
Sonst war noch mancherlei über diesen Bund zu hören. Die Kumangmaske war den Bosso-Sorokoi der alten Zeit soviel wie ihre Gottheit. Diese mehrfach erhaltene Angabe ist wohl so zu deuten, daß der Geist der Prophezeihungen für das Volk den Sinn göttlicher Offenbarung besaß. Der Name der Institution hing innig mit dem andern Sinne des Wortes Kumang zusammen. Kumang heißt auch der Kronenkranich. Und der Kronenkranich war und ist noch heute den Bosso eine Art Schicksalsvogel. Die Einrichtung kam von auswärts, der Kumangbund stammt aus dem Lande Gwanga. Ein Diulla, ein fahrender Krämer, der aus diesem Lande stammte, stieg seinerzeit bei einem Bosso namens Mare ab und lehrte ihn all das, was zur Einrichtung des Kumang gehörte. So nannte man den Gründer dieser Kultur unter den Bosso den Mare
kang kumang, und der Name blieb der Titel des hohen Priesters des Bundes bis heute; so erzählten die Bosso.Aber wie gesagt, die Macht des Bundes ward mehr und mehr beschnitten, denn er nahm allzu viele Menschenleben in Anspruch. Heute ist er weit weniger mächtig als der Diarra.
Die derzeitige Macht des Bundes ist so ausgedehnt, daß sogar Mohammedaner an ihn Abgaben zahlen, um nicht seinem gefährlichen Wirken ausgesetzt zu sein. Wenn z. B. ein Marabut auf Reisen in eine Gegend kommt, in der der Diarra häufig seine unheilvolle Macht ausübt, so läßt er sich von seinem Wirte zum Diarra-tu, das ist Leiter des Diarra (tu der Bosso scheint soviel wie tigi der Mande zu sein), führen und überbringt ihm ein Geschenk, bestehend aus zehn Kolanüssen und Kaurimuscheln im Werte von zirka 40 Pfennigen. Er geht dann zu der Mauer im Walde und wirft sich nieder, das Gesicht auf den Boden drückend. Der Diarra kommt heraus und setzt ihm dreimal erst den rechten, dann den linken Fuß auf den Nacken. — Diese Zeremonie, die auch beim Komma der Bammana vorzukommen scheint, ist die Veranlassung zu der Redensart: "Ich will mich niederwerfen." Damit will man ausdrücken, daß man in den Bund eintreten, zu ihm in freundschaftliche Beziehung treten oder seinen Sitzungen beiwohnen will. Diese Wendung wird nur bei Diarra und Komma angewendet. Für den gleichen Zweck sagt man bei allen andern Bünden an Stelle: "Ich will mich niederwerfen" die Worte: "Ich will ihn sehen!" — Hat der Marabut durch solche Geschenkdarbringung und Niederwerfung dem Bunde seine Huldigung erwiesen, so darf er auch einer Sitzung beiwohnen, doch ist es ihm nicht erlaubt, mitzutanzen.
Will ein Bosso in den Bund eintreten - auch hier sind wie überall die Weiber und Kinder von der Mitgliedschaft ausgeschlossen
-, so bringt er für zwanzig Pfennige Kauri, zehn Kolanüsse und einen roten Hahn dar. Die Novizen werden dann auf den Diarratanzplatz gebracht. Wenn sie den Mut dazu haben, tänzeln sie erst hinter der Maske her. Dann aber müssen sie sich alle zusammen hinsetzen. Sie rufen dann: "Pa kita." Auf diesen Ruf hin stürzen andere, junge Mitglieder des Diarra hinzu und schlagen die Novizen. Die, die hinter dem Diarra selbst hertanzen und zu seinen Ehren singen, gelten als die Soldaten des Diarra und werden demnach Diarra-Komma genannt. Derweilen dies Zeremonial sich abspielt, sitzen die Alten im Kreise herum, essen Kola und wedeln sich mit dem üblichen Kuhschwanze. Sie haben mächtige Mützen auf, deren eingeklappte Spitzen weit in den Nacken fallen. — Dies Tanzspiel dauert die halbe oder die ganze Nacht hindurch.Der Diarra selbst wird durch eine maskierte Person dargestellt. Sein Kleid besteht aus blauem, geflochtenem oder verflochtenem Schnurwerk. Wolifäden fallen auch vom Holzwerk über den Kopf herab; Wolifäden verschiedener Farbe bedecken die Innenseite der Beine. Der Maskierte hat auch einen Wollschwanz. Auf dem Kopfe liegt eine Holzmaske, die gleicht dem Gongkung in Banang. Sie stellt einen Löwenkopf dar und wird An-jung genannt. Vor allen Dingen bemerkenswert ist aber eine starke Belastung mit Eisenmassen. Von der An-jung fallen vorn Stäbchen aus Eisenblech vor das Gesicht. Von dem Halse hängt zunächst eine schwere Eisenkette, sie hängt nach hinten weit herab. Ihr Name ist Djorro-ko. Die Arme sind mit schweren Eisenringen bedeckt. Den Hals umgibt Abundu, ein starker Eisenring, von dem eiserne Stäbe strahlenförmig nach allen Seiten abstehen. Das Merkwürdigste aber ist die Montierung der Beine, die den Namen "Ki"trägt. Auf der Innen- und auf der Außenseite der Beine, oberhalb und unterhalb der Knie, sind (an jedem Beine vier) Eisenrohre angebracht. Das Innere dieser Eisenrohre ist mit Holzstäben ausgefüllt, die nach dem Knie hin aus den Eisenhüllen herausragen und hier untereinander verbunden sind, so daß sie ein Gelenk bilden und dem Knie Bewegungsfreiheit lassen. — Im übrigen ist über die Zehen des Tänzers noch Fell gezogen, so daß sie wie Löwentatzen aussehen und so mit der Kopfmaske zusammen den Charakter des Maskierten betonen. Denn Diarra heißt in der Sprache der Bosso "Löwe". — Wenn der Tänzer so auftritt, so rasseln und klappern die Eisenmassen, und da das Stampfen des starken Mannes - nur ein sehr starker Mann ist imstande, das Kleid zu tragen - den Boden so schon beträchtlich erschüttert, so macht das Ganze wohl auf jeden einen recht starken Eindruck.
Der Diarra hat ein heiliges Haus, das heißt das Diarra-jamma. Es ist schon äußerlich an kleinen Tonklößen erkennbar, an den sog.
Njenu-ndiu, die auf der Mauerkante liegen. Tritt man hinein, so sieht man rechts Eisenketten, dann Tierschwänze mit Zaubermitteln. Rund herum stehen Töpfe mit Zaubermitteln. Von der Decke hängen kleine Kalebassen mit Zaubermitteln herab. Das ist das Arsenal der Angriffs- und Verteidigungswaffen des Bundes als solchem. Es scheint recht reichhaltig zu sein, wird aber auch nicht viel andere Gedanken bergen, als alle diese Institutionen. Außer dem Bunde als Ganzem hat aber noch jedes einzelne Mitglied seine eigenen Einrichtungen für übernatürliche Kraftentfaltung. Hierzu gehören vor allen Dingen drei, die jedes Mitglied sich verschaffen muß, um persönlich in den vollen Besitz der Macht eines Diarragliedes zu gelangen.Das erste der großen Zaubermittel der Diarrabundmitglieder ist der Kuorru. Wer dies Zaubermittel anwenden will, kauft sich einen neuen Topf. In seinen Boden macht er sieben Löcher von der Stärke eines kleinen Fingers. Im Bossolande wächst ein sehr festes Rohr, das wird Diga genannt. Davon besorgt der Mann sich einen guten Schaft und schneidet sieben Röhrlein, die genau in die sieben Löcher im Boden des Kuorrutopfes passen. Der Topf wird nun an der Mauer aufgehängt oder auch vielleicht auf eine Mauerkante gestellt. Während vierzig Tagen muß dann der Zauberlustige in den Topf opfern, und zwar muß er jeden Morgen ein Ei hineinwerfen, so daß es darin zerbricht. Inzwischen sucht er die andern notwendigen Ingredienzien zusammen. Da ist zunächst die Fufu, eine Knollenpflanze, die von den Bammana Ngogu, von den Malinke Ngude genannt wird. Sie wächst unter dem Wasser; die Malinke kauen ihre Knollen, wie sie Kolanüsse knabbern. Unser Bossozauberlehrling sucht einige dieser Knollen, trocknet sie und stößt sie zu Mehl. Das Mehl rührt er mit Wasser zu Brei an und diesen streicht er an die eiserne Wandung des Topfes. Weiterhin erjagt er eine kleine Tundu, das ist eine Mauereidechse mit rotem Kopfe (bei Bammana bascha; bei Malinke kande-kungule. —"Kungule" heißt "Kopf roter"), und beschafft sich einen Kunguru, d. h. Hund, der sehr rot sein muß. Beide Tiere werden geopfert. Erst wird der Tundu der Hals aufgeschnitten und die Hälfte des heraustropfenden Blutes in dem Topfe, die andere Hälfte in einer kleinen Kalebasse aufgefangen. Ebenso verfährt man mit dem Hunde.
Während sich nun die Hälfte des Eidechsen- und des Hundeblutes mit dem Eier- und Mehlbrei im Topfe mischt, geht man mit der Kalebasse, die die andere Hälfte des Blutes enthält, in den Busch. Man sucht einen Uobaum, eine Art, die bei Bammana Dialla heißt. Man schält eine genügende Menge seiner Rinde ab und reibt sie zu Mehl. Das Mehl verrührt man in der Kalebasse mit dem Eidechsen-
und Hundeblut und läßt das eintrocknen. Jetzt ist der Bosso zum Zauberwerke bereit.Ereignet es sich nämlich nun, daß der Kuorrubesitzer mit einer Frau in Streit gerät, und diese ihn dabei beleidigt, so eilt er sogleich zur Rache. Er geht nach Hause. Dort läßt er erst die Hosen fallen. Dann nimmt er etwas von der Blutrindenschmiere aus der kleinen Kalebasse. Das rührt er mit Wasser zu einer Soße an, und während des Rührens murmelt er emsig den Namen der Frau, die ihn so schwer beleidigt hat. Ist die Brühe genügend dünnflüssig, so gießt er sie in den Kuorru, d. h. den Siebenröhrentopf. Aus dem tropft das Wundermittel nun durch die sieben Rohrröhrlein langsam zu Boden. Die Folge davon ist, daß die Frau, der die Zauberei gewidmet ist, sogleich von einer starken Menstruation befallen ist, die kein Ende nimmt. Jede andere Menstruationskrankheit kann man heilen, aber eine durch den Kuorru eines Diarra heraufbeschworene chronische Menstruation ist unstillbar und unheilbar. Gar manche Frau stirbt daran.
Aber noch andere Scheußlichkeiten kann der Besitzer dieser Zauberopfer gehaßten Weibern antun. Z. B. kann er einen Hammel schlachten, die Blase herausschneiden und sie aufschneiden, dann von dem Kalebassenschmierzeug hineintun und den Namen der Verwünschten nennen. Alsogleich wachsen dem armen Weibe die kleinen Schamlippen zu mächtigen Beuteln heraus. Und sie bleiben so groß. Das soll eine Krankheit sein, die im Nigertale nicht selten ist. Im Bossolande aber glaubt man, daß diese stets durch ein Mitglied des Diarra hervorgerufen sei, der die Macht seines Kuorrotopfes zur Stillung seines Rachegefühles in dieser Weise in Bewegung gesetzt habe.
Das zweite der großen Zaubermittel des Diarra hat einen ebensowenig menschenfreundlichen Sinn. Es gilt dem Zwecke, gehaßten Menschen die Kurungenji genannte Krankheit aufzuladen. Das ist ein Hautausschlag, an dem man mindestens drei Jahre lang leidet und an dem sehr viele sterben. Auch zur Übertragung dieses häßlichen Leidens füllt der Diarramann sich einen Topf, und zwar sammelt er zu diesem Zwecke: i. Affenbrotbaumfrüchte, und zwar von ihnen die Schalen, wenn sie noch grün sind; 2. vom Faserbart des Maises; 3. Haare von den Ohren irgendeines verreckten Tieres; 4. den Unterkiefer einer Korrongo, das ist eine schwarze Schlange, die ausdrücklich zu diesem Zwecke getötet ist; 5. den Fisch San oder Schan, der drei Stacheln auf dem Kopfe hat. Hat man all das zusammengebracht und seinen Topf damit gefüllt, so bedeckt man ihn gut und vergräbt ihn in dem allgemeinen Abfallhaufen der Ortschaft. Darin verbleibt er sechs bis sieben Monate. Dann gräbt man ihn wieder aus und mengt den zerfallenen Inhalt im Topf gut durch-
einander, so daß eine Art Pulver oder Mehl daraus wird. Davon füllt man in eine große Tabaksbüchse. Jetzt gilt es, noch eine Art Prüfung auf Brauchbarkeit anzustellen. Man stellt nämlich die Tabaksbüchsen mit dem Mehl in die Sonne. Ist die Mixtur geraten, so wirbelt die Masse in dem Gefäße um sich selbst. Um dem Mittel aber die möglichste Kraft zu verleihen, stiehlt man die Kleider eines Toten. Man brennt sie an und hält die große Tabaksbüchse mit der Mischung in den Rauch. Dann hat man alles getan und steckt das Gefäß zu sich. Hegt man nun aus plötzlicher Veranlassung oder schon von langer Zeit her schweren Groll gegen jemand, so bringt man die Mischung zur Anwendung. Heimlich und so, daß es niemand sehen kann, nimmt man mit einem Stäbchen etwas von dem Pulver und streut es in den Wind. Man muß aufpassen, daß die Windrichtung gerade in dem Augenblick auf den Gehaßten zuweht und dabei dessen Namen nennen. Daraufhin bricht bei jenem sogleich die Krankheit aus. Der Ausschlag tritt sehr schnell zutage. Es gibt nur sehr wenige, die bei solcher Krankheit helfen können. Im Busch wächst ein Baum, der heißt Perepara oder vielmehr Prepra. Von den Blättern dieses Baumes muß man nehmen, und zwar eine so erkrankte Frau vier Pakete, ein derart erkrankter Mann drei Pakete. Das wird gekocht. Von dem Dekokt muß der Kranke trinken, und zwar eine Frau viermal, ein Mann dreimal. Darauf muß man sich damit waschen. Aber nur ein Mitglied des Diarra kann durch diese Medizin die Kurungenjikrankheit heilen. Ein anderer Mensch nicht.Das dritte der großen Zaubermittel des Diarra ist anderer Art. Es hat nicht den Zweck, andern Menschen schlimme Krankheiten und üble Sachen zuzufügen und sich dadurch Respekt zu verschaffen, sondern es hat die Aufgabe, dem Besitzer prophetische Kraft zu sichern. Dies Gerät besteht in einer menschlichen Figur, bei Bosso und Bammana Jirimani, bei Malinke Jiri mogoni (oder Jiri moko-ni) genannt. Wer solch wertvolles Besitztum gewinnen will, schnitzt sich selbst eine Holzfigur. Diese Holzpuppe gilt es aber erst zu beleben, und zu diesem Zwecke ruft der Jirimaniverfertiger ein Kind in seine Hütte, das schon gut sprechen kann. Er setzt ihm reichlich Speise vor und nimmt ihm dann plötzlich Ji, seinen Schatten, fort (bei Bammana = dia, bei Malinke = nini). Er fängt den Schatten und steckt ihn in ein Fellbeutelchen, das er schnell schließt. Das Kind geht dann nach Hause. Aber sobald es dort ankommt, fällt es tot zu Boden. Denn mit dem Schatten ist ihm das Jungo (= Leben; in Bammana = ni, in Malinke = nio) genommen. Sehr wichtig ist es, daß das Kind, dem man den Schatten nahm, die gleiche Größe wie die Holzpuppe hat. Dieser hängt man alsdann das Beutelchen mit dem Leben des Kindes auf die
Brust und kleidet die Figur in Eingeborenenstoffe. Wer seinem Jirimani ganz besondere Kraft verleihen will, fängt auch wohl die Schatten zweier Kinder ein, um beide, in Beutelchen gefaßt, der Figur umzuhängen. Aber das ist sehr schwierig auszuführen, denn selten findet man zwei Kinder von genau gleicher Größe, die gleich gut sprechen können. Und das ist da Voraussetzung. Den zweiten Schattenbeutel hängt man dann nicht auf die Brust, sondern auf den Rücken des Jirimani. — Solchergestalt mit dem Kinderschatten belebt, ist Jirimani nun wie ein anderes lebendes Wesen. Er spricht sehr viel und gut und vor aller Welt. Man gibt dem Jirimani Kolanüsse und sonstige Leckereien, damit Jirimani stets guter Laune und zum Prophezeien aufgelegt ist. Ist das der Fall, so hat man mit Jirimani einen unfehlbaren, stets redebereiten kleinen Propheten im Hause. Jirimani sagt alles vorher, Todesfälle, Besitzwechsel, Dorfereignisse, ja Jirimani meldet sogar bevorstehende Besuche an, vermeidet deren Absichten, Namen und Geschäftsausgänge.Der Kaing (oder Kange). Die beiden Kainggesellschaften der Bosso-Korrongoi entsprechen dem Namen und Wesen nach genau dem Naina der Bammana. Kaing heißt Schakal, und die Gesellschaften, die diesen Namen tragen, haben die Aufgabe, die Ortschaften von Vampirmenschen und Giftmischern reinzuhalten. Die verbreitetere Aussprache im Profanleben ist nicht Kaing, sondern Kange. Es gibt zwei Arten der Kaing, nämlich den Kaing ne meku und den Kaing mburrung. Ehe ich aber auf die verschiedenartige Tätigkeit dieser Bünde eingehe, will ich den Giftmischern, gegen die sie zum großen Teil gerichtet sind, einige Worte widmen. Die Völker am oberen Niger und auch die Bosso kennen drei Arten der Giftmischung. Ich will damit nicht behaupten, daß dies die einzig vorkommenden sind; vielmehr glaube ich, daß, wo diese Leute einen andern mit Gift aus dem Wege räumen wollen, sie noch andere Mittel kennen und anwenden. Es sind die nun zu schildernden aber diejenigen, die vom Volksglauben am meisten gefürchtet sind und die angeblich bei Malinke, Bammana und Bosso in gleicher Weise gebraut werden.
I. Fonjoa bei Bosso, Dungono bei Bammana und Dabari bei Malinke. Verfahren: Der Giftmischer fängt sieben Schung (= Fliegen, Bammana und Malinke = Dimogo), eine Tommo kondi (=Tarantel; Bammana =sirantaerae; Malinke =kisse) und die Pfote einer Sarru (=Kröte; Bammana = tun oder turri, Malinke = toto). Diese drei Bestandteile werden während sieben Tagen gut getrocknet. In der darauffolgenden Mitternacht werden sie gemahlen. Dann wird ein Tuch um ein Fußgelenk gebunden.
Damit niemand dadurch auf das Vorhaben der Giftmischer aufmerksam wird, ruft er: "Ich habe mir das Bein verletzt! Was schmerzt mich mein Bein!" Vorsichtig sieht sich der Mann um, ob niemand in der Nähe ist, und dann zermalmt er die Ingredienzien mit drei starken Keulenstößen im Mörser vollständig. Damit ist das Giftpulver bereit. Tut man davon in Milch, so schäumt sie nach zwei Minuten schon auf. Darum muß man das Gift dem Feinde schnell beibringen. Es in pfeffrigen Speisen, in denen man es nicht wahrnimmt, zu verabfolgen, hat keinen Wert, weil es darin seine Wirkung verliert. Um es nun ganz unbemerkt zu applizieren, schlägt der Giftmischer folgendes Verfahren ein: Er tut sich eine gute Dosis unter den Daumennagel der rechten Hand. Er füllt eine kleine Schale mit Milch und ruft den Gehaßten herbei, daß er die Milch trinke. Wenn er kommt, reicht man ihm die Schale so hin, daß der auf der Innenseite der Schale ruhende Daumen im letzten Moment von Milch überflossen und so das Gift von der Milch aufgesogen wird. Der andere trinkt und ist verloren.2. Bui-tie bei Bosso; Magafugu bei Malinke. Wird von Frauen angewendet, wenn sie sich an einem Manne rächen wollen, und ist sehr unanständig. Die rachesüchtige Frau nimmt nämlich ein Baumbutterbällchen und mischt es mit Salz. Dies Klößchen fügt sie in ihre Schamspalte. Dann hockt sie über die soeben bereitete, noch glühend heiße und dampfende Speise, die sie dem gehaßten Manne vorsetzen will. Sie hockt so darüber, daß der Speisedampf in ihre Vagina emporsteigt, daß dadurch die Baumbutter aufgelöst wird und nun gemischt mit Vaginaschleim in die Speise tropft. Der Mensch, der die Speise genießt, stirbt zwar nicht, aber er erkrankt doch mindestens für vier Jahre mehr oder weniger schwer.
3. Kaing-forro bei Bosso; Nugu-de bei Bammana; Nogo bei Malinke. Das ist ein sehr schweres und gefährliches Gift und wird gewöhnlich angewendet, wenn es darauf ankommt, viele Dorfbewohner oder gar alle Bewohner eines Dorfes zu töten. Wer das beabsichtigt, geht auf die Jagd nach einem Schakal. Sobald er ihn erlegt und aufgebrochen hat, schneidet er ein Stück vom Magen heraus (es kann sich auch um die Galle handeln; ich konnte das nicht gut verstehen). Ein kleines Stückchen, in ein Gericht geworfen, genügt, den genießenden Menschen zu töten. Will man aber das ganze Dorf vernichten, so wirft man ein großes Stück in den Brunnen, aus dem gewöhnlich das Wasser geschöpft wird. Dann sind alle, die von dem Wasser trinken oder die aus Kalebassen essen, die mit dem Wasser gereinigt wurden, oder die von Speisen genossen, die mit dem Wasser aus diesem Brunnen gekocht sind, dem Tode geweiht.
Gegen alle diese Sorten von Giften und Giftmischerei und außerdem
gegen die Tungutu (gleich Subaga) sind die Unternehmungen der beiden Kaing gerichtet. Aber im wesentlichen gehört die Tätigkeit des Kaing der Vergangenheit an, und zwar ist der Kaing ne meku vollkommen schon seit langer Zeit verschwunden, während der Kaing mburrung nur noch so selten ist, daß man auch ihn kaum noch zu den lebendigen Bünden rechnen kann. Beide Bünde nahmen als Mitglieder nur alte Leute auf. Die Zaubermittel und Machtgeräte waren wie das Rüstzeug aller Bossobünde früher bei den Bäumen im Westen der Ortschaften untergebracht. Dort, aber nie nach Sonnenaufgang zu, waren am Fuße der alten Bäume kleine und große Töpfe und kleine Häuschen zu sehen, in denen die materiellen Fassungen der magischen Kräfte der Bünde untergebracht waren. — Im übrigen wurden hier die geistigen Vorkämpfer beider Kaings früher von der Bewohnerschaft zu den Waffen gerufen.Der Kaing ne meku wurde durch den durch einen eigenen jungen Dialli begleiteten Genossenschafter der gleichzeitig Erzogenen (bei Bosso =kane-mie; bei Bammana = kemissing; bei Malinke = kamalinu genannt), zur Tätigkeit angestachelt. Sie zogen vor die Tore des Dorfes und sangen: "Der Kaing ne meku ist gestorben - er findet kein Tungutu mehr, er findet keine Giftmischer mehr. Der Kaing ne meku ist alt geworden und starb." Wenn genügend gereizt, kam dann eines Nachts der Kaing aus einem Häuschen im Busch hervor. Er war nicht maskiert, sondern nur in ein dunkelblaues Gewand gehüllt. Es war ein alter Mann, der auf einer Flöte blies und in der Hand ein armlanges Hackeneisen trug. Er ging dann überall umher, zog Zaubergerät und Zaubergesindel von den Bäumen herab und aus der Erde empor. Er kroch in alle Häuser und stieg über alle Mauern, auch wenn sie an die vier Meter hoch waren. Überall wußten Subaga und Giftmischer gefährliches Zaubergerät und schlimme Gifte ausfindig zu machen. Es war eine gründliches Reinigen und blieb nicht viel Gefährliches übrig.
Ganz anders der Kaing mburrung! Das war eine sehr ernste und fürchterliche Genossenschaft. In dem Lasirripanna (Maimonat) jeden Jahres erheischte er ein Menschenopfer. Ein Mann ward zum Wohnsitze des Bundes im Walde geschleppt und durch Schläge auf den Hinterkopf, durch Zertrümmerung des Kopfes getötet. Erst dann konnte der Kaing mburrung kommen, um sein Richteramt auszuführen. Noch im gleichen Monat zogen die Alten des Gemeinwesens nach dem Busche hin und forderten mit alten, heiligen Gesängen die Kaing auf, herauszukommen. Drei Tage lang jeden Morgen (?)zogen die Alten aus, die Unholden zu rufen. Am dritten Tage abends kamen dann die "Tiere" aus dem Busch. Sie liefen
aus dem Busch auf das Dorf zu und zurück. Sie kamen schreiend wiederum heran und rannten in das Buschdunkel. Erst wenn sie zum dritten Male nahten, zogen sie mit den Alten, den Bundmitgliedern in das Dorf ein. Und dann hob das Strafgericht an. Jeder, der Gemeinfährliches unternommen hatte, ob als Vampir, ob als Giftmischer oder sonstwie, ward vorgeladen, und die Tiere richteten streng. Es war gleich, ob es ein Mann vom Ansehen eines Königs oder ein Mitglied des eigenen Bundes oder ein gleichgültiger Mensch war. Er ward unnachsichtlich vorgerufen. Es ward ihm von den Tieren seine Schuld vorgehalten, und er durfte sich verantworten. Aber wenn er schuldig befunden wurde, dann ward er auf jeden Fall getötet. — Die Angaben, daß die Tiere des Kaing mburrung wirkliche Tiere und keine Maskierten gewesen seien, sind einstimmig. Es wird hinzugefügt, daß diese Tiere nicht etwa nur Schakale gewesen seien, es wären aber keine gewöhnlichen Tiere gewesen, sondern sie hätten sich in alles verwandeln können, in fliegende Geschöpfe und in Geschöpfe, die durch Erde und Wasser vordrangen. Deswegen konnte ihnen nichts und niemand entgehen. Fanden die Tiere keine Verbrecher und kein Verbrechen im Dorfe, so prophezeiten sie ein gutes, gesegnetes Jahr.Beide Kaing wurden im Mai abgehalten. Die Zeremonien der Diarra finden im Januar statt. Für den Kumang gab es keine bestimmte Kulturperiode.
f) Altersklassen der Geheimbünde
Wie bei den Mandestämmen zerfällt das gesamte Bundwesen d. h. der eigentliche, dem Familienleben gegenübergestellte Bau des lebendigen Staatswesens in drei Klassen, die man nicht mit Unrecht mit den Stockwerken eines dreistöckigen Hauses vergleichen kann. Die Gruppierung ist folgendermaßen angelegt:
Die Kane-mie-kibarri sind die Knaben vor der Beschneidung. In diesem Alter versammeln sie sich häufig zu allerhand Mummenschanz. Sie maskieren sich und kommen so in die Dörfer. Sie necken und verscheuchen die Frauen und erhalten allerhand kleine Geschenke. Sie gehen auch wohl in solcher Gestalt bettelnd von Haus zu Haus. Es gibt allerhand Spiele, die aus dieser Quelle hervorgegangen sind. Da ist zunächst Dò*, entdeckt im Dorfe Siranikorro. Ein aus Stäben gebundenes Tier wird vom Tänzer wie ein Hausdach getragen und ein Faserbehang hängt bis zur Erde herab. Dann ist da Ko, entdeckt im Bossodorfe Tieng, ein Maskenbild, das mit seinem geschnitzten Kopfe eine Antilope
Diese Knaben bilden vor der Beschneidung regelrechte kleine Gesellschaften und Geheimbünde. Dazu gehört z. B. "Kibarri", angeblich die allerälteste der geheimen Gesellschaften der Bosso. Die Tänzer kommen mit hörnerlosen Masken aus dem Busch und sind durch einen langen Faserbehang gut vor dem Erkanntwerden gesichert. Sie betteln. Hand in Hand damit geht der Jugendbund. Jökaba, auch ein Bund, der seine harmlosen kleinen Feste aber nicht im Orte, sondern draußen auf einer Sandbank im Flusse veranstaltet. Eine große Rolle dabei spielen Schwirrhölzer, deren Surren man bis in das Dorf hin hören kann. Sie sind nicht aus festem Holze hergestellt, sondern aus den dicken fasrigen Blattstengeln der Borassuspalme geschnitzt. Angeblich dürfen die Alten und wohl auch die Männer den Versammlungen der Jökaba nicht beiwohnen und auch nichts von ihnen wissen. Der Jökaba und der Kibarri gelten als Vorstufe des eigentlich großen Volksbundes des Diarra.
In diesem "Heidengebiete" zwischen den Segu- und den Djennestädten fand ich fast bei jedem Dorfe im Gebüsch und in dessen Dickicht ein frei gehauenes Plätzchen, das reichlich mit menschlichem Kot bedeckt war und als Diarraheimat angesprochen werden mußte. Zuweilen war in einer nahegelegenen zweiten Nische dieses Gebüsches das Heim des Naina aufgeschlagen. Naina (kanje) und Diarra scheinen gute Freundschaft zu halten. In der Nische des Diarra fand ich nun immer den gleichen geheimnisvollen Kram: i. Die Diarratrommeln und 2. die Schwirrhölzer. Den einzigen Fall, in dem ich mehr fand, werde ich im nächsten Abschnitt erwähnen. Die Schwirrhölzer (Billai genannt) hatten die übliche Form. Die Trommeln aber bedürfen einer besonderen Beschreibung. Es sind nämlich keine Schlag-, sondern Reibetrommeln, und zwar von zweierlei Art, einer kurzen und einer langen. Die kurze Trommel ist nur mit einem Fell, also nur auf einer Seite bedeckt. Im übrigen ist es eine ausgehöhlte Holzröhre, die etwa in der Mitte ein Loch aufweist. Auch die Haut ist in der Mitte mit einem Loch versehen. Die Handhabung ist so, daß
eine Kette durch das Seitenloch in die Holzröhre und nachher durch das Mittelloch in dem Fell geführt wird. Nun ziehen zwei Menschen außen die Kette hin und her, so daß sie im Fell und im Holz kräftig auf und ab rasselt. Die große Diarratrommel liegt der Länge nach auf der Erde. Sie ist bis über zwei Meter lang und ein Exemplar, das ich sah, hatte etwa einen Meter Röhrendurchmesser. Sie besteht ebenfalls aus einem ausgehöhlten Baumstamm. Um das Werk des Aushöhlens zu erleichtern, ist ein langes Stück herausgeschnitten, das aber nach vollendeter Aushöhlung wie ein Deckel wieder eingesetzt wird. An beiden Seiten sind Felle, und angeblich wird das "Gebrüll der Diarralöwen" auf diesem Instrumente dadurch hervorgerufen, daß die Zugkette längs durch die Trommel durch zwei Löcher in der Mitte der beiden Felle gezogen wird. Ich glaube das aber nicht, denn ich fand noch zwei weitere Löcher in der Holzröhre, jedes nahe einem Felle, so daß die Annahme näherliegt, daß die Trommel mit zwei Ketten, nämlich je einer an einer Seite, bedient wird. Danach wäre es nichts anderes als eine Verdoppelung der ersten Trommelform.Ene ähnliche Trommelform soll auch im Maligebiete in Gangaran vorkommen, aber auch hier den Namen Diarra führen. Ferner gefunden im Sennfo-Bobogebiet und in Mangu.
Mehr fand ich nie. Aber es soll früher mehr vorhanden gewesen sein. Die Eingeborenen von Siranikorro, die durch die vorzügliche Wirkungskraft ihrer Diarra weit und breit berühmt sind, erzählten mir, früher wäre der gesamte "Haushalt" der Diarra in einem Hause in der Stadt gewesen. Alle Frauen und Kinder hätten ständig große Angst vor den Diarra und diesem Hause gehabt, bis eines Tages ein großer Brand im Dorfe ausbrach. Dieser erfaßte vor allem die Wohnstätte der Diarra, und nun konnte alle Welt sehen, daß der Diarra nichts weiter sei als Holz, Stroh und Stoff und ebenso brannte wie alles andere. Alle Weiber schrien: "Der Diarra ist nichts als Holz und Stroh. Das Holz des Diarra brennt wie alles andere Holzt" Als alles so spottete, floh der eigentliche Diarra Hals über Kopf ins Wasser des Flusses, und da unten blieb er. Er kommt nur dann und wann einmal heraus. —So kommt es, daß im eigentlichen Wohnhause der Diarra in der Stadt nichts weiter als die Trommel und Schwirrhölzer zu sehen sind.
In Wahrheit wird es wohl so sein, daß die Masken der Diarra nicht im Busch, sondern in der Stadt versteckt sind. Es gelang mir nicht, auch nur eine einzige ausfindig zu machen, im übrigen wurde mir bestätigt, daß die Tanzzeit des Diarra eine durchaus beschränkte ist. Er tritt nur von Ramadan (November) bis zum Beginn der Regenzeit, ja oft nur im März auf. Vom Juni ab ist es streng verboten, seine Feste zu feiern. Wenn er aber spielt, dann ist es ein
höllischer Lärm. Einige Leute ziehen an den Ketten der Reibetrommeln, andere lassen die Schwirrhölzer surren. Als speziell heilsame Wirkung des Diarra sind "Schutz gegen Kaimane und Nilpferde" angegeben.Die Kegu-keimineju-Sieja sind die Alten, die eigentlichen "Greise". Man darf dieses Wort "Greise" nicht in unserm Sinne anwenden. Denn die Neger werden auch hier nicht so alt wie unsere nordischen Völker, und demnach beginnt der "Alte" schon mit dein Auftreten des ersten grauen Haares resp. mit einer gewissen Würde, die das Bewußtsein verleiht, nicht mehr Untergeordneter in der Familie, sondern deren Ältester zu sein - ferner mit der damit verbundenen Tatsache, daß man nun die Arbeitsperiode im Leben hinter sich und die Ära der Behäbigkeitskultur vor sich hat. In Jahren ausgedrückt, beginnt der Greis mit 40 bis 45 Jahren. Wenn die "Greise" es dann zu diesem Zustande gebracht haben, der durch den ersten Flaum der ersten weißen Haare ein entsprechendes Zeichen der Würde erhält, werden sie in ihrem Bundverhältnis als würdig zum Eintritt in die dritte Altersklasse, in den Siëng genannten höchsten Grad des Diarrabundes erachtet.
Was eigentlich Siëng ist, kann ich nicht sagen, trotzdem ich ihn selbst in Siranikorro entdeckt habe. Ich fand neben dem Lehmschuppen, in dem die großen Diarratrommeln untergebracht waren, eine kleine kubische Lehmbude, die 130 Zentimeter hoch, 150 Zentimeter breit und 150 Zentimeter tief war. Ich fand darin an einer Seite einige Opfertöpfe, Opfermesser, alte Lappen, eine eiserne Glocke; auf der andern aber fünf Holzfiguren und zwei sehr große Schwirrhölzer. Alles das war ganz dunkelrot und über und über mit einer dicken gehärteten Blutschicht bedeckt. Nach und nach erzielte ich hierzu folgende Angaben: Eine Reiterfigur ist der eigentliche Siëng selbst. Es ist der Anführer der ganzen Gesellschaft. Das merkwürdige, fast wie neumecklenburgisches Schnitzwerk aussehende zweite Stück wurde als Kibarri bezeichnet. Kibarri ist, wie oben erwähnt, der älteste der Geheimbünde und heute von der Jugendklasse okkupiert. Drei Holzfiguren wurden mit Jirimani benannt. Die großen Schwirrhölzer führten den Namen "Billai".
Wie gesagt, konnte ich nichts Näheres über die Bedeutung der Gesellschaft erfahren. Ich glaube aber, daß es nicht schwer ist, den Sinn hier zu erfassen. Wir finden Sieng, Jirimani und Kibarri. Nun: Kibarri heißt auch die Jugendklasse, die Jirimani sind die Orakelwesen der Männerklasse, und mit Siëng wird die Greisenklasse bezeichnet. Danach wäre also unter dem Schutze der "Alten" hier die Vertreterschaft sämtlicher Altersklassen vereinigt. Das würde aber auch dem Sinn der ganzen Dreiteilung des Diarrabundes
entsprechen. Denn in Wahrheit sind es die Alten, die alles das regieren und beherrschen. — Eine so klare Einteilungsweise auf Besitzerwerb wie bei den Bünden des Kommasystems der Malinke traf ich bei dem Diarrasystem der Bosso nicht. Immerhin liegt doch dem ganzen Aufbau das gleiche Wesen zugrunde.Soweit die Geheimbünde, deren dämonische Auswirkung schon tief genug in ein mythologisches Denken hineinleuchtet. Vergegenwärtigen wir uns nun noch die aus dem Totendienst erkennbaren Vorstellungen, um dann mit vollen Segeln in das seltsame Zauberland der Schattengeister an den Wässern des Niger einzulaufen.
g) Der Totendienst
Die Bosso schreiben alle Ereignisse des Lebenslaufes, soweit es sich nicht um den Eingriff anderer Geister handelt, nicht einem Gotte, sondern der Machtausübung der Verstorbenen zu. Kein Wunder, daß sie daher der Bestattung äußerste Aufmerksamkeit zuwenden und zumal, wenn hervorragende, besonders angesehene Menschen sterben, große Feste abhalten.
Besonders in der vormohammedanischen Zeit war der Totendienst ein sehr ausgesprochener. "Damals waren die Menschen größer als heute. Allein deswegen baute man die Grabhütten und Grabhallen größer als heutzutage", sagen sie, aber das geschah nicht nur dieserhalb. Man konnte die Gräber größer und mächtiger ausführen, weil die ganze Familie von allen Seiten bei einem Todesfalle zusammenkommen mußte und bei der Ausführung der Bini (= des Grabes), so sagte man früher (heute sagt man nur noch: Kaburru) alle Verwandte und Freunde zugriffen. Es wurden deswegen, sobald ein angesehener Mann die Augen geschlossen hatte, nach allen Seiten Boten ausgesandt, die die Nachricht verbreiteten. Und von allen Seiten kamen die Leute in Booten oder zu Lande heran. Mittlerweile begann man nicht mit der Herstellung des eigentlichen Grabes, sondern mit Anfertigung einer Hütte, die aber da aufgebaut wurde, wo der Tote nachher bestattet werden sollte. Darin bahrte man zunächst die Leiche auf. Neben die Leiche legte man hunderte und tausende von Kaurimuscheln als erste Opfergabe.
Das zweite, was geschah, war die Verfertigung eines großen Ringes aus Stricken. Den bezeichnete man als Nja. Dieser Nja galt damals als Gott, wenn die Bosso der alten Zeit ihm auch wenig Aufmerksamkeit widmeten. Heute ist er so gut wie vergessen. Ehe der Tote nun bestattet wurde, ließ man den Nja in den Busch hinaustragen. Zwei Leute mit Gitarren (von gleicher Gestalt wie die Jägergitarren der Malinke) begleiteten den Gott hinaus. Im
Busch wurde dann ein Huhn und ein Hund geopfert. Von diesen beiden Opfertieren erhielt jeder Zweig der Familie einen kleinen Anteil. Man verspeiste diesen aber nicht gleich, sondern wartete, bis alle zusammengekommen waren. Und jede ankommende Familie brachte Huhn und Hund herbei, so daß für große Festmahle ausgezeichnet gesorgt war.Sodann ging man an die Herstellung des Grabes selbst. Von Osten und Westen wurde unter die Hütte, in der der Verstorbene aufgebahrt war, ein Graben geführt. Alsdann wurde unter der Hütte selbst die Erde in großen Mengen ausgehoben, so daß ein großer, zirka zweieinhalb Meter hoher und im Durchschnitt ebenfalls zwei bis drei Meter und mehr haltender Raum entstand. Ob dieser Raum rund oder rechteckig war, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls scheint mir aus allen Angaben über die ungemeine Festigkeit, die diese Gräber haben sollen, und daraus, daß zum Innenbau viel Holz benötigt wurde, hervorzugehen, daß der Raum mit der Erde ausgefüttert wurde.
In diese unterirdische Grabkammer wurde der Tote gebracht. Er war in hockende Stellung gebracht wie peruanische Mumien. Bekleidet war er mit weißen Hosen, weißem Überhang und weißer Mütze, und zwar von jedem möglichst viel, so daß ein tüchtiger Stoffballen entstand. Dieser Ballen wurde zuweilen direkt in die Erde, zuweilen erst in einen mächtigen Topf gesetzt, mitten in die Grabkammer geschoben. Sein Gesicht war nach Westen gewendet. Um die Leiche herum waren vier Leuchter (gleich Pitarra aus Eisen oder Ton gleich den Firma der Bammana) aufgestellt. Sie wurden aber erst angezündet, wenn der Tote fertig gebettet war. Weiterhin stellte man um die Leiche herum auf: Duo, das heißt Getränke in kleinen und größeren Gefäßen, allerhand Speisen und Korn in verschiedenen Gefäßen. War es ein kriegerisches oder sonstiges Oberhaupt, das hier seine letzte Ruhestätte gefunden hatte, so wurden Bogen und Pfeile sowie sein Fliegenwedel in die Grabkammer gelegt. Vor allen Dingen begleitete jeden Fürsten dessen meistgeliebte Frau. Sie wurde lebend mit in die Grabkammer gebracht und darin für immer verschlossen. Man brauchte nie eine Frau hierzu zu zwingen; denn eine jede tat das herzlich gern und war froh, nicht von ihrem Geliebten getrennt zu werden.
In der Grabhütte über der Kammer, in der der Tote zuerst aufgebahrt lag, stellte man eine kurze Tonröhre oder Tonsäule auf, die zuweilen mit dem unteren Raume kommunizierte. Sie wurde genau da errichtet, wo unten der Kopf des Toten in der Kammer lag. Fernerhin zog man von der Grabhütte nach Norden und Süden je einen Graben. Derselbe mündete nicht in die Grabkammer, sondern diente nur dem Zwecke, Reservelebensmittel in Krügen
und Schalen, dazu auch sonstige Gebrauchsgegenstände, wie Tabakspfeifen, Wasserkrüge, ja sogar Brennholz aufzunehmen. Diese Sachen waren bestimmt, den Toten zu erfreuen und zu erfrischen, wenn das, was direkt in der Grabkammer war, aufgebraucht war. Und das Brennholz sollte in kalten Zeiten die Möglichkeit bieten, erwärmende Feuer zu entzünden. War das alles sorgfältig zubereitet, so schloß man den Ost- und Westeingang mit starken Rindenstücken im Innern und warf Erde darauf. Auch schüttete man dann den Nord- und Südgraben zu.Von vielen dieser alten Gräber weiß das Volk der Bosso, und diese dienen ihnen dann als Wallfahrtsorte. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse für spätere Forscher, ein kleines Verzeichnis derjenigen Grabstätten vorzufinden, von denen ich hörte.
i. In Nerekorro, dem ersten Bossoorte nördlich von Segu, ist der Mamuru begraben. Er war der Inhaber starker Korti und sonstiger Zaubermittel.
2. In Joro, dem etwas nördlicher gelegenen Orte, ist der Bosso Juru Mbreema bestattet. Er war Inhaber des Diarra und brachte ihn zu hohem Einfluß in diesem Gebiete,
3. In Suru oder Schuru zwischen Sansanding und Konkonkurru ist Schur Schungai, die Frau des Diarragründe s Pama Kono, bestattet. Sie wollte nach dem Tode ihres Gatten nicht wieder heiraten, starb und wurde hier begraben.
4. In Saama zwischen Joro und Siraninkorro ist einer der interessantesten Punkte für die Forschung gegeben. Vor allen Dingen starb hier und ward hier begraben Pama Kono selbst, der Stifter des Diarra. Es sollen ein Baobab zu seinen Füßen, ein Baobab zu seinen Häupten stehen. Ich habe die Stelle nicht gefunden, und die Eingeborenen gaben an, das Grab sei vom Niger fortgespült worden. Andern Ortes wurde das bestritten. — Ich glaube, daß es noch existiert.
5. In dem gleichen Saama starb seinerzeit Schumu Moriba, das war der Inhaber des Kumang. Eines Tages nun trat ein zweiter Kumang im Dorfe auf. Schumu Moriba, der eifersüchtig auf den Neuangekommenen war, beschloß, ihn auf seine Hellseherkraft zu prüfen. Denn ein Kumang muß hellsehend sein. Nun ist es streng verboten, daß ein Weib mit dem Kumang irgendwie in Berührung kommt oder ihn sieht. Schumu Moriba wollte sehen, ob der neue Kumang einen Betrug in dieser Hinsicht bemerken würde, und verkleidete deshalb seine Freundin in Manneskleider. In diesem Habit wohnte sie als "Mann" einer Abendzeremonie bei, in der der neue Kumang tanzte. Als nun Schumu Moriba mit der verkleideten Freundin an dem Kumang vorbeikam, sagte der Kumang: "Ein Kopf, vier Füße." Damit hatte er zu erkennen gegeben, daß er den
Betrug durchschaut hatte. Als Schumu Moriba mit seiner Freundin heimkam, starben sogleich alle beide. Schumu Moriba ward in der Nähe Saamas begraben.6. In dem gleichen Saama starb Dumba Kulluni, der ein gewaltiger Juguntu war. Er war in Saama nicht ansässig, sondern nur auf der Durchreise. Seine Jugu waren aber so stark, daß sie den Verstorbenen aufhoben und ihn in sein Heimatsdorf trugen. Kein Mensch half dabei. Die Jugu (= die Baschi der Bammana) taten das ganz von allein. Wo sein Heimatsdorf und somit seine Grabstätte ist, wird man von den Saamaleuten bei längerem Aufenthalte sicher erfahren.
7. Kangokorro, 8. Takulli, 9. Mama Terreta liegen sämtlich in Fansira etwas landeinwärts auf dem rechten Nigerufer bei Konkonkurru bestattet. Diese scheinen alle drei in alten Zeiten sehr einflußreiche Nogutu, das heißt Dorfoberhäupter gewesen zu sein. Nach dem Tode eines Dorfoberhauptes gaben aber die Jine oder Djinne an, wer der Nachfolger sein sollte. Als Ausdruckswerkzeug ihres Willens diente ihnen ein altes Bachbett (oder Flußarm), das nahe Fansira durch das Land zog. Es war fast nie mit Wasser gefüllt. Der präsumptive Nachfolger des vorigen Nogutu mußte sich nun in den Busch begeben und dort weilen. War der Mann nun den Jine angenehm, so füllten sie das Bachbett mit Wasser, dann erkannte alle Welt ihren Willen, das heißt ihre Zustimmung, und alles schrie den Namen des neuen Nogutu. Der hörte das und kam sogleich aus dem Busch in das Dorf zurück. Auf keinen Fall durfte der Mann aber im Dorfe sein, wenn das Bachbett sich mit Wasser füllte; denn dann starb er auf jeden Fall sogleich.
10. In Schaba, das bei kuakurru und um sechs Dörfer nordöstlich von Konkurru gelegen ist, starb Schaba Schumana. Seine Grabstelle soll wohl bekannt sein. Es ist einer der tüchtigsten Majäger aller Zeiten gewesen.
11. In Tumura zwischen Kuakurru und Moutu (oder Mopti) liegt ein hervorragender Nilpferdjäger mit Namen Tumura Bokari bestattet.
12. Ka Mussa Kanta, 13. Mama Sampana liegen in Diebi bei Djenne bestattet. Ihre Familie lebt noch.
14. Tagung Breema ist in Tagung, einem Dorfe bei Djenne, am Wege nach Konkurru, bestattet. Er war ein mächtiger Tungutu, labei ein sehr kleiner Mann, der ganz schwarz war.
15. In Gomotugu, einen Tagemarsch von Djenne entfernt, liegt Kontung Mba bestattet. Sein Grab ist deswegen von besonderem (nteresse, weil in Gomotugu eine alte Königsfamilie lebte und noch beute in den letzten Sprossen existieren soll. 16. Ein uraltes Grab findet sich in Djenne selbst. Es gehört
Niemumu Schumumu an und ist, wenn man bei Kanafa eintritt, auf der linken Seite, auf dem Plateau Kinkinkan gelegen.Alle diese Gräber gelten, wie gesagt, als Wallfahrtsorte. In alten Zeiten hielt aber jede Familie die Grabhütten über den Kammern ihrer Toten hoch in Ehren. Zu besonderen Festtagen trat man hinein, rief den Namen des Toten und legte ihm Reisspeise und Huhn nieder. Aus dem Hühneropfer las man gleichzeitig das Orakel. Man schnitt dem Tiere die Kehle durch und warf es hin. Fiel es auf den Rücken, so war das ein Zeichen des Unwillens des Toten und ein schlechtes Omen. Fiel es auf die Brust, so war es klar, daß dem Verstorbenen das Opfer angenehm war und daß eine gute Zeit infolge seiner Hilfe bevorstehe. Im Falle schlechten Opferverlaufes mußte noch ein Huhn geschlachtet werden. Mit der Kolaopferung verband man gleichen Sinn. Man schnitt die Kolanuß in zwei Teile. Fielen die Fruchtteile auf die runde Außenseite, so war das gut, fielen sie auf die flache Schnittfläche, so war das ein böses Zeichen. Das wurde dreimal wiederholt. Das vom Toten durch schlechte Lage Abgewiesene aß man selbst, das mit gutem Omen Gefallene ward ihm zuteil. Die Kolanüsse zerbiß man und streute die Stückchen hin. — Sehr sorgfältig ward früher darauf geachtet, daß die Hütte unter der Grabkammer in gutem Zustande sei, und drohte sie einzustürzen, so ward eine neue hergerichtet.
Diese alte Form des Begräbnisses soll heute noch dann und wann im Gebiet zwischen Sansanding und Kokonkurru geübt werden. Mit der Islamisierung, die rasch fortschreitet, verschwindet sie mehr und mehr aus dem Volksgebrauche und an Stelle des schwierigen alten Bini tritt das weit einfacher herzustellende Kaburru der Mohammedaner.
Der Gestorbene heißt Pu. Das, was lebendig bleibt, ist Jongo = der Schatten (bei Bammana ni und bei Malinke nio); der repräsentiert eigentlich die Angie oder Anjie, die Seele (bei Malinke igia), und diese Angie ist es, die von ausschlaggebender Bedeutung für das Leben der Sichtbaren, der Menschen, ist. Darum hat jeder Haushalt der Bosso einen Opferplatz, an dem dem Angie Gaben dargebracht werden. Man gräbt in einer Hofecke kleine Töpfe nebeneinander ein, die mit hübschen Deckeln aus Ton versehen sind. Die Topfdeckel sind mit kleinen Tonwarzen verziert. Später habe ich solche Warzenverzierung noch bei verschiedenen Stämmen als "heilige" Töpfe getroffen. — Wenn ein einen Hausstand gründender Mann eine solche Kuoru genannte Opferstelle errichten will, opfert er zuerst eine schwarze Ziege (Schuo-pin, Schuo = Ziege, pin = schwarz) oder in Ermangelung deren zwei schwarze Hühner (saba pin pinni = Huhn, schwarz, zwei), dann legte er andere, kleine Speiseteile in die Töpfchen und zu gewissen
Jahreszeiten auch Steinbeile, die er auf dem Acker findet, hin. Zum Zeichen seiner Würde als Hausherr dieses Opferplatzes und auch um den Verkehr mit den Angie aufrechtzuerhalten, trägt er um Stirn und Kopf einen dunkelblauen bis schwarzen Stoffstreifen, der Sissie pin heißt.Die Angie erscheinen den Leuten, zumal den Trägern des Bandes, häufig im Traume und geben diesen oder jenen Rat oder sagen dieses oder jenes voraus. Dafür wird dann stets am Kuoru Reis, Kola und so weiter dargebracht. Die Pu respektive Angie der Verstorbenen regeln das gesamte Dasein der Lebenden. Sie sind es, die reiche Ernte und guten Fangertrag bringen oder die Saaten zerstören und die Fische fernhalten, die den Besitz erhöhen oder ihn herunterbringen, die im Kampfe gewinnen oder unterliegen lassen. Sie sind es auch, die den schwangeren Frauen das Kinderleben zutragen und die die Menschen sterben lassen. —Wenn man aber auf Reisen geht, bringt man ihnen ein Geschenk an ihrer Stelle in der alten Grabhütte dar, und in diesem letzten Falle verspricht man auch Nja = ein Geschenk, wenn die Unternehmung gut verlaufen sollte.
Das letztere erinnert an eine Sitte der Malinke. Diese errichteten früher auf den Gräbern eine Stelle, eine kurze Steinsäule, von der nur der Kopf aus der Erde herausragte. Diesen Stein nannten sie Digia-kurru, und hier machte man Digia ähnliche Geschenke und Versprechungen wie die Bosso ihrem Nja. Wenn die Malinke nun behaupten, daß dieser Digia ihr alter Gott gewesen sei, so muß daran erinnert werden, daß dies Wort sehr an Igia, das ist die Seele der Toten bei den Malinke, erinnert.
h) Zauberwesen. AllgemeinesEs wäre nunmehr das Amulett- und Zauberwesen der Bosso zu besprechen. Im wesentlichen werden zwei Medikamente als geistige Waffen genannt, nämlich i. Djugudu, das sind Amulette, die Fisa oder Baschi der Bammana, die Bassi der Malinke, die bei letzteren auch Baschimugu oder Bassimuge heißen, wenn sie innerlich Pulver respektive Mehl (=mugu) enthalten. Das Djugudu trägt wohl mehr oder weniger jeder Eingeborene, denn es soll schützen und vor zauberischen Angriffen wahren. Die Mutter gibt es ihrem Kinde, der Mann seiner Frau. Es gibt, wie überall in diesen Ländern von dieser Art, einige hundert Varianten, und alle Reiche der Natur müssen ihren Anteil liefern. Es wird wenige Bäume, Büsche, Erden, Farben, Tiere und so weiter geben, denen nicht die eine oder andere, diese oder jene schützende Kraft beigelegt wird. Dagegen wird man 2. Die Tungu im Gegensatz zu den obenerwähnten Verteidigungsmitteln eher als Angriffswaffen bezeichnen müssen. Sie sollen den
Kirsi der Bammana und den Firija der Malinke entsprechen. Diesen verschiedenen Mitteln und den sonstwie geistig eingreifenden Kräften entstammen eine Reihe von Formen, die über das übliche Maß mit Geisteskräften ausgestattet gedacht sind.Im wesentlichen unterscheiden die Bosso folgende Arten von Leuten, die diese Zaubermittel berufsmäßig handhaben:
i. Niumu-nio, das sind schlechte Menschen im allgemeinen, zu denen aber auch und vor allem die Vampirmenschen gezählt werden.
2. Die Bita-tu, das sind Verwandler. Das Wort kommt von Bita, das "verwandeln" heißt. Im nachfolgenden näher zu schildern.
3. Die Tungu-tu, das sind Inhaber starker Tungu im allgemeinen. Sie sind ausgezeichnet durch Tragen eines Armringes, der Supa-baga heißt. Das Wort kommt von Su Arm und haga Ring. Diese Bildung erinnert stark an das Mandewort Subaga, womit die Vampirmenschen bezeichnet werden. Und in der Tat versteht man unter Tungu-tu im speziellen die Vampirmenschen. Von ihrer Tätigkeit nach dieser Richtung werde ich im nachfolgenden mancherlei zu erzählen haben.
4. Die Djegu-tu, die aus dem Bereiche der Wassergeister ihre Kräfte gewinnenden Schamanen der Bosso-Sorokoi. Diese Djegu-tu sind für die Dörfer sehr wertvoll, denn sie schützen die Fischer vor Krokodilen und Nilpferden und so weiter. —Vor allem es sind die Vorkämpfer gegen die Vampirmenschen.
5. Die Kuantummu, das sind die hier im Lande eines sehr diffizilen Überschwemmungsanbaues und sehr schwankender Niederschläge hochbedeutsamen Regenmacher.
Daß damit nur einige Teile und einige Grundlagen der Anschauungswelt dieser überaus gläubigen und glaubensreichen Menschen angedeutet sind und im nachfolgenden umrissen werden, sei betont. Es ist nicht möglich, alles genau zu verstehen, was solch schwerfällige Zungen sagen wollen. Immerhin glaube ich, die wichtigsten Grundlinien gezogen zu haben. Welche große Fülle mehr sozial wirkender Glaubensgenossenschaften und mit dem Zwecke des Erschreckens verbundene Maskenfeste noch nach anderer Richtung vom Zauberwesen erfüllt sind, ist aus dem Kapitel "Geheimbünde" auch bei den Bosso zu erkennen. Ferner ersehen wir aus dem Abschnitt der geschichtlichen Überlieferungen, daß hier im Volksgeiste magische Kräfte spuken, die durchaus fremdartig in Afrika berühren.
In diesem Kapitel naht uns eine Erscheinungswelt, die anmutet wie geboren aus innerasiatischem Schamanismus, und vieles in diesen Erzählungen klingt wie übernommen aus dem Bogda Gesser Khan oder jenen Historien, die uns Radloff in reicher Fülle gerettet hat. Deshalb habe ich auch an einzelnen Stellen das Wort "magische
Kraft" einschieben zu müssen geglaubt - denn damit erwächst dem sachverständigen Leser sogleich eine Urteilsweise und ein Gesichtspunkt für die Textkritik, die diese Bildungen fern von plumpem, mehr oder weniger nur materialistisch empfindendem, für Übernatürliches unzugänglichen und gleichgültigen Negergeiste des heutigen Afrika entstanden, verstehen muß.Ehe wir auf Einzelheiten eingehen, sei nochmals auf ein äußerliches Merkmal, eine charakteristische Erkennungsweise der einzelnen Typen hingewiesen. Es sind mir unter den Bosso häufig Leute aufgefallen, die um Stirn und Kopf über der Mütze einen Zeugstreifen gewunden trugen. Diejenigen, die solche Bänder in Weiß trugen, wurden mir als einfache Fischer, bar jeder Kenntnis der höheren Welt, bezeichnet. Die aber, deren Kopf mit bunten Streifen geziert war, sollen Kenner und Verweser von Kräften sein, die aus einer höheren Welt stammen. Solche mit dunkelblauen Streifen sollen einmal Djege-tu, zum andern aber Haushaltungsvorstände und damit Herren der Ahnenopferstelle (der Kuoru) sein. Der alte Inhaber des Seing in Siranikorro (vgl. Tagebuch 17.Juli 1908) trug ein blaues Kopfband. Ein buntes, weißes und blaues Kopfband sollen diejenigen haben, die für andere Opfer besorgen. Die Stellung dieser Art Leute ist mir unklar geblieben.
Gelbbraun, von der Farbe der Beschneidungsüberhänge der Mandeburschen ist das Kopfband derer, die in den Geheimbünden große Macht und leitende Stellung haben. Allerdings hatte der Diarraoberherr in Siranikorro ein solches Band. — Und damit sind wir wieder bei einer Übereinstimmung mit den Malinke- und Bammanasitten angekommen. Auch hier tragen die Leiter von Naina und Komma gelbe Kopfbänder, und zwar der Oberherr einen gelben Streif, der fest um Stirn und Kopf gewunden ist, während sein Stellvertreter ein Band gleicher Farbe trägt, das auf Stirn und je einer Kopfseite mit einem, also zusammen mit drei Stoffbällchen oder Knoten versehen ist, hinten aber lang herabfällt.
i) ZaubermittelDie Bosso erzählen eine Legende, die stark an die entsprechende Blissigeschichte der Bammana erinnert. Die Jäger im Dorfe Kumbe gelten als die tüchtigsten Jäger im ganzen Bossogebiet. Wenn ihnen auch einmal die Waffen ausgehen, so fehlt es ihnen doch nie an Erfolg. Denn sie haben allerhand Zaubermittel, um das Wild zu ergattern. Die verdanken sie einem Jäger (=Fonso), der Isaaka Menta hieß, und dem es auf folgende Weise gelang, in den Besitz aller geschätzten Jagdmedikamente und vieler Djugudu und Tungu zu kommen.
Isaaka Menta war seiner Sache so sicher, daß er morgens, ehe er zur Jagd ging, seine Frau zu fragen pflegte: "Welches Tier soll ich dir heute für deine Küche erlegen?" Und die Frau konnte sicher sein, daß sie das gewünschte Wildpret erhielt. Auf diese Weise ward aber das Jagdgebiet derart ausgenützt, daß zuletzt ein einziges großes Tier übrigblieb. Dies Tier war eine Schuo-siri, das ist eine gelbliche, größere Antilope, vielleicht auch eine Gazelle. Die versteckte sich so gut im Ufergebüsch der Gewässer, daß sie dem Jäger Isaaka Menta stets glücklich entging. Eines Tages aber begegnete er, als er ausging, einem Manne, der sagte zu ihm: "Isaaka, im Busch am Wasser sah ich soeben eine Antilope. Die hatte ein ausgelaufenes Auge und einen gebrochenen Fuß. Sie ist augenscheinlich sehr fett. Geh hin und schieße sie." Isaaka Menta ging heim, nahm sein Gewehr und sagte zu seiner Frau: "Setze nur immer schon den Topf ans Feuer. Ich will hingehen und werde eine Antilope töten." Die Frau tat so.
Isaaka Menta ging zum Gebüsch am Wasser. Er sah die Schuosiri. Die Schuo-siri hatte ein ausgelaufenes Auge. Sie hatte einen gebrochenen Fuß. Die Schuo-siri sah den Jäger. Sie sagte zu ihm: "Isaaka Menta! Du hast alle Tiere bis auf mich in diesem Lande getötet. Wenn du mich nun heute auch tötest, wirst du den heutigen Tag nicht überleben. Wenn du mich tötest, werde ich deine Mutter töten, werde ich deine Großmutter töten, werde ich deine ganze Familie und alle Bewohner von Kumbe töten." Isaaka Menta sagte: "Bereite dich vor." Er schoß. Aber die Schuo-siri fiel nicht. Er hatte sie nicht getroffen. Isaaka Menta schoß nochmals, aber es war wiederum nichts. Nun hatte er alles Pulver, das er bei sich hatte, verschossen, ohne daß die Schuo-siri berührt war. Er sagte zu ihr: "Schuo-siri, warte bis morgen früh. Ich werde morgen früh zurückkehren." Dann ging er heim. Als er in Kumbe ankam, sagten ihm sogleich die Leute: "Soeben ist dein Vater gestorben."
Isaaka Menta tat alles, was er zu tun vermochte. Er nahm aus seinem Amulettgeschirr alle seine Zaubermittel heraus. Er rieb sich mit allen ein. Er tat alles, was möglich war. Am andern Morgen kehrte er an den Platz im Gebüsch am Wasser zurück. Er traf die Schuo-siri. Er sagte zu ihr: "Bereite dich vor!" Dann ergriff er sein Gewehr und schoß. Er traf nicht. Er schoß nochmals, aber er traf wieder nicht, und damit hatte er all sein Pulver verschossen, ohne die Antilope auch nur berührt zu haben. Er sagte zu ihr: "Schuo-siri, warte bis morgen früh. Ich werde morgen früh zurückkehren." Dann ging er heim. Als er in Kumbe ankam, sagten ihm sogleich die Leute: "Soeben ist deine Mutter gestorben."
In der Nacht legte er alle alten Zaubermittel ab und legte neue an. Er wusch sich mehrmals mit den Zaubermitteln. Er legte seine
Ringe an. Er tat alles Erdenkliche so sorgfältig wie möglich. Die ganze Nacht sorgte er für die Vorbereitung. Am andern Morgen nahm er Flinte und Pulver und machte sich abermals auf den Weg. Im Gebüsch am Wasser traf er wieder die Schuo-siri. Die Schuosiri rief ihn an und sagte zu ihm: "Komm einmal her." Isaaka Menta ging hin. Schuo-siri nahm ein Papier hervor und sagte: "Ich habe schon zweiundsechzig Jäger getötet (in Bosso: ,Joro tschemaki je mfa penne'; in Bammana: ,kiemme tania ani fulla'; in Malinke: ,tangolongula eni fulla' =62), die stärkere Zauberer waren als du (in Bosso: jei nkienn an duana tungu tiama; in Bammana: nka goleje subaga jaro; in Malinke: nkai [er ist] isseje [mehr stark] subaga [Zauberer] jato [darin]). Ich habe alle diese zweiundsechzig Jäger getötet. Sie sind alle auf diesem Blatte Papier verzeichnet. Ich will es dir geben, damit du die Wahrheit erkennen kannst." Nun hatte Isaaka Menta daheim aber zwei große Töpfe mit Tungu (Zaubermitteln) und darunter war das stärkste, was es gibt, z. B. Naru (Skorpion; bei Bammana buntani; bei Malinke dononkenji) und schwarze Schlange. Auf diese Kräfte verließ sich Isaaka Menta, und er sagte: "Schuo-siri, das ist mir ganz gleich. Das kümmert mich gar nicht. Ich lasse nicht ab. Nach drei Tagen komme ich wieder hierher." Dann ging er nach Hause.In seinem Dorfe badete Isaaka Menta drei Tage lang in den Tungu. Er legte alle Zaubermittel an, die er besaß. Nun trug er das Doppelte an Amuletten als sonst. Auch nahm er statt seines eigenen Gewehres das seines Vaters mit. So ausgerüstet, machte er sich abermals auf den Weg und kam an die Stelle im Gebüsch am Wasser, wo die Schuo-siri war. Isaaka Menta sagte zu ihr: "Bereite dich vor!" Dann schoß er das erstemal. Diesmal traf die Kugel die Schuo-siri. Die Kugel schlug durch das Tier, sie umkreiste es und durchschlug es an einer andern Stelle. Die Kugel zertrümmerte solchergestalt in ständigem Kreisen die Antilope vollständig. Als das geschehen war, ging er hin, sie anzusehen. Aber kaum war er dort, so sprang Schuo-siri, zu alter Gestalt wiederhergestellt, auf und lief von dannen. Isaaka Menta sagte wiederum: "Bereite dich vor!" Er schoß. Seine Kugel traf Schuo-siri abermals und zertrümmerte sie alsdann in ständigem Kreisrasen wie das erstemal vollkommen. Als aber Isaaka Menta hinging, sprang sie, auch wieder wie das erstemal zur alten Gestalt wiederhergestellt, auf und sprang von dannen. Isaaka Menta sagte abermals: "Bereite dich vor!" Und er schoß. Und wie das erste- und zweitemal zerschmetterte die Kugel das Tier vollkommen; und wie die ersten beiden Male sprang sie, wiederhergestellt, auf und davon, als der Jäger an sie herantreten wollte.
Isaaka Menta hatte aber unter anderm ein Amulett, das war an seiner Mütze angebracht und hing ihm im Nacken herab. Dies
Amulett sprach zu ihm: "Isaaka Menta, tue mich hier hinten von der Mütze weg und binde mich um den Arm. Dann wirst du der Schuo-siri den Kopf abschneiden können." Isaaka Menta tat es. Als er nun aber wieder schießen wollte, sprang Schuo-siri, ohne den Schuß abzuwarten, auf und lief in den Busch von dannen. Der Jäger lief ihr sogleich nach. Er lief sehr schnell. Als er ihr aber ganz nahe war, ließ Schuo-siri ein Amulett fallen und rief: "Nimm das, aber laß mich leben." Isaaka Menta nahm es auf und fragte: "Wie verwendet man das? Wozu ist das gut?" Schuo-siri sagte es ihm ganz genau. Es war eine große und wichtige Sache.Als Isaaka Menta es genau wußte, steckte er es zu sich und sagte: "Bereite dich vor!" Als er nun aber wieder schießen wollte, wartete die Schuo-siri nicht erst ab, sondern sprang auf und in den Busch von dannen. Der Jäger lief ihr sogleich nach. Er lief sehr schnell. Als er ihr nun aber ganz nahe war, ließ die Schuosiri ein Zaubermittel fallen und rief: "Nimm das, aber laß mich leben!" Isaaka Menta nahm es auf und fragte: "Wie verwendet man das? Wozu ist das gut?" Schuo-siri sagte es ihm ganz genau. Es war wieder eine große und wichtige Sache.
Als Isaaka Menta es genau wußte, steckte er es zu sich und sagte abermals: "Bereite dich vor!" Es kam wie die ersten Male. Schuosiri ließ eines ihrer großen Zaubermittel und Amulette nach dem andern fallen, bis sie alles, was sie in sich hatte, hingegeben hatte. Als sie das sagte, schoß Isaaka Menta sie tot. Dann ging er mit den Djugudu und Tungu, die er so gewonnen hatte, nach Kumbe zurück. Und so kam ein großer Teil der wichtigsten Zaubermittel zu den Bosso.
k) Die Bitatu und die JineDas sind Verwandler, die vor aller Welt eigenartige Umbildungen zu erzielen vermögen. Zum Beispiel ist ein Kreis von Männern beisammen. Einer äußert: "Ich möchte jetzt wohl eine Kola essen." Aber keiner hat eine solche Frucht. Es ist aber ein Bitatu im Kreise. Der ergreift vor aller Augen einen Stein, schließt ihn in die Faust ein, öffnet die Hand - an Stelle des Steines liegt eine Kola darin. Alle Welt kann das dann essen. Es ist nichts Böses und Schlimmes dabei. Oder aber einem Weber ist der Faden ausgegangen. Ein hilfsbereiter Bitatu ist in der Nähe. Er nimmt irgend etwas auf, ein Stück Erde, Holz, Stein oder was gerade daliegt und gibt es dem Weber als guten Baumwollfaden hin. Der Bitatu selbst kann mit seiner Macht leicht alles für sich umwandeln, was gerade fehlt. Ist ihm zum Beispiel sein Kleid verbrannt, so braucht er nur mit der Hand darüber hinzugleiten und die Sache ist wie vorher und nichts
mehr von dem Schaden wahrzunehmen. Aber außer solchen mehr oder weniger bedeutungslosen Kunststückchen weiß der Bitatu doch auch recht ernste Sachen auszuführen. Er weiß Holz sprechend zu machen. Er weiß vor allem die Verstorbenen zu zitieren, und darin liegt ein gut Stück altmystischen Kultus, dessen letzte Reste allerdings nur noch in einigen alten Köpfen lebendig erhalten sind. Im allgemeinen sagt man, daß der Bitatu sein Handwerk gut und zum Frommen anderer beginne, daß er aber mit der Zeit dazu komme, seine eigenartige Macht zu sehr zu seinem Nutzen und dem Schaden anderer anzuwenden, so daß er zuletzt sehr gefährlich und schlecht wird. Es ist eben - so sagen die Eingeborenen -just so wie mit den Nögung kia Lakiri (den Dugu-Dasiri der Bammana). Das sind die großen Schutzeinrichtungen in den Dörfern, die gegen die bösen Geister allerhand Art gerichtet sind. Die Geheimbünde sind so als Dorfschutzeinrichtungen zu bezeichnen. Solche Dinge werden geschaffen, um die andern zu schützen, aber wenn sie erst ordentliches Ansehen und Macht genießen, dann nutzen sie ihre Gewalt egoistisch aus. Wie gesagt, so geben die Eingeborenen selbst an.Auf sehr interessante Art kommen nun die Bitatu zu ihrer Macht, nämlich mit Hilfe der Jine. Von diesen Geistern hörten wir schon gelegentlich der Besprechung der Bammanamythologie. (Vgl. 5. 12.) Vielfach treten sie in den alten Legenden der Soronjoi-Bosso auf. Die geheimnisvollen Kräfte, mit deren Hilfe die Bitatu ihre Korti ausfüllen, werden Jine-tungu genannt, weil sie von den Jine stammen. Aber nicht nur das. Die Bitatu haben direkt die Jine in Dienst genommen, und die Jine sind ihre Boten, ihre Horcher, ihre Helfer und Ausführer aller Wünsche, immer im Rahmen des Vertrages, den die Bitatu zur Erlangung ihrer Kraft mit dem oder den J ine geschlossen haben.
Auf folgende Weise kann der Mensch nun zwecks Vertrags-abschlusses mit den Bitatu in Verbindung treten. Es gibt einen Baum, der heißt bei den Bosso Tung (bei den Bammana kunang). Er wird von den Eingeborenen angezapft, und der aus ihm gewonnene Wein gilt als köstlicher, als jeder andere Palmsaft. Aber auch seine Rinde steht in hohem Ansehen, weil sie Zauberkraft besitzt. Wer mit den Jine in Verbindung treten will, der nimmt Rinde von den entgegengesetzten Seiten des Stammes (anscheinend von der Ost- und Westseite); die abgeschälte Rinde wird in der Sonne getrocknet und dann zerstampft. Weiterhin benötigt man des Felles einer schwarzen Katze. Das Rindenmehl wird in das getrocknete Katzenfell gefüllt und so ein Zauberbeutel gewonnen. Der Beutel wird in eine Ecke des Schlafzimmers gelegt, in die nicht alle Welt sehen kann, und zwar so, daß er auf einem Steine ruht. Auf den Beutel kommen einige Kaurimuscheln. Während sieben Tagen
speit nun der Bitatubittsteller an jedem Morgen gekaute Kolanüsse auf diese heilige Opferstelle, und alltäglich tropft er das Blut eines der Jine geopferten schwarzen Hühnchens darauf. Dieser Opferplatz oder das Medikament (Jungu) heißt Joroko korro.Wenn der Bittsteller am achten Tage opfert, sieht er plötzlich neben sich einen Jine. Der Jine fragt, was er wolle, und nun hat er Gelegenheit, einen Vertrag mit ihm zu schließen, denn er stellt sich bei entsprechenden Gegenleistungen zu jeder Hilfe zur Verfügung. Diese Gegenleistungen bestehen darin, daß man dem Jine eigene Angehörige zur Verfügung stellt, und zwar das eigene Weib, den eigenen Sohn, die eigene Tochter oder dergleichen. Darauf erklärt sich der Jine bereit, ihm entweder für einige Jahre oder das ganze Leben lang in dieser oder jener Weise dienen zu wollen. Verlangt der Bitatubittsteller viel, so muß er nach einigen Jahren einen weiteren Verwandten dem Jine überantworten. Das Schicksal der den Jine Anheimgegebenen ist kein sehr schweres; sie werden nicht etwa verspeist. Die Jine verwandeln sie, nehmen sie mit sich in ihre Wohnorte und verwenden sie als Dienstboten. Als Entgelt wird dem Bitatu die Kraft des Verwandlers zuteil, der Dienst der Jine beim Totenzitieren, Beleben, Beobachten ferner Menschen usw. Bedingung bei der Verwandtenüberlieferung ist, daß die Preisgegebenen schöne Menschen sind. — Von da an braucht der Bitatu nicht mehr allmorgendlich dem Joroko korro zu opfern. Es genügt, wenn er zweimal in der Woche Kolanüsse und das Blut von schwarzen Hühnchen darbringt, nämlich an jedem Montag und an jedem Freitag.
So gewannen die Bosso die magischen Kräfte der Verwandler; "gewannen", denn heute ist diese Art so gut wie ausgestorben. Aber im Schatze der Volksüberlieferungen ist noch die Erinnerung an viele große Bitatu, die gar wundersame Dinge auszuführen vermochten, erhalten.
Die Jine gelten als ganz weiß und ungeheuer reich an Gold, Stoffen und allerhand andern Dingen. Sie trachten nur danach, Sklaven zu bekommen. In Wahrheit und unter sich nennen die Bosso, Bammana, Malinke usw. die Europäer nicht Tubabu, sondern Jine. Deshalb hießen bei ihnen auch die aus Indien durch die Europäer eingeführten blauen Baumwollstoffe Jine, woraus die Weißen das Wort Guine oder Gine gemacht haben. Ebenso ward die Küste, an der seit alten Zeiten die Europäer ihre Niederlassungen hatten, von den Inlandstämmen als das Land der Jine bezeichnet, und bei uns ward es nur umgetauft auf den Namen Guinea. Soweit die Etymologie meiner Mandedolmetscher. In Wahrheit stammen diese Namen und jener der Guineaküste mit Sicherheit vom Namen der Stadt Djenne.
l) Die TungutuTungutu sind die Vampirmenschen, die Subaga der Mandevölker (s. 5. 22 dieses Bandes). Es wird aber hier zu zeigen sein, daß zwischen den Subaga des Südens und den Tungutu des Nordens wesentliche Unterschiede bestehen. — Die Tungutu bilden gemeinsam eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen Aufnahme finden. Diese Gesellschaft hat einen Leiter. Wer Aufnahme finden will, sucht diesen auf und zahlt eine Kaurimuschel, mehr nicht. Dafür erhält er Kenntnis der Zaubermittel (vgl. 5. 34ff.). Jedenfalls werden die magischen Hilfsmittel von Menschen zu Menschen übermittelt. Irgendwelche Geister aus anderer Welt, wie Jine oder so etwas, spielen dabei keine Rolle. Es soll früher häufig vorgekommen sein, daß ein Vater oder eine Mutter, die Tungutu waren, ihre Kinder, wenn sie alt genug waren, aufforderten, auch Tungutu zu werden. Sie waren hierzu sogar in gewissem Sinne verpflichtet, wenn sie die Kinder am Leben erhalten wollten, denn anscheinend konnte sie nur das Versprechen, die Kinder in die Tungutugenossenschaft einzuführen, von der Verpflichtung befreien, sie eines Tages den kannibalischen Zwecken der Gemeinschaft zu opfern. Wenn ein Kind dann der Aufforderung seiner Mutter oder seines Vaters nicht nachkommen wollte, blieb ihm nichts anderes übrig, als das Heimatdorf zu verlassen und in die Fremde auszuwandern; denn sonst wurde es, da es nun Kenntnis dieser Eigenschaft eines Angehörigen hatte, aus Mißtrauen jedenfalls sehr bald nächtlicherweile dem Tode geweiht, auf eine Weise, die sogleich näher geschildert werden soll.
Es gab zwei Arten von Tungutu; erstens solche, welche das Fleisch ihrer Opfer verzehrten - die also am meisten Ähnlichkeit mit den Subaga zu haben scheinen --, dann solche, die den Opfern nur das Blut aussaugen, wovon ich aber unter den Mandestämmen nie hörte. Beide waren von den Menschen als Niumu-nio, als schlechte Menschen, in gleicher Weise gefürchtet. Der Anführer einer Tungutugruppe ruft zuweilen alle Mitglieder seiner Gesellschaft zu einer Sitzung zusammen. Die kommen dann als Kono-kung (Geier; bei Bammana Duga-massa-ko; bei Malinke einfach Duga genannt) herangeflogen, als Tiere gelaufen oder unter der Erde in irgendeiner Verwandlungsform herangekrochen. Am Zusammenkunftsorte nehmen sie ihre typische rote Gestalt an. Sodann beginnen sie ein Tahzfest mit Trommelbegleitung, bei dem es sehr ausgelassen hergehen soll. Und wenn das lange genug gewährt hat, fordert der Anführer die Gesellschaft auf, auseinanderzugehen und —je nach der Art - Fleisch oder Schalen mit Blut eines Menschen herbeizubringen. Die Tungutu begeben sich sogleich an die Aus-
führung des Auftrags. Einer fliegt als Vogel von dannen, einer als kriechendes Tier, einer als Vierfüßler) Jeder begibt sich an seinen Zapfplatz. Jeder muß irgendein Opfer aus seiner Verwandtschaft stellen; denn wie bei den Subaga zahlt nicht einer dem andern für den gebotenen Genuß, sondern er vergilt ihn durch Lieferung eines Mitgliedes seiner Familie.Wenn ein Tungutu an sein Werk geht, legt er erst die Kleider ab, dann streift er aber auch die Haut vom Körper. Nun ist er ein über und über rotes Wesen, das überall die Möglichkeit findet einzudringen, nur ist es, wie wir gleich sehen werden, die Frage, ob er nach dem Einbruch wieder hinauskommt. In dieser Gestalt sucht er sein Opfer auf. Er setzt sich dem Geweihten auf den Mund, zumal auf die Oberlippe. Der rote Tungutu ist höchst eigenartig gebildet. Er verfügt über ein Glied mehr als der gewöhnliche Menschenkörper. In dem Anus hat er einen Saugapparat, wie der Rüssel eines Elefanten gebildet. Den läßt er aus dem Leibe des Opfers durch die Mundöffnung (oder durch die Nasenlöcher, das wußten meine Berichterstatter nie genau) alles Blut aufsaugen. —Die Mitglieder der blutsaugenden Tungutu sind weit schwächer als die der Menschenfleisch fressenden Tungutu. Denn die letzteren schleppen den ganzen inneren Menschen fort, während diese nur das Blut heraussaugen. Immerhin töten auch sie ihre Opfer. Sie werden krank, siechen hin und sterben langsam, ganz langsam.
Zwei Nächte hintereinander sucht der Tungutu sein Opfer auf, ehe er seine schlimme Tätigkeit auszuüben beginnt. Der arme, preisgegebene Mensch sieht das unheimliche Wesen im Traum, und zwar ist das erste, was er erblickt, die Sonde, das ist der Saugrüssel, der aus dem Anus herausgreift. Er fühlt auch den Tungutu auf seiner Lippe. Aber er kann nichts machen, kann sich nicht regen, liegt in furchtbarer Angst wie tot da. Und zwar ist es ganz gleich, ob der Tungutu ihm etwas anhaben kann, oder ob er das nicht vermag. Auch fühlt er sich nach einer in, solcher als in furchtbarer Angst verbracht geschilderten Nacht am Tage ganz elend und schwach.
Naturgemäß sucht jeder Bosso solchem Schicksale vorzubeugen, und deswegen gibt es auch sehr viele, denen die Tungutu nichts anhaben können. Schon Kinder werden von den Eltern angehalten, abends vor dem Einschlafen schützende Zaubersprüche herzusagen und sich mit vielen Amuletten zu versehen, damit ihnen die Tungutu nicht das Blut (Djimeu) aussaugen können. Manche werden hierdurch schon dieser Gefahr gegenüber immun.
Aber das sind doch keine vollkommene Garantie bietende Sicherungsmaßregeln. Wer sich vollkommen gegen jeden, auch den stärksten Tungutu schützen will, der wendet sich an einen Tungutua-kumanjugu,
wie solche in Diafarabe und Konkonkurru wohnen. Das sind Leute, die über Medikamente verfügen, denen kein Tungutu Widerstand leisten kann. Bei solchem Manne erwirbt man das notwendige Zaubermittel, das vor der Tür des Hauses angebracht ist.Hat man ein solches Sicherheitsmittel, so kann der Tungutu wohl in das Haus. Er kann es nachher aber nicht wieder verlassen und ist solchergestalt leicht zu erwischen. Vor allem kommt dem eine neue, naturgeschichtliche Eigenart der Tungutu zu Hilfe. Während nämlich alle Menschen und vierfüßigen Tiere sonst lebendige Junge zur Welt bringen, hat ein Tungutu in seinem Innern Eier. Wenn er nun durch den Zauber eines Tungutu-a-kumanjugu in einem Hause festgehalten wird, so muß er ein Ei, ja wenn der Zauber sehr stark ist, zwei Eier legen. Diese Eier darf er nicht verlassen und wird dadurch in dem Hause festgehalten. Hat man den Tungutu gefaßt, so nimmt man seine Eier. Man ißt sie. Es sind starke Kräfte darin, und wer einmal in seinem Leben von solchem Ei aß, der ist für immer vor den andern Tungutu sicher.
Die letzte Eigenart der Tungutu, von der ich hörte, besteht darin, daß sie anscheinend, wenn sie eines natürlichen Todes sterben, durch ihre Natur zu einer Generalbeichte gezwungen sind. Ein Tungutu, der ein tatenreiches Leben hinter sich hat, beginnt auf dem Sterbelager zu reden: "Ich war ein Tungutu. Der, dem ich zuerst das Blut ausgesogen habe, das war der und der. Dann habe ich den und den getötet." Und so weiter, bis das ganze Schuldverzeichnis preisgegeben ist. Merkt ein guter Sohn beizeiten, daß sein Vater solche grauenvolle Beichte von Stapel lassen will, so kann er dem vorbeugen. Er muß dann Baumbutter nehmen und die auf die Lippen des Sterbenden streichen. Allerdings schließt er diese Lippen dann für immer. Der Tungutu stirbt sogleich. —Auf folgende Weise kann man nun Tungutu werden: Die Macht der Tungutu geht aus vom Chamäleon, das bei Bosso Njonjo, bei Malinke Nonsingo, bei Bammana Nonsi heißt. Seine magischen Eigenschaften kann man an dem Farbenwechsel erkennen, in dem das Tier spielt. Es gilt also zunächst, eines Chamäleons habhaft zu werden, und zwar muß das am Montag oder Freitag (einmal wurde auch behauptet am Donnerstag) stattfinden. Man schlägt es mit dem Messer durch und läßt das Hinterteil mit den Hinterpfoten und Schwanz liegen. Das Vorderteil nimmt man mit sich. Daheim verzehrt man zunächst die Zunge, die zu dem Sonde genannten elefantenrüsselartigen Saugwerkzeug wird, das nachher dem Tungutu aus dem Anus herauswächst. Die Leber des Chamäleons ist der zweite wichtige Bestandteil. Man tut sie in ein kleines Horn, dem man von jetzt ab reichlich Opfer zuteil werden läßt.
Alsdann begibt man sich wieder in den Busch, und zwar diesmal (nach allgemeiner Angabe) an einem Donnerstag. Man sucht den Baum Blansa auf. Von dem benötigt der Tungutu die Rinde. Er nimmt ein gutes Stück mit heim. Zurückgekehrt, begibt er sich zum Baume Dubaili, der so ziemlich bei jedem Dorfe wächst, denn er ist der beliebteste Schattenspender. Von diesem benötigt er ein Stück Wurzel. Beide Bestandteile werden in der Sonne getrocknet und ein wenig zerkleinert und alle Teilchen gut gemischt. Dann wird die Mischung zu feinem Pulver gestampft. Ein Teil des Pulvers kommt in das Horn, ein anderer wird dazu verwendet, Gesicht und Körper einzureiben. Dann begibt sich der angehende Tungutu in den Schatten eines Duballibaumes. Im Schatten des Duballibaumes stellt sich der Tungutu auf den Kopf, mit den Beinen gen Himmel. Und nun verwandelt er sich allsogleich in ein vierfüßiges Tier oder einen Vogel.
Alle diese Vornahmen verraten ihm die älteren Tungutu, nachdem er als Eintrittsgeld in die Gesellschaft der Tungutu eine Kaurimuschel gezahlt und versprochen hat, in Bälde ein Opfer für allgemeine Orgien zu liefern.
Zu dem, was früher schon über die Tätigkeit der Tungutu gesagt worden ist, kann noch folgendes beigefügt werden. Die Djegutu sind diejenigen, die die Tungutu entdecken und sie unschädlich machen, sie kennen deshalb deren Wesen am besten. Sie geben an, daß unter den Tungutu der Bosso das Essen von Menschenfleisch, wenn auch in magischer Form, nicht vorkomme. Vielmehr beschränke sich ihre Tätigkeit auf das Aussaugen des Menschenblutes. Und zwar könnten sie nur Menschen in ihre Gewalt bekommen, die mit ihnen verwandt sind.
Wenn die Tungutu ausgezogen sind, für ihre Orgien den roten Saft zu bringen, dann erscheinen sie ihren Opfern im Traume rot wie die Sonne. Der Tungutu hat ein kleines Trichterchen, das benutzt er zum Saugen. Es ist ein Schröpfkopf. Der Tungutu setzt ihn dem schlafenden Menschen auf die obere Brust, und zwar auf der rechten Seite über dem Schlüsselbein. Er bläst einmal, und nun sind dem Schlafenden Mund und Nase geschlossen. Er liegt in furchtbarer Angst da und kann nicht sprechen. Er kann nicht Luft holen. Mit dem Trichterschröpfhorn saugt der Tungutu Blut auf, das er dann in einen Topf füllt. Hat er die genügende Menge, so zieht er mit seinem Blutgefäß ab und bringt es in Sicherheit. Entweder er vergräbt ihn in einem Loch an der Erde oder er hängt ihn in der Krone eines Baumes auf. Dann ruft er seine Genossenschaft zusammen. Die Orgie hebt an. Das Menschenblut wird nicht so genossen. Es wird mit der Blüte der Danda (in Malinke und Bammana =Da; Blüte in allen drei Sprachen =firi) gekocht und dann verzehrt.
Die Methode des Aussaugens mit der Sonde, die aus dem Anus herausragt, wird nur dann angewendet, wenn das Menschenblut vom Tungutu gleich an Ort und Stelle getrunken und nicht für allgemeine Gelage aufgespart werden soll. Nachher werden wir noch eine dritte Art des Blutraubes kennenlernen.
Diejenigen, die, wie gesagt, den Tungutu nachspüren und die Dörfer von diesen Mordgeistern freihalten oder befreien, sind die Djegutu. Sie bedienen sich hierzu eines Mittels, das von der Wurzel des Ndonge (ebenso bei Bammana, bei Malinke =Schiene) genannten Baumes gewonnen wird und die Möglichkeit gibt, die Tungutu zu erkennen. Diese Wurzel wird am Donnerstag gewonnen. Das äußerlich schwarze Wurzelholz wird erst geschabt, dann getrocknet und dreimal gestoßen. Ein Teil des so gewonnenen Pulvers wird in ein Amulettbeutelchen gefüllt, das der Djegutu auf der Brust trägt. Ein zweiter wird in Wasser geworfen, darin gut vermengt und dient dem Djegutu, sich damit den Körper zu waschen. Ein dritter wird in eine ganz neue Kalebasse geworfen, Wasser darauf gegossen und bietet so den wesentlichen Bestandteil für eine Gesichtswäsche. Der Rest wird aufgehoben.
Ist der Djegutu derart vorbereitet, erkennt er sogleich jeden Tungutu, der ihm begegnet. Aber auch der Tungutu fühlt sich erkannt und beginnt fürchterlich zu zittern. Ist der Tungutu nun ein Verwandter oder ein guter Freund oder - ein wohlhabender Mann, von dem der Djegutu reiches Schweigegeld erzielen kann, so sagt er nichts und geht ruhig seines Weges. Denn es ist eine traurige Tatsache, daß die Djegutu nicht unbestechlich sind, und daß ein großer Teil ihres bedeutenden Wohlstandes ihnen aus dem Besitze solcher Leute zufließt, die Tungutu sind und sich Verschwiegenheit erkaufen.
Liegt aber ein solcher Fall nicht vor, so schreit der Djegutu dreimal. Darauf legt der erschrockene und überwältigte Vampirmann sogleich ein Ei, oder aber er speit das Menschenblut, das er erfahrungsgemäß bis drei Jahre lang ohne es zu verdauen in seinem Leibe haben kann, aus. Denn ein Tungutu verdaut das Menschenblut nicht so schnell wie andere Speisen. Der eine behält es ein Jahr, der zweite zwei Jahre lang, der dritte noch länger bei sich. Dabei kann ein Tungutu dick und fett und groß und dem äußeren Anscheine nach sehr stark werden. Das ist aber nur äußerer Schein, und in Wahrheit ist der dicke, große Tungutu weit schwächer als andere Sterbliche kleinerer Statur. Denn das mit magischer Kraft gewonnene Menschenblut macht sehr stark. — Auch braucht der Djegutu, der das Ndongemittel besitzt, den Tungutu nur mit der Ma-Hautpeitsche zu schlagen, ohne zu schreien, das hat den gleichen Erfolg.
Oben ward schon erwähnt, daß ein Tungutu noch in anderer Weise Menschenblut saugen kann. Er führt ein Werk aus, indem er sich am hellichten Tage als Menschenfreund aufspielt. Er wendet sich an eine Mutter und fragt sie, ob er ein wenig mit ihrem Kinde spielen und promenieren darf. Das fällt nicht besonders auf, denn die Neger sind hier eigentlich insgesamt Kinderfreunde und ein Kind wandert im Kreise der Männer oft aus einem Arm in den andern. Die ahnungslose Mutter hat also keinerlei Bedenken, diesem Wunsche nachzugeben. Der Tungutu nimmt das Kind, schäkert mit ihm und schwingt es dann vor aller Welt Augen, anscheinend spielend, dreimal in die Luft empor. Das ist aber nichts weniger als Spiel. Während er, das Kind unter den Armen fassend, es in die Luft schwingt, saugt der Unhold ihm das Blut aus. Dann läßt er es laufen. Er schluckt das Blut nun nicht hinunter. Er behält es in der Gurgel, um es nachts zu kochen und zu verzehren. Denn Menschenblut wird nur nachts genossen. Einen Mann, der solche Untat vollbracht und das Kinderblut noch in der Kehle hat, kann jeder ohne Schwierigkeit erkennen. Denn er hat einen starren, wirren Gesichtsausdruck. Er geht mit vorgebeugtem Kopfe und blickt stier zu Boden. Er lacht nicht, sondern zeigt höchstens ein gesichtverzerrendes Grinsen. Wenn er einem Djegutu begegnet, ist er über alle Maßen entsetzt. Und wenn der ihn dreimal anruft, so muß er sogleich das in der Gurgel bewahrte Blut ausspeien.
Es gibt anscheinend noch mancherlei andere Art von Tungutu. Ich hörte von einer zweiten, die so gefürchtet ist, daß die meisten Bosso nur in ihrem eigenen Hause essen. Diese Sorte raubt nämlich denjenigen das Leben, die essen und die ihnen, wenn sie vorüberkommen, nicht einen Anteil der Speise anbieten. Dies geraubte Leben versteckt der Tungutu. Der Mensch liegt nun wie tot da. Die Verwandten wenden sich in ihrer Ratlosigkeit an einen Djegutu. Der aber begiebt sich sogleich auf die Suche nach dem versteckten Leben. Er vollführt diese Suche aber nicht allein. Die Bosso betrachten die Hunde als die hellsehendsten von allen Wesen der Erde. So gibt also der Djegutu seinem Hunde von dem Ndongepulver ein. Der Hund spürt mit diesem Wundermedikament im Leibe sogleich allenthalben umher und findet denn auch schließlich das Leben. Sein Herr fängt es ein, nimmt es mit sich und filtriert es unter mannigfachen Manipulationen wieder in den alten Besitzer hinein, der darauf wieder zu sich kommt und kräftig wird wie vordem.
Nachdem wir die grausige Natur der entsetzlichen Vampirmenschen kennengelernt haben, wollen wir uns auch ihren großen Feinden, den Schützern der Menschen gegen diese Unholde, nämlich den Djegutu, zuwenden.
m) Djegutu und MaWie bei den Mande gibt es bei den Bosso Wassergeister, mit denen die Leute in mystische Beziehung treten. Bei den Mande lernen wir Faro, die kleinen Wassergötter, und Ma, den Monatus, kennen. Die gleichen sind es, die das Interesse der Bosso erregen; aber während Ma den gleichen Namen auch bei den Bosso führt, hat die Farogenossenschaft, die Geisterwelt des Wassers, den Namen Djegu erhalten (siehe oben S. i i i und in Geschichtsüberlieferungen Bd. VI, Die Historie von Biton).
In der Nähe jedes Bossodorfes soll es einen männlichen und einen weiblichen Djegu geben. Man opfert den Djegu jeden Montag- und Freitagabend, indem man ihnen Sisa und zwei Kolanüsse hinwirft. Sisa sind Bällchen aus gestoßener und dann gebauter kleiner Hirse.
Die Djegu lassen den Djegutu, ihren Priester, wenn er ein gewisses Alter erreicht hat, das heißt senil wird, zurücktreten und wählen sich einen jüngeren Priester. Es geschieht das so, daß sie dem jungen Mann im Traume erscheinen. Dann macht der den Opfer- und Vorbereitungskursus durch, der im folgenden beschrieben werden wird. Der Djegutu trägt ein schwarzblaues Band um den Kopf und geht auch immer in schwarzblauer Kleidung. (Das gelbe Kopfband soll entschieden den Sieng eigen sein.) Den Djegu fallen zuweilen Menschen als Sklaven zu. Wenn zum Beispiel jemand schwört: "beim Djegu" und damit einen Meineid begeht, so ist er nach einiger Zeit vom Djegu ergriffen. Ist es ein Mann reiner Kaste, das heißt ungemischten Ursprunges, so hat er es bei den Djegu nicht schlecht und nimmt nach einiger Zeit selbst die Eigenschaften eines Djegu an. Ist er aber unreiner Kaste, so beißt ihm der Djegu die Nase durch, das heißt die Nasenscheidewand.
Zunächst rasiert er sich den Kopf, läßt aber fünf Haare stehen, nämlich eines in der Mitte, eines über der Stirn, eines auf dem Hinterkopfe und je eines über jedem Ohr. Dann läßt er sich von einem Schmiede eine Kette schmieden, die er umhängt. Ferner legt er ein gelbbraunes Gewand an, und endlich trägt er an Stelle der sonst wohl gebräuchlichen Mütze ein schmales Band, das um Stirn und Hinterkopf geschlungen ist und dessen Enden hinten lang herunterhängen.
An den äußersten Zipfeln sind als Schmuck Kaurimuscheln angebracht. So geht er einher während zweier Jahre, und dann kann er ein Djegu-tu werden.Wenn das Fest im Januar kommt, rüstet der Djegu-tu seine Geschenke für die Geister der Wassertiefe. Das Opfer wird da abgehalten, wo der Fluß sehr, sehr tief ist und zu einer Stunde, da alle Welt zu Bett gegangen ist. Es besteht in Mene, das heißt dem Fong-fong-Korn, das am Ufer gebaut ist und das bei den Malinke Bene heißt. Es ist zu Mehl gestoßen und zu kleinen Bällchen geformt. Der Opfernde hat ferner einen dunkelblauen Schal von der Djia genannten Art, einen aus Bronze gegossenen Ring und eine noch unbenutzte, neue Kandia (Kalebasse) zurechtgelegt. Bei dem Tanze, mit dem die Festlichkeit dieses Freitagabends im Januar beginnt, dürfen weder Subaga teilnehmen noch Frauen mittanzen, die außerehelichen Beischlaf geübt haben. Auch dürfen keine Diebe anwesend sein. Wenn der angehende oder eingeführte Djegutu Leute sieht, die einen unsoliden Lebenswandel geführt haben, so schlägt er sie mit einem Streifen einer Mahaut. Darauf sterben sie. Man sieht hier auch wieder eine Beziehung zwischen Ma und Djegu, wie sie die Bammanalegende noch deutlicher angibt. Um zehn Uhr bricht das Tanzfest ab, alles geht ins Dorf, und nur der Djegu-tu bleibt auf dem Platz am tiefen Wasser allein zurück.
Der Djegu-tu legt nunmehr seine (oben genannten) Gaben am Ufer nieder und wartet ab, was geschieht. Er bleibt aber nicht am Wasserrande, sondern geht ein wenig vom Strande landeinwärts. Er wartet darauf, ob die Djegu kommen, seine Gaben in Empfang zu nehmen. Will die Djegugemeinschaft ihn als ihren Priester anerkennen, so kommt ein Djegu, nimmt die Gaben und schwimmt mit ihnen von dannen. — Drei Jahre hintereinander, jedesmal bei Gelegenheit des Festes, am Freitag des Januar, wiederholt der Djegu-tu dieses Opfer. Dann rasiert er sich den ganzen Kopf und läßt nur ein Haar auf der Scheitelhöhe stehen. Auch schafft er sich ein neues, gelbbraunes Kleid an.
Dann nimmt er Rinde vom Uobaume, der bei den Mandestämmen Djalla heißt, trocknet sie, klopft sie zu Pulver und legt sie in Wasser. Mit dem so gemischten Wasser wäscht er sich. Auch spritzt er davon ein wenig auf sein Kleid. Sodann legt er sich unter irgendeinem Baume in die Sonne und bleibt einen Tag lang da liegen. Er spricht mit niemand. Er ißt auch nichts. Er singt nur Lieder zum Lobe des Djegu. Dann wird ein großes Nachtfest mit Trommeln und Tanzen abgehalten. Wenn alle Leute aus dem Dorfe zusammengekommen sind, steigt der Djegu-tu auf einen Baum, auf die höchste Spitze eines Baumes. Von da aus läßt er sich herunterfahlen. Es
geschieht ihm nichts. Er bricht kein Glied. Er verwundet sich nicht. Dann geht er an das Ufer. Er springt in seinen geweihten Kleidern ins Wasser. Er schwimmt zurück und schüttelt am Ufer seinen Überwurf aus. Aber nicht ein Tropfen Wasser spritzt ab. Er ist ganz trocken geblieben. Dann beginnt er einen wilden Tanz. Er springt umher. Bald sind die Beine unten und der Kopf oben, bald ist der Kopf am Boden und die Beine schweben in der Luft. Er springt sehr hoch, springt weit über andere fort und vollführt derartige Stücke der übernatürlichen Kunstfertigkeit mit größter Leichtigkeit mehrmals.Plötzlich aber stürzt er hin, als sei er schwer betrunken. Einer sagt: "Er ist krank!" Ein anderer: "Er wird tot sein!" Kein Mensch versteht den Zustand, in dem er sich befindet, und alles flieht in das Dorf zurück, in die Hütten. Er allein bleibt auf dem Platze. Wenn es Mitternacht ist, nimmt er die gleichen Geschenke, die er in den vorigen Jahren dem Djegu schon dargebracht hat, und trägt sie an die gleiche Stelle am Ufer.
In dieser Nacht kommt dann der gleiche Djegu wieder wie in den Jahren vorher. Er nimmt aber nicht nur die Geschenke mit, sondern er packt auch den Geber, den Mann, der zur Weisheit des Djegu gelangen will. Er nimmt ihn mit sich unter das Wasser und schleppt ihn in sein Dorf, in sein Haus. Er führt ihn da unten zu den Alten und sagt zu den Alten des Djegu: "Das ist der, der uns in den letzten Jahren die und die Geschenke dargebracht hat. Wir haben über ihn gesprochen und beschlossen, ihm unser Wesen zu zeigen." Dann bleibt der Djegu-tu unten im Wasser bei den Wassergeistern. Einer bleibt drei Tage dort, einer ein ganzes Jahr. Und er verbringt die Zeit mit Lernen. Die Djegu eröffnen ihm ihre Kenntnis der schlechten und guten Medikamente. Sie geben ihm regelrechten Unterricht.
Dann kehrt er zur Oberfläche des Wassers und in sein Dorf zurück. Er verfügt nun über allerhand Mittel und Kenntnisse, die andern fehlen, er wird so ein angesehener Mann und verdient viel Geld. Jedes Bossogebiet am Niger hat einen Djegu-tu, das heißt einen Mann, der so viel wie ein Priester des Djegu ist. Als Djegu-tu im Gebiet zwischen Sansanding und Diafarrabe wurden mir folgende genannt:
J oro Mamuru in Joro oder Joru. Nerekorro Brema; Bukari in Nerekorro. Balla; Kakullu in Konkonkurru. Schiemiere in Toara. Kanang-Korro; Ta-Kulle; Manoa Tarrata in Fansira. Ki Schuori; Balei in Kua. Balem Bokari in Kammara. Aber diese Liste ist natürlich unvollständig. Als Ergänzung sei hier hinzugefügt: einer der gewaltigsten Djegu-tu ist Kwaing-tu, ein Bewohner der Ortschaft Kamaka im Massinalande. Wenn ein größeres Fest ist, so veranstalten ihm die Leute ein Trommel- und Tanzfest. Sie reizen ihn durch aufmunternde und lobpreisende Reden und Gesänge so lange, bis er in Ekstase gerät und seinerseits den Lobgesang der Djegu (gleich den Faro der Mande) anstimmt. Er läuft mit seiner Peitsche aus Mahaut, Ma-samu oder angeblich auch Ma-pa (also wie die Harpune) genannt, umher und schlägt auf die Leute. Dann geht es dem Niumu-nio sehr schlecht, und die Vampirmenschen, die Tungu-tu, sterben. Sind die Tungu-tu gerade schwanger, so legen sie vor ihrem Tode noch ihre Eier, die Kwaing-tu an sich nimmt. Dann beginnt er selbst zu tanzen und seine gewaltigen Fähigkeiten zu zeigen. Er springt mit den Kleidern ins Feuer. Aber die Flammen vermögen ihm nichts anzuhaben. Ohne auch nur im geringsten angesengt zu sein, kommt er wieder hervor. Er springt ins Wasser, und wenn er aus dem nassen Element zurückkommt, ist er nicht im geringsten feucht. Kein Tropfen hängt an ihm oder se nen Kleidern. Er läßt sich vom Baum fallen, ohne ein Glied zu zerbrechen usw. |
Diese Djegu-tu nun stehen aber auch mit andern Geistern des Wassers in Beziehung, so auch mit denen, die als Ma (manatus = eine Robbe) verkörpert sind, so daß es hier am Platze sein dürfte, der eigenartigen Gedanken der Bosso-Sorokoi über dieses Tier zu gedenken.
Der Mafang. Als schwierigste und eigenartigste Jagd gilt unter den Bosso die Jagd auf den Ma, den Manatusvogelii, der nach allen Angaben im mittleren Nigertale nicht so sehr selten zu sein scheint. Aus den Beschreibungen der Jagdsitten geht hervor, daß auch die Bosso mit diesem Tiere allerhand Glauben verbinden. Die Majäger sind hoch geehrt und genießen allerhand Ansehen, das andern Sterblichen nicht zuteil wird. Es ist sehr interessant, daß die Bosso folgende Angabe machen: "Südlich vom Konkonkurru gäbe es viele Gräber angesehener Diarraherren (Besitzer der Diarrabundmacht), nördlich von Konkonkurru gäbe es aber nur Gräber angesehener Majäger und Djegutu. Es wird nachzuprüfen sein, ob dieser Angabe nicht eine große, historische Bedeutung beizumessen ist.
Wer auf die Majagd ausgehen will, rüstet sich mit der kurzen, starken Pa genannten Harpune aus. Der Ma pflegt nachts, wenn in der Regenzeit der Strom gestiegen ist, an Land zu kommen und auf den Feldern Reis zu fressen. Von solchem Landausfluge soll er dann in das Wasser zurückkehren mit einem Bündel Reis, das er
unter dem Arme trägt. Den will er am Wasser waschen, um ihn dann zu verspeisen. Diesen Augenblick paßt der Jäger am Ufer ab. Er lagert am Wechsel, und wenn das Tier mit seinem Reisbündel zurückkommt, stößt er ihm die Fa in den Rücken. Es kommt darauf an, daß man ihn in den Rücken stößt. Ein Stoß in die Brust hat keinen Wert. Denn aus der Brust weiß der Ma sich die Harpune herauszuziehen. Fühlt er aber das Eisen im Rücken, so beginnt er sich auf dem Rücken zu wälzen, um den Fremdkörper zu entfernen. Das hat aber bei der Kürze der Waffe nur zur Folge, daß er sich die Eisenspitze noch tiefer in den Leib bohrt und selbst seinen sicheren Tod um so schneller herbeiführt.Der Jäger aber, dem dieser Stoß glückte, kehrt in das Dorf zurück und sucht die Alten auf. Er sagt zu den Alten: "In dieser Nacht habe ich meine Fa ausgeworfen." Weiter darf der Jäger nichts sagen. Vor allen Dingen darf er nicht etwa sagen, "auf den Ma". Er darf das Wort Ma nicht aussprechen. Denn das würde schlimme Folgen herbeiführen. Auch darf nichts davon vor den Frauen und jungen Leuten erwähnt werden, denn das würde für diese gefährlich sein. Die Alten senden aber sogleich Leute aus, welche der Spur des verwundeten Tieres bis zum Wasser folgen und nun im Ufergebüsch Umschau halten. Das langaufgerollte Schnurende der Pa hat sich irgendwo in einem Geäst verfangen und damit ist der Weg angezeigt, dem die Suchenden folgen, bis sie den verschiedenen Ma finden.
Der tote Ma darf nicht in das Dorf, sondern er muß in eine entfernt gelegene alte Dorfruine gebracht werden. Es würde sehr schlimm für die Ortschaft sein, wenn das Tier in ihr aufgebrochen würde. Außerdem muß der Ma erst gründlich mit Zauberkraft behandelt werden. Zu diesem Zwecke begibt sich ein mit starken magischen Kräften ausgestatteter Mann zu der Ruine, in der die Leiche liegt. Er schneidet eine Rute von einem besonderen Busch und nimmt seine Zaubermittel zur Hand. So ausgerüstet hockt er am Kopfende des Ma hin, streut entkräftigende Substanzen magischer Natur auf ihn und murmelt wirksame Zaubersprüche. Zuletzt schlägt er siebenmal mit der Rute auf den Kopf des Ma. Und nun ist nichts mehr zu befürchten.
Erst nach Absolvierung dieser Zeremonie darf der allgemeinen Dorfbewohnerschaft Mitteilung von dem Fangglück gemacht werden. Darauf kommen alle Weiber und Kinder in die Dorfruine, in der das Tier nun unter allgemeinem Jubel aufgebrochen wird. Alle Leute machen sich in ihren Booten auf, um an dem Feste teilzunehmen. Zunächst sucht man mit einer Nadel die Ohröffnung und schabt das Ohrenschmalz heraus. Das streicht man den eigenen Kindern in die Ohren. Man nimmt an, daß sie so von der Eigen-
schaft des Ma, alle Sprache zu verstehen, etwas bekommen. Dann zerlegt man das Tier. Aus allen Hausständen sind inzwischen Mitglieder mit Töpfen angekommen, und die Alten verteilen das Fleisch gleichmäßig unter alle Familien. Nur ein Stück des Ma darf nicht daheim in der eigenen Ortschaft verzehrt werden. Ich konnte nicht herausbekommen, welches dies ist. Dieses wird jedenfalls gleich auf der Schlachtstätte, in der alten Ruine, zubereitet, gekocht und verspeist. Da bei diesem Mahle auch getrunken wird, so entsteht eine allgemeine Fröhlichkeit.Nach beendetem Mahle geht der Jäger heim. Aber er darf nicht allein, sei es voraus, sei es hinterher, fahren. Vielmehr müssen alle auf der Heimfahrt in einer Linie fahren, und um das zu erreichen, sind sie alle untereinander und nebeneinander mit Stricken verbunden. In der Mitte der Ordnung ist das Boot des Jägers. Er sitzt selbst darin und hinter ihm steht ein Dialli, der ein Loblied auf ihn, seine Familie und seine Stammeslegende singt. Auch singt der Dialli das Malied, das lautet folgendermaßen:
Erste Zeile: Bosso: Schute tabate. Bammana: Mulukutu muntung. Deutsch: Er ist rund und hat keine Beine. |
Zweite Zeile: Bosso: Schubuliae anwiae tanuotong. Bammana: Schuguni, fa maugele. Deutsch: Tier kleines, töten nicht sehr schwer (= es ist ein kleines Tier, das nicht sehr schwer zu töten ist). |
Dritte Zeile: Bosso: Fo aniaema kwaeng gansa. Bammana: Fa niama kari kansa. Deutsch: töten es ist schlecht behandeln nachher (= es ist indessen schwierig, wenn es getötet ist, es nachher [richtig mit Medikamenten] zu behandeln). |
Daheim angekommen, wird ein großes Fest veranstaltet. Es wird getrommelt und getanzt, und die Männer schwingen kunstgerecht die Lanzen. Unter der Führung des Jägers wird dem Dorfschulzen als Jagdanteil feierlich der Schwanz des Ma überbracht. So haben alle ihren Anteil erhalten. Niemand zahlt dem Jäger etwas dafür. Das ist allgemeines Gesetz. Er hat für sich und die Seinen die Ehre und genießt ein großes Ansehen.
Vor allen Dingen werden aber den Frauen seines Hausstandes, seiner Mutter, seiner Frau und seinen Schwestern große Ehren zuteil. Die ganze Bevölkerung zieht zu deren Wohnstätten und tanzt und singt zu ihren Ehren. Und das hat seinen guten Grund. Sie
danken für diese Ehre, die einer Ehrenerklärung gleichkommt, indem sie an die Sänger und Trommler kleine Geschenke an Kaurimuscheln verteilen. Daß dies ein Ehrenfest für sie ist, ist folgendermaßen zu erklären: Für die Frauen der fischenden Somono und Bosso ist die Gefahr der Verführung sehr groß und durch das oft durch die Umstände herbeigeführte Gefühl der sicheren Abwesenheit des Hausherrn kommen sie leicht dazu, sich in Liebesabenteuer einzulassen. Der Volksglaube und die Sitte wollen es nämlich, daß, wenn der Fischer mittags sein Gerät rüstet und sagt: "Ich werde heute abend fischen gehen!" er dieses nicht nur tun muß, sondern daß er auch bis zum andern Morgen fortbleiben und der Fischerei der Nacht über obliegen muß. Da ist nun für den Nachbar leichtes Spiel. Und die moralisch meist nicht eisenfeste Frau weiß nun leider allzu genau, daß sie vor ihrem Gatten sicher ist. So stehen diese Fischerweiber in dem Geruch allzu häufiger Unheiligkeit.Diese Sache hat aber mit der Majagd sehr viel zu tun. Der Ma weiß nämlich alles, und er ist dafür bekannt, dem Mai äger auch alles mitzuteilen. Wenn der Majäger in seinem Boote auswärts ist, so zeigt ihm Ma genau jedes das Familienleben angehende und daheim sich abspielende Ereignis an. Er taucht vor seinem Boote im Wasser auf und macht sich in Gesten verständlich. Wenn die Frau des Jägers daheim schwanger ist, dreht er sich auf den Rücken und weist auf den eigenen Leib. Wenn die Frau des Jägers daheim ein Kind zur Welt brachte, so kommt Ma mit seinem eigenen Kinde zur Wasseroberfläche und hält dem Jäger das Kleine entgegen. Wenn die Frau des Jägers aber daheim sich in Untreue ergeht, kommt Ma heraus und weist auf die eigenen Geschlechtsorgane. Der Ma weiß eben alles. Die Hauptsache ist, daß ein Mann, dessen weibliche Angehörige unerlaubten Umgang pflegen, und der auf die Majagd geht, auf jeden Fall stirbt. Somit ist eine glücklich abgeschlossene Majagd so viel wie eine Bestätigung des sittlichen Lebenswandels der Frauen in der Verwandtschaft des Jägers, und deshalb werden diesen besondere Ehren dargebracht.
Wichtig ist es, daß zwar alle Bossostämme dies umständliche Zeremonial bei der Majagd und Mavertilgung beobachten, daß es aber nicht einen Diamu (Totensippe) gibt, der den Ma als Tannä (Totem) hat. Wohl aber gibt es unter den Somono einen Stamm, der den Ma nicht ißt. Das ist der Diamu der Numa Sana. Dieser Name bedeutet so viel wie niedergelegte oder auf die Erde gelegte Schnur. Der Stammvater dieses Diamu war ein Sklave der Somono. Die Sage erzählt von ihm folgendes: Eines Tages hatte er grobe Hirse gestoßen und hatte das gestoßene Korn auf ein Ku gelegt. Das Ku ist das bei allen oberen Nigerstämmen übliche Schüttelsieb. Damit ging er zum Flußufer hinab, um das Mehl zu reinigen. Am
Wasser legte er aber das Ku auf das Rückenende, stieg in den Strom, schwamm unter dem Wasser hin und ward so zum Ma, d. h. zum ersten dieser Gattung. Darum essen die Nachkommen des Numa Sana den Ma nicht mehr. —Vergleiche dazu die besser erhaltene Sage der Bammana, die den Ursprung des Ma wie des Djegu den Fulbe zuschreiben.Der Ma soll auch eine Art von Helfershelfer haben. Das ist der bei Bosso Tambu, bei Bammana Porio, bei Malinke Kandang, bei Kassonke Manojo genannte Fisch. Der Ma hat die Angewohnheit, nach seinen Mahlzeiten Reis wieder auszuspeien oder zu erbrechen. Somit ist ständig eine Menge Fische um ihn her versammelt, darunter der Tambu, der von dem ausgespienen Reis lebt und deshalb sehr fett ist.
n) Die Regenmacher
(= Kuantummu, entsprechend den Samoding bei den Bammana und den Sanding bei den Malinke) stellen neben den Priestern der Geheimbünde, den Zauberern und Subachen, den Verwandten und den Priestern der Wassergeister die letzte Gruppe von Dienern religiöser Gedanken dar, von denen ich bei diesen Stämmen hörte.
Diese bilden unter sich auch eine Gesellschaft, und zwar kann man nur dadurch Mitglied werden, daß man vom Bhitzschlage getroffen wird und drei Tage scheintot bleibt. Diese letzte Angabe wird von einigen bestritten und dazu behauptet, daß das nur die Malinke glauben, die Bosso aber nicht. Richtig daran ist, daß ich dieses Vorkommen bei den Malinke vorgefunden habe.
Zu der Gesellschaft der Kuantummu gehören Männer sowohl als Weiber, immer aber sind es ältere Leute, die zuverlässig sind und denen man Vertrauen entgegenbringt. Wenn der Regen lange ausbleibt und das junge Getreide auszutrocknen beginnt, welche gefahrvolle Lage gar nicht so sehr selten sein soll, so sorgen sich alle Dorfbewohner besonders wegen des Reifens der kleinen Hirse (Pennisetum?). Es hebt allgemeines Klagen an, das damit endet, daß die Familienvorstände zuletzt beschließen, einen Kuantummu, einen Regenmacher herbeizurufen. Ist dies ein Mann, so verfährt er folgendermaßen:
Er tritt in das Haus und läßt sich zwei Schalen kleiner Hirse geben. Das Korn stößt er und stellt das Mehl dann beiseite. Nun kommt einer der Familienältesten nach dem andern, legt seine Hand in das Mehl und sagt: "Möchte es doch Regen geben, damit das Getreide nicht vertrockne, ehe das Korn reif ist. Ich möchte viel, viel Regen haben usw." Dann geht ein jeder wieder nach Haus. Der Kuantummu aber kommt zurück, sobald alle Familienvor
stände gebetet haben, und mengt das Wasser mit Mehl. Sobald der Brei gut durchgeknetet ist, nimmt er einen Teil davon und ballt drei Mehlklöße. Diese legt er beiseite. Der Rest, der bei der Kloßherstellung übriggeblieben ist, muß von den Kindern des Dorfes verzehrt werden. Die werden also alle zusammengerufen und verzehren dann auch die für sie bestimmte Menge Mehlbrei gern sehr eilig.Ist auch diese Kinderspeisung erfolgt - alles das muß sich im Laufe eines Tages abspielen - so mischt der Kuantummu die drei Breiklöße, die zurückgelegt wurden, mit Hirseschrot (den Schalen der Getreidekörner) und wirft zwei von ihnen in den Fluß, den dritten und letzten aber legt er auf das hohe Ufer. In der gleichen Nacht noch oder am andern Morgen setzt dann der Regen mit Bestimmtheit ein. So verläuft die Sache, wenn der herbeigerufene Kuantummu ein Mann ist. Etwas anders spielt sich die Zeremonie ab, wenn eine Kuantummuweib zu Hilfe gerufen wurde.
Wenn diese ankommt, wird zunächst ein großes Tanzfest veranstaltet. Dabei trommeln die Frauen auf Kalebassen. Es ist eine kleine, umgekehrt in eine große gesetzte Kalebasse. so daß ein tüchtiger Resonanzboden entsteht, der einen gründlichen Lärm verbreitet. Zu dieser Begleitung singt die Kuantummu Zauberlieder, bis sie in eine gewisse Begeisterung versetzt ist. Danach verrichtet sie die Mehlbereitung und nachdem die Ältesten ihr Gebet gesprochen haben, die Kinderfütterung und den Kloßauswurf ebenso wie ein männlicher Kuantummu. Man sagt aber, daß ein durch Weiber hervorgerufener Regen schwächer sei als ein Männerregen.
Diese Anschauung entspricht genau dem Bilde, das sich die Bosso vom Ursprunge der Gewitter und des Regens machen. Sie sagen nämlich, im Himmel wären eine Frau und ein Mann, und die beiden gäben dem Regen den Ursprung, indem sie abwechselnd weinen. Den Anfang macht immer der Mann, der sehr starken, wenn auch kurzen Regen hervorruft. Der Mann ist in seinem weinenden Zorn wild und speit dabei aus. Dies Ausspucken ist aber das Blitzen. Nachher weint dann die Frau. Aber sie weint still, aber desto länger vor sich hin. Das gibt dann zarten, aber lange, lange anhaltenden Regen.
Wenn nun ein Bosso auf Reisen ist und Salz oder Stoffe bei sich hat oder andere Sachen, die nicht naß werden dürfen, oder wenn er im Boote weit fortfahren muß, so daß ein starker Regen seine Unternehmung schlecht fördern würde, so bereitet er sich ein starkes Medikament, das den Regen verhindert. Zu diesem Zwecke gilt es, Rinde vom Baume Uo zu suchen und diese mit kleinen Pfefferschoten (kue) zusammen zu stoßen. Man füllt das so gewonnene Mehl in ein Zeugbeutelchen. Will man nun einmal den
Regen nicht unterwegs haben, so tut man ein wenig von dem Mehl in Wasser und wirft das dreimal gegen den Himmel. Das hilft. Um schwere Gewitter abzuwenden oder zu vermeiden, darf man Montags nicht auf den Feldern arbeiten.Im Beginn des Gewitters soll man nie Hunde schlagen, damit einen der Blitz nicht trifft. Auch kann man das Einschlagen in das Haus damit vermeiden, daß man während des Tornados weder auf dem Rücken, noch mit der Hand unter dem Kopfe, sondern auf der Seite schläft. Ist man während des Gewitters mit einem Hunde im Hause und der Hund läuft plötzlich heraus, so soll man auch schleunigst das Haus verlassen, denn man kann überzeugt sein, daß es binnen kurzem einschlagen wird.
Über die Entstehung der in diesen Ländern stark ausgebildeten Gewitterbildungen erhielt ich zwei mythologisch hochwichtige Mitteilungen, die im nachfolgenden wiedergegeben werden.
i. Das Gewitter soll seinen Ursprung auf den großen Stammherrn Auadia (oder Awa-dia, angeblich Allzerstörer) zurückführen. Auadia hatte einmal Gott um Nahrung gebeten. Gott sagte: "Ich werde dir etwas geben, damit du dich ernähren kannst. Pflanze den Samen." Gott gab Auadia Samen. Auadia pflanzte ihn. Der Same ging auf und ward schnell mächtig und groß und war wie ein mächtiger Baum, der bis zum Himmel ragte. Gott sagte zu Auadia: "Blicke nicht auf zum Himmel."
Die Pflanze, die wie ein mächtiger Baum bis hinauf zum Himmel reichte, trug vier Früchte, die enthielten das Stärkste, das Beste und Schlechteste, was es auf Erden gibt, nämlich:
a) Bamma-djigi, das ist ein Medikament, der schlimmste Menschentöter. Man benutzt das Bamma-djigi, indem man ihm eine schwarze Ziege schlachtet und es dann reibt. Nennt man dabei den Namen eines Menschen, so stirbt dieser.
b) Dussu, das ist das große Medikament der Jäger.
c) Dussu-Kaudienni, das ist das Zaubermittel, welches einem dazu verhilft, viele Mädchen (ob Knaben auch?) zu erzeugen.
d) Bamma-Djigi-Da, das ist das stärkste aller Zaubermittel der Erde. Es sorgt ausgezeichnet für Erfolg und Unglücksbewahrung auf der Jagd auf Ma und Nilpferde. Vor allem gewährt es Sicherheit gegen die Gewitter auf der Majagd.
Auf diesem Zauberbaume wuchsen auch die Gewitter. Es ist ein Mann dort oben, der heißt Minkaju. Der hat eine Peitsche. Mit der schlägt er gegen die Baumfrüchte. Wenn er eine Frucht getroffen hat, so springt sie auf und läßt den Regen zur Erde herabfallen. Jedes abspringende Stück der Fruchtschale erzeugt ein Donnerrollen.
2. Eine andere Erklärung erhielt ich in Mopti. Es ist nicht unmöglich, daß aus ihr ein stärkerer Fulbeeinfluß spricht. Es ist
auch dieser Lesart nach ein Baum, dem die Früchte abgeschlagen werden, so daß sie aufspringen und zur Erde Regen entsenden' Aber es sind acht Menschen oder Wesen, alle von gleichem Vater und von gleicher Mutter abstammend, die bei Lamudu im Himmel das Regen- und Gewitterwerk verrichten, nämlich:Gala- (oder Ala-) Babila, Gala- (oder Ala-) A-Babila, Arba-Babila, Arba-A-Babila, Mika-Babila, Mika-A-Babila, Sala- (oder Sarfa-) Babila, Sala- (oder Sarfa-) A-Babila. |
In der trockenen Jahreszeit sind diese acht je zu zweien nach den verschiedenen Himmelsrichtungen verteilt, nämlich: Im Osten (=Jinti) die beiden Gala, im Westen (=Jinkama) die beiden Sala, im Norden (=Sahel) die beiden Arba, im Süden (=Dugumping) die beiden Mika. In der Trockenzeit suchen sie in den vier Himmelsrichtungen Wasser aufzutreiben. Als Anführer gilt Gala Babila.
In der Regenzeit arbeiten sie aber alle gemeinsam und rufen sich zu: "Du, schlag da drüben, daß da ein Regen herabkommt!" Übrigens gelten diese nicht als die, welche auch die Blitzsteine, die Donnerkeile, alias alte Steinwerkzeuge, im Bosso = Djerre (im Fulfulde Suram) herunterwerfen. Sondern das tun die bösartigen Jine, schlechte Geister. Die acht schlagen gegen das Holz und dann donnert es. Sie zertrümmern eine Frucht und der Gewitterregen gießt herab.
Sonnenlautbalin. In bezug auf den Umgang der Sonne hörte ich in Farimaka, daß zwei Menschen das Lichtgestirn an einer Schnur herumziehen. Die Sonne gehört nicht Gott, sondern diesen beiden Menschen. Einer von ihnen sitzt am Ostrand, einer am Westrand der Erde. Ihr Antlitz ist einander zugekehrt. Am Morgen hat der Westmensch die Sonne so weit gezogen, daß sie am Rücken und am Hinterkopf des Ostmenschen emporsteigt. Am Abend zieht der Ostmensch sie über den Kopf, den Rücken und die Rückenverlängerung des Westmenschen entlang hinab in die andere Welt.
Gott. Eine eigentliche Bezeichnung der Bossosprache für das heute durchaus allein herrschende Wort Allah habe ich nicht, bis auf das Wort Nja (siehe oben), gefunden. Wohl aber gaben die Bosso-Soroko mir an, daß sie zwei alte Worte hätten, die in einen Begriff des Ursprungs alles Guten und Schlechten böten. Das sind die beiden Worte: Solindabi und Tammakallu, die gleichen Sinn haben
und bei verschiedenen Stämmen noch als Ausruf verwendet werden. Solindabi soll überall sein, in den Gedanken der Menschen, in Tier, Erde, Himmel.Ein sehr hübsches Amulett, das die Bosso Kulle, die Fulbe aber Kabride nennen, scheint ziemlich häufig, aber nicht ganz leicht erreichbar zu sein. Es besteht aus einer Röhre, die mit braunen Fäden übersponnen und mit Kauri besetzt ist. Das Amulett ist mit einem Durchzugsfaden versehen und entspricht dem Wesen des Matuku (Schatten des Kongostaates S. 166. Auch seiner Zeit bei Batetela beobachtet). Dem einen Ende zu sind auf entgegengesetzten Enden Löcher angebracht, aus denen auf der einen Seite das weiße Ende einer Schnur, auf der andern das blaue Ende der gleichen Schnur herausragt. Zieht man am weißen Ende, so kommt die Schnur hier weiß heraus und gleichzeitig verschwindet das blaue Ende auf der andern Seite. Umgekehrt ist es natürlich, wenn man am blauen Ende des Fadens zieht. — Dieses ist ein Opferamulett. Man speit gekaute Kola darauf, zieht an der Schnur und murmelt seine Gebete.
Es ähnelt das einem bei den Habbe und Marka sehr verbreiteten und bei den Habbe Bolli genannten Instrumente, dem nur der Durchzugsfaden fehlt, das ihm aber mit seiner braunen Schnurumwicklung und dem Kauribesatz bei gleicher Größe und Form ähnlich ist. Das Bolli hat an Stelle des Durchzugfadens ein kleines Schwänzchen aus Schakal- oder andern Wildtierschwanzhaaren. Es ist sehr verbreitet.
Das große Volksepos der Bosso-Sorokoi
URSPRUNG UND TEILUNG DER SOROKO*
Der Ahnherr aller Sorokostämme hieß Auadia. Alle Soroko von Sansanding bis Gao oder Gavo bis weit den Strom hinab stammen von Auadia ab. Alle diese Stämme heißen Soroko, aber die Leute von Timbuktu und Djenne nennen sie Sorkoi oder Sonrhai, und die Bammana nennen sie teilweise Bosso. Sie sind nicht mit den Sommono (der Bammana) oder wie die Südsoroko sie nennen, den Kommio oder wie die Ostsorko sagen: Korongoi verwandt. Mit diesen sind sie nicht verwandt, denn diese stammen nicht von Audia ab.
Auadia kam aus dem Osten. Er war so groß, daß eine Überschwemmung, die Menschen und Vieh fortriß, ihm nur bis an die Knie reichte. Wenn er essen wollte, nahm er einen Joromo, d. i. ein
Auadia kam eines Tages zu Sirifi Moula und sagte: "Gib mir ein Kleid!" Sirifi Moula sagte: "Geben kann ich dir kein Kleid; denn ich habe nur zwei, und die beiden sind für alle Welt. Aber ich kann dir eines leihen!" Auadia sagte: "So leihe mir ein solches Kleid!" Sirifi Moula tat es. Da machte sich Auadia einen Überhang daraus. Der reichte aber nur bis zum Nabel. — Bis dahin hatte Auadia nie geliehen, sondern nur genommen. Vor dem Leihen hatte er Angst gehabt. Nun kam einer nach dem andern. Der eine sagte: "Ich habe dir Korn geliehen, gib mir es wieder." Der andere sagte: "Ich habe dir Reis geliehen, gib ihn mir wieder." Alle Leute kamen nun und wollten Zahlung haben für das, was er genommen hatte.
Da floh Auadia weit von dannen. Er kam von Mekka bis nach Bammana Moudu, das liegt am Niger oberhalb von Gavo (oder Gao), nordöstlich von Bandjangara. Dann reiste er den Niger hinauf und kam bis nach Gura (gleich dem Gurao am Eingang in den Lac Debo) und bis hinauf nach Sansanding.
Auadia hinterließ zwei Söhne, den einen in Gura, dem entstammte Fono (oder Fuono), den andern in Bammana Moudu, dem entstammte Fara Maka. Die Grenze ihrer Gebiete lag bei Kabara (bei Timbuktu). Von Nachkommen Auadias stammen alle Soroko ab*.
Fara Maka war groß und stark, aber er war häßlich. Er hatte eine Tochter, die hieß Nana Miriam, und diese unterrichtete er in allen Dingen. Oft lag er mit ihr auf der Sandbank und fragte sie: "Was schwimmt da und was schwimmt dort?" Dann antwortete Nana Miriam: "Ich denke, es ist diese oder jene Fischart." Fara Maka sagte: "Das will ich nicht wissen. Ich will wissen, ob es ein Männchen oder Weibchen ist." Nana Miriam sagte: "Ich weiß es nicht, mein Vater." Fara Maka sagte dann: "Das ist ein Weibchen, das ist ein Weibchen, das ist ein Weibchen, das dort ist ein Männchen." So unterrichtete Fara Maka seine Tochter in allem und seine Tochter Nana Miriam lernte alle magischen Künste ihres Vaters.
Im Gavolande war damals ein Nilpferd, das fraß alle Reisfelder, so daß große Not entstand. Das Nilpferd hatte das Vermögen, sich in allerhand Verwandlungen zu zeigen und sich so allen Verfolgungen zu entziehen. Fara Maka machte sich auf, das Land von dem Nilpferde zu befreien. Er nahm seine Lanzen mit. Das Nilpferd hatte aber um seinen Nacken und auf seinem Rücken viele Öfen und brennende Feuer. Als Fara Maka auf das Tier stieß, schleuderte er eine Lanze nach der andern auf das Tier, und jede einzelne fiel in einen Feuertopf, schmolz darin und ward von dem Nilpferd verschlungen. Unverrichteter Sache kehrte Fara Maka heim. Es war im Gavolande ein Jäger mit Namen Kara-digi, Mao Fosi-Fasi (Tommaursprunges). Der hatte eine Meute ganz wunderbarer Hunde, von denen jeder einzelne größer war als ein Pferd. Das Leittier unter diesen Hunden hieß Kunjima Mbana. Kunjima Mbana war ganz schwarz.
Fara Maka sagte: "Wenn Kara-digi Mao Fosi-Fasi mit seinen
In der zweiten Legendenserie von Kassum und Brehim wird die Beziehung zwischen Soroko-Bosso einerseits und Habe-Tomma andrerseits geschildert. Im allgemeinen werden die "reineren" Sorokostämme am unteren Niger, dem Gavogebiet, mehr von Fara Maka, die gemischteren des Seenplateaus und die Habbe-Tommo mehr von Fono abgeleitet. —Die Stellung der Helden Mussenjeni und Kara-digi-Maga (oder Mao) Fosi-Fasi ist unklar. Wertvoll für die Sunjattalegende und die Abstammung der Maliherrscher ist die Schilderung der Tungara-Mounalegende, in der Karadigi-Maga Fosi-Fasi (das soll ein Habbe gewesen sein) mehr eine dekorative Rolle zu spielen scheint.
hundertundzwanzig Hunden das Nilpferd nicht vernichten kann, weiß ich nicht, was weiter geschehen soll." Fara Maka ließ den Jäger mit seinen hundertundzwanzig Hunden kommen. Er ließ viele gute Speise, große Mengen der besten Speise bereiten, damit die Hunde viel Kraft und Mut hätten. Alle Hunde waren jeder einzelne an einer Kette festgelegt. Die Hunde fraßen alle die Speise, die zubereitet war, auf. Es blieb von der Reisspeise bis zum andern Tage nichts übrig. Am andern Morgen führte Kara-digi Mao Fosi-Fasi die hundertundzwanzig Hunde in die Gegend, wo das Nilpferd war. Als sie in seiner Nähe waren, löste er einen Hund nach dem andern aus seiner Kette. Einer der großen Hunde nach dem andern sprang gegen das Nilpferd. Das Nilpferd zerriß einen nach dem andern und verschlang ihn. Es vernichtete alle hundertundzwanzig Hunde und fraß sie auf. Dann schritt das Nilpferd weiter und graste das Reisfeld ab. Es ging nicht in den Fluß. Da sah Fara Maka, daß er dem Nilpferde nichts anhaben konnte.Fara Maka ging nach Hause und legte sich im Schatten nieder. Nana Miriam lag neben ihm und sagte: "Sag, Vater, du kannst dem Nilpferde nichts anhaben?" Fara Maka sagte: "Ja, ich kann dem Nilpferde nichts anhaben." Nana Miriam sagte: "Ich will ein wenig fortgehen, ich will mir Gavo ansehen." Fara Maka sagte: "Es ist gut!" Nana Miriam machte sich auf den Weg und ging dahin, wo das Flußpferd war.
Das Nilpferd sagte: "Guten Tag, Nana Miriam." Nana Miriam sagte: "Guten Tag." Nana Miriam gürtete sich die Kleider fest um die Lenden. Das Nilpferd sagte: "Ich weiß, du bist gekommen, um mich zu töten. Aber kein Mensch kann mich mit Waffen töten. Ich habe Kara Makas Lanzen gefressen, ich habe die hundertundzwanzig Hunde Kara-digi Mao Fosi-Fasis gefressen. Niemand kann mich töten." Nana Miriam sagte: "Ich bin nur eine Frau, aber wir wollen sehen, was heute geschieht. Wir wollen abwarten." Das Nilpferd sagte: "Wir werden sehen." Nana Miriam sagte: "Bereite dich vor, entweder tötest du heute mich, oder ich töte dich heute."
Da zündetete das Nilpferd rund um sich mächtige Feuer an, so daß kein Mensch imstande gewesen wäre hindurchzukommen. Nana Miriam aber ergriff ihre Medikamente, murmelte Zaubersprüche und streute die Pulver auf der Erde aus. Darauf verwandelte sich alles Feuer in Wasser. Nun aber schuf das Nilpferd um sich eine hohe Eisenmauer, so daß es wieder gegen alle Unbilden der
Menschen geschützt war. Nana Miriam verwandelte sich aber zu einem Schmiede, ergriff Blasebaig, Hammer und Ambos und zerhämmerte sehr bald den ganzen Eisenkreis. Nun überkam das Nilpferd große Angst. Es wollte zum Wasser laufen; es verwandelte sich in einen Wasserarm, der zur Hauptstraße hin entrann; Nana Miriam warf aber wiederum Pulver in das Wasser, so daß der Wasserlauf austrocknete. Nun mußte das Nilpferd zu Fuß laufen. Nana Miriam lief hinter ihm her. Als es nahe dem Niger war, ließ Nana Miriam eine mächtige Mauer entstehen, die lief am Nigerufer entlang und war so angelegt, daß das Nilpferd nicht zum Strome hindurchbrechen konnte. Nun rannte das geängstete Tier an der Mauer hin und in der Richtung auf Fara Maka zu. Nana Miriam sah es kommen, daß ihr Vater es nun abfinge. So sprang sie schnell hinzu und ergriff das mächtige Tier am Hinterfuß. Sie schwang es in die Luft und schleuderte es fort. Das Tier flog so weit, daß man zehn Jahre lang täglich seinen Tagesmarsch machen müßte, um die Entfernung zurückzulegen, die das von Nana Miriam geschleuderte Tier bei diesem Schwunge alsogleich durchflog.Fara Maka sah das. Er sagte: "Was habe ich für eine herrliche Tochter! Nana Miriam, ich danke dir." Dann rief Fara Maka alle Kie (Dialli). Er ersann ein schönes Lied und lehrte das die Kie singen und spielen. Alle Leute im Lande, alle Sänger, alle Fischer und Bauern, alle Soroko sangen das Lied von Nana Miriam.
Darauf sandte Nana Miriam in alle Dörfer der Soroko und ließ allen, allen Soroko sagen: "Laßt alle Waffen und alles Jagdgerät daheim liegen. Achtet aber wohl auf alles, was im großen Strome vorgeht, und bringt alle gute Beute schnell beiseite, damit sie nicht verlorengehe! Denn ihr sollt Fleisch in Fülle und solchen Mengen erhalten, daß ihr nicht wissen sollt, wie ihr das vertilgen könnt." Darauf ließ Nana Miriam sich von ihrem Vater Fara Maka ein Ei geben. Sie zerbrach es und schleuderte es gleichzeitig unter Zaubersprüchen in den Niger. Alsogleich war der ganze Niger von Gavo bis Sandanding derart mit getöteten Nilpferden angefüllt, daß die Soroko nicht wußten, wie sie das Fleisch in aller Eile beiseite bringen und bewahren könnten. Überall, wo ein Dorf der Soroko stand, gab es tote Nilpferde in Menge.
Es waren nun alle Nilpferde getötet bis auf eins; das befand sich just weit im Inlande und war ein trächtiges Weibchen. Nana Miriam wußte das recht gut. Nana Miriam ging zu ihrem Vater und sagte: "Gib mir noch ein Ei." Fara Maka fragte: "Was willst
du mit dem Ei?" Nana Miriam sagte: "Es ist noch ein Nilpferd übriggeblieben. Das will ich auch töten, dann sind alle vernichtet." Fara Maka sagte: "Verzeihe mir, Nana Miriam, meine Tochter! Du hast Herrliches getan. Aber wenn du dieses letzte trächtige Nilpferd auch noch tötest, dann werden die Soroko in Zukunft kein Nilpferdfleisch mehr essen können." Nana Miriam sagte: "Wie du denkst! Du hast recht, mein Vater."Nana Miriam tat dem Nilpferd nichts. Das Nilpferd hörte, daß Nana Miriam es hatte töten wollen, daß sie aber sein Leben geschont hatte, weil es trächtig und zur Zeit das letzte Tier des Nilpferdgeschlechtes war. Dies Nilpferd machte sich auf den Weg und reiste zu Nana Miriam. Es erwies Nana Miriam seine Ehrfurcht und Dankbarkeit. Es sagte: "Nana Miriam, ich danke dir. Du hast mir das Leben geschenkt. Nun bitte ich dich, laß es mir auch ferner." Nana Miriam sagte: "Geh nur, dein Leben ist dir sicher." Das trächtige Nilpferd ging von dannen. Dies Nilpferd ward die Ahnfrau aller heutigen Nilpferde.
Der Name Nana Miriam war aber seitdem unter allen Soroko hoch geehrt. Wenn irgend jemand ein Jagdamulett für Nilpferdpirsch bereitet oder anwendet, so murmelt er darüber Nana Miriams Namen. Das Loblied Nana Miriams, das für die Mischung bezeichnenderweise Strophen in Bammana- und Zeilen in Sorokosprache aufweist, lautet:
"nana miriama djinu kumanjoa, d. h. nana miriama spricht mit den djinne. nana miriama tschitanu okumanjoa, d. h. nana miriama spricht mit den tschitanu (Doppelgängern?). (Tschitanu dürfte mit dem Scheitan, dem arabischen Teufel, zusammenhängen.) nana miriama mimbi schu ketlije, d. h. nana miriama kann die Nacht in Tag verwandeln. nana miriama abetlike schuje, d. h. nana miriama kann den Tag in Nacht verwandeln. nana miriama korti djamunjoa, d. h. nana miriama spricht mit den korti (Zaubermitteln). nana miriama faro kumanjoa, d. h. nana miriama spricht mit dem faro." |
Fono unternahm dann eine zweite Reise von Gura nach Gavo. Er nahm diesmal weder Waffen noch Fischereigerät mit. Er traf den Marabut Sinti. Er sagte zu Sinti: "Guten Tag! Ich will jetzt hingehen und meinen Bruder um seine Tochter bitten." Sinti sagte: "Ich bin gut Kamerad mit Fara Maka. Ich bin gut Kamerad mit dir. Ich will sehen, ob ich die Sache in Ordnung bekomme. Ich werde selbst hingehen." Fono blieb in Sintis Haus.
Sinti ging zur Wohnung Fara Makas. Fara Maka sah schon aus der Ferne den Marabut kommen. Er wußte sogleich, um was es sich handelte. Er schloß sogleich seine Tür. Es war eine feste Eisentür. Sinti kam an das Haus. Sinti rief: "Fara Maka." Fara Maka antwortete nicht. Sinti rief: "Fara Maka!" Fara Maka antwortete nicht. Sinti rief: "Fara Maka!" Fara Maka antwortete nicht. Da ergrimmte Sinti und trat mit dem Fuße gegen die eiserne Tür, so daß sie zerschellte. Sinti trat hinein. Sinti fragte Fara Maka: "Weshalb antwortest du mir nicht?" Fara Maka sagte: "Ich weiß alles. Ich weiß, daß mein Bruder (eigentlich Vetter) Fono gekommen ist, weil er meine Tochter Nana Miriam heiraten will. Ich weiß, daß du ihm Gastfreundschaft geboten hast und gekommen bist, für ihn zu werben. Ich weiß das alles und ich weiß, daß, wenn Fono meine Tochter Nana Miriam heiratet, es ein großes Unglück geben wird, das alle Bosso trifft. Deshalb habe ich dir nicht aufgemacht und deshalb sage ich dir jetzt: "Geh von mir, denn ich will Fono
meine Tochter nicht geben." Darauf wandte sich Sinti ab und ging zu Fono zurück. Er sagte zu Fono: "Ich hätte gern etwas für dich getan, aber es war unmöglich; denn dein Bruder Fara Maka will von alledem nichts wissen."Fono sagte: "Gut, so werde ich ihn mir jetzt selbst ansehen." Fono legte seine schönen Kleider an und ging zum Hause Fara Makas. Fara Maka saß mit Nana Miriam vor seiner Haustür und Nana Miriam suchte ihrem Vater gerade die Flöhe ab. Als Nana Miriam den Fremden kommen hörte, sah sie auf. Sie sah Fono. Sie sah Fono und liebte ihn. Fono sagte: "Guten Tag!" Fono sagte: "Ich werde sogleich wieder nach meiner Heimat, nach Gura zurückkehren." Fono nahm Abschied, bestieg sein Boot und fuhr von dannen.
Einige Tage, nachdem Fono von dannen gefahren war, sagte Nana Miriam zu ihrem Vater: "Laß mich gehen, ich will den großen Marabut in Gavo besuchen." Fara Maka sagte: "Nana Miriam, glaubst du, daß du mir etwas vorlügen kannst? Ich weiß, daß du Fono liebst. Ich will aber nicht, daß ihr euch heiratet. Ich werde es nicht zugeben." Nana Miriam sagte: "Ich will den großen Marabut in Gavo besuchen." Fara Maka gewährte es. Nana Miriam bestieg ihr Boot. Sie fuhr hinab bis nach Gura. Sie traf Fono. Sie sagte: "Guten Tag, Fono!" Fono begrüßte sie. Nana Miriam blieb einen Tag lang in Gura; dann kehrte sie nach Gavo zurück. Sie suchte den Marabut Sinti auf. Sie sagte zu ihm: "Ich will auf jeden Fall diesen Fono heiraten. Richte die Sache ein, so gut du kannst. Sprich mit meinem Vater. Aber ich will diesen Fono heiraten, ob mein Vater nun will oder nicht." Sinti ging nach Bammana Moudu und suchte Fara Maka auf. Er sagte zu Fara Maka: "Deine Tochter Nana Miriam will diesen Fono heiraten; gib sie ihm zur Frau. Denn sie wird ihn heiraten wollen, ob du willst oder ob du nicht willst."
Fara Maka sagte: "Ich habe nur ein Mädchen. Es ist mein einziges Kind. Dieses Kind habe ich alles gelehrt, was ich weiß. Alle meine magischen Kräfte habe ich ihr offenbart. Wenn sie nun einen andern Mann heiratet, so wird sie dem all mein Wesen und alles, was ich kann, offenbaren. Sie wird ihm eines Tages alle meine magischen Geheimnisse verraten, und ich werde meine ganze Kraft verlieren. So wird es denn eine schlimme Sache unter den Soroko geben, wie sich vordem keine ereignet hat." Sinti sagte: "Was willst du tun? Dieser Fono ist ein vorzüglicher Mann. Wenn du es hindern willst, wird Nana Miriam gegen deinen Willen diesen
Fono heiraten. Und das ist noch schlimmer." Fara Maka sagte: "Sinti, du hast recht. Es wird geschehen. Wenn Nana Miriam sagt, sie wolle Fono nichts verraten, will ich meine Zustimmung geben. Aber du wirst sehen, das große Unglück unter den Soroko wird damit seinen Anfang nehmen." Sinti sagte: "Es ist gut so." Sinti rief Naria Miriam. Sinti fragte sie: "Willst du, wenn dein Vater dich Fono zum Weibe gibt, Fono die magischen Kräfte deines Vaters verraten?" Nana Miriam sagte: "Solange mein Vater meinen Mann nicht kränkt, werde ich Fono nichts sagen."Da gab Fono Maka die Ehe zu. Fono erlegte die Unkosten und dann heiratete Fono Nana Miriam in Bammana Moudu, dem Orte Fara Makas.
Fara Maka ärgerte sich darüber, daß Fono auch so gut zu fischen verstand. Fara Maka sagte eines Tages zu Fono: "Kommst du mit mir fischen?" Fono sagte: "Gern begleite ich dich." Fara Maka bereitete seine Zaubermittel.
Fara Maka hatte auch hundertundzwanzig Ruderknechte. Jeder rüstete sein Boot. Beide gingen zum Fischlager herab. Beide stiegen in ihre Boote und fuhren auf das Wasser hinaus. Fara Maka hatte sich mit allen seinen Zaubermitteln ausgerüstet; er hatte auf die Pa (Lanze) Fonos Zaubermittel geworfen. Fara Maka warf einmal um das andere. Fono warf einmal um das andere. Fara Maka hatte viele und schwere Beute. Fono aber hatte gar nichts zur Strecke gebracht. Fara Maka hatte alles. Fono hatte nichts. Sie fuhren beide zurück.
Sie kamen in das Fischerlager zurück. Sie fuhren an den Strand. Sie stiegen aus. Fara Maka lachte und sagte: "Nun, mein Fono, wirst du wohl nicht mehr so stolz auf deine Kräfte und Fischereikünste sein. Du siehst, ich habe alle Beute, du aber hast nichts. Nun ist es wohl nichts mehr mit deinem Stolze?" Fono war zornig.
Er sagte nichts. Er ging heim. Er aß nicht. Er sprach nicht mit Nana Miriam. Nachts fragte Nana Miriam: "Was hast du, Fono ?" Fono antwortete: "Ich habe nichts!" Nana Miriam wartete. Sie fragte nach einiger Zeit: "Was hast du, Fono ?" Fono antwortete: "Ich habe nichts." Nana Miriam wartete. Sie fragte nach einiger Zeit: "Was hast du, Fono ?" Fono antwortete: "Ich habe nichts!" Nana Miriam fragte nichts mehr.Nana Miriam ging am andern Morgen zu dem Marabut Sinti und fragte: "Wenn eine Frau verheiratet ist, hat sie dann ihrem Manne zu folgen oder ihrem Vater? Wenn eine Frau verheiratet ist, hat sie dann für ihren Vater zu sorgen oder für ihren Mann?" Der Marabut Sinti sagte: "Die verheiratete Frau hat nur ihrem Manne zu folgen. Sie hat nur für ihren Mann zu sorgen." Darauf ging Nana Miriam wieder heim. Nana Miriam sagte: "Lache, denn morgen wirst du alle Jagdbeute haben, und mein Vater Fara Maka wird nichts heimbringen." Nana Miriam nahm die Pa (Harpunenlanze) Fonos. Sie löste das letzte Stück der Schnur am Eisen ab und band dafür ein neues ein, das sie mit Zaubermitteln und -sprüchen gefeit hatte. Sie löste den alten Verbandfaden und wickelte einen neuen darum. Sie rieb die Pa mit Medikamenten ein. Nana Miriam sagte zu Fono: "Laß deine Ruderknechte frische Zweige schneiden und in das Boot legen. Wenn du mit meinem Vater wieder ausfährst zur Jagd, so nimm diese Pa und die frischen Zweige mit. Wenn mein Vater einmal seine Pa wirft, so schleudere einen Zweig in das Wasser und erlege dann die Beute." Fono sagte: "Es ist gut!"
Am andern Morgen sagte Fara Maka zu Fono: "Komme mit zur Jagd. Wir wollen sehen, wie es heute mit dem Erfolge steht. Fono sagte: "Es ist gut." Er nahm seine Pa. Sie gingen zum Fischerlager hinunter. Sie bestiegen ihre Boote. Im Boote Fonos lagen die frischen Zweige. Jeder fuhr mit seinen hundertundzwanzig Ruderknechten heraus. Sie fuhren nebeneinander. Fara Maka schleuderte seine Pa nach einem großen Fisch. Fono warf einen Zweig hinterher, da hatte die Pa Fara Makas nichts getroffen. Der unverwundete Fisch schwamm auf Fono zu, und Fono erlegte ihn. Und so ging es weiter. So ging es mit Fischen, Krokodilen und Nilpferden. Alle Tiere, auf die es Fara Maka abgesehen hatte, wurden von diesem gefehlt. Fono warf einen Zweig nach dem andern ins Wasser und erlegte ein Tier nach dem andern. Zuletzt war das Boot Fonos mit Beute beladen, während dasjenige Fara Makas noch leer war.
Fara Maka sagte (bei sich): "Nun ist die Sache gekommen, wie ich es mir gedacht habe. Ich habe immer gesagt, wenn ich meine Tochter einem Manne zur Frau gebe, so wird sie meine Geheimnisse verraten, und mit den Soroko muß es ein böses Ende nehmen. Mit dieser Ehe ist nun die Sache abgemacht. Jetzt wird es dem Ende entgegengehen. Ich habe doch recht gehabt." Fara Maka sagte (laut) zu Fono: "Wir wollen nun heimkehren." Fono sagte: "Es ist gut!" Sie fuhren beide heimwärts, aber Fono fischte noch weiter und kam mit dem schwer beladenen Boot nicht so schnell vorwärts wie Fara Maka mit dem leeren und leichten Kahn. Fono blieb zurück.
Fara Maka fuhr so schnell wie möglich heim. Fara Maka eilte in das Dorf. Fara Maka ging in das Haus seiner Tochter Nana Miriam. Er sagte zu Nana Miriam: "Ich habe dir gesagt, du solltest nie ein Wort über meine Geheimnisse deinem Manne sagen. Ich habe dir gesagt, es würde das größte Unglück werden unter den Soroko. Ach, weshalb habe ich dich mit einem Soroko verheiratet?" Und damit tötete er Nana Miriam. Darauf zog er Nana Miriam aus dem Hause. Er nahm aber eine Sklavin, die Nana Miriam an Figur ähnlich war, legte ihr die Kleider Nana Miriams an und sagte ihr: "Nun kannst du sein, was deine Herrin war." Fara Maka dachte, Fono würde sich täuschen lassen.
Fono kam inzwischen heim. Er kam an das Haus Nana Miriams. Er rief: "Nana Miriam!" Eine Stimme sagte: "Ja, Fono." Fono sagte: "Das ist nicht Nana Miriam!" Er rief: "Nana Miriam!" Die Stimme antwortete: "Ja, Fono!" Fono sagte: "Das ist nicht die Stimme meiner Frau Nana Miriam!" Er rief: "Nana Miriam!" Die Stimme rief: "Ja, Fono!" Fono sagte: "Das ist nicht die Stimme meiner Frau Nana Miriam! Es muß ein Unglück geschehen sein." Er ging hinein. Er sah die angekleidete Sklavin. Er sagte zu sich: "Mein Bruder Fara Maka hat meine Frau Nana Miriam getötet. Er muß eine böse Sache gemacht haben. Ich werde aber das gleiche tun. Wenn Fara Maka zum Fischen ausfährt, werde ich seine Lieblingsbeischläferin Aminata töten."
Fono ging zu Fara Maka und sagte: "Wir wollen zusammen ausfahren zum Fischen und sehen, wer diesmal die Beute haben wird." Fara Maka sagte: "Ja, wir wollen das tun." Fara Maka sagte (zu sich): "Er will meine Beischläferin Aminata töten, weil ich seine Frau, meine Tochter Nana Miriam getötet habe. Ich werde aber Aminata mit mir nehmen, um sie zu schützen." Sie gingen zum
Boote hinab. Fara Maka nahm Aminata mit in sein Boot, das hieß Kalankona. Über Aminata hatte er im Boote eine Hütte, ein Schutzdach gebaut.Sie fuhren auf das Wasser hinaus. Fono sagte zu Fara Maka: "Über das, was heute zwischen uns passiert, wird man noch lange nach uns sprechen, solange, als es überhaupt Soroko gibt." Fara Maka hörte es. Fono fragte Fara Maka: "Bist du gut vorbereitet?" Fara Maka sagte: "Ja, ich bin es. Ich habe dir großes Unglück bereitet, nun willst du dich an mir rächen. Du bist im Recht." Fono sagte: "Es ist gut!" Er ergriff seine Fa. Er warf seine Pa empor zum Himmel. Sie flog empor zu den Wolken. Fara Maka schaute hinter ihr her. Die Fa durchbrach die Wolken. Sie wandte sich in den Wolken um und schoß mit furchtbarer Wucht herab. Sie kam auf das Boot Kalankona zugesaust. Sie durchbrach das Schutzdach, das Fara Maka über seinem Boote hatte errichten lassen; sie traf Aminata im Scheitel. Sie durchstach Aminata von oben bis unten. Sie fuhr wie ein Blitz durch Aminata, spaltete das Boot, sauste unten in das Wasser und spießte noch ein Krokodil, das unten auf dem Stromgrunde lag, am Boden fest.
Fara Maka ergrimmte. Er ergriff seine Fa und rief Fono zu: "Bereite dich vor!" Dann schleuderte er seine Lanze. Die Lanze schlug an den Rand von Fonos Boot. Fang! Aber sie vermochte die Bootswand nicht zu durchbohren. Fono rief: "Bereite dich vor!" Dann schleuderte er seine Lanze. Die Lanze schlug an den Rand von Fara Makas Boot: Fang! Aber sie vermochte die Bootswand nicht zu durchbohren. Beide Helden (=Gara) hatten starke, magische Schutzmittel. Einer nach dem andern warf seine Speere, einer nach dem andern warf. Keiner vermochte den andern zu treffen oder auch nur zu verwunden.
Endlich fühlte Fono, daß Fara Maka ihm doch überlegen war und daß er auf die Dauer ihm nicht im Speerkampfe würde Widerstand bieten können. Da begann er zu entfliehen. Das Boot flog über das Wasser hin. Fara Maka folgte. Fono sah, daß Fara Maka ihm immer näher kam. Fono ließ sein Boot auflaufen und sprang ans Land. Er lief landeinwärts. Fara Maka ließ sein Boot auflaufen und sprang heraus. Er lief landein. Das Land, in dem die beiden Boote aufs Ufer gezogen wurden, heißt Fara Maka (= Fanmaka).
Als Fono Fara Maka hinter sich herlaufen hörte, befiel ihn die Angst. Er verwandelte sich in ein Hirsekorn. Fara Maka lief
vorbei, fand ihn nicht und sagte bei sich: "Ich lief an einem Hirse.. korn vorbei, ich will das aufpicken." Dann rannte er zurück, verwandelte sich in einen Hahn und wollte das Korn aufpicken. Fono aber verwandelte sich wieder in einen Mann und lief von dannen. Fara Maka verwandelte sich auch wieder in einen Mann und lief ihm nach. Da verwandelte sich Fono in einen Fingerring und ließ sich zu Boden fallen. Fara Maka lief eine Weile in der Richtung weiter, fand Fono nicht und sagte: "Halt, ich sah einen Fingerring am Boden. Ich will zurücklaufen und ihn aufnehmen." Er kehrte um und kam an die Stelle. Als Fara Maka angestürmt kam, verwandelte sich Fono wieder in einen Mann und lief von dannen. Fara Maka hatte ihn aber bald wieder eingeholt. Da verwandelte sich Fono in einen Fluß und rann dem Inlande zu. Fara Maka aber verwandelte sich in einen Elephanten und begann alsdann den Fluß aufzusaugen. Da verwandelte sich Fono wieder in einen Mann. Fara Maka verwandelte sich auch in einen Mann und rannte hinter Fono her. Als Fono Fara Maka dicht hinter sich hörte, kletterte er auf einen Karande (Tamarindenbaum; in Malinke =Tommi).Fono war auf dem Tamarindenbaum. Fara Maka stand unten und rief: "Fono!" Als Fono sich beim Namen rufen hörte, wandte er sich um. Kaum aber hatte er Fara Maka ins Angesicht gesehen, als er auch in Kolewala (eine Affenart) verwandelt war. Fara Maka ging nun von dannen. Er fuhr bis Gavo (?). Der Affe, in den Fono verwandelt war, folgte ihm immer am Ufer. Bei Gavo rief Fono: "Fara Maka!" Da wandte sich der um. Kaum aber hatte er Fono ins Gesicht gesehen, da war er auch von Fono zu Tode getroffen und starb sogleich.
Die Felsen, in die alle Besitztümer Fara Makas verwandelt sind, werden heute noch am Niger gezeigt.
ERGÄNZUNGEN ZUM GROSSEN VOLKSEPOS
1. Paemuru
Fara Maka hatte eine Schwester, die hieß Nana Aminata. Nana Aminata lebte noch nach Fara Makas Tode. Sie war im Mandegebiete verheiratet mit einem Malinke, der hieß Konko Mussa.
Eines Tages war Aminata schwanger. Konko Mussa sandte nun in alle seine Lande Botschaft und ließ viele Menschen zusammenkommen. Als eine genügende Anzahl von Menschen beisammen war, sagte er zu ihnen: "Meine Frau Nana Aminata ist schwanger.
Baut nun um sie eine hohe Mauer, damit sie in dem abgeschlosse nen Raume gebären kann." Die Leute begannen sogleich die Arbeit. Sie ballten Lehmklöße, trockneten sie und richteten ein mächtiges Mauerwerk auf. Dann sandte Konko Mussa die Leute wieder heim.Eines Tages traten bei Nana Aminata die ersten Wehen ein. Als das Fruchtwasser ablief, floß es als ein starker Fluß durch das Mandegebiet von dannen. Dann wurde das Kind geboren. Es war ein Knabe. Als der eben geborene Knabe am Boden lag, begann er zu sprechen, und er konnte sprechen, als ob er schon ein ausgewachsener Bursch sei. Der Knabe sagte: "Aminata, nimm mich auf." Darauf befiel Nana Aminata große Angst. Sie sagte: "Das Kind, das gleich nach seiner Geburt sprechen kann, rühre ich nicht an. Das Kind, das gleich nach seiner Geburt sprechen kann, kann auch allein aufstehen." Nana Aminata floh. Das Kind jedoch sprang auf und rief: "Aminata, Aminata, so wasche mich doch!" Nana Aminata sagte: "Ein Kind, das gleich nach seiner Geburt sprechen und laufen kann, das kann sich auch selbst waschen." Darauf ging der Knabe hin und wusch sich.
Nach einer Woche sagte der Knabe: "Aminata, rasiere mir den Kopf und gib mir einen Namen." Da sagte Nana Aminata: "Ein Kind, das, wie du, sogleich sprechen und laufen und sich waschen kann, das kann sich auch selbst den Kopf rasieren und sich selbst einen Namen geben." Der Knabe lief fort, holte sich ein Rasiermesser, schor sich den Kopf und kam wieder. Der Knabe sagte: "Mutter, so gib mir doch einen Namen!" Die Mutter Nana Aminata sagte aber: "Gib dir deinen Namen selbst. Ich will nichts damit zu tun haben." Der Knabe sagte: "Gut, so bin ich Paemuru (der einzige Sohn?). Ich bin Paemuru nandia konde." — Sein Diamu war Napo. Die Bammana nennen dies Diamu Missisu (krepiertes Rindvieh).
Paemuru wuchs zu einem starken Knaben heran. Die Mutter sagte zu ihm: "Paemuru, denke daran, daß in diesem Lande die Menschen nicht so groß und stark sind wie bei uns!" Paemuru aber sagte: "Ich bin stark wie Gott. Wen sollte ich in diesem Lande fürchten? Weshalb soll ich nicht spielen, wie es mir gefällt? Wer will mich hindern?" Paemuru ging in das Dorf und kam zurück. Es war da ein mächtiger Baobab. Dessen Früchte waren gerade reif. Dieser Baum hatte den Namen Mande-Sira. Paemuru hatte einmal gerade Hunger. Da sah er den Baum mit den Früchten.
Paemuru rief die Knaben des Dorfes zusammen. Die Knaben kamen. Paemuru ging mit ihnen zu dem Baume. Er sagte zu ihnen: "Ich werde euch jetzt einen nach dem andern mit der Hand an den Füßen nehmen und nach den Früchten da oben werfen. Jeder, der oben beim Vorbeifliegen eine Frucht abpflückt, wird von mir beim Herunterfallen sorgfältig aufgefangen. Wer aber keine Frucht greift, den lasse ich fallen. Er kann niederstürzen, zerschellen und sterben. Es kümmert mich nicht." Dann begann er die Knaben nach den Früchten zu werfen. Einige fielen ohne Früchte zu Boden, einige aber hatten Früchte gegriffen; die wurden von Paemuru aufgefangen.Als die Frauen des Ortes dies sahen, waren sie zornig, denn einige hatten durch Paemurus Spiel ihre Kinder verloren. Die Leute kamen zu Nana Aminata und sagten zu ihr: "Gib acht auf deinen Sohn Paemuru. Die Frauen des Dorfes sind zornig auf ihn, weil er mehrere Kinder getötet hat. Wenn er auch der Sohn Konko Mussas ist, kann es ihm doch einmal recht schlecht gehen!" Nana Aminata rief Paemuru und sagte ihm: "Mein Sohn, ich habe dich neulich schon gewarnt. Ich sage dir: mache die Ohren auf, damit du hörst, was um dich herum passiert." Paemuru sagte: "Es ist gut, ich werde die Ohren aufmachen."
Der Knabe Paemuru ging in die Ortschaft und rief die Knaben zusammen: Paemuru sagte: "Es tut mir leid um euch, aber meine Mutter hat mir gesagt, ich solle die Ohren aufmachen. Gebt mir die Ohren her, damit ich sie mir aufmachen kann." Damit schnitt er ihnen allen die Ohren ab. Er zog durch alle linken Ohren eine Schnur und hing die Kette über sein linkes Ohr. Er zog durch die Löcher aller rechten Ohren eine Schnur und hing die Kette über sein rechtes Ohr. Als die Frauen des Dorfes ihre verstümmelten Kinder sahen, wurden sie wütend. Einige sagten: "Nun wird es Zeit, daß der Knabe Paemuru getötet wird." Es kamen Leute zu Nana Aminata, die sagten: "Achte auf deinen Sohn. Wenn es auch der Sohn des Konko Mussa ist, so macht er doch so schlimme Sachen, daß die Dorfleute ihn eines Tages totschlagen werden."
Nana Aminata rief ihren Sohn und sagte zu ihm: "Mein Sohn Paemuru, ich habe dich schon zweimal gewarnt. Die Ohren allein genügen nicht. Du mußt auch einen guten Kopf haben." Der Knabe sagte: "Es ist gut." Er ging wieder in das Dorf und rief die Knaben zusammen. Er sagte zu ihnen: "Meine Mutter sagt, es genüge nicht allein Ohren zu haben; ich müsse auch einen guten Kopf haben. Nun
weiß ich nicht, wer von euch einen guten Kopf hat, und da wird es das richtigste sein, ich schlage euch allen zusammen den Kopf ab. Einer wird dann schon darunter sein, der gut ist. Ihr müßt schon einverstanden sein." Darauf schlug er allen Knaben die Köpfe ab und nahm sie mit sich.Alle Mande waren nun wütend auf Paemuru. Sie sagten: "Es ist nichts mit diesem Paemuru, dem Sohne des Sorokoweibes. Wenn er auch der Sohn des Konko Mussa ist, so können wir ihn doch nicht unter uns dulden. Wir wollen ihn töten!" Als Paemuru das hörte, sagte er zu Nana Aminata: "Ich habe im Osten einen Onkel. Ich will ein wenig auf Reisen gehen und meinen Onkel Fara Maka begrüßen." Paemuru ging von dannen. Als die Mande hörten, daß Paemuru von dannen gegangen sei, folgten sie ihm, um ihn unterwegs zu töten. Einige Zeit ging Paemuru hin. Dann sah er sich einmal um. Da gewahrte er, daß die Mande ihm folgten. Paemuru sagte: "Aha, die Leute wollen mich bekriegen, sie wollen mit mir kämpfen." Er setzte sich am Wege nieder und wartete, bis sie kamen.
Als sie bei ihm angekommen waren, ergriff er zwanzig von ihnen bei den Köpfen und schlug sie mit den Köpfen so gegeneinander, daß sie zerschellten. Als die andern aber das sahen, flohen sie von dannen.
Paemuru mußte nun kämpfen. Unter Kämpfen kam er bis nach Djenne. In einiger Entfernung von Djenne liegt das kleine Dorf Schin. Paemuru legte sich in dieser Gegend nieder, um auszuruhen. Seine Füße waren in Tatia, sein Kopf in Schin. Als er am andern Morgen erwachte, dehnte er sich und sagte: "Es ist unangenehm, wenn so wenig Platz ist, daß man sich zum Schlafen zusammenrollen muß." Der Weg von Schin bis Tatia beträgt einen Tagesmarsch. So lang war Paemuru. In dieser Nacht mußte Paemuru einmal pissen. Daraus entstand der Fluß Tao. Noch jetzt stehen bei Djenne zwei Bäume, die heißen Schilomballi (= du kennst nicht). Diese Bäume stammen noch von Paemuru.
Paemuru fragte: "Wo wohnt Fara Maka, der Bruder meiner Mutter Nana Aminata?" Die Leute antworteten ihm: "Fara Maka wohnt in Bammana Moudu." Paemuru wanderte nach Bammana Moudu. Als er ankam, war Fara Maka gestorben. Er fragte den Häuptling von Bammana Moudu: "Wo ist Fara Maka, der Bruder meiner Mutter Nana Aminata?" Der Mann antwortete nicht. Paemuru sagte: "Ich habe Hunger." Die Leute brachten ihm
nichts. Denn Fara Maka war ja gestorben. Da nahm Paemuru den Häuptling. Indem er unter seine Füße griff, hob er ihn auf und zerschmetterte ihn dann mit einem Wurfe gegen den Boden. Da bekamen die Leute Angst und sagten: "Fara Maka, der Bruder deiner Mutter Aminata, ist gestorben. Aber wir wollen dir doch viel Essen bringen." Und sie brachten allerhand Speisen in großen Mengen herbei. Als er gegessen hatte, machte er sich wieder auf den Weg nach Osten.Paemuru ging und kam bis nach Gavo (Gao). Die Leute von Gavo sahen ihn schon aus der Ferne. Sie sahen hin und sagten: "Ist das ein Berg, was da kommt, oder was ist das? Soll das ein Mensch sein?" Alle Leute hatten schon von Paemuru gehört. Sie sagten: "Das kann niemand anders als Paemuru sein." Damals war der Marabut Saidu König in Gavo. Alle Leute sagten: "Das ist Paemuru, das kann nur Paemuru sein. Das ist ein sehr schlechter Mensch!" Und Saidu und alle Leute von Gavo hatten große Angst vor ihm, denn man hatte nur Schlechtes von ihm gehört. Die Leute sagten: "Er ist schlecht und nicht von der Art wie Fara Maka, der Bruder seiner Mutter Nana Aminata." Als Paemuru ankam, wies Saidu ihm eine Sandinsel als Platz an, daß er sich darauf ansiedele.
Paemuru fragte den Marabut Saidu: "Hat mein Onkel große Sachen getan und hat er etwas hinterlassen?" Saidu sagte: "Komm mit mir, ich will dir alles zeigen." Saidu ging mit Paemuru fort und zeigte ihm einen großen Stein. Er sagte: "Das ist Kalankona, das Boot deines Onkels Fara Maka. Einmal wollte Fara Maka das Boot ins Wasser ziehen. Er rief alle Leute herbei, daß sie zögen; denn das Boot war sehr schwer. Alle Leute zogen. Die Leute waren alle miteinander nicht imstande, das Boot ins Wasser zu ziehen. Die Leute vermochten das Boot nicht in Bewegung zu bringen. Da packte Fara Marka das Boot selbst an. Er war sehr zornig über die Schwäche und Lässigkeit der Leute und zog es ganz allein mit einer Hand ins Wasser. In das Loch aber, in dem vordem das Boot gelegen hatte, stürmte eine mächtige Wasserflut." Dann führte Saidu Paemuru in eine andere Gegend und zeigte ihm zwei Wasserläufe. Saidu sagte: "Einmal regnete es, und Fara Maka wollte nicht naß werden. Da nahm er sein Boot auf und stülpte es wie einen Hut über den Kopf. Der andere Teil des Bootes hing ihm aber lang über den Rücken herab. Das vom Boote abtropfende Wasser bildete einen Wasserlauf. Als er dann das Boot wieder hinsetzte, floß so
viel Wasser herab, daß ein zweiter Wasserlauf entstand. So mächtig und gewaltig war Fara Maka mit seinen Handlungen."Paemuru sagte zu dem Marabut Saidu: "So zeige mir auch das Grab meines Onkels Fara Maka." Saidu sagte: "Komm mit mir." Saidu führte Paemuru an einen Hügel, der war lang, sehr lang. Sie gingen zwei Tage an dem Hügel entlang. Saidu sagte: "Das ist das Grab Fara Makas, des Bruders deiner Mutter Nana Aminata." Paemuru hatte bemerkt, daß Saidu gegen seine Gewohnheit während der ganzen Zeit, während der sie an Fara Makas Grab entlang gingen, nie seine Gebete verrichtete und seinem Allah nicht Salaam entbot. Paemuru fragte: "Weshalb hast du während der zwei Tage, daß wir hier entlang reisen, deine Gebete unterlassen, die du sonst regelmäßig ausgeführt hast?" Der Marabut Saidu sagte: "Ich habe das nicht getan, weil wir während der zwei Tage am Grabe Fara Makas vorbeigingen, der kein Marabut war, sondern ein Heide, ein Mann, der trank. Fara Maka hat alle seine Werke nicht mit Allahs Hilfe, sondern mit Hilfe seiner Zaubermittel ausgeführt. Deshalb war er kein guter, sondern ein schlechter Mann." Paemuru sagte: "Also du nennst Fara Maka, den Bruder meiner Mutter Nana Aminata, einen schlechten Mann? Nun, ich bin noch viel schlechter, und ich will es dir zeigen."
Paemuru wollte den Marabut Saidu packen und ihn an dem Felsen zerschmettern. Als er aber mit seinen Händen nach ihm griff, entfloh jener im letzten Augenblick. Der Marabut Saidu lief nach Gavo zurück. Er rief alle Leute zusammen. Er fragte: "Dieser Paemuru ist ein schlechter und sehr gefährlicher Mensch." Die Leute sagten insgesamt: "Ja, das ist wahr!" Saidu sagte: "Wir wollen ihn verjagen."Die Leute sagten: "Ja, das wollen wir." Darauf begannen Saidu und alle Marabuts zu beten. Sie beteten so lange, bis Allah sie erhörte und Paemuru zwang, das Land zu verlassen.
Paemuru kam so wieder auf die Wanderschaft. Paemuru ging nigerabwärts und kam erst nach Dendi Jamana. Dann ging er nach Duluschi. Dort warf er Zaubermittel in den Fluß. Das hatte zur Folge, daß mächtige Felsen im Strome entstanden. Deshalb ist heute die Schiffahrt in jener Gegend durch Paemurus Zaubersteine gesperrt. —So ging er von dannen, weil kein Dorf ihm freundliche Aufnahme bot.
2. Merna und die TungarraKara digi Maga (oder Mao) Fosi Fasi, der Held, mit den 120 Hunden, die das Nilpferd verschlang, als Fara Maka es töten wollte, war selbst ein großer Nilpferdjäger. Als er in seinem Gebiete alle Nilpferde getötet hatte, zog er eines Tages nach dem Flußarm von Merna. Er tötete daselbst alle Nilpferde, bis nur noch eins übrig blieb, das war Nu Man.
Dieses Flußpferd Nu oder Niu Man oder Mare war eigentlich kein Flußpferd. Es war ein Mann, der hatte sich in ein Flußpferd verwandelt. Der Mann war im Dorfe Nu oder Niu heimisch gewesen (von uns erreicht am 18. Juli 1908, 4 Uhr p. V.) und hatte Man geheißen. Er hatte sich dann in das Flußpferd Niu Man verwandelt und in den Fluß Merna zurückgezogen, wo er Freundschaft mit den Tungarra geschlossen hatte.
Der Fluß Merna ist ein Flußarm zwischen Kurra und Gundam. Er scheint westöstliche Richtung zu haben und die beiden Landschaften Kuli und Kissu zu trennen. Auch das Land hieß früher Merna. Am Flusse Merna liegt das Dorf Kui. Der Flußarm ist bei allen Stämmen berühmt, weil er durch ein von der Natur so bevorzugtes Land zieht, daß sein Reichtum sprichwörtlich geworden ist. Die Malinke nennen den Fluß Mema-Fara. Früher gehörte das Land Merna nur den Tungarra. Heute kann da aber alle Welt fischen und jagen.
Unter den Tungarra herrschte Duguli-Nkala. Der hatte zwei Söhne, Kissi Kosso Ma Kossonti und Mali Borontoreme. Die lebten alle zu Zeiten Kara Digi Maga Fosi Fasis. Als der nun alle Nilpferde im Flußarm Merna getötet hatte, war nur noch Nu Man übrig. Er wollte auch Nu Man töten. Die Leute sagten aber: "Man soll Nu Man nicht töten, denn er ist ein verwandelter Soroko. Er ist kein einfacher Schobo (Flußpferd). Nu Man ist gut und heilig, tut niemandem etwas Schlechtes, sondern immer nur Gutes." Kara Digi Maga Fosi Fasi wollte aber doch Nu Man töten; da warf Mali Borontoreme seine Zaubermittel aus, und die Folge war, daß Kara Digi Maga Fosi Fasi starb.
Dann aber ging Kissi Kosso Ma Kossonti auf die Jagd. Und Kissi Kosso Ma Kossonti tötete Nu Man. Er geriet mit seinem Vater Duguli Nkala deshalb in Streit. Er geriet deswegen mit allen Leuten in Streit. Kissi Kosso Ma Kossonti schlug aber dem toten Flußpferde Nu Man den Schwanz ab und brachte ihn seinem Bruder
Mali Borontoreme. Darauf ergrimmte auch der und sagte: "Du hast schlecht getan, mein Bruder. Nu Man war gut. Du hast schlecht getan." Und Mali Borontoreme warf auf seinen Bruder Medikamente, starke Zaubermittel. Da starb Kissi Kosso Ma Kossonti. Seitdem gehört der Flußarm Merna aller Welt. Jedermann kann da fischen und jagen. — Der Diamu der Tungarra aber (die Soroko sind) wurde in alle Welt versprengt.3. MussenjenniFono hatte einen Sohn, der hieß Mussenkenni oder Mussenjenni. Mussenjenni war ein sehr tüchtiger Fischer und leitete die Fischzüge seiner Ortschaft. Eines Tages hatte er mit seinen Dorfgenossen den Fischzaun fertiggestellt, mit dem sie ein kleines Gewässer abschließen und dann behaglich ausfischen wollten. Er hatte schon den Fischzaun fertig und in große Bündel aufgerollt im Dorfe liegen. Da sagte Porio (das ist der Fisch, der immer hinter dem Ma herschwimmt; siehe Ethnographie Soroko-Majagd): "Ich werde etwas unternehmen."
Porio verwandelte sich in eine Frau. Er war nun eine bildschöne junge Frau. In dieser Gestalt begab er sich in das Dorf Mussenjennis. Als sie durch die Straßen ging, wurden alle Leute auf sie aufmerksam, und jeder sah, daß sie eine Fremde war. Jeder sagte: "So verbringe doch die Nacht bei mir. Schlafe mit mir." Sie aber antwortete einem jeden: "Nein, ich will nicht bei dir schlafen. Ich will nur bei Mussenjenni bleiben." Sie fragte: "Wo ist das Haus Mussenjennis?" Man zeigte es ihr, und sie ging zu Mussenjenni und sagte zu ihm: "Ich will die Nacht bei dir verbringen." Mussenjenni sagte: "Es ist gut."
Mussenjenni sah die schöne junge Frau, freute sich und sagte zu sich: "Hier werde ich vorsichtig sein, denn das ist eine merkwürdige Sache. Als es Abend geworden war, bereitete er nicht ein Gericht von Korn (Sorghum) vor, sondern er machte eine Speise aus Baumwollsamen. Gegen Mitternacht schliefen sie zusammen. Nachher fragte die junge schöne Frau: "Wann wollt ihr den Seitenarm abfischen?" Mussenjenni sagte: "Ach, das werden wir frühestens übermorgen machen." Die Frau fragte: "Wie werdet ihr das machen?" Mussenjenni sagte: "Erst müssen wir die aufgerollten Fischwehre reparieren. Wenn die Schuo (Fischwehr) fertig sind, fahren wir hinaus, sehen, ob auch genug Fische im Seitenarm sind,
fahren mit den Booten am Eingang des Wassers entlang, rollen die Schuo auf und stecken sie ins Wasser. Dann beginnen wir mit den Netzen zu fischen." Die schöne junge Frau sagte: "Also morgen fangt ihr noch nicht mit dem Fischfang an?" Mussenjenni sagte: "Wir haben ja unsere Schuo noch nicht fertig."Am andern Morgen ging die junge schöne Frau. Sie ging an das Wasser und ward wieder ein Porio. Die andern Fische fragten: "Wie wird es?" Porio sagte: "Ach, sie haben noch nicht einmal die Schuo fertig. Es hat also noch Zeit. Heute können wir noch unbekümmert im Seitenarme spielen." —Mussenjenni aber rief seine Dorfgenossen und sagte: "Die schöne junge Frau, die gestern zu uns kam und mit der ihr alle so gerne schlafen wolltet, war sicher kein Mensch, sondern ein verwandelter Fisch. Die Frau hat mich wegen dieses Fischzuges genau ausgefragt. Ich habe ihr gesagt, wir wollten morgen mit dem Auslegen der Schuo beginnen. Wir wollen aber heute gleich anfangen." Die andern sagten: "Gut!"
Das ganze Dorf machte sich an die Arbeit. Sie fuhren mit den Schuo hinaus. Sie legten das Fischwehr schnell aus. Dann kamen sie mit den Netzen und nahmen den ganzen Seitenarm aus. Als Mussenjenni in einem Netze den Porio sah, sagte er: "Den legt beiseite, bringt ihn nicht unter die andern." Der Porio wurde beiseitegelegt. Als der Fischfang beendet war, sahen sie, daß die Beute außerordentlich reich war. Mussenjenni sagte: "Bringt mir den Porio. Ich habe der Frau gestern abend statt Hirse oder Reis Baumwollsamen zu essen gegeben. Nun wollen wir den Fisch hier öffnen. Ihr glaubtet, es sei wirklich eine schöne junge Frau. Ich wußte gleich, daß es eine andere Sache war." Man schnitt den Bauch auf. Im Bauche des Porio fand man noch den Baumwollsamen.
Mussenjenni lachte und sagte: "Seht ihr, daß ich recht hatte?" — Und alle Welt sang ein Lied auf Mussenjenni.
4. SalloIn alten Zeiten gehörte der Niger nicht den Kaimanen oder irgendeinem andern Geschöpfe, sondern er gehörte Sailo. Das war ein riesenhafter Krebs, der lag zwischen Timbuktu und Djenne bei der Insel Safei. Die Insel Safei liegt nahe Ualedji und scheint dieselbe wie die Insel Kurra zu sein, liegt ihr aber jedenfalls nahe.
Es stritten damals ein Soroko namens Kassum aus Djenne und ein Soroko namens Mai aus Timbuktu um die Frage, ob Timbuktu
älter sei oder Djenne, welcher Stadt also der Niger gehöre. Sie beschlossen, die Sache in einer Wettfahrt zum Austrag zu bringen. Kassum fuhr in seinem Boot Taparabane, Mai fuhr in seinem Boot Samfili. Sie fuhren ab.Nach einiger Zeit bewirkte Mai mit magischer Kraft, daß Kassums Boot vorn auf einen spitzen Stein auffuhr. Als Kassum das sah, machte er auch hinten in das Boot ein Loch, so daß das Wasser, das bei der Fahrt vorn hereinschoß, hinten wieder herausfloß. Kassum aber bewirkte mit magischer Kraft, daß Mai im Wege getäuscht ward und in einen Seitenarm einlief, der eine Sackgasse war; er bewirkte, daß sogleich danach eine Welle vor dem Seitenarm eine Sandbank aufwarf, so daß er abgeschlossen war. So konnte Mai zunächst nicht heraus. Mai nahm aber alle seine magische Kraft. Er rief: "Hari!" (Wasser) und murmelte magische Worte. Darauf trug das Wasser sein Boot über die Sandbank.
Da wurde Sallo wütend und sagte: "Was machen diese Soroko mit meinem Fluß? Ich werde sie verschlingen." Und er sperrte bei Safei das Maul weit auf. Kassum sah es und rief dem Kameraden warnend zu. Er rief: "Sallo wird uns verschlingen. Wir wollen schnell ans Land gehen, unsere Boote aufs Land ziehen und zu Lande jeder seine Stadt aufsuchen. Dann wollen wir den Rat der weisesten Männer einholen, um zu erfahren, wie wir Sailo aus dem Wege räumen."Mai sagte: "Es ist gut." Jeder ging heim, um die magischen Kräfte und Zaubermittel zu sammeln. Ehe sie aber noch heimgekommen waren und die Nachricht vom Zorn Sallos in ihre Städte getragen hatten, kam eine Gesellschaft von 120 Boten. Die waren von Djenne aufgebrochen, um nach Timbuktu zu fahren. Als diese ahnungslos auf Sallo zuschwammen, glaubte dieser, Kassum und Mai seien darin, und sogleich verschluckte er alle 120 Boote mit der gesamten Mannschaft auf einmal.
Als Kassum daheim angekommen war, rief er alle alten und erfahrenen Soroko zusammen. Er erzählte ihnen, was sich ereignet habe, und daß Sallo den Niger für sich als sein Eigentum beanspruche. Kassum sagte: "In der Sache müßt ihr alle miteinander helfen. Mai ist auch nach Timbuktu gefahren, um dort alle magischen Worte und Zaubermittel gegen Sailo anzuwenden." Der Weiseste aller Soroko war in Djenne der alte Mama Djennepu. Der alte Mama Djennepu sagte: "Wir müssen sehen, wer der älteste von allen am Niger ist, um diese Frage entscheiden zu können." Die andern sagten: "Es ist gut."
Mama Djennepu rief Tumbo, den Pelikan (Timbo in Malinke), und sagte: "Die Leute von Djenne und Timbuktu streiten sich darum, welche Stadt älter ist und wem der Niger daher gehöre. Sailo will ihn aber allein für sich haben." Tumbo sagte: "Ich bin allerdings der älteste von denen, die hiei versammelt sind, denn ich legte hier schon meine Eier in ganz alten Zeiten, da Djenne jung war." Mama Djennepu sagte: "Du bist alt, aber du bist nicht alt genug." Mama Djennepu rief den Schakal. Der Schakal sagte: "Ich bin nun hier allerdings der Älteste, denn ich habe den ersten Menschen ausgescharrt, der in Djenne begraben wurde." Mama Djennepu sagte: "Du bist alt, aber nicht alt genug." Mama Djennepu rief den Tommofirri (einen kleinen Vogel, der für Bereitung von Zaubermitteln sehr geschätzt wird). Tommofirri sagte: "Ich bin so alt, daß es zu meiner Jugendzeit noch keine Erde gab. Als meine Mutter starb, fand ich keinen Platz hier unten, um sie zu begraben; so habe ich sie denn in meinem eigenen Kopfe begraben. Der älteste nach mir ist Nuonjuo (das Chamäleon, Nonsi der Malinke). Das kroch über die Erde, als sie noch feucht war." Mama Djennepu sagte: "So, nun wissen wir, wer die ältesten am Niger sind; nun können wir gegen Sailo vorgehen. Nun ist das Recht auf unserer Seite. Rufe Mai!"
Mai wurde aus Timbuktu herbeigerufen. Dann begaben sich Mai, Kassum und Djennepu nach Safei. Dort verrichteten sie auf einem Termitenhaufen ein großes Opfer. Danach bereiteten sie alle Zaubermittel vor. Sie warfen die Zaubermittel in den Niger. Sailo befand sich in dem Nigerarm, der Nankambulli mbuhhi hieß. Als sie ihre magischen Formeln gemurmelt hatten, fragten sie den Sailo: "Bist du noch am Leben?" Sahlo sprach aus der Tiefe: "Nein."
So kam der Niger in den uneingeschränkten Besitz der Soroko.
Damals waren die Ga-bibi (Ga =Haut, bibi =schwarz das sind die schwarzhautigen Soninke) in den Städten der Soroko in Djenne und Timbuktu nur Fremde und hatten nicht die Rechte Alteingesessener. Als nun Kassum, Mama Djennepu und Mai den Sahlo getötet und die endgültige Oberherrschaft über den Niger gewonnen hatten, kamen die Gabibi zu den großen Soroko Tungutu und baten sie um Zaubermittel. Die Soroko gaben ihnen Zaubermittel. Damals aßen die Gabibi in Djenne und Timbuktu weder Hirse noch Salz. Sie baten die Soroko um die Tungutu, damit sie mit deren Hilfe diese Nahrungsmittel herbeibringen könnten. Die Soroko gaben die Zaubermittel.
So ausgerüstet, gelang es den Gabibi aus Dierrawann (Dierrawann soll die älteste Salzmine im Taudenitgebiet sein), Salz herbeizuschafferi. Ohne die Zaubermittel der Soroko hätten sie gar nichts gekonnt. Als sie aber den Salzhandel in Händen hatten, gewannen sie in den Sorokostädten das Übergewicht, und nachher wurden sie die Herren in Djenne und Timbuktu. Noch heute sind die Gabibi (Soninke) die Herren in Djenne und Timbuktu.
5. Dunu Mussa und Maliki NaponDunu Mussa war ein Tonjimu, das heißt ein Mann von außerordentlicher Klugheit und Zauberkraft. Er stammte aus der Familie Fonos. Eines Tages versperrte ein mächtiger Kaiman den Strom. Es war ein ungewöhnliches Tier. Der Kaiman pflegte mit seinem Schwanze die am Ufer stehenden Menschen oder auch Reiter durch einen Schlag nieder- und ins Wasser zu werfen und dann Mann und Pferd, Weib und Kind aufzufressen.
Dunu Mussa hatte einen Bruder, der hieß Kumba ti Mussa. Dunu Mussa sagte eines Tages zu seinem Bruder: "Ich will dieses Krokodil töten." Kumba ti Mussa warnte ihn und sagte: "Laß es, Bruder, es ist ein ungewöhnliches und starkes Tier, du hast nicht genug Zauberkraft." Dunu Mussa sagte: "Nein, heute werde ich ausziehen. Heute noch werde ich den Anfang mit dieser Unternehmung machen."
Dunu Mussa nahm seine Waffen und sein Gerät, machte sich auf und begab sich in das Dorf Taku. Der Häuptling von Taku hieß Maliki Napo. In Taku ward ein großes Fest veranstaltet. Dunu Mussa sagte: "Ich bin ausgezogen, den großen Kaiman zu töten. Morgen werde ich euch aber erst ein Nilpferd töten und euch dessen Tochter bringen, damit ihr mit dem Flußpferdmädchen spielen und tanzen könnt." Die großen Soroko hörten alle zu, wie Dunu Mussa das sagte.
Am andern Morgen machte sich Dunu Mussa auf, um zunächst das Nilpferd zu töten. Er nahm seine Waffen mit und ging zu der Ruine des alten Dorfes Niapung. In der Ruine ging das alte Nilpferdweibchen umher. Die Tochter des Nilpferdes aber war mit Sattel und Zaumzeug versehen und lief, derart gesattelt, fröhlich umher. Dunu Mussa wollte die Alte töten. Das alte Flußpferd rief: "Laß mich doch leben!" Dunu Mussa sagte: "Ich habe dem Häuptling Maliki-Napo versprochen, dich zu töten und deine Tochter in sein Dorf zu senden, damit die Kinder mit ihr tanzen und
spielen können. Wenn ich nun die Pa hier nach dir werfe, will ich nicht, daß du auf dem Fleck stirbst, sondern du sollst erst noch bis Taku und bis vor die Haustür Maliki Napos laufen und dann erst sterben."Dann warf Dunu Mussa seine Lanze. Er zog sie unter Zaubersprüchen wieder heraus und befahl: "Nun geh bis zur Tür Maliki Napos. Dort stirb dann!" Er schlug dreimal auf das alte Nilpferd. Das alte Nilpferd lief von dannen. Dunu Mussa führte das Mädchen am Zügel hinterher. Er sagte: "Macht, daß ihr nach Taku kommt, denn ich will mich euretwegen nicht eines nichterfüllten Versprechens wegen zu schämen haben. Macht, daß ihr nach Taku kommt!" Die Flußpferde kamen bis nach Taku. Da fiel die Alte vor der Haustür Maliki Napos tot nieder. Dunu Mussa aber übergab das junge, gesattelte Nilpferd den Kindern zum Spielen. In Taku freute sich alle Welt. Man aß. Alle tranken. Die Kinder spielten mit dem gesattelten, kleinen Nilpferdmädchen. Dunu Mussa aber sagte: "Das habe ich nur getan, um Maliki Napo zu zeigen, was ich vermag. Nunmehr werde ich ausziehen und das große Krokodil töten."
Am andern Morgen machte sich Dunu Mussa mit seinen Waffen auf den Weg. Der Weg führte durch das Dorf Niani. Der Kaiman lag dahinter bei dem Dorfe Bina. In Niani war ein Djegu. Der Djegu fragte: "Wo willst du hingehen?" Dunu Mussa sagte: "Ich bin auf dem Wege nach Bina. Ich will den großen Kaiman töten." Der Djegu sagte: "Ich werde dich aber hier nicht vorbeilassen. Du wirst hier nicht vorbeikommen." Dunu Mussu sagte: "Laß mich nur vorbei. Ich weiß, du kannst nicht Eisen aneinanderschlagen hören. Ich will das also vermeiden. Der Kampf wird ja im Wasser vor sich gehen, und da wirst du nichts vom Eisen hören." Der Djegu war ein Tegu, das heißt er war taub (im Bammana: Tullogale). Dunu Mussa wollte vorbeifahren. Der Djegu sagte: "Ich lasse dich nicht." Dunu Mussa zog an seinem Boote. Der Djegu wollte es hindern. Dunu Mussa warf ihm die Kette um den Hals und schleppte ihn in das Dorf Niani.
Dann kehrte Dunu Mussa zum Ufer zurück. Er bestieg sein Boot und fuhr dahin, wo der Kaiman lag. Er sah den Kaiman. Er packte seine Lanze, um sie nach dem Kaiman zu werfen. Der Kaiman aber schlug mit dem Schwanze und schleuderte Dunu mit dem Boote ins Wasser. Als Dunu Mussa im Wasser lag, verschluckte ihn der Kaiman, ohne ihn aber mit dem Rachen und den Zähnen auch nur im
geringsten zu verletzen. Dunu Mussa befand sich nun im Bauche des Kaimans und blieb sieben Tage darin.Danach verkündete man im ganzen Lande, daß Dunu Mussa von dem großen Kaiman verschluckt sein müsse. Die Soroko aber sagten: "Dunu Mussa hielt ja nur auf Maliki Napo und dessen Rat etwas. Auf uns hat er nicht gehört. Unsern Rat hat er nicht wissen wollen. Nun mag sein Freund Maliki Napo ihm helfen." Maliki Napo hörte das und sagte: "Es ist gut."
Dann rief Maliki Napo alle Soroko auf dem großen Platze zusammen und fragte, ob ein mit besonderen Zauberkräften Begabter dabei sei, der mehr könne als er. Dann begab er sich in sein Haus. Er sprach drin mit seinem Bammana-digi-da, das ist seinem Zaubertopf. Alle Leute konnten es draußen hören, wie er drin mit seinem Bammana-digi-da sprach. Maliki Napo schlachtete eine schwarze Ziege und brachte sie als Opfer dar. Dann zwang er unter Aufbietung aller seiner magischen Kraft den großen Kaiman aus dem Strome bei Bina nach Taku in seinen Hof. Der große Kaiman mußte kommen. Maliki Napo sprach zum Kaiman: "Nun übergib dich und speie den Dunu Mussa aus." Darauf würgte der große Kaiman und spie den Dunu Mussa wirklich aus. Nun begannen alle Sorokoweiber auf Maliki Napo Lobgesänge zu erheben. Im ganzen Lande ward Maliki Napo bekannt. Die Weiber lobten und verehrten ihn. Die Männer sahen ihn aber scheel an.
Da begann Maliki Napo den Neid seiner Genossen zu fürchten, und so floh er nach Djenne und wurde Mohammedaner. Lange Zeit blieb er in Djenne. Dann wanderte er in sein Dorf zurück. Auf dem Rückwege kam er an einem Kaiman vorbei, der war so alt, daß ihm Gras auf dem Rücken wuchs. Der Kaiman wollte Maliki Napo verschlucken. Maliki Napo aber schlug mit einem Stabe auf ihn. Da ward er zu Stein. Der Stein hat den Namen: Jalunkurru. Man zeigt ihn noch heute. Darauf kam Maliki Napo glücklich nach Taku zurück.
Die Leute von Taku sind noch heute große Zauberer.
6. Der Wettstreit zwischen dem Soroko und dem Kado (Toma) (Erzählt von einem Fulbesänger in Mopti.)In Lauru gab es in uralten Zeiten einen Bosso, der wußte mehr als alle Bosso. In den Homburibergen gab es einen Kado, der war klüger als alle andern Habe. Der Bosso hieß Schina Mama.
Wenn er auf Reisen gehen wollte, hatte er dazu kein Boot nötig. Er rief einfach einen Kaiman oder ein Flußpferd heran, setzte sich darauf und ließ sich von dem dahin tragen, wohin er wollte. Der Kado hieß San. Wenn er auf Reisen gehen wollte, so verwandelte er sich in irgendein Tier und flog oder lief in dieser Gestalt schnell und bequem dahin, wohin er wollte.Jeder von den beiden hörte viel von dem andern. Jeder von den beiden hörte oftmals sagen, der andere könne mehr als er. Eines Tages beschloß der Soroko (von den Fulbe werden die Soroko Djeddo, Plur.: Sebe, genannt), den Kado zu besuchen und sich mit jenem in den magischen Kräften zu messen. Er nahm also 1500 Zaubermittel mit sich. Der Kado hörte es, daß der Djeddo auf dem Wege zu ihm sei. Da bereitete auch er seine 1500 Amulette vor.
Der Djeddo Bosso kam und sagte: "Guten Tag." Sogleich hatte der Kado (Toma) sich in einen Baum verwandelt. Der Djeddo verwandelte sich sogleich in einen Labo und begann den Baum umzuschlagen. Darauf floß Blut aus der Wunde, die der Holzschläger in den Stamm hieb. Dann sprang ein Hammel daraus hervor und lief fort. Der Djeddo lief hinter dem Hammel her und schlug ihn tot. Dann schlachtete er den Hammel, kochte ihn und verzehrte ihn. Er ging alsdann zu dem Baume zurück.
Der Djeddo schlug wieder auf den Baum ein. Nun fielen Hirsekörner aus der Wunde im Baume. Der Djeddo verwandelte sich in einen Hahn. Der pickte die Hirsekörner auf und verschluckte sie. Es blieb nur ein Hirsekorn übrig. Das verwandelte sich in einen kleinen Vogel. Der schwang sich auf in die Luft und flog von dannen.
Der Djeddo verwandelte sich nun in einen Papagei. Der Papagei flog hinter dem kleinen Vogel her und zupfte ihm die Federn aus. Der kleine Vogel flog voran, der Papagei immer hinterher. Der kleine Vogel flog auf die Stadt eines sehr großen Königs zu. Der König saß gerade im Kreise seiner Großen und hörte deren Berichte an. Als der kleine Vogel da ankam, verwandelte er sich in einen silbernen Ring und ließ sich in die Tasche des Königs fallen.
Der Djeddo aber verwandelte sich in einen Spielmann. Der Spielmann setzte sich in die Reihe der Großen und begann, seine Laute zu schlagen und zu singen. Der Spielmann spielte und sang sehr schön. Der König war über die Maßen erfreut. Er sagte: "Was soll ich dir schenken, Spielmann? Ein Pferd, eine Frau, Rinder ?"
Der Spielmann sagte: "Ich will nichts von alledem. Wenn du mir aber etwas geben willst, so schenke mir das Silber, das in deiner Tasche ist." Der König sagte: "Ich habe kein Silber in der Tasche." Der Spielmann sagte: "Glaube mir, du hast doch Silber in der Tasche. Greife nur einmal hinein." Der König griff in die Tasche. Er fand einen silbernen Ring darin. Er reichte ihn dem Spielmann hin, um ihn ihm zu schenken. Im gleichen Augenblick verwandelte der Kado sich aber aus dem Silberring wieder in seine natürliche Gestalt und setzte sich gelassen in den Kreis der Anwesenden.Als der Djeddo das sah, nahm er auch seine natürliche Gestalt an, bat um Entschuldigung und sagte zu dem Kado: "Du bist doch stärker als ich."
7. Soroko und TommoSoroko (Bosso) und Tommo (Habbe) stammen von dem gleichen Ahnherrn ab, und zwar ist das Auadia, der Stammvater aller Soroko. Auadia hatte zwei Nachkommen, die hießen Kassum und Brehim.
Es war einmal eine große Hungersnot im Lande. Kassum und Brehim hatten nichts zu essen. Da sagten sie: "Es soll einen großen Strom geben, an dem es viel zu essen gibt. Den (Niger) wollen wir aufsuchen." Sie machten sich also auf die Wanderschaft. Nachdem sie eine lange Zeit gewandert waren, sagte Brehim, der ältere: "Mein Bruder, ich habe solchen Hunger und bin vor Hunger so schwach, daß ich nicht imstande bin, weiter fortzugehen. Laß mich hier liegen. Ich will hier sterben. Suche du den großen Fluß zu erreichen." Kassum sagte: "Warte ein wenig. Hier nebenan ist ein Busch. Ich will hingehen und sehen, ob ich nicht ein wenig Essen für dich finde."
Kassum ging nun in den Busch und schnitt sich eine Wade ab. Die Wunde verband er mit Blättern und Ranken. Dann machte er sich Feuer und röstete das abgeschnittene Fleisch. Dann schlug er es in Blätter, kehrte zu seinem Bruder zurück und sagte: "Sieh, Bruder, ich fand im Walde Fleisch. Ich habe es sogleich geröstet; nimm es und stärke dich." Darauf aß der ahnungslose Brehim vom Fleische seines Bruders, fühlte sich stark und war bereit, weiter zu gehen. Nun aber hatte ihn ein quälender Durst gepackt. Kassum sagte: "Warte, Bruder, ich will sehen, ob ich im Walde etwas zu trinken finde." Er ging in den Busch zurück
und entdeckte ein Loch, in dem war ein wenig Wasser. Das brachte er seinem Bruder, und nunmehr konnten sie ihren Weg fortsetzen.Nachdem sie wieder ein tüchtiges Stück gegangen waren, empfand aber Kassum den Blutverlust und den Schmerz der Wunde derart, daß er außerstande war, noch weiter zu gehen. So sagte er denn zu Brehim: "Lieber Bruder, ich habe mich ein wenig verletzt. Die Wunde scheint nun schlimm geworden zu sein. Geh du voran, geh weiter, laß mich liegen. Such du den großen Strom. Sobald es mir besser geht, werde ich dir folgen." Brehim sagte: "Warte, Bruder Kassum, ich werde mir einmal die Wunde ansehen. Vielleicht kann man etwas tun." Brehim löste den Verband an Kassums Bein. Er sah, daß die Wade abgeschnitten war und sagte zu Kassum: "Mein Bruder, jetzt sehe ich es ganz deutlich. Als ich am Verhungern war, hast du dir ein Stück von deinem eigenen Bein abgeschnitten und hast mich damit genährt!" Brehim ging in den Busch. Er suchte allerhand Blätter und Kräuter. Die kaute er. Er machte einen Brei daraus und spie den auf Kassums Bein. Da heilte die Wunde binnen kurzer Zeit.
Nun war Kassums Bein geheilt. Sie machten sich wieder auf den Weg und wanderten, und endlich kamen sie an den großen Strom. An dessen Ufer schlugen sie ihre ersten Hütten auf.
Kassum sowohl wie Brehim hatten jeder seine Tochter bei sich. Die beiden Mädchen sahen einander sehr ähnlich. Kassum sagte: "Ich will sehen, ob dieser große Fluß nicht viele Fische hat." Brehim sagte: "Es ist gut so. Ich werde inzwischen ein wenig in die Berge gehen und sehen, ob es dort nicht Korn und Feldfrüchte gibt." Kassum blieb im Tale und begann seine Vorrichtungen zum Fischfange und zur Jagd auf Nilpferde und Krokodile.
Brehim aber nahm Abschied und ging in die Berge. In den Bergen fand er die Soninke. Er trat in ihren Dienst. Sie gaben ihm ein Gewehr. Die Soninke lehrten ihn die Herstellung und Anwendung der Hacke. Sie nahmen ihn mit auf die Jagd und zeigten ihm alle Handgriffe und Vornahmen des Jägerhandwerkes. So lernte Brehim etwas. Eines Tages stieg er zum Niger herab und suchte das Lager seines Bruders Kassum auf. Er sagte: "Mein Bruder, ich will eine Zeitlang auf Arbeit und Reisen im Berglande abwesend bleiben. Ich werde dir, wenn ich etwas gewinne, einen Anteil heruntersenden. Sei so freundlich und beaufsichtige solange meine Tochter, daß ihr nichts geschehe. Sie kann eine Gespielin
deines eigenen Mädchens sein." Kassum sagte: "Es ist gut!" Brehim rüstete seine Sachen, nahm Abschied und ging in die Berge, um da oben zu arbeiten.Wenn nun der Fischer Kassum unten im Tale einen guten Fischzug gemacht hatte, so sandte er die Hälfte der Beute seinem Bruder Brehim in die Berge. Wenn Brehim in den Bergen eine gute Ernte gewonnen hatte, so sandte er die Hälfte seinem Bruder Kassum an den Niger. So blieb Brehim zehn Jahre in den Bergen, ohne herniederzusteigen, und seine Tochter weilte währenddessen bei Kassum im Tale. Eines Tages aber starb die Tochter Brehims.
Als die Tochter Brehims gestorben war, sagte Kassum: "Wie soll ich nur vor meinen Bruder treten, da er mir seine Tochter gab, daß ich sie vor allem Unheil bewahre und sie nun gestorben ist!" Kassum sagte: "Was soll mir meine eigene Tochter, da die Tochter meines Bruders Brehim gestorben ist? Es ist schon besser, wenn keines von beiden Mädchen lebt, anstatt, daß eines allein übrigbleibe." Und Kassum ging hin und tötete seine eigene Tochter, begrub die beiden Mädchen nebeneinander und errichtete einen Grabhügel darüber.
Eines Tages kam Brehim von den Bergen herab und sagte: "Guten Tag! Ich möchte euch sehen und möchte wissen, wie es meiner Tochter geht. Geht es ihr gut?" Da konnte Kassum dem Bruder nicht die Wahrheit sagen, und er sagte: "Ach, es geht ihr schon gut. Die beiden Mädchen sind ein wenig fortgegangen." Brehirn sagte: "Werden sie heute wiederkommen?" Kassum sagte: "Nein, heute werden sie nicht wiederkommen; denn ihr Weg ist weit. Aber morgen werden sie vielleicht wiederkehren." Da sagte Brehim: "Nun, so will ich so lange bleiben, bis die Mädchen wiederkehren."
Am andern Tage fragte Brehim: "Werden die Mädchen bald wiederkommen ?" Kassum sagte: "Ich denke, sie werden bald wiederkommen." Brehim blieb drei Tage. Er wartete. Brehim sagte am dritten Tage: "Ich kann nicht gehen, ohne meine Tochter wiedergesehen zu haben."
Da konnte Kassum es nicht mehr bei sich behalten und sagte: "Mein Bruder Brehim, ich muß es dir also sagen: Ich hätte mir selbst das Leben nehmen sollen, aber wissen mußt du es nun doch. Deine Tochter, die ich vor jedem Unglück dir bewahren sollte, ist in meiner Hütte an einer Krankheit gestorben. Als das geschehen war, sagte ich mir: wie soll ich das meinem Bruder sagen können, ohne vor Scham zu sterben? Was soll mir meine Tochter, wo die
Tochter meines Bruders, die ich vor allem bewahren sollte, starb! — Und dann habe ich meine eigene Tochter auch getötet und habe beide Mädchen unter einem Hügel begraben!" Brehim sagte: "Zeige mir das Grab." Kassum führte den Bruder zu dem Grabe.Brehim betrachtete das Grab und sagte dann: "Besitzest du nicht genug Macht, die beiden Mädchen wieder zum Leben zu erwecken?" Kassum sagte: "Nein, das vermag ich nicht." Brehim sagte: "Wir beide haben einander immer liebgehabt. Wir haben einander stets die Hälfte gegeben von dem, was wir besaßen. Wir haben einander alles getan, was wir vermochten. So wollen wir denn auch dies teilen." Dann nahm Brehim Zaubermittel aus seinem Beutel. Er sprach Zauberreime und schritt dreimal um den Grabhügel. Als das geschehen war, sagte er: "Nun, mein Bruder, öffne das Grab." Kassum tat es. Da sahen sie unten die beiden Mädchen miteinander spielen. Lebend stiegen sie aus der Grube heraus.
Die beiden Brüder gingen nach Hause. Daheim sagte Brehim: "Heute nun wollen wir eine Sache abschließen und unsere Freundschaft festmachen, so daß sie keines unserer Nachkommen lösen kann." Kassum sagte: "Das ist auch mein Wunsch." Darauf nahm ein jeder einen Ballen Reis, eine weiße und eine rote Kolanuß. Jeder machte in seine Stirne einen kleinen Schnitt, so daß das Blut herabtropfte. Dann brannten sie Kolanüsse. Die gebrannten Kolanüsse mischten sie mit ihrem Blute. Sie aßen gemeinsam. Sie genossen so einer des andern Blut. Sie sprachen: "Von jetzt ab bis in alle Zukunft hinein, bis in unsere fernsten Nachkommen, wollen wir beide uns nichts Schlimmes zufügen, soll unser Blut nicht mit unserem Blute in Streit geraten. Und unsere Kinder sollen sich nicht heiraten, denn sie sind von gleichem Blute.
Aus Kassums Familie stammen die Soroko. Sie wohnen am Wasser und sind Fischer. Aus Brehims Familie stammen die Tomma. Sie wohnen in den Bergen, treiben Ackerbau und Jagd. Denn nachdem sie den Blutschwur getauscht hatten, ging Brehim wieder in die Berge und seiner Arbeit nach.
Später war da ein König der Marka, Mussa mit Namen, der hörte von der Blutstreue der Tommo und Soroko und von dem heiligen Schwur. Und er beschloß, diese Sache auszuforschen und zu versuchen, was an der Sache Wahres sei. Er sandte in die Berge und ließ ein Tommomädchen holen. Dieses hielt er tagsüber im Busche. Er sandte an den Fluß und ließ einen Soroko holen, dem gab er ein Haus und sagte ihm: "Heute abend werde ich dir ein Weib senden;
das kannst du in dieser Nacht beschlafen." Er ließ den Mann tagsüber allein in seiner Hütte.Als es Abend und dunkel geworden war, ließ er das Tommomädchen aus dem Busch holen und befahl, daß man sie im Dunkeln zu dem Soroko in die Hütte bringe. Er wollte, daß die beiden miteinander schliefen, damit das Gerede von der Blutsbeziehung der beiden Stämme und der Heiligkeit des Blutschwures ein Ende nähme. Kaum aber hatte das Tommomädchen ihren Kopf in die Hütte gesteckt, und ehe noch der Bursch sie gesehen haben konnte, fiel der Soroko hin und war tot. Das Tommomädchen aber stürzte draußen hin und verschied. Sie hatte den Mann noch gar nicht wahrgenommen.
Da ließ der Markakönig Mussa alle Tommo und Soroko zusammenkommen und sagte zu ihnen: "Mit diesem Blutschwur ist es eine heilige Sache. Nie sollen sich Soroko und Tommo heiraten. Es soll so bleiben, wie es vordem war." Kaum hatte der Markakönig Mussa dies gesagt, da stürzte auch er hin und war im gleichen Augenblick verschieden.
Nun aber lebte der Tommo Sumana mit seiner Frau nur von Blättern und dem Samen wilder Gräser, und anderes konnten sie auch ihren Kindern nicht geben. Der Soroko Sumani aber wußte sich heimlich Hirse zu beschaffen; die wurde von seiner Frau nachts zubereitet und auch heimlich in der Nacht von der Sorokofamilie verzehrt. Eines Tages aber sah die Frau Sumanas, wie die Frau des Soroko Sumani Hirsebrei verzehrte.
Die Tommofrau ging sogleich zu ihrem Manne und sagte: "Höre Sumana, ich habe soeben gesehen, daß Sumanis Weib Hirsebrei verzehrt hat. Gehe doch zu Sumani und frage ihn, wo er das gewonnen hat. Denn was er erlangt, wirst du auch erreichen können." Der Tommo sagte: "Das ist richtig; es ist gut!" Er begab sich darauf zu dem Soroko und sagte zu ihm: "Deine Frau hat soeben Hirsebrei gegessen. Wo hat sie den gewonnen? Wo bekommst du die Hirse her? Kannst du es mir nicht sagen? Meine Kinder und meine Frau haben solange nichts Ordentliches gegessen." Der Soroko sagte:
"Ei, das ist gar nicht schwierig. Die Hirsestelle ist gar nicht weit von hier. Wir können morgen, wenn die Sonne hoch genug steht, gemeinsam dahin gehen." Der Tommo fragte: "Muß man Wasser mitnehmen?" Der Soroko sagte: "Warum willst du Wasser mitnehmen, wo die Hirsestelle gar nicht weit von hier ist!" Der Tommo sagte: "Es ist gut."Nachts füllte sich der Soroko Sumani einen tüchtigen Topf voll Wasser und stellte ihn verschlossen beiseite. Am andern Morgen stand er ganz früh auf, um heimlich vor dem Tommo von dannen zu gehen. Der Tommo war aber auch schon auf. Er fing den Soroko am Wege ab und sagte ihm: "Weshalb gehst du so heimlich bei Nacht fort? Du sagtest gestern, du wollest mit mir zusammen gehen, wenn die Sonne hoch genug stände." Der Soroko antwortete: "Ach, ich wußte ja ganz genau, daß du vor Aufregung nicht würdest schlafen können."
So gingen sie von dannen. Sie gingen. Sie gingen. Der Tommo sagte: "Du sagtest gestern, es sei ganz nahe. Jetzt habe ich Durst. Ist kein Wasser in der Nähe?" Der Soroko sagte: "Sagte ich das?" Dann nahm er den Wasserkrug, begann ihn zu öffnen und trank. Der Tommo sah ihm zu. Er sagte: "Du sagtest gestern, es sei so nahe, daß es nicht nötig sei, Wasser mitzunehmen. Nun laß mich auch einmal trinken." Der Soroko setzte den Krug ab und sagte: "Ich will dich auch einmal trinken lassen, wenn du dir eine Hand abschlägst." Der Tommo hatte argen Durst. Er wußte nicht, was er tun sollte. Darauf hackte er sich eine Hand ab. Nun ließ ihn der Soroko einige Züge Wasser nehmen.
Dann gingen sie weiter und immer weiter. Der Weg wollte kein Ende nehmen. Sie kamen und kamen nicht an der Stelle an, wo der Soroko die Hirse gewinnen wollte. Als es heiß und drückend und er über die Maßen durstig war, sagte der Tommo: "Ach, Sumani, erlaube mir doch, noch einen Schluck aus der Wasserflasche zu nehmen. Ach, Sumani, laß mich nicht sterben!" Der Soroko sagte: "Gut, ich will dir erlauben, einige Züge aus der Flasche zu nehmen, wenn du dir vorher einen Fuß abschlägst." Der Tommo wußte nicht, was er tun solle vor Durst. Er meinte, er müsse sterben vor Durst. Er sagte: "Er ist besser, ich schlage mir einen Fuß ab, als daß ich vor Durst sterbe." Er schlug sich einen Fuß ab. Darauf erlaubte ihm der Soroko, einige Züge aus der Wasserkanne zu nehmen.
Sie gingen weiter und gingen und gingen und war kein Ende des Weges abzusehen. Sie kamen immer weiter und immer weiter,
aber es war nichts zu sehen als die unendliche Steppe. Die Sonne aber glühte wie ein Feuer vom Himmel, so daß der Sand glühte und alles vertrocknete.Da bemächtigte sich des Tommo wieder ein furchtbarer Durst. Sie kamen an eine Dorfruine; daneben stand ein alter Baobab, der hatte keine Blätter. Der Tommo sah kein Ende ab in seiner Pein. Da sagte er zu dem Soroko: "Sumani, gib mir noch einige Züge zu trinken, ehe ich sterbe. Denn hier werde ich doch sterben." Der Soroko sagte: "Sumana, ich will dir zu trinken geben, aber stich dir ein Auge aus!" Der Tommo sagte: "Ich werde doch sterben, da ist es gleich, ob mit oder ohne das Auge."Sumana stach sich das Auge aus. Sumani reichte ihm den Krug, daß er noch einige Züge daraus nehme. Dann ging Sumani weiter. Aber Sumana, der Tommo, war so schwach von dem Verluste des Fußes, der Hand, des Auges, daß er nicht mehr weiter mitgehen konnte. Er hieß Sumani seines Weges ziehen.
In der Dorfruine stand ein alter Baobabbaum. Als es Nacht ward, schlich sich der Tommo zu dem Baume, um in seinem Schutze zu sterben. In dem Baume aber lebten zwei Tiere, nämlich in den Zweigen ein uralter Geier und in einem Loche an seiner Wurzel ein uralter Schakal. Diese beiden Tiere pflegten sich nachts zu unterhalten.
Als es Nacht war, begann der uralte Geier: "Ach, wenn man so alt ist, bleibt einem nichts verborgen. Ach, wenn man klug ist und sehen kann, sieht man allenthalben etwas." Der uralte Schakal sagte: "Ach, wenn man so weit herumgekommen ist, wenn man alt ist und alles so recht überlegt, dann weiß man zuletzt viel." Der uralte Geier sagte: "Da sieht man zwei Familien, die waren immer einig und gaben allen Menschen nur Freude und waren gut." Der uralte Schakal sagte: "Und heute ist der Sohn der einen Familie ein Schurke, ein gemeiner Mensch geworden und hat dem Sohne der andern Familie böse mitgespielt und hat ihn gezwungen, sich Fuß und Hand abzuschlagen und sich das Auge auszustechen. Und nun liegt er da und möchte am liebsten sterben." Der uralte Geier sagte: "Ja, wenn er wüßte, was ich weiß, würde er zu dem Baume gehen, der hier nebenan steht, und würde sich einige Blätter abreißen und die Blätter würde er über die Augen streichen. Dann würde er wieder sehen. Und die Blätter würde er über den Handstumpf streichen, dann würde er wieder eine Hand bekommen." Der uralte Schakal sagte: "Ja, und da steht ein anderer Baum im
Busch. Wenn er dessen Blätter auf das Bein legte, so würde er wieder einen Fuß erhalten." Der uralte Geier sagte: "Ja, wenn er es wüßte!" Der uralte Schakal sagte: "Ja, wenn er es täte!"Am andern Morgen ging er hin, er suchte den ersten Baum auf, von dem der uralte Geicr gesprochen hatte. Er bestrich sich mit den Blättern dieses Baumes das Auge. Da ward er wieder sehend. Er bestrich sich mit den Blättern dieses Baumes den Handstumpf. Da ward ihm wieder eine Hand. Er ging hin und suchte den Baum auf, von dem der uralte Schakal gesprochen hatte. Er nahm von den Blättern und rieb den Fußstumpf. Da konnte er wieder gehen. Nun war der Tommo wieder hergestellt und kräftig und stark wie zuvor.
Der Tommo blieb noch da. Er sagte: "Ich will noch eine Nacht am Loche bei diesem Baobab zubringen." Abends legte er sich wieder unter den Baum. Es ward Nacht. Der uralte Geier begann sich mit dem uralten Schakal zu unterhalten. Der uralte Geier sagte: "Ja, wenn man alt wird, hat man allerlei erlebt." Der uralte Schakal sagte: "Ja, wenn man alt ist, dann weiß man auch allerhand Ratschläge zu geben." Der uralte Geier sagte: "Da sind zum Beispiel von einer Familie zwei Männer. Die Väter haben sich durch Blutschwur verbunden. Die Väter taten sich alles Gute, was sie konnten. Die Väter waren ausgezeichnete Männer. Ihr Schwur ist stark. Kein König kann ihn durchbrechen. Aber nun ist einer da, der ist schlecht, sehr schlecht; er hat den Bruder arg mißhandelt. Der Bruder ist ein guter Mann." Der uralte Schakal sagte: "Aber der gute Mann weiß nicht, was für ihn gut sein wird." Der uralte Geier sagte: "Wenn der Mann das wüßte, so würde er an einem Montag drei Bällchen Reis nehmen. Er würde darüber Zaubersprüche hersagen. Er würde drei Gänge um die Ruine unternehmen. Er würde dabei von dem Reis ausstreuen. Den Rest aber würde er den Kindern geben, daß sie ihn äßen." Der uralte Schakal sagte: "Das alles würde ihm zum reichen Segen gedeihen, wenn er sich dann inmitten der Ruine anbauen würde. Alsbald würde seine Familie wohlhabend sein. Seine Familie würde sich mehren und in Bälde große Mengen von Kindern hervorbringen. Aus seinem Stamme würden dann mächtige Könige hervorgehen, die über gewaltige Reiche herrschen würden." Der uralte Geier sagte: "So ist
es." Der uralte Schakal sagte: "Wenn er es wüßte." Der alte Geier sagte: "Wenn er es täte."Der Tommo Somana hatte alles gehört. Er dachte die Nacht darüber nach. Am andern Morgen bereitete er drei Bällchen Reis. Er sprach seine Zaubersprüche darüber. Er unternahm die drei Gänge um die Ruine und streute dabei den Reis aus. Den Rest des Reises gab er den Kindern zu essen.
Dann siedelte er sich in der Ruine nahe dem alten Baobab an. Was er nun unternahm, gelang ihm. Sein Wohlstand hob sich. Er brachte viele Kinder hervor. Fremde kamen von auswärts dazu. Die Ansiedlung nahm von Tag zu Tag zu. Bald war eine mächtige Stadt entstanden. Der Tommo Somana wurde zu einem mächtigen Könige, der in einem großen Palaste wohnte.
Der Soroko Sumani kam zum Tommo Sumana und sagte: "Guten Tag!" Sumana sagte: "Guten Tag, sei mir gegrüßt, mein Bruder! Wie geht es dir?" Sumani sagte: "Es geht mir nicht schlecht. Aber wie bist du zu alle diesem gekommen? Als ich dich verließ, warst du sterbenskrank!" Sumana sagte: "Das ist sehr einfach. Hier in der Gegend wohnen ein uralter Geier und ein uralter Schakal. Als ich nun mit einem abgeschlagenen Fuße, einer abgeschlagenen Hand, einem ausgestochenen Auge hier lag und mir bewußt war, daß ich sterben müsse, da hörte ich den uralten Schakal und den uralten Geier miteinander sprechen. Sie sagten sich untereinander, wie man den abgeschlagenen Fuß, die abgeschlagene Hand, das ausgestochene Auge heilen könne. Ich folgte den Ratschlägen am andern Morgen und meine Wunden wurden geheilt." Der Tommo Sumana fragte: "Warst du es nicht, der hier ein Geschöpf mit einem abgeschlagenen Fuße zurückgelassen hat?" Der Soroko sagte: "Ich erinnere mich daran."
Der Tommo fragte: "Warst du es nicht, der hier ein Geschöpf mit einer abgeschlagenen Hand zurückgelassen hat?" Der Soroko Sumani sagte: "Ich erinnere mich daran."
Sumana fragte: "Warst du es nicht, der hier ein Geschöpf mit einem ausgestochenen Auge zurückgelassen hat?" Sumani sagte: "Ich erinnere mich daran."
Der Tommo Sumana sagte: "Ich will nicht handeln wie du. Der uralte Schakal und der uralte Geier haben mir in meinem Elend nicht nur Gesundheit und Kraft wiedergegeben, sondern sie haben mir auch in großer Güte Ratschläge gegeben, wie ich reich und mächtig werden könne. Ich bin es geworden und will dich davon mitgenießen lassen. Bleibe bei mir als mein Gast und kehre nicht in das Hungerleben zurück."
Der Soroko Sumani bekam aber Angst und glaubte, daß der andere, an dem er so Schlechtes getan hatte, ihn nun töten würde. Er sagte: "Nein, mein Bruder Sumana, ich habe nicht gut an dir gehandelt. Ich will jetzt heimgehen in mein Dorf und das Hungerleben weiter durchmachen." Der Soroko Sumani nahm Abschied und ging von dannen.
Der Soroko Sumani ging bis in den Busch vor den Toren der Stadt Sumanas. Er sagte dann: "Mein Bruder Sumana hat von einem uralten Geier und einem uralten Schakal, die in dieser Gegend leben, Heilung und so gute Ratschläge erfahren, als er einen Fuß, eine Hand und ein Auge verloren hatte und im Sterben lag. Nun ist er ein reicher Mann und ein großer König geworden. Weshalb soll es mir nicht ebenso gehen?"
Und der Soroko Sumani nahm sein Messer, schnitt sich um drei Uhr herum einen Fuß ab, schnitt sich eine Hand ab und stach sich ein Auge aus. Dann blieb er im Busch liegen und wartete ab, was sich nun ereignen würde.
Als es Nacht geworden war, kamen der uralte Geier und der uralte Schakal in den Busch. Der uralte Geier und der uralte Schakal begannen sich miteinander zu unterhalten. Der uralte Geier sagte: "Wenn man so alt geworden ist, erlebt man die merkwürdigsten Sachen. Ich weiß es noch, als zwei gute Brüder Kassum und Brehim miteinander den Blutschwur tauschten." Der uralte Schakal sagte: "Ja, und kein Mensch konnte den Blutschwur zerstören. Sie hielten fest und treu aneinander." Der uralte Geier sagte: "Dann kamen zwei andere Brüder, der eine ein guter Mensch, der andere ein schlechter. Der schlechte trachtete danach, dem guten das Leben zu nehmen."
Der uralte Schakal sagte: "Der gute Mensch wollte unter dem Baobab in der alten Ruine sterben." Der uralte Geier sagte: "Er bekam aber gute Ratschläge von uralten klugen Leuten und wurde gesund." Der uralte Schakal sagte: "Dann baute er sich in der Ruine an und uralte kluge Leute sorgten dafür, daß es ihm immer gut ging." Der uralte Geier sagte: "Der schlechte Mensch ist inzwischen auch angekommen." Der uralte Schakal sagte: "Er denkt, daß uralte kluge Leute ihm auch helfen werden." Der uralte Geier sagte: "Er hat sich den Fuß abgeschnitten, die Hand abgeschnitten, das Auge ausgestochen." Der uralte Schakal sagte: "Er denkt, nun würden die uralten klugen Menschen ebensogut für ihn sorgen wie für den guten Menschen!" Der uralte Geier sagte: "Da liegt er nun unten und denkt gar nicht ans Sterben, sondern nur an Wohihabenheit und Königtum."Der uralte Geier sagte: "Das ist der, der die Bruderfamilie hat töten wollen. Wir wollen ihn auffressen." Der uralte Schakal sagte: "Es ist gut, wir wollen ihn auffressen." Der uralte Geier und der uralte Schakal sagten zu dem Soroko Sumani: "Du hast deine Bruderfamilie fressen wollen und hast nichts anderes gedacht, als selbst reich und König zu werden. Wenn aber Soroko und Tommo nicht einig sind, gehen beide zugrunde. Und jetzt werden wir dich fressen." Damit fielen der uralte Geier und der uralte Schakal über den Soroko Sumani her und fraßen ihn auf.
So ist es gekommen, daß die Soroko niemals Könige hatten, wenn sie auch zuweilen reich werden. Es weiß jeder: niemals wird ein Soroko ein König. Dagegen sind aus dem Stamme der Tommo große und mächtige Herrscher hervorgegangen, wenn es auch sehr viele arme Tommo gibt. Aus diesen alten Zeiten stammt das eigenartige Verhältnis zwischen Soroko und Tommo. Ein Soroko braucht nur zu einem Tommo zu gehen und zu sagen: "ich habe Hunger", und der Tommo wird ihm sogleich zu essen geben, und der Soroko hat nicht nötig, auch nur eine Kauri dafür zu bezahlen. Ein Tommo braucht nur an die Hütte der Soroko zu treten und zu sagen: "gib mir zu essen", der Soroko wird ihm sogleich geben, und der Tommo braucht hierfür nichts zu bezahlen. Wenn der Soroko etwas beim Tommo sieht, was ihm gefällt, kann er es nehmen. Er wird nicht daran gehindert. Wenn der Tommo etwas beim Soroko sieht, was ihm gefällt, kann er es nehmen. Er braucht nichts zu bezahlen. Wenn der Soroko Durst hat und kommt zum Tommo, sagend: "gib mir zu trinken", so reicht der ihm eine Kalebasse voll Wasser. Und der Soroko mag auch die Kalebasse mitnehmen, denn der Tommo
wird nie wieder aus ihr trinken. Aber kein Tommo schläft im Hause des Soroko, kein Soroko in dem eines Tommo. Kein Soroko ißt gemeinsam mit einem Tommo; kein Tommo ißt gemeinsam mit einem Soroko.8. Die Gründung Djennes
Djenne ist von den Bosso erbaut*. Der Bosso Sunta Mori hörte, daß seine Schwester in Kumbi (oder Kumi) gestorben sei. Da machte er sich auf den Weg, um die Frau bestatten zu helfen. Erst ging er nach Tinti. Damals gab es noch nicht viele Dörfer, und so übernachtete er während dreier weiterer Tage im Busch. Am vierten Tage kam er dann aber nach Kalenkuntu. In Kalenkuntu schlief er.
Um Mitternacht weckte ihn jemand und sagte: "Wach auf! Es ist ein Alter da, der will dich sprechen. Er wartet vor der Türe." Sunta Mori sagte: "Wer sollte mich sprechen wollen? Ich kenne hier niemand." Er ging aber doch hin. Es war kein Mensch, es war ein Jine (Geist höherer Art), der hatte sich am Fuße eines Bananenbaumes gemächlich hingesetzt und wartete auf Sunta Mori. Er sagte zu Sunta Mori: "Ich weiß, du willst deine gestorbene Schwester in Kumi begraben. (NB. Kumi existiert anscheinend nicht mehr; der Ort lag etwa 20 km vom heutigen Djenne entfernt.) Begrabe deine Schwester. Dann gehe aber noch ein wenig weiter (nach Norden?) und schlage ein Haus auf, baue ein Dorf. Dort wird es dir gut gehen."
Sunta Mori reiste daraufhin nach Kumi und bestattete daselbst seine Schwester. In der Umgebung gab es nur Sirim und Dierra und sonst keine Weiler. Der Ort Dierra (der nebenan sitzende Malinke spricht stets das "Dierra" als "Gara" aus!) war gegründet worden von dem Bosso Kandari, der mit seiner Frau Tapa Malia und seinem Sohne Gallo hierher gezogen war. Sunta Mori kam zu Kantari und sagte: "Ich möchte mich wohl da vorn anbauen." Kandari sagte: "Sunta Mori, wenn dir das gelingt, wirst du einen sehr schönen Ort gründen, der einmal sehr mächtig werden wird. Die Sache hat aber ihre Schwierigkeit, und ich glaube, daß es nicht möglich sein wird, denn das Land gehört schon einem andern Könige. Immerhin versuche es doch!"
Sunta Mori ließ nun den Busch schlagen und reinigte den Boden. Dann nahm er vier zu Luftziegeln geballte Erdklumpen und legte einen jeden nach einer Himmeisrichtung. So entstanden die vier Tore (oder Torstädte?): i. Tunamba im Osten, 2. Kobo Kaina im Westen, 3. Konife im Süden und 4. Jobboru im Norden. Man begann die Mauern zu bauen. Als man aber am zweiten Tage ansehen und fortsetzen wollte, was am ersten geschaffen war, da fand man alles eingestürzt. Und das wiederholte sich wieder und immer wieder. Stets ward in der Nacht das, was am Tage vollendet war, zerstört. Man begann immer wieder von vorn, aber man kam keinen Schritt vorwärts. Das kam aber so:
Es war da ganz dicht bei ein Sumpf mit Namen Kamm (u) nda, der gehört zum Warragewässer. Im Kamm (u) nda lebte die Jinefrau Pama. Die hatte nur eine Brust auf der rechten, aber keine auf der linken Seite. Pama war verheiratet. Eine andere Jinefrau mit Namen Uono machte sich nun einmal auf, ging auf Reisen und kam erst nach Toi; dann aber wanderte sie ins Kamm (u) nda, und in diesem Sumpfe wohnte sie mit Pama zusammen.
Pama nahm Uono sehr herzlich auf und erwies ihr jede Freundlichkeit. Als Uono nun wieder aufbrach, begleitete sie die Freundin ein gutes Stück Wegs. Als sie ein reichliches Ende von der Wohnung entfernt waren, sagte Uono: "Höre, Pama, du hast mich wohl aufgenommen, mich reichlich mit Gastfreundschaft bedacht, und so will ich dich denn, um dir meine Freundschaft zu zeigen, auf etwas aufmerksam machen. Ich habe euer Hausleben und die Umgebung eingehend beobachtet, und ich glaube fast sagen zu können, daß dein Mann ein wenig zuviel Interesse für die hübschen Bossomädchen hat. Dort oben wollen die Bosso jetzt eine große Stadt bauen; wenn ich nicht irre, stammt der Rat dazu von deinem Manne, der nachher mit den hübschen Bewohnerinnen der Stadt scherzen und dir noch untreuer werden will, als er wohl so schon ist. Also sorge dafür, daß die Stadt mit den schönen Bossomädchen nicht zustande kommt. Sonst ist es mit dem Glück in deiner Ehe ganz aus." Nach diesen Worten verabschiedete sich Uono.
Jine Pama dachte nach und fand, daß der Rat ihrer Freundin freundlich und gut gegeben sei. Sie überlegte, wie sie wohl den Weiterbau der Stadt unmöglich machen könne, und kam auf einen guten Gedanken. Pama hatte eine hübsche kleine Tochter. Zudem besaß sie einen sehr starken, gewaltigen Sklaven, den Jine Mussa. Pama rief Jine Mussa und sagte zu ihm: "Höre, Mussa, wenn du
mir alle Tage die Mauern der neuen Stadt Djenne umwerfen willst, bis die Städtebauer ihre Absicht aufgegeben haben, so will ich dir zur Belohnung meine Tochter zur Frau geben. Du wirst es nicht nötig haben, irgendeine Gabe dafür darzubringen, als allein die Mauern umwerfen und den Stadtbau unmöglich machen."Jine Mussa sagte: "Diese Sache zu erledigen, fällt mir gar nicht schwer."Von da an ging Jine Mussa jeden Morgen ganz früh hin, umfing mit seinen riesigen Armen das vollendete Mauerwerk und warf es um. Er war aber nicht unbeobachtet. Es war an der Stelle der Weiler Kande; in dem wohnte ein weiser Greis. Der sah jeden Morgen, was da vorging. Er sagte eines Tages zu Sunta Mori: "Du wirst deine Stadt nicht gründen können, wenn du nicht die Macht aufhebst, die deinem Werke widersteht. Ich sehe jeden Morgen den Jineskiaven Mussa dein Werk einreißen. Er tut es, um von Jine Pama ein Weib zu bekommen. Wenn du ihm nun ein Mädchen gibst, wird ihm die Arbeit unnütz werden und du kannst dein Werk vollenden!" Sunta Mori fragte: "Wie kann ich aber Jine Mussa das Mädchen zuführen?" Der Greis von Kande sagte: "Du kannst dein Ziel erreichen, wenn du deine eigene junge Tochter unter dem Tore Konife einmauerst." Sunta Mori ging heim. Sunta Moris Tochter war das schönste Mädchen. Erst hieß sie Kaja. Nachher sprach man von ihr als von Gongo Djurumuntu. Sie ward nämlich stehend in einer Grube im Boden eingemauert. Erst wurden die Füße eingemauert. Dann wurden die Beine bis zu den Lenden eingemauert. Dann wurde der Leib bis zum Halse eingemauert. Sie sprach nun ihr letztes Wort: "Das ist, weil ich nunmehr eine Sklavin bin und nicht mehr eine Freie." Deshalb nennt man sie Gongo Djurumuntu.
Kaja ward so die Frau Jine Mussas. Sie ward die Frau eines Unfreien. Jine Mussa sagte zu seiner Herrin: "Deine Tochter brauche ich nicht mehr. Ich habe ein schöneres Weib. Die Mauer laß dir von jemand anderem umwerfen. Ich bin das satt und habe nur höchstens Schwierigkeiten mit meiner Frau davon, die eine Bossofrau ist und darüber ärgerlich wird, wenn ich das Werk der Bosso zerstöre." Pama hatte aber niemand anders, der ihr das Werk des Einreißens hätte besorgen können.
So konnte denn Sunta Mori das Werk zu Ende führen, und so entstand Djenne.
Danach kam ein anderer Bossostamm nach Djenne; das waren die Niapu, die sich in Djenne und in Kobassa, nicht weit von Djenne, niederließen. Fernerhin kamen Fama-nta mit seiner Frau, dann
Drame mit seiner kleinen Tochter dazu. Endlich war da Jonnu, der war aber noch sehr jung. Als man Speise bereitete, aß er nur den Magen von Fischen, und so erhielt er seinen Namen Jonnu. Er war ein großer Spaßmacher. Es kamen noch mehr, aber meine Berichterstatter hatten die Namen aller dieser Leute, die Bosso waren, vergessen.Denn die Bosso haben Djenne gegründet und nicht ein anderes Volk, wenn es auch noch viele andere Völker da gibt. Da sind z. B. die Dienne kan-fing, die schwarzen Djenneleute, die auch Nono heißen, das sind Marka, und die sind nicht die Gründer Djennes.
Später kamen dann die Wakore oder Uakorre; sie kamen als Fremde, als Diulla aus einem fremden Lande, und zwar aus der Gegend von Njoro. Sie lagerten im Dorfe Pana. Einer der Diulla beugte sich zum Wasser herab, um zu trinken. Da fiel ihm aus dem Überhang eine Kaurimuschel in das Wasser. Sie glitt in den Sand. Er und seine Kameraden suchten die Muschel. Sie konnten sie aber nicht finden, und so kam es, daß sie für immer da blieben, denn sie konnten die eine Kaurimuschel nicht finden. Die Wakorre sind nicht mit den Nono-Marka gleichen Stammes identisch.*
2. Paama Koono. Paama Koono gilt als Gründer des heute noch bestehenden Diarrageheimbundes, und von ihm spricht die Legende als von einer historischen Persönlichkeit folgendermaßen:
Seit Urzeiten gibt es keinen Bosso, der so tapfer gewesen ist wie Paama Koono. Die Mutter Paama Koonos hieß Paama. Vom Vater Koonos weiß man nichts. Schon als Paama mit ihrem Kinde schwanger ging, wußte man, daß es etwas mit diesem Kinde auf sich haben mußte.
Es kamen die Alten, die sagten: "Wenn das Kind, das du gebären wirst, ein Knabe sein wird, so wollen wir mit ihm gut Freund sein, dann soll er zu uns gehören. Wenn das Kind ein Mädchen sein wird, so mag es unter den Frauen bleiben." Es kamen die Spielleute und sagten: "Wenn das Kind, das du gebären wirst, ein Knabe ist, so laß es mit uns gut Freund sein. Dann soll der Knabe zu uns gehören. Sollte das Kind aber ein Mädchen sein, so wollen wir es den Weibern lassen." Es kamen die Männer, die sagten: "Wenn es ein Knabe ist, so soll er zu uns gehören." Es kamen die Knaben
Das Kind ward geboren und erhielt den Namen Koono, und da Paama seine Mutter war, so sprach man von ihm als von Paama Koono. Es war ein Knabe. Es kamen die Alten, die wollten das Kind haben; es kamen die Kie (die Dialli), die jungen Burschen, die Knaben, die Frauen. Alle wollten das Kind haben. Sie stritten untereinander. Jeder nahm das Kind und freute sich daran; denn es war ein schönes Kind, das keinerlei Fehl und Makel aufwies, kein Geschwür und keine unreine Stelle am Körper. Die Leute nahmen das Kind und trugen es jubelnd umher, denn alle wußten, daß es ein ganz besonderes Kind sein mußte. Die Mutter sagte: "Ich weiß wohl, daß das Kind mir nicht allein, sondern der ganzen Welt gehört. Ich muß das Kind aber nähren." Da brachten es die Leute ihr zurück. Die Mutter reichte dem Kinde die Brust. —Es ist Sitte, daß einige Freunde der Wöchnerin Seife als Geschenk bringen. Paama aber erhielt ein ganz großes Boot, gefüllt mit Seife, als Geschenk. — Paama wuchs auf.
Bei den verschiedenen Stämmen hatte Paama seine eigenen Namen wie Paama Koono, Paama di Safing, Paama di Jamankann, Paama di Nankama, Paama di Dubajebbi. Er gehörte allen, und jeder gab ihm einen Namen, und er war selten lange an einem Orte. Er wandelte bald dahin, bald dorthin. Kam er in die Nähe eines Dorfes oder einer Stadt, so kamen die Leute ihm auf Stunden entgegen. Die Menge jubelte. Der eine sagte: "Paama Koono ist für mich." Andere antworteten: "Paama Koono ist für uns." Wenn er einer Ortschaft nahekam, verließ seinetwegen jeder Mann sein Weib, jedes Weib seinen Mann. Erst stritten sich Männer und Weiber um seinen Besitz.
Die sich um Paama Koono versammelten, das waren die "Diarra". Paama Koono ging mit einer eisernen Kette um den Hals einher (die Kette heißt im Bosso Djorro-Koo) und ließ sich an dieser Kette wie ein Schaf führen. Gleichzeitig tanzte er in seiner Weise zur Trommel, und alle Welt jubelte ihm zu. So wanderte er von einer Ortschaft zur andern, und alle Leute waren entzückt.
Dann aber wurden die Kallio (Familienobersten) erbost, denn bei jedem Tanzen siegte Paama Koono mit dem Diarratanze ob, mochten die andern mit ihren Tanzweisen noch so sehr sich abmühen, sie waren im Lande minder geachtet als Paama Koono. So kam es,
daß allmählich alle Männer danach trachteten, Paama Koono zu töten. Die Männer sagten rings im Lande: "Wer Paama Koono überwältigen und ertappen kann, der soll ihn töten." Aber das währte lange Zeit. Keiner konnte ihm obsiegen.Einmal ging Paama Koono mit seiner Mutter zum Markte Kokille in der Sansandinggegend. Sie wollten daselbst einkaufen. Sie waren noch weit entfernt, da kamen schon die Frauen ihnen entgegen, um ihn und seine Mutter zu begrüßen. Paama Koono ging an den Djorro-koo und tanzte. Die Männer waren sehr erregt und schlugen mit Schnüren und Koroto (die Koroto der Bosso entsprechen den "Korte" der Mande, das sind die heiligen Hölzer in der Hand der Bundesmaskierten) auf ihn. Sie vermochten ihm aber nichts anzuhaben.
Paama Koono tanzte herrlich. Er tanzte (anscheinend an diesem Tage am Kokilli zum ersten Male) so schön, daß alle Welt staunte. Denn er schwebte tanzend zwischen Himmel und Erde. Seine Füße berührten den Boden nicht.
Eines Tages kamen alle alten Leute zusammen, die 50-, die 60-, die 70-, die 80-, die 90-, die ioojährigen. Sie setzten sich alle um Paama Koono. Dann warfen sie ihr Koroto und ihre stärksten Zaubermittel gegen Paama Koono und auf ihn. Der aber stand nur auf, erhob die Hände in flatternder Bewegung (nach der Geste des Vortragenden, wie in segnender Form) empor, und da fielen alle Koroto und Zaubermittel von ihm ab. Paama Koono sagte nur: "Jeder mag das Seine nehmen." Und ging von dannen. Alle liefen zunächst auseinander, und auf dem Platze waren alsbald nur die Koroto und die Zaubermittel. Am andern Tage schlich der eine und der andere hin, um sein Koroto oder sein Zaubermittel aufzusuchen und wieder an sich zu nehmen. Aber jeder, der seinen Gegenstand holte, starb auf dem Rückwege zu seinem Hause.
Paama Koono verstand die Sprachen aller Geschöpfe, auch die der Tiere, von denen der Schobo (Nilpferd) bis zu den Vögeln. Da hörte er, daß alle weiblichen Tiere um ihn weinten, während die männlichen Tiere auf ihn ebenso erbost waren, wie die Männer unter den Menschen.
Paama Koono kam nach dem Orte Kommora (oder Komborka). Auch da kamen ihm die Weiber entgegen, und er ging zu seiner Djooro-koo und tanzte. Es waren da drei junge Männer, die waren ebenfalls sehr tüchtig und tanzten sehr schön. Aber sie konnten nicht so tanzen wie Paama Koono. Einer war von Kokilli, einer von
Kommorka, einer von Meru. Diese drei waren auch erregt über ihn und kamen in Kommora zusammen. Paama Koono war aber weit stärker als sie. Er tanzte auf dem Platze. Paama Koono tötete alle drei.Eines Tages fragte Paama ihren Sohn: "Wollen wir nicht zum Markte von Sirakorro gehen?" Er sagte: "Nein, wir wollen nicht dorthin gehen. Laß ab von dem Gedanken." Paama fragte ihren Sohn während acht Tagen täglich. Er aber schlug es ihr ab und sagte: "Ich werde nicht mehr auf Reisen gehen und werde nicht mehr tanzen."
Seitdem Paama Koono ein kleines Kind war, war ihm gesagt worden: "Achte darauf, daß nie ein Mensch deinen Furung (Nabel) zu sehen bekommt. Sobald ein Mensch deinen Nabel geschaut hat, wird es ihm leicht werden, dich zu töten, und du wirst dann sicher bald sterben. Verbirgst du aber deinen Nabel sorgfältig vor aller Menschen Augen, so kann dir kein Zaubermittel und keine Waffe etwas anhaben." In Sirranikorro war nun ein Mädchen, mit dem war Paama Koono gut Freund, und wenn er in der Stadt einkehrte, schlief er bei ihr. Dieses Mädchen wußte, daß Paama Koono seinen Leibgurt nie abnahm. Sie sprach darüber. Eines Tages kamen die Männer. Sie nahmen das Mädchen beiseite, sie gaben dem Mädchen viel Geld, damit es Paama Koono töte. Paama Koono wußte das aber sehr wohl, denn er wußte alles.
Die Mutter ließ nicht davon ab, Paama Koono zu bitten, mit ihr auf den Markt von Sirranikorro zu gehen. Paama Koono sagte: "Meine Mutter, du quälst mich und es wird nicht gut enden." Die Mutter aber sagte: "Bislang ist es noch immer gut gegangen, du hast sicher unnötige Sorge." Der Sohn sagte: "Gut, wenn du es willst, können wir die Reise unternehmen. Ich weiß aber mit Sicherheit, daß ich von der Reise nach Sirranikorro nicht wieder heimkommen werde." Sie machten sich auf den Weg und reisten ab. Ehe sie noch in jene Ortschaft kamen, stürzten ihnen die Weiber entgegen. Die einen ließen ihre Kalebassen liegen, die sie am Ufer waschen wollten, die andern sprangen von den Kochtöpfen fort, die dritten ließen ihre Wäsche liegen.
Zunächst ging Paama mit ihrem Sohne nach Kokiri Madugu, wo der Markt abgehalten wurde. Sie erledigten ihre Sachen und kehrten dann nach Sirranikorro zurück, wo Paama Koono bei seiner Freundin schlafen wollte. Alle Weiber baten Paama Koono: , ,Paama Koono, tanze doch! Paama Koono, tanze doch!" Paama Koono aber ant
wortete: "Laßt mich heute. Seht, ich befinde mich nicht wohl. Laßt mich nur heute!" Er ging von dannen; er suchte das Haus auf und wollte sich zurückziehen. Die Frauen aber kamen und baten und sangen: "Oh, Paama Koono, tanze doch! Oh, Paama Koono, tanze doch, nur heute!" Die Frauen sangen und klatschten in die Hände, um ihn anzuregen. Sie ließen nicht ab. Sie hörten damit nicht auf, bis endlich Paama Koono in Begeisterung war.Die Frauen riefen noch einmal: "Oh, Paama Koono, tanze doch, tanze doch heute!" Dann stand Paama Koono mit dem Djorro-koo auf. Und so begeistert war Paama Koono noch nie gewesen. Er schnellte empor, er kam in starke Erregung, daß er beim plötzlichen Aufschweben das Dach des Hauses durchbrach. Alle Frauen jubelten. Es entstand eine Erregung, wie nie zuvor. Die Frauen klatschten in die Hände, und die Kraft in Paama ward so groß, daß er die Zunge aus dem Munde herausschlug und sie auf das Hinterhaupt legte. Dann wieder wuchs sein Arm gewaltig heraus und wogte weitgedehnt über die ganze Menge hin. So hatte Paama Koono noch nie zu tanzen vermocht. Alle Menschen schrien und jubelten: "Oh, Paama Koono kann tanzen! Oh, Paama Koono kann tanzen!"Paama Koono wollte aufhören. Aber die Weiber sprachen und riefen und schrien: "Nur heute noch, Paama Koono! Nur heute noch! So hat Paama Koono noch niemals getanzt! So hat noch nie jemand getanzt!" Sie sangen und klatschten in die Hände. Da begann Paama Koono noch einmal mit der Djorro-koo zu tanzen.
Dann aber hörte Paama Koono auf. Er war ermüdet. Er suchte das Haus seiner Freundin auf, um bei ihr zu schlafen. Sonst kam ihm seine Freundin entgegen und lachte und bereitete ihm das Lager. Heute kam sie nicht. Sie lag auf dem Lager und hatte dem Kommenden den Rücken zugewandt. Paama Koono fragte: "Was hast du? Was ist dir?" Sie winkte ihn ärgerlich fort und sagte: "Ach, laß mich! Laß mich." Er sagte: "Was ist dir? Was fehlt dir?" Sie sagte: "Laß mich!" Er sagte: "Mein Mädchen hat sonst so freundliche Worte für mich gehabt. Ist meinem Mädchen ein Huhn entlaufen ?" Sie blieb liegen und sagte: "Laß mich! Ich mag dich nicht mehr." Er sagte: "Gut, so kann ich gehen; aber du weißt selbst, an deiner Stelle werden mich dreitausend Frauen und Mädchen mit Lachen auf das Lager nehmen." Sie sagte: "Ach, laß mich. Ich mag dich nicht mehr." Er sagte: "Was willst du? Ich will dir alle deine Wünsche erfüllen." Sie wandte sich um und sagte: "Den Wunsch, den ich habe, wirst du mir nicht erfüllen. Oft schon bist du zu mir
gekommen, aber noch nie hast du deinen Leibgurt abgenommen. Willst du heute deinen Leibgurt abnehmen?" Paama Koono sagte: "Ich soll meinen Leibgurt abnehmen? Ich wußte es. Ich will es tun und weiß, daß ich dann sterben werde. Wenn du es willst, daß ich nun sterben soll, so will ich es tun." Paama Koono legte sein Gewand ab. Er legte seinen Leibgurt ab. Er legte sich zu dem Mädchen. Er schlief mit dem Mädchen. Sein Nabel war nun nicht mehr bedeckt. Das Mädchen hatte Zaubermittel. Das Mädchen nahm die Zaubermittel heraus und legte sie ihm auf den Nabel. Da wußte Paama Koono, daß er sterben würde. Er blieb die Nacht über bei seinem Mädchen und nahm dann am andern Morgen von ihr Abschied.Paama Koono ging von ihr. Paama Koono wußte nun alles genau voraus. Er ließ die alten Frauen kommen. Er ließ die jungen Frauen kommen. Er ließ die jungen Mädchen kommen. Als alle da waren, sagte er: "Seht, ich bin Paama Koono; ich bin Paamadi Safing; ich bin Paama di Jamankann; ich bin Paama di Nankama; ich bin Paama di Dubajebbi. Als ich geboren war, jubelte alle Welt, und jedermann wollte mich besitzen. Als ich ward, was ich bin, wandten viele sich gegen mich. Jetzt werde ich deshalb sterben. Paama Koono geht von euch. Paama Koono geht nach Hause, um zu sterben. Lebt wohl!"
Paama Koono ging. Alle Frauen weinten. Paama Koono ging heim. Paama Koono kam heim. Paama Koono starb.*
9. Brahima SchinajogoBrahima Schinajogo war ein über alle Maßen schöner und tapferer Bosso, der über außerordentliche (magische) Kräfte verfügte. Wollte er ein Schobo (Nilpferd) erlegen, so sprang er mit der Ta (Lanze) ins Wasser und schwamm zu dem Rudel hin und tötete ein Schobo im Wasser durch einen Lanzenstich von unten her. Ebenso machte er es mit den Suo, den Krokodilen. Er sprang in das Wasser, überwältigte sie, band sie und schleppte sie an das Land.
Wenn die Bosso Fleisch brauchten, wandten sie sich an Ibrahim (oder Brahima, Ibrahim scheint als Namensform verbreiteter) und sagten etwa: "Schaffe uns doch ein Schobo herbei." Dann entgegnete er: "Das ist sehr einfach. Wartet nur ein wenig, ich werde ein Rudel herbeiführen. Wenn es kommt, laßt nur das erste Tier unbeschädigt vorbeischwimmen, denn das werde ich selbst sein."
Wollten die Bosso Fische fangen, so wandten sie sich an Ibrahim, und der sagte: "Nichts einfacher als dieses! Ich will eine gute Kornpagnie herbeiführen. Schließt nur das Fischwehr nicht eher, als bis der erste Fisch vorbei ist; denn das werde ich selbst sein." Dann sprang er als Fisch in das Wasser und führte ganze Scharen herbei, die den Bosso eine leichte Beute wurden. So kamen sie gar häufig zu einer großen Beute an Juo (Fischen).
Seine Kräfte bezogen sich aber nicht nur auf das Wasser, sondern auch auf das Land, und er konnte sich auch in eine Ko (Antilope) =Dage im Mali und Bammana oder irgendein anderes Landtier (Schugu in Bosso, Sugu im Bammana und Malinke) verwandeln und seinen Genossen sehr starke Rudel zuführen. Er selbst war dann aber immer das erste Tier, und die Genossen mußten diesen Leitbock unbehelligt lassen.
Ibrahim rasierte sich niemals. Er wusch niemals sich selbst und wusch auch nie seine Kleider. Man sang ihm oftmals und viele Loblieder, und wenn er damit dann recht zufrieden war, so wuchsen ihm die Haupthaare bis ein Meter lang fort. Wenn er schrie, so hörte man ihn unendlich weit; dann schlugen leuchtende Flammen weit fort aus seinem Munde. Bei alledem war er aber nicht länger als eine Eile. — Zuweilen zeigte er seine (magische) Kraft, indem er aus dem Hause durch das Dach nach irgendeiner Seite eine Kugel abschoß. Dann sagte er zu den Genossen: "Geht nur nach dieser Richtung hin, so werdet Ihr das von mir erlegte Wild finden, es wird sehr gut sein." Die Genossen gingen dann und fanden auch stets das erlegte Wild.
Eines Tages kam Issa Billa Korro, das war ein Marabut, der hatte von den wunderbaren Eigenschaften Ibrahims Schinajagos gehört, und er machte sich auf den Weg nach dessen Dorf, um seine (magischen) Kräfte selbst von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen. Issa Billa Korro entsandte einen Boten, daß er zu Ibrahim gehe und ihm sage: "Es kommt der Marabut Issa Billa Korro. Mache dich auf und gehe ihm vor dem Dorfe entgegen, um ihm so deine Hochachtung zu zeigen."
Es war Brauch, daß, wenn Ibrahim irgendwo ging, die Begleiter ihm zur Rechten und zur Linken folgten. Sie gingen niemals vor oder hinter ihm. Denn wenn Ibrahim ärgerlich war und in schlechter
Laune sein Gewand schüttelte, so entstand ein Wind, daß daran alle, die vor oder hinter ihm gingen, allsogleich starben.Ibrahim ging Issa nicht entgegen. Er blieb gelassen in seinem Hause. Issa war erstaunt, daß ihm niemand vor dem Dorfe entgegengekommen war, um ihm Ehre zu erweisen und ging erzürnt in Ibrahims Haus. Issa sagte: "Hat mein Bote dir nicht gesagt, daß ich kommen würde, und daß du mich vor dem Dorfe empfangen sollst? Weshalb erweist du mir nicht die Ehre, die mir zukommt?" Darauf öffnete Ibrahim den Mund und spie dem Marabut Issa ins Gesicht. Der Speichel verwandelte sich allsogleich in eine unendliche Zahl von kleinen Fischen, die das ganze Kleid des Marabut und den Fußboden ringsum bedeckten. Ein Speichelauswurf Ibrahirns bewirkte es, daß die ganze Hütte von den kleinen Fischen angefüllt war. Darob aber ward der Marabut (Issa?) über alle Maßen wütend. Er riß in hellem Zorne seine Mütze vom Kopfe und schleuderte sie auf den Boden. Allsogleich verwandelte sie sich in einen großen Tamu (einen Fisch, mit dickem Kopfe, bei Malinke = Manogo, bei Bammana = Porio genannt. Vergleiche die Beschreibung des Mafanges bei den Bosso in den entsprechenden Ethnographieheften). Der Tamu begann sogleich alle die unendlich vielen Fischchen zu verschlingen, und bald war auch nicht mehr ein einziges zu sehen. Ibrahim sagte: "Du bist es, der mich ärgert."
Sie sprachen miteinander. Nachher sagte Ibrahim zu einem Knaben: "Bringe meine Sira-Batta (Büchse für gestoßenen Tabak) herbei." Der Knabe brachte die Tabakbüchse. Ibrahim öffnete die Büchse, um dem Anscheine nach dem Marabut von dem Tabak anzubieten. Als er aber den Deckel abnahm, stürzten zwei mächtige Kompodiate (Löwen) heraus. Von denen setzte sich einer auf die rechte, einer auf die linke Seite des Marabut Issa. Issa Billa Korro zog aber von seinem Finger einen Ring, der stellte eine gewundene Schlange dar. Diesen Fingerring warf er auf die Erde, und sogleich entstand daraus eine mächtige Subo-ping (=Schlange). Die Suboping wand sich auf die beiden Löwen zu und verschlang sie. Darauf aber ward sie sogleich wieder zu einem kleinen Ringe, den Issa gelassen wieder an den Finger schob. —Da dachte Ibrahim eine Weile lang nach.
Nach kurzer Zeit ergriff Ibrahim Issa an der Hand und sagte: "Komm mit mir, wir wollen zusammen aus dem Hause gehen." Issa sagte: "Es ist mir ganz recht." So verließen sie gemeinsam das Haus. Sie gingen, bis sie an ein kleines Gewässer kamen, in dem waren sehr
viele kleine Neru (Skorpione, Buntani im Bammana; die Malinke unterscheiden Buntani und Donong Konji). Ibrahim und Issa gingen an dem Gewässer hin. Die Neru wuchsen derweile zu einer riesigen Größe heran. Issa ward von einem starken Durstgefühle gepackt. Er sagte zu Ibrahim: "Ich habe Durst." Ibrahim sagte: "Da ist Wasser genug, trinke hier und lösche deinen Durst." Issa sagte: "Nein, hier trinke ich nicht; denn ich traue diesem Wasser und dir nicht." Ibrahim ging darauf selbst in das Wasser, schöpfte und brachte Issa das Getränk. Issa sagte eine Weile später: "Nun werde ich dir meine Macht zeigen." Issa trat ganz dicht an den Rand des Gewässers und schrie über das Wasser hin: "Welcher kleine Skorpion oder welches kleine Ungetier auch in diesem Sumpfe lebt, jedem einzelnen befehle ich an, reichlich Speise an Reis, gekochten Fischen und Hammel wohihergerichtet herbeizubringen. Eilt euch!" Darauf kamen alle die kleinen Skorpione an, und jeder brachte reich gefüllte Kalebassen mit guten Nahrungsmitteln herbei. Nicht ein einziges der kleinen Geschöpfe blieb aus, so daß bald lange Reihen von Kalebassen dastanden. Darauf aßen Ibrahim und Issa, bis sie gesättigt waren.Sie gingen weiter und kamen an einen großen Kerre (Baobab =Sira der Mande). Unter dem nahmen sie Platz, und zwar jeder auf einer Seite. Issa, der Marabut, sagte: "Ich habe gehört, daß du, Ibrahim, ein ausgezeichneter Schütze seiest. Ist das wahr ?" Ibrahim sagte: "Gewiß, ist das wahr. Ich treffe alles, was nach meinem Willen meine Kugel treffen soll, ob Allah es will oder ob Allah es nicht will." Der Marabut sagte: "Das ist nicht wahr. Deine Kugel kann gegen den Willen Allahs nicht treffen." Issa nahm einen Streifen Papier heraus, schrieb einen Vers aus dem Koran darauf und hängte das einem Knaben um den Hals, der in der Nähe stand. Der Marabut sagte zu Issa: "Nun, zeige deine Kunst und schieße auf diesen Knaben; deine Kugel wird ihn nicht treffen, denn er steht jetzt in Allahs Schutz." Ibrahim nahm sein Gewehr. Er zielte auf den Knaben. Er schoß. Die Kugel flog auf den Knaben zu. Sie wirbelte um seinen Kopf. Sie kreiste um den Leib des Knaben, bald oben, bald unten. Da ward Ibrahim zornig, und er rief seine Kugel zurück. Er steckte sie wieder in die Tasche.
Ibrahim war sehr zornig und rief: "Noch nie hat jemand mir solche Macht bewiesen. Komm aber mit mir, daß ich dir noch etwas zeige." Ibrahim führte Issa zu dem Flusse herab. Ibrahim sagte: "Bleibe hier auf dieser Stelle stehen. Ich werde dir einen Weg zeigen, den dein Allah auch dich nicht gehen lassen kann."
Damit trat er auf das Wasser. Er schritt auf dem Wasser hin, und die Oberfläche des Wassers war wie harte Erde, auf die Ibrahims Füße traten. Ibrahim ging über den Fluß zum andern Ufer hinüber; dann kehrte er in gleicher Weise, auf dem Flußspiegel schreitend, zu dem Marabut zurück.
Issa hatte inzwischen am Flußufer unter einem Jobbobaume Platz genommen und sah dem Schauspiele zu. Ibrahim kehrte zurück. Als er wieder am Ufer angekommen war, spie er gegen den Jobbobaum, und allsogleich zerfloß der wie Butter unter den Strahlen der Sonne.
Issa, der Marabut, zerfloß aber auch. Als das geschehen war, ging Ibrahim allein in sein Dorf zurück.
Damals gab es einen ganz jungen Bosso, der hieß Bukari; der lebte in Djimbali (Gimbali). Der hörte auch den Namen Ibrahims und von dessen großen Taten. Er hielt sich für stärker als Ibrahim, trotzdem er erst 14 Jahre alt war. Aber der kleine Bukari verfügte über ganz gewaltige (magische) Kräfte. Er hatte nie am Mutterbusen gesogen, und nie hatte ihn irgendein Mensch je essen gesehen. Wenn er schlief, dann schlief er drei Tage lang ohne aufzuwachen. Seine Mutter hieß: ,Junschumu".
Bukari sagte eines Tages: "Ich will zu Ibrahim Schinajogo gehen, von dessen (magischen) Kräften die Leute so großes Aufsehen machen. Ibrahim ist sehr alt; da möchte ich doch eine solche Kraft erleben." Junschumu sagte: "Mein Bukari, ich weiß wohl, daß ich dich nicht davon abhalten kann, diesen Mann aufzusuchen. Aber befolge meine Warnung und beginne keinen Wettstreit eurer Kräfte. Es ist sicher, daß Ibrahim sehr viel vermag, und er ist als der alte Mann, dir, dem Unerfahrenen sehr überlegen. Suche ihn also, wenn es sein muß, auf, aber pflege einen freundschaftlichen Verkehr mit ihm."
Ibrahim war unter anderem auch der Herr eines kleinen Jine, der auf der Erde umherflog und für ihn allerhand erlauschte, was es an Wissenswertem zu hören gäbe. Man brauchte nur den Namen Ibrahim auszusprechen, so war auch der kleine Jine da und hörte das Gespräch mit an, um es allsogleich seinem Herrn mitzuteilen. Der kleine Jine hörte, was Junschunu mit Bukari besprochen hatte und er flog hin und berichtete Ibrahim von Bukaris Vorhaben. Er sagte: "Es wird ein kleiner Bosso mit Namen Bukari kommen; der
will dich sehen. Bukari verfügt über starke (magische) Kräfte." Ibrahim fragte: "Wie alt ist dieser Bukari ?" Jine sagte: "Er hat ein Alter von vierzehn Jahren." Ibrahim fragte: "Hat er Böses vor?" Jine sagte: "Ich glaube es nicht." Ibrahim sagte: "So lasse ihn kommen."Bukari sandte eine Botschaft voraus und ließ berichten: "Der Bossoknabe Bukari will den alten, verehrungswürdigen Ibrahim Schinajogo gern kennenlernen und bittet diesen, ihm Aufenthalt und Platz zu gewähren. Bukari bittet, ihm keinen Kuskus oder sonstige Speise und auch kein Essen zu bereiten. Er werde sehr dankbar sein, wenn Bukari in einem großen Feuer, wie er es gewohnt sei, schlafen dürfe und wenn er ihm erlaube, nach seiner Gewohnheit ein wenig flüssiges Fett zu sich zu nehmen." Ibrahim sagte: "Er kann kommen."
Bukari kam in das Dorf Ibrahims. Er sagte ihm guten Tag und sprach: "Ich wagte, du weiser Ibrahim, zu dir zu kommen und dich zu begrüßen, weil ich danach trachte, große (magische) Kräfte kennenzulernen, und weil ich höre, daß man darin bei niemand Gewaltigeres sehen kann, als bei dir. Man hat mir gesagt, daß, wenn du ein Nilpferd ergattern willst, du dich unter das Wasser begibst, um mit dem Tiere zu kämpfen. Ich mache es allerdings anders. Wenn ich Nilpferde ergattern will, lege ich mich in mein Haus und ziehe mit meinen (magischen) Kräften das Tier in den Raum, in dem ich mich befinde." Ibrahim sagte: "Was ich von dir höre, mein kleiner Bukari, interessiert mich recht. Du bist anscheinend ein freundlicher, kleiner Geselle, und so soll es mir angenehm sein, dich einige Zeit bei mir zu sehen. Wenn es dir gefällt, zeige mir, was du mit deinen (magischen) Kräften auszurichten imstande bist."
Bukari sagte: "Gestatte mir, daß ich zum Flusse gehe und einmal mich satt trinke." Bukari verließ das Haus und wanderte zum Flußufer hinab. Er beugte sich über das Wasser und sagte: "Hört ihr, Nilpferde! Ich wohne hier bei meinem verehrungswürdigen Vater Ibrahim. Heute noch sollt ihr reichlich von eurem Fleische senden, damit er gut zu essen hat. Heute, und solange ich bei ihm bin. Wenn ihr das nicht richtig ausführt, dann werde ich euch alle einzeln, einen nach dem andern, vornehmen, und ihr wißt, daß Bukari nicht mit sich scherzen läßt."
Er beugte sich wieder über das Wasser und sagte: "Hört, ihr Fische! Hört es alle und folgt pünktlich meinen Worten: Ich wohne bei dem verehrungswürdigen Vater Ibrahim. Sendet, solange ich bei
ihm bin, und solange euch an eurem Dasein ein wenig liegt, jeden Tag reichlich von eurem Fleische. Ihr werdet mich genugsam kennen, um zu wissen, daß mit mir nicht zu spaßen ist. Macht euch nicht selbst Schwierigkeiten."Bukari ging nach Hause. Alsbald war das Haus Ibrahims angefüllt mit Nilpferd- und Fischfleisch. Er selbst kochte am Abend Fett, und als es glühend war, trank er es. Als es Abend ward, machte er sich auf dem Hofe ein großes Feuer an und legte sich da hinein. Darin schlief er die Nacht durch bis zum andern Morgen.
Im Dorfe hörten die Leute von alledem, und sie sprachen unter sich: "Da ist ein kleiner Bosso, namens Bukari, bei Ibrahim angekommen, der kann noch mehr als Ibrahim. Er verfügt über mächtige (magische) Kräfte. Er ist stärker als Ibrahim!" Der kleine Jine flog sogleich zu seinem Herrn und sagte zu Ibrahim: "Die Leute erzählen sich untereinander, Bukari vermöge mehr als du."Als Ibrahim das hörte, ward er über alle Maßen zornig und rief: "Daß mir dieses armselige Kind nur bald aus den Augen kommt."
Es ging zu Bukari und sagte: "Bursche, gehe mir schnell aus dem Hause!" Bukari sagte: "Wie kommt es, daß du mit einem Male so zornig auf mich bist?"Ibrahim sagte: "Die Leute erzählen sich untereinander, daß du mehr vermögest als ich. Glaube aber nicht, daß ich als Mindergeachteter neben meinem Gaste leben will."Bukari sagte: "Was gilt das Gerede der Menschen! Ich habe dich als meinen Vater angesehen und ich habe dich als Vater verehrt. Ist es nicht so? Habe ich dich je beleidigt? Habe ich je schlechte Sachen gegen dich unternommen nommen?" Ibrahim sagte: "Du gehst! Ich will nichts mehr von dir hören und sehen. Du gehst!" Bukari sagte: "So erlaube mir wenigstens, daß ich in der Nähe deines Hauses in diesem Dorfe bleiben darf." Ibrahim sagte: "Wenn ich dich nicht in meinem Hause dulde, dann werden dir die andern Leute in diesem Dorfe den Aufenthalt auch nicht gestatten."
Da ging Bukari von dannen aus dem Dorfe und in den Busch. Und Bukari schlief in dem Busche.
In uralten Zeiten lebte einmal eine Bossofrau mit Namen Pa-Sini-Jobu. Damals gab es nur vier Dörfer und noch nicht mehr. Sie galt als die Ahnfrau eines unterhalb Djennes wohnenden Sorogio-Bossostammes, wurde uralt und verfügte über die wunderbarsten (magischen) Zauberkräfte.
Als sie in das Alter kam, in dem die Frauen sonst heiraten, wies sie, Pa-Sini-Jobu, alle Freier zurück. Sie hatte keine Lust zu heiraten. Es waren aber immer viele Freier da, die sie gern erworben hätten. Wenn sie sich irgendwo niederließ, saßen immer zahlreiche junge Leute um sie herum und sprachen mit ihr. Wenn die jungen Männer kamen, setzte Pa-Sini-Jobu ihnen ausgezeichnete Speisen vor, Reis und Hammel, soviel sie nur begehrten. Es konnte aber
Von Ibrahim stammen die Leute von Koonduguab.
Von Issa stammen die Sajogo der Gegend Bonfina (mit der Hauptstadt San) ab.
niemand ohne die Erlaubnis Pa-Sini-Jobus ihr Haus verlassen. Wenn er aufstehen wollte, ohne gefragt zu haben, klebte er an dem kleinen Sitzschemelchen fest und war nicht ohne spezielle Genehmigung der klugen Pa-Sini-Jobu von dieser Stelle zu entfernen.Eines Nachts begab sich auch ein junger Bosso zu der schönen Frau. Auf dem Wege begegnete ihm der Lieblingshammel des Königshauses, und der junge Mann, der den Hammel für einen Schakal hielt, schoß das prächtige Tier einfach tot. Dann ging er zu Pa-Sini-Jobu und verbrachte bei ihr die Nacht bis zum andern Morgen. — Dieser Hammel hatte aber eine gewisse Heiligkeit. Mit seinem Leben war in gewissem Sinne das Glück des Königshauses verbunden.
Am andern Morgen fand man den toten Hammel und brachte ihn in das Haus des Königs. Es entstand große Trauer. Die Frau des Königs weinte. Der König ließ ausrufen: "Wer hat den Hammel getötet?" Es wurde in allen Häusern gefragt: "Wer hat den Hammel getötet?" Aber niemand meldete sich, und es fand sich niemand, der ausgesagt hätte, wer den armen Hammel getötet habe.
Darauf ließ der König im ganzen Gebiete die Nachricht verbreiten: "Wem es gelingt, den Hammel wieder zum Leben zu bringen, den will ich nicht nur hoch ehren, sondern ich will ihn auch mit Gold, mit Sklaven, mit Vieh und allem so reichlich beschenken, daß ihm im Leben nichts mehr mangeln wird." Auch zu Pa-Sini-Jobu sandte der König eine Nachricht und ließ ihr sagen: "Bei dir verkehren viele Menschen. Sage allen, daß ich den, dem es gelingt, den Hammel wieder ins Leben zu rufen, überreich bedenken will." Pa-Sini-Jobu sagte: "Ich werde es allen mitteilen und selbst das Beste bieten, was ich geben kann, um einen Mann ausfindig zu machen, der diesen Hammel wieder lebendig machen kann." Dann rief Pa-Sini-Jobu alle ihre Freunde zusammen und teilte ihnen mit: "Wem es gelingt, diesen Hammel wieder lebendig zu machen, den will ich selbst heiraten. Ich beanspruche dafür, daß ich mich dem Manne als Frau zu eigen gebe, kein Geld, keinen Schmuck, keinen Besitz. Aber ich will den Hammel lebendig sehen."
Da kamen von allen Himmelsrichtungen alle möglichen Menschen herbei, alle die Tungutu waren (das heißt Inhaber starker magischer Kräfte -"Zauberer" ist etwas anderes. Das Wort Zauberer deckt den Sinn des Wortes Tungutu nicht). Da waren einige, die konnten drei Tage lang unter dem Wasser bleiben. Da waren Leute, die konnten sich drei Tage lang unter der Erde aufhalten. Da waren Leute, die konnten sich in Tiere verwandeln. Jeder einzelne versuchte seine
(magischen) Kräfte. Aber der Hammel blieb tot, er verweste allmählich und war nicht zum Leben zurückzurufen.Weit fort lebte ein Mann namens Jena (oder Djena), der hörte von dem toten Hammel und glaubte als Tungutu über genügende Kräfte zu verfügen, um das schwierige Stück ausführen zu können. Er machte sich auf den Weg und kam zu Pa-Sini-Jobu. Pa-Sini-Jobu sagte: "Jena, ich habe schon von dir gehört und weiß, daß du über ganz besondere Kräfte verfügst. Nun ist hier ein ganz eigener Fall. Dieser Hammel ist vor kurzer Zeit erschossen und er soll wieder zum Leben erweckt werden. Wenn du das vollbringst, sollst du mich als Frau haben."
Jena sah den Hammel an. In jener Nacht, nachdem er erschossen war, waren Schakale gekommen und hatten das Tier angefressen und ein Stück herausgerissen. Außerdem war der Kadaver nun schon recht alt und sehr in Verwesung übergegangen. Jena sah, daß die Sache sehr schwer war; außerdem wollte er die (magischen) Kräfte Pa-Sini-Jobus auf die Probe stellen, und so sagte er: "Es ist gar keine Schwierigkeit, diesen Hammel ins Leben zurückzurufen. Aber leider haben irgendwelche Raubtiere ein Stück der Leber herausgerissen. Wenn du mir nun diese Stücke zur Stelle schaffen kannst, dann kann ich den Hammel allsogleich wieder ins Leben zurückrufen."
Pa-Sini-Jobu sagte: "Wenn es sich um nichts anderes handelt, so ist die Angelegenheit sehr bald erledigt; denn es gibt nichts Einfacheres als das." Sie rief einen Sklaven herbei und sagte: "Geh in den benachbarten Wald. Es ist daselbst die Ruine einer sehr alten, zerstörten Stadt. Es steht daneben noch ein mächtiger Kerebu (Baobab). Neben dem Baobab ist im Boden eine tiefe Grube. In die Grube steige hinein. Du wirst darin zwei Schakale antreffen. Den beiden Schakalen sage, daß sie so schnell wie möglich zu mir kommen sollen."
Der Sklave ging in den Wald. Neben dem Baobabbaume war die tiefe Grube. Er stieg hinein und traf richtig darin zwei Schakale an. Er sagte zu ihnen: "Pa-Sini-Jobu befiehlt euch, sogleich zu ihr zu kommen." Darauf machten sich die beiden Schakale auf den Weg und liefen so schnell sie konnten in das Dorf zu Pa-Sini-Jobu.
Pa-Sini-Jobu sagte: "Hier ist vor einiger Zeit der große Hammel des Königs in einer Nacht totgeschossen worden. Ihr seid vorbeigekommen und habt ein Stück der Leber herausgerissen. Ist es nicht so ?" Die beiden Schakale sagten: "So ist es, und seitdem haben wir weder gekackt noch uns übergeben, so daß jeder noch das Stück,
das er herausgerissen hat, im Leibe haben muß. Suche also nur ein Mittel, uns zu entleeren, und du wirst die gesuchten Hammelteile finden." Pa-Sini-Jobu sagte: "So übergebt euch auf der Stelle." Die beiden Schakale würgten und brachen auch richtig die Masse heraus.Der Auswurf war aber ganz unkenntlich, und Jena war weder imstande die Leber wieder herzustellen, noch vermochte er den Hammel wieder ins Leben zurückzurufen. Jena sagte zu Pa-Sini-Jobu: "Du hast mit einer Geschicklichkeit und unter Anwendung deiner (magischen) Kräfte die verlorengegangenen Teile wieder herbeigebracht, so daß ich dich nicht genug bewundern kann und deine Überlegenheit ohne weiteres anerkenne. Aber ich bin nicht imstande, den Hammel wieder ins Leben zurückzurufen."
Damit kehrte Jena wieder in sein Land zurück.
Darauf ließ der König alle Kie (Spielleute, die Dialli der Mande) zusammenkommen, damit sie ihre Kalebassen schlügen. Die Kie nahmen rund herum Platz. In der Mitte ließ sich Pa-Sini-Jobu nieder. Infolge ihrer Eigenschaften als Tungutu hatte sie so lange Haare, daß sie weit, weit am Rücken herabfielen und sie so auf dem eigenen Haar statt auf einem Sessel oder einer Matte niedersitzen konnte. Diese Haare waren eine Folge ihrer (magischen) Kräfte.
Die Kie begannen den Takt zu schlagen. Die Kie spielten. Sie spielten und sangen, schnell und immer schneller. Pa-Sini-Jobu begann in Begeisterung zu kommen. Ihre (magischen) Kräfte erwachten. Die Kie spielten und sangen und schlugen den Takt schneller und schneller. Die (magischen) Kräfte Pa-Sini-Jobus wuchsen. Pa-Sini-Jobu schrie auf! Die Kie schlugen den Takt. Pa-Sini-Jobu erhob sich, sie schwebte empor. Sie stieg empor bis zu den Wolken. In den Wolken verwandelten sich ihre Arme in Flügel, wie sie die großen Vogel haben, und dann sank sie langsam hernieder auf den Hammel.
Während sechs Tagen ruhte Pa-Sini-Jobu über dem Hammel. Während der Zeit deckte sie den Hammel mit ausgebreiteten Flügel. Am siebenten Tage erhob sie sich. Der Hammel lebte.
Pa-Sini-Jobu verließ ihren Ort. Sie wollte mit den Leuten (ihres Landes) nichts mehr zu tun haben. Sie begab sich auf die Wanderschaft und kam in ein Land, in dem war nicht ein Mann König. In dem Lande herrschte eine Frau, die Königin Na-Manj. Als Pa-Sini-Jobu sich dem Hauptorte der Königin Na-Manjs näherte, sandte sie eine Botschaft an die Herrscherin und ließ ihr sagen: "Pa-Sini-Jobu kommt, komme du ihr vor den Toren der Stadt entgegen."
Na Manj rüstete sogleich einen stattlichen Zug aus und machte sich auf den Weg und kam der herannahenden Tungutu entgegen. Sie begrüßte sie aufs freundlichste und sagte: "Ich habe von deinen magischen starken Fähigkeiten gehört. Tue mir die Freude an und bleibe eine Zeitlang bei mir, damit ich dir zeigen kann, wie ich dich verehre."
Pa-Sini-Jobu sagte: "Du bist sehr freundlich. Ich werde eine Zeitlang bei dir bleiben."Sie zog in die Stadt Na Manjs ein. Die Königin tat ihr alles Gute an, was sie konnte. Alle Leute des Landes kamen, Pa-Sini-Jobu zu begrüßen, ihr ein Geschenk zu überbringen und sie zu ehren.
Na Manj fragte nach einigen Tagen Pa-Sini-Jobu: "Willst du so freundlich sein, mir zu sagen, was du weißt?" Pa-Sini-Jobu sagte: "Ich weiß alles, was vorgegangen ist. Frage mich also, und ich will dir gern auf alle deine Fragen antworten." Na Manj sagte: "Ich habe eine Bitte. Hier in meiner Nachbarschaft ist ein Königreich, das wird von einem Könige regiert. Seine Leute kämpfen ständig gegen meine Mannschaften, und stets, zu welcher Tageszeit oder an welchem Orte es auch sein mag, stets siegen die Krieger des Königs ob. Ich weiß nicht mehr, was und wie wir etwas anfangen können. Da ist nun meine Frage, ob du, Pa-Sini-Jobu, uns in unserer Not gegen diesen König helfen kannst und willst."Pa-Sini-Jobu sagte: "Das scheint mir so schwer nicht zu sein. Wenn du mit deinen Leuten nach jener Richtung wieder ausziehst, so werde ich euch begleiten, und ich werde dann sehen, was sich machen läßt." Pa-Sini-Jobu sagte ferner: "Sorge dafür, daß wir dann einen schwarzen Stier, einen schwarzen Hammel, einen schwarzen Ziegenbock, einen schwarzen Kater und einen schwarzen Hahn bei uns haben. Das werde ich auf jeden Fall nötig haben, wenn ich mit euch zum Kriege ausziehen und euch helfen soll. Rüste das also."
Der feindliche König wohnte auf einer Insel, die mitten in dem großen Flusse gelegen war, so daß sein Wohnsitz rings von Wasser umflutet war. Dieser große Fluß hieß Wie. In dem Flusse lebten drei Jine. Diese drei Jine waren es, die dem Könige zu seinen Siegen verhalfen.
Na Manj zog mit Pa-Sini-Jobu und ihren Truppen nach dem Wieflusse hin. Sie hatten den schwarzen Stier, den schwarzen Hammel, den schwarzen Ziegenbock, den schwarzen Kater und den schwarzen Hahn bei sich. Gegenüber der Insel mit der Stadt des Königs ließ die Königin die Lager aufschlagen. Die Sklaven gingen an das Ufer, um Wasser zu schöpfen und ins Lager zu tragen.
Als die Jine die Sklaven kommen sahen, verwandelte der eine sich in einen Menschen und setzte sich am Ufer hin. Als ein Sklave kam, sagte er: "Bei euch im Zuge ist eine Tungutu mit Namen Pa-Sini-Jobu. Ist es nicht so?" Der Sklave sagte: "Ja, eine Frau dieses Namens ist bei uns." Der Jine sagte: "So gehe zu ihr und sage ihr, sie möchte doch einmal an das Flußufer kommen, denn da sei jemand, mit dem sie sicher gern sprechen würde." Der Sklave sagte: "Ich will das ausrichten."
Der Sklave kam in das Lager zurück. Er suchte Pa-Sini-Jobu auf und sagte zu ihr: "Am Flusse ist jemand, den du sicher gern sprechen würdest. So hat er mir gesagt." Die Tungutu machte sich sogleich auf den Weg und traf daselbst den Jine. Der Jine sagte: "Du bist Pa-Sini-Jobu." Sie sagte: "Das bin ich." Der Jine sagte: "Ich ließ dir sagen, du würdest mich gern sprechen. Ich bin einer der drei Jine, die dieses Wasser hier beherrschen und dies Wasser hier auch gegen deine Freundin Na Manj verteidigen müssen. Was geht dich der Zwist zwischen Na Manj und diesem Könige an? Weshalb willst du dieser Sache wegen mit uns Streit anfangen?" Pa-Sini-Jobu sagte: "Na Manj ist meine Freundin, und ich denke doch das Recht zu haben, meiner Freundin in ihren Angelegenheiten helfen zu können. Was dagegen gehen mich die Jine des Wie an? Wenn ihr eurem Könige gehorchen und ihm helfen wollt, ei, so tut es doch! Wir werden dann ja sehen, wessen (magische) Kräfte größer sind!" Der Jine sagte: "Pa-Sini-Jobu, du bist sehr stolz, aber du bist nicht gut unterrichtet. Du bist eine Bossofrau. Was willst du in diesem Lande Krieg führen? Du kannst es mir glauben, du kannst hier nichts, gar nichts ausrichten. Wir sind die Jine dieses Landes. Du bist eine fremde Tungutu, die groß und mächtig ist an anderem Orte, hier sicher nicht. Laß es, Pa-Sini-Jobu!" Die Frau sagte: "Nein, ich werde es nicht
lassen. Ich werde sehen, was an deinen großen Worten Wahres ist." Pa-Sini-Jobu wandte sich um und kehrte nach dem Lager zurück.Der Jine stieg wieder in den Fluß und rief seine Kameraden. Alle drei Jine kamen zusammen. Der Jine, der in Menschengestalt oben am Ufer war, sagte: "Ich habe mit Pa-Sini-Jobu lange gesprochen. Ich habe ihr abgeraten, den Krieg für Na Manj gegen den König unserer Insel zu führen. Aber sie ist zu stolz. Es ist nichts zu erreichen gewesen. Was wollen wir nun machen?" Die andern beiden Jine sagten: "Was wollen wir jetzt machen?" Die Jine hatten einen Sklaven. Der Jinesklave sagte: "Wollt ihr mir erlauben, diese Sache zu erledigen?" Die drei Jine sagten: "Gut, mache du es!"
Der Jinesklave machte sich sogleich auf den Weg und begab sich in das Lager der Königin Na Manj. Er suchte Pa-Sini-Jobu auf und sagte: "Du bist die große Pa-Sini-Jobu." Die Tungutu sagte: "Ja, das bin ich." Der Jinesklave sagte: "Ich bin nur ein ganz unbedeutender Sklave der Jine. Aber in welchem Verhältnis sie und ich stehen, kannst du daran sehen: Du hast hundertdreiundachtzig Jahre (183 in Bammana =San-Jahre, kiema-fulla = 200, santa 10, niolungula= 7, Kadie =minus, also 200 weniger 17 Jahre. 183 in Bosso: jinjoro penne= 200 Jahre, njenjema 10, njini = 7, kakene=minus, also auch 200 weniger 17 Jahre) und ich bin nur sieben Jahre alt, und doch kenne ich weit mehr wie du, kenne deinen Vater, deinen Großvater und nicht weniger als zehn Generationen deiner Vorfahren. Danach bemiß die Kraft meiner Jahre." Pa-Sini-Jobu sagte: "Schwatz nicht." Der Jinesklave sagte: "Spotte nicht. Glaube mir, es wird nicht gut sein, mit den Mannschaften der Königin Na Manj zu nahe an den Fluß heranzurücken. Glaube mir, du wirst besser daran tun, deine Hände von dieser Sache zu lassen. Dieser Fluß Wie gehört den Jine, und die Jine werden sich ihre Rechte von einer Bossofrau nicht beeinträchtigen lassen." Pa-Sini-Jobu sagte: "Schwatz nicht, du kleiner Siebenjähriger, sondern mach, daß du von dannen kommst. Es wird soviel nicht mit dir auf sich haben." Der Jinesklave sagte: "Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Nunmehr ist es an dir, deinen Stolz zu erhalten." Der Jinesklave ging und kehrte in den Wiefluß zurück.
Der Jinesklave machte sich auf den Weg, suchte den König auf, der auf der Insel wohnte, und sagte zu ihm: "In einigen Tagen wird deine Feindin Na Manj mit ihren Mannschaften und auch mit einer Tungutu herankommen und dich angreifen. Bleib dann mit allen deinen Leuten nur ganz ruhig. Tut, als merktet ihr es nicht, laßt sie
schießen und stürmen. Rührt euch gar nicht. Was zu machen ist, das werde ich machen." Der König sagte: "Es ist gut, wir werden uns so verhalten, wie du es wünschest." Der Jinesklave ging zu seinen Herren und sagte: "Ich bitte euch, wenn jetzt der Kampf beginnt, zur Seite zu bleiben und nichts zu unternehmen, denn ich möchte diese Angelegenheit kurz und schnell erledigen." Die drei Jine sagten: "Es ist gut; wir werden zur Seite gehen und nur zusehen."Nach sieben Tagen rückte Na Manj mit den Kriegsscharen und Pa-Sini-Jobu an das Ufer des Wie und schlug gegenüber der Insel des Königs das Lager auf. Pa-Sini-Jobu sagte: "Nun sende mir die schwarzen Tiere an das Ufer herab!" Na Manj sagte: "Es soll sogleich geschehen!" Pa-Sini-Jobu ging zum Ufer hinab. Sie schnitt dem schwarzen Stier die Kehle durch und ließ das ausströmende Blut in den Fluß träufeln. Sie schnitt dem schwarzen Hammel die Kehle durch und ließ das ausströmende Blut in den Fluß träufeln. Sie schnitt dem schwarzen Bock die Kehle durch und ließ das ausströmende Blut in den Fluß träufeln. Sie schnitt dem schwarzen Kater die Kehle durch und ließ das ausströmende Blut in den Fluß träufeln. Sie schnitt dem schwarzen Hahn die Kehle durch und ließ das ausströmende Blut in den Fluß träufeln. Dann sagte sie zu den Leuten: "Nunmehr könnt ihr angreifen."
Die Mannschaft der Königin Na Manj ergriff ihre Waffen. Sie begann auf die Stadt des Königs zu schießen. Aus der Stadt des Königs kam keine Antwort. Die Mannschaft der Königin Na Manj schoß weiter, immer wieder, bis alles Pulver verschossen war. Aber keine Antwort kam von der Insel des Königs. Die Königin Na Manj sagte: "Jetzt wird es Zeit, über den Fluß zu gehen."
In diesem Augenblick erhob sich der kleine Jinesklave aus dem Wasser. Er schwebte über dem Wasser. Darauf begann ihm die Zunge aus dem Munde zu wachsen. Sie wuchs immer weiter vor, so daß sie über das Gesicht auf den Hinterkopf zurückschlagen konnte. Dann wuchs die Zunge immer mehr in die Länge und in die Breite, so daß sie sich ausdehnte wie eine dicke Wolke. Plötzlich schnellte der kleine Jinesklave die gewaltige Zunge nach vorn und traf mit ihr auf einen Heerhaufen am Lande. Soweit die Zunge reichte, ward alles, was auf dieser Fläche vordem lebendig umherging, zerschmettert und zermalmt. Es blieb kein Leben auf diesem Boden. Der kleine Jinesklave nahm seine Zunge wieder empor und über den Kopf. Wieder schnellte er sie nach vorn. Wieder ward ein Heerhaufen unter
ihrem wuchtigen Schlage zertrümmert und zermalmt. Wieder zog er das mächtige Gebilde empor, mehrmals traf der Schlag der Riesenzunge auf das Volk Na Manjs, dann war die Königin mit aller ihrer Mannschaft vernichtet, und von all dem Volke blieb nur noch die Bossofrau Pa-Sini-Jobu am Leben.Der kleine Jinesklave aber ergriff die Frau, zog sie an sich und nahm sie mit sich unter den Spiegel des Wie. Da unten brachte er sie in sein Haus.
In seinem Hause sagte der kleine Jinesklave zu Pa-Sini-Jobu: "Dieses war notwendig und nicht zu vermeiden. Ich habe dir damit Bitteres zugefügt, aber du hast es nicht anders gewollt. Nunmehr aber will ich dir einiges von der (magischen) Kraft und der Kunst der Jine zeigen und will dir eröffnen, wo die Größe deiner Zukunft liegt. Sieh also hierher und merke wohl auf das, was ich dir zeigen und was ich dich lehren werde."
Der kleine Jinesklave nahm darauf drei Töpfe. Er sagte zu Pa-Sini-Jobu: "Du siehst, sie sind alle drei ganz leer." Dann nahm er drei Deckel und deckte einen jeden über je einen Topf. Nach einiger Zeit hob er die Deckel auf, da waren alle drei Töpfe gefüllt. Der erste Topf war angefüllt mit Die (Blut). Der zweite Topf war angefüllt mit Jugu duo (Blättern). Der dritte Topf war angefüllt mit Tungu (Zaubermitteln, entspricht den Kirsi der Bammana). Jine fragte: "Weißt du, wozu alles dieses ist?" Pa-Sini-Jobu sagte: "Nein, ich weiß es nicht."
Der kleine Jinesklave sagte: "Ich will es dir erklären. Merke wohl auf und vergiß nichts."
Darauf berichtete der kleine Jinesklave von allen Krankheiten und allem Unglück und allem Wesen der Erde, und er setzte genau auseinander, wie dieser oder jener Sache beizukommen, wie jene Krankheit zu behandeln, wie einem Unglück zu steuern sei. Er setzte ihr auseinander, daß alles, was im Wesen der Erde bei Krankheit und Unglück Einfluß und Besserung schaffen könne, unter den Stoffen sei, die in diesen drei Töpfen enthalten wären.
Der kleine Jinesklave sagte zu Pa-Sini-Jobu: "Du hast Unrecht getan als Bossofrau. Denn die Bosso sollen fischen, ihre Landarbeit und ihre sonstigen Beschäftigungen ausüben. Sie sollen aber nicht in den Krieg ziehen. Die Bosso sind kein kriegerisches Volk und sollen sich mit kriegerischer Tätigkeit nicht abgeben. Danach richte dich in Zukunft. Nimm diese drei Töpfe mit dir und gehe in dein Land zurück! Verfahre mit dem Inhalte so, wie ich es dich gelehrt
habe, und du wirst angesehener sein, als je eine Bossofrau vor dir es gewesen ist."Darauf gab der kleine Jinesklave der Pa-Sini-Jobu die drei Töpfe. Sie nahm sie und ging mit ihnen von dannen.
11. Mogo Faga Djandjina
Die Tungutu (Magier) gab es nicht nur in alter Zeit, sondern auch heute noch taucht dann und wann ein derartiger Mann auf und ist dann hochgeehrt. Allerdings waren die Jontibatu (große Magier, die Menschen töten) und die Tungutu der Vergangenheit Leute mit ganz andern Fähigkeiten als die Tungutu, die heute noch dann und wann auftauchen und zuweilen auch wohl die andern Menschen ihre Macht fühlen lassen.
So lebte vor ungefähr einem Menschenalter der recht einflußreiche Tungutu Mogo Faga Djandjina, ein Bosso, in der Bossoortschaft Geera. Schon am Kinde konnte man eigenartigste Fähigkeiten wahrnehmen, denn das Kind sprach nie ein Wort nach Sonnenuntergang und vor Sonnenaufgang. Der erwachsene Mogo Faga Djandjina behielt diese Gewohnheit bei. Er hatte eigenartige (magische) Fähigkeiten. Er konnte Menschen in Tiere, Erde in Kolanüsse, Gras in Tabak und dergleichen eines in das andere verwandeln.
So war es denn ganz natürlich, daß, wenn er eine Reise unternahm, die Leute ihm mit Geschenken auf den Straßen entgegenkamen. Und er seinerseits erwies sich auch nützlich, indem er dann, wenn irgendwo ein Verbrechen vorgekommen war, seine (magische) Kraft in den Dienst der Gerechtigkeit stellte. Brachte man ihm in solchen Fällen ein Geschenk und machte ihn gleichzeitig mit dem Tatbestande bekannt, so wußte er stets die Angelegenheit zur allgemeinen Zufriedenheit zu erledigen. Er bestrafte den Verbrecher, indem irgendwie eine unvorhergesehene Verschlechterung der Besitzverhältnisse für ihn oder irgendeine Krankheit oder gar ein plötzlicher Tod des Bösen eintrat.
Aber er verlangte auch für sich selbst volle Ehrung seiner Person und seiner Eigenschaften. Er konnte schwere Strafen herbeiführen, wenn man ihn irgendwie kränkte, ihn unwürdig behandelte oder ihn gar beschimpfte. Das beweist folgender Vorgang, den noch viele Bosso lebendig im Gedächtnis haben.
Eines Tages unternahm er eine Reise nach dem Bammanadorfe Keke. Die Bammana Kekes brachten ihm keine Geschenke entgegen.
Im Gegenteil, sie beschimpften ihn und jagten ihn aus ihrer Ortschaft, so daß er nach dem Orte Mantang fliehen mußte. Ehe er diesen Weg aber noch zurückgelegt hatte, waren in Keke schon fünfundzwanzig Menschen eines plötzlichen Todes gestorben, so daß sich der Bevölkerung eine große Furcht bemächtigte und sogleich einige Boten abgesandt wurden, die Mogo Faga Djandjina nacheilen, ihm Geschenke überbringen und ihn um Verzeihung und Freundschaft bitten sollten.Diese Leute machten sich sogleich auf den Weg und eilten Mogo Faga Djandjina nach. Sie erreichten ihn auch glücklich, ehe der Tungutu die Stadt Mantang betreten hatte, aber inzwischen waren weitere zwanzig Leute in Keke gestorben. Die Leute überreichten Mogo Faga Djandjina Geschenke, baten ihn um Verzeihung und im Namen der Stadt auch um seine Freundschaft. Und Mogo Faga Djandjina machte Frieden.
Wenn Mogo Faga Djandjina auf Reisen war, sorgte er dafür, nicht auf die Hilfe der Menschen angewiesen zu sein. Kam er z. B. an einen Fluß und fand nicht gleich ein Boot bereit, ihn überzusetzen, so bereitete er ein Tungu, ein Zaubermittel, und rief mit dessen Hilfe ein Nilpferd herbei, das sogleich kam, ihn auf seinen Rücken nahm und an das andere Ufer trug. Des weiteren hatte Mogo Faga Djandjina nie nötig, die Wege zwischen den Dörfern zu Fuß zurückzulegen. Es bedurfte wiederum nur eines Zaubermittels, um eine Antilope herbeizurufen, die ihn schnellstens zu seinem Ziele führte und die er alsdann vor den Mauern der andern Ortschaft entließ.
Solche Tungutu kommen auch heute noch vor. Sie können sich aber nicht mehr mit den gewaltigen Magiern der Vergangenheit messen.
12. Frau Bana BaïndeIm Dorfe Korro lebte eine Frau, die war schon seit fünf Monaten schwanger, als ihr Mann starb. Das Kind war erst fünf Monate im Mutterleib, da starb sein Vater. Dann näherte sich die Zeit, in der die Frau gebären sollte. Wenige Tage vorher ging sie nochmals mit andern Frauen in den Wald, um Holz aufzusuchen. Als sie im Walde waren, stürzte eine Räuberbande aus dem Busch, packte die Frauen und schleppte sie fort. Aber die schwangere Frau kam nicht weit mit. Die Räuber mußten sie liegen lassen. Denn die Wehen
setzten ein. Die Frau schleppte sich noch bis zu einem Uo (das ist der Diallabaum der Mande). Dort fiel das Kind am Boden nieder.Das neugeborene Kind war ein Mädchen. Es regnete. Es regnete auf die Mutter und auf das Kind. Die Mutter starb. Es regnete. Es regnete auf das Kind bis zum andern Morgen. Das Kind blieb unter dem Baume liegen. Drei Jahre lag das Kind unter dem Baume, ohne daß jemand es wahrgenommen hätte. Danach aber stand das Kind auf.
Das Kind reckte sich unter dem Uobaume. Es erhob sich. Es begann zu singen: "Ich bin eine Frau, die jedermann liebt. Ich bin eine Frau, die der Teufel liebt. Ich bin eine Frau, die Gott liebt. Ich bin eine Frau, die alle Menschen lieben! Bana bainde koboni dia* Mein Name ist Bana Bainde!"
Das Mädchen stand unter dem Baum auf und suchte den Weg. Gonningkung (in Bammana = Dugu Massa korro; in Malinke - Budung-duga; das ist der Geier) zeigte dem kleinen Mädchen den Weg. Er sagte zu Bana Bainde: "Gehe dorthin den Weg, dort wirst du eine Stadt finden!" Das Mädchen ging.
Das Mädchen ging den Weg immer weiter und kam an eine Stadt. Als sie in der Stadt war, begann sie zu singen. Die Leute hörten es. Andere Leute kamen dazu. Die Leute sagten: "Ah! Das ist herrlich!" Alle Leute der Stadt kamen zusammen, um Bana Bainde singen zu hören. Alle Leute sagten: "So etwas haben wir noch nicht gehört." Alle Menschen waren entzückt. Frauen, deren Stunde noch gar nicht gekommen war, legten sich hin und gebaren.
Die Frauen versammelten sich um Bana Bainde. Sie schlugen die Kalebassen. Dann baten einige Frauen: "Das war sehr schön gesungen. Wir haben es aber noch nicht verstanden. Denn die Worte sind fremd für uns." Andere Frauen aber sagten: "Laßt das! Wenn es schön ist, gehen uns die Worte nichts an." In ihrer Begeisterung hoben die Frauen Bana Bainde auf eine Rinderhaut. Sie hoben die gespannte Rinderhaut hoch in die Luft. Das Mädchen stand auf der Haut. Dann ließen sie die Haut wieder auf die Erde fallen. Es geschah aber, daß das Mädchen frei in der Luft stehen blieb, trotzdem die Haut auf der Erde lag. Alle Leute sahen es.
Dann tanzte Bana Bainde auf der ausgespannten Ochsenhaut. Bana Bainde tanzte anders als andere Leute. Sie tanzte wunderbar schön. Alle Leute jubelten. Viele drängten sich heran, die ausgespannte Ochsenhaut hochzuhalten. Bana Bainde tanzte lange; aber dann ward Bana Bainde müde. Sie winkte der Musik ab. Bana Bainde stieg herab. Alle Leute brachten nun Bana Bainde Geschenke. Alle Frauen trugen Gaben herbei. Bana Bainde aber fragte nach den Armen und verteilte wieder unter die Armen.
Es kamen Leute aus andern Teilen der Stadt. Die baten: "Tanze auch bei uns!" Bana Bainde ging in andere Teile der Stadt und tanzte auch dort. Als sie aber am Stadttore angekommen war, begann sie mit den Armen aneinander zu schlagen. Sie hob sich in die Luft und flog wie ein Vogel von dannen. (Die Bosso nennen Menschen, die fliegen können, Apirtiga [oder Apitiga?] Man kann nach ihrer Meinung diese Kunst durch Zaubermittel gewinnen, die aus dem Kopf des Kumans, des Kronenkranichs, hergestellt werden.)
Bana Bainde flog so von einer Stadt zur andern, und bald waren alle Bossostädte voll des Rühmens. Alle Leute liebten Bana Baindes Gesang mehr als jeden andern.
In einer Stadt lebte damals ein großer Sänger, ein Bosso, der hieß Tiamani. Tiamani war ein Sänger, verfügte aber auch über starke Zaubermittel. Als Tiamani immer mehr von dem schönen Gesange der Bana Bainde hörte, ward er böse. Er sagte: "Wenn ich das Mädchen doch auch einmal hörte! Wenn das Mädchen doch auch einmal in unsere Stadt käme!" Die Leute sagten ihm: "Warte nur, das Mädchen wird schon kommen! Du wirst das Mädchen schon auch noch in dieser Stadt singen hören." Tiamani fragte immer: "Wo ist zur Zeit Bana Bainde ?" Mittlerweile stellte er ein starkes Zaubermittel her.
Eines Tages kam das Mädchen Bana Bainde an die Stadt, in der Tiamani lebte. Das Mädchen sang vor dem Tore: "Bana Bainde Koloni dia." Aber niemand achtete darauf. Die Leute gingen gleichgültig aus und ein. Niemand sah das Mädchen an oder hörte zu ihr hin. Endlich kam eine alte Frau an Bana Bainde vorüber. Das Mädchen sagte zu der Alten: "Das ist eine Sache Tiamanis. Wenn Tiamani nicht ein Zaubermittel bereitet hätte, würden die Leute mich schon längst eingeholt und in die Stadt gebracht haben!"
Die alte Frau ging in die Stadt und sagte das, was sie eben von dem Mädchen gehört hatte, der Frau Tiamanis. Die Frau Tiamanis sagte zu ihrem Manne: "Tue es nicht so! Wenn du Bana Bainde
töten willst, so mache das in anderer Weise." Tiamani aber war eifersüchtig auf den Ruf, den Bana Bainde genoß. Er war selbst ein berühmter Sänger, aber sein Ruhm ward durch den des Mädchens verdunkelt. Als seine Frau ihm das sagte, zog er das Zaubermittel, mit dem er die Begeisterung der Menge gebannt hatte, aus der Erde.Kaum aber hatte Tiamani sein Zaubermittel zurückgezogen, so jubelten alle Leute Bana Bainde entgegen. Bana Bainde tanzte. So schön hatte Bana Bainde noch nicht getanzt. Die Leute umringten sie. Sie hoben das Mädchen hoch in die Luft. Sie überschütteten Bana Bainde mit Geschenken. Nie hatte Bana Bainde so schön gesungen, so schön getanzt. Es war so schön, daß die Bosso nicht vorher, nicht nachher so Schönes sahen.
Dreimal noch tanzte Bana Bainde in dieser Nacht. Dann schrie sie plötzlich auf und fiel tot zu Boden.
Die Familien von Korro leiten von dieser Frau ihren Ursprung ab.
13. Nare *Eine Bossofrau hieß Nare. Die Frau Nare gebar erst drei Knaben. Dann gebar sie ein Mädchen. Die Mutter gab den drei Brüdern beizeiten schon alle ihre Medikamente (=Tungu; Amulett =Jugudu). Dann sandte sie sie nach drei Richtungen aus. Die Frau Nare war sehr stolz und glaubte, daß es ihr kein Mensch als Tungutu gleichtun könne. Ihre Kunst gab sie ihren drei Söhnen. Die drei Söhne waren schon erwachsen, als ihre Mutter sie auf Reisen schickte, und das Mädchen war damals noch ein ganz kleines Kind. Das Mädchen wuchs heran.
Das Mädchen sagte, als es herangewachsen war, zu seiner Mutter: "Gib mir auch von deinen Tungu." Die Mutter sagte: "Deine Brüder sollen allein die Tungu haben. Für dich ist das nichts. Ich will allein als Frau eine große Tungutu sein. Meine Tochter soll nicht so groß werden wie ich!" Das Mädchen weinte. Dann sagte das Mädchen: "Meine Brüder sind auf Reisen gegangen. Ich will auch auf Reisen gehen!" Nare sagte: "Wenn du durchaus fortlaufen willst, so lauf doch!" Das Mädchen machte sich auf und ging von dannen.
Als das Mädchen ein gut Stück weit gegangen war, rief es einen Baum an und fragte: "Wer bist du? Was tust du?" Der Baum nannte seinen Namen und sagte: "Meine Blätter sind gut für den Magen!" Das Mädchen sagte: "So gib mir nur deine Blätter her!"
Als das Mädchen ein gut Stück weit gegangen war, rief es einen Baum an und fragte: "Wer bist du? Was tust du?" Der Baum nannte seinen Namen und sagte: "Meine Blätter sind gut für den Kopf!" Das Mädchen sagte: "So gib mir nur deine Blätter her!" Darauf lagen sogleich alle Blätter vor dem Mädchen, und der Baum stand blätterlos da. Das Mädchen nahm davon und ging weiter.
So ging das Mädchen durch den Busch und über die Steppe. Jeder Baum, jedes Kraut, jeder Busch sagte ihm seinen Namen und sagte ihm, wozu die Rinde, die Wurzel, die Blätter, die Früchte, die Blüten gut seien. Und jeder Baum, jeder Strauch, jedes Kraut gab, was an ihm gut war. So hatte das Mädchen endlich Medikamente gegen alle Krankheiten, gegen Leibschmerzen, Kopfschmerzen, Beulen, Krämpfe, Handleiden, Fußleiden, gebrochene Glieder, für Kindervermehrung und alles was vorkommt und nötig sein kann.
Eines Tages ging das Mädchen durch den Busch und trat mit dem Fuß gegen ein kniehohes Bäumchen. Das Mädchen sagte: "Nun, dich kenne ich ja noch gar nicht! Wer bist du denn und wozu bist du denn gut?" Das kleine Bäumchen antwortete: "Laß einmal das Treten!" Das Mädchen trat aber noch einmal gegen das Bäumchen und sagte: "Mach', sag' schnell deinen Namen!" Das Bäumchen sagte: "Laß das Treten!" Das Mädchen wurde ärgerlich, trat fest gegen das Bäumchen und sagte: "Schnell! Deinen Namen!"
Das Bäumchen sagte nun: "Ich bin unscheinbar und klein, aber ich bin zweimal so alt wie deine Mutter! Ich weiß alles aus dem Leben weit vor deiner Mutter. Der Großvater deiner Mutter war nicht von reiner Rasse. Es war ein Bastard." Das Mädchen sagte: "Das ist mir ganz gleichgültig. Sage mir lieber, was du für Medikamente gibst." Das Bäumchen sagte: "Rufe deine Mutter und deine drei Brüder, daß sie kommen sollen!" Das Mädchen sagte: "Das tue ich nicht, denn ich liebe meine Mutter und meine drei Brüder nicht." Das Bäumchen sagte: "Dann werde ich sie herbeibringen, um dir zu zeigen, was ich kann!" Da sandte das Bäumchen vier Jine.
Die vier Jine gingen. Die vier Jine nahmen die Mutter und die drei Brüder des Mädchens und brachten sie zur Stelle. Ehe sie aber kamen, hatte sich das Bäumchen auch schon in einen alten Mann verwandelt. Der Mann war sehr alt. Als Nare den alten Mann sah, begrüßte sie ihn sehr herzlich. Als der alte Mann Frau Nare sah, begrüßte er sie sehr herzlich. Frau Nare sagte: "Wir haben uns lange
nicht gesehen." Der alte Mann sagte: "Wir haben uns lange nicht gesehen."Frau Nare setzte sich mit dem uralten Manne zur Seite. Sie sprachen miteinander. Der uralte Mann sagte: "Deine Tochter hat mich soeben geschmäht. Sie hat mich mißhandelt. Sie hat mich mit Füßen getreten. Und doch bin ich, wie du weißt, viel älter als ihr alle im Lande. Es gibt nur drei so uralte Wesen meiner Art im Lande, nur drei so uralte Männer. Wir haben seinerzeit so am Hunger gelitten, daß wir uns verwandelt haben, ich mich in einen Baum, der zweite in Kam (Schakal), der dritte in Ntummu (oder Ntumbu, das ist ein großer Raubvogel). Jetzt nun, wo deine Tochter mich so schwer gekränkt hat, wollen wir deine vier Kinder verzehren. Zwei soll Kam haben, eines Ntummu und eines ich. Ich werde Gott bitten, daß er dir ein anderes Kind gebe, an dem wirst du dann mehr haben als ich an den andern vier Kindern." Nachdem der alte Mann das gesagt hatte, sandte er seine Jine aus.
Die Jine riefen Kam und Ntummu herbei. Kam aß zwei Knaben, Ntummu aß einen Knaben, der uralte Mann aß das Mädchen.
Darauf sagte der uralte Mann zu Ntummu: "Nimm doch diese Frau Nare. Sie ist jung und schön! Bring sie zu dem Bosso, der dort unten an dem nahen Sumpf fischt!" Ntummu sagte: "Das will ich schnell gemacht haben!" Ntummu nahm Frau Nare auf den Rücken und flog mit ihr von dannen. Er flog dahin, wo der Sumpf war. Der Bosso fischte gerade. Ntummu flog zu dem Fischer herab und sagte: "Hier bringe ich eine gute Frau für dich!" Der Bosso nahm Nare in sein Boot und sagte: "Ich will mich nur gleich bedanken!" Dann fing der Bosso ein Schobo (Flußpferd), einen Kumusulian (Kapitänfisch, auch Jokung genannt; bei Male und Bammana= Sale) und ein Schungo (Krokodil; bei Bammana=Bamma; bei Kassonke und Malinke =Fatama). Der Bosso reichte die drei Tiere dem Ntummu hin und sagte: "Hier hast du mein Geschenk. Laß es dir schmecken! Wir wollen das gleich von der neuen Frau bereiten lassen."
Der Bosso ging mit Ntummu spazieren. Die Frau Nare bereitete inzwischen das Fleisch des Flußpferdes, des Kapitänfisches, des Krokodils. Als Nare die Tiere bereitet hatte, begann sie zu essen. Nach einiger Zeit war der Topf leer. Nare hatte alle drei Tiere aufgegessen. Nare weinte vor Hunger. Der Bosso und Ntummu kamen von ihrem Spaziergang zurück. Sie trafen Frau Nare weinend. Der Bosso sagte: "Was weinst du?" Nare sagte: "Ich bin eine Bosso
frau. Ich soll nun einen Bosso heiraten, der so jämmerlich wenig vom Fischfang versteht, daß er mich nicht einmal satt machen kann? Was soll ich mit den kümmerlichen drei Tierchen, die er vorhin gebracht hat? Das mag für kleine Kinder genügen, nicht aber für eine Bossofrau!" Ntummu sagte: "Satt machen muß dich natürlich dein Mann. Ich werde das Iao (dem Bäumchenmanne) sagen. Es ist unrecht, wenn ein Mann seine Frau nicht ordentlich ernährt. Wenn dein Mann das nicht tut, ist das allerdings unrecht von ihm. Iao wird das aber sicher leicht regeln."Ntummu flog dann auf und kehrte zu Iao zurück. Ntummu sagte: "Ich brachte Nare zu dem Bosso. Der Bosso fing, um mir ein Geschenk zu machen, einen Schobo, einen Kumusulian, einen Schungo. Er gab die drei Tiere der Frau Nare, daß sie sie koche und bereite. Wir gingen ein wenig am Sumpfufer auf und ab. Als wir zurückkamen, hatte die Frau Nare die drei Tiere gekocht und gegessen und weinte darüber, daß sie Hunger habe. Sie sagte, sie sei eine Bossofrau und solle einen Bosso heiraten, der sie nicht einmal ernähren könne. Ich sagte, daß ich dir das erzählen wolle. Iao sagte: "Das werde ich regeln."
Jao sandte zu dem Bosso und ließ ihm durch Ntummu sagen: "Ich habe dir eine Frau gesandt, daß du sie heiratest. Nun mußt du sie natürlich auch zufriedenstellen und mußt genügend Nahrung besorgen. Bedenke, daß du ein Bosso bist." Der Bosso hörte das und ließ darauf Iao durch Ntummu sagen: "Gewiß gibt es in diesem Wasser viele Flußpferde, Kapitänfische, Krokodile und anderes! Sicher würde ich gern deren in großer Menge fangen. Ich habe aber keine Harpune (Schung), und ohne Harpune ist es sehr schwer, eine große Jagdbeute zu erzielen." Als Ntummu das Iao sagte,, gab Jao Ntummu eine Schung und sagte: "Bring diese Schung zu dem Bosso." Ntummu brachte den Bosso die Schung. Der Bosso sagte: "Nun werde ich einen reicheren Jagderfolg haben."
Bosso begann nun mit aller Kunst eines Bosso zu jagen. Er erlegte alle Tage Flußpferde, Kapitänfische, Krokodile und andere Tiere. Nun konnte Nare den ganzen Tag kochen und essen. Nare war damit zufrieden und wurde nun so gut gesättigt, wie dies einer Frau zukommt, die einen Bosso geheiratet hat.
Der Bosso und seine Frau, Frau Nare, schliefen jeder auf seiner Seite des Hauses. Eines Tages wollte der Bosso auf die andere Seite und seine Frau beschlafen. Sogleich entstand zwischen beiden ein großes Feuer. Am andern Tage wollte der Bosso wieder auf die andere
Seite, um seine Frau zu beschlafen. Sogleich entstand zwischen beiden wieder ein großes Feuer, so daß er nicht hinüber konnte. Am dritten Tage war es das gleiche. So oft der Bosso hinübersteigen wollte, seine Frau zu beschlafen, entstand zwischen beiden ein großes Feuer. Der Bosso kam nicht dazu, seine Frau zu beschlafen.Da sandte der Bosso eines Tages eine Botschaft und ließ sagen: "Jedesmal, wenn ich hinübersteigen will, um die Frau Nare, die du mir als Frau gesandt hast, zu beschlafen, entsteht zwischen uns beiden ein großes Feuer, so daß ich nicht hinüberkommen und meine Frau nicht beschlafen kann, wie das doch mein Recht ist. Ich lebe deshalb in Furcht; denn diese Frau muß ein großer Tungutu sein." Als Iao die Botschaft gehört hatte, ließ er dem Bosso zurücksagen: "Habe wegen des Feuers keine Furcht! Wenn du die Frau Nare beschlafen willst, steige nur durch das Feuer. Das Feuer wird dir nichts anhaben. Und du wirst sehen, daß gerade so ein ganz besonders ausgezeichnetes Kind entstehen wird." Als der Bosso diese Nachricht erhielt, stieg er am gleichen Abend durch das Feuer. Das Feuer tat ihm nichts. Er legte sich zu seiner Frau und beschlief seine Frau.
Am andern Tage war Frau Nare schwanger. Sie hatte ein Kind im Leibe, und das Kind sagte: "Meine Mutter! Ich bin da! Ich bin angekommen!" Frau Nare sagte: "Es ist gut! Nun werde stark und kräftig!"Jeden Tag sprach nun das Kind zu seiner Mutter und jeden Tag antwortete ihm Frau Nare. Als das Kind sechs Monate im Mutterleib war, sagte es: "Mutter, ich bin nun stark und kräftig. Mutter, nun lege dich hin und gebier mich!" Die Mutter sagte: "Bleib noch darin, mein Kind! Warte, bis es Zeit ist und bis es mir und Gott gefällt. Denn wenn ich dich jetzt gebären würde, würden die Leute sagen, daß du das Kind einer Mischung (Bastard?) bist." Das Kind sagte: "Gut, meine Mutter! So werde ich also noch warten." Das Kind wartete dann, bis die Zeit um war und die Mutter zu ihm sagte: "Heute werde ich dich gebären! Heute wird es Gott gefallen."
Frau Nare gebar. Sie gebar das Kind. Das Kind war ein Knabe. Der Knabe hieß Ja-Jena. Als das Kind geboren wurde, schrie es. Auf das Schreien hin stürzten Bäume zerstört um, brachen Hütten zusammen, starben die Tiere im Busch, schlugen die Wasser der Ströme hoch, entstanden Gewitter. Sieben Tage lang nährte Frau Nare das Kind Ja-Jena an ihrer Brust. Dann sagte Ja-Jena: "Es ist genug. Ich habe lange genug an deiner Brust gesogen und bin jetzt stark." Das Kind Ja-Jena lief umher, als ob es sieben Jahre alt wäre.
Das Kind Ja-Jena lief zu den Alten. Es sagte: "Zeigt mir, wie man Flußpferde und Kapitänfische und Krokodile fängt!" Die Alten zeigten es. Das Kind Ja-Jena kam zu den Alten und sagte: "Lehrt mich die Tungu!" Die Alten zeigten ihm, was sie von den Tungu wußten. Dann lief Ja-Jena zu den Alten und sagte: "Bringt mir eine weiße Pferdeantilope! Bringt mir einen weißen Faden! Bringt mir einen schwarzen Faden! Daraus will ich ein Tungu für die Tiere machen!"
Eines Tages kam Guenganu (das ist der Sonsanni der Mande, das Kaninchen) zu Ja-Jena und sagte: "Ich bin Guenganu, das kleinste Tier. Ich frage dich: Kannst du alle die Tiere, die bei deiner Geburt starben, lebendig machen?" Ja-Jena sagte: "Das kann ich. Ich will es tun, wenn du mir Mutu Kaue komme Gold (soll ca. 2000 Frank Gold sein: komme =100, Juru =8o bei den Bosso) bringst." Guenganu lief hin und holte das Gold. Guenganu brachte es. Sobald Ja-Jena das Gold hatte, ging er in den Busch zu den kleinen Mangalla (kleine Antilope; dieselbe wie die Mangarni der Bammana und Malinke; man schreibt ihr auch hier magische Fähigkeiten zu) und sagte: "Hier hast du mein Gold. Bewahre es ein Jahr lang auf!" Die Mangalla sagte: "Es ist gut!" Danach begann Ja-Jena das zu tun, was er versprochen hatte. Er machte alle die Tiere wieder lebendig, die bei seiner Geburt gestorben waren. Als er das getan hatte, ging er in das Dorf zurück. Im Dorfe angelangt, starb Ja-Jena. (Diesen plötzlichen unmotivierten Tod kann der Erzähler, dessen Darstellung überhaupt dem Ende zu immer matter wird, nicht erklären. Es drängt sich aber die Vermutung auf, daß die magischer Kraft volle kleine Mangalla ihn dazu veranlaßt hat, um Besitzer des anvertrauten Goldes zu werden.)
Als Mangalla hörte, daß Ja-Jena gestorben sei, begann sie das Gold zu fressen, das Ja-Jena ihr anvertraut hatte. Sie hatte den Raub gerade vollendet, da kamen die andern Tiere und fragten Mangalla: "Hast du nicht etwas von Ja-Jena in Verwahrung?" Mangahla sprang auf und lief, ohne etwas zu sagen, von dannen. Alle Tiere liefen hinter Mangalla her. Mangalla aber sprang in ein Loch. In dem Loch machte Mangalla Tungu. Darauf schlossen die Termiten das Loch.
Inzwischen kamen die andern Tiere hinter Mangalla her zu der Stelle, an der Mangalla in die Erde gelaufen war. Sie sagten: "Hier sind Mangallas Fußspuren. Hier hören Mangallas Fußspuren auf. Mangalla muß in die Erde gekrochen sein." Dann riefen die andern
Tiere Tumbu Firi (ein Schopfvogel; der älteste Vogel im Busch)• Tuinbu Firi schwebte oben in der Luft. Sie riefen: "Komm doch herunter und hilf uns, Mangalla das gestohlene Gold abzunehmen." Der Vogel sagte: "Was gebt ihr mir denn davon ab?" Die Tiere sagten: "Wir geben dir die Hälfte!" Darauf kam Tumbu Firi herab.Tumbu Firi begann über dem Loch, in dem Mangalla saß, zu scharren. Als er ein wenig gescharrt hatte, legte er das Ohr an die Erde. Von unten sprach Mangalla zu ihm, so leise, daß es die andern nicht hören konnten. Er sagte: "Tumbu Firi! Die andern wollen dir nur die Hälfte des Goldes geben, wenn du mich tötest. Ich aber will dir alles geben, wenn du mir alles gibst!" (?) Tumbu Firl sagte: "Ich traue dir nicht! Schwöre!" Mangalla schwur: "Wenn ich nicht bezahle, werde ich nur ein geringes Alter erreichen!"
Als Mangalla geschworen hatte, rief Tumbu Firi, vom Boden aufstehend: "Ich werde das Gold von euch nicht erhalten, denn Mangalla ist schon weit, weit fort bis zur andern Seite von Duluschl (das ist ein Land) entflohen!" Darauf liefen die Tiere alle von dannen zur andern Seite von Duluschi. — Als die Tiere fort waren, rief Tumbu Firi in die Erde herab: "Nun komm heraus, Mangalla! Die Tiere sind alle fortgelaufen. Komm heraus und gib mir das versprochene Gold!" Mangalla sagte: "Ich komme!" Mangalla kani heraus und sagte zu Tumbu Firi: "Du hast mir geholfen, nun will ich es dir, wie ich geschworen habe, auch bezahlen. Du sollst mit der Bezahlung schon zufrieden sein! Komm nur in mein Haus, da wirst du alles erhalten." Beide gingen zu Mangallas Haus. Als sie in das Haus eingetreten waren, sagte Mangalla leise zu seinen Kindern: "Macht unten die Türe zu." Die Kinder taten es. Mangalla stieg nach oben heraus und schloß die Dachluke hinter sich. Dann rief er: "Tötet den Vogel, tötet den Vogel!" Danach warfen die Kinder mit Steinen nach ihm. Tumbu Firi sah sich arg bedrängt. Er rief Allah an, daß er ihm helfe. Mangalla rief: "Ich habe geschworen, daß ich dich bezahlen werde!" Er warf von oben Steine. Allah zeigte Tumbu Firi ein Loch in der Mauer. Tumbu Firi wollte herausfliegen. Tumbu Firi starb. (NB. In bezug auf den Tod Tumbu Firis ist sich der Erzähler nicht ganz sicher. Es scheint auf nachdrückliche Frage auch ihm nicht sicher, ob nicht Tumbu Firi durch die Mauerritze doch entkommen ist.)
Mangalla hat aber bis heute noch das Gold im Leibe.
III
JUKUM
Die Jukum, ein mythologisches Volk
a) Kulturbeziehung, Vorgeschichte, Geschichte, Machtbereich,
Sprachbeziehung
Jenes Landgebiet, welches südlich der Mitte des Benuelaufes zwi-Jschen Jola und Lokodja liegt, besitzt durch bestimmte geographische Sonderheiten von vornherein die Vorbedingungen, eigenartige völkerkundliche Verhältnisse zu zeitigen. Von den Kameruner Gebirgen fließen hier dem Benue drei Flüsse zu: der Katsena, der Dongo, der Taraba -alle drei nicht nur einen guten Teil des Jahres hindurch der eingeborenen Schiffahrt zugänglich, sondern vor allem den Landbau fördernd, da sie mit ihren zahlreichen Nebenadern dies höhere, ununterbrochen durch Berge flach ausgedehnte Land sowohl bewässern als entwässern, so daß sie im Wechsel der Jahreszeiten dazu beitragen, die Fruchtbarkeit des Landes beträchtlich zu fördern.
Auf dieser Fläche hat sich einst in alter Zeit ein berühmtes Reich mit einem Hauptorte in der Mitte ausgedehnt, das in mancher alten Chronik Afrikas verzeichnet ist und über dessen Bedeutung viele Sagen umlaufen, im Lande selbst, wie in der Erinnerung von Völkern, die weitab wohnen. Das Volk, das dieses Reich einst gründete, führt heute den Namen Jukum, auch Djukum oder Djikum und Juku genannt -je nach dem Dialektspiel -, das Reich selbst hieß Kororofa. Als "Kororofa" war auch die alte Reichshauptstadt bekannt, die zwischen Taraba und Donga lag. Die Ruinen sind heute noch wahrnehmbar.
Manche Sage hat sich an den altehrwürdigen Platz geknüpft. Kein Kaufmann wagt dort zu übernachten, weil die Geister der Städte dort umgehen, weil nachts Schellen und Glocken erklingen, wie aus der deutschen Stadt, die im See versank. — Es muß schon seine Richtigkeit mit dem Ruhm der alten Kororofapracht haben, denn einige sehr hübsche vorhistorische Bronzeringe usw. erhielt ich mit der Erklärung, daß man solche Arbeit aus einem Gräberfeld Altkororofas gewänne.
Es ist diese blühende Zentrale hier um so interessanter, als dieses Reich im wesentlichen inmitten einer Völkerwelt liegt, die heute jedenfalls keinerlei innere Veranlagung zu Stadt- und Reichsgründungen mehr zeigt.
Im Norden die zersplitterten Stämme Bautschis, im Westen die weite Fläche der unverträglichen, zanksüchtigen, als Menschenfresser (fälschlich allerdings) verschrienen Muntschis, im Süden und Osten teilweise Bergstämmchen vom Typus meiner Togo- und Kamerunäthioper und Schamba, über die ich heute noch nichts Rechtes sagen kann, die aber in Donga, wo ich sie kennen lernte,
nicht gerade den Eindruck eines kulturell höher entwickelten Volkes machen.Also liegt eine ergänzende und erklärende Kulturparallele im näheren Umkreis heute nicht vor. Was die Jukum über ihre Vergangenheit zu sagen haben, ist recht wenig, wie wir nachher sehen werden. Aber erfreulicherweise geben schon einige sprachliche Übereinstimmungen Veranlassung, einem eventuellen ursprünglichen Zusammenhang mit den Joruba nachzuspüren. Und in der Tat werden wir mancherlei Belege dafür finden, daß hier Erbschaft aus dem Westflügel der Jorubaphalanx, aus dem Jigbirrareiche, angenommen werden kann.
Der Benue bietet eine ganz natürliche Verbindungsstraße, die einen Verkehr mit den Jorubaländern auch trotz der dazwischenliegenden gefährlichen Muntschiländer ermöglicht. Ob die staatengründenden Jorubakolonisten schon ein älteres Fundament, etwa das alte zerfallene Mauerwerk eines Tschambareiches, vorfanden, darüber werden wir erst später urteilen, und ich darf heute schon sagen, daß hierfür manches Wesentliche, sogar recht Wesentliches spricht.
Daß wir uns aber in diesem Jukumgebiet unbedingt noch im Einflußkreise der alten Nupe-Jorubakultur befinden, dafür spricht die Verbreitung des frontalen kleinen Bogens, der vom unteren Niger über Bassa, Muntschi und auch Jukum hinweg, genau bis an die Ostgrenze der Ausdehnung dieses Volkes reicht. Dagegen deutet ein inneres tiefwurzelndes Religionssystem, "die Büffeitradition", und die formale Ableitung aller tierischen Holzmasken von der Büffelform auf eine Beziehung zu den Tschamba, die heute noch die Ausgangsformen besitzen dürften.
Gewinnen wir durch solche Überlegungen eine gewisse Perspektive über die ursprüngliche Keimkraft dieses Kororofareiches und füge ich noch hinzu, daß die Jukum durch den Besitz alter wichtiger Metailminen (Zinn, Silber und Bleiglanz) außerordentliche Anziehungs-und Machtmittel gewannen, so wird die spätere Entwicklung durch das Eingreifen zweier anderer Volks- und Kulturelemente das Aufblühen des alten Reiches noch verständlicher machen. Die beiden Kultur- und Volkselemente, die mit außerordentlichem Krafteinsatz die günstigen Vorbedingungen ausnutzten, waren einmal im Haussastamm die sog. Abaqua-Riga (abaqua =halb, riga =Kleid) oder gekürzt Aquariga, dann die Kanuri unter mehreren Bornukönigen.
Schwer ist es zu erkennen, in welcher Zeit und Periode sich die Aquariga in Kororofa ansiedelten, leicht aber, ihren eminenten Einfluß auf die Jukumkultur zu erkennen. Ich konnte nur mit aller Sicherheit feststellen, daß vor vielen (sicherlich vor fünf bis sechs) Jahrhunderten die Aquariga eintrafen, daß ihr Grundstock nur aus
wenigen, allerdings gliederreichen Familien bestand -die Angaben schwanken zwischen zehn und zwanzig - und daß sie später um so kopfreicher wurden, als vielerlei andere Splitter aus verschiedenem Haussablute dazukamen. Die Heimstätte, die der Herrscher Kororofas den ersten Haussaeinwanderern anwies, ist kein anderer Ort, als das heutige Wukari. Hier begann das emsige Volk aus dem Norden seine Tätigkeit als Händler und als Feldbauern. Einer nicht unwahrscheinlichen Angabe zufolge sollen diese Einwanderer das in der Regenzeit allzu sumpfige Wukarigebiet durch Anlage von Teichen, in denen Fische gezüchtet wurden, einerseits entwässert, anderseits besiedelungsfähig gemacht haben. Vor allem aber organisierten diese Haussa den Bleiglanzhandel, so daß noch weiter als schon vordem das Schmink- und Sanitätsmetall aus der Jukummine Arufu den Sudan eroberte.Mit diesen durch Arbeit und Emsigkeit erworbenen Machtmitteln schufen sie dann die Bedeutung Wukaris, so daß die Jukum, als sie von den Koana und Tschamba allzu emsig bedrängt wurden, sich in die Stadt jener Haussa zurückziehen konnten, die sie einst als einen kleinen Ort seinerzeit den heimatlosen Haussaflüchtlingen zur Zufluchtstätte großmütig überlassen hatten. Aber bis dahin hatten sich den ersten Aquariga viele, viele andere Familien angegliedert, so daß die Städte im Donga- und Katsenagebiet weithinein bis nach Kamerun durch Zuzügler aus dieser Quelle des Nordens neue, kräftige Elemente aufsogen.
Die nachströmenden Haussa waren nun natürlich zum großen Teil schon Anhänger des Islam. Jene ersten Einwanderer aber, die die Größe Wukaris gründeten, hatten ihre alte Religion, den Bori, mit ins Land gebracht; sie haben mit ihm einen starken Einfluß auf die einheimischen Anschauungen und Sitten ausgeübt und einen wenn auch vielleicht lokal modifizierten, so doch glänzend erhaltenen Schatz für das Religionsstudium bewahrt. Aus dem Bestande dieser prächtigen Überlieferung können wir erkennen, wie altertümlich diese Anschauungen, wie interessant die vorislamitische Religion der Haussaländer und wie alt die Einwanderung der ersten Aquariga sein muß.
Wieder eine ganz andere Bedeutung hatte die Beziehung zu dem fernen Bornukönige. Über diese etwa dem 16. Jahrhundert angehörigen, also für Afrika auch schon verhältnismäßig alten Vorgänge bestehen sowohl allerhand Sagen als auch mehr oder weniger wunderliche Aufzeichnungen, von denen ich einiges im Original retten konnte.
Manches hiervon wissen wir ja auch aus der Bornuchronik und den Aufzeichnungen unserer großen Bornuforscher. Es ist wesentlich, diese Angaben miteinander zu vergleichen, und höchst interessant, die Angaben des Kanurichronisten, der seinen Herrscher zu
einem gewaltigen Kriegshelden stempeln wollte, von Wukari aus berichtigen zu können. Nach den Aufzeichnungen der gelehrten Korofa, die zwar dem Islam auch anhingen, aber ihren heidnisch-gewaltigen Ruf mehr schätzten als die Glorie des Islam, geht vor allen Dingen hervor, daß die Bornukönige überhaupt nie Krieg gegen Kororofa führten. Die Tradition berichtet, daß nach dem siegreichen Kriege der Kanuri gegen die Haussakönige der Herrscher Bornus mit dem König Kororofas Freundschaft schloß und ihn in seiner Hauptstadt besuchte. Der Kanurikönig ließ es aber hierbei nicht bewenden. Vielmehr knüpfte er ein sehr festes Band mit jenem Lande des Südens an, und zwar um eine Verbindungsstraße zum Atlantischen Ozean zu gewinnen.Hier erlangen wir einen Einblick in die Verhältnisse des alten Sudan, und niemand wird die Größe dieser Gedanken verkennen können. Der Bornukönig soll auf dieser Reise über die Pracht des Südens erstaunt gewesen sein, und da er mehrere Male große Schwierigkeit mit den Bewohnern der Sahara und mit der Aufrechterhaltung der Ordnung auf der Fezanroute gehabt hatte, beschlossen haben, einen Weg nach dem atlantischen Westen zu bauen. Und in der Tat kann man hier und da alte, außerordentlich lang hingezogene, etwa drei Meter hohe und dreißig Meter breite Geländeerhebungen erkennen, denen man die Ähnlichkeit mit einem Straßenzüge nicht absprechen kann und die als Werk dieser Bornukönige bezeichnet werden. Diese alte Bornustraße soll vom zentralen Jukum nach Katsena-Ala und dem oberen Krosofluß geführt haben.
Wie gesagt, weiß die Jukumtradition nichts von einem Kriege mit Bornu zu berichten, wohl aber von einem Feldzug, den beide gemeinsam gegen die Völker im Osten unternahmen. Wie schon erwähnt, wohnen im Osten des Jukumgebietes die Tschamba und die anscheinend diesem Völkerkreis zuzuzählenden Koana usw. Das eigentliche Tschambaland soll seine Selbständigkeit den Jukum gegenüber nie eingebüßt haben, wogegen das Gebiet der Koana eine lange Zeit den Kororofas untertänig war.
Die Sage oder die einem Manuskripte nacherzählte Überlieferung berichtet nun, daß die Koana eines Tages aufständig geworden seien. Die Veranlassung dazu ist sogar bekannt. Diese soll ein Bergwerk im Grenzgebiet zwischen der Jukummachtsphäre und dem Tschambalande geboten haben. Die Koana wurden besiegt, aber sie "versteckten den Weg" zu den Minen. Man soll ihn nie wieder gefunden haben. Ich habe natürlich meinen Berichterstatter mehrfach gefragt, welche Art Metalle in diesen Minen gefunden worden sei, habe aber keine andere Antwort erhalten als "Tschinkall". Was das bedeutet, werde ich an anderer Stelle berichten. Soviel aber scheint mir sicher, daß der Kriegszug des Bornuchronisten gegen die
Jukum mit diesem anscheinend sehr bedeutungsvollen Minenfeldzug identisch ist.Daß Bornu eine große Rolle in der Kulturentwicklung dieser Länder spielte, geht aus vielem hervor. Noch heute findet man bei den Kamberri, Kutigi (im Nupeland), in Lafia-Berriberri (Provinz Keffi) und in Wukari zahlreiche Familien, die die typische Kanuritätowierung zeigen und sich auch sehr wohl erinnern, aus Bornu zu stammen. Vielerorts, wie in Wukari, nehmen diese Leute eine angesehene Stellung ein, wissen mit Stolz zu erzählen, daß ihr Großvater noch die Heimatsprache habe reden können und daß dies Land der Jukum einst längere und tiefere Freundschaft mit den Bornuherrschern gehalten habe als mit den Haussafürsten, mit deren manchen (wie z. B. mit denen von Bautschi) die Kororofaherrscher immer in Fehde lagen -weil Kororofa dort Sklaven fing.
Da aber aus Gründen, die ich später erklären will, allen Sudanfürsten daran liegen mußte, mit Kororofa in gutem Einvernehmen zu stehen, so buhlten sie alle um diese Freundschaft, die aber eigentlich nur Bornu genossen haben kann. Das gewaltige Übergewicht Bornus kann man z. B. an Einzelheiten sehen, wie an der Ausrüstung der Reiter. Der Sattel, die Steigbügel, das Vorderzeug, jede "Schnalle" genau wie bei den Kanuri. Nirgends der breite Haussasteigbügel oder der Satteiknauf der Haussa! Die Linie dieser Verbreitung werden wir später weiter verfolgen.
Hören wir die Jukum sonst noch über ihre Vergangenheit. Sie nannten ihr altes Reich Adje-bubanka, ihr König führte den Titel Wuasun. Die Bezeichnung Kororofa war früher nur den Haussa eigen. Das eigentliche Wukari im Jukumsinne war die alte jetzt zerstörte Hauptstadt westlich des Taraba. Das heutige Wukari hatte vordem den Namen Tschika. Als die Jukumherrscher vor jetzt noch nicht hundert Jahren von den Denji (Tschamba Dongas) verjagt wurden, ließen sie sich wie gesagt in Tschika nieder, und damit gewann unser Wukari erst seinen heutigen Namen.
Die Geschichte der Jukum beginnt mit mystischen Vorgängen und Persönlichkeiten. Die entsprechende Sage lautet folgendermaßen:
Afuma (oder Afuman) hat Wukari gemacht. Afuma war der erste. Niemand war vor Afuma da. Afuma selbst war im Himmel. Er kam vom Himmel herab. Er wollte vom Himmel zur Erde herabkommen. Und Afuma kam zur Erde herab. Er kam am Spinnefaden herab. Indem Spinne (Tsafin) vom Himmel zur Erde herabkam, zeigte sie Afuma den Weg. Dann ging sie aber wieder zum Himmel herauf, als Afuma noch auf der Erde war, und zeigte ihm so nicht den Rückweg. Afuma mußte also auf der Erde bleiben. Er suchte erst nach dem Wege, dann aber legte er sich unter einem Akui (dem Gaude der Haussa entsprechend) nieder, um da zu schlafen.
Unter diesem Baume schlief auch eine Frau. Afuma traf die Frau unter diesem Baum. Die Frau hatte keine Geschlechtsteile. Trotzdem wurde die Frau schwanger; sie wurde am Knie schwanger. Es kamen zwei fremde Männer vorüber. Der eine hatte eine Lanze, der andere hatte einen Sack. Der Mann mit der Lanze kam dahin, wo Afuma mit der Frau unter dem Baum waren. Die Frau konnte aber nicht gebären. Darauf kam der Mann mit der Lanze. Er nahm ein Messer und schnitt den Leib der Frau an beiden Seiten, dann bei den Geschlechtsteilen auf. Darauf ward ein Junge geboren. Der Junge wuchs täglich. Er wurde schnell größer. Schon gleich nach der Geburt lief er allein in den Busch und spielte dort. Der Junge hieß Adi oder Adin. Er war sogleich groß. Er schnippste (eines Tages) spielend mit dem Finger. Sogleich kam ein Haus aus der Erde. Dazu kamen Männer, Frauen, Sorghum und Wasser hervor. Dann kam auch Sando (das Kaninchen; in Haussa=Somo) hervor.
Sando kam zu Afuma. Sando sagte zu Afuma: "Dein Sohn hat eine Sache gemacht; ich weiß nicht, was es ist, aber ich muß es dir sagen." Afuma hörte es.
Adi hatte bald eine große Stadt gemacht. Sie war gefüllt mit Männern und Frauen. Adi machte jeden Tag Häuser. Jeden Tag ging er in den Busch, in dem seine Stadt war. Abends ging er dann unter den Baum zu seinem Vater Afuma.
Adi wußte nicht, daß das Kaninchen seinem Vater schon erzählt hatte, was er im Busch trieb. Afuma fragte eines Tages seinen Sohn Adi: "Warum läufst du den ganzen Tag im Busche herum und ißt nichts und kommst abends erst wieder heim?"Adi sagte: "Ich tue nichts; ich spiele nur mit Vögeln und Tieren." Der Vater sagte: "Du lügst" (das ist wörtlich; unter "du lügst" muß aber hier verstanden werden: "du verheimlichst etwas; das "Lügen" hat bei den Negern einen ganz andern Sinn wie bei uns; es liegt kein eigentlich ethischer Vorwurf in diesem Ausdruck). Der Vater sagte weiter: "Was du da im Busche gemacht hast, das bringe mir hierher; ich will es gern sehen." Adi sagte: "Es ist recht."
Adi ging am andern Tage zurück in den Busch. Er nahm die Häuser, Männer und Frauen, die ganze Stadt und die Farmen und die Bäume, um sie seinem Vater zu zeigen. Der Vater rief Adi. Adi antwortete: "Wenn ein Mann ein Kind gebiert, kann das Kind doch klüger sein als der Vater." Der Vater sagte: "Du bist ein guter Mann. Bleibe in deiner Stadt. Ich will aber wieder an meinen alten Platz im Himmel zurückgehen."
Der Vater Afuma ging wieder in den Himmel zurück. Adi nahm aber seine Mutter mit in seine neue Stadt. Adi baute ihr ein gutes Haus. Alle Leute lebten gut; sie hatten viel Essen und Trinken. Adi lebte mit seiner Mutter lange unter ihnen. So entstand die Stadt
Wukari, die von Anfang an diesen Namen trug. (Das alte Kororofa also, das heute am Taraba in Trümmern liegt.)An diese sehr wertvolle Schöpfungs- und Ursprungssage knüpft die Jukumtradition dann folgenden Stammbaum an:
i. Adi, Schöpfer und erster Wuasun =König der Stadt Wukari (oder Kororofa),
2. Tschanja,
3. Anutschi, drei Söhne Adins, regierten der Altersfolge nach,
4. Anju,
5. Uakan soll ein Enkel Adins gewesen sein. Von diesem Wuasun an konnte mein Berichterstatter nicht mehr die Verwandtschaft zusammenhängend angeben,
6. Njadon, 17. Sike-aschu,
7. Kudju-uanji, 18. Nanto-Seko,
8. Taku, 19. Ganju,
9. Adjo-ako, 20. Seke-audu-kujon,
10. Asu-kudjako, 21. Anju-kujon,
11. Nane, 22. Adin-matsuen,
12. Ketako, 23. Adsu-manu,
13. Tapu, 24. Seke-anju,
14. Danwui, 25. Ago-manu,
15. Agoabi, 26. Audu-manu, [Wuasun.
16. Aku-mabu, 27. Agu-manu, der derzeitige
Aud-manu war der erste Herrscher, dem nicht Weib und Sklave mit ins Grab gegeben wurden. Die Reihenfolge wurde von meinem alten Freunde selbst als unvollständig angegeben. Er will etwa zehn Namen vergessen haben. Natürlich ist eine auch nur annähernde Altersfeststellung auf solcher Basis so gut wie ausgeschlossen. Noch weniger vermöchte ich irgend welche Anknüpfung einer Beziehung zu einem Bornuscheich zu finden. Wir hängen mit der Altersbestimmung also zunächst völlig in der Luft. |
Immerhin lassen sich einige sehr wesentliche Momente aus diesen Angaben erkennen. Vor allem zeigt die Sage, daß die Jukum ihre Entwicklung aus einer Stadtkultur herleiten, wie solche bei allen Stämmen zwischen Zentraltogo und Nordwestkamerun, also allen Stämmen, die in irgend einer Beziehung zu dem zentralen Kulturblock der Joruba stehen, heimisch ist. Zum zweiten erkennen wir eine eigenartige Beziehung zu mythologischen Stoffen (hier Spinne, dort Kaninchen), die recht bedeutungsvoll sein dürfte, und drittens endlich muß die Gründung Kororofas weit vor der islamitischen Zeit liegen. Diese letztere Tatsache wird durch eine andere Überlieferung bestätigt, die ich auch in einem alten Manuskript festgelegt heimsenden konnte. Ihr zufolge haben die Bornuleute und die Jukum einmal eine große Probe veranstaltet, um festzustellen, wer
über die wuchtigeren und gewaltigeren magischen Kräfte verfüge. Bei diesen Vorführungen wurde dann das Jukumvolk als das im Tschamanentume überlegene erkannt.Ganz außerordentlich schwer ist es fernerhin, etwas über die einstige Ausdehnung des Jukumreiches zu sagen. Wir müssen uns mit wenigen Anhaltepunkten begnügen. Auf dem Nordufer des Benue soll eine Jukumstadt Uassei-tofa im Nasse-i-Distrikt des Bautschilandes liegen. Dort ist die Jukumsprache noch erhalten und die Jukuin heißen dort Batschi oder Badji. Nach Osten zu gilt Dampass respektive Mutumbisu als äußerster Ort heutiger Jukumverbreitung. Die Koana sollen früher, wie gesagt, einmal unterworfen gewesen sein, haben selbst aber keinerlei Beziehung zu den Jukum. Nach Westen hin herrschen Jukumfamilien oder Jukumhäuptlinge, deren Nachfolger immer von Wukari aus bestätigt werden müssen, über Muntschidörfer. Aber der Zusammenhang ist sehr gelockert, wie überhaupt die staatliche Kraft der Jukum so gut wie aufgebraucht ist.
Sehr eigenartige Auskünfte über die entferntere Sprachenverwandtschaft erteilen die eingeborenen "Linguisten". Einmal wurde mir versichert, die Kontasprache im deutschen Kamerun sei ein Jukumdialekt.
Die Behauptung, daß alle Denji-, Tschamba- und Kontschaleute Jukum sprächen, ist dadurch zu erklären, daß in Donga z. B. Jukum über Tschambastämme herrschen. Wenn behauptet wird, daß Tukari und Jukum die gleiche Sprache sei, so muß dazu bemerkt werden, daß die Tikari der Umgebung Takums tatsächlich früher auch unter dem Jukumdruck standen und heute noch teilweise beide Sprachen reden.
Wenn von Händlern behauptet wird, daß auf der ganzen Route von Wukari bis zum englischen Krossriver via Katsena-ala, Gaja, Orma, Obejukum gesprochen würde, so ist das vielleicht insofern wahr, als einzelne Familien oder einzelne Leute aus der alten Zeit des blühenden Verkehrs zwischen Wukari und Kalabar diese Kenntnis oder Ubung in das Jetzt herübergerettet haben. Die Angabe, daß die Tschamba, Bemenda, Bafum, Bali und Rikari eine andere Sprache sprechen, die mit dem Jukum keine oder sehr wenig vokabularische Beziehung habe, wird richtig sein.
b) Äußeres, Kleidung, GeistesartWie nun die eigentlichen Wukarileute, die eigentlichen Jukum aussehen, kann man, soweit ich dies Land durchreist und kennengelernt habe, nur noch in Wukari selbst sehen. Dieses alte Städtebauvolk hat sich eben nur in seiner Stadtkultur halten können. In allen andern Ortschaften sind ihre Wesenszüge durch Mischung mit frein
den Rassen so gut wie verwischt. Schon an der Kleidung kann man das deutlich sehen. In allen Jukumstädten, mit Ausnahme Wukaris, werden Toben und Hosen getragen. Am Königshofe aber und im Zeremonial der Jukumleute darf die "Riga" der Nupe und Haussa (Riga ist die mediterrane Kasula der syrtischen Kultur) nicht angelegt werden. Sie haben als Hoftracht das gleiche lange, togaartig getragene Gewand der Ifeleute, das eben nur ein aus vielen Streifen zusammengefügtes viereckiges Tuch ist. Nur wenn der König ausreitet, wirft er sich eine Tobe über und zieht Hosen an. Mit den unbedeckten, rundherum kahl geschorenen, in der Mitte aber mit aufragendem Haarschopf versehenen Köpfen, mit den beliebten Spitzbärten, den umgeworfenen Toben machen sie ganz den Eindruck der Ifeleute, deren Tracht ich für die ursprüngliche der Jorubakultur halte, soweit es sich nicht etwa um Panzer und Kriegsausrüstung handelt. Arbeiten die Leute, so begnügen sie sich wie allenthalben mit einem Schurz, der hier und da durchgezogen wird. Über die Kleidung der Frauen heutigentags ist wenig zu sagen. Nupe und Haussa haben ihren Einfluß ausgeübt, was man schon an dem Vorhandensein des von den Nupe eingeführten Frauengriffwebstuhles erkennen kann. Denn die Jukum sagen selbst, daß sie vordem den Frauenwebstuhl nicht gekannt hätten.Aber die Frauentracht der Jukum bietet uns Gelegenheit zu einer recht ergiebigen Beobachtung. Als ich die erste Frauenmaske, die Totenmaske Aku-uowa, sah, da dachte ich, ich solle meinen Augen nicht trauen, denn ihre Kleidung war die fast genaue Kopie nordafrikanischer Frauengewandung. In der Mitte eine weit abstehende Krinoline, die nicht ganz bis an die Knie reicht, darüber einen breiten Stoffgürtel, darunter eine weite (bei neueren enge) Hose, eine Frauenjacke und vor das Gesicht gehalten einen Schleier. Diese Frauenhose heißt bei den Jukum genau wie die der Männer, nämlich Boku, der Schleier Tikbe, also ähnlich wie bei Nupe (Tukqua) und nicht wie bei den Joruba, wo das entsprechende Wort Ibori heißt.
Also Hose und Schleier -erklärte mir ein alter Jukum -hätten früher alle Frauen bei verschiedenen Gelegenheiten getragen. Ich will nun sagen, was ich von den Frauenhosen im dunklen Afrika bisher überhaupt gesehen habe.
Zuerst muß ich die Tomma im weit entlegenen Liberia erwähnen. Bei diesen tragen die Frauen stets Hosen. Sie tragen sie unter ihrem Umschlagtuch. Den Mande, die mich begleiteten und diese Sache bei gelegentlichen nächtlichen Abenteuern entdeckten, kam das als etwas ganz Merkwürdiges vor. Bei diesen Tomma ist auch der Brauch weiblicher und männlicher Masken. Bei ihnen wird auch gesagt, daß die Masken ursprünglich in Frauenhänden gewesen wären. Also ungemein wesentliche Übereinstimmungspunkte mit der Kultur des
atlantischen Kreises (Toga) und der syrtischen Kultur (Kasula und Frauenhose).Dann weiß ich aber zwischen Liberia und dem atlantischen Kreis kein Volk, das solche Sitte übt. Am häufigsten ist die Verwendung dieses Kleides in Joruba. In Joruba tanzen alle Schangoweiber an Festtagen mit Hosen, die an den Waden ungeheuer weit sind. (Diese Schangogruppe ist bekanntlich von allen andern Sippen dadurch unterschieden, daß sie nicht unbedingt exogamisch zu heiraten haben.) Die Weiberhose heißt in Joruba genau wie die Männerhose, also Gwatta. Weiterhin werden (oder wurden bis vor kurzem) in Ojo alle Weiber mit Hosen begraben. Der Schleier (Iberi) oder besser Gesichtstuch wird von jungen Weibern dreimonatelang nach ihrer Verehelichung genau wie in den Straßen von Tunis und von der Aku-uowa-Maske vor das Gesicht gehalten. Das Tuch geht von der Stirn aus und wird von den Zipfeln so weit vorgehalten, daß die Person nur vor sich auf die Erde sehen, ihr aber niemand ins Gesicht blicken kann.
Hinsichtlich der Hose habe ich bei den Joruba in so vielem nahestehenden Nupe nur eine Sitte feststellen können. Am siebenten Tage der Ehe tanzen zwei Mädchen den Kondtanz. Die beiden Mädchen sind ganz verschieden gekleidet. Das als Frau geltende Mädchen hat eine breite Masse von Djigida um die Lenden und je drei oder sechs (oder ähnlich) Schnüre von Djigida- und Ebogiperlen gekreuzt über Brust und Rücken. Mehr hat sie nicht an. Das als "Mann" geltende Mädchen hat aber Hosen an, einen Turban und ein Schwert übergehängt. — Wesentlicher ist es vielleicht, daß nach der Verehelichung die jüngeren Frauen auch monatelang mit dem Tikbe, dem Gesichtstuch, herumgehen, also genau wie die Akuuowa-Maske, wie die Flitterwöchnerinnen der Joruba und wie die Frauen in Tunis nach vorislamitischer Sitte.
Und auch in Rom bezeichnete man den Zustand des Heiratens mit Nubere alicui.
Das ist eine sehr wesentliche Reliktenkette.
Um die Schilderung der Jukum weiterzuführen, sei darauf hingewiesen, daß die Jukum heutigentags mit zu den schwärzesten Völkern Afrikas gehören. Folgender Typus schien mir unter den Häuptern der regierenden Familien am häufigsten: Breite Backen mit vorstehenden Knochen, schmairückige und leicht gebogene Nase, Augen ein wenig schräg stehend, körperlich ungemein zur Feistigkeit neigend.
Daß diese letztere Eigenschaft nicht nur als Rassenmerkmal, sondern auch als Beleg generationenlanger Faulenzerei anzusehen ist, ist wohl unschwer zu erkennen. Zu der schlanken, feingliedrigen Sudanrasse gehören die schweren Jukum keinesfalls. Außerdem
führen sie ein wahrhaft paradiesisches Schlaraffenleben, sobald die vorsorglichen Väter arbeitsfähige Kinder haben. Das Land ist reich. Und irgendwelchen Arbeitstrieb, wie etwa bei den Muntschi, habe ich bei keinem Jukum gesehen.Daß diese Jukum vordem einmal Tatkraft und Intelligenz in glücklicher Weise vereinigt hatten, geht aus ihrer Geschichte hervor; heute gehören sie auf jeden Fall zu den passivsten Bewohnern des Benuelandes. Ihre geistige Veranlagung hat natürlich bei dem Mangel irgendeiner großzügigen Übung und Betätigung auch nicht gerade gewonnen. Das ganze einseitige Interesse des Volkes hat sich auf religiöses Gebiet zurückgezogen. Für den Forscher ist das natürlich sehr erfreulich, denn auf diese Weise ist manches aus alten Zeiten gerettet, was anderweitig längst moderneren Anschauungen gewichen ist.
Aber leider hat auch auf diesem Gebiet die allgemeine Passivität einen Einfluß ausgeübt. Einerseits mußte eine Vermischung mit der Borireligion der eingewanderten Abaqua-Riga eintreten. Das hat selbstverständlich mancherlei Verwirrung in den Anschauungen hervorgerufen. Aber davon abgesehen, ist gar nicht zu verkennen, daß andererseits auch vieles verflacht ist, vor allem im Aki-kattasystem, dann aber auch in der Weltanschauung. Und wo einmal die Masken so emsig und vielartig tanzen, wo der Formenreichtum so wuchert wie bei den Jukum, da muß unbedingt eine Verringerung des Gehaltes, des bewußten Inhaltes damit Hand in Hand gehen, und das ist bei den Jukum in weitgehendem Maße geschehen.
Im übrigen ist es aber ein gutmütiges und gutartiges Volk.
c) Der profane LebenslaufKurz wollen wir nun über den bürgerlichen Lebenslauf der Jukum hinblicken, um dann eingehender den religiösen Anschauungen und Sitten unser Augenmerk zu widmen.
Der Jukum rechnet, daß die Entwicklung des jungen Lebewesens vom Beischlaf bis zur Geburt gewöhnlich einen Zeitraum von neun Monaten in Anspruch nehme. Es soll aber vorkommen, daß das Kind zwölf Monate im Mutterleib bleibe und daß es aber dann nach seiner Geburt die Mutterbrust verweigere. Dem Herkommen gemäß soll die Geburt im Haus vor sich gehen. Über einen Stein ist ein Tuch gedeckt, die Kreißende sitzt auf dem Stein. Eine alte Frau steht hinter ihr und preßt der Zurückgelehnten den Leib, eine zweite sitzt vor ihr, bereit, das Kind zu empfangen. Wenn dieses vor sich gegangen ist, nimmt die vordere Hebamme den Nabeischnitt mit einem gespaltenen Guineakornstengel vor. Die Nabelschnur heißt in Jukum Adschukun (in Haussa sivi; in Nupe =koro; in Joruba =
Idodo); man nimmt an, daß sie am Kindesleibe etwa vier Tage bleibe, und zwar soll das Abfalisdatum bei Knaben und Mädchen gleich sein. Wenn die Mutter aber in der Schwangerschaftszeit Büffelfleisch genoß (vgl. S. 234), so währt es mindestens fünf, sonst häufig nur zwei bis drei Tage, bis sie abfällt. Auf diese hochwichtige Anschauung werde ich zurückkommen.Die Adschukun wird dann in eine Kalebasse gefüllt und aufbewahrt; wenn das Kind ein wenig älter ist, mit Faden umwickelt und von einem Lederarbeiter in Leder genäht. So zubereitet trägt das Kind sie als Amulett um den Nacken. — Dagegen wird die Nachgeburt (Adjon; in Haussa =Meipa; in Joruba =Ob; in Nupe =Elo) in einem zugedeckten Tontopf vergraben.
Drei Tage nach der Geburt gibt der Vater dem Kinde einen Namen. Heute wählt man Namen, die besonders schön erscheinen. Früher war es etwas anders, aber aus den unklaren Angaben meiner alten Leute konnte ich nur diese Tatsache, nichts Positives entnehmen. Am Tage der Geburt wird auch die Tätowierung des Vorderkopfes angebracht. Diese Längslinie heißt Akedjie, die Tätowierung auf der Schläfe dagegen Ajin (mehrere Linien aus senkrechten Strichen). In die Wunde werden Abjianblätter gerieben; dadurch nehmen die Narben eine blaue Farbe an. Die Zahnlücke in den oberen Schneidezähnen, die hier den Namen Annje psan psan hat, wird dagegen erst im dritten Lebensjahr angebracht.
Das Kind erhält während der ersten drei Lebenstage nicht die Mutterbrust, wird dann aber ein Jahr lang ausschließlich aus dieser natürlichen Quelle genährt. Dann folgt Abwechslung mit Mehlbreien und -suppen, und nach drei Jahren hört die Mutter mit Nähren auf, weil die Organe versagen. Für das Aufwachsen des Kindes rechnet die Jukummutter acht Monate bis zum Aufsitzen, neun Monate bis zum Herumkriechen, zehn Monate bis zum Aufstehen und elf Monate bis zum Gehen. Die Frauen haben mir diese Reihenfolge so ordentlich hergebetet, daß die Regelmäßigkeit und die Abstandsgleiche unwahrscheinlich ist. Im Alter von dreizehn Monaten laut der Kindermund seine ersten Worte, und diese sind angeblich der Reihenfolge nach: Eijo =Mutter, aki =Breispeise, endlich afun-wua, das ist das mit Mehl gemischte Wasser, das ihnen als Getränk gilt.
Wenn das kleine Mädchen zu spielen beginnt, so greift es gewöhnlich zuerst zu den Akuokwn, das sind die kugeligen Mehlklopfsteine. Erst mit fünf Jahren nimmt es in kindlicher Weise an dem Arbeitsleben der Mutter teil und dann ist es die Mahiwalze = Anguikuin, mit der es auf der Steinunterlage Akuin kleine Mengen Korn erst grob, später feiner zermalmt. Die Mutter gibt ihm zu diesem Zwecke einiges Sorghum, das es verarbeitet. Eine Führerin der kleinen Mädchen gibt es bei den Jukum nicht. Wohl aber wer-
den die älteren Mädchen von einer hier Atschuwo-bauwa (in Haussa magadjia; in Nupe =nakusso; in Joruba =jewue) genannten Aufseherin, von der es je eine in jedem Stadtquartier gibt, in Spiel und Ernst geleitet. Sie hat eine gewisse Verantwortung und die Mädchen sind ihr zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet.Hier sei gleich bemerkt, daß bei den Jukum auch eine Frauengestalt erhalten ist, die der Saraunjia der Haussa, der Jalode der Joruba, der Sonja der Nupe entspricht und hier Auwa-naku heißt. Sie ist Oberherrin aller Atschuwo-bauwa und außerdem Leiterin aller Männer und Frauen. Also sind es zwei Stufen, die eine vertreten durch die verschiedenen Atschuwo-bauwas, denen Mädchen und auch Burschen unterstehen, dann die der einen Auwa-naku, die alle Atschuwo-bauwas als ihre Beamtinnen unter sich hat, die aber auch über alle Männer und Frauen regiert.
Dagegen fehlt hier ein Serki Samari (Führer der Burschen). Der erste Eindruck bei solcher Einrichtung ist der, daß hier Reste hochentwickelten, in diesem einen Punkte noch nicht beeinflußten Matriachats vorliegen. Im übrigen herrscht unter der heranwachsenden Jugend ein ungemein harmonischer Ton, ein liebenswürdiges Ineinanderaufgehen, Getanze und Kosen, das um so harmloser und in gewissem Sinne auch paradiesisch unschuldiger erscheint, als niemand etwas dabei findet, wenn die Jugend sich allen Vergnügen der Liebe eifrig und naturgemäß hingibt. Und ich erinnere mich nicht, irgendwo in Afrika die Mädchen so lustig ungezwungen und unbehindert kindlich kokett um sich gucken gesehen zu haben wie bei den Jukum in Wukari.
Diese verliebten Torheiten hindern niemand und niemand nimmt sie ernst. Wenn der Bursche nun aber sein Mädel heiraten will, dann wird die Sache schwierig. Dann muß er drei Jahre lang auf der Farm des Schwiegervaters arbeiten und hat jedes Jahr zwei schwere Bündel Sorghum abzuliefern. Dem Mädchen selbst muß er sechzig Haken Messinggeld (Akan, heute aus europäischem Metall gehämmert) liefern, "damit sie sich das Haar schön ordnen lassen kann". Ferner muß er ihr ein Kopftuch (Arufuta; in Nupe Rufuta; in Haussa Arufuta; in Joruba = Gelle genannt) schenken. Dann bekommt der Schwiegervater noch eines der großen Muntschiwebstücke, das als Toga oder Mantelgewand benützt und Abufien genannt wird. Bis auf die selbstgeleistete Arbeit und die Erwerbung des Kopftuches braucht der Bursche aber nichts selbst zu zahlen. Sein Vater kommt dafür auf.
Die Verehelichung findet stets in der Erntezeit statt. Irgendeine Form des Brautraubes habe ich nicht aufzuspüren vermocht. Das Mädchen wird vielmehr von den Freunden des Burschen feierlich eingeholt. Sie wird mit verhülltem Antlitz auf ein Pferd gesetzt
und so in prunkendem Aufzug dem jungen Ehemann zugeführt. Dagegen findet in der Hochzeitsnacht dann eine kräftige Rauferei zwischen den Jungverheirateten statt. Und der Bursche muß unbedingt die Braut bezwingen, so daß der erste Beischlaf auch hier die Form einer Vergewaltigung annimmt. Und es gilt als höchste Schande, wenn der Mann in diesem Kampfe etwa nicht obsiegen sollte.Dieser Kampf fand und findet heute noch auf einer Matte statt. In älterer Zeit mußten auf ihr die Belege der Unschuld der Braut zu finden sein. Am andern Morgen ging dann der Jüngling mit der Matte zu seiner Schwiegermutter, legte das Zeichen vor, warf sich vor der alten Dame auf den Boden, streute Erde auf seinen Rücken und murmelte: "Ngode, ngode, ngode!" das heißt ich danke (in Haussa =nagode; in Joruba =moduque -aduque heißt wir danken; in Nupe =midjiebo). Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, in der es als Schande für die Brautfamilie galt, wenn diese Zeremonie nicht stattfand. Diese Zeit muß aber sehr weit zurückliegen, denn heute vermeidet man es unbedingt, solcherlei Sachen zu provozieren. Jedermann weiß, daß nichts mehr zu suchen ist, wo schon lange vorher alles vertan wurde. — Es mischen sich eben auch hierin zweierlei Sitten und Anschauungsweisen.
Das junge Ehepaar siedelt sogleich in das Gehöft des jungen Mannes über. Die Aussteuer der jungen Frau ist nicht sehr umfangreich; sie besteht vor allem in Kleidern, unter denen das Patari (Benteform; in Haussa=Patari; in Nupe =tobigi; in Joruba =Tobi) nicht fehlen darf, in einer Eßkalebasse (kussa) und einem Mahlstein (Anguikuin) in Walzenform. Das alles wird in einem der hübschen Ahuschuekörbe gebracht.
In der Stadt Wukari gibt es heute und in dem alten Kororofawukari gab es einst noch viel Handwerker. Im wesentlichen kann man wohl sprechen von
Apa-rinjungu =Schwarzschmiede (apa =Mann, Mensch), Apa-ruhabu =Schnitzer, Apa-ritsobu =Weber (am Mannestrittwebstuhl), Apa-rimi-pe-taba =Pfeifentöpfer, Apa-rinani =Bauer, Bari-uescho-abumbu =Gelbschmied; für Weiber aber
Apa-rimipe =Töpferin, Auwa-ritsobu =Weberin (am Frauengriffwebstuhl), Bauwa-ruheti =Händlerin, Bauwa-rupifiun =Spinnerin. Bauwa-rinebu =Köchin, kann man insofern zu den Berufsvertreterinnen zählen, als vielfach vereinsamt dastehende Frauen durch
Herstellung von Speisen in größeren Massen ihren Lebensunterhalt verdienen.Im allgemeinen liegt das Handwerk heutzutage in Wukari arg darnieder, wenigstens soweit es sich um Arbeiten der Jukum handelt. Von Jahr zu Jahr geht es zurück, und woher die hübschen Topfarbeiten stammen, die Glamming als Jukumwerke nach Berlin gebracht hat, kann ich überhaupt nicht sagen.
Die Staatsform hat, wie schon oben gesagt, infolge der wohl nach Jahrhunderten zählenden Interesselosigkeit recht kümmerliche Formen angenommen. Man sitzt am Hofe des Wassun oder Aku herum, plappert, ergeht sich in feierlichen Begrüßungen und regiert ein paar umliegende Land- und Ortschaften. Die Beamten des Königs wandeln wie er, unbedeckten Hauptes in eine Toga gehüllt und den wohlgepflegten fettreichen Körper zeigend, umher. Aber irgendwelche wirkliche Betätigung konnte ich nicht wahrnehmen.
Von alters her hat der Herrscher vier erste Beamte, nämlich:
i. Der Abung, der der erste nach dem König und zumal in Gerichtssachen dessen Berater ist. Der einzige, der mit dem König direkt spricht.
2. Der Akinda, der seinerseits dem Abung unterstellt und dem alle Unteren wieder untergeben sind, der also selbst nicht direkt mit dem König ohne Vermittlung des Abung reden darf.
3. Der Aboentiti, der dem Akinda so unterstellt ist wie der Akinda dem Abung.
4. Der Akindatiti, der dem Aboentiti so unterstellt ist wie der Aboentiti dem Akinda.
Diese vier entsprechen den berühmten vier Erzämtern aller andern Staaten des zentralen Sudan nicht nur in der Zahl, sondern auch darin, daß sie nicht unbedingt erblich sind. Der Sohn eines solchen Erzfürsten muß schon sehr wohlhabend sein, wenn er beim Tode seines Vaters den Wunsch, ihm nachfolgen zu dürfen, berechtigt hegen darf. Es muß das ein älterer, wohlhabender und reifer Mann sein, den der König in solche Stellung bringt.
Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe anderer Beamter, aber keiner kommt seiner Bedeutung nach den vier Erzfürsten auch nur annähernd gleich.
Wenn der König stirbt, folgt ihm sein ältester Sohn in Amt und Würden. Dem Toten wurden Frau und Sklave bis vor wenigen Jahren mit ins Grab gegeben. Die alten Jukumkönige müssen eine große Macht gehabt haben, denn wenn früher ein Jukum starb, so erbte nach der Jukumtradition der König alles Hinterlassene. Auch war früher der König Besitzer alles Grund und Bodens, wie der Theorie nach auch der Alafin der Joruba.
Mancherlei, was wir bei Völkern des Jukumschlages gewohnt sind,
in religiösem Dienst eine Rolle spielen zu sehen, war und ist bei ihnen ganz profan. Das Schwirr-Rohr hat bei ihnen ganz genau die Form wie bei den Mossi und ist auch wie bei diesen nur ein Spielgerät, keine Angelegenheit der Kultur. Sein Name ist Baruru oder Gbaruru.Das Baruru spielt auch keine Rolle bei der Beschneidung, der die Knaben im siebenten Lebensjahre ohne besonders religiös gedachte Zeremonie unterworfen werden. Die Beschneidung heißt Kiuwin, die Vorhaut Agohowin, der Penis Anru, die Hoden apin oder apjin, die Vagina ambi, die Klitoris angi-su; beischlafen rianambi. Die Beschneidung von Frauen und Mädchen ist unbekannt.
d) Bestattung, Akukoa, Büffelmaskentanz, Anukoorakel, JägerlegendenkreisEs kann keine Frage sein, daß aus dem ganzen Gerippe einer komplizierten religiös-sozialen Weltanschauung, das die Jukum, wie nachher gezeigt werden wird, fraglos besessen haben müssen, die mit dem Tod und dem Totendienst in Beziehung stehenden Anschauungen und Sitten die besterhaltenen sind. Ich versuche die Einführung in diese etwas schwierige Materie, indem ich zunächst das übliche Begräbnis schildere und dann die damit in Verbindung stehenden Maskensitten und tiefer fußenden Anschauungen darstelle.
Wenn ein Mensch stirbt, wird die ganze Familie zusammengerufen. Während die Leiche dann gewaschen wird, kommen die Leute zusammen und jedes ältere Familienmitglied bringt ein großes Stück Stoff mit, von dem ein Teil verwandt wird, die Leiche einzuhüllen, ein anderer zum Ankauf von Guineakorn, von dem später Bier gebraut wird. Die Leiche wird also in diesen Stoff gehüllt, der groß ist, für eine Männerleiche weiß, blau für eine Frauenleiche und an dessen einem Ende ein Streifen Bahn langwegläuft. Die Leiche wird in gestreckt liegender Stellung eingeschnürt, wozu das langweglaufende Band dient. Mittlerweile ist hinter dem Hause, jedenfalls im Gehöft, das Grab gegraben. Es ist eine tiefe Grube, von der unten ein Kanal seitwärts wegläuft, und zwar nach Sonnenaufgang, wenn für Männer, nach Sonnenuntergang, wenn für Frauen. Der Boden des Grabkanals wird mit einer Matte bedeckt.
Die Leiche selbst wird an einen langen Stock gebunden, dessen Enden über sie hinwegragen und auf den Schultern der Leichenträger lasten. Im Grabe liegt der Verstorbene dann auf der Seite mit der entsprechenden Hand unter der Backe, Männer auf der rechten, Frauen auf der linken Seite. Die Männerleiche mit den Füßen nach Sonnenuntergang, die Frauenleiche nach Osten. Über den eingeschnürten Leichnam kommt dann wieder eine Matte. Einem Mann
gibt man im übrigen einen Hahn, einer Frau eine Henne mit. Danach schüttet der Totengräber den Schacht zu.Die alte Jukumanschauung läßt dem Toten aber keine Ruhe. Ihr zufolge nimmt er in der nächsten Nacht sein Kleid unter den Arm, steigt aus dem Grabe empor und wandert dann etwa zehn Tagereisen weit gen Osten nach Kundi (Bakundi am Taraba), einer sehr großen Stadt. Beide wallen den gleichen Weg, sowohl Männer wie Frauen. Der tote Wanderer hat seine Matte über der Schulter und in der Hand, wenn Mann, seinen Hahn, wenn Frau, ihre Henne. Diese Wandernden sind durchaus schweigsam, und wenn ein Lebender ihnen begegnet und sie anspricht, so antwortet der stille Wanderer nicht. Deshalb weichen die fahrenden Händler und Herumzügler solchen schweigenden Gesellen, wenn sie ihnen begegnen, aus und drücken sich in den Busch, bis jene vorüber sind. Die Verstorbenen leben nachher in Kundi. Da kann man dann seine verschiedenen Angehörigen wiedersehen. Aber sie sprechen nicht mit den Lebenden, wenn sie ihnen begegnen. Nur im Traum (Jukum = nando; Haussa =mafaliki; Nupe =ena; Joruba =alla) erscheint der Verstorbene noch seinen Angehörigen. Wenn man ihn dann um irgendeine Medizin gegen irgendein Übel oder irgendeine Krankheit bittet, so drückt der Tote das Wünschenswerte und Geeignete dem Schlafenden in die Hand. Wenn er danach erwacht, findet er das Mittel in Wahrheit vor.
Also eine klar ausgesprochene Seelenwanderung. Von Städten, in denen die Verstorbenen anzutreffen sind, erzählten mir die Mossi, hörte ich in Südtogo, spricht man in Joruba und erhielt ich eine Schilderung in Nupe; nun auch hier. Das ist ein geschlossener Kreis, und wir dürfen nicht vergessen, daß auch von der Goldküste die alten Missionare eingehende Schilderungen von Totenwanderungen entwerfen konnten.
Nachher werde ich darauf zurückkommen, daß mit der Traumrückkehr der Toten ein gutes Teil des Maskenzeremoniells in Verbindung steht. Das Apa-hogu (Totenfest; in Haussa Saphi mutua; in Nupe
Jja-gji-egi-njensa-su; in Joruba = Era-oduta) wird alljährlich zur Erntezeit gefeiert. Dann werden Erdnüsse (Fiekeg; in Haussa
Djedda; in Nupe =gusia; in Joruba =egba) gebracht, Bier gebraut, Sorghumbrei gekocht und ein Ziegenbock getötet. Sein Blut wird auf das Grab des Toten gesprengt. Dann wird ein Hahn über dem Ruheort in gleicher Weise geopfert, und diese Blutopfer leiten sie ein mit einem Gebete, das etwa folgendermaßen lautet: "Laß keinen von unserer Familie krank werden!" Bei diesen Worten hält der Opfernde den Hahn über das Grab, und nachher schneidet er ihm die Kehle durch.
Hernach wird das Fleisch der beiden Tiere den Frauen überwiesen, die es zurichten und den andern Speisen zufügen. Wenn sie dann das Mahl einnehmen, geben die Jukum von allen Speisen einige Brocken den Toten und beten: "Nimm das; wir haben das für dich gekocht!" Danach aber legen sie den Ziegenkopf und die vier Ziegenfüße, den Hahnenkopf und die Hahnenfüße auf das Grab; alles andere hat die Familie verspeist.
Der Tote selbst heißt Aki. Man sagt, daß Aku nicht Tod bedeute, sondern Maske, also das gleiche, was Boka in Haussa ist. Immerhin ist die Beziehung nicht schwer zu erkennen, wenn wir eine andere Sprache dieses Kreises heranziehen, das Joruba, in welcher Egun oder Egu Totengeist und Totenmaske heißt. Daß aber alle diese Akuinstitutionen mit dem Aki eng zusammenhängen, ist schon aus der ersten zu ersehen, der wir nunmehr unsere Aufmerksamkeit widmen wollen*.
Es handelt sich um die Aku-hua oder Aku-koazeremonie, die immer stattfindet, wenn ein Mann, anscheinend ein älterer Mann, gestorben ist. Wir wollen erst das Zeremonial schildern, um dann alles daraus sich Ergebende nach Maßgabe der entsprechenden Tradition zu bedenken.
Wenn ein angesehener Mann (anscheinend meinten meine Berichterstatter einen "Familienältesten") stirbt, wird von den Alten verkündet, daß abends der Aku-koa ausziehen würde. Dann ziehen sich mit beginnender Dunkelheit alle Weiber und Unerwachsenen in ihre Häuser zurück; denn es würde unbedingt den Tod zur Folge haben, wenn sie den nahenden Aku-koa sehen würden. Die Alten wandern dann aus der Stadt hinaus mit einer Trommel, einer Gangan (in Haussa auch Gangan), in den heiligen, andern unzugänglichen Busch. Wenn sie einige Zeit draußen waren, kommt der Aku-koa.
Der Aku-Koa ist keine Maske, wird auch durch keinerlei maskenähnliche Bekleidung dargestellt. Vielmehr besteht diese Ausdrucksweise in einem Ausführen eigenartiger Geräusche, in einem Sichversteckthalten, in einer Rücksprache mit dem Verstorbenen und alles in allem in einem strengem Geheimnis wie bei andern Geheimbünden, die dann nur noch durch eine Maskerade eine offizielle Verkörperung, eine Vorführung der Bundesgottheit besitzen. Das Geräusch wird hervorgebracht mit einem Büffelhorn, dessen Rand mit Löchern versehen ist, in denen eiserne Ringe hängen. Dieses Ringhorn heißt Achin. Dann haben sie den Knochenstumpf, von dem das Horn abgefallen ist, ein Knochenstück, das Ake heißt und fest mit der linken Hand gehalten wird. Das Achin wird nun an der Spitze mit der rechten Hand umfaßt und mit dem eisenberingten Rande stark gegen das Ake geschlagen. Wenn ein Dutzend kräftiger
Mit solchem Geräusch kommt also der Aku-koa aus seinem heiligen Haine in die Stadt und rückt, nachdem er mehrfach durch die Straßen gezogen ist, vor das Haus des Toten. In diesem Gehöft haben sich alle Weiber, Kinder und jungen Leute um so ängstlicher versteckt, als sie wissen, daß der Aku-koa nun ihren Vater und Onkel fortnehmen wird. Nur einige Alte sind bei dem Leichnam geblieben und die übergeben ihn den lärmenden Aku-koaleuten. Er wird aufgehoben und in das heilige Gehöft der Aku-koa gebracht.
Die zweite heilige Heimstätte, die "Stadtwohnung" der Aku-koa, besteht aus einer bescheidenen kleinen Bundhütte einer Bjeko (Gehöft heißt Ando, Farmhaus Metschinta), um die ein Sekkozaun gezogen ist. Vor dem Sekkozaune, durch den man nur auf dem Wege einer versteckt gelegenen Zaunlücke in den Hof gelangen kann, ist ein Platz, der, wie wir nachher sehen werden, für das betende und opfernde Laienvolk bestimmt ist. —Der eingehüllte Leichnam wird also in dem Rundhäuschen niedergelegt; ein Alter bleibt bei ihm, die andern lärmenden Festteilnehmer stehen draußen in einem kleinen Kreise herum und tanzen und rasseln und singen noch eine Weile.
Danach aber beginnt die eigentliche Zeremonie, die auf eine Leichenbefragung herausläuft. Die Zeremonie ist nun folgende: Nachdem der Aku-koa in seiner Stadtwohnung verschwunden ist und das rhythmische Tanzen und Rasseln im Hofe noch eine Weile gewährt hat, sammeln sich draußen einige alte Weiber an, die auf dem Platze niederknien und andächtig auf das Kommende warten. Der eine Alte sitzt im Bieko beim Leichnam. Die rasselnden Tänzer brechen ihren Tanz ab. Alles schweigt. Und dann spricht der Tote.
Der Alte, der drinnen im Häuschen sitzt, beginnt im hohen Fistelton zu sprechen. Er sagt etwa: "Ich bin heute gestorben; ich habe meinen alten Vater getroffen. Ich habe meine alte Mutter getroffen. Ich war bis jetzt mit ihnen zusammen. Ich bin jetzt noch mit ihnen zusammen." Darauf antwortet dann einer der alten Tänzer. Er wechselt Rede und Antwort mit der Fistelstimme im Innern. Grüße werden hin und her gesandt. Endlich zum Abschluß beginnt der Mann im Hof mit der Frage: "Was ist der Grund, daß du gestorben bist?" Und die Stimme des Toten gibt den Grund an. Er vermeidet entweder, daß die und die Krankheit ihn hingerafft habe, oder aber, daß ein alter Verstorbener ihn hinweggerufen habe, oder aber, daß ihn der oder der Stadtgenosse durch Gift und Zauberei getötet habe. Das letzte ist dann eine schlimme Sache, und der derart Angeklagte muß dann am andern Tage den Giftbecher (in Jukum =Anje, in
Haussa =Goska) zu sich nehmen. Gibt er den Stoff durch Erbrechen wieder von sich, so gilt die Sache als erledigt. Stirbt er aber, so hat die Anklage sich eben als richtig erwiesen.Diese Rücksprache schließt damit ab, daß die Totenfistel aus dein Häuschen sich Essen bestellt, und zwar dieses nicht zu knapp, Guineakornbrei, Hühner, Ziegen; vor allem aber umfangreiche Mengen von Bier. Diese Bestellung nehmen dann nicht nur die Rasseltänzer, sondern vor allem die entgegen, für deren Ohren sie bestellt ist, die alten Weiber und andere Leute, die sich inzwischen draußen auf dein Hofe immer zahlreicher eingefunden haben und andächtig vor dein Zaune auf den Knien liegen.
Damit ist die Totenbefragung abgeschlossen. Die Laien auf dein Platze draußen eilen von dannen, für die geforderten Speisen zu sorgen, soweit das nicht infolge der Gewohnheit und dementsprechend richtiger Vorahnung geschehen ist. Währenddessen beginnen die Alten wieder mit ihren beringten Hörnern zu rasseln, zu singen und zu tanzen. Draußen kommt aber einer nach dem andern über den Platz und legt seine Speise, seinen Topf mit Bier, sein Geflügel oder was es sonst ist, am Zaune nieder. Die Aku-koaleute nehmen das dann zu sich hinein. Sie kochen ab; sie speisen natürlich im Namen der Totenwelt; sie trinken Bier.
Gegen Morgen beginnen sie wieder energischer den Tanz und inzwischen ist draußen im Gehöft des Verstorbenen das Grab gegraben. Der Aku-koa drängt durch sein Heraustreten nochmals alles "Laienvolk" in Häuser und Schlupfwinkel. Der Leichnam wird den Totengräbern übergeben, die ihn in Anwesenheit der Angehörigen begraben, während der Aku-koa in seiner Stadtwohnung weiter rasselt und singt und tanzt.
Diese Tänze dauern wohl noch den ganzen Tag. Auf dem Platz vor dem Mattenzaune liegen alte und jüngere Weiber und beten, singen von Zeit zu Zeit und bringen in der Hoffnung, daß ihrem Erdenleben dadurch Ersprießliches erwachsen könne, allerhandkleine und große Opfergaben dar. Auch wird am Tage jüngeren Männern erlaubt, das Gehöft zu betreten und den Tanzzeremonien der in Durstiöschung, Gesang und Klapperei unermüdlichen Alten zuzuschauen. In der darauffolgenden Nacht (wenn ich richtig verstanden habe) kehrt der Aku-koa, nachdem alle Unreifen und Weiber verdrängt sind, wieder in seinen heiligen Hain, in sein Landhaus zurück. —Er hat seine Pflicht und sein Amt erfüllt, und seine Mitglieder treten erst bei erneutem Todesfall zusammen.
Die religiösen Institutionen der Jukum zeichnen sich vor denen der weitaus meisten afrikanischen Völker dadurch aus, daß eine jede durch eine Ursprungslegende erklärt wird. Ich glaube, man wird nicht fehlgehen, wenn man für die gute Erhaltung dieser Legende
die Abakwariga verantwortlich macht, deren Borireligion für solche Ursprungserklärungslegenden geradezu charakteristisch ist. Anderseits gehören ja die Jukum auch wieder dem Jorubakreise an, der der mythologisch klarste und reichste ganz Negerafrikas überhaupt ist. — Die Ursprungslegende der Aku-koa lautet folgendermaßen:In alter Zeit konnte Uidji, der wilde Büffel, mit den Menschen sprechen. Ganz, ganz im Anfang verwandelte der Büffel sich eines Tages in einen Menschen und kam als Mann in das Haus eines Jukum, um ihn um einen Trunk zu bitten. Dieser Jukum, der ein Jäger war, gab dem Bittenden gern einen Topf Bier, und der Büffelmann nahm ihn und trug ihn zu dem Platze, an dem er im Busche lebte.
Eines Tages nun ging der Jäger in den Busch zur Jagd. Er kam an jenen Platz und traf den Büffel, dem er seinerzeit das Bier geschenkt hatte; der war aber nunmehr in Büffelgestalt. Der Büffel begrüßte den Jäger und sagte zu ihm: "Komm mit mir, wir wollen zusammen zu meinem Schlafplatze gehen." Der Büffel ging voran, der Jäger folgte ihm. Sie kamen dahin, wo alle Büffel im Grase herumlagen. Der Büffel sagte: "Das hier sind meine Freunde, die darfst du niemals töten. Andere Büffel sind aber unsere Feinde. Wenn du die töten willst, so ist das recht." Der Jäger sagte: "Ich will es so machen. Gib du mir nur alles an." Der Jäger blieb einige Zeit bei dem Büffel. Danach wollte er gehen. Darauf nahm ihn der Büffel beiseite und gab ihm Ahin (Medizin; in Haussa =Magam; in Joruba =Ogun; in Nupe =Schigbe); dazu Bier. Der Büffel zeigte dem Jäger auch einen andern Platz, an dem Büffel waren, und sagte: "Diese kannst du jagen." Zum Schluß aber gab der Büffel dem Jäger das Anchihorn und zeigte ihm, wie der Abu-koa zu tanzen sei. — So haben die Jukum in alter Zeit den Aku-koa gelernt.
Diese Büffellegende, die eine Unzahl Parallelen und wertvollstes Parallel- und Erklärungsmaterial unter den Jägerlegenden Westafrikas hat, führt die Institution also auf die Jägerperiode oder in den Kreis der Jägerinstitutionen zurück, der in seiner Art durchaus geschlossen ist. Die Legende schließt, daß das Speiseverbot für die Jäger und seine Nachkommen, welche eben die Aku-koatänzer wären, im Menstruationsblut der Frauen beruhe. Wenn ein Aku-koa das sähe und röche, so würde er sterben.
Aber diese Legende bringt nicht nur die Aku-koainstitution mit andern Glaubensgebieten Westafrikas in Zusammenhang, sondern sie führt uns vielmehr in diese Gedankenwelt direkt hinein. —Wenn nämlich ein Mann schlecht träumt, krank wird oder sonstwie nach seiner Ansicht unter dem Einfluß eines Toten leidet und sich mit solchen Anliegen an den Inhaber des Amuko wendet (siehe unten), so befiehlt dieser dem Leidenden, sich eine Büffelkopfmaske zu
schnitzen, die dann den betreffenden Toten verkörpert, dessen Quälereien der Ratsuchende entfliehen möchte. So entstehen diese bei den Jukum so häufigen Masken in Büffelkopfform, denen dann geopfert wird, als seien es Ahnenbilder. Es sind das wohl die bekannten Akuma, von denen wir nachher mehr hören werden. Häufig werden sie daheim nur aufbewahrt und es wird ihnen dann dieses oder jenes Opfer dargebracht. Dann aber kommt es auch vor, das in ihnen getanzt wird.Also sehen wir, daß der Manismus, der Ahnen- und Totendienst, nicht nur in der Ähnlichkeit der Worte Aki und Aku beruht, sondern daß ein innerer Zusammenhang mit den Egunmasken, den Geistermasken der Joruba, bewiesen werden kann. — Für die Beziehung derartigen Totendienstes zum Kreise der Jägerlegenden, die wir hier auftauchen sehen, können wir hier noch keine nähere Erklärung geben, aber es wird nicht schwer sein, mit Hilfe des anderweitig sich reichlich bietenden Materials diesen Problemen einst näherzukommen. Jedenfalls haben wir hier den Ausgangspunkt fast aller Masken aus dem Büffelkopf, wie er auch bei den Tschamba erhalten ist. Aber die Jukum, die ihrer Vorstellung nach verschiedene Tiere benötigen, haben aus dieser Form allerhand verschiedene Typen herauskristallisiert, die oft aufs drolligste dreinschauen. Alle Masken haben die Büffelhörner behalten, aber die eine wurde in eine Vogeldarstellung verwandelt, indem man die Schnauze schnabelartig zuspitzte. Eine andere verwandelte man in ein Elefantenbild, indem man aus dem Maul die Elefantenzähne herauswachsen ließ. Man begnügte sich also mit dem Ausdruck der Idee, behielt in konservativer Weise die Abzeichen der Urform bei und schuf so ein Zwitterding nach dem andern.
Aber diese eigenartige Beziehung aller manistischen Ideen zu diesem Büffelsymbol der Jägeranschauung ist in vielem erhalten. Oben (S. 224) haben wir gesagt, welche Folgen es hat, wenn eine Frau in der Schwangerschaftsperiode Büffelfleisch ißt. Wie so häufig stellt diese Anschauung die Furcht vor, die schwangere Frau mit irgend etwas in Verbindung zu bringen, das dem Totenreiche angegliedert ist. Und hier leuchtet ja die Annahme, daß diese Büffellegende eine totemistische Totenanschauung repräsentiert, ohne weiteres ein. Wenn sich bei einigen Stämmen des Kassai eine schwangere Frau auf eine ausgehöhlte Trommel setzt, so wird sie nur Luft gebären. Das ist eine Parallele. Wenn eine Jukumfrau Fleisch der Todesverkörperung ißt, ist das eine Schädigung der Geburt. Das ist durchaus westafrikanisch gedacht.
In diesen Zyklus der Büffellegenden und entsprechenden Anschauungen gehört aber noch eine recht eigentümliche und wichtige Legende nebst dazugehörigen Anschauungseigenarten. Es ist die Geschichte
vom Ursprung des ursprünglichen Jägerorakels, das heute das Orakelinstrument aller Jukum geworden ist. Die Legende lautet:Das "Anuko" kam ursprünglich von einem Tiere (in Haussa = Mamandaschi; in Joruba =Erako; in Nupe =Jakunjltier) im Busch. Wenn dies Tier im Busch fressen wollte, rieb es seine Hörner an den Bäumen. Bei dem Reiben merkte es, ob der Jäger kam, oder wo er just weilte, und so konnte es diese Gegend und Richtung, in der die Jägergefahr lauerte, leicht meiden.
Bei diesem Reiben fiel aber Rinde von dem Baume ab und auf die Erde. Eines Tages nun kam ein Jäger an dem Baume vorbei. Der Jäger sah die Rinde am Boden liegen. Der Jäger hob die Rinde auf. Der Jäger sagte: "Diese Rinde hat etwas zusagen." Der Jäger sammelte sorgfältig alle Rinde, die unter dem Baume lag, um sie mit nach Hause zu nehmen. Außerdem pflückte er Blätter von dem gleichen Baume und steckte sie zur Rinde. Dann machte er sich auf den Heimweg. Daheim legte er die Blätter und die Rinde in einen Mörser, um sie kleinzustoßen. Als er aber das erstemal zustieß, sprang der Mörser mit dem Inhalt auf und in einen andern Winkel des Hauses, wo er dann hinfiel. Der Jäger folgte dem Mörser, stellte ihn dann wieder auf und stieß wieder zu, und wieder sprang der Mörser auf und in einen andern Winkel des Raumes, wo er abermals umfiel. Der Jäger folgte und stieß wieder zu, und der Mörser sprang auch wieder fort. Das ging solange im Wegspringen, Hinfallen, Aufrichten und Stampfen hin und her, bis zuletzt die Rinde und die Blätter zu Staub gestampft waren.
Als Blätter und Rinde ein Pulver waren, nahm er dieses aus dem Mörser und füllte es in einen kleinen Flaschenkürbis. Den Flaschenkürbis band er sorgfältig zu.
Als der Jäger nun wieder aus zur Jagd zog, nahm er diesen kleinen Medizinkürbis, den Awie, mit sich. Er ging weit in den Busch hinein, legte seine Sachen ab und machte im Sande einen Kreis. In die Mitte desselben setzte er sein Awie und fragte: "In welcher Richtung werde ich heute Wild treffen?" Als er das gesagt hatte, sprang das Awie aus der Mitte des Sandkreises auf und fiel in einer bestimmten Richtung weglaufend auf dem Kreise nieder. Es blieb da plötzlich fest stehen. Der Jäger nahm seine Waffen auf, steckte das Awie ein und ging in der Richtung, die ihm das Awie angezeigt hatte. Der Jäger war noch nicht weitgegangen, da sah er einen Riedbock (Jukum =Awukin; in Haussa = Masia oder Masian; in Joruba = Kunuqua; in Nupe =Eko). Der Jäger schoß. Der Jäger tötete den Riedbock. Der Riedbock fiel tot hin. Der Jäger ging hin und fragte das Awie: "Was wünschst du nun zu essen?" Das Awie sagte: "Gib mir das Blut des Awukin." Der Jäger schnitt dem Riedbock den Hals durch und goß alles ausfließende
Blut über das Awie. Das Awie sagte: "So ist es gut; wenn du mir immer gutes Blut von deinen Tieren gibst, werde ich dir auch immer Antilopen zeigen." Der Jäger sagte: "Das werde ich tun." Dann nahm der Jäger das Awie auf, steckte es zu sich, lud den Riedbock auf den Kopf und ging heim.Am andern Tage ging der Jäger wieder auf die Jagd. Er ging weit in den Busch, legte seine Sachen nieder und zog einen Kreis. Er setzte das Awie in die Mitte. Das Awie zeigte ihm wieder eine Richtung an. Der Jäger ging dahin, fand ein großes Tier, schoß es und gab dem Awie wieder das Blut. Alle Tage hatte der Jäger so Jagderfolge.
Alle andern Jäger sahen, daß der eine stets Erfolg hatte. Ein Freund kam zu dem Jäger und sagte: "Willst du mir nicht etwas von deinem Awie geben, damit ich auch Erfolg auf der Jagd habe?" Der Jäger sagte: "Ja, ich will das tun." Der Jäger zerbrach sein Awie. Er zerbrach die einzelnen Kürbisteile in viereckige Stücke. Er zog die Awiestücke auf eine Schnur. Eine solche Schnur mit Stücken der Awiekalebasse heißt in Jukum Anuko oder Anukon. Der Jäger teilte die Schnur in zwei Teile und gab den einen Teil seinem Freunde, der ihn darum gebeten hatte. Der Freund seinerseits teilte wieder, und so gewannen die Jäger alle ihr Anukon, das sie immer in der Tasche bei sich haben. Das ist der Ursprung des Anuko. Das Tier aber, das mit seinen Hörnern die Rinde von dem Baume gescheuert hatte, war der Büffel (Uidji; in Joruba =Effa; in Nupe =Eija; in Haussa =Bauna).
Das Anukon ist eine doppelte Schnur, an der je nach einer Seite vier Kalebassenstückchen angebracht sind. Dazu gehört noch ein zugespitzter Vogelknochen. Wenn ein Jukum nun über die Zukunft irgendeine Auskunft haben will, so geht er zu einem Manne, der Inhaber eines Anukon ist, und der wirft die Schnüren dann vor sich hin. So wie nun die Kalebassenscherben fallen, so wird das Schicksal verlaufen. Wenn z. B. alle Kalebassenstücke gedeckt, das heißt mit der Konkavseite nach unten liegen, so bedeutet das den Tod oder schlechten Ausgang einer Sache, die umgekehrte Lage aber das Leben und guten Ausgang der Unternehmung.
Wir sehen also, daß das Anukon genau dem Oquelle der Joruba und dem Eba (heißt hier gleichzeitig Penis) der Nupe entspricht. Sowohl bei den Jukum wie bei den Joruba und Nupe findet man es in den Taschen der Jäger (in Nupe =Datsche; in Joruba =Ode). Wir finden also darin einen wesentlichen Bestandteil des alten "Jägerkreises" enthalten.
Vor allem aber treffen wir wieder auf den Büffel, und zwar gelangen wir auf diesem Wege in ein Gebiet, das eine außerordentlich große Fülle von Analogien, Parallelen und Ausblicken eröffnet.
Nicht nur hier gibt ein Büffel oder eine Antilope dem Jäger das Orakelinstrument. Von den Bamana in Senegambien an, bei denen ein jedes Medikament erst den Jägern bekannt ward - und zwar dadurch, daß sie es einer Antilope oder einem Buschtier ablauschten -, bis zu Kanuri aus Tsadsee, die mir ganz ähnliche Geschichten erzählten, stammen die Medikamente und Zaubermittel von Jägern, ebensogut wie diese auch bei fast allen etwas entwickelteren Stämmen ihre eigene Gitarre haben.Nach diesem Ausblick und Einblick wird es wünschenswert sein, alle Jägerlegenden wieder einmal einer gründlichen Durchsicht und Vergleichung zu unterziehen.
Wie stark die Büffeijägerlegende aber im Kern der Jukumreligion eingehüllt lag, kann man an einer Legende erklären, die den Kampf dieser Religion gegen den andrängenden Bori schildert und die im Kapitel über die Abaqua-riga wiedergegeben werden soll (vgl. weiter unten).
e) Krokodilsiegende usw. —Aku-onu, Aku-uowaSoweit gekommen, muß ich eine Angabe buchen, deren Irrtümlichkeit wir aber wahrscheinlich später feststellen können. Unsere erste Aufgabe ist ja immer das Buchen, das Aufzeichnen. Dementsprechend beginne ich hier mit der Feststellung der Tatsache, daß mir in Wukari auch erklärt wurde, die Aku-ma, die Büffelkopfmasken, stellten trotz der gewaltigen Hörner gar keine Büffelköpfe dar, sondern Krokodile. Wir sahen vordem, daß diese Maske ursprünglich einen Büffel, nachher sowohl einen Vogel als einen Elefanten darstellte. Also müssen wir uns der Anschauung fügen und sagen: warum soll die Maske nicht auch ein Krokodil darstellen? Wir sehen uns nach verschiedenen Belegexemplaren mythologischer Tradition um und da finden wir folgendes:
Im Süden Wukaris befindet sich ein Quellteich inmitten einer eingebrochenen Lateritdecke. Diese Lateritdecke ist nicht sehr stark. Sie ist vom Wasser weithin unterwühlt und so ist eine nicht sehr hohe, aber nach mehreren Richtungen sehr tiefe Höhle entstanden, aus der das Wasser in mehreren Quellen entspringt. Dieser Quellteich heißt Agunkwa. Das Merkwürdige ist, daß in ihm eine ganze Reihe von Krokodilen lebt, die den größten Teil des Tages in der Höhle unter dem Latent schlafend verbringen, allnächtlich aber herauskommen, um sich an den Leckerbissen der Umgebung, den Fröschen und Eidechsen gütlich zu tun. Wie in dem Reisewerk geschildert sein wird, scheut niemand diese Stelle, alle Welt holt hier Wasser, wäscht Wäsche und tränkt Pferde. Die Nähe der wenige Fuß weit entfernten Krokodile stört gar nicht. Die Krokodile
werden allerdings ebensowenig belästigt wie die kleinen Fische, die zwischen den unheimlichen Eidechsen hin und her schwimmen. Man achtet die Heiligkeit des Ortes. Und man erzählt von den Krokodilen des Sees Agunkwa folgendes:Wenn in alter Zeit diese Krokodile irgend jemand, zumal wasserholenden Frauen, etwas zuleide taten, so ward sogleich Beschwerde beim König geführt. Der König seinerseits rief dann Auwun und befahl dem, die Krokodile zu rufen. Der Auwun ging hinaus zum Agunkwateich. Der Auwun trat dann in die Höhle der Krokodile, die früher viel, viel größer war. In der Höhle traf er die Krokodile. In der Höhle sprach er mit den Krokodilen. In der Höhle überbrachte er ihnen den Befehl des Königs, zur Stadt hinaufzukommen und sich zu verantworten über die schlechten Sachen, deren sie angeklagt waren. Der Auwun sprach mit dem größten Krokodil, das dann wie ein Oberherr mit seinem Volke redete.
Das größte Krokodil sagte dann den andern, weshalb der Wukarikönig den Auwun gesandt habe und daß alle unbedingt dem Befehle folgen und sich dem Richterspruch des Wukarikönigs fügen müßten. Dann kamen auch alle Krokodile heraus. Voran ging der Auwun. Die Alten (Krokodile) folgten ihm und hinterher liefen alle Kleinen bis auf die Allerkleinsten. Die Krokodile gingen dann hinter dem Auwun her auf die Stadt Wukari zu und die breite Straße entlang, die zum Königspalast führte.
Inzwischen hatte sich die Nachricht, daß der König die Krokodile gerufen habe, unter dem Volke Wukaris verbreitet. Die Jukum hatten sich daher an der Hauptstraße versammelt. Sie standen dicht gedrängt. Wo die Krokodile vorbeikamen, schritten sie zwischen Wänden von Menschen her. Die Menschen schrien: "Unsere alten Väter kommen heute heraus! Unsere alten Väter kommen heute heraus! Unsere alten Väter kommen heute heraus!" Die Frauen schrien ihnen zu, als ob der König selbst komme. Die Krokodile (in Jukum = Anumi) zogen zwischen den Menschen her. Viele der älteren waren sehr schön geschmückt. Einer hatte eine silberne Kette. Ein anderer hatte Ringe an Armen und Beinen. Einer hatte Gras auf dem Rücken (anscheinend Beweis seines Alters), einer hatte eine Goldplatte auf der Stirn. Wieder ein anderer hatte einen Rücken von Gold.
Alle Krokodile begaben sich dann zum König. Der König fragte sie nach dem Vorgefallenen. Der König fragte auch die, die die Krokodile angeklagt hatten. Der König fand dann das Krokodil heraus, das schuldig war. Der König richtete das Krokodil. Und das sündig befundene ward dann geschlagen. Danach rief der König wieder den Auwun.
Der Auwun führte die Krokodile wieder zum Wasser zurück.
Auf den Seiten der Straße stand wieder die Menschenmasse und jubelte. Zwischen den Jukum hindurch schritten die Krokodile zum Agunkwateich zurück. Wenn sie darin angekommen waren, setzte der Auwun zwei Kalebassen mit Palmöl (Palmöl Bju-njonnjon; Schibutter Bju-ta) auf Steine am Ufer des Teiches nieder, damit neben sich die geschlagenen Krokodile dann selbst ein.Ferner sagt man, daß früher der Häuptling an jedem Freitag mit einem schwarzen Bullen (= Ana), mit einem weißen Hammel (= Adong), mit Reis (für den die Jukum den Haussaausdruck Tschinkaffa haben), mit einem Penisetum (dem Djero der Haussa; dem Mai der Nupe, das des Joruba fehlt und in Jukum Sadjimmi heißt) zu dem heiligen Teiche ging. Alle Männer Wukaris begleiteten ihn. Dieser Opfergang fand am frühen Morgen statt, und dann ward draußen der Reis gestoßen und mit Honig (in Jukum Aden) gemischt. Der Bulle und der Hammel wurden geschlachtet. Es fand ein großes Abkochen statt. Die Leute aßen dann am heiligen Teiche und von jeder Speise erhielten die Krokodile etwas ab. Mittags kehrte der König mit allem Volke nach der Stadt zurück.
Diese Legende und alte Sitte steht in innigster Beziehung zum Maskenwesen, und zwar zu jenen Masken, die unbedingt eine zweite Art von Totendarstellungen darstellen. Ehe wir uns aber in diese weiteren Sittengruppen und Maskeradensitten vertiefen, wollen wir uns vergegenwärtigen, daß derartiger Krokodildienst in inniger Beziehung zum Manismus auch anderweitig steht. Ein heiliges Krokodil hielt die Bevölkerung in Ibadan. In den Quelihöhlen bei Mokwa im Nupeland wohnen Krokodile, die als Verwandte des dortigen Häuptlings gelten. In Daba im Nupelande ebenso. Bei den Jukum steht nun diese Verehrungsform in folgender Weise mit dem Ahnendienst in Beziehung.
Die Jukum haben zwei ausgesprochene Totenmasken, die Akuonu für Männer und die Aku-uowa für Weiber. Von ihnen hörte ich:
Wenn der Vater eines Mannes stirbt, so geht er zum Schnitzer, zum Akwa-habu, und bittet ihn, ihm eine solche Aku-onu zu schnitzen. Diese sind stilisierte Holzmasken, bei denen das Gesicht unter einem mächtigen Vorbau nur schwer zu erkennen ist. Sie sind eine ganz ähnlich der andern. Nur die Anlage der eingelassenen Löcher der Mittelplatte wechselt. Sie sind originell, aber in ihrer Art einförmig. Wenn der Schnitzer diese manistische Maske vollendet hat, bringt er sie heimlich und unter einem Kleid verborgen zu ihrem Besteller. Der zahlt den vorgeschriebenen Preis und legt sie nachts noch auf das Grab des Mannes, den die Aku-onu vorstellen soll. Da bringt er der Maske auch Bier dar und sagt ihr: "Hier ist Bier, mein Vater! Ich ließ diese Aku (=Maske) für dich schnitzen. Gib, daß meine Gesundheit immer gut sei."
Nach diesem Opfer, das soviel wie eine Einweihung bedeutet, nimmt der Sohn die Maske, die seinen Vater darstellt, wieder mit nach Hause. Dort versteckt er sie, denn die Frauen sollen sie nicht sehen. Wenn er aber in Zukunft seinem Vater opfern will, so gibt er alles für die Seele des Verstorbenen Bestimmte der Aku-onu. Auch wenn er krank ist, opfert er der Maske und bittet sie, gleich als ob sie sein verstorbener Vater sei, zu helfen, daß es ihm besser gehen möge. Ist diese als Maske geschnitzte Totenwohnstätte also im allgemeinen ein persönlich und geheimnisvoll gehaltener Kulturgegenstand, so gibt es doch eine Zeit, in der sie ganz regelrecht ihre ursprüngliche Bedeutung und Bestimmung wieder annimmt.
Das ist, wenn das Sorghum hochgewachsen und ein allgemeiner Reichtum von Lebensmitteln über das Land ausgebreitet ist; dann tritt im Erntefeste die Maske tanzend auf. Bei dieser Maskerade ist es nun ebenso eigenartig wie mit allen andern solchen Veranstaltungen der Jukum. Die Weiber werden nicht wie bei andern Stämmen aus dem Zuschauerkreise ausgewiesen. Sie dürfen zusehen und händeklatschen, und singend begleiten sie den Maskentanz und geben durch ihr begeistertes Beifaliklatschen und Schreien der ganzen Sache erst die rechte Stimmung. Aber auf keinen Fall darf eine Frau das innere Geheimnis dieser Masken durchdringen. Sie darf sie nie sehen, wenn sie abgelegt ist oder wenn ein Mensch sie an- oder ablegt. Sie soll nach Jukumansicht in dem Glauben gelassen werden, daß diese Maske ein Wesen für sich, eben jener Verstorbene sei; keine Frau soll ahnen, daß ein lebendiger Mensch darin stecke. Und die Jukum halten sehr eifrig auf Wahrung dieses mehr als halbbewußten Selbstbetruges.
An diesen Erntefesttagen hebt ein großes Essen, Biertrinken und allgemeine Schlemmerei und Tanzerei an. Dabei nun erscheint diese Aku-onumaske auch tanzend. Dort wird sie als der verstorbene Vater begrüßt und es wird ihr dann auch manches Opfer und eine feierliche Ansprache zuteil. Diese Ansprache nimmt aber Bezug auf den Ursprung derartiger Masken überhaupt. Darüber gibt es nämlich eine Legende, die ich für sehr beeinflußt durch die Abawa-Rigamythologie halte, welche wie alle Borianhänger sämtliche Gestalten aus dem Wasser emporsteigen läßt.
Anfangs - so berichtet die Legende - befanden sich die Akuonu und die Aku-uowa in einem großen Wasser, im Anuka, d. i. der Benue. In dem Wasser waren sie zusammen mit den Krokodilen. Eines Tages nun wollten die beiden Akus heraus. Als die Krokodile das hörten, sagten sie: "Was wollt ihr heraus?" Die männliche Maske (Aku-onu) sagte: "Ja, ich will hinaus." Die Krokodile sagten: "Weshalb wollt ihr heraus?" Die Onumaske sagte: "Ich will mit meiner Maske heraus, weil ich hier nicht genug zu essen bekomme.
Ich will mir mein Essen von den Menschen geben lassen." Die Krokodile sagten: "Nein, wir lassen euch nicht aus dem Wasser." Die Krokodile wollten die Akus bei sich behalten. Sie packten Akuonu am Arm und zogen. Die Krokodile zogen Aku-onu hin und her. Endlich biß ein Krokodil Aku-onu den Arm durch. Darauf konnte Aku-onu mit Aku-uowa weggehen.Aku-onu und Aku-uowa gingen aus dem Wasser und auf das Dorf zu. Ein Mann namens Ama begegnete ihnen. Als Ama die beiden Masken sah, erschrak er sehr und wollte von dannen laufen. Aber Aku-onu rief ihn zurück und sagte: "Weshalb läufst du weg? Wir wollen dir und deinen Leuten nichts Schlechtes tun. Wenn ihr versprecht, uns im Dorfe gut aufzunehmen und uns immer reichlich Essen und Trank zu geben, so wollen wir bei euch bleiben. Wir werden euch dann immer viele Kinder und reiches Essen und Gesundheit geben." Ama sagte: "Es ist mir recht. Was wollt ihr dann aber essen?" Aku-onu sagte: "Gebt uns Bier zu trinken und schlachtet uns Hühner, Ziegen und Hunde."
Ama brachte darauf Aku-onu und Aku-uowa in die Stadt Wukari. Ama rief alle Männer zusammen und sagte zu ihnen: "Kommt und seht diese beiden Aku. Sie wollen bei uns bleiben. Wir wollen sie behalten." Die Männer sagten: "Was essen die Aku-onu und Akuuowa?" Ama sagte: "Sie trinken Bier und essen Ziegen, Hühner und Hunde." Ama war aber damals Uassun (König) in der Stadt.
Ama nahm also die beiden Akus mit in sein Haus. Er behielt sie bei sich. Nachdem die Akus aber einen Monat bei ihm waren, erkrankte ein Mann, war zwei Tage krank und starb. Am andern Tage wurde eine Frau krank, lag zwei Tage darnieder und starb. Viele Leute wurden krank und starben. Darauf kamen alle Leute zu Ama und sagten: "Früher, in der Zeit, in der die Akus noch nicht bei uns waren, wurden nur wenige Menschen krank und starben auch nur sehr wenige. Aber seitdem die Akus hier sind, erkranken viele Leute und sterben viele Leute. Das ist sehr schlecht." Ama hörte die Leute an.
Ama sagte: "Ich habe Aku-onu und Aku-uowa bei mir. Ihr habt sehr recht. Es ist Schlechtes geschehen. Nun macht ihr es aber anders. Macht es einmal auf folgende Weise: "Gehe ein jeder heim und stelle sich eine Aku-onu und eine Aku-uowa her. Jeder von euch soll sie im Gehöft haben. Jeder soll ihr dann opfern." Die Leute gingen von dannen. Sie machten so, wie befohlen war.
Seitdem machen die Jukum es so mit den Aku. Früher hatte man für die Aku-onu nur Strohkleider (wie die mitgebrachten), heute nimmt man schon vielfach Kleider. Man stellte sie her. Man opferte ihnen, wenn man krank war. Man opferte ihnen immer viele Tiere. Wenn eine neue Aku-onu hergestellt ist, muß sie im Strohkleid vor
dem König erscheinen und so sich vorstellen. Nachher wird sie heimgebracht und im Bieko aufgestellt. Da gab man ihr dann viel Bier und sehr viel Essen. Wenn diese Opfer und Mahlzeiten zu Ende waren, legte man ihr Kleider, sehr schöne Kleider an. Sie wurden und werden heute fast stets so bunt aufgeputzt wie nur möglich. Und in dieser neuen Tracht geht die Aku noch einmal zum Fürsten zurück, um "ihrem großen Vater" für alles zu danken.Aku-onu sprach aber durch Ama zu den Leuten und sagte ihnen, was sie tun sollten. Aku-onu ordnete durch Ama folgendes an: "Wenn irgendeines Mannes Vater stirbt, so soll der sich eine Akuonu schnitzen. Wenn aber eine Frau stirbt, so soll der Bruder der Frau Stricke nehmen und eine Aku-uowa, eine weibliche Maske für die Verstorbene flechten, die einer Frau gleicht. Jeder Sohn soll der Aku-onu seines Vaters, jeder Bruder der Aku-uowa seiner Schwester opfern."
Auf dieses Gebot hin ließen die Leute durch die Akwahabe (Schnitzer) Holzmasken für die verstorbenen Väter schnitzen, wogegen jeder Bruder für seine verstorbene Schwester eine Aku-uowa flocht. Ist sie fertig, so legt man sie in Indigo, damit sie dunkel gefärbt wird. Ist die Kopfhülle soweit fertig, so bringen alle verwandten Männer von allen Seiten Stoffe herbei. Denn zu einer Aku-uowa gehören viele, viele Stoffe. Dann wird die geflochtene Kappenmaske einem Manne aufgesetzt. Es werden ihm die alten Frauenhosen und die Frauenjacke angezogen und die Krinoline um die Mitte gelegt. Denn der Rock muß weit abstehen. Darüber kommt noch ein breiter, starker Lendengürtel, vor das Gesicht der Schleier und um die Haare das Kopftuch. So ausgerüstet wird sie irgendwo am Wege aufgestellt.
Wenn die Frauen der Stadt nun dieses Weges kommen und die neue Aku-uowa sehen, so schlagen sie mit den Händen auf die Münder, kreischen gehende Laute heraus und rufen einige Trommler herbei. Sie jubeln: "Neulich starb eine Frau, dies hier ist ihre Aku-uowa! Das ist die neue Aku-uowa!" Mit Singen und Schreien und Trommeln wird die neue Aku-uowa heimgebracht. Bei jeder nächsten festlichen Gelegenheit verlangt man aber von ihr, daß sie wieder tanze. Zumal beim herbstlichen Totenfest darf sie nicht fehlen.
Im übrigen pflegt der Tänzer in der Maske kein Familienmitglied zu sein. Wenn er nur ein guter Tänzer ist, so ist er für die Vorführung und Ausführung geeignet. Er wird für die Mühe, der er sich damit unterzieht, belohnt, das heißt regelrecht bezahlt. Ganz besonders muß ich betonen, daß ich die beiden Aku-onu und Akuuowa nie anders als gemeinsam, also als Paar habe auftreten sehen. Genau ebenso ist es mit der Aku-ma jeder Art. Nur die Abaquarigamasken und die eigentliche Klanmaske sowie die fraglos moderne
Maske der Königsboten weichen von dieser Regel ab. Es tritt also immer eine männliche mit einer weiblichen Maske auf.Soweit Aku-onu und Aku-uowa, die mir zwei ausdrücklich typische Jukummasken zu sein scheinen.
f) Die Aku-maWir haben nun schon mehrfach der Aku-ma, der ursprünglichen Büffelkopfmasken gedacht und wollen uns ihrer Betrachtung nun eingehender widmen. Wie die eben beschriebenen unzweifelhaften Totenmasken treten auch bei den Aku-ma immer zwei Exemplare auf, eine männliche, mit einer Holzmaske geschmückte, und eine weibliche, die nur aus Flechtwerk, hier allerdings nicht aus einer Kette, sondern einem Maschentrikot besteht. Nun muß gleich einleitend erklärt werden, daß die Holzköpfe der Aku-ma, wenn auch zum größten Teil aus dem Büffelkopf hervorgegangen, doch auch wenig mehr, häufig nichts mit der Büffelkopfform zu tun haben. Ich habe Affen-, Krokodil- und Fischmasken gesehen und erworben, die ihrer Entstehung nach absolut nichts mit der Büffelkopfmaske gemeinsam hatten. Nun haben wir gesehen, daß auch die Büffelkopfmasken in primitiver Weise unter harmloser Beibehaltung der Hörner zu allerhand andern Tierformen wie Elefant und Vogel umgebildet wurden und daß eine Volkserklärung auch schlankweg alle Büffelkopfmasken zu Krokodilen umbilden will. Also ist mit aller Bestimmtheit ein Drang zu variieren vorhanden, und die Erkenntnis dieser Bewegung bringt mich dazu, eine Jukumanga wiederzugeben, derzufolge bei den Jukum früher jede Familie immer nur die Masken einer Tierart benutzen durfte, die Königsfamilie z. B. die Krokodilsform. Die Büffelköpfe sollen nur allmählich aufgekommen sein, weil früher die Holzschnitzer die Büffelkopfmaske tragen durften. Wir haben also in der älteren Zeit jede Familie mit ihrem Tier, z. B. die Königsfamilie mit dem Krokodil, die Familie der Schnitzer mit dem Büffel. Das muß demnach letzter Ausläufer einer totemistischen Maskenordnung gewesen sein. Es war also früher eine größere Formfülle, aber da die Schnitzer Büffelmenschen waren, wurden die Büffelkopfformen vorherrschend und übermächtig. Die Aku-ma sind also die Akus der Ama. Ama ist der Begriff für "frühere Menschen", "Herren der Vorzeit", auch "Könige der Vorzeit". Zuweilen wird von einem Ama, der dann der Herrscher, der Fürst, aber auch der Gott des Anfanges sein kann, manchmal von Ama als dem Vorgeschichtlichen gesprochen. Also auch hier ergibt sich die Vorstellung manistisch-totemistischer Geister- oder Göttergliederung ganz von selbst. Und an ihrer Spitze steht das Krokodil, das vielfach die Fürstenfamilien führt. Ehe ich
nun das, was das Volk von den Aku-ma zu erzählen weiß, wiedergebe, will ich noch auf zweierlei hinweisen.Es wurde gesagt, daß die Schnitzer zur Büffelfamilie gehören. Also scheint hier eine alte Zunft bestanden zu haben. Außer einer ja selbstverständlichen Schmiedezunft konnte ich aber keinerlei Zunftgliederung bei den Jukum feststellen. Ich kann mich demnach nicht der Vermutung verschließen, daß hier ein Anzeichen der Mischung vorliegt. Ich kann mir nicht recht denken, daß ein Volk soviele Maskensysteme nebeneinander von jeher gehabt haben soll, möchte vielmehr fürs erste annehmen, daß, so wie die gesamten Borimasken mit den Abaqua-riga später unter den Jukum einzogen, daß ebenso die Jukum bei der Einwanderung in die jetzigen Wohnräume ein Volk vorfanden, das diese Büffelkopfmasken besaß, daß diejukum dann in inniger Mischung mit diesen Altanwohnern die Büffelkopfmasken mit übernahmen. Ich glaube sogar, daß es nicht sehr schwer sein kann, die Stämme anzugeben, die derartiges an die Jukum vererbten. Es müssen das dann wohl Tschamba gewesen sein, die von der Gegend von Jola bis nach Donga gleiche, ja in ihrer Art noch ursprünglichere Büffelmasken haben.
Das zweite, worauf ich hier gleich hinweisen möchte, ist eine frappierende Übereinstimmung zwischen diesen Maskentypen und denen der Tombo-habe südlich der Gomburiberge. Sie erstreckt sich auf folgendes: Die große Menge der Masken stellt Büffelköpfe dar. Alle holzgeschnitzten Masken gelten als männlich. Mit diesen männlichen Holzkopfmasken tanzen aber gemeinsam solche Personen, die von oben bis unten in ein Netzgewebe gehüllt und mit schwarzen Strohbüscheln geziert sind. Daß diese Masken weiblich sind, kann man schon äußerlich daran erkennen, daß das Gewebe vorn mit ebenso aus Schnüren geknüpftem und geflochtenem Busen versehen ist, was die Büffeifrauenmasken der Jukum auch haben. Die Krone der Übereinstimmung scheint mir aber dadurch gegeben, daß die leitende Maske der Tomboschen Büffeltänzer einen Aufsatz trägt, der hoch aufragt und ein auf dem Schwanz stehendes vierbeiniges Tier darstellt, das eigentlich nur eine Eidechse oder ein Krokodil bedeuten kann. — Also auch darin absolute Identität. Dieser Spur ist unbedingt weiter nachzugehen und dann zu prüfen, ob sich hier vielleicht Bruchstücke einer einst weit über den Sudan verbreiteten Anschauungswelt (der dann wohl auch die ganze "Jägerlegende"zuzurechnen wäre) erhalten haben. Die Tradition der Jukum, soweit sie Aku-ma betrifft, lautet nun folgendermaßen: Eine Frau wollte eines Tages auf das andere Ufer des Anukun (Benue) gehen, um daselbst Holz zu sammeln. Sie sah etwas vom Himmel herab in den Fluß fallen. Es war etwas wie ein Mann mit Hörnern. Danach fiel noch etwas vom Himmel in den Fluß herab. Das war eine Frau mit einer Kalebasse.
Die heruntergefallene Frau ließ sich in der Kalebasse, die auf dem Wasser schwamm, nieder. Die Frau, die das vom Ufer aus mit ansah, lief in großer Angst von dannen. Sie lief in ihre Stadt zurück und schrie und weinte ununterbrochen.Als die entsetzte Frau sich ein wenig beruhigt hatte, fragte ihr Mann sie, was sich denn ereignet habe, daß sie so verstört sei. Darauf schilderte die Frau den Wundervorgang. Der Mann sagte: "Das muß ich auch sehen." Die Frau mußte also noch einmal mit hinausgehen und ihrem Mann die Sache und die Stelle zeigen. Der Mann sah dann ebenfalls den Mann mit den Hörnern auf der Wasserfläche stehen und die Frau, die ganz lange Haare hatte, auf ihrer Kalebasse auch auf dem Wasser sitzen. Der Mann sah das mit seiner Frau vom Ufer aus an und kehrte dann mit ihr nach Hause zurück. Daheim beschlief der Mann seine Frau.
Die Frau ward schwanger und gebar ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Das Mädchen starb. Der Vater ging darauf zu einem Manne, der ein Anuko hatte. Der Vater sagte: "Was soll das, daß meine kleine Tochter so schnell starb?" Der Mann warf das Anuko. Dann sagte er: "Deine Frau und du, ihr habt die Sache auf dem Wasser gesehen, ihr aber habt sie nicht mit nach Hause genommen, deshalb mußte euer Kind sterben." Der Mann fragte: "Wie habe ich es denn aber anzufangen, daß ich die Sachen mit in mein Haus bringe?" Der Mann mit dem Anuko sagte: "Geh wieder zurück an das Wasser und fasse die Frau vorn an den Haaren, zieh sie aus dem Wasser ans Land. Die Frau wird dir willig folgen. Bringe die weibliche Aku-ma in dein Haus. Dann kehre zurück und fasse die männliche Aku-ma bei den Hörnern. Zieh sie vom Wasser weg und bring sie auch heim. Sie wird dir auch willig folgen. Deine Frau darf dich begleiten." Der Mann sagte: "Ich werde die beiden Aku-ma in mein Haus nehmen."
Der Mann ging nun an das Ufer. Er faßte erst die Aku-ma-uowa bei den Haaren. Er zog sie aus dem Wasser. Er zog sie hinter sich her. Er brachte sie in sein Gehöft. Dann kehrte er zurück. Er ergriff die Aku-ma-onu bei den Hörnern. Er zog sie von der Wasserfläche fort. Er brachte sie in sein Gehöft. Dann ging er wieder zum Anukomanne und sagte: "Ich habe die beiden Aku-ma in mein Gehöft gebracht. Was soll ich nun mit ihnen machen?" Der Anukomann sagte: "Stellt einen Mattenzaun in der Runde auf. In diesen Raum stellt die beiden Aku-ma. Legt ihnen Asa (Sorghum) hin und stellt einen Topf Wasser herein. Darauf kocht Bier und gebt ein klein wenig den Aku-ma, das andere könnt ihr dann selbst trinken." Der Mann ging nach Hause.
Daheim stellte er einen Sekkozaun auf. Er brachte die beiden Aku-ma hinein. Er legte ihnen Asa hin und stellte eine Kalebasse
mit Wasser auf. Die Frau kochte Bier. Sie gaben den Aku-ma ein wenig davon ab. Dann tranken sie das Bier. Der Mann beschlief dann seine Frau. Die Frau ward schwanger. Die Frau gebar ein Kind. Das Kind war ein Mädchen. Als das Mädchen geboren war, ging der Mann wieder zu dem Anukomann und fragte ihn: "Was soll ich nun tun, wo ich wieder ein Kind geboren habe?" Der Anukomann sagte: "Kocht wieder Bier. Wenn es gut ist, geht zu den Aku-ma und gebt ihnen davon." Der Mann tat so.Als der Mann den Aku-ma das Bier gebracht hatte, kamen sie heraus. Der männliche Aku-ma fragte: "Ist das Kind ein Knabe oder ein Mädchen?" Der Mann sagte: "Es ist ein Mädchen."Akuma sagte: "Dann nennt das Mädchen Auwakuma, das heißt Frau des Akuma." Der Mann tat so.
Seitdem ist der Akuma bei den Jukum. Wenn jemand erkrankt oder eine Frau nicht Kinder bekommen kann, weist der Anukomann die Fragenden oftmals an die Akuma, die ihnen bei gutem Opfer gern helfen würde, und die Jukum sind von der Hilfsbereitschaft und von der Hilfsfähigkeit der Akuma durchaus überzeugt. — Im übrigen sollen die Nachkommen des Mädchens, das später verheiratet wurde, die Könige der Jukum geworden sein. Über die hieran sich anschließende Frage werden wir unten im Abschnitt über Totemismus sprechen.
Diese Legende beweist uns ganz klar, wie stark die Jukurnmythologie unter dem Einfluß der Abaqua-riga steht. Denn diese ganze Art des Vortrages entspricht ganz und durchaus dem Mythentyp des Bori. So können sich in einem Kultur- und Anschauungskreis die verschiedensten Einflüsse nachweisen lassen. Die Sache selbst ist eine Erbschaft aus dem Kreise älterer Anwohner, die totemistische Umbildung noch Jorubisch-Jukumischen Stiles und die Entstehungsdeutung Bori-artig.
Die speziellen Maskenausdrücke geschlossener Anschauungskreise sind nun geschildert und sollen jetzt noch einige allgemeine Beobachtungen und Legenden gebucht werden.
g) Maskenursprung, Maskengewalt, Verschiedene MaskenFolgende Legende soll den Maskenursprung ganz allgemein genommen schildern: In alter Zeit war ein Mädchen im Busch, um Feuerholz zu sammeln. Es fand ein ganz, ganz kleines Messer im Busch. Bald darauf wurde sie krank und ihr Vater ging zu einem Anukoinhaber, um den zu fragen, was dabei zu tun und was an der Erkrankung schuld sei. Der Inhaber des Anuko sagte: "Wenn das Mädchen nicht sorgfältig nach dem Messerchen sieht, das sie gefunden hat, so wird sie sterben. Rufe die ganze Familie des Mädchens
zusammen." Der Vater ging und rief die ganze Familie des Mädchens zusammen. Alle Angehörigen kamen zusammen. Der Anukomann sagte dann zu ihnen: "Hier ist ein kleines Messerchen. Das Messer fand das kranke Mädchen im Busch. Das ist ein Ekindocho (scheint der Name des Messers zu sein, ist mir aber unklar geblieben). Das Mädchen darf in Zukunft bis auf weiteres keine Hühner, Ziegen und Hunde (Abo) genießen. Wenn das Mädchen wieder besser ist, soll wieder Bier (Atjea) gemacht werden. Wenn das geschehen ist, kommt wieder zu mir."Das Mädchen wurde wieder gesund. Es wollte gern wieder einmal Ziegenfleisch essen. Das Mädchen kochte also Bier und ging damit zum Anukomanne. Sie nahm das kleine Messerchen mit. Im Hause des Anukomannes machte sie einen kleinen Erdhaufen und legte das kleine Messerchen darauf. Dann gab sie dem Anukomanne das Bier. Der gab dem kleinen Messer davon zu trinken. Als das geschehen war, gab der Anukomann dem Mädchen das Messer zurück.
Der Anukomann rief aber eine Frau aus der Familie des Mädchens herbei. Er sagte zu ihr: "Hier ist das Mädchen mit dem Messer Ekin-docho (s. oben). Alles, was das Mädchen in Zukunft dem kleinen Messer geben will, das soll sie dir übergeben. Du gibst das dann dem Messerchen." Darauf nahm das Mädchen sein Messerchen und ging damit heim. Daheim machte das Mädchen in der gleichen Weise wie beim Anukomanne einen Erdhügel und steckte das Messerchen hinein. Und das Mädchen gab nun mit der Frau zusammen dem Messerchen jedes Jahr seine Speise.
Mit diesem kleinen Messerchen wurden von den Frauen die ersten Aku geschnitzt. Denn früher hatten nicht die Männer die Aku, sondern die Frauen hatten sie in ihren Händen. Wenn ein Mann den Frauen etwas tat, dann töteten die Frauen den Mann mit Medizin, und zwar mit Hilfe und Kraft dieser Masken. Eines Tages sagte aber ein Mann: "Wenn das so weitergeht, dann werden die Frauen eines Tages alle Männer töten." Darauf kamen alle Männer zusammen. Sie gingen zu einem Anukomanne und fragten ihn in dieser Angelegenheit. Der Anukomann sagte: "Wenn den Frauen die Masken nicht weggenommen werden, so werden sie alle Männer im Laufe der Zeit töten." Daher müssen die Frauen den Männern die Akus übergeben." Darauf nahmen die Männer den Frauen die Masken weg. Seitdem dürfen die Frauen viele Masken nicht sehen. Wenn sie solche Masken unerlaubt sehen, werden sie geschlagen und müssen außerdem Buße zahlen. Wenn die Aku Essen benötigen, haben die Frauen das Essen zu bereiten, die Männer es aber den Masken zu geben. Der Anukomann belehrte die Maskentänzer in jeder Sache sehr eingehend.
Weiterhin möchte ich eine Legende hier vortragen, die sehr klar
darlegt, welche ungemeine Macht und Bedeutung man den Masken beilegt.In der alten Zeit, als Wukari noch im Osten lag, hatte ein König von Wukari einmal einen Sohn, der war sehr stark und ganz außerordentlich kriegerisch. Einmal zog er über den Benue ins Bautschigebiet. Er sagte zu den Bautschileuten: "So kommt doch! So greift uns doch an! Nehmt doch unsere Frauen weg. Verkauft doch unsere Frauen!" Die Bautschileute begannen den Krieg und rückten vor. Der Wassun von Wukari erschrak. Er war nicht so kriegerisch wie sein Sohn. Er zog sich nach Aquano, das im Westen des heutigen Wukari liegt, zurück. Er floh dann auch von Aquano weiter. Er floh nach Norden und über den Benue weg. Die Muntschi verfolgten ihn.
Als der Wassun geflohen war, fiel in Wukari kein Regen mehr; auch kam kein Wind. Es war aber ganz heiß. Die Jukum erschraken. Die Kororofaleute gingen zu einem Anukomann und fragten: "Was soll das? Wie kommt das? Wie ist das zu ändern?" Der Mann warf sein Anuko und sagte: "Das ist, weil der Wassun auf die andere Seite des Flusses geflohen ist. Wenn sich das ändern soll, muß der König zurückkehren. Ehe er nicht zurückkommt, wird kein Wind und kein Regen kommen und die Hitze nicht nachlassen." Darauf folgten die Kororofaleute ihrem entflohenen Könige und brachten ihn in das Land zurück.
Als der Wassun in das Land und die Stadt zurückgekehrt war, fragte ihn Wosin, der Prinz, der den Krieg nach Bautschi hatte tragen wollen: "Warum bist du denn über den Benue weggelaufen?" Der König sagte: "Ich floh, weil du mein Volk mit in den Krieg ziehen wolltest."
Der Anukomann sagte aber zu den Kororofaleuten: "Der Wassun ist nun wieder da. Nun ruft die Aku und vor allem Asama herbei, damit sie tanzen. Danach wird dann Regen fallen und Wind kommen. Die Hitze wird weggehen und unser Korn wird wachsen. Laßt Asama und die Aku tanzen." Die Kororofaleute riefen die Aku und Asama. Asama und Aku kamen heraus. Alle Aku kamen heraus. Sie tanzten durch die Stadt. Als Asama und Aku herauskamen, begann sogleich der Wind zu blasen. Der Himmel bedeckte sich mit Wolken. Die Hitze hörte auf. Der Regen begann zu fallen. Darauf dankte das Volk Asama und dem Aku. Das Volk sagte: "Ihr könnt nun wieder gehen, denn es fällt genug Regen." Die Aku und Asama gingen wieder hinein. —So bekamen die Kororofaleute doch noch eine gute Ernte, trotzdem der König geflohen war.
Es erübrigt nun noch, von einigen mehr oder weniger wichtigen Masken zu berichten, was über sie zu hören war.
Agaschi. Eine sehr angesehene Art von Masken sind die Agaschi,
weibliche Masken aus Netzgewändern mit dann und wann übergelegten Kleidern. Sie haben auf dem Kopf ein doppeltes, stäbchenartiges Spitzlein, von dem hübsch gewebte Bänder wegfiattern. Von ihrer Einführung erzählt die Legende:Agaschi ist ursprünglich ein Taschenkrebs (in Jukum Akan; in Joruba Alakun; in Haussa Kagua; in Nupe Karra), der vordem im Wasser lebte. Im Nebenwasser des Benue hatte diese Agaschi sich eine Höhle gemacht. In jener alten Zeit ging einmal ein Mann da vorbei. Er ging in die Höhle und nahm den Agaschikrebs, er packte ihn in Blätter und brachte ihn mit nach Hause. Der Mann machte sich eine Jägerpfeife. Dann baute er ein Biko (ein rundes Haus). In deren Innern grub er eine Höhle aus, der gleichend, in der Agaschi vordem gelebt hatte, und setzte den Agaschikrebs nun da hinein. Dann braute der Mann Bier. Als er fertig war, nahm er seinen Agaschikrebs wieder aus der Höhle, gab ihm etwas von dem Gebräu und setzte ihn dann wieder an seinen Platz.
Darauf ging der Mann zu einem Anukomanne und fragte ihn, was er nun damit machen solle. Der Anukomann befragte sein Anuko und sagte ihm dann, er solle dem Agaschi ein Kleid machen. Er solle ihn schön anziehen, wenn er ausgehe. Wenn er daheim sei, solle er auf der Jagdpfeife (= Scheschen; in Joruba Fere; in Haussa Busa; in Nupe Gwansanna) blasen; wenn er aber ausgehe, solches lassen.
Der Mann tat so. Er kleidete Agaschi sehr schön. Er führte Agaschi aus. Diese erste Agaschi hieß Saku. Sie ist die Mutter aller andern Agaschis geworden, die heute in Wukari, Donga und so weiter sind. Damals kam die Mutter mit dem Mann zuerst heraus. Heute kommen sie vielfach und sind sehr beliebt. Wenn z. B. der König ein großes Totenfest über die verstorbenen Könige anordnet, so pflegt er zu dem Männergelage auch die Agaschi zu beordern, und die Agaschi tanzen dann. Sie sind immer in Netzgewänder gehüllt und mit Frauenkleidern geschmückt. Auf dem Kopf haben sie eine längliche Spitze, von der Bänderbüschel herabfiattern.
Das Agua-schesche oder Ni-schesche (Speiseverbot) der Agaschi ist natürlich der Taschenkrebs, dann aber auch eine schwarzweiße Antilope (Jukum Atan; in Haussa Maso; in Joruba Galla; in Nupe Edu) und endlich Numi, der Alligator. Die Agaschianhänger können untereinander heiraten. Das Agaschifest findet statt, wenn alles Sorghum eingebracht ist. —Ato-Kun, der Harlekin der Jukumschen Maskenwelt, wird von einigen als der Gatte der Agaschi genannt.
Fata Bergu. Dies ist eine Holzmaske, die mit unter den Akuma tanzt. Die Maske war seinerzeit im Fluß. Der alte, alte Vater
(=Urahn) der Familie, die heute die Fata Bergu noch verehrt, ging gerade am Fluß vorbei, als Fata Bergu aus dem Fluß ans Ufer kam. Der alte, alte Vater der Familie nahm die Maske und trug sie nach Hause. Dann ging er zu einem Anukomann und bat ihn anzusehen, was er da gefunden habe. Der Anukomann kam. Der Anukomann fragte das Orakel und sagte zu dem alten Vater der Familie: "Bau für diese Aku eine Bieko (runde Hütte). Stelle sie darin auf. Dann bereite Bier und schlachte ein Huhn und eine Ziege (=Abi). Das Blut mußt du dem Aku geben (das heißt auf die Maske spritzen). Am ersten Tage schlachte die Tiere und gib dem Aku davon (Blutabgabe), am andern Tag kannst du dann selbst davon genießen. Weiterhin bringe Kleider und kleide den Aku schön. Der Anuko gab diese Anordnungen. Der alte Vater der Familie tat es so. Seitdem kommt Fata Bergu in der Trockenzeit heraus.Die Maske selbst stellt einen Pavian (in Jukum Bergu; in Haussa =Gogo) dar. Fata heißt Fell, und zwar findet dieses Wort deshalb Anwendung im Namen, weil der Maskentänzer bei dem Antreten ein Fell über dem Rücken trägt. Das Speiseverbot der Familie ist natürlich: Pavian. Aber eine Exogamieforderung scheint unbekannt.
Aku-Asciiekin. Die Maske Aschekin habe ich nicht gesehen. Ich gewann den Eindruck, daß sie im Laufe der Zeit "eingeschlafen"ist, um mit den Jukum zu sprechen. In heutigen Tagen verrichtet wohl nur noch der Aku-koa den Totendienst. Früher aber tat dies auch Aku-Aschekin.
Aku-Aschekin war die Maske, die tanzte, wenn ein Mensch gestorben war. Diese Aku, die als männliche galt, ging in das Haus des Verstorbenen bei Tage und bei Nacht. Zuerst kam sie in der Nacht. Sie forderte die Leute des Gehöftes auf, die Töpfe auf den Ofen zu setzen und Bier zu kochen. Darauf tanzte die Maske wieder von dannen. Am andern Morgen kam sie aber ganz früh schon wieder angetrottet, um im Sterbehause dem Biergelage tanzend zu präsidieren. Von dem Bier bekamen dann zuerst die Weiber, die mit den Kalebassen rasselten, und die andern Klageleute. Danach ging die Maske zu der Stelle, an der die Grube schon ausgehoben war und der Tote schon hingebettet. Tanzend sprang Aku-Aschekin dann um das Grab. Dabei sprach er, aber stets in hoher Fisteisprache. Er sprach mit ihm über den längst verstorbenen Vater, über alle seine Väter, dann über die zurückgelassene Familie und drückte die letzten Wünsche des Verstorbenen aus. Zuletzt forderte er im Namen des Toten immer Bier, Bier, Bier! Bier mußte dem Toten mit ins Grab gestellt werden und Bier sollten die Überlebenden trinken.
Damit hatte Aku-Aschekin sein Amt erfüllt. Die Klage hörte auf. Das Grab ward zugeworfen. Die Maske ging nach Hause. Nach
sieben Tagen ward dann wieder Bier gemacht. Die ganze Familie kam nochmals zusammen, um erst ein wenig gemeinsam zu zechen. Danach aber machten die Männer sich auf und zogen in den Busch. Bier und Bohnen wurden mitgenommen und draußen abgekocht und gefeiert. Aku-Aschekin trat dort nicht wieder auf, aber andere Masken und in deren Mitte eine ganz neue. Diese jüngste Maske stellte den jüngst Verstorbenen vor. Es muß ein Aku-ma gewesen sein. Man gab ihm dann aber den Namen Aschu. Diesen Namen kennen wir schon aus dem Bericht über die Aku-koazeremonie. Es ist das mit einem Ringe versehene Rasselhorn der Aku-koatänzer. Diese neue Maske ward also beschenkt, und zwar mit Stoff und Messinggeld. Dann begab sich alles heim. Weibergegenwart war bei diesem Buschfest natürlich streng untersagt; aber, wie schon bemerkt, tanzte auch der Aku-Aschekin im Busch nicht wieder.Ato-Kun. Ato-Kun ist so recht der Gegensatz zur vorigen Maske. Sie ist für die jungen Leute zum Spielen. Es ist eine Netzmaske, wie sie zu fröhlichem Spiel von Senegambien bis hinab nach Angola und zum Sambesi dient. Sie ist bei den Jukum entweder ganz schwarz oder weiß und schwarz und statt schwarz (Humusfarbe) bei Verwendung von Baumwolifäden blau (indigo). Zuweilen dann noch Schilfkränze und -krausen. Wenn die gute Jahreszeit vor der Tür steht, wenn die Ernte naht, ist die Zeit für diese Narreteien. Dann kleiden sich die Burschen in diese Netzgewänder, kommen heraus, tanzen durch die Straßen, schreien und schlagen auf die Menge. Es sind Spaßmacher, die sich bemühen, möglichst komische Stellungen auszudenken. Jedermann kann das machen, wer die gar nicht geringen Mittel für die Anschaffung aufbringt. Es ist kein Vorrecht und nichts Geheimnisvolles dabei. Auch gehören keine Trommeln oder sonstige Musikbegleiter dazu. Diese Einrichtung entspricht also genau dem Kunigi der Nupe, dem Lado der Joruba. Aber nicht nur Lado heißen in Joruba alle diese Netzmaskierten, die mit Stöcken genau wie in Wukari die Menge anfallen und hinter denen dann die freche Straßenjugend johlend herläuft -, sondern im Jorubalande hat jede Maske noch ihren persönlichen Eigennamen. Das ist bei Jukum und Nupe nicht so.
Andere Masken. Damit ist im großen und ganzen der ganze Maskenapparat der Jukum, oder wenigstens was im Lande als eigentlicher Jukumbesitz gilt, niedergelegt. Eine eigentliche Geheimbundmaske wie Naina und Komma bei den Mande gibt es hier nicht, auch nicht in der verblaßten Form der Dako Boia der Nupe. Außerordentlich beliebt und viel verwendet ist aber die von der Abaqua-riga übernommene Asama. Dagegen gab es bei den Jukumfürsten anderer Städte noch einige eigenartige Gebilde. So war früher die Anjokufion, eine hohe Aufsatzmaske, in den Händen des
Vaters des jetzigen Dongakönigs. In der Stadt Bakundi hatte Gakuen, der Vater des Königs Dakonja, eine ähnliche Maske, die mächtig hoch über dem Haupte des Tänzers aufragte. Beide Masken wurden wie Aku verwendet.Also ein ungemein reiches Gebiet, wobei immer noch nicht die eigentlichen Abaqua-rigainstitutionen zu ihrem Rechte kommen.
h) Totemismus, Aki-kattasystem und Weltanschauung (Gestirne usw.)Wir haben nun schon mehrfach im vorhergehenden Spuren totemistischer Bildung getroffen. Da waren Masken von Krebs-, Krokodil-, Büffel- und Affenursprung. Der wesentliche Beleg früheren guten Totemismus ist, daß das betreffende Tier nicht gegessen werden darf, während die andere, mehr fundamental-soziale Forderung des Totemismus, der Exogamie, sich hier nicht zeigt. Ein Beispiel ist die Königsfamilie, die als Speiseverbot (nicheche; in Haussa = sore oder zore; in Nupe =Njeji; in Joruba Ewuo) das Krokodil (=anomi) und die Schlange (=anjon) haben. Von ihr geht eine Sage, daß ihre Mitglieder dereinst nicht solche heiraten durften, die gleichen Nicheche unterworfen waren. Aber es ist das nur eine ganz alte Erinnerung, und in Wahrheit kümmert sich niemand darum. Dies ist auch nicht so sehr schwer zu verstehen. Man braucht nur das Wuchern des Maskenwesens, das tropisch verwucherte Aku-masystem zu betrachten, und man erkennt ohne Schwierigkeit den Grund der Vergessenheit.
Nun wissen wir, daß bei den Joruben, den Vettern der Jukum, das sozial theistische Orischasystem die klarste Form älterer Religion darstellt, die wir überhaupt kennen. Mythologie, Totemismus, Manismus, Götterdienst sind in der vollkommensten Weise angeordnet und in einem so klaren System gemeinsam aufgebaut, wie wir das von keinem andern Volke kennen. Der Orischa, der göttliche Sippenahnherr, verkörpert eine Naturgottheit, deren Dienst mit der Opferung bestimmter Tiere verbunden ist. Daraus ergeben sich die Speiseverbote, deren Innehaltung der exogamischen Regelung als Richtschnur dient. Wir haben nur die einzigen Joruben als Vollbesitzer dieses ausgezeichneten Systems altmythologischsozialer Religionsbildung. Wir können aber bei den Jukum wenigstens soviel beweisen, daß diese solchen Besitz in irgendeiner mehr oder weniger übereinstimmenden Form auch einmal gehabt haben. Das System ist allerdings ganz verfallen, und nur einige wenige alte Männer können noch die wenigen Anhaltspunkte geben, die vielleicht einer späteren Rekonstruktion dienlich sein können.
Der Name für Orischa, für Sippen- oder Familiengott, ist in Jukum
Aki-katta. Jede Familie (in Jukum Oaraken; in Joruba =Iran; in Haussa = Kakani; in Nupe Geberre) hat demnach ursprünglich ihren Aki-katta. Die Zusammenfassung aller Anhänger des gleichen Aki-katta, die früher auch von ihm abzustammen behaupteten, hieß Abantschibuki. Die Heirat in der gleichen oder eigenen Abantschibuki war ausgeschlossen. Im Aki-kattadienst folgten die Kinder dem Vater. Jede Aki-kattaanhängerschaft hatte ihre cheche oder scheche, ihr Speiseverbot.Diese Aki-kattas hatten nun auch symbolische Darstellungen, sinnliche Bildnisse, vor denen die Opfer dargebracht wurden. Wir werden einige eingehender kennenlernen. Der Zusammenhang der heiligen Opferstelle und des Aki-kattadienstes ist oft zu erkennen. Bei den meisten hat ihn aber das Volk vergessen. Die meisten haben noch ihre oft merkwürdig genug gebildeten und ausgestalteten Opferplätze, haben aber vergessen, was es eigentlich für ein Gott war, dem sie opfern oder angehören. Sie kennen seinen Namen, die Art, wie man weiht, aber ob es der Gott eines Elementes oder einer Pflanze oder was sonst ist, das wissen sie nicht. Wirklich klar erhaltene Aki-kattas sind: Anjunu der Sonnengott, Ajen der Erdgott, Putji der Gewittergott usw. Den Mond wollte niemand so recht als Aki-katta gelten lassen. Wir wollen der Reihe nach erst einige Aki-katta und ihre Verehrungsform ansehen.
Aki Tschunjande. Der Donnergott Tschunjande (in Joruba Schango; in Nupe Sogba oder Sokoba; in Haussa angeblich Aradu) soll früher eine große Familie besessen haben. Die Legende erzählt: Eine Frau ging einmal in den Busch, um Holz zu holen. Sie sah einen Stein. Der Stein schlief unter der Wurzel eines Baumes. Die Frau sagte: "Das ist ein schöner Stein. Was könnte ich mit ihm tun? Ich werde ihn mit nach Hause nehmen." Die Frau nahm den Stein auf. Sie steckte ihn zu sich; sie brachte ihn heim. Ihr Mann sagte: "Du brachtest den schönen Stein hier. Weißt du, was vorher mit ihm war? Dieser Stein ist nicht eine Spielsache. Komm mit, wir wollen einen Anukomann fragen, was es mit dem Stein ist." Die Frau sagte: "Das ist mir recht." Der Mann ging mit seiner Frau und mit dem Stein zu einem Manne, der das Anuko verstand, und sagte: "Sage uns, was es mit dem Stein ist." Der Anuko warf seine Orakel. Dann sagte er: "Das ist ein Scheche- (=Verbot, entspricht dem Ewuo der Joruba) Stein (ein heiliger Stein). Wenn ihr den Stein auf den Kopf eines Topfes legt und wenn ihr dann sagt: ,Der Stein soll den und den töten', dann vermag er es. Geht also damit nach Hause und hebt ihn wohl auf!" Der Mann ging mit seiner Frau und mit dem Steine heim.
Ungefähr zehn Tage, nachdem das geschehen war, kam ein Dieb in das Haus dieses Mannes und stahl. Am andern Morgen nahm
der Hausherr das wahr. Er ging darauf wieder zu dem Anukomanne und fragte ihn: "Was soll ich tun? Es stahl jemand nachts in meinem Hause." Der Anukomann sagte: "Bereitet Bier, einen kleinen Topf voll. Schneidet einen dreiarmigen Zweig und nehmt einen Topfteller. Den dreiarmigen Zweig steckt in die Erde, so daß die Arme nach oben ragen. Da hinein stellt den Teller; auf den Teller legt den Stein, den deine Frau neulich fand. Danach schlachtet einen Hahn (Akuijaonu), tötet den, tropft das Blut auf den Teller und den Stein. Opfert das Bier darüber. Was ihr wünscht, das sprecht dann aus!" Der Mann ging mit seiner Frau wieder nach Hause. Er tat, was der Anukomann ihm geraten hatte.Der Mann schlachtete den Hahn; er tropfte das Bier über den Stein aus. Er sagte: "Vorige Nacht hat ein Dieb bei mir gestohlen. Was kann ich gegen ihn tun? Ich bitte dich, hilf mir." Darauf begann der Himmel sich schwarz zu färben. Es begann Regen zu fallen. Ein Gewitter begann. Die Blitze kamen herab. Dann sahen sie ein Haus im Dorfe aufflammen und abbrennen. Durch den Blitz wurde der Mann, der darin gewohnt hatte, herausgeschleudert und die gestohlenen Sachen wurden auch herausgeworfen, so daß sie auf die Brust des Diebes niederfielen. Rechts und links von dem brennenden Hause waren viele Häuser, aber keines brannte ab. Das Gewitter hörte sogleich auf.
Der Mann und die Frau gingen sogleich zu dem Anukomanne und fragten ihn: "Was soll das bedeuten?" Der Anukomann sagte: "Das ist der Mann, der euch bestahl. Euer Stein tat das. Dieser Blitzstein (=Aban) ist von Tschunjande gesandt. Spielt nicht mit ihm. Er ist sehr stark." Die Leute fragten den Anukomann: "Was ißt dieser Aba(n) ?" Der Anukomann sagte: "Gebt ihm vor allem Hähne und Schafböcke (Adun; also sind die Opfertiere noch genau so erhalten wie bei den Joruba, Hahn und Schafbock für Schango!), dann Bohnen (asso; in Haussa nanke) und gekochten Jams mit Öl zubereitet. Wenn aber der neue Jams jung ist, mag ihn Tschunjande nicht. Er nimmt ihn erst an, wenn drei Monate vergangen sind, seitdem er aus der Erde genommen wurde." Der Mann und die Frau taten danach. Sie waren die Eltern der Familie, die Tschunjande verehrt. Der junggegrabene Jams ist aber das Speiseverbot der Verehrer dieses Aki-katta.
Sonne und Mond. Die beiden Hauptgestirne haben einen recht großen Sagenkreis. Wir beginnen mit dem, was von der Sonne erzählt wird.
Anjunu, die Sonne, war früher ein Pferd (Anwing). Das Sonnenpferd lief im Anbeginn im Busch umher. Ein Jäger sah das Sonnenpferd. Er sagte: "Was ist das für ein Tier, das wie Feuer im Busch umherläuft? Es wird nicht gut sein, wenn ich dieses Tier schieße."
Der Jäger steckte den Pfeil wieder in den Köcher und ging nach Hause. Er ging zu einem Anukomann und sagte: "Ich sah heute ein Pferd im Busch. Das war wie Feuer. Ich konnte nicht danach schießen. Was ist das?" Der Mann warf seine Anukoschnüre und sagte: "Das Tier, das du im Busch gesehen hast, ist kein gewöhnliches Pferd; das ist Anjunu, die Sonne."Anjunu, der Aki-katta der Sonne, sagte: "Wenn ich so im Busch weiter herumlaufe, wird mich doch noch eines Tages ein Mann fangen. Ich will lieber emporsteigen." Darauf stieg Anjunu empor. Aber wenn Anjunu Lust dazu hat, kommt Anjunu heute noch auf die Erde herab und läuft als feuriges Pferd da umher, wo keine Menschen sind. An den Tagen, an denen die Sonne nicht heiß brennt, läuft Anjunu im Busch als Feuerpferd umher.
Nun der Mond.
Der Mond (=Assun; in Haussa =Watta; in Nupe Esso) war vordem ein Schafbock (=Adun). Dieser Schafbock pflegte auf der Erde immer dahin zu gehen, wo das Sorghum gestampft ward, dort stahl er. Eines Tages fingen die Leute den diebischen Schafbock und banden ihn im Hause an. Den andern Morgen wurde es nicht hell. Es blieb dunkel. Die ganze Zeit blieb es dunkel. Sie riefen alle klugen Leute zusammen. Einer sagte: "Ich habe heute in meinem Hause etwas gesehen, das war früher nicht drin." Die Leute sagten: "Man soll das herausbringen." Die Leute gingen hin. Die Leute brachten es heraus. Die klugen Leute sagten: "Das ist ein Schafbock." Einer der klugen Leute fragte: "Wo habt ihr den Schafbock denn her?" Die Leute sagten: "Dieser Schafbock fraß immer unser Sorghum, da wo er gestampft wird. Da sind wir denn gestern hingegangen und haben ihn gefangen und im Hause angebunden." Der kluge Mann sagte: "Es wird besser sein, wir lassen diesen Schafbock frei." Der Schafbock sagte selbst: "Was ihr mit mir getan habt, war nicht gut für mich." Die Leute banden ihn los. Darauf sprang der Schafbock in die Höhe, ganz hoch hinauf. Der Schafbock ward nun zum Monde; vorher hatte es keinen Mond gegeben. Es wurde hell und dann kam die Sonne (Anjunu; in Haussa =Rana). Es ward Tag.
Hier möchte ich eine Randglosse einschieben. Ich kenne das Motiv sowohl von den Togostämmen und von Kassaiden. Überall ist die Sonne der gefangene Dieb; also nehme ich an, daß dies auch hier in Jukum vorliegt und daß dieser Schafbock auch die Sonne verkörperte. Das scheint mir auch aus dem Schlusse hervorzugehen.
Weiter eine Legende vom Streit der Gestirne:
Zwischen Sonne und Mond entstand einmal Streit über den Weg, den sie herabliefen. Der Weg der Sonne ist nämlich ein guter, breiter Weg. Auf dem Wege des Mondes sind aber viele steinige
Spitzen, die den Fuß verletzen. Einmal wollte der Mond auf den' guten Wege der Sonne laufen. Da ward aber die Sonne sehr böse. Sie fing den Mond. Dann steckte die Sonne den Mond in den Mund. Das war aber nicht nur einmal, sondern das kommt von Zeit zu Zeit vor (Sonnenfinsternis). Wenn der Mond dann bettelt: "Laß mich wieder gehen!" so läßt die Sonne den Mond wieder frei. Die Sonne sagt dann aber zum Monde: "Geh du aber auf deinem schlechten Wege!"Wie schon oben bemerkt, gilt eigentümlicherweise nur die Sonne, nicht der Mond als Sippengottheit. Der Name der Familie der Sonnennachkommen ist Apa-wunjunu. Der König gehört ihr an und er hat seine eigene "Sonnenbank". Was das heißt, soll sogleich erklärt werden. Die Sonne scheint vor allen Dingen von Wanderern und Kauffahrern verehrt zu werden -natürlich immer mit Ausnahme der eigenen Familie, die ihr selbstverständlich höchste Verehrung entgegenbringt. Unwahr ist, was mir zuerst gesagt wurde, daß nur Mitglieder der Sonnenfamilie diesem Kultus huldigen. Das würde nirgends dem Sinn dieser alten Mythologie entsprechen und stimmt auch hier nicht mit den Tatsachen überein. Die Verehrung der Aki-katta entspricht vielmehr ganz genau dem Orischasystem der Joruba. Zunächst hängt also jeder Mann an seinem Ur-Aki-katta-Ahnen, aber wenn es die Not oder ein Wunsch bedingt, kann er sich immer an jenen Aki-katta wenden, der just die maßgebende Kraft beherrscht; also wer mit der Fruchtbarkeit etwas zu tun hat, wendet sich an Ma, ob er nun ein Ma-Nachkomme oder ein Sohn des Gewitters ist. Die Verehrung der Sonne hat aber folgende Hauptzeremonie.
Man sagt, Njunu (die Sonne, ein andermal hören wir Anjunu) tue alljährlich dasselbe Werk: sie gibt zu essen. Deshalb wendet man sich gerne an sie, wenn man von den väterlichen Eßkalebassen fort und einer auf dem Gebiete der regelmäßigen Ernährung jedenfalls sehr unsicheren Zukunft entgegengeht. Wenn daher - besonders in älterer Zeit wurde das eifrig geübt - ein junger Mann in ein anderes Land ging, um etwas zu kaufen oder zu verkaufen, so setzte er vor den Toren seiner Heimatstadt am Kreuzwege (Adschuadanja; in Joruba =Irrita; in Haussa Magami-hanja; in Nupe =Jekokefi) eine kleine Erdbank. Auf sie steckte er Blätter vom Baume Anjo, den die Joruba Jgba, die Haussa Doroa, die Nupe Lonschi nennen und der kein anderer ist als der, von dem die Mande ihre Sumpalabrühe bereiten (Parkia). Dann trug er zwei Hühner (Hahn oder Huhn) und eine Ziege hinaus, schlachtete sie und goß deren Blut über die Opferbank. Mit den geschlachteten Tieren ging der Apan-saki heim, bereitete selbst gute Suppe und guten Brei oder ließ sie bereiten und brachte von beidem auf die Sonnenbank.
Danach entkleidete er sich vor der Opferstätte vollkommen. Er legte auf die andern Opfergaben die beiden Hühnerköpfe und eine Keule der Ziege. Er kniete nieder und betete etwa folgendermaßen: "Ich bin ein junger Mann, der als Kaufmann (=Sukiom; in Haussa —Katanssi; in Joruba =Isoowo; in Nupe =Kotagwa) in ein anderes Land geht. Du, Sonne, mach mir an allen Orten, an die ich komme, alles recht. Wenn ich gut von der Reise heimkehre, werde ich dir von allem guten, was ich mitbringe, etwas abgeben." Danach kleidet der junge Mann sich wieder an und geht heim.
Am andern Tage begibt er sich auf die Wanderschaft. Seinem Glauben nach wird er nun überall gut geschützt werden. Überall wird es ihm gut gehen. Wenn er heimkehrt, wiederholt er das Opfer. Dieses Mal sagt er seinen Dank. Er muß aber nun sein Versprechen erfüllen und von allem Guten, Gewonnenen der Sonne auf der Sonnenbank (=twun) etwas abgeben.
Andere Gestirne. Was die Jukum von andern Gestirnen zu sagen haben, ist schnell wiedergegeben.
Die Plejaden heißen Atsui-abadjindjen. Einst kam eine Henne auf die Erde mit einer andern zusammen. Das erste Huhn legte Eier. Küken krochen aus. Ein Habicht (Aljene; Joruba =Audi; in Haussa =Sirrua; in Nupe =Nugbi) pflegte von oben nach unten herabzustürzen, die Küken der Henne zu packen und mit ihnen wegzufliegen. Das zweite Huhn legte auch Eier. Das zweite Huhn brütete seine Eier auch aus und dann krochen die Küken aus. Der Habicht kam nicht und nahm die Küken der zweiten Henne nicht, sondern nahm immer die Küken der ersten Henne. Darüber wurde die erste Henne sehr böse und sagte: "Meine Küken werden immer genommen. Die Küken der andern Henne werden nie genommen. Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Ich gehe nach oben in den Himmel." Das Huhn machte sich auf den Weg. Nachdem es eine Zeitlang gegangen war, traf es am Wege einen Mann mit Pfeil und Bogen (also Jäger) mit seinem Hunde. Sie fragte den Jäger: "Ich gehe hinauf in den Himmel, willst du nicht mit mir gehen?" Der Jäger sagte: "Weshalb soll ich nicht mit dir gehen? Weshalb soll ich hier bleiben? Ich gehe mit dir." Darauf ging die Henne mit ihren Küken voran und der Jäger mit seinem Hunde folgte nach. Nach einiger Zeit trafen sie Adje (siehe unten) am Wege. Der Jäger ließ seinen Hund los und sagte ihm: "Faß den Adje! Faß den Adje!" Darauf jagte er den Adje vom Wege weg. Der Hund lief hinterher und der Jäger folgte. Die Henne mit ihren Küken ging allein weiter. — Die Henne mit den Küken sind die Plejaden, der Orion aber Adje, Jäger und Hund. Der Orion heißt Uassa-ndjeba-babaua-bage.
Vom Abendgestirn erzählen die Jukum folgendes:
Die Venus heißt Adsui-auwa (der weibliche Stern). Das Mädchen war vordem die Tochter eines Königs. Das Mädchen fragte seinen Vater: "Wie kannst du es machen, daß du mich zum Monde hinaufsendest?" Der König sagte: "Du siehst selbst, der Mond ist da oben und wir sind hier unten. Wie soll ich es nun also wohl anfangen, dich da hinaufzusenden? Bleibe hier und heirate einen Mann von der Erde." Das Mädchen sagte: "Gib mir genügend Sorghum, daß ich Bier brauen kann. Das will ich dem Akeboku (oder Akendju = Orischa, siehe unten) darbringen." Der König gab der Tochter Sorghum. Das Mädchen machte Bier. Der König wandte sich nun selbst an seinen Akendju, gab ihm das Bier und betete: "Meine Tochter will durchaus den Mond heiraten. Der Mond ist weit, weit fort. Ich kann es nicht machen; wenn du es kannst, tu es du, mein Akandju!" Sieben Tage, nachdem das geschehen war, kam der Mond nachts auf die Erde herab. Der Mond ging zu dem Könige. Der König rief seine Tochter und sagte: "Dies ist meine Tochter, die will niemand andern heiraten als dich. Ich habe mich an meinen Akendju gewandt. Und nun kommst du selbst herunter." Dann sagte der König zu seiner Tochter: "Hier ist der Mond, den du durchaus heiraten willst. Ich habe meinen Aki-katta Akendju zu ihm geschickt, ihn zu rufen. Er ist gekommen. Willst du nun mit ihm gehen?" Das Mädchen sagte: "Ja, ich will mit ihm gehen." Der König sagte: "Hier ist dein Ehemann. Geh mit ihm hinauf. Geh mit ihm; wenn du aber in die Mitte des Himmels kommst, dann laß ihn nach der einen Seite gehen und du geh nach der andern. Bleibe dann nicht weiter zusammen mit deinem Manne. Trenne dich von ihm. Nun geh!" Darauf ging der Mond mit seiner jungen Ehefrau von dannen zum Himmel empor. —Akendju-Akeboku ist der Spezialaki des Königs (Bauernbericht). Das ist alles, was ich über die Gestirne erfahren konnte. Daß Orion, Plejaden und Venus Aki-katta sind, scheint mir ausgeschlossen.
Putyi Regengott. Dagegen ist Putji, der den Regen spendet, entschieden ein Aki-katta im Sinne der Jukum, ein Orischa im Sinne der Joruba, ein Kuti im Sinne der Nupe, ein Saphi im Sinne der Haussa. Putji hat einen heiligen Platz im Busch, der heißt Abihuan und liegt in der Richtung zum Sonnenaufgang. Und wenn etwa ununterbrochen kein Regen fällt, dann muß Putji auf dem Abihuan ein Opfer dargebracht werden. Dieses Opfer hat der Akokoki (Priester Putjis) zu verrichten. Der Akokoki kocht daheim Sorghum, nimmt Bier und Hahn. Dazu nimmt er einen Bullen mit und zieht zum Abiluan.
Viele Leute begleiten den Priester bis zum Gehölz, lassen sich dann aber draußen nieder; denn sie dürfen nicht nähertreten. Nur
der Priester selbst und mit ihm der König können hineingehen. Im heiligen Haine ist ein Bieko, darin in der Mitte eine Höhlung. Der König betet nun hier und der Priester vermittelt die Rücksprache mit dem Aki, dem Gotte - über die Höhlung vornübergebeugt. Fragen und Antworten gehen dann zum Gotte hin und zurück. Des Königs Gebet um Regen hat ungefähr folgenden Wortlaut:"Das ist das Haus meiner Großväter; alles, was meine Großväter wünschen, kann ihnen der Aki Putji geben. Wir warten nun sechs Monate lang auf Regen. Aber es fällt kein Regen. Alle Menschen sind in großer Angst. Es gibt nichts mehr zu essen. Alles ist heiß, alles ist krank. Ich bitte dich, Aki, gib uns Regen! Gib uns Wind!"—— Dieses Gebet wiederholt der König zweimal. Danach werden Hähne getötet, und zwar für Wind ein weißer Hahn, für Regen ein schwarzer Hahn. Das Blut wird in die Höhle gespritzt. Das Opfer des Hahnenblutes findet auf jeden Fall erst nach Vollendung der Gebete statt.
Danach gehen Priester und König hinaus aus dem Walde zu der Stelle, wo das Volk versammelt ist. Das Volk hat inzwischen draußen von dem mitgebrachten Sorghum gegessen. Wenn es nun Nacht ist und Priester und König aus dem Busch zurückkehren, wird der Bulle geschlachtet. Dieser Bulle muß von der Fulberasse (Buckelochse) sein (in Jukum anau-birrani; in Haussa Sanu fullani; in Nupe Nan-kugue; in Joruba malubororo), es darf keiner der kleinen, bei den Munscho heimischen buckellosen Rasse sein (in Jukum Anaumintschi; in Haussa buturu; in Nupe maturu; in Joruba = kete-ku. Kommt in allen diesen Ländern nur in Borgu, dann wieder bei den Muntschi, also nirgend im Haussa-, Joruba- und Nupeland vor). Dabei ist es gleichgültig, welche Farbe der Bulle hat. Hernach wird das Fleisch ausgebreitet, in die Stadt getragen und unter die Frauen verteilt. In allen Familien soll dann abgekocht werden. Überall wird vom Putjirinde gespeist. Und jeder, der davon genießt, wird den Aki bitten, wird ihn während des Essens um Regen angehen, so daß die ganze Stadt gemeinsam im Gebet vereinigt ist. —Dann kommt sicher Regen.
Ma, der Gott der Fruchtbarkeit. Ma ist ein Aki-katta, ein Gott, der in Kidjin, in der Erde lebt. Man wendet sich an ihn, wenn man krank ist oder wenn eine sterile Frau Kinder begehrt. Eine solche Frau zum Beispiel begibt sich mit einem männlichen Hunde und einem Hahn sowie Brei und Bier zu dem Akima. Daneben trägt sie noch Bier und Brei mit einer Brühe, der aber kein Pfeffer beigefügt sein darf. Wenn nämlich in diese Brühe auch nur ein ganz klein wenig Pfeffer, und wenn auch durch Versehen, kommen sollte, so wird die Opfernde blind. — Mit diesen Opfergaben tritt also die Bittstellerin den Weg zu einem heiligen Hain im Westen der Stadt an.
Männern und Frauen ist es gestattet, dieses Aben genannte heilige Wäldchen, das am Ajebache liegt, aufzusuchen. Im Aben ist ein Bieko, ein rundes Haus und in dessen Mitte eine etwa dreiviertel Meter hohe und dreißig Zentimeter starke, oben offene Erdröhre errichtet. Dort muß die Frau opfern. Sie beginnt mit dem Gebet: "Ich weiß nicht, was in meinem Bauche ist, daß ich kein Kind gebäre. Ich komme und bitte dich, mir ein Kind zu geben. Ich bringe dir einen Hund und einen Hahn." Danach reißt sie drehend dem Hahn den Kopf ab und wirft ihn in die Röhre (=Edji oder Edschi), läßt auch das Blut hineinlaufen. Danach schlägt sie mit einem starken Knüppel dem Hunde auf den Nacken, so daß er stirbt. Andere Frauen und auch Männer haben die Frau auf ihrem Bittgänge begleitet. Die Frauen helfen der Opfernden nun, den Hund zu bereiten. Es wird ihm zunächst der Leib aufgeschnitten, die Leber herausgenommen und diese in die Edschi geworfen. Damit ist die eigentliche Opferzeremonie zu Ende. Es wird nun abgekocht und dann der Rückweg in die Stadt angetreten. Der Akokoki (der Priester) der Gottheit steht während der Zeremonie der opfernden Frau gegenüber.
Wenn die Frau auf diese Zeremonie hin schwanger wird, opfert sie nach der vollendeten Geburt ein zweites Mal. Das wiederholt sie dann alljährlich. Ein Kind, das auf solche Zeremonie im Haine des Aki-ma geboren wurde, wird angeblich, wenn es ein Knabe ist, Batuwo, wenn es ein Mädchen ist, Auwa-ma genannt. Solche, die sich krankheitshalber an Aki-ma wenden, haben die gleichen Opfer zu bringen.
Es wurde mir einmal gesagt, daß dieses Aki-ma auch den totemistischen Masken, den Aku-ma, den ma-Namen gegeben habe. Ich kann das nur für Volksethymologie halten. Denn die andere Erklärung, daß die Aku-ma, die Aku-ama, die Akus der Vergangenheit, die Ursprünglichen usw. seien, scheint mir viel wahrscheinlicher.
Von den Aki-ma soll die Familie Ajakube abstammen, diese Familie gilt auch als Nachkommenschaft der Erde.
Opferstellen für Aki-kalla. Damit ist das, was ich über die eigentlichen Götter erfahren konnte, erschöpft. Man erkennt aus dem Zustande des hier Zusammengetragenen, daß weniger eine heilige Scheu der Bevölkerung, mir etwas zu verraten, als vielmehr der Mangel an Interesse und dementsprechende Verkümmerung für diesen Zustand verantwortlich zu machen sind. Und das wird noch dadurch erhärtet, daß es eine Unmasse durch altes Herkommen üblich gewordene Opferplätze gibt, von denen man nur weiß, daß es der Opferplatz eines Aki-katta sei, daß man da das und das und das darzubringen habe, daß aber alle Welt vergessen hat, wer der zugehörige Aki-katta war. Ich will nun die verschiedenen Arten
der Opferstellen des Aki-kattadienstes, von denen ich hörte, aufzählen.i. Akua ist ein Platz im Busch, an dem die Blätter zur Seite gefegt, dann eine Höhlung gegraben wird, in die man opfert.
2. Adsin sind vier kleine Töpfchen in einer Reihe. In sie sind Holzstöckchen gesteckt, Bier wird darauf gegossen.
3. Aja ist ein Topf am Eingang des Hauses, es wird bei jeder Mahlzeit hineingeopfert.
4. Abi ist ein Erdloch, in dem ein Topf steht.
5. Atessa ist ein Opfer, das eine ehebrecherische Frau vollzieht, die, während sie ein noch kleines Kind hat, sich vorzeitig von einem andern Mann als ihrem Gatten beschlafen läßt und ein Bastardkind gebiert, indes das erste Kind stirbt.
6. Akudsuen, das heißt Zwillinge, gelten immer als Aki-katta.
7. Akumfa ist ein auf der Erde stehender Tonteller.
8. Akuahua sind zwei mit den vier Enden einander gegenüber schräg eingegrabene Gabelhölzer, die zwischen den Zinken einen Topf tragen.
9. Akedji ist eine Höhlung in der Erde mit einem Lehmröhrenaufbau von zirka dreiviertel Meter Höhe.
10. Aschina ist eine Grube, darüber ein Häuschen, darüber ein Haus.
11. Ake huon-sosa wird errichtet, wenn das Guineakorn noch jung ist. Dann wird neben einem Hahn ein kleines Loch gegraben und darein eine Feder gesteckt.
12. Aschanga besteht nur aus Lehmklümpchen.
13. Akiwapan ist ein Stein, der flach auf der Erde liegt.
14. Akikuma sind drei ganz kleine Töpfe.
15. Adjuku ist ein Topf in der Mitte, ein Kreis Erdbällchen darum herum.
Jeder andere wird diese Reihe mit ebenso großem Mißtrauen betrachten wie ich zunächst auch. Wie Nr. 5 und 6 usw. in einem Orischakreis Bedeutung besitzen sollen, das ist mir unklar gewesen, bis mir ein glücklicher Zufall nach langem Nachdenken den Weg zeigte.
Aki heißt, wie oben gesagt, Seelen der Verstorbenen gleich den Egun der Joruba. Katta als Akatta heißt aber "Hut" oder die "Höhle, in der Indigo gebraut wird", oder ein "Teil einer Stadt, in der viele Menschen wohnen". Akatta heißt also Hülle oder Wohnstätte, Aki-katta aber ist die Wohnstätte der Verstorbenen. Das stimmt nun mit folgender Angabe überein: "In der Sonne leben Verstorbene, im Mond nicht." Also ist auch die ganz beziehungslos hierzu gegebene Erklärung: "Die Sonne ist ein Aki-katta, der Mond nicht", absolut exakt. Es ist auch ganz klar, daß man bei
solcher Bedeutung des Wortes für Sippengott die sinnliche Lokalisierung in einem Gestirn, einem Fluß, einem Berg oder so sehr leicht gegen die Lokalisierung der Gestirngottheit, Flußgottheit oder Berggottheit oder so, die in solchem Topf- oder Astaltar ausgebildet war, weggab. Denn daß alle Familien früher Götter im Sinne der Joruba-Orischa gehabt haben, versichern die alten Jukum verschiedentlich, und wüßte ich auch nichts, was dem widerspräche.Summa summarum ist von dem Götterahnensystem nur noch das Ahnensystem übriggeblieben. Das ist ein Symptom der Verflachung, von dem ich schon öfter sprach.
i) Subachen (Ako)Zum Schluß soll noch der Subachenglaube der Jukum, der breite L. Flächen im Volksinteresse einnimmt, besprochen werden. — Die Subachen heißen Ako. Wenn sie nachts herauskommen, kann man sie manchmal wie Hunde bellen hören. Hört man das, so weiß man, daß ein Ako ein anderes Haus heimsuchen will. In jeder Stadt sind viele Ako. Wenn sie ausziehen, haben sie ein ganz besonderes Aussehen. Ihr Hinterer ist wie Feuer. Einige haben auch auf dem Rücken Feuer. Im übrigen sind sie ganz gelb. Wenn sie die geschlossene Faust aufschnellen, spritzen Feuerfunken heraus. Die Ako der Jukum ziehen als ganze Menschenkörper aus zum Menschenmahl. Sie lassen nicht etwa den Körper zurück und schlüpfen nicht etwa nur aus der Haut heraus. Die Aki nehmen jeder ein kleines Messer und einen Schleifstein mit, an welch letzterem sie ersteres schleifen, wenn es bei der Arbeit stumpf geworden ist. Messer und Schleifstein sind von besonderer Art. Das Messer ist gelb und der Schleifstein ist auch gelb.
So ziehen die Ako nachts aus und kommen auf Bäumen zusammen. Dort besprechen sie, über wen sie herfallen, wen sie verschlingen wollen. Zum Anführer der jedesmaligen Zusammenkunft wird dann der ernannt, der bereit ist, ein Mitglied aus seiner Familie zu opfern. In das betreffende Haus, in dem das Opfer schläft, gehen sie dann durch die Mauer, indem sie sich mit der Schulter an irgendeiner Stelle gegen sie lehnen. Wenn das schlafende Opfer keinen Lendenschurz anhat, können die Ako es töten. Dann kriechen sie erst in seinen Hintern und von da in sein Gedärm. Dann kann ein anderer auch in den Mund schlüpfen und beide zusammen treffen sich dann im Bauche. Da angekommen, ziehen sie das gelbe Messerchen heraus und beginnen die Leber (Jukum =Agin; Haussa = Jussia; Joruba =Emi; Nupe =Jeje oder Susu) abzuschneiden. Der Jukum stellt sich darunter nichts von Fleisch oder Knochen vor,
sondern meint damit das Leben. Das Abgeschnittene wird an Ort und Stelle verzehrt. Dann stirbt der Mensch auch sogleich. Wenn noch andere Ako außen sind, so können sie das Blut der Opfer trinken. Sie kommen herein, setzen die Lippen an seinen Hals und saugen. Mit Morgengrauen entfernt sich die Gesellschaft, und zwar geht sie wieder durch die Mauer hinaus. Die Ako bevorzugen dabei die Löcher von Ratten. Haben sie ihr Opfer nicht am ersten Tage getötet, sondern nur an ihm gesogen und nur Weniges von seinem Fett und Blut gegessen, so kommen sie nächste Nacht wieder und schlüpfen in den Leib des nunmehr schon Schlaffen und Kranken hinein, fressen mehr und mehr von seinem Fleisch, so daß er zuletzt nur noch aus Haut und Knochen besteht. Dann muß das Opfer sterben.Sowohl Männer wie Frauen können Ako sein. Wenn eine Frau, die Ako ist, schwanger wird und wünscht, daß ihr Kind auch ein Ako werde, so reibt sie sich zunächst einmal mit einer Medizin ein, die aus Palmöl, Schibutter und einer zauberkräftigen, seifenartigen Substanz besteht. Wird das Kind dann geboren, so benetzt die Mutter den Mittelfinger mit dieser Fettmischung und streicht damit über des Kindes Mund. Dann schluckt das Kind das Fett hinunter. Darauf fängt sie dann einen kleinen Vogel, der bei den Jukum Akiki, bei den Haussa Tschudschu-mai, bei Joruba eija-ge und bei Nupe Galu heißt. Es ist ein bunter kleiner Vogel, der nachts umherfliegt und einen Schrei ausstößt, der an Bellen erinnert. Die Frau rupft ihm alle Federn aus und setzt den Nackten dann in eine Kalebasse. — Diesen kleinen Vogel füttert sie von nun an ganz regelmäßig immer zur gleichen Zeit, wenn sie ihrem Kinde Nahrung bietet. Wenn das Kind nun aufwächst, bekommt auch der kleine Vogel langsam wieder Federn. Dann schnitzt die Akomutter sich einen kleinen Löffel aus dem Finger eines verstorbenen Mannes. Damit gibt sie dem Kinde Öl ein.
Wenn die Akomutter nun zum Menschenfraß ausziehen und ihr Kind mitnehmen will, so nimmt sie das Vögelchen des Kindes aus der Kalebasse und drückt es dem Kinde unter die Achsel. Sie selbst hat auch einen solchen Vogel, denn jeder Ako braucht für sein Handwerk einen solchen Vogel. Den nimmt sie unter die eigene Achsel. Dann fordert sie das Kind auf, ihre Bewegungen nachzuahmen. Sie stellt sich nun ganz nackt, nur das Vögelchen unter der Achsel, mit dem Kopf auf die Erde, die Beine in der Luft. Dann ziehen Mutter und Kind zum Menschenfraß aus, das heißt die Körper bleiben daheim und das Vögelchen zieht mit der Akoseele von dannen. Wenn sie ihr Mahl beendet haben, kommen die Vögel wieder heim. Dann stellen Mutter und Kind sich wieder auf den Kopf. Der kleine Vogel schlüpft unter die Achsel und die Akoseele
wieder in ihren Körper. — So verhält es sich mit den Ako, die ihre Akoeigenschaft vererben.Wenn nun aber jemand Ako werden will, in dessen Familie kein Ako ist, so geht er zu dem Ältesten der Akosippe, der immer ein Mann ist und der ihm dann den kleinen Vogel verkaufen kann. Der Akoälteste wird ihn dann verpflichten, niemand gegenüber von der ganzen Sache etwas zu sagen. Und darauf bestreicht er die Zunge des neuen Mitgliedes mit der oben schon erwähnten Fettmischung. Der Neuling muß dann zunächst Bier kaufen, das im Hause getrunken wird. Danach zieht das neue Mitglied mit den Alten in den Busch; dort wird unter Trommeln eine große Tanzerei veranstaltet und dann geht man heim.
Im übrigen sagt das Volk: Wenn irgend ein bedrängter Mensch von einem andern immer Schlechtes erfährt und sich seines Gegners gar nicht mehr erwehren kann, so bittet er Gott um die Akokraft und Gott kann sie ihm auch zur Vernichtung seines Gegners geben. Denn zuletzt soll alle Kraft, die der Ako und auch die der, die die Ako fangen und töten können, von Ama oder Tschidongmama-pa, das ist Gott, stammen.
Als Pa-tsachin bezeichnet man einen Mann, der durch viele Medizin die Kraft gewonnen hat, die Subachen zu sehen. Um sein Geschäft auszuüben, bereitet der Mann sich ein Bohnengericht. Damit geht er unter den Baum, auf dem die Ako als Vögel zusammenzukommen pflegen. Solch ein Baum heißt bei den Jukum Ahi-boko, bei Haussa Itasse-maji, in Nupe Schimangallu, bei Joruba Igiade. Dieser Subachenbaum steht immer auf dem Marktplatz. Dort legt der Subachenjäger wie ein Vogeljäger Fallen, Fallstricke. Er genießt gleichzeitig sein Bohnengericht. Das macht ihn hellseherisch. Und so erkennt er die Vögel. Er fängt sie genau, wie man Perihühner fängt. Den gefangenen Vögeln bindet er die Flügel auf dem Rücken zusammen und bringt sie so in das Haus des Königs. Dort erklärt er die Sachlage. Die Vögel werden nun erst mit zauberkräftigen Ruten (Aga-bohin; in Joruba =Oreagun; in Nupe =Sangische; in Haussa =Isse-mbuga-ma-gam) geschlagen und vom König zum Tode verurteilt, hingerichtet.
Nun ist das Eigenartige, daß im gleichen Augenblicke, wenn den Vögeln die Flügel zusammengebunden werden, auch den zugehörigen Menschen die Arme auf dem Rücken verschnürt sind, und zwar so fest, daß ihnen die Glieder schwellen. Und in dem Augenblick, in dem die Akovogel im Königshofe getötet werden, sterben auch die zugehörigen Akomenschen, die Akomenschenkörper, in ihrem Heim.
Die Volksdichtung der Jukum
1. Vom Mann, den alle Frauen liebten
Ein Mann hieß Koki. Er hatte eine Frau, von der "gebar er"zwei Kinder, das waren Mädchen. Die Mädchen wuchsen heran. Es kamen zwei junge Männer von auswärts. Der eine junge Mann sagte: "Ich bitte dich, laß mich deine Tochter ein einziges Mal beschlafen. Nachher kannst du mich dann töten!"Der andere Bursche sagte zu Koki: "Gib mir eine Ziege zu essen! Weiter will ich nichts. Mit den Weibern will ich nichts zu tun haben!"
Der Vater gab dem Burschen, der darum gebeten hatte, die Ziege.
Der Vater nahm den andern Burschen und dazu seine Tochter. Er führte beide zu einem großen einsamen Haus und sagte: "Darin kannst du meine Tochter diese Nacht beschlafen. Morgen aber werde ich dich dann töten." Darauf schloß er den Burschen mit dem Mädchen im einsamen Haus ein und ging weg. Der Bursche beschlief das Mädchen.
Nachdem der Bursche das Mädchen beschlafen hatte, sagte das Mädchen: "Du hast zu meinem Vater gesagt, du wolltest mich nur einmal beschlafen, nachher wolltest du dich von meinem Vater töten lassen."Darauf beschlief der Bursche das Mädchen noch einmal. Das Mädchen sagte: "Wird es gut für dich sein, wenn ich mache, daß mein Vater dich nicht tötet? Willst du mich dann heiraten?"Der Bursche sagte: "Ja, das wird gut für mich sein. Ich möchte dich sehr wohl heiraten." Das Mädchen sagte: "Warte ein wenig."
Nach einiger Zeit fing das Mädchen an laut nach seinem Vater zu schreien. Der Vater kam und fragte durch die Tür: "Was schreist du? Was hast du?" Das Mädchen sagte: "Mein Bauch schmerzt mich so sehr. Öffne uns doch die Tür, daß wir einmal herauskönnen." Der Vater öffnete darauf die Tür. Das Mädchen und der Bursche kamen heraus, um sich zu entleeren. Beide nahmen draußen zwei große Holzstücke auf und trugen sie in das Haus. Sie legten sie dahin, wo sie vorher gelegen hatten. Dann liefen sie fort in den Busch. Nach einiger Zeit kam der Vater und blickte in das Haus, um zu sehen, ob der Bursche und das Mädel wieder darin wären. Er sah die beiden Holzstücke. In der Dunkelheit hielt er die für den Burschen und das Mädchen. Er schloß die Tür also von außen zu und ging wieder in sein Haus.
Der Bursche und das Mädchen liefen im Busch so schnell sie konnten weg. Sie liefen weit, weit fort. Es war aber eine Schlange
am Wege. Die Schlange biß den Burschen. Er fiel hin und sagte: "Eine Schlange hat mich gebissen; nun werde ich sterben." Das Mädchen setzte sich zu dem Burschen und fing an zu weinen. Der Bursche weinte. Das Mädchen weinte. Nach einiger Zeit kam ein fremdes Mädchen. Das sah die beiden weinen. Das fremde Mädchen fragte: "Was ist euch? Weshalb weint ihr?" Die junge Frau sagte: "Sieh hier den Fuß meines Mannes. Eine Schlange hat ihn gebissen; nun wird er sterben." Das fremde Mädchen sagte: "Wenn es sonst nichts ist, so kommt nur mit mir. Mein Vater hat daheim Medizin gegen Schlangenbisse. Kommt nur schnell mit. Der junge Mann da muß mich nachher aber auch heiraten." Der junge Mann sagte: "Wenn ich nicht sterbe, will ich dich auch heiraten." Der junge Mann ging mit seiner jungen Frau und dem fremden Mädchen schnell zum Hause ihres Vaters. Der Vater des fremden Mädchens gab dem jungen Mann Medizin. Er ward gesund. Danach heiratete der junge Mann auch das fremde Mädchen.Der junge Mann brach mit seinen beiden jungen Frauen auf, um in ein anderes Land zu wandern. Sie gingen weit weg. Dann kamen sie an einen großen Fluß. Sie konnten über diesen großen Fluß nicht hinweg. Sie sagten: "Was tun wir? Wie kommen wir über diesen großen Fluß?"Ein fremdes Mädchen kam und fragte: "Was wollt ihr?" Der junge Mann sagte: "Wir können nicht über den großen Fluß kommen." Das fremde Mädchen sagte: "Ich will meinem Vater sagen, daß er euch übersetzt. Der junge Mann muß mir aber versprechen, mich nachher zu heiraten." Der junge Mann sagte: "Das will ich tun." Das fremde Mädchen ging fort und rief ihren Vater. Der setzte alle drei und seine eigene Tochter auf das andere Ufer. Der junge Mann heiratete die Tochter des Bootmannes.
Der junge Mann ging mit seinen drei Frauen weiter. Sie gingen sehr weit. Sie kamen in das Land des Königs Mado. An einem Platz im Busche sagte der junge Mann: "Hier wollen wir unsere Stadt bauen!" Der junge Mann schnippste mit den Fingern. Da kamen Mauern hervor. Da kamen Häuser hervor. Darin lebte der junge Mann mit seinen drei Frauen. Der König Mado hörte davon. Der König Mado sandte eine Botschaft an den jungen Mann und ließ ihn fragen: "Gehört das Land, in dem deine Häuser und deine Mauern stehen, etwa dir?" Dann sandte König Mado Leute zu dem jungen Mann. Die Leute kamen in den neuen Ort des jungen Mannes. Sie fingen und banden ihn. Dann schleppten sie ihn zum König Mado.
Der König Mado sagte zu dem jungen Manne: "Du hast in meinem Land eine neue Stadt gebaut. Das Land gehört mir. Ich werde dich also töten, wenn du mir nicht den Namen meiner ersten Frau nennen kannst. Wenn du dagegen imstande bist, mir den Namen meiner ersten Frau zu nennen, dann magst du mich töten und an meiner Stelle König werden."Der junge Mann sagte: "Du bist hier König und hast die Gewalt." Der König ließ den jungen Mann fortführen. Die erste Frau König Mados hatte den jungen Mann gesehen. Sie sandte eine Botschaft an ihn und ließ ihm sagen: Ich bin die erste Frau des Königs. Ich habe dich gern, merke dir meinen Namen. Ich heiße Jentebe."
Der König Mado rief alle Tiere des Busches zusammen. Alle Tiere des Buschs kamen zu König Mado. König Mado sagte: "Ich werde den Burschen töten. Wenn ich den Burschen getötet haben werde, könnt ihr ihn essen." Alle Tiere des Busches fragten König Mado: "Was hat dir dieser Bursche getan, daß du ihn töten willst?"König Mado sagte zu den Buschtieren: "Ich habe zu dem jungen Manne gesagt: ,Du hast in meinem Land eine neue Stadt gebaut. Das Land gehört mir, ich werde dich also töten, wenn du mir nicht den Namen meiner ersten Frau nennen kannst. Wenn du dagegen imstande bist, den Namen meiner ersten Frau zu nennen, dann magst du mich töten und an meiner Stelle König werden.' Das habe ich dem jungen Mann gesagt. Wenn er nun also den Namen meiner ersten Frau nicht nennen kann, dann sollt ihr ihn töten!"
Am andern Tage kamen alle Leute zusammen. Als alle zusammengekommen waren, ward der junge Mann in die Mitte geführt. Als nun so viele Leute ringsherum waren, vergaß der junge Mann den Namen der ersten Frau des Königs. Der König Mado fragte: "Welches ist der Name meiner ersten Frau?"Der junge Mann hatte den Namen vergessen. Als er ihn nun nicht gleich sagen konnte, bliesen die Leute auf ihrer Rigita (große Trompete) den Namen. Der junge Mann wußte ihn nun wieder. Der junge Mann sagte: "Der Name deiner ersten Frau ist Jentebe."
Der König stand auf, er ging zu seinem Pferd und bestieg es. Er wollte nach Hause reiten. Die großen Leute kamen hinter ihm her und schlugen ihm den Kopf ab. Dann setzten sie den jungen Mann auf des Königs Pferd. Der Bursche wurde nun König. Als der junge Mann nun König war, rief er die drei Frauen, die mit ihm in König Mados Land gekommen waren. Er hieß sie alle sich um ihn herum niederzusetzen. Dann nahm er den Schwanz eines Büffels und sagte: "Welche Frau will diesen Büffelschwanz?"Alle drei Frauen sagten:
"Ich möchte den Schwanz des Büffels haben! Ich möchte den Schwanz des Büffels haben!"Die erste Frau sagte zu dem jungen Manne: "Gib ihn mir, denn ich habe dir aus dem eisernen Hause geholfen, in das uns mein Vater gesperrt hatte."
Die zweite Frau sagte: "Gib ihn mir, denn ich habe dafür gesorgt, daß mein Vater dich heilte, als du von der Schlange gebissen warst."
Die dritte Frau sagte: "Wenn ich nicht an dem großen Fluß gewesen wäre und meinen Vater herbeigerufen hätte, daß er euch über den Fluß setze, dann wären wir alle nicht hierher gekommen, und du, mein Mann, wärst hier nicht König geworden."Der junge Mann gab darauf den Büffelschwanz der Tochter des Bootsmannes.
Es kam aber Jentebe und sagte: "Ich denke, der Büffelschwanz kommt mir zu." Darauf nahm der junge Mann der Bootsmannstochter den Büffelschwanz wieder weg und gab ihn Jentebe. Der junge Mann aber sagte: "Du, Jentebe, sollst Nguotsi (in Nupe Sonja, das heißt Herrin über alle Frauen und Mädchen) sein. Du, die Bootsmannstochter, sollst Aijondo (entspricht den maidaki in Haussa), du, deren Vater mich vom Schlangenbiß heilte, sollst Akinda (=Galadina in Haussa), du, die mich aus dem eisernen Hause rettete, du sollst Au(n)ku (= Siroma in Haussa) sein."
2. Der GeizigeEin Mann heiratete eine Frau und bearbeitete mit ihr seine Farm. Er gab niemals jemand anderem von seinem Essen ab, sondern verzehrte alles mit seiner Frau allein. Der Mann lebte in Wukari. In Donga wußten aber alle Leute, daß in Wukari ein Mann war, der niemand etwas von seinem Essen abgab. Man wußte in Donga, daß der geizige Wukarimann immer, wenn er essen wollte mit seiner Frau in den Busch ging und in der Farm sein Essen einnahm, damit nur niemand ihm zusehen und ihn um etwas bitten könne. Alle Leute in Donga sprachen über den geizigen Wukarimann.
Es kam einmal ein junger Wukarimann nach Donga und besuchte da seinen Freund, einen jungen Dongamann. Der Wukarimann sagte: "Wir haben einen geizigen Mann in unserer Stadt, der hat noch niemals einem andern Manne etwas abgegeben." Der junge Dongamann sagte: "Ich habe von diesem Manne gehört. Der Mann ist sehr geizig. Wenn ich es aber wünschen würde, so würde der geizige Mann mir zuletzt doch etwas abgeben müssen." Der
Dongamann sagte: "Ich glaube nicht, daß es dir gelingen würde, von dem Manne Speise zu erhalten. Du glaubst mir das nicht. Ich werde es also versuchen. Ich will mich sogleich daranmachen. Nur will ich vorher noch einmal gründlich essen." Der junge Dongamann ließ sich viele und gute Speisen machen. Er aß, soviel er nur zu essen vermochte, steckte sich noch ein gut Teil in seinen Sack und machte sich auf den Weg nach Wukari. In Wukari erkundigte er sich danach, wo die Farm des Geizigen sei, in der dieser immer äße. Er ging zu der Farm. Als er dicht bei der Farm war, aß er noch alles, was er in seinem Beutel hatte, so daß er satt war.Der Dongamann kam um Mittag (als die Sonne in der Mitte stand) auf die Farm des Geizigen. Die Frau des Geizigen hatte soeben das Essen bereitet. Ihr Mann saß bei ihr. Als der Mann den Fremden kommen hörte, sagte er zu seiner Frau: "Stelle schnell den Brei beiseite. Es kommt ein Fremder!" Die Frau kippte schnell den Brei aus dem Topf in die Kalebasse und schob sie unter das Bett. Der Dongamann trat in die Hütte. Er setzte sich nieder. Der Geizige fragte: "Fremder, was machst du hier? Hast du kein Essen bei dir?" Der Dongajüngling sagte: "Ich habe nichts zu essen bei mir. Ich brauch auch nichts zu essen fürs erste. Ich will mich hier nur ein wenig ausruhen!" Der Mann aus Donga blieb sitzen. Er saß in der Hütte bis zum Abend. Er saß dem Bett gegenüber. Der Geizige und seine Frau konnten das Essen nicht herausnehmen, ohne daß es der Mann aus Donga sah.
Als es dunkel ward, sagte der Geizige: "Wir wollen uns nun zum Schlafen hinlegen." Der Dongamann sagte: "Es ist mir recht, ich bin auch sehr müde." Der Geizige und seine Frau legten sich auf das Bett. Der Mann aus Donga hatte einen dicken Wanderknüppel bei sich. Den dicken Wanderknüppel nahm er in die Hand und legte sich vor das Bett auf die Erde.
Als es Nacht war, hatte der Geizige großen Hunger. Er griff mit der Hand unter das Bett, dahin, wo der Brei stand. Der junge Mann aus Donga achtete aber sehr wohl darauf; als die Hand des Geizigen nahe der Kalebasse war, faßte er seinen Reiseknüppel sehr fest und schlug darauf. Er rief: "Diese Ratten." Der Geizige sagte nichts. Er zog die Hand schnell zurück.
Am andern Morgen sagte der Geizige zu seiner Frau: "Frau, packe deine Last, wir wollen ins nächste Dorf gehen, um Essen zu kaufen." Der Fremde aus Donga mag so lange hier bleiben." Der Mann aus Donga sagte: "Nein, ich will nicht allein im Hause
bleiben. Ich will euch helfen, euere Last zu packen und Essen zu kaufen." Die Frau packte ihre Last. Sie stellten die Kalebasse mit dem Essen herein. Der Mann aus Donga half ihr die Last zu schnüren. Dann machten sich alle drei auf den Weg. Sie waren ein Stück weit gegangen, da blieb der Dongamann ein wenig zurück. Der Geizige sah sich um. Er sagte zu seiner Frau: "Der Fremde aus Donga ist zurückgeblieben! Schnell, pack den Brei aus, daß wir ein wenig essen können!" Die Frau stellte die Last hin. Sie schnürte sie auf. Sie stellte die Körbe ab. Der Geizige hörte den Dongamann kommen. Der Geizige sagte: "Schnell, pack die Last wieder zusammen! Der Fremde kommt!" Die Frau packte die Last wieder zusammen. Dann gingen alle drei zusammen weiter.Sie waren ein Stück weit gegangen, da blieb der Dongamann wieder zurück. Der Geizige sagte zu seiner Frau: "Schnell, pack ab, wir wollen essen." Die Frau packte ab. Dann kam aber auch der Dongamann, und die Frau mußte schnell wieder alles zusammenschnüren. So gingen sie bis zum Abend. Dann legten sich alle drei zum Schlafen nieder. Der Dongamann blieb aber mit seinem dicken Reiseknüppel ganz dicht bei der Last liegen, in der das Essen war.
Am andern Morgen machten sich alle drei wieder auf den Weg. Nach einiger Zeit blieb der Mann aus Donga wieder ein Stück weit zurück. Der Geizige sagte: "Wir müssen etwas Besonderes unternehmen, um diesen Mann aus Donga fortzubringen, sonst sterben wir noch vor Hunger. Mit den Toten wird der Mann nicht zusammen sein wollen. Wenn der Dongamann kommt, sage ihm also, ich sei gestorben." Die Frau sagte: "Es ist gut so." Der Geizige warf sich auf die Erde und blieb still liegen.
Nach einiger Zeit kam der Dongamann. Die Frau des Geizigen heulte und schrie: "Hier liegt mein Mann! Er ist gestorben! Er ist tot!" Der Dongamann sagte: "Das ist ganz ausgezeichnet. Hier habe ich mein Messer! Nun wollen wir ihn in zwei Teile schneiden. Jeder von uns beiden bekommt die Hälfte. Wir schneiden das Fleisch ab und verkaufen das Fleisch in der Stadt." Der Mann aus Donga zog sein Messer heraus. Er wetzte auf der Hand. Der Geizige sprang schnell auf und sagte: "Nein, ich bin nicht gestorben! Ich lebe noch!" Die Frau sagte darauf zu ihrem Manne: "Mein Mann, gib diesem Manne aus Donga von unserem Essen ab; er macht uns nur Unruhe. Wenn du ihm von dem Essen abgibst, wird er von dannen gehen!" Der Geizige fragte: "Wirst du auch nicht mehr verlangen
als einen Teil von unserem Brei und nachher nicht mehr?" Der Dongamann sagte: "Gib mir meinen Teil und dann will ich gehen!" Der Geizige packte das Essen aus. Er gab dem Manne aus Donga einen Teil. Der Mann aus Donga steckte den Brei in seinen Gürtel und ging nach Wukari.Er ging zu seinem Freunde, dem jungen Wukarimann, und sagte: "Hier ist das Essen, das der Geizige mir abgab."
3. Der geizige EhemannEin junger Mann hatte viel Geld. Er hatte sehr viel Geld. Er wollte aber vor allem nichts ausgeben für Essen. Der junge Mann heiratete ein junges Mädchen. Er ging in seinen kleinen Speicher (awen; Haussa =rumbu; Nupe =edo; Joruba =aka), er nahm ein klein wenig Guineakorn heraus. Das gab er seiner jungen Frau und sagte: "Bereite hiervon sieben Klöße Brei." Dann ging der junge Mann auf seine Farm.
Die junge Frau kochte von dem Korn sieben Klöße. Abends kam ihr Mann von der Farm. Er sagte: "Bringe mein Essen!" Die junge Frau brachte die sieben Klöße. Der junge Mann setzte sich zum Essen nieder und aß alle sieben Klöße auf. Seiner jungen Frau gab er nichts davon. Die Haut der jungen Frau trocknete ein (das heißt sie hungerte, fiel ein; in der Tat ist es auffallend, wie verschieden die Hautspannung eines und desselben Negers ist, je nachdem er einen Tag nichts oder eine große Portion des beliebten Breies gegessen hat), weil sie nichts zu essen bekam.
Der Mann gab ihr jeden Tag ein wenig Korn und sagte: "Mache hiervon sieben Klöße." Und wenn er dann abends heim kam, aß er sie auf und gab der jungen Frau nichts ab. Vier Tage hintereinander erhielt die junge Frau nichts von den sieben Breiklößen, die sie jeden Tag für ihren Mann machen mußte.
Am fünften Tag ging der junge Mann wieder zu seinem Speicher und nahm ein wenig Sorghum heraus. Das gab er seiner Frau und sagte: "Bereite hiervon sieben Klöße Brei." Dann ging der junge Mann auf seine Farm. Die junge Frau begann das Korn zu reiben. Es kam eine alte Frau aus dem Nachbargehöft, die wollte ein wenig Feuer holen. Die alte Frau sah die junge an und sagte: "Was ist das mit dir, daß deine Haut so trocken ist?" Die junge Frau sagte: "Mein Mann gibt mir nichts zu essen. Ich bekomme jeden Tag Korn für sieben Klöße. Die bereite ich. Abends ißt er sie dann auf und gibt
mir nichts davon ab." Die alte Frau sagte: "Wenn er dir nur soviel Korn gibt und nichts von der Speise übrig läßt, dann nimm einen der sieben Klöße beiseite. Dann wirst du ihn erkennen!" Die junge Frau sagte: "Es ist gut." Die alte Frau nahm das Feuer und ging von dannen.Die junge Frau machte die sieben Breiklöße. Sie nahm einen davon und legte ihn beiseite. Abends kam der Mann von der Farm. Er sagte: "Bringe mir mein Essen!" Die junge Frau brachte die sechs Breiklöße. Der junge Mann setzte sich zum Essen hin und zählte. Der junge Mann fand nur sechs Breiklöße. Der junge Mann rief seine junge Frau und sagte: "Wer nahm den einen Breikloß?" Die junge Frau sagte: "Es kam eine Ziege und stahl ihn." Der junge Mann sagte: "Wenn ich den einen Breikloß nicht noch heute sehe, muß ich sterben." Die junge Frau sagte: "Die Ziege wird ihn gefressen haben." Der junge Mann sagte: "Wenn ich den einen Breikloß nicht noch heute sehe, muß ich sterben!" Der junge Mann stand auf; er ging einige Schritte. Er fiel hin. Er stand auf; er ging einige Schritte; er fiel hin. Er stand auf; er ging einige Schritte; er fiel hin und blieb liegen. Er sagte: "Du siehst, ich sterbe! Bring den einen Breikloß!" Danach sagte er nichts mehr und bewegte sich auch nicht mehr.
Die junge Frau schrie: "Mein Mann stirbt wegen eines Breikloßes! Kommt und seht ihn! Mein Mann stirbt wegen eines Breikloßes! Kommt und seht ihn!" Die Familie der jungen Frau kam herbei. Die junge Frau sagte zu ihrer Familie: "Ihr seht, mein Mann ist gestorben; er lebt nicht mehr! Grabt also eine Grube, daß wir ihn begraben!" Sie legten den jungen Mann hin. Einige gingen hin, das Grab auszuheben. Sie wuschen den Körper des jungen Mannes.
Die junge Frau sagte: "Erst bringt ein großes Tuch, damit wir ihn einwickeln!" Sie brachten das Tuch. Die junge Frau deckte das Tuch über den jungen Mann. Sie kroch selbst darunter und sprach leise zu ihm: "Sieh, die Leute sind gekommen, dich zu begraben. Willst du dich eines Breikloßes wegen begraben lassen?" Der Mann antwortete leise: "Hast du den Breikloß wieder zurückgebracht?" Die junge Frau kam unter dem Leichentuch hervor und sagte: "Mein Mann ist wirklich tot. Bringt ihn ins Grab."
Darauf nahmen die Leute den jungen Mann auf und trugen ihn hinaus. Sie legten ihn an den Rand des Grabes. Die junge Frau sagte: "Nun tretet alle zurück!" Alle Leute traten zurück. Die
junge Frau beugte sich über den jungen Mann und sagte ihm leise lurch das Leichentuch ins Ohr: "Sieh, die Leute sind gekommen, dich jetzt in das Grab zu legen. Du liegst am Rande des Grabes. Willst du dich eines Breikloßes wegen begraben lassen?" Der Mann antwortete leise: "Hast du den Breikloß zurückgebracht? Wenn du den Breikloß zurückgebracht hast, bin ich nicht tot!" Die Frau trat zurück und sagte zu den Leuten: "Begrabt ihn jetzt! Laßt aber ein ganz kleines Loch!"Der junge Mann ward begraben. Die Leute ließen aber ein ganz kleines Loch, das in die Grabkammer hinabführte. Die Leute gingen. Die junge Frau trat an das Grab. Sie sprach durch das kleine Loch: "Nun bist du begraben; willst du nun auch wirklich eines einfachen Breikloßes wegen sterben?" Der junge Mann antwortete von unten: "Hast du meinen Breikloß zurückgebracht?"
Die junge Frau antwortete: "Ja, er ist wieder da!" Der Mann rief von unten: "Das muß ich sehen. Rufe die Leute, sie sollen schnell wieder kommen und das Grab öffnen, damit ich nach meinen Breiklößen sehen kann." Die junge Frau rief die Leute. Die Leute öffneten das Grab. Der junge Mann kam heraus. Die junge Frau rief alle Leute von ihrer Familie und alle Leute von der Familie ihres Mannes zusammen. Sie sagte: "Kommt alle, denn ich will mit allen sprechen, so daß es alle hören." Alle Leute kamen zusammen.
Die junge Frau sagte: "Dieser Mann heiratete mich. Er gab mir jeden Morgen das Korn heraus für das Essen, das er am Abend selbst verzehrte. Ich erhielt nichts zu essen. Meine Haut ist verwelkt. Darauf nahm ich einen Breikloß. Er zählte die Klöße und merkte es. Er sagte, er müsse sterben, wenn er den Breikloß nicht wiedererhalte. Er ließ sich begraben, weil er den Breikloß nicht wiedererhielt. Endlich ließ er sich wieder ausgraben, um zu sehen, ob der Breikloß wieder da wäre. Hier steht er. Er hat seinen Breikloß wieder bekommen. Hier ist der Breikloß. Es liegt ihm am Breikloß mehr als an seinem Leben. Es liegt ihm am Breikloß mehr als an mir. Dann muß er auch mit seinem Breikloß allein bleiben. Ich will jedenfalls mit dem Breikloßzähler nicht mehr zusammenleben."
Die junge Frau ging. Ihre Familie nahm sie zurück. Der junge Mann bekam keine andere Frau. Von da an mußte er sich sein Essen stets selbst machen.
4. Der schlechte Ehemann (Fragment)Eine Frau hat ein Kind, ein Mädchen. Die Mutter stirbt. Das Mädchen wächst heran und heiratet. Der junge Ehemann nimmt die junge Frau mit in ein Farmhaus. Draußen hat der junge Ehemann noch eine Frau, die er beschläft. Die junge Frau muß nun für die beiden Essen kochen. Sie selbst erhält nichts. Als sie sich ein wenig beiseite bringt, wird ihr das auch noch weggenommen und vom Ehemann gegessen. Die junge Frau wendet sich nun an ihren Onkel, und zwar den Mutterbruder (asapean; in Haussa=kennwowoa, in Nupe =nandji, in Joruba =aburroja) und klagt, daß sie nichts zu essen erhalte. Der Onkel stellt die Sache fest und nimmt ihm die Frau wieder fort. Er schließt: "Der Mann hat ja noch eine andere Frau, die er beschläft."
5. Die abgebundenen Geschlechtsteile der FrauenAls Ama (Gott) vordem die Welt machte, pflegten die Frauen (Frau =aun[u]a) ihre Geschlechtsteile (Hambi) umzubinden und abzulegen wie eine Bente (Durchzugsschurz; Bente in Jukum =beting; Plural: abetin).
Eines Tages gingen alle Frauen an das Wasser, um zu baden. Sie legten also ihre Geschlechtsteile am Ufer nieder und stiegen in den Fluß. Ein großer schwarzer Affe (bergu) sah das. Er kam vom Baum herab. Er stahl die Geschlechtsteile einer Frau. Er lief damit weg. Als er sich unbeobachtet glaubte, steckte er seinen Penis (twiu) hinein und beschlief die Hambi (beschlafen =Hambi). Inzwischen kamen die Frauen aus dem Wasser. Jede der Frauen band ihre Hambi um. Aber eine der Frauen konnte ihre Hambi nicht finden. Es war eine Frau des Königs.
Die Frau des Königs ging ohne Hambi nach Hause. Die Frau ging zum König und sagte: "Ich ging zum Baden. Ich legte meine Hambi ab. Während ich badete, ist mir meine Hambi gestohlen worden." Der König rief einen jungen Jäger (boa-tata) und sagte zu ihm: "Meiner Frau ist, während sie badete, die Hambi gestohlen worden. Sieh, ob du sie nicht findest."Der junge Jäger ging in den Busch und suchte die Hambi. Endlich sah er den großen schwarzen Affen, wie er die Hambi mit seinem twiu bearbeitete. Der Jäger schoß den Affen, nahm die Hambi der Königsfrau und brachte sie dem König.
Der König rief alle Frauen der Stadt zusammen und sagte zu ihnen: "Ihr Frauen! Ob ihr Mädchen seid oder Frauen, die schon Kinder geboren haben, laßt alle nicht mehr eure Hambi am Ufer liegen, wenn ihr baden wollt. Nehmt sie mit ins Wasser und wascht sie!"
Früher war es Sitte, daß die Frauen, wenn ihre Männer Lust zum Beischlaf hatten, ihre Hambi abbanden und den Männern hingaben und sie von diesen erst wieder zurücknahmen und umbanden, wenn die Männer ihre Lust gekühlt hatten.
6. Unji, der Elefant und die Aki-kattaUnji, der Elefant, lebte vordem in einem Hause. Wenn man einem Aki-katta (vgl. oben S. 253) ein Opfer darbrachte, beteiligte er sich daran. Wenn dann dem Aki-katta das Essen hingestellt war, lief Unji stets schnell hin und fraß alles auf. So bekamen die Akikatta überhaupt nichts mehr zu essen.
Die Aki-katta kamen also eines Tages zusammen und sagten: "Was können wir tun, um diesen Unji unschädlich zu machen? Wir müssen etwas gegen diesen Unji unternehmen."Die Aki-katta taten sich also alle zusammen. Dann jagten sie Unji aus der Stadt in den Busch. Unji sagte: "Wenn ich einen Aki-katta oder einen Menschen im Busch treffe, werde ich ihn töten."Auf diese Weise kam der Unji, der früher in der Stadt gelebt hatte, in den Busch.
7. Adje (Kaninchen) überlistet Leopard und LöwenAdje hatte fünf Kinder und Afi, der Leopard, hatte fünf Kinder. Beide waren sehr befreundet miteinander. Beide gebaren ihre Kinder zur gleichen Zeit. Beide hatten danach großen Hunger. Denn es gab nirgends etwas zu essen. Adje sagte zu Afi: "Ich habe großen Hunger, was machen wir ?"Afi sagte zu Adje: "Ich habe auch großen Hunger, was machen wir?"
Adje sagte zu Afi: "Töte doch zwei deiner Kinder und iß sie auf!" Afi nahm zwei seiner Kinder und tötete sie. Er nahm eines und gab es Adje. Afi aß das eine Kind auf. Adje legte das andere Kind zur Seite. Am andern Tag sagte Afi zu Adje: "Heute töte du nun zwei deiner Kinder, damit wir etwas zu essen haben."Adje tötete seine Kinder nicht, sondern versteckte sie. Er nahm aber das Kind, das Afi am vorigen Tag getötet und ihm gegeben hatte, und gab es Afi. Er sagte zu Afi: "Hier hast du ein Kind, iß es!" Afi aß das Kind
auf. Am andern Tag tötete Afi zwei Kinder, gab eines davon Adje und sagte: "Da hast du eines, iß es."Adje brachte das Kind beiseite. Afi aß sein Kind. Am andern Tag sagte Afi zu Adje: "Heute töte du nun wieder zwei deiner Kinder, damit wir etwas zu essen haben."Adje nahm darauf das Kind, das Afi ihm am vorigen Tag gegeben hatte, gab es Afi und sagte: "Hier hast du ein Kind, iß es!" Afi aß das Kind auf. Am andern Tag sagte Adje zu Afi: "Wir haben solchen Hunger. Warum kannst du das letzte deiner Kinder nicht töten, daß wir es essen!"Afi nahm das letzte seiner Kinder. Er tötete es; er teilte es; er aß seine Hälfte und gab die andere Hälfte Adje. Adje legte die Hälfte des Kindes beiseite. Am andern Tag nahm er sie und brachte sie Afi. "Hier ist die andere Hälfte des letzten Kindes."Am nächsten Tag kam Afi zu Adje, um ihn zu besuchen. Afi kam in Adjes Haus, als Adje abwesend war. Afi sah alle fünf Kinder Adjes. Afi sah, daß Adje keins seiner Kinder getötet hatte. Afi fragte die Kinder Adjes: "Wo ist eure Mutter?" Die Kinder Adjes sagten: "Unsere Mutter ist in den Busch gegangen, Essen für uns zu holen. Unsere Mutter bringt uns jeden Morgen Essen aus dem Busch. "Afi sagte: "Ich will warten, bis eure Mutter heimkommt."Afi wartete. Adje kam. Afi sagte zu Adje: "So hast du es gemacht, daß ich alle meine fünf Kinder aß! Deine Kinder leben aber alle!"
Afi ging zum König. Das war Asenkun. Afi sagte: "Rufe alle Tiere zusammen. Ich muß mich schwer über Adje beklagen!"Asenkun rief alle Tiere. Es kamen Unji (der Elefant) und Taini (Hyäne; Plural: thami) und Uidji (wilder Büffel) und viele andere Tiere. Asenkun sagte zu Taini: "Geh hin zu Adje und rufe ihn hierher!" Taini ging. Taini kam zu Adje. Taini sagte zu Adje: "Der König läßt dir sagen, du sollst zu ihm kommen."Adje sagte: "Ach, ich bin so krank! Ach, ich kann nicht aufstehen und gehen."Tami kam zurück zu den andern Tieren und sagte: "Adje ist so krank. Adje kann nicht aufstehen und gehen!"
Asenkun sagte: "Dann will ich selbst hingehen. Asenkun machte sich bereit. Akun (der Varanus; in Haussa demu; in Joruba = aglanti; in Nupe =ebo) hörte es. Akun lief schnell zu Adje und sagte: "Bereite dich vor! Asenkun will selbst zu dir kommen." Adje sagte zu seiner Frau: "Asenkun kommt selbst! Binde mich!" Adjes Frau band ihren Mann ein. Sie steckte ihm Baumwolle in beide Backen. Dann nahm die Frau Adjes ihren Mann in die Arme wie ein kleines Kind. — Asenkun kam. Asenkun sagte: "Wo ist dein Mann?" Frau Adje sagte: "Mein Mann ist nicht hier. Ich will
ihn aber rufen. Halte derweilen das Kind." Asenkun nahm das Kind in seine Arme. Frau Adje lief weg, um ihren Mann zu rufen.Als die Frau weg war, spie Adje von der weißen Baumwolle aus und auf Asenkuns Beine. Asenkun sprang auf. Er rief: "Das Kind beschmutzt mich. Er warf das Kind weg. Er sprang ins Wasser, um sich von dem weißen Schmutz (der Baumwolle) zu reinigen. Adje sprang inzwischen ins Haus. Adje sagte zu seiner Frau: "Asenkun ist im Wasser. Frage ihn, wo er dein Kind hat. Ich will inzwischen die Kinder wegbringen." Frau Adje ging hinaus, (Vgl. das gleiche Motiv in einer in Bena Lussambo gesammelten Legende.)
Frau Adje kam an das Wasser. Sie sagte zu Asenkun: "Wo hast du mein Kind? Oh, du hast sicher mein Kind im Wasser getötet!" Asenkun kam aus dem Wasser. Adje kam aus dem Hause. Adje sagte: "Meine Frau hat dir mein Kind zum Halten gegeben. Wo hast du mein Kind?" Asenkun sagte: "Nun, komm erst einmal mit zum Gericht."
Adje sagte: "Ich bin krank. Ich kann nicht mit zum Gericht gehen." Asenkunsagte: "Wenn du nicht gehen kannst, will ich dich tragen. Steige auf meinen Rücken!"Adje sagte: "Dann muß meine Frau aber einen Sattel (Joruba =sidi) bringen, damit ich fest sitzen kann." Asenkun sagte: "Wenn du dann fester sitzt, leg einen Sattel auf!" Adje legte einen Sattel auf. Adje sagte: "Dann muß meine Frau aber erst ein Gebiß bringen, damit ich mich daran festhalten kann." Asenkun sagte: "Wenn du dich besser halten kannst, lege ein Gebiß an (Gebiß nadjan)."Adje legte Asenkun ein Gebiß mit Zügel an. Dann ging Adje hinein ins Haus. Er legte seine besten Kleider an. Er setzte seinen großen Hut (akata) auf, weil es so heiß war. (Er war also gekleidet wie ein ganz großer Herr.) Dann band er noch die Sporen (=djiga) an. So kam Adje heraus und stieg auf Asenkun, der angezäumt war.
Adje ritt auf Asenkun zu der Stelle, wo alle Leute auf ihn warteten. Als er ganz dicht an dem Platze war, gab er Asenkun die Sporen, so daß er erst über den Gerichtsplatz hinwegritt, dann wendete er Asenkun und kam zurück auf den Gerichtsplatz. Alle Tiere waren rundherum versammelt. Adje stieg ab. Er band Asenkun mit einem Pferdestrick an einer Baumwurzel fest.
Asenkun stieg in Wut mächtig auf. Asenkun zerriß den Strick, an dem er festgebunden war. Dann stürmte Asenkun auf die andern Tiere zu, weil Adje hinter sie getreten war. Alle Tiere stürzten sogleich hinweg. Sie erschraken so, daß sie nach allen Seiten auseinandersprangen.
Der Löwe war wütend, daß alle fortliefen. Er stürzte auf den Büffel zu, um ihn fest zu packen und zurückzuhalten. Asenkun rief den Tieren nach: "Lauft alle hinter Adje her und faßt ihn, denn Adje hat sehr Schlechtes getan." Die Tiere aber liefen weiter weg und riefen zurück: "Das Tier, das auf dir reitet, ist stärker als wir alle, das können wir nicht festhalten."Seitdem ist Asenkun so wütend, daß er alle Tiere im Busch packt und tötet.8. Adje (Kaninchen) reitet Awing (das Pferd)Adje machte eines Tages Streit. Adje sagte: "Ich übertreffe die Auwinji" (Elefantin; es ist jedenfalls die Elefantin; denn auwa =Frau, unji =Elefant). Die Frau Unjis fragte: "Womit übertriffst du mich ?"Adjekung (der Löwe) sagte: "Adje, rede nicht so mit Auwinji, denn du bist sehr klein."Adje sagte: "Wenn ich mit der Auwinji rede, weshalb mischst du, Adjekung, dich da hinein?"Affi (der Leopard) sagte: "Warum sprichst du so (unverschämt) mit meinem großen Bruder (dem Löwen) ?"Adje sagte: "Bist du auch dabei ?"Taini (die Hyäne) sagte: "Was redest du, der kleine Adje, da mit Adjekung?!"Awing (das Pferd) sagte: "Warum redest du so mit der Auwinji?! Du kannst doch nichts mit ihr tun!"Adje sagte: "Awing, willst du nicht da weggehen, wo die Sache dich nichts angeht?" Awing sagte: "Warum sagst du, ich solle nicht mit dir reden? Wenn wir Streit anfangen sollten, bist du doch zu klein, um etwas gegen mich ausrichten zu können!"Adje sagte: "Ich spreche nicht mit dir; ich kann keinen Streit mit dir anfangen."Awing sagte: "Versuche es doch! Geh zu meiner Frau und sieh zu, ob du die beschlafen kannst!"Adje ging.
Adje ging und suchte die Frau Awings. Er sagte zu der Frau Awings: "Dein Mann ist weit weg! Komm, laß dich von mir beschlafen." Die Frau Awings sagte: "Wenn aber mein Mann dazukommt, wird er dich töten. Du bist sehr klein!"Adje sagte: "Dein Mann kann mir nichts machen." Dann beschlief er die Frau Awings. Als Adje Awings Frau beschlafen hatte, sagte er. "Was kann dir dein Mann geben, was ich dir nicht geben kann?"Awings Frau sagte: "Mein Mann pflegt in den Busch zu gehen und mir frisch keimende Zweige zu bringen, die dort wachsen und die ich sehr liebe."Adje ging in den Busch. Adje fand die Keimblätter. Adje brachte sie der Frau Awings. Die Frau Awings sagte: "Ich will von nun an bei dir bleiben und nicht mehr mit Awing zusammenleben."
Dann ging Adje hin und suchte Adju (Gummi; in Haussa = danku; in Joruba =ate; in Nupe =ete). Den Gummi klebte er auf eines seiner Augen. Dann ging er zu Awing und sagte: "Awing, du hast recht gehabt. Ich ging zu deiner Frau und suchte mit ihr Freundschaft zu schließen. Sie hat mir aber mit dem Huf ein Auge ausgeschlagen. Sieh hier mein Auge!"Awing sagte: "Ich habe dir das gleich gesagt."Adje sagte: "Du hast recht gehabt. Wir wollen nun miteinander Freundschaft schließen."Awing sagte: "Gut, ich will mit dir Freundschaft schließen."
Adje ging weg. Er ging zu Awings Frau zurück und sagte: "Ich habe heute mit deinem Mann Freundschaft geschlossen."Awings Frau sagte: "Du willst mich also nicht heiraten?"Adje sagte: "Gewiß will ich dich heiraten. Du wirst alles sehen."Die Frau Awings sagte: "Gut, dann wollen wir uns heiraten."
Adje ging. Adje holte Zaumzeug und Sporen. Er brachte beides zu Awing und sagte: "Wir sind nun Freunde. Ich schenke dir diese Dinge. Sieh, ob sie dir gut anliegen."Awing legte das Zeug an. Awing sagte: "Welcher Schmied hat das Gebiß gemacht? Ich möchte zu ihm gehen und es mir ein wenig ändern lassen."Adje sagte: "Komm, ich will dir den Schmied zeigen."Awing machte sich mit Adje auf den Weg zu dem Schmied.
Als sie ein Stück weit gegangen waren, sagte Adje: "Du gehst so schnell. Ich komme nicht mit dir."Awing sagte: "So komm und setze dich auf meinen Rücken!"Adje band die Sporen an und setzte sich auf den Rücken Awings. Adje sagte: "Nun lauf!"Awing mußte laufen. Am Wege stand Awings Frau. Adje lief erst an ihr vorbei. Dann wendete er das Pferd und kam zurück. Er hielt Awing bei seiner Frau an und sagte zu ihr: "Habe ich dir nicht vorher gesagt, daß ich deinem Mann an Stärke überlegen sei? Siehst du es nun?"Awing war mit Schweiß bedeckt. Awing zitterte. Awings Frau sagte: "Ich sehe es jetzt!"Adje ritt mit Awing noch ein Stück. Dann machte er kehrt. Er rief seinen Auwan-domi (Burschen, Diener). Der Auwandomi kam. Adje sagte zu ihm: "Halte das Pferd." Der Auwan-domi hielt das Pferd. Adje stieg ab. Adje ließ das Pferd anbinden. Abends gab der Pferdebursche Awing kein Essen.
Am andern Morgen rief Adje Awings Frau. Awings Frau wohnte jetzt bei ihm. Adje ging mit Awings Frau, die jetzt seine Frau war, dahin, wo Awing angebunden war, und sagte: "Sieh, jetzt gebe ich deinem früheren Mann Gras zu essen! Sieh, daß ich ihm überlegen bin!"Als Awing das hörte, machte er "Hhm!"(Tiefer Grunzton.)
9. Adje (Kaninchen) bringt Auidjin (Riedbock) und Anne (Skorpion) zu seinem SchwiegervaterAdje (das Kaninchen) ging nach Donga und bat, daß man ihm ein Mädchen gäbe, das er gern heiraten wolle. Adje rief Auidjin (Riedbock; in Haussa=maria). Er sagte zu Auidjin: "Komm, wir wollen zusammen nach Donga gehen, um meinem Schwiegervater einen Besuch zumachen."Auidjin sagte: "Ich werde mit dir gehen." Sie gingen ein Stück weit. Dann sagte Adje zu Auidjin: "Wenn wir nach Donga kommen, wird mein Schwiegervater uns Bier vorsetzen. Wir haben aber kein Trinkgefäß. Geh also zurück und hole eine Affenkalebasse (Akakadon; in Haussa =gorriambirri; in Nupe = ephobe; in Joruba =egboabo oder igboabo, genannt Affenkalebasse) !"Auidjin sagte: "Nein, ich kann nicht zu dem Baum gehen, denn der Weg dahin ist sehr weit."Adje sagte: "Dann werden wir nichts trinken können."
Adje und Auidjin kamen nach Donga. Der Schwiegervater Adjes gab ihnen ein Haus. Dann sandte der Schwiegervater ihnen einen großen Topf voll Bier. Adje sagte zu Auidjin: "Siehst du, nun können wir nicht trinken, weil wir keine Kalebasse haben. Willst du nicht doch noch zurückgehen und eine Akakadon holen?" Auidjin sagte: "Ja, ich will hingehen und eine Akakadon holen." Auidjin lief fort. Als Auidjin fort war, trank Adje das ganze Bier allein aus.
Nach einiger Zeit kam Auidjin. Auidjin sagte: "Hier ist die Akakadon." Adje sagte: "Du kommst zu spät. Mein Schwiegervater hat inzwischen das Bier zurückgenommen. Lege aber die Schale in das Haus und verwahre sie, damit wir sie morgen haben, wenn wir anderes Bier bekommen." — Am andern Tage sagte Auidjin zu Adje: "Komm, wir wollen heimgehen. Wir bekommen hier im Hause deines Schwiegervaters doch nichts zu essen." Darauf gingen sie zusammen wieder heim.
Am andern Tag sagte Adje zu Auidjin: "Komm, wir wollen zusammen meinen Schwiegervater besuchen." Auidjin sagte: "Nein, ich komme nicht mit dir."Adje ging zu Afo (der Beschreibung nach eine Gazellenart; in Haussa =gadankumi; in Joruba =galabo; in Nupe =edukussi) und sagte: "Komm, wir wollen zusammen meinen Schwiegervater besuchen!" Afo sagte: "Es ist gut." Beide machten sich auf den Weg. Sie gingen ein Stück weit. Dann sagte Adje zu Afo: "Wenn wir nach Donga kommen, wird mein Schwiegervater
uns Bier vorsetzen. Wir haben aber kein Trinkgefäß. Geh also zurück und hole eine Akakadon." Afo sagte: "Nein, ich kann nicht zu dem Baume gehen, denn der Weg dahin ist sehr weit."Adje sagte: "Dann werden wir nichts trinken können."Adje und Afo kamen in Donga an. Der Schwiegervater Adjes gab ihnen ein Haus. Dann sandte der Schwiegervater ihnen einen großen Topf voll Bier. Adje sagte zu Afo: "Siehst du, nun können wir nicht trinken, weil wir keine Kalebasse haben. Willst du nicht doch noch zurückgehen und eine Akakadon holen?" Afo sagte: "Ja, ich will hingehen und eine Akakadon holen." Afo ging. Als Afo fort war, trank Adje das ganze Bier allein aus.
Nach einiger Zeit kam Afo. Afo sagte zu Adje: "Hier ist die Akakadon."Adje sagte: "Du kommst zu spät. Mein Schwiegervater hat inzwischen das Bier zurückgenommen. Lege aber die Schale in das Haus und verwahre sie, damit wir sie morgen haben, wenn wir anderes Bier bekommen." —Am andern Tag sagte Afo zu Adje: "Komm, wir wollen heimgehen. Wir bekommen hier im Hause deines Schwiegervaters doch nichts zu essen!"Darauf gingen sie zusammen wieder heim. Am andern Tag ging Adje zu Anne (dem Skorpion; in Haussa =kudama; in Joruba akeke; in Nupe =kinkere) und sagte: "Komm, wir wollen zusammen meinen Schwiegervater besuchen." Anne sagte: "Es ist mir recht. Du aber bist groß und ich klein. Ich kann also nicht mit dir Schritt halten. Du mußt mich schon in deine Nase stecken und dahin tragen."Adje sagte: "Es ist mir recht. Komm herauf. Ich will tragen."Adje nahm Anne in die Nase. Dann ging Adje fort. Als sie ein Stück weit gekommen waren, sagte Adje zu Anne: "Wenn wir nun zu meinem Schwiegervater kommen, wird der uns Bier vorsetzen. Wir haben dann keine Schale, es zu trinken. Willst du zurücklaufen, eine Akakadon zu holen ?"Anne sagte: "Weshalb soll ich das nicht tun?"
Sie kamen in Donga an. Der Schwiegervater gab Adje ein Haus. Der Schwiegervater brachte Adje einen Topf Bier. Adje sagte zu Anne: "Nun komm heraus aus meiner Nase. Mein Schwiegervater hat das Bier gebracht." Anne sagte: "Nein, ich komme nicht heraus!" Adje sagte: "Ich will, daß du herauskommst!" Anne sagte: "Ich komme nicht heraus. Geh dahin, wo die Leute Bier brauen, und sage, du wollest da schlafen." Adje sagte: "Ich werde nicht dahin gehen. Ich will hier bleiben und das Bier austrinken." Anne sagte: "Wenn du nicht dahin gehst, steche ich dich!" Adje ging zu seinem Schwiegervater und sagte: "Laß mich heute da schlafen,
wo ihr Bier bereitet." Der Schwiegervater sagte: "Das ist dort. Leg dich dahin!"Adje ging dahin.Als Adje in der Bierküche war, sagte Anne zu ihm: "Nun öffne den großen Biertopf und entleere dich da hinein."Adje sagte: "Das ist das Haus meines Schwiegervaters; da kann ich nicht so Schlechtes tun!"Anne sagte: "Tue das, entleere dich in den Biertopf, so daß ich es sehe, oder ich steche dich!"Adje sagte: "Ich kann es nicht tun." Anne stach Adje. Adje schrie. Dann öffnete Adje den Biertopf, setzte sich darüber und entleerte sich darin. Dann kam Adje herunter.
Adje ließ den Kopf tief zur Erde hängen. Der Biß Annes schmerzte ihn sehr. Der Schwiegervater kam herbei. Er sah Adje sitzen. Er fragte: "Mein Schwiegersohn, was ist dir?"Adje sagte: "Mich beißt etwas in die Nase; ich weiß nicht, was es ist." Darauf kam Anne aus Adjes Nase und begrüßte den Schwiegervater. Anne sagte: "Dieser Adje kam erst mit Auidjin zu dir. Du gabst ihnen einen großen Topf Bier. Adje schickte Auidjin weg. Er trank alles Bier allein. Als Auidjin wiederkam, sagte Adje, du habest das Bier wieder weggenommen. Adje kam dann mit Afo zu dir. Du gabst ihnen einen großen Topf Bier. Adje schickte Afo weg. Er trank alles Bier allein. Als Afo wiederkam, sagte Adje, du habest das Bier wieder weggenommen. Dann forderte Adje mich auf, mitzukommen. Er wollte es mit mir ebenso machen. Ich ließ mich aber von ihm in der Nase tragen und habe ihn gestraft. Adje ist aber schlecht. Schicke ihn fort und setze mich an seine Stelle."
Der Schwiegervater sagte: "Du hast recht." Der Schwiegervater tat, wie Anne es geraten hatte. So brachte Adje den Skorpion, der früher nur im Busch lebte, in die Hütte.
10. Adje (Kaninchen) und Taini (Hyäne)Adje (das Kaninchen) und Taini (die Hyäne) waren jeder verheiratet. Sie wohnten dicht beieinander im Busch. Adje ging jeden Morgen in den Wald, um Früchte der Bambuspalme zu samrtieln und zu essen.
Eines Tages kam Adje wieder in den Wald. Als Taini gesehen hatte, daß Adje gegangen war, schlich er sich in Adjes Haus. Er kam herein. Er schlug Adjes Frau tot und trank dann deren Blut. Danach nahm er eine Tabakspfeife (abitaba), zündete sie an und steckte sie der getöteten Frau in den Mund.
Nachher kam Adje nach Hause. Er sah, daß seine Frau getötet war. Adje lief fort. Er rief alle Tiere im Busch zusammen. Er sagte zu allen Tieren: "Seht, ich war im Wald, um zu essen. Als ich nach Hause kam, fand ich meine Frau getötet. Nun ratet ihr, wer das getan hat." Alle Tiere kamen zusammen. Sie sagten: "Taini muß auch kommen." Sie sandten einen Boten an Tami. Taini antwortete: "Ich bin krank, ich kann nicht kommen." Die Tiere holten Taini aber doch.
Die Tiere machten ein tiefes Loch. Sie legten einen Baumstamm darüber. Die Tiere sagten: "Das ist die Brücke. Jeder muß hinübergehen. Wer Adjes Frau getötet hat, der wird herunterfallen."Auwinji (der Elefant) trat vor; er ging hinüber. Asenku (der Löwe) trat vor; er ging hinüber. Wuidji (oder Uidji, der Büffel) trat vor; er ging hinüber. Alle Tiere gingen über die Brücke und fielen nicht hinab. Die Tiere sagten: "Nun muß Taini auch hinübergehen." Taini trat vor. Er setzte den Fuß auf den Baumstamm. Er stürzte in die Grube herab und starb.
Früher trank Taini nur das Blut der getöteten Tiere. Seitdem frißt er auch ihr Fleisch.
11. Wie Adje (Kaninchen) in den Busch kam (unklar)Adje (das Kaninchen) war mit der Frau des Akoki (Akoki ist im Märchen der König, so wie im Jorubamärchen Mesi König ist) zusammen und legte Jams aus. Sie legten etwas Jams (assui) an den Feuerplatz. Dann gingen sie hin, Feuer zu holen, um Essen zu bereiten. Adje kam und sagte: "Das Feuer ist nicht gut zum Kochen." Er nahm das Feuer, das die Frauen gebracht hatten, und trug es fort. Er wollte für sich Feuer haben. Die Frauen machten anderes Feuer. Sie setzten den Jams auf. Adje wollte wissen, was die Frauen kochen wollten. Er kam nach einiger Zeit wieder und sagte: "Gebt mir von eurem Feuer; ich sagte euch, daß das vorige nicht gut war." Die Frau des Akoki sagte: "So, wenn das erste Feuer nicht gut war, dann nimm dieses da!"Adje nahm das Feuer und ging damit fort. Als er ein Stück weit gegangen war, blies er es aus.
Inzwischen hatten die Frauen den Jams gekocht. Sie kippten den Jams aus dem Topf in eine Kalebasse. Dann kratzten sie mit einem Kalebassenscherben noch den Topf aus. Adje kam zurück. Adje sagte: "Mein Feuer war wieder nicht gut; es ist mir wieder ausgegangen." Die Frauen wollten ihm wieder Feuer geben. Adje sah nun, daß die
Frauen Jams gekocht hatten. Er sagte zu den Frauen: "Gebt mir doch von dem Jams ab." Die Frau des Akoki sagte: "Das ist nicht solcher Jams, wie man in deinem Lande ißt. Das ist Jams aus anderm Land." Adje sagte: "Ich bitte euch, gebt mir von eurem Jams ab. Ich will euch in jedes Land begleiten, in das ihr gehen wollt."Die Frau des Akoki füllte eine Holzschale mit Wasser. Dann gab sie Adje von dem Jams zu essen. Die Frauen gaben ihm auch Wasser, daß er es hinterher trinken könne. Danach setzten sie dem Adje die Holzschale auf den Kopf und sagten: "Trage du auch deine Last. Nun wollen wir alle zusammen zum Jamsplatz gehen." Die Frauen nahmen auch ihre Last auf und gingen voran. Adje folgte mit seiner gefüllten Holzschale.
Die Holzschale war sehr schwer. Adje rief den Frauen zu: "Geht ihr nur voran. Ich will in den Busch treten, um zu pissen. Nachher komme ich gleich nach!" Die Akokifrau ging mit ihren Weibern voran. Als alle ein Stück weit fort waren, warf Adje die Holzschale auf den Boden, so daß die zersprang, und lief in den Busch.
So rannte Adje in den Busch und kam nie wieder, weil die Holzschale zerbrochen war. Früher lebte er mit im Dorfe. Seitdem ist er aber immer nur im Busch zu sehen. Denn er fürchtet, daß man ihn dafür strafen könne, daß er die Holzschale zerwarf.
12. Hund und KrokodilAnumi (das Krokodil) und Aba (der Hund) lebten früher in einem Haus und waren große Freunde. Aba hatte nur einen ganz kleinen Mund, so daß die Speise nicht hineinging. Anumi hatte auch nur einen ganz kleinen Mund, so daß die Speise nicht hineinging. Aba kam zu Anumi und bat ihn: "Wir sind Freunde. Mein Mund ist so klein. Bitte, schneide mir doch meinen Mund ein wenig weiter auf."Anumi sagte: "Das will ich wohl tun. Du mußt mir nachher aber meinen Mund auch ein wenig weiter aufschneiden!"Aba sagte: "Das will ich tun!"
Darauf schnitt Anumi dem Aba den Mund so weit auf, daß er gut essen konnte. Aba sagte: "So ist es gut." Anumi sagte: "Nun schneide du mir den Mund auch ein wenig auf." Aba tat es. Er schnitt Anumi den Mund auf. Aber er schnitt ihn ganz weit auf. Anumi wurde darüber böse. Anumi sagte: "Ich habe dir den Mund nur ein wenig aufgeschnitten; du aber hast den meinen so weit auseinander geschnitten! Was soll ich nun damit tun? Jetzt will ich
nicht mehr mit dir zusammenbleiben. Ich will an den Fluß gehen, um auf dich zu warten." Seitdem lauert Anumi immer am Fluß, ob nicht ein Aba in seine Greifnähe kommt.13. Löwe (asenku) und Hyäne (tanzt)Tami sagte zu Asenku: "Ich bin stärker als du!" Asenku sagte: "Wenn du stärker bist als ich, so können wir das schnell sehen. Komm mit dahin, wo die wilden Büffel (Uidji) sind. Wir wollen sehen, wer sie leichter schlägt." Taini sagte: "Das ist mir recht." Asenku lief mit Taini dahin, wo die Uidji waren. Asenku sagte zu Taini: "Töte du uns einen kleinen Uidji. Ich töte einen großen!" Taini sagte: "Ich werde einen Uidji töten."Asenku sprang auf einen großen Uidji zu und tötete ihn. Taini schnappte nach einem Uidji, konnte ihn aber nicht greifen. Alle andern Uidji liefen weg. Asenku sagte: "Wo hast du deinen Uidji ?" Taini sagte: "Ich konnte keinen fangen." Asenku sagte: "Es ist gut. Erst werden wir diesen Uidji, den ich geschlagen habe, auffressen. Dann können wir hinter den andern Uidji herlaufen und dann kannst du noch einen töten." Asenku aß. Asenku sagte zu Taini: "Komm, iß mit!" Taini kam und aß mit. Als sie fertiggegessen hatten, sagte Asenku: "So, nun laß uns nach vorn gehen, um weiter zu fangen." Sie gingen. Sie liefen hinter den Uidji her. Sie erreichten die Uidji. Asenku schlug einen Uidji tot. Taini schnappte nach einem, konnte ihn aber nicht greifen. Alle andern Uidji liefen weg. Asenku sagte: "Wo hast du deinen Uidji ?" Taini sagte: "Ich konnte keinen fangen."Asenku sagte: "Es ist gut. Komm, iß mit mir den Uidji, den ich geschlagen habe. Dann werden wir weiter sehen." Asenku und Taini aßen den Büffel. Danach machten sie sich wieder auf, die Uidji zu verfolgen. Sie fanden sie aber nicht. Asenku sagte: "Heute finden wir die Uidji nicht mehr; nun werde ich mit dir kämpfen, werde dich töten und aufessen." Taini sagte: "Ich glaube schon, daß du stärker bist als ich. Ich habe es immer geglaubt. Ich hatte nur Hunger. Nun habe ich zweimal gut gegessen, mehr wollte ich nicht." Damit lief Taini weg in den Busch.
14. Der Hahn (aku-tagwen) und der Elefant (unji)Der Hahn (aku-tagwen) und der Elefant baden einmal miteinander. Der Elefant verspottet die Kleinheit des Hahnes, der nicht
IV
HAUSSA
Die Religion der Besessenheit
Vom Roten Meer aus schiebt sich durch die Länder am Sobat und am Nil durch Dar For und Badai über den Schadsee hinweg in die Haussaländer und von da aus den Niger hinauf eine Verehrung der Besessenheit. Das Gebiet, in dem dieser eigenartige Kultus Raum gewonnen hat, verrät seine Zugehörigkeit zur norderythräischen Kultur. Diese Religion selbst muß sehr alt sein. Die Überlieferungen bringen ihre Einführung zusammen mit dem persischen Einfall in Afrika. Ägypten und Senar werden abwechselnd als Nabelstellen der Verehrungsform auf afrikanischem Boden bezeichnet.
Der Name dieses Kultus ist verschieden. In den Nilländern spricht man von Saar oder Zar, in den Haussaländern nennt man die Anhängergeselischaften des Kultus Bori. Das Wort Bori ist als Bori, Boli, Bolli oder Born den Niger herauf gewandert bis zum nordöstlichen Mande. Es ist leicht nachzuweisen, daß das Wort durch die Songhaisprache in die Gebiete der Sonike und Nordbammana eingeführt wurde. Bei den Haussa bedeutet Bori noch den Kultus und die Kultusgemeinschaft. Bei den Mandi dagegen alle Zauberkräfte, also sowohl Amulette und ähnliche Zauberwaffen als auch die mysteriösen Masken und Geheimbundsitten.
Die Vorstellung der Borireligion sowie die Ausführung ihres Kultus sind uns Europäern mit das Unverständlichste, was wir auf afrikanischem Boden zu finden vermögen. Das Ganze geht aus von der Anschauung, daß es Geister oder Gespenster gibt, die willkürlich, ständig oder mit Unterbrechung von einem Menschen Besitz ergreifen. Die Besitzergreifung ist erwünscht, so furchtbar und so schrecklich die Geister auch zu sein scheinen. Denn sie sind keine reinlichen Geschöpfe, es ist ein ekliges, schmutziges, lasterhaftes und in jedem Sinn abstoßendes Gesindel, das sein Unwesen treibt. Auf afrikanischem Boden lassen sich heute an ähnlichen Erscheinungen nur noch die Gepflogenheiten des Pepokuitus in Ostafrika (also auch in einem erythräischen Gebiet) daneben stellen. Diese Geister führen im Volke verschiedene Namen, die aber stets, mehr oder weniger deutlich, eine Beziehung zu dem arabischen Worte Jinn, gleich Genii, haben. Wir haben im Osten Aldjan usw., Aldjenn und im Westen mehr Jinne oder Djin. Diese Genien sind im Westen, also bei den Mandistämmen, und dem Westsonghai mehr saubere, anständige und reinliche Wassergeister (siehe oben die Kapitel über die Religion der Mandi und die Volksanschauung der Bosso), im Zentrum aber die häßliche Verkörperung schmutziger Ideen, die ich oben schon charakterisierte. Das Interessante ist nun, daß in dem zentralen Gebiet, nämlich im Haussalande, zwei verschiedene Arten der Borireligion und
Mythologie nachweisbar sind. Die eine (siehe nächster Abschnitt) ist die Religion der eigentlichen Haussa bei Cano, also der heute mehr oder weniger islamischen Mischbevölkerung, die andere Art aber ist die der noch in der heutigen Zeit und vor der Einführung des Islam an den Benue eingewanderten Althaussa. Die Zeremonie dieser verschiedenen Stämme habe ich im II. Band von "Und Afrika sprach", Kap. XI, geschildert, so daß es nicht nötig ist, in aller Breite noch einmal hierauf einzugehen. Ich füge aber im nachstehenden, der Ergänzung halber, jene Mitteilung hier an, die mein Reiseassistent A. Martius im Jorubalande feststellte. Im übrigen sind die Mythen selbst so plastisch und selbstverständlich, daß sie nicht weiterer Erörterung benötigen.Der Bericht meines Mitarbeiters aus Jebba und Ilorin lautet:
Ein Alter aus Kano erzählte über die Ankunft der Bori: Alle Bori stammen aus Tabuka, einer großen Stadt weit hinter Massr und Mekka. Tabuka hatte 333 Tore, und von einem Tor zum andern ging man drei Tage. Tabuka hieß auch der erste König, Gründer der Stadt und Gott zugleich. Dieser Gottkönig kam von Osten, seine Frau kam von Westen. Keiner von beiden hatte je zuvor einen Menschen gesehen. Da gründeten sie die Stadt Tabuka, wo fortan alle Borileute wohnten. Doch später kamen auch andere Menschen in die Stadt.
Das gefiel den Borileuten nicht, und sie ließen sich in Alledjenu verwandeln, wurden unsichtbar und zerstreuten sich in alle Winde. Seitdem leben die Alledjenu in Bäumen und Felsen, befallen die Menschen und zeigen ihnen die Plätze, die ihre Heiligtümer sein sollen und deren Kenntnis sich von Mutter auf Tochter vererbt. Auch alle Trommeln stammen aus Tabuka (obwohl die Borileute keine Trommeln benutzen).
Sie wurden früher alle in gleicher Weise geschlagen. Als sie aber Tabuka verlassen hatten, wurden sie alle in einer andern "Sprache" geschlagen und keine verstand mehr den Rhythmus der andern (Babylon?).
In Banda, einem Städtchen auf der Spitze eines Berges, unweit Bebegi, südlich Kano, befindet sich ein altes Boriheiligtum, in dem Alledjenu leben. In der Mitte der Stadt steht ein alter Baobab, daneben ein Speer ganz aus Eisen, um beide herum sind sieben kleine Töpfe gestellt, die schon seit alter Zeit dort stehen. Das ganze ist mit weißem Sand umgeben.
Dort findet jährlich im Januar, zehn Tage nach Erscheinen des neuen Mondes, ein Opfer statt, wobei man um Gesundheit bittet und durch das man unerwünschter Besessenheit durch einen Alledjenu vorzubeugen sucht. Alle Männer und Frauen der Bori gehen dort hin, jedoch keine Fremden. Es werden eine rote Ziege, ein weißer
Schafbock, ein schwarzes und ein weißes Huhn, ein roter und ein weißer Hahn geopfert, gekocht und an Ort und Stelle verzehrt.Kommt ein Borimann in eine fremde Stadt, so muß er Kraft seines Alledjenu, der ihn reitet, wie der Reiter das Roß, herausfinden, wo die Borileute der Stadt wohnen.
In Kano waren in alter Zeit zwei Heiligtümer, bei denen nur der König opferte, ein Baobab und ein Haus, in dem zwei Paukentambari, eine große und eine kleine, ganz aus Silber und mit Menschenhaut bespannt, standen. Bei der Einnahme Kanos durch die Fulbe gingen sie verloren.
Vom Adjingi in Ilorin wurde angegeben:
Jeder Borimann oder -frau kann von verschiedenen Alledjenu befallen werden. In der Ekstase ruft der befallene Bori das den Teilnehmern des Festes zu. Sogleich wechselt die Musik, denn jeder Alledjenu hat eine eigene Melodie. Es gibt gute, weiße (fan) Alledjenu und böse, schwarze (baki). Der Meister der letzteren heißt ebeluschi. Der Meister der guten Alledjenu ist jansali. Er hat zwei Begleiter, nanana und garudji, die vor ihm tanzen und sich zur Erde fallen lassen. Befällt der jansali einen Borimann, so schmückt sich dieser mit einem Affenfell und kleinen Eisenglöckchen, reitet wie ein Junge auf einem Sorghumstengel und verzehrt Kot. Jansali ist verheiratet mit maöramu. Sie befällt Männer und Frauen, die dann ihr Angesicht verhüllen und andauernd, oft prophetisch reden: "Feuer wird dies oder das Haus angreifen" usw. Dann opfert der betreffende Hausvater, um den Schaden von seinem Hause abzuhalten. Bringt er kein Opfer dar, so wird sein Haus sicher abbrennen. Noch eine ganze Reihe anderer Alledjenu gibt es. So den Serki-Fagam. Wenn die Borileute bei einem Feste spielen und kein Alledjenu will über sie kommen, so wechselt die Musik und spielt für den Serki-Fagam, der dann den Alledjenu befiehlt, die Borileute zu befallen. Dann der Dan-Galadima, Sohn des Jansali, den er vertritt, wenn sein Vater einen Bori befällt. Auch er selbst kommt über die Bori, der dann alle seine Kleider verschenkt (denn er ist ja ein Königssohn), aber er tanzt nicht und alle Bori setzen sich um ihn.
Der Serki-Rafi ist der Bruder des vorigen und der zweite Sohn des Jansali. Er macht, daß der Bori tanzt, sich gegen die Brust schlägt, springt, ja sogar vom Dache oder Bäumen herabspringt. Seine Frau ist die Badakoa. Sie befällt gleichzeitig, wenn ihr Mann tanzt, eine Borifrau und läßt diese über den Serki-Rafi wachen, daß er nicht mit andern spräche. Bagoberi und Gaura sind die Sklaven Galadimas. Den ersteren hat Galadima aus dem Krieg im Land Gobir mitgebracht. Befallen diese beiden die Bori, so tanzen diese, einen Stock in die Seite gestützt, für Galadima, der sie dafür beschenkt, und neben dem sie dann sitzen.
Dan-Jerima ist ein Sohn des Galadima, der nicht oft tanzt und von den Borileuten gefürchtet ist, da er sie bei seinem mächtigen Vater verklagen könnte.
Der Bagudu, Bruder Galadimas, tanzt nicht, sondern kauft Kolanüsse, die er unter die Menge verteilt, und lehnt sich an Galadimas Schulter. Endlich ist da Kure, d. h. der Schakal. Befällt er einen Bori, so läuft dieser auf allen Vieren herum, die Menge kniet vor ihm nieder und die Frauen bringen ihm Fleisch zu essen, nach dessen Genuß der Alledjenu ihn wieder verläßt.
Am Nachmittag, es sind kaum mehr zwei Stunden bis Sonnenuntergang, versammeln sich die Borileute zum Tanze.
Bald erklingen Geige (goge) und Gitarre (mob), begleitet von den Kalebassen (koko), die entweder mit einem Stöckchen geschlagen, oder, wenn sie mit Rillen versehen sind, vor die Brust gehalten und unter Drehen mit den Fingernägeln gekratzt werden, wodurch ein surrendes Geräusch entsteht. Da erhebt sich die Magadja. Zwei Gürtel aus Stoff, in die Amulette hin&ngenäht sind, trägt sie über Brust und Hüften zusammengeknotet (damara heißen diese Gürtel); in der Hand hält sie einen dünnen Bronzestab.
Kaum daß sie die Füße vom Boden hebt, schreitet sie langsam vorwärts. Bald werden ihre Bewegungen lebhafter; stampfend folgt sie den rascheren Takten der Musik. Plötzlich tut sie einen Sprung und läßt sich mit gespreizten Beinen auf die Erde fallen, um sich im gleichen Augenblick zu erheben und das Schauspiel zu wiederholen. Man bringt einen großen Mörser. Die Magadja besteigt ihn und wagt auch von hier aus den Sprung, so daß durch ihren Fall die harte Erde erzittert. Drei-, viermal noch wiederholt sich das, bis sie ermattet in die Arme ihrer Begleiterinnen sinkt, die sie beruhigend mit einem Tuch bedecken, während jetzt die bisher atemlos zusehende Menge durch reichlich gespendete Kauri und Kola der Tänzerin und der Musik dankt. Dann treten Novizen auf. Junge Mädchen, die in die Tanzkünste der Bori einzudringen versuchen. Mit leicht wiegenden Schritten, ein Tuch in der Hand haltend, tanzen sie vor der Musik und knien dann bei der Magadja nieder, die gleichsam segnend ihre Hände auf ihren Rücken legt. Schon tanzt wieder eine andere Borifrau, einen Bronzestab in die Seite gestemmt, mit verzücktem Blick nach oben. Während dessen stand der Adjingi teilnahmlos an der Seite. Da geht es wie ein Krampf durch seinen Körper, mit zuckenden Händen greift er in die Luft und stammelt unverständliche Worte, die Augen geschlossen. Scheu macht die Menge um ihn Platz, und einige Frauen verdecken ihn mit Tüchern. Bald ist der Anfall vorüber, und der Adjingi beginnt sich zu kleiden. Brust und Leib werden bedeckt mit Tüchern, die man vorn zuknotet, darüber werden mehrere "damara"gegürtet. Der Adjingi nimmt seinen Stab zur Hand und
erscheint vor den schützenden Tüchern der Frauen, um in der Verfassung den Tanz und den kühnen Sprung von dem Mörser, oft sogar von einem Baume oder Hausdach auszuführen, ohne dabei Schaden zu nehmen.Inzwischen ist die Dunkelheit hereingebrochen, der Adjingi heimst die letzten Kauri und Kola ein. Befriedigt verläßt die Menge den Platz. Am nächsten Morgen rief ich die Magadja und den Adjingi zu mir. Sie sollten vor mir, ungesehen von profanen Augen, ihre Vorführungen vom Abend vorher wiederholen. Sie waren gegen Geld, viel Geld und gute Worte nicht zu bewegen, der Alledjenu war nicht über ihnen.
Die Borileute haben ein Jahresopfer (jangabas), das nach der Ernte stattfindet. Hierbei wird an dem geweihten Platze (gunki) unter einem Baobab von dem Adjingi ein weißer und ein roter Hahn und ein schwarzer Ziegenbock geopfert. Dann kocht man das Fleisch mit Sorghummehl und verzehrt es an Ort und Stelle.
Wird eine Frau krank, so bringt man der Magadja Hirse (geero)mehl und saure Milch, was diese an dem geweihten Platz opfert.
Jeder Sohn der Borileute wird von selbst wieder ein Bori. Die Töchter dagegen nur dann, wenn sie von einem Alledjenu befallen und dieser durch ein Opfer in ihnen gebannt wird.
Die Magadja wird berufen durch einen Borimann, der von einem Alledjenu dazu inspiriert wird. Die Magadja wählt sich dann den Adjingi.
Oft haben die Borileute Amulette, die ihren Vätern von Zwergen (gadjere) übergeben bzw. anzufertigen befohlen wurden und die von den Besitzern stets aufbewahrt werden müssen, wenn nicht Unglück die Familie heimsuchen soll: einen Haarpfeil djagaba, ein Rasiermesser hasela, einen Haken maemon, zum Ausziehen von Bonbon (kogia), die aus Honig, Zuckerrohr und einigen andern Zutaten bereitet werden. Alle Gegenstände sind aus Eisen.
Überlieferungen der Borileute des Nordens (der Haussa Kanos)Diese Nachrichten wurden in verschiedenen Gegenden eingesammelt, von Leuten, welche aus Kano und seiner Nachbarschaft kamen. Die Iska-Verehrer Kanos scheinen ungemein zahlreich, zumal in der Landschaft, verteilt zu sein. Vielfach wurden sie, zumal in der Vergangenheit und auch dann noch, als sie sich zum Islam bekehrt hatten, angefeindet. Ein großer Teil der Leute gehört heute aber noch dem Magussau (w) a- (Heiden-) Typus an, der dem Islam
nur einige nichtssagende Formen widmet, im Innern aber noch seiner alten Religion treu bleibt.Die wichtigsten Merkmale des aus Kano stammenden Materials sind einerseits das Hervortreten kosmogonischer Elemente und Gedanken (was in den Bori-Formen der Benue so gut wie ganz fehlt) und zweitens die Bedeutung der Zunftgötter. Letzteres ist im Gebiet der ausgedehntesten Zunftgliederung selbstverständlich.
I. KOSMOGONISCHE TRILOGIE
1. Mai-kaffo
An die Spitze mag zunächst die eigenartige Trilogie von Maikaffo, Rana und Mekirabo gestellt werden. Mai-kaffo ist ein Alledjenu, der in alter, alter Zeit Führer aller Büffel (Alledjenu) war. Mai-kaffo war nicht ganz Büffel und war nicht ganz Mensch. Mai-kaffo war aber etwas vom Büffel und er war etwas vom Menschen. Mai-kaffo war nicht ganz Vogel und war nicht ganz Büffel. Mai-kaffo war aber etwas vom Vogel und er war etwas vom Menschen. Mai-kaffo war nicht ganz Büffel und war nicht ganz Antilope. Mai-kaffo war aber etwas vom Büffel und er war etwas von der Antilope. Mai-kaffo hatte Hörner und war Führer aller Büffel (Bauna). Mai-kaffo lebte im Busch. In jener Zeit gab es aber keine Medizin (soll sagen: unter den Menschen fehlte damals noch die Kenntnis der Medizin). Mai-kaff o lebte im Busch in einem alten Samia (Tamarindenbaum). Mai-kaffos Wahrsager (=Boki; entspricht den Babalawo der Joruba) war die kleine Antilope Gadda.
Einmal ging ein Jäger in den Busch. Der Jäger traf Mai-kaffo und ließ ihn herankommen.
Mai-kaffo machte Freundschaft mit dem Jäger. Der Jäger bat Mai-kaffo. Der Jäger sagte: "Bei uns gibt es keine Mittel gegen Krankheiten. Bei uns gibt es keine Mittel gegen Maji (Subachan). Bei uns gibt es keine Mittel gegen schlechte Dodo (Gespenster). Bei uns gibt es keine Mittel gegen das Schlechte." Mai-kaffo sagte: "Das ist keine Schwierigkeit, denn mir gehören alle Bauna. Jeder von den Bauna kann aber sehr vieles sagen. Das ist mir also nicht schwer." Der Jäger und Mai-kaffo machten miteinander Freundschaft. Dann ging der Jäger fort. Der Jäger ging nach Hause.
Am andern Tag sagte Gadda zu Mai-kaffo: "Mai-kaffo! Serkin Bauna! Heute wird der Mahalbi (Jäger) wieder zu dir kommen Der Mahalbi wird dir Schönes bringen." Mai-kaffo sagte: "Der
Mahalbi wird wieder zu mir kommen. Es ist gut, wenn der Mahalbi wieder zu mir kommt. Wird der Mahalbi mir denn nicht etwa Schlechtes tun wollen?" Gadda sagte: "Nein, der Mahalbi kann nichts Schlechtes gegen dich tun. Denn der Mahalbi fürchtet dich zu sehr. So ist er!" Mai-kaffo sagte: "Dann ist es sehr gut, wenn der Mahalbi kommt. Dann freue ich mich auf den Besuch des Mahalbi."Der Jäger machte sich auf den Weg. Der Jäger hatte Summa (Honig), der war sehr süß. Den Honig nahm der Mahalbi und machte sich auf den Weg zu Mai-kaffo. Der Jäger kam zu Maikaffo. Er gab Mai-kaffo den Honig und sagte: "Nimm dies und versuche es, es ist süß." Mai-kaffo nahm den Summa. Mai-kaffo versuchte ihn und sagte: "Woher bekommst du den Honig? Mir gehört doch all dieser Busch mit allen Bauna und allem andern. Es kann niemand hier Honig ohne mein Wissen aus dem Busch nehmen. Dieser Honig ist aber sehr süß. Wo hast du den Honig herbekommen?" Der Jäger sagte: "Mein Serki gab mir den Summa. Die eine Hälfte dessen, was mir mein Häuptling gab, habe ich selbst gegessen. Die andere Hälfte habe ich aufgehoben und habe ich dir hier gebracht, weil du doch nun mein Freund bist." Der Mai-kaff o sagte: "Du hast mir etwas gebracht, was mir gut geschmeckt hat. Du bist wirklich mein Freund und ich will dir auch ein großes Geschenk machen. Ich schenke dir einen Büffel. Du kannst ihn töten." Mai-kaff o zeigte dem Jäger einen großen Büffel. Der Jäger schoß auf den Büffel. Der Jäger tötete den Büffel. Der Jäger schnitt den Büffel auf. Der Jäger trug alles Fleisch nach Hause.
Der Jäger kam wieder in den Busch. Der Jäger dankte Mai-kaffo. Der Jäger fragte Mai-kaffo: "Was kann ich dir bringen? Sage mir, was dir recht ist!" Mai-kaffo sagte: "Wenn du mir Tiere bringen willst, so bringe mir solche von schwarzer Farbe. Wenn du mir Stoffe bringen willst, so bringe mir solche von schwarzer Farbe. Meine Wohnung ist die Samia (Tamarinde). Binde schwarzen Stoff um die Samia. Das ist das, was mir angenehm ist." Der Mahalbi sagte: "Du hast mir ein großes Geschenk gegeben. Du bist der Herr aller Bauna. Die Bauna wissen alles, was im Busch wächst. Ich gebe dir alles, was du gern hast." Der Jäger ging. Der Jäger kam nach Haus.
Der Jäger bereitete einen schwarzen Stoff. Den Stoff band er um eine Samia. Der Jäger brachte Mai-kaff o viele schwarze Tiere. Maikaffo gab dem Jäger die Kenntnis aller Medikamente. Der Jäger lernte viele Medizinen kennen. Der Jäger ward ein sehr angesehener
Mann. Der Jäger war mit einer Frau verheiratet. Mai-kaffo hatte einen Sohn, der hieß Mekirabo. Mekirabo war sehr reich. Mekirabo konnte alles geben, was man wünscht. Mekirabo gab gern, wem er wohl wollte. Wenn nun der Jäger Mai-kaffo (durch Opfer an der Tamarinde) rief, dann kam Mai-kaffo. Mekirabo kam aber mit. Mekirabo besuchte die Frau des Jägers. So kam viel Reichtum zu der Frau des Jägers, und so brachte der Jäger den großen Mai-kaffo, seine Frau aber Mekirabo mit ins Dorf.Daher ist zwar die Magadja die Herrin aller Alledjenu, aber wenn sie dem Mai-kaffo oder dem Mekirabo opfern will, dann muß sie immer einen Jäger bitten, gegenwärtig zu sein. In der Gegenwart und unter Beihilfe des Jägers opfert sie dann dem Mai-kaffo schwarze Tiere. Wie gewaltig die Macht Mai-kaffos sogar bei der Wahl und der Ernennung der Magadja ist, das werden wir sogleich sehen.
Mai-kaffo ist in gewissem Sinne der Jupiter unter den Borigöttern, und zwar Pluvius und Tonans. Mai-kaffo hat nämlich den a'Radu oder Arado (d. i. der Donner) und den Tsauwa (d. i. der Blitz) in seiner Gewalt. Mai-kaffo gibt auch den Regen. Deshalb ist jeder, den Mai-kaffo besucht, ein reicher Mann; Regen befruchtet reichlich seine Felder.
Nun ist die Magadja die Herrin und Führerin der Bori, die Pythia der Haussa. Es entspricht aber genau den sonstigen Analogien und Beziehungen, daß diese Pythia durch Jupiter in ihr Amt in folgender Weise eingeführt wird. Diese Pythia hat nämlich stets einen eisernen Stab, der Mai-kaffo heißt. Nun heißt Ma-i-kaffo =Herr ma des Hornes =kaffo (Ma[i] Ma in Ma[i] doki oder in Madugur; Herr des Pferdes oder Herr der Städte usw.). An diesen Mai-kaffo sind zuweilen Hörner ausgeschmiedet oder aber auch echte angebracht.
Gesehen habe ich selbst nur Mai-kaffos mit ausgeschmiedeten Hörnern, mit Kettenringen oder in Schlangenform ausgeschmiedete. An den richtigen Mai-kaffos werden niemals Klingeln oder Schellen wie an andern Eisenstäben dieser Art angebracht. Die Mai-kaffos in Windungen erinnern an die Blitzschlangen. Wir sehen also, wie bei Äthiopen, Kameruns Blitzschlange, Büffelhorn und Holz (hier Tamarinde) als Wohnort und Ausdrucksform der höchsten Gottheit erhalten, und es ist demnach ganz logisch, daß die Magadja auch die Herrin der Kankarra genannten Donnerkeile, alias Steinwerkzeuge, ist, die im Haussalande allerdings selten genug gefunden werden. —Nun ist es sehr interessant, wie die erste Magadja in den
Besitz des sie erst zur Magadja machenden Eisenstabes, des Maikaffo gelangt.Zur Magadja wird ein Borimädchen nur durch direkte Ernennung, durch Wahl, die die Gottheit selbst trifft. Es ist genau so wie bei den Schamanen von den Homburri-Bergen bis nach Bassari. Sie wird vom Gott erwählt, wenn sie noch ganz klein ist, und jedenfalls lange ehe sie mit einem Manne etwas zu schaffen haben kann. Die Ernennung erkennt man aber daran, daß dem unschuldigen kleinen Mädchen mit einem Male der Leib anschwillt, gleich wie einer Schwangeren. Wenn die Borileute sehen, daß dieses einem kleinen Mädchen ihrer Gemeinde widerfährt, so sagen sie zum Vater: "Sieh deine Tochter! Wir werden eine neue Magadja gewinnen." Der Vater aber sagt: "Ja, ich habe es wahrgenommen. Ich will das Opfer herrichten." Dann läßt der Vater des kleinen Mädchens vom Schmied ein Stück Eisen in Walzenform herstellen. Über diesem Eisenstück werden dann hundertundsieben schwarze Tiere geopfert, in solcher Reihe: erst werden dreiundfünfzig Paare schwarzer Tiere, also immer zusammen ein männliches und ein weibliches, geopfert. Als hundertundsiebentes folgt eine schwarze Henne und als hundertundachtes und letztes Tier ein roter Hahn. Wenn dieses Opfer vollendet ist, geht die Schwellung des Kindes zurück, und zwar gleichzeitig mit der nun folgenden Arbeit des Schmiedes: Der Schmied formt aus der Eisenwalze den Mai-kaffo-Stab, der in Zukunft das Signum der Magadja ist.
Der rote Hahn als letztes Tier gemahnt uns aber wieder an das immer wiederkehrende Symbol des Feuers, des Blitzes!
2. RaDer Gott Mai-kaff o hatte ein Weib, die hieß Ra oder Ra-a. Ra aber ist die Herrin der Bauna, das ist der Sonne, und darüber gibt es folgende Sage, die die Leute nur sehr ungern erzählten, und zwar gleicherweise ein Kanomann in Ibi und eine Kanofrau in Lokodja:
In urur uralter Zeit, als noch nichts war -als noch kein Mensch war, als noch nichts war, —bestand schon Audu Kaderr(e), das ist Gott. Audu Kaderr(e) hatte aber einen Gehilfen und Vermittler, das war Biuta Lasuru. Audu Kaderr(e) machte damals alles. Audu Kaderr(e) machte auch die Sonne. Audu Kaderr(e) machte sie so heiß, daß niemand sie haben wollte. Kein Mensch wollte damals
Tateki haben. Tateki war nämlich damals noch der Name der Sonne. Niemand nannte sie (oder wagte sie zu nennen) Rana.Ra war aber Mai-kaffos Frau. Ra sagte zu Mai-kaffo: "Serki n'bauna! Mein Mann! Ich will Rana nehmen, denn kein anderer Alledjenu will sie nehmen." Mai-kaff o sagte: "Was sagst du, Ra? Ra! Meine Frau! Kai! Du, eine Frau, willst die Sonne nehmen, die kein Mann nehmen kann, weil Tateki so heiß ist? Du willst das tun?" Ra sagte: "Mai-kaffo! Ja, ich will diese Sache nehmen. Wie willst du, mein Mann, Mai-kaff o, denn auch sonst das Gewitter machen, wenn ich, deine Frau, nicht die Sonne nehme? Wie willst du, mein Maikaffo, denn das Gewitter machen, wenn ich nicht die Sonne nehme, die alle Hitze und alles Licht macht und ohne die ein Licht nicht ist? Ich, Ra, will die Sonne nehmen, und nachher wird man sie Rana nennen (oder: wird sie Rana heißen)."
Damals hieß die Sonne noch Tateki, denn alle Leute fürchteten sie Rana zu nennen (unverständlich).
Die Sonne war aber im Osten. Sie war mit einem weißen Widder zusammen in einer Kiste aus Stein eingeschlossen. Die Kiste aus Stein war unten im Wasser. Die Kiste aus Stein hatte nur eine Öffnung, durch die die Sonne sich entleerte.
Ra ging nun zu Audi Kaderr(e) und sagte: "Willst du mir Tateki geben?" Audu Kaderr(e) sagte: "Ja, ich will dir die Sonne geben. Du mußt aber wissen, daß du jeden Tag fünfhundert Arbeiter brauchst, die die Sonne am Himmel hinziehen, du mußt das wissen!" Ra sagte: "Audu Kaderr(e) ich danke dir! Audu Kaderr(e) ich danke dir!"
Ra sagte zu Audu Kaderr(e): "Nun wird die Sonne Rana heißen. Nun darf jeder sie nennen, wie es Gesetz (?) ist." Ra sagte zu Audu Kaderr(e): "Du hast mir die Sonne gegeben. Willst du mir gestatten, daß ich die Sonne am Himmel stehen lasse, wenn ich es will?" Audu Kaderr(e) sagte: "Du sollst Macht über die Sonne haben. Tue mit ihr, was du willst." Ra sagte: "Ich danke dir!"
Ra rief die fünfhundert Männer und sagte: "Zieht nun wieder die Sonne herüber!" Die fünfhundert Leute zogen die Sonne an einem Tau hinauf. Als die Sonne auf der Mitte des Weges war, war sie sehr heiß und verbrannte alles. Denn damals war der Himmel noch ganz nahe bei der Erde. Ra nahm aber ein Tau und die Kiste aus Stein, in der die Sonne eingeschlossen war. Ra fing die Sonne. So wurde denn der Tag sehr kurz. Die Leute schrien. Die Leute sagten: "Wir wollen einen langen Tag haben! Dieser Tag war ZU
kurz! Gib uns einen längern Tag!" Die Leute schrien zu Audu Kaderr(e). Die Leute schrien zu Ra. So wurde der Tag wieder länger.Die Sonne heißt aber seit damals Rana, weil sie der Ra gehört. Auch betrachten die Haussa die Sonne deswegen, weil sie der Ra gehört, als Frau und nennen sie Wotsche Rana. Fernerhin erzählten die Haussa, daß Audu Kaderr(e) anfangs den Ferrin-rago (d. h. weißer Widder), den man auch Schefu nannte, mit Rana in einem Haus aus Stein zusammen leben ließ, daß Ra dann aber die Sonne herausgeholt hätte. Diesen Ferrin-rago bezeichnen die islamitischen Haussa heute als Alhadji-rago.
Ra, die Göttin der Sonne, ist durchaus ein Alledjenu der Bori. Man opfert dem Alledjenu Ra einen Wake-Wake, das ist ein Widder, dessen Kopf schwarz ist, der aber schwarz und weiß gefleckten Leib und Glieder hat.
3. MekiraboErwähnt ward oben schon der Nachkomme oder Sohn Mai-kaffos, Mekirabo. Mekirabo soll mit der Frau des Jägers zusammengekommen sein. Seine Mutter ist Ra. Mekirabo ist sehr böse. Er stellt das fließende Wasser dar, das die Boote umstürzt. Andererseits rühmt man ihm nach, daß er vielen Reichtum denen gebe, denen er wohl wolle. — Man opfert ihm schwarze Bullen, Honig mit Mehl gemischt, und Erdnüsse.
II. ANDERE KOSMOGONISCHE GÖTTER (ALLEDJENU)
4. Sidi (Mond)
Vom Monde erzählt man: Es waren drei Alledjenu-Kinder, alle drei Kinder des Alledjenu Sidi. Sidi hatte diese drei Kinder, die ersten beiden waren Alledjenu und das dritte war ein Mensch. Die ersten beiden Alledjenu-Kinder Sidis hießen Januhu und Ja-hahanuhu. Januhu war ein Mann, Ja-halla-nuhu war eine Frau. Januhu und Ja-halla-nuhu heirateten einander. Das Kind Sidis aber, das ein Mensch war, das war der Anabi-nuhu (das ist Prophet Noa). Sidi hatte aber alle diese drei Kinder mit seinem Weibe Anabu gezeugt. Dieser Sidi hatte den Mond und die Macht über den Mond. Das kam aber so.
Sidi wollte seine Tochter Ja-halla-nuhu verheiraten. Alle tanzten tagsüber. Als es Abend ward, ging die Sonne unter; es ward dunkel. Die Leute sagten: "Nun können wir nicht mehr tanzen. Nun ist es dunkel. Wir haben kein Licht mehr." Sidi ging aber zu Audu-Kaderr(e) und sagte: "Jeden Tag geht die Sonne unter, und wir haben kein Licht. Heute habe ich meine Tochter verheiratet, und wir haben wieder kein Licht. Niemand kann tanzen."Audu Kaderr(e) sagte: "Du willst heute Licht haben. Gut, ich will dir für heute Nacht das Licht, den Mond, und die Macht über den Mond geben." Sidi sagte: "Ich bitte dich, gib mir die Macht an dreißig Tagen."Audu Kaderr(e) sagte: "Ich will dir die Macht über den Mond immer drei Tage geben." Sidi sagte: "Ich bitte dich, gib mir die Macht an achtundzwanzig Tagen."Audu Kaderr(e) sagte: "Ich will dir die Macht über den Mond immer fünf Tage geben." Sidi sagte: "Ich bitte dich, gib mir die Macht an sechsundzwanzig Tagen.' 'Audu Kaderr(e) sagte: "Ich will dir die Macht über den Mond (immer um zwei steigend, also von sieben, neun, elf) an dreizehn Tagen geben."Sidi sagte: "Ich bitte dich, gib mir die Macht über den Mond immer an (um zwei herabgehend, also vierundzwanzig, zweiundzwanzig, zwanzig und jetzt) achtzehn Tagen."Audu Kaderr(e) sagte: "Ich will dir die Macht über den Mond an fünfzehn Tagen geben." Sidi sagte: "Ich bitte dich, gib mir die Macht über den Mond immer an siebzehn Tagen."Audu Kaderr(e) sagte: "Ja, ich will dir die Macht über den Mond immer an siebzehn Tagen geben."
Darauf ward es Licht. Der feine, schmale Mond (erste Sichel) kam hervor. Der Mond wuchs täglich, wurde dann wieder kleiner und verschwand. —So gewann der Gott (Alledjenu) Sidi den Mond.
Man opfert für den Mond, d. h. für den Alledjenu Sidi, einen weißen Stier, d. h. einen Farin-Sa.
5. Djiberri und die SterneJeder Alledjenu und jeder Mensch hat am Himmel seinen Stern. Wenn ein Mensch stirbt, geht der Besitz des Sternes auf einen andern Menschen über. Man sagt aber, daß, wenn ein ganz großer König sterbe, der Stern dann mit dem Tode des Königs herabstürze.
Audu Kaderr(e) (Gott) hat auch einen Stern, und das ist Tarauri garn Saki oder auch Tarauri Gabas (der Stern des Ostens), nämlich der Morgenstern.
Der Gott Djiberri (ist der Gabrielu, der Erzengel Gabriel, der hier
auch zum Alledjenu wurde) kam zu Audu Kaderr(e) und sagte: "Gib mir diesen Stern dort, den Tarauri-me-wutsia-fudu (wutsia = Schwanz; fudu = vier. Es ist der Komet gemeint, der hier also dem bekannten fürstlichen Banner mit den sechs Roßschweifen entspricht)." Audu Kaderr(e) sagte: "Den Tarauri-me-wutsia-fudu kann ich dir nicht geben. Denn was er als Opfer (Essen) verlangt, das ist sehr schwer zu erreichen." Alledjenu Djiberri sagte: "Sage mir, was ißt der Tarauri-me-wutsia-fudu? Ich will es ihm besorgen." Audu Kaderr(e) sagte: "Dieser Tarauri-me-wutsia-fudu ißt nur Menschen. Mit Menschen allein ist er aber nicht zufrieden. Er muß von Zeit zu Zeit einen König haben. Das aber ist das Große und das Schwere."Djiberri sagte: "Audu Kaderr(e), das ist ein Großes und ein Schwieriges. Aber ich werde es dir zeigen, daß ich der Alledjenu Djiberri bin. Der Alledjenu Djiberri kann dies." Audu Kaderr(e) sagte: "Es ist gut, nimm denn den Stern mit den vier Schweifen! Wenn du aber dem Tarauri-me-wutsia-fudu keinen König zu essen geben kannst, wird er zu mir zurückkehren." Alledjenu Djiberri sagte: "Ich nehme den Tarauri-me-wutsia-fudu. Er soll meine Fahne sein. Ich werde ihm Könige zu essen geben." —Djiberri führte den Komet als seine Fahne, seine Tuta. Er ging hin, rief einen Krieg hervor, tötete einen König und gab diesen dem Stern zu essen.Seitdem entsteht immer Krieg, und es stirbt immer ein König, wenn ein Komet am Himmel erscheint. Darum opferte man in alter Zeit für den Alledjenu Djiberri nur Menschen. Man mußte unbedingt Djiberri Menschen opfern. Vor allem opferte man ihm Menschen, ehe man in den Krieg zog und wenn man aus dem Krieg zurückkam.
ANHANG
Schwarze Opfer. Hier einbelangend gehört die Opferung der schwarzen Tiere und der Kutteru! Mit dem Alledjenu Djiberri soll folgend beschriebenes Opfer in Verbindung stehen; es sei vorher bemerkt, daß Nupe und Haussa sich als die ersten Pfleger der Opferung erklären und sich um solcher Urheberschaft Ehre streiten.
Ehe Haussa und Nupe früher in den Krieg zogen oder wenn schwere Krankheit eine Stadt oder ein Land befiel, wurden folgende Opfer dargebracht, und zwar früher öffentlich, jetzt aber heimlich:
Haussa Nupe i. ein schwarzer männlicher Hund = bakin-kare echi-jiko 2. ein schwarzer Ziegenbock = bakin-bunsuru bukunji-jiko 3. ein schwarzer Bulle = bakin-sa nanko-jiko 4. ein leprakranker Mann = kuturu soko guntschi Heilige Krankheit, siehe d. h. Gott hat Herodot III. 33 ihn geschnit-Kambyses, dort angeblich ten, gezeich-Epilepsie. net, also heilige Krankheit 5. ein Albino (Mann) =sabia bea-bea |
Also diese drei männlichen Tiere nebst zwei unglücklichen Menschen wurden geopfert und geschlachtet, und zwar wurde diese Maßnahme im Hause des Stadtherrn, des Königs, ausgeführt. Von allen fünf Opfern wurde das Fleisch losgelöst und in kleine Stücke geschnitten. Dann wurde es von den Männern in riesenhaften Töpfen gekocht und durcheinandergerührt, so daß man die einzelnen Teile nicht voneinander unterscheiden konnte, und alles gut gemischt. Hernach wurde das Gericht auf ein Ochsenfell (Haussa =Klabu) geschüttet und unter alle Leute der Stadt verteilt. Alle mußten davon genießen.
Das letzte Opfer dieser Art soll um die Jahreswende 1908/09, und zwar in einer Vorstadt Katsenas abgehalten worden sein, und ein Mann, der häufig vom Alledjenu Djiberri heimgesucht wurde, soll dabei präsidiert haben.
Alledjenu Djiberri nun wurde und wird in den Haussaländern heute noch dargestellt in einem Heiligtum, dessen bedeutsamste Heiligtümer waren:
i. ein aufrechtstehender Takobi (ein Schwert) und
2. ein liegendes (? nicht ganz sicher) Kube (das heißt Dolchmesser) .* Von den andern Sternen kann ich aber folgendes sagen: Die Venus = Sara gilt den Haussa als Frau des Mondes. Der Orion heißt Karido bangijisch, und seine drei großen Sterne sollen sein: eine Antilope, ein Hund und ein Sulemanu. Ein jeder soll einem Alledjenu gehören, aber sie alle nehmen keine wesentliche Stellung im Vorstellungsleben der Borileute ein.
Ein wichtigerer und mehr beachteter Alledjenu ist dagegen Aidisettu, das ist die Göttin der Plejaden, die als Sterne unter anderm auch Eatschiki genannt werden. Eatschiki heißen sie, weil sie zeigen, wann reichliches Essen da ist, wann nicht. Dieses ist augenscheinlich wieder ein Hinweis auf die Tatsache, daß mit dem Erscheinen der Plejaden am Osthimmel die Erntezeit gekommen ist. Man nennt im Volksmunde die Plejaden auch Glucke und Küken, aber im Borikreise spielt Aidisettu, die nahrungspendende Göttin, eine größere Rolle. Von ihrem Kommen und Gehen erzählt eine eigene Legende, die merkwürdigerweise an Issa (das ist Jesus) heute anknüpft. Sie lautet:
Alledjenu Issas Großvater war Bisalla. Issas Vater war Abu Bakari oder Bukari. Issas Mutter war Maikulki. Maikulki war aber die Tochter Bisallas. Abu Bakari war ein Jahr lang mit Maikulki verheiratet. Maikulki ward aber nicht schwanger. Abu Bakari war lange Zeit mit Maikulki verheiratet, aber Maikulki ward nicht schwanger. Darauf wandte Abu Bakari sich an den Alledjenu Budjimai. Der Alledjenu Budjimai wohnte in einem Stein. Abu Bakari sagte: "Ich bin nun über ein Jahr und mehr als zwei Jahre und länger mit Maikulki verheiratet. Maikulki wird aber nicht schwanger." Der Alledjenu Budjimai sagte: "Ich kann wohl helfen. Maikulki soll erst Medizin nehmen. Dann soll Maikulki drei Wochen lang für sich leben. Dann soll Maikulki eine Nacht hier an dem Stein schlafen. Dann wird es so werden, wie du denkst." Abu Bakari dankte. Abu Bakari ging. — Maikulki trank die Medizin. Maikulki lebte drei Wochen lang in Zurückgezogenheit. Maikulki schlief eine Nacht bei dem Stein des Alledjenu Budjimai. Dann war Maikulki schwanger. Nach sieben Monaten gebar Maikulki ein Kind, das ward Issa genannt, weil es so reich sein würde.
Wdderopfer für Issa. Bei der Taufe Issas ward ein Widder geschlachtet von der Art, die man Maitosali nennt. (Die Maitosali sind nämlich weiß, um die Augen schwarz und haben Hörner, die nach der Art der Ammonswidder gewunden sind.)
Als Issa groß genug war, ward er in die Schule gesandt. Und als er alles konnte, ward er mit Adisetu (der Alledjenu der Plejaden) verheiratet. Adisetu war nun die Frau des Alledjenu Issa (denn Issa wird hier als Alledjenu angesehen). Aber jeden Donnerstag verwandelte sich Adisetu in ein kleines Kind. Es war so jeden Donnerstag. Darauf wandte Issa sich an den Alledjenu Budjimai und sagte: "An jedem Donnerstag verwandelt sich meine Frau Adisetu
in ein kleines Kind. Kann man nichts dagegen tun?" Der Alledjenu Budjimai sagte: "Dagegen wird man leicht etwas tun können. Laß mir nur alles zukommen!" Issa brachte darauf dem Alledjenu Budjimai einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn, schwarzen Stoff, zweitausendfünfhundert Kauri und Gia (Sorghumbier). Alledjenu Budjimai sagte: "Schließe deine Frau (hier beginnt die Tradition abrupt zu erklären, Adisetu wäre Issas Tochter und nicht seine Frau; ich halte aber die Erklärung Frau für verbreiteter) in einem Hause draußen im Busch ein. Mache Rauch in dem Hause und tue diese Medikamente hinein." Issa brachte seine Frau in den Busch. Er sperrte seine Frau in ein Haus ein und machte darin Rauch. Er tat die Medikamente hinein. Dann ging Issa nach Hause. Er fand den Weg nicht. Er traf einen Jäger. Der Jäger zeigte ihm den Weg. So kam Issa wieder nach Hause. Nach einiger Zeit ging Issa wieder in den Busch. Der Jäger zeigte Issa den Weg zu dem Hause, in dem Adisetu war. Issa sah Adisetu. Adisetu war wieder so wie vorher. Adisetu ward nicht wieder ein kleines Mädchen. Issa nahm sie nach dieser langen (Dauer unbestimmt) Zeit wieder mit in die Stadt. Seitdem kommt Alledjenu Issa oft mit seiner Frau, um Menschen zu ergreifen. Er läßt sich aber nur in Frauen nieder (das heißt macht nur Frauen besessen).Es wird ein sorgfältiges Sezierverfahren erfordern, um dieses schlimme Gemisch alter und junger Mythenelemente in sachgemäßer Weise und ohne eine verzerrende Gewalttat auszuüben, zu zergliedern.
6. Legende der HimmelshebungKehren wir nach Betrachtung dieser kraus-jungzeitlichen Zwitterlegende zu den Traditionen der alten ehrlichen, kosmogonischen Mythenbildung zurück, von der ich hier ein Stück bieten kann, das so recht eigentlich dem atlantischen Kulturkreise angehört: (Vgl. Weltanschauung der Naturvölker und eigenes Sudanmaterial.)
In alter, alter Zeit lag der Himmel ganz nahe auf der Erde. Der Himmel war der Erde so nahe, daß er die Köpfe der Menschen berührte. Wenn die Frauen im Mörser das Getreide stampften, mußten sie vorsichtig die Keulen heben, um nicht etwa mit ihnen gegen den Himmel zu stoßen. Ein Mann heiratete eines Tages eine Frau. Als die Frau in sein Gehöft kam, sagte der Mann: "Wenn du Korn im Mörser stampfst, achte darauf, daß du nicht oben gegen
den Himmel stößt; denn der Himmel liegt sehr nahe über der Erde." Die Frau sagte: "Was kümmert mich der Himmel (Sama). Mag doch Sama weggehen, wenn ich ihn belästige. Ich stampfe mein Korn gut, damit es nachher eine gute Speise wird. Sama kümmert mich gar nicht." —Die Frau stampfte ihr Korn. Die Frau hob die Mutschia (Mörserkeule) stark auf und stieß die Mutschia fest in den Mörser. Die Frau stieß so beim Hochheben immer oben gegen den Himmel. Der Mann sah, wie seine Frau immer wieder beim Kornstampfen gegen den Himmel stieß.Der Mann ging zu Audu Kaderr(e). Der Mann sagte zu Audu Kaderr(e): "Ich sehe, daß meine Frau mit ihrer Mörserkeule beim Kornstampfen immer gegen den Himmel stößt. Ich habe meiner Frau gesagt, sie solle das vermeiden. Es ist dieses nicht meine Sache." Audu Kaderr(e) sagte: "Es ist gut, ich sehe, was daran ist." Audu Kaderr(e) rief die Alledjenu zusammen und sagte zu ihnen: "Hebt den Himmel in die Höhe!" Die Alledjenu hoben den Himmel ein wenig. Audu Kaderr(e) sagte: "Hebt den Himmel noch höher!" Die Alledjenu hoben den Himmel noch höher. Audu Kaderr(e) sagte: "Hebt den Himmel noch höher!" Die Alledjenu hoben den Himmel noch höher. Sie hoben ihn immer höher, bis er endlich so hoch gehoben war, wie er heute ist. Als sie ihn so weit emporgerückt hatten, mußten sie an den vier Ecken je eine steinerne Stange aufstellen. Auf diesen vier Stangen ruht jetzt der Himmel.
7. Regenbogenschlange und Gott der TrockenheitDer Regenbogen ist der Alledjenu Gadjimmare. Gadjimmare ist eine große, große Schlange. Gadjimmare ist (in ihrer Art) mächtiger als irgendein anderer Alledjenu. Gadjimmare verkehrt mit keinem andern Alledjenu als nur mit Maikaffo und mit Ra: Wenn Gadjimmare nur ein kurzes Stück am Himmel emporsteigt, zeigt das ein Jahr an, in dem es wenig Regen gibt. Das ist dann für alle Farmleute ein sehr, sehr schlechtes Jahr und vielerorts gibt es Hunger. Wenn Gadjimmare aber an einer Seite des Himmels emporsteigt und weit hinüberreicht bis auf die andere Seite, wenn Gadjimmare von einer Seite des Himmels bis zur andern reicht, wissen die Farmleute, daß es ein gutes Jahr geben wird, und alle Welt hat zu essen. Wenn der Alledjenu Gadjimmare einen Menschen befällt (ihn besessen macht), dann springt dieser Mensch nicht, dann geht er nicht auf den Füßen, dann hat er den Körper nicht aufgerichtet.
Wenn der Alledjenu Gadjimmare einen Menschen befällt, schlängelt er sich am Boden dahin wie eine Schlange. Der Mensch kriecht dann wie eine Schlange. Wenn Alledjenu Gadjimmare sich (unsichtbar für fremde und profane Augen) in der Farm einer ihrer Anbeter niedergelassen hat, wird sie jeden töten, der die Farm betritt, um da zu stehlen, ohne daß der Dieb sie dabei gewahr wird. Man findet den Dieb dann tot in der Farm.Die Haut der Regenbogenschlange ist bunt. Die Haut ist wie Glas (soll heißen schimmernd wie Glas, das aus der Erde ausgegraben ist). Der Kopf Gadjiammares ist geschmückt mit einem Kamm wie ein Hahn. Gadjimmare läßt keine Exkremente fallen (wie bei andern Völkern die Perlen, z. B. Agriperlen und Gold, als Exkremente von Regenbogenschlangen gelten), sondern sie speit aus. Was sie ausspeit, ist alles Asulfa (Silber). Wenn man dem Alledjenu Gadjimmare etwas opfern will, gibt man ihm roten Hahn, schwarzen Ziegenbock und schwarzen Bullen. Wenn man ihm opfert, tut man es draußen im Busch.
Es gibt dann einen Alledjenu Bakangisso. Bakangisso ist der Gott der Trockenheit, wie Gadjimmare der Alledjenu der Regenzeit ist. Das Haus des Alledjenu Bakangisso ist der rote, hohe Termitenhaufen (Suri oder Zuri genannt). Bakangisso lebt aber auch in Brunnen, die ausgetrocknet sind und in denen kein Wasser mehr ist. Bakangisso trinkt überall, wohin er kommt, alles Wasser aus, damit da, wo er ist, kein Regen fallen kann. Denn wo Bakangisso alles Wasser ausgetrunken hat, kann kein Regen mehr fallen. Wenn Bakangisso nicht wäre, würde es das ganze Jahr regnen. Bakangisso kommt aber jedes Jahr einmal, und dann kann es nicht mehr regnen. Man opfert Bakangisso Geero (Penisetum) und schwarze Bullen.
Im übrigen halten die Borifrauen vielfach Schlangen. Es ist das besonders an einigen Orten Gebrauch, an andern nicht. Diese Schlangen sollen dann Glück und Reichtum bringen. Man sagt von diesen Weibern oder den Schlangen dieser Weiber (ich habe das nicht genau verstehen können), daß sie mit den Wirbelwinden in Verbindung stehen.
III. WEITERE NATURGÖTTER
8. Serki(n) Rafin, der Gott der Flüsse
Nun kommen wir zu einem Gott, der anscheinend weitere Verbreitung und wesentlichere Beachtung und Verehrung bei den
Borileuten gewonnen hat als irgendein anderer der Alledjenu. Es ist dies der Serki (König) Raf in (der Flüsse). An anderer Stelle wird darauf hinzuweisen sein, welche ungemeine Bedeutung überhaupt neben den Bäumen die Wässer in diesen Mythologien haben. (Siehe Dodo und Baschama am Benue!) Hier nun das, was die Kanoleute über den Flußgott zu sagen haben. Es ist eine längere Tradition:Eine Frau war mit einem Manne verheiratet. Die Frau war schon drei Jahre mit dem Manne verheiratet, aber die Frau hatte noch immer kein Kind. Die Frau ward nicht schwanger. Die Frau sagte (eines Tages) zu ihrem Manne: "Ich will meinen Wassertopf nehmen und will hinab zum Flusse gehen und will Wasser heraufbringen." Der Mann sagte zu seiner Frau: "Laß das! Warte damit! Die Sonne steht nun gerade in der Mitte (das heißt es war Mittag). Es soll niemand zum Wasser holen gehen, wenn die Sonne in der Mitte steht. Niemand tut das. Tue du dies auch nicht! Warte damit!" Die Frau sagte: "Was soll ich denn tun? Ich habe kein Wasser für meine Arbeit. Ich habe alles Wasser heute morgen verbraucht. Ich will meine Arbeit jetzt machen. Ich will nicht warten bis nachher." Der Mann sagte: "Gehe nicht!" Die Frau sagte: "Ich will gehen! Ich muß meine Arbeit verrichten!" Der Mann sagte: "Gehe nicht!" Die Frau sagte: "Ich will gehen. Ich muß gehen. Ich will meine Arbeit verrichten!" Die Frau nahm ihren Wasserkrug. Die Frau ging zum Flusse hinab. Der Weg zum Flusse war ganz kurz.
Der Mann wartete auf die Frau. Die Frau kam nicht wieder. Der Weg zum Flusse war ganz kurz. Der Mann wartete sehr lange. Die Frau kam nicht wieder. Die Sonne war schon bis dahin (etwa zwei Uhr) herabgekommen. Die Frau kam nicht wieder. Der Mann sagte: "Ich muß sehen, wo meine Frau bleibt. Ich habe meiner Frau gesagt, daß niemand mittags Wasser holen soll. Es ist etwas geschehen, ich will gehen und sehen, wo meine Frau ist." Der Mann ging zum Flusse hinab.
Der Mann kam an den Fluß. Der Mann sah seine Frau. Seine Frau stand bis an die Hüften im Wasser. Die Frau konnte nicht mehr aus dem Wasser herauskommen. Die Frau wurde im Wasser festgehalten. Die Frau war im Wasser festgehalten und schrie. Die Frau schrie und schrie. Der Mann sah, wie seine Frau im Wasser festgehalten wurde und schrie. Der Mann lief fort. Der Mann lief in die Stadt zurück. Der Mann lief in die Stadt zu seinem Vater und sagte: "Mein Vater! Heute mittag wollte meine Frau im Flusse Wasser holen. Ich sagte zu meiner Frau: ,Laß das! Warte damit!
Es soll niemand zum Wasser holen gehen, wenn die Sonne in der Mitte steht!' Meine Frau sagte: ,Ich will gehen! Ich will meine Arbeit verrichten!' Meine Frau ging. Ich wartete auf sie. Ich wartete lange. Ich bin soeben hinabgegangen, um nach ihr zu sehen. Ich habe meine Frau gesehen. Meine Frau steht bis an die Hüften im Wasser. Meine Frau kann nicht mehr aus dem Wasser herauskommen. Meine Frau steht im Wasser und schreit und schreit!" Der Vater des Mannes sagte: "Ich werde mit dir hinabgehen zum Flusse und diese Sache ansehen."Der Mann ging mit seinem Vater zum Flusse hinab. Der Vater sah, wie die Frau im Wasser stand. Die Frau stand bis an die Hüften im Wasser und konnte nicht fort. Die Frau schrie und schrie. Der Vater sagte: "Ich will deine Frau herausziehen." Der Vater ergriff die Frau und wollte sie herausziehen. Die Frau schrie und schrie. Der Vater zog. Der Vater zog stark. Der Vater konnte die Frau nicht herausziehen. Die Frau wurde im Wasser festgehalten und konnte nicht herauskommen. Der Vater sagte: "Was soll ich da tun? Ich kann sie nicht herausziehen!" Die Frau schrie und schrie. Der Mann schrie. Der Vater sagte: "Was soll ich da tun?" Die Frau stand im Wasser. Der Mann stand am Ufer. Der Vater stand am Ufer.
Dann (nach langer Zeit) konnte die Frau aus dem Wasser kommen. Niemand hielt sie. Niemand half ihr.
Die Frau konnte herauskommen. Die Frau kam aus dem Wasser. Als die Frau aus dem Wasser kam, war sie ganz trocken. Das Kleid der Frau war trocken. Die Hüften der Frau waren trocken. Die Frau war nicht ein wenig feucht. Die Frau ging mit dem Manne und dem Vater des Mannes nach Hause. Als de Frau nach Hause kam, legte sie sich hin.
Als es (am gleichen Tage) dunkel wurde, sprang die Frau von ihrem Bette auf. Die Frau schrie. Die Frau weinte und schrie: "Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß! Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß!" Die Leute sagten: "Was willst du?! Dein Ehemann ist doch nicht am Fluß. Dein Ehemann ist doch hier im Hause!" Die Frau weinte und schrie: "Ich muß zu meinem Ehemann an den Fluß! Ich habe am Fluß einen Ehemann, der diesen hier weit übertrifft!" Die Frau weinte und schrie. Die Frau lief hinaus. Die Frau lief zum Flusse hinab. Die Frau kam an den Fluß. Die Frau weinte am Fluß und sagte: "Serki(n) Rafin! Ich bitte dich! Serki(n) Rafin! Ich bitte dich! Hilf mir, daß ich bald ein Kind erhalte.
Ich bin schon drei Jahre verheiratet und habe kein Kind." Serki(n) Rafin sagte: "Geh in dein Haus. Sage zu deinem Mann, daß ich zu euch kommen will, wenn er mir das geben will, was ich brauche. Wenn dein Mann mir das gibt, will ich zu euch ins Haus kommen. Dann soll dein Mann noch einmal bei dir schlafen und du wirst schwanger werden. Ich will immer bei euch bleiben, aber ihr müßt mir immer das meine geben." Die Frau sagte: "Ich will sogleich nach Hause zurücklaufen und will das meinem Mann sagen."Die Frau lief nach Hause. Die Frau kam zu ihrem Manne. Die Frau sagte zu ihrem Manne: "Mein Mann! Serki(n) Rafin will zu uns ins Haus kommen, wenn du ihm das gibst, was er braucht. Du sollst dann noch einmal mit mir schlafen, und dann soll ich schwanger werden." Der Mann sagte: "Es ist gut. Ich will gern dem Serki(n) Rafin das geben, was er nötig hat. Warte aber. Ich will erst mit meinem Vater reden." Der Mann ging zu seinem Vater und sagte: "Serki(n) Raf in will zu uns ins Haus kommen, wenn ich ihm das gebe, was er braucht. Ich soll noch einmal mit meiner Frau schlafen, und dann soll sie schwanger werden." Der Vater sagte: "Weshalb soll es nicht so werden? Weshalb soll Serki(n) Raf in nicht kommen? Ich bin ein reicher Mann und kann dir alles geben, was Serki(n) Raf in braucht." Der Mann ging zu seiner Frau und sagte: "Geh hin und sage dem Serki(n) Rafin, er solle kommen; ich könne ihm alles geben, was er braucht."
Die Frau lief zum Flusse. Die Frau sagte zu Serki(n) Rafin: "Komm mit mir. Mein Mann wird dir alles geben, was du haben willst. Komm mit in unser Haus und wohne mit uns!" Serki(n) Rafin sagte: "Es ist gut. Ich werde meinen Boten mit dir senden. Mein Bote soll mit deinem Manne sprechen." Die Frau ging mit dem Boten. Nur die Frau konnte Serki(n) Rafin und seinen Boten sehen. Niemand außer ihr konnte den Serki(n) Rafin und seinen Boten sehen. Der Bote kam mit der Frau in das Haus. Der Bote sagte zum Manne: "Serki(n) Rafin braucht weißen Stoff, weiße Kauri, weißen Widder und weiße Tiere. Aber wenn du Serki(n) Rafin weiße Tiere opfern willst, so mußt du immer ein männliches und ein weibliches (also ein Paar weißer Tiere) opfern." Der Mann sagte: "Das will ich tun!"
Der Bote ging zu Serki(n) Rafin zurück. Der Bote sagte zu Serki(n) Rafin: "Du wirst erhalten, was du brauchst." Serki(n) Rafin kam. Serki(n) Raf in kam in das Haus. Nur die Frau konnte
ihn sehen. Der Mann opferte Serki(n) Rafin weißen Stoff, weiße Kauri, weißen Widder und männliche und weibliche weiße Tiere. Nachts schlief dann der Mann bei seiner Frau. Serki(n) Rafin machte ein Magani (Medikament) für die Frau. Er machte in einer Topfschale Feuer. Auf das Feuer schüttete er Pulver. Es stieg Rauch auf. Die Frau setzte sich über den Topf, aus dem der Qualm aufstieg. Die Frau schlug ihr Kleid um sich und den Topf. Aller Qualm stieg ihr in den Mund. Sie atmete den Qualm ein.Serki(n) Rafin sagte: "Ich werde nun wieder gehen. Nach drei Monaten wird dein Leib aber so stark sein (das heißt die Schwangerschaft wird sicher so weit fortgeschritten sein), daß alle Welt es sieht. Serki(n) Rafin ging. Serki(n) Rafin ging wieder in das Wasser zurück. Nach einigen Monaten war die Frau hochschwanger. Serki(n) Rafin kam aus dem Wasser zurück (also befiel die Frau wieder). Die Frau schrie laut auf. Die Frau schrie: "Holt eine Goye (Geige), ich will tanzen. Holt eine Goye, ich will tanzen!" Die Leute sagten: "Das ist nicht gut. Warte, bis du dein Kind geboren hast. Dann kannst du wieder tanzen. Wenn du heute tanzt, gibt es ein Unglück!" Die Frau schrie: "Holt eine Goye. Ich will tanzen! Holt eine Goye! Ich will tanzen!" Die Leute holten eine Goye. Sie spielten die Goye. Die Frau tanzte zur Goye. Es schadete der Frau nichts. Sie blieb gesund. Sie gebar ein Kind. Das Kind war gesund. Seitdem spielt man die Goye, wenn ein Mann oder eine Frau von Serki(n) Rafin befallen wird.
Einige Haussa nehmen an, daß Serki(n) Raf in eine Frau im Wasser habe, die auch ein Alledjenu ist. Dieser Alledjenu heißt Magadja Raf in.
9. Das MeerWenn die Haussa auch eine ausgesprochene Verehrung der Flüsse und der Bachläufe in ihrer alten Religion besessen haben, so scheint es mir doch wesentlich, daß sie einen eigentlichen Poseidon ebensowenig kannten wie ursprüngliche Völker der östlichen Mittelmeerkulturen. Die Haussa wissen natürlich vom Meer, das sie Teku nennen. Sie sagen auch, daß viele Alledjenu darinnen wohnten. Aber das Meer, erklären sie, liege zu weit fort, als daß die Haussa mit diesen Alledjenu in Berührung kommen könnten.
10. Bato-e, VulkanDer Vulkan der Haussa hat, seiner Eigenart entsprechend, verschiedene Örtlichkeiten als Lokalgott erobert, wie das der Natur dieser Götter entspricht. Ich hörte von einem Vulkan am Tarraba, einem in der Bassaprovinz; die Kanoleute Lokojas nennen ihn Bato-e und erzählen von ihm folgende Legende:
In alter, alter Zeit herrschte in Lokoja ein König mit Namen Manomi. Manomi hatte viele, viele Sklaven. Die Sklaven mußten zumeist Fische fangen und Fische trocknen. Sie waren aber so zahlreich, daß Manomi sie nicht zu beaufsichtigen und zu übersehen vermochte.
Manomi ging eines Tages in den Busch und sagte: "Wenn ich nur wüßte, wer mir helfen kann, die Arbeit meiner Sklaven zu beaufsichtigen!" Als Manomi das sagte, war er in der Nähe eines großen Steines. In dem Stein war der Alledjenu Bato-e. Bato-e hörte, was Manomi sagte. Bato-e sagte: "Manomi, ich will dir gern helfen, wenn du mir mein Essen machst. Das aber sage ich dir, merke dir: du wirst erschrecken, denn ich werde alles verbrennen. Du mußt dieses aber ertragen." Manomi sagte: "Damit bin ich einverstanden. Sage mir aber, was du zu essen haben mußt." Bato-e sagte: "Gib mir schwarzen Bullen, schwarzen Hahn und schwarzen Stoff. Das ist mir angenehm." Manomi sagte: "Das sollst du jedes Jahr erhalten." Manomi ging nun auf die Spitze des Pattiberges und machte in den Stein eine Höhle. In dieser Höhle verrichtete er ein Opfer für Bato-e. Bato-e wohnte in dieser Höhle. Später kam noch Tauwake. Tauwake war Bato-es Mutter. Tauwake erhielt ihre Wohnung auf Stirling Hill (wenig hinter unserm Lager, dem Patti zu, wo einige große Felsblöcke liegen). — Nachdem Manomi in dieser Weise Bato-e und Tauwake angesiedelt hatte, opferte er dem Bato-e einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn, schwarzes Tuch. — Bato-e kam nach diesem großen Opfer heraus. Gleichzeitig kam ein großes Feuer heraus. Das Feuer kam vom Patti herab in das flache Land. Das Feuer zog über das flache Land hin. Das Feuer brannte zwischen den Hügeln und dem Koarra (Niger). Alles brannte nieder. Alle Gräser, alle Bäume, alle Häuser. Das Feuer vernichtete alles. —Darauf mußten die Sklaven Bato-es nach allen Seiten gehen und Gras herbeibringen, mußten Bäume und Stangen bringen. Sie mußten alle Häuser wieder aufrichten, denn alle Häuser waren heruntergebrannt. Die Sklaven hatten viel Arbeit, sie mußten sehr, sehr viel arbeiten. Manomi war darüber sehr froh und sagte:
"Bato-e, ich danke dir!" (Der Name dieser Gottheit soll in der Haussasprache schon auf den Brand, den sie hervorruft, hinweisen.) — Seitdem muß das große Opfer für Bato-e, schwarzer Bulle, schwarzer Hahn und schwarzer Stoff, alljährlich wiederholt werden.Wenn das in einem Jahre nicht geschieht, bricht das Feuer wieder auf dem Patti aus und brennt alles herunter.
11. Jankuka. Alledjenu der menschlichen FruchtbarkeitIn der Erscheinung keines andern Alledjenu ist die Verehrung der beiden Hauptobjekte des Borikultus, der Baum- und Wasserdienst inniger vereint, als in dem höchst eigenartigen Dienst des Jankuka, welcher Alledjenu seinen Namen von einem Baobab (=kuka) herleitet, in dem er wohnt.
In der Nähe Kanos, und zwar etwa einen Tagesmarsch nach Westen, liegt auf einem Hügel das Boda oder Bauda genannte Heiligtum. Die heilige Stätte nimmt einen rechtwinkligen Raum ein, der durch einen entsprechenden Wall von der Außenwelt abgeschnitten ist. Der Platz innerhalb der Waligrenze ist von Bäumen angefüllt. In der Mitte aber befinden sich die beiden Objekte der Verehrung, ein uralter Baobab und ein Brunnen oder eine Quelle. Diese Quelle nun ist, soweit ich es verstanden habe, mit einer glockenförmigen Kappe aus Bronze bedeckt, die siebartig durchbohrt resp. durchlöchert ist, so daß alles darauf gegossene Wasser wieder hinabtropft zu dem Quellwasser. Hier am Baobab und an der Quelle wohnt der Alledjenu Jankuka, dem an Opfergaben vor allem die rote Farbe zusagt und allein angenehm ist. Deshalb bringt man Jankuka das Opfer dar, wenn der Mond rot und ganz voll aufgeht. Das Opfer selbst besteht aber in einem Beischlafe, den man in dem Gebäude ausführt und von dem man unbedingt Schwangerschaft für seine Frau erwarten darf.
Dieses natürlich nur, wenn man den Gesetzen der Örtlichkeit vor und nach dem Beischlafe folgt. Beide Teile, Mann und Weib, sollen sich nämlich über der Bronzekappe waschen und zumal die Geschlechtsteile gründlich mit dem Quellwasser reinigen. Dann sollen beide Teile aber auch von dem Wasser trinken, so daß also das Wasser, mit dem man sich gewaschen hat, und das, welches man trinkt, das gleiche ist. Hat man diesen Vorschriften genau gefolgt, so kann man erwarten, daß Schwangerschaft eintritt, und dann kann man auch die Erfüllung anderer Wünsche erhoffen.
IV. GOTTHEITEN DER ZÜNFTE
12. Salala. Gottheit der Jäger
Es entspricht der sozialen Gliederung und der eminenten Entwicklung des Gewerbegetriebes der großen Haussastädte, daß gewisse Götter an die Spitze der Zünfte getreten sind. Ist es doch in unserem alten Deutschland nicht viel anders gewesen, und haben doch bis auf unsere Tage bestimmte Erinnerungen in diesem Sinne sich erhalten, wobei ich nur an den Ziegenbock zu erinnern brauche, der noch heute mit dem Schneider in Verbindung gebracht wird. An der Spitze dieser steht nun Salala, den andere Haussastämme Djengere nennen und der am Benue ganz andern Sinnwert hat als in Kano und seinen Bori-Diözesen. Bei den Kanohaussa am Niger ist Djengere aber der Alledjenu der Jäger. Darüber erhielt ich folgende Tradition:
Die Gottheit Salala lebt im Busch in einem Baumstamm. Ein Jäger ging durch den Busch. Der Jäger wollte ein Tier erlegen. Der Jäger ging durch den Busch und fand nichts. Der Jäger ging und ging und sah nichts. Der Jäger ging den ganzen Tag und sah nichts. Der Jäger ging den andern Tag durch den Busch und sah nichts. Der Jäger ging einen Tag nach dem andern in den Busch und fand nichts. Der Jäger ging drei Monate lang durch den Busch, ohne etwas zu erlegen. Der Jäger ging wieder in den Busch und fand nichts. Als es Mittag war und die Sonne hoch am Himmel stand, setzte der Jäger sich im Schatten eines großen, großen Baumes hin. Der Jäger wollte ausruhen. Der Jäger seufzte. Der Jäger sagte (bei sich): "Die Leute sagen, in diesem Busch wohne ein Alledjenu. Der Alledjenu wird mir aber auch nicht helfen können. Und wenn der Alledjenu mir helfen könnte, wird er nicht wollen, denn ich jage nun schon über drei Monate lang hier im Busch und kann nichts finden. Der Alledjenu wird mir nicht helfen können.
Der Alledjenu Salala war in dem großen, großen Baum, unter dem der Jäger saß. Salala hörte, was der Jäger sagte. Salala sagte: "Gewiß kann ich dir helfen. Aber ihr Menschen seid nicht klug genug, um die Freundschaft der Alledjenu zu gewinnen."
Der Jäger hörte Salala. Der Jäger sprang auf. Der Jäger sah umher. Der Jäger sah niemand. Der Jäger sagte: "Wer ist das?" Der Jäger ging umher. Der Jäger suchte. Der Jäger fand nicht den, der mit ihm gesprochen hatte. — Der Jäger setzte sich wieder unter den großen, großen Baum. Nach einiger Zeit sagte der Jäger: "Es
sprach jemand mit mir. Ich konnte ihn aber nicht sehen. Ob das wohl der Alledjenu war?" Der Alledjenu Salala sagte: "Wenn du sehr klug bist, kannst du alle Antilopen gewinnen, denn alle Antilopen gehören uns." Der Jäger begrüßte den Alledjenu. Der Jäger fragte: "Was ist es für eine Sache?" Salala sagte: "Wir sind viele. Aber als erste unter den andern sind wir sechs. Wenn ihr uns begrüßt, sollt ihr auch sechs sein. (Dies kann mißverstanden sein. Dem Berichterstatter war es entfallen, ob die sechs ersten unter den Jägern oder den Alledjenu sein sollen.) Geh nur nach Hause, komm aber ein anderes Mal wieder." Der Jäger ging nach Hause. —Der Jäger kam ein anderes Mal in den Busch. Er setzte sich wieder unter den gleichen Baum nieder, in dem Salala wohnte. Der Jäger sagte: "Ob ich heute wohl etwas jage?" Nach einiger Zeit kam eine Gada (sehr kleine Antilope). Der Jäger sagte: "Ob ich diese Gada wohl schießen darf? Habe ich nicht neulich gehört, daß alle Antilopen dem Alledjenu gehören ?" Salala hörte den Jäger. Salala sagte zu dem Jäger: "Schieße sie nur. Ich schenke sie dir." Der Jäger schoß. Der Jäger traf die Antilope. Der Jäger nahm die Antilope auf die Schulter und trug sie heim. Der Jäger kam zu dem Baum im Busch zurück und sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir!" Salala sagte: "Geh jetzt! Ich werde euch bald besuchen." Der Jäger ging nach Haus.Einige Zeit nachher kam Salala nach dem Dorf. Salala wollte den Jäger besuchen. Keiner der Dorfbewohner hörte Salala. Keiner der Dorfbewohner sah Salala. Nur der Jäger hörte Salala. Der Jäger hörte Salala sprechen. Salala sagte: "Ich komme euch zu besuchen." Der Jäger sagte: "Warte, ich will die angesehenen Leute rufen und will dir mit ihnen entgegenkommen." Der Jäger rief alle angesehenen Leute und sagte: "Kommt, wir wollen Salala entgegenziehen. Das ist eine große Sache, die da kommt." Die angesehenen Leute zogen mit dem Jäger Salala entgegen. Als sie zu Salala kamen, sagte Salala: "Ich begrüße euch!" Die Leute sahen nichts. Die Leute sagten: "Was ist das?" Der Jäger sagte: "Das ist der Alledjenu Salala. Es sind viele (nämlich Alledjenu Salalas). An der Spitze stehen aber sechs Angesehene." Die Leute sagten: "Was dürfen wir Salala geben?" Der Jäger fragte Salala: "Was brauchst du?" Salala sagte: "Gebt mir am Stamm meines Baumes (in dessen Schatten der Jäger zum erstenmal saß und zu dem er immer wieder zurückkehrte) schwarze Ziegen, schwarze Hühner (beide ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht) und schwarzen Stoff.
Den schwarzen (das ist natürlich tief indigoblauer) Stoff bindet um den Baum." Die Leute sagten: "Das wollen wir tun." Salala ging wieder in den Busch zurück.Der Jäger ging aber mit den Leuten in den Busch. Sie nahmen schwarze Ziegen und schwarze Hühner und schwarzen Stoff mit. Sie gingen zu dem Baume Salalas. Sie banden den schwarzen Stoff um den Baumstamm. Sie schlachteten die Hühner und Ziegen. (Brandopfer kennen weder Haussa noch Nupe, sondern nur Joruba.) Sie kochten und genossen das Fleisch der Opfer. Dann gingen die Leute heim. — Zu Hause spielte der Jäger die Jägergitarre. Die Leute saßen herum und hörten zu. Als der Jäger die Jägergitarre spielte, kam Salala und befiel einen Mann. (Machte ihn also besessen.) Salala begrüßte die Leute (natürlich durch den Mund des Besessenen) und sagte: "Bringt mir noch Honig (Esuma), gemischt mit Geere- (Penisetum-) Mehl. Tut das in eine Deckelkalebasse. Die Deckelkalebasse soll aber ganz neu sein. Schließt sie und bindet schwarzen Stoff darum." Die Leute richteten die Speise her und brachten sie zu dem Baume Salalas hinaus.
So wird es heute noch gehandhabt, wie ja überhaupt ein großer Teil dieser Legendenart weiter nichts bedeutet als die Schilderung der Opfer, um die ein legendärer Schleier gewunden ist. Seitdem ist es immer ein Jäger, der dem Salala ein Opfer darbringen muß, ehe die Gottheit in einen Menschen hinabsteigt und dann durch den Besessenen spricht. Alle Opfer für Salala sind aber schwarz. Salala gilt als sehr, sehr schlimm. Er tötet häufig Menschen, die er in Besitz nimmt. Salala würde noch viel mehr Menschen töten, wenn Serki(n) Rafin die Besessenen nicht retten würde. (Siehe auch Djengere-Salala der Benuestämme.)
13. Potelua, Gottheit der SchmiedeIn alter, alter Zeit war ein Schmied, der hieß Isiaku*. Isiaku hatte viele Magani. Isiaku sagte: "Ich habe so viele Magani, daß ich nicht sterben werde. Ich habe soviele Magani, daß ich nach dem Tode weiterleben will." Der Schmied Isiaku zog einmal mit in den Krieg. Im Krieg ward Isiaku getötet. Als Isiaku starb (im Sterben lag), sagte er: "Ich habe so viele Magani, daß ich nicht sterben werde. Ich habe so viele Magani, daß ich nach dem Tode weiterleben will." Dann starb der Schmied Isiaku.
Als der Schmied Isiaku gestorben war, verwandelte er sich (sich verwandeln heißt rikida) mit Hilfe seines Alledjenu auch in einen Alledjenu und sagte: "Ich bin jetzt Alledjenu und heiße Potelua! Ich bin nun der Alledjenu Potelua!" Der Alledjenu Potelua ging umher. — Der Alledjenu Potelua ging umher. Eines Tages begegnete der Alledjenu Potelua dem König der Alledjenu, der hieß Bagudu (sonst habe ich nichts über diesen Götterkönig gehört). — Bagudu sahpotelua und fragte: "Wer bist du ?"Potelua sagte: "Ich war vorher ein Mensch mit Namen Isiaku. Ich hatte viele Magani. Als ich starb, verwandelte ich mich in einen Alledjenu und heiße nun Potelua." Der König der Alledjenu fragte: "Was war deine Beschäftigung früher?" Potelua sagte: "Ich war früher Schmied." Bagudu sagte: "Es ist gut. Ich werde dich zum Schmied unter allen Alledjenu machen." So ward Potelua der Alledjenu aller Schmiede.
Alledjenu Potelua lebt stets in einem Samiabaum. Man opfert diesem Alledjenu roten Hahn. Die Schmiede opfern Potelua jedesmal einen roten Hahn auf dem Guduma, dem Amboßstein, ehe sie Eisen bereiten.
14. Usman, Gottheit der HaarschneiderDas Barbieren spielt bei den Haussa eine große Rolle. Demnach ist es verständlich, daß gerade diesem Handwerk und der Zunft dieser Art eine besondere Alledjenufamilie erstehen mußte.
Dogoa (Mann) war mit Kurai (Weib) verheiratet. Dogoa und Kurai waren Alledjenu. Sie wohnten auf einer Sandbank im Flusse Firri-unas (also im Nil) und hatten einen Sohn. Dieser Sohn hieß Usman und war Uansami (Barbier). Das war aber in alter, alter Zeit. Damals war Firri-una (Pharao) Salu König in Masr (Ägypten). Firri-una Salu führte aber viele Kriege. Er führte mit allen Leuten Krieg. Firri-una opferte immer dem Dogoa auf der Sandbank. Er brachte immer Opfer dar. Aber Firri-una war im Krieg nie glücklich. Firri-una Salu siegte nicht. Firri-una Salu rief seinen Wahrsager (=boka), der hieß Satiku. Ferri-una Salu sagte zu Satiku: "Was ist es? Ich opfere immer dem Dogoa Bullen; aber ich habe im Kriege immer Unglück. Was kann ich da tun?" Satiku sagte: "Opfere doch einmal dem Uansami Usman ein Kamel (Rakumi). Vielleicht wird dieser Alledjenu dann einmal mit seinem Vater sprechen!" Firri-una Salu ging hin. Er opferte Usman ein Kamel. Usman ging zu seinem Vater und sagte: "Mein Vater! Firri-una hat
soviel für dich getan, daß du ihm nun einmal helfen kannst."Dogoa sagte: "Ich werde es tun." Dogoa nahm einen eisernen Speer. Diesen Speer gab er dem Firri-una Salu und sagte: "Wenn dieser Speer im Kampfe von deinen Leuten so geworfen wird, daß durch ihn der erste Feind getötet wird, dann wirst du im Kriege gewinnen." Firri-una Salu nahm den Speer. Er ließ den Speer vorantragen vor seinen Leuten. Es kam zum Kampf. Der Speer Dogoas ward geworfen. Der erste Feind ward getroffen und getötet. Firri-una Salu siegte. Seit damals ist der Alledjenu Usman hochverehrt.Der Alledjenu Usman ist hochverehrt, und das ganz besonders bei den Barbieren, den Uansami, deren Schutzherr er ist und denen er ganz besondere Gnade erweist. Usman ist mit jedem, der barbieren kann. Deshalb läßt jeder Haussa seinem Sohn vor allem das Geschäft der Barbiere erlernen. Dann erst kann er seinem eigen gewählten Berufe nachgehen. Auf diese Weise ist der Alledjenu Usman ihm immer gnädig.
Man opfert Usman weiße Hähne und dazu jenen gestreiften Stoff, den man kjari kjari nennt.
15. Illadja, Gottheit der SchlächterDer mißachtetste Beruf der Haussa und auch Nupe ist der der Schlächter (siehe unten). Daher ist es verständlich, daß dem Zunftgott dieser Leute nicht besondere Hochachtung entgegengebracht wird. Die Legende erzählt ihn betreffend:
In alter, alter Zeit war ein König in Katsena, der hieß Haua. Haua führte viele Kriege. Er führte ununterbrochen Krieg gegen vielerlei Städte und Völker. Er führte vor allem immer wieder Krieg gegen Sokoto, aber er konnte in diesem Krieg nicht siegen. Haua unterlag immer wieder. Haua wurde besiegt. Haua schrie. Haua schrie und sagte: "Was tue ich? Welcher Alledjenu hilft mir?" Haua sagte :"Ich will Raka-dodo selbst um Hilfe angehen." Haua wandte sich mit Opfern an Raka-dodo. Raka-dodo wies aber Haua ab. Raka-dodo wollte mit Haua nichts zu tun haben.
Raka-dodo hatte aber einen Schlächter (der natürlich auch ein Alledjenu war), der hieß Illadja. Illadja hatte gehört, daß Rakadodo Hauas Bitte abgeschlagen hatte. Illadja ging nachts zu Haua. Es war Mitternacht. Illadja sagte zu Haua: "Ich weiß, daß Rakadodo deine Bitte abgeschlagen hat. Ich bin ein Mann Raka-dodos. Sage mir nun deine ganze Sache und ich will mit Raka-dodo für
dich sprechen." Haua aber beachtete den Schlächter Illadja nicht. — Am andern Tage ging Haua zu Tschiroma, der war ein Sohn Illadjas (aber anscheinend kein Schlächter). Haua sagte zu Tschiroma: "Hilf mir und sprich für mich bei Raka-dodo !"Tschiroma sagte: "Das will ich tun." Dann ging Tschiroma mit Haua zu Rakadodo und sagte: "Dies ist der König Haua. Er hat die Hilfe Illadjas, des Schlachters, meines Vaters, abgelehnt und hat sich an mich gewendet." Raka-dodo sagte: "Es ist gut! Der König Haua soll mir ein Kamel, zwei schwarze Bullen, zwei schwarze Hähne und zwei schwarze Rigas (Kleider) bringen." Haua sagte: "Das will ich sogleich tun." Haua opferte dann ein Kamel, zwei schwarze Bullen, zwei schwarze Hähne und zwei schwarze Rigas. Raka-dodo nahm dies Opfer an. — Raka-dodo rief seinen Sohn Isiaku (siehe oben S. 315, Die Gottheit der Schmiedezunft) und sagte zu ihm: "Du sollst der Führer des Königs Haua sein!" Raka-dodo sagte zu Haua: "Dieser, mein Sohn Isiaku, wird dein Führer sein. Folge immer genau meinem Sohn, der immer vor euch hergehen wird. Dann nimm diesen Sandan(g) Karifi (das ist ein eiserner Stab). Wenn du nahe an den Feind kommst, stecke ihn in die Erde. Den ersten Pfeil, der ankommt, mußt du auffangen und neben den Sandan(g) Karifi in die Erde stecken." Haua sagte: "Das will ich tun." Haua nahm den Eisenstab.Haua zog mit dem Sandan(g) Karifi von dannen. Haua zog in einen Krieg gegen Segi segi (das ist Soso oder Zaria). Haua folgte der Weisung Raka-dodos. Isiaku zog vor seinem Volke her. Haua gewann den Krieg. Haua wurde ein großer König. Haua kam zurück. Haua kam zu Raka-dodo. Haua begrüßte Raka-dodo. Haua dankte Raka-dodo. Haua wollte zurückkehren nach Katsena. Haua fragte Raka-dodo: "Willst du mit mir kommen nach Katsena?" Rakadodo sagte: "Nein, ich will nicht mit dir gehen. Aber Isiaku, mein Sohn, soll mit dir nach Katsena kommen. Isiaku kann immer bei dir bleiben. Du bist nun aber ein großer König. Ich werde allen Alledjenu sagen, daß sie auch zu dir kommen und dich begrüßen sollen."
Haua ging zurück nach Katsena. Dann kamen die Alledjenu und begrüßten ihn. Ein Alledjenu kam nach dem andern. Alledjenu kamen zu ihm und begrüßten ihn. Aber Alledjenu Illadja kam nicht zu ihm. Die Frau Illadjas sah und hörte, daß alle Alledjenu zu Haua gingen und ihn begrüßten. Die Frau Illadjas sah und hörte, daß ihr Mann nicht zu Haua ging, um diesen zu begrüßen. Abends wollte Illadja bei seiner Frau schlafen. Seine Frau sagte: "Geh! Ich
schlafe nicht mehr mit dir!"Illadja sagte: "Warum willst du denn nicht mehr mit mir schlafen?" Die Frau sagte: "Alle Alledjenu sind zu Haua gegangen und haben ihn gegrüßt. Nur du bist nicht zu Haua gegangen, um ihn zu begrüßen. Ehe du nicht bei Haua gewesen bist und ihn begrüßt hast, schlafe ich nicht mehr mit dir." Illadja sagte: "Ich werde gehen!" Illadjas Frau sagte: "Sieh, daß er für dich (bei Raka-dodo oder einer noch höheren Instanz) spricht."Illadja ging. — Illadja begrüßte Haua. Illadja sagte zu Haua: "Nun hilf mir! Ich will dir jeden Tag für zweihundert Kauri Fleisch bringen. Aber ich bitte dich, für mich zu sprechen, daß ich viel Geld verdiene." Haua sagte: "Das ist zuviel. Ich will nicht immer für zweihundert Kauri Fleisch von dir haben."Illadja sagte: "Hilf mir! Ich will dir jeden Tag für hundert Kauri Fleisch bringen. Aber ich bitte dich, für mich zu sprechen, daß ich viel Geld verdiene." Haua sagte: "Das ist zuviel. Ich will nicht immer für hundert Kauri Fleisch von dir haben.' Illadja sagte: "Hilf mir! Ich will dir jeden Tag für fünfzig Kauri Fleisch bringen. Aber ich bitte dich, für mich zu sprechen, daß ich viel Geld verdiene!" Haua sagte: "Das ist zuviel. Ich will nicht immer für fünfzig Kauri Fleisch von dir haben."Illadja sagte: "Hilf mir. Ich will dir jeden Tag für fünfundzwanzig Kauri Fleisch bringen. Aber ich bitte dich, für mich zu sprechen, daß ich viel Geld verdiene!" Haua sagte: "Das ist mir recht. Raka-dodo wird dir Reichtum gewähren." Illadja ging heim. Illadja sagte zu seiner Frau: "Haua spricht für mich bei Raka-dodo." Illadjas Frau sagte: "Ich bin zufrieden!" Illadjas Frau schlief wieder mit ihrem Manne.Eines Tages machte die Frau Illadjas etwas, was nicht gut war. Illadja schlug seine Frau. Die Frau lief darauf weg. Die Frau lief zu Haua. Die Frau sagte zu Haua: "König! König! König!" Haua fragte sie: "Was hast du? Was ist mit dir?"Die Frau sagte: "Ich bin die Frau Illadjas des Fleischers. Mein Mann ist unzufrieden, weil ich ihm nicht genug gekocht habe. Du gabst ihm gute Worte. Nun ist aber Illadja übermütig geworden. Das ist die Sache!" Haua sagte zu Raka-dodo: "Dieser Illadja ist kein guter Mann. Er wollte viel für nichts (?). Nun hat er seine Frau auch noch um nichts geschlagen. Dieser Illadja ist kein guter Mann."Raka-dodo sagte: "Wenn es so ist, dann soll dieser Mann kein Geld mehr verdienen, und wenn er noch so viel Ochsen an einem Tage schlachtet!"
Seitdem ist kein Schlächter mehr reich geworden. Denn der Schlächter schuldet stets den Leuten, von denen er Vieh kauft, Geld.
Wenn er von einem Geld bekommt, bezahlt er den, dem er schuldig ist. Jeder Schlächter hat viele Gläubiger und er ist immer verachtet. Man opfert diesem Alledjenu Illadja stets Rinderkot. Illadja kommt immer nur zu Schlächtern, um sie besessen zu machen.Diese Legende stimmt genau mit der Stellung überein, die hier im Lande die Schlächter genießen. Schlächter heißt in Haussa = mahutschi; in Nupe =nakasotschi; in Joruba =alaquata. Haussa und Nupe haben gegen Schmiede nicht das geringste einzuwenden und heiraten die Tochter eines Schmiedes ebensogut wie die eines andern achtbaren und ansehnlichen Mannes. Niemals aber wollen sie sich mit der Familie der Fleischer vermischen. Nie wird ein Haussa oder Nupe ein Kleid anziehen, das vorher ein Schlächter anhatte. Haussa und Nupe wollen nicht einmal die Hand eines Fleischers berühren, und wenn der Haussa dem Fleischer den schuldigen Betrag bezahlen will, reicht er ihm das Geld an einem Stock hin, um so jede Berührung zu vermeiden.
16. Raka-dodoDann endlich haben wir den oben schon mehrfach genannten Raka-dodo (das ist Raka =führen, dodo der Geister) zu erwähnen. Wir können wohl sagen, daß er der zunftmäßige Alledjenu des höchsten Standes und Berufes in Kano ist; er ist nämlich die Spezialgottheit des alten Königsgeschlechts der Kanoherrscher. Wenn er es heute, nach der Islamisierung, in der Tat und äußerlich genommen nicht mehr ist, so nimmt er doch nach dem Glauben der Borileute diese Stellung immer noch ein. Darum sehen die Borileute in Kano auch Raka-dodo als Obersten der Alledjenu an. Sie bezeichnen Kano als die erste Stadt der Welt und Raka-dodo als den Oberherrn aller Alledjenu der Welt. Dazu erzählen sie folgende Geschichte:
In alter, alter Zeit war einmal im Land ein armer Mann, der hieß Dabo. Dabo hatte nichts zu essen. Dabo irrte umher in den Dörfern des Kanolandes und bettelte und war ärmer als irgendein anderer Mann im Land. Es gab damals aber überhaupt weder Städte noch reiche Leute im Kanolande. Dabo wandte sich darauf an Raka-dodo und sagte: "Siehe, ich habe gar nichts. Ich übertreffe an Armut alle andern Leute, die in diesem Lande sind. Darum mache mich, der ich früher die andern an Armut übertraf, zu einem andern, dem niemand an Reichtum gleichkommt. Mache Städte mit vielen Menschen in
diesem Lande und gib sie mir."Raka-dodo hörte Dabo. Raka-dodo tat, was Dabo wünschte. Raka-dodo machte viele Städte mit vielen, vielen Menschen darin und gab sie Dabo. Dann sagte Raka-dodo zu Dabo: "Nimm dies, aber opfere mir in Zukunft weißen Turban (roni), weiße Hosen (wando), weiße Riga, weiße Schuhe, weiße Alkeba, weiße Bullen und weißes Kamel!" Dabo tat das. Dabo opferte Raka-dodo alles, was Raka-dodo haben wollte.Es ward ein Stein gebracht, der hieß Dala; der ist heute noch in Kano zu sehen. Raka-dodo hatte einen Sohn, der hieß Senabu; den hatte Raka-dodo in den Stein gesetzt. Senabu vertrat die Stelle Rakadodos.
Seitdem wurden vom König in jedem Jahr weißer Turban, weiße Hosen, weiße Riga, weiße Schuhe, weiße Alkeba, weißer Bulle und weißes Kamel den Borileuten gegeben, daß sie dieses dem Rakadodo am Dalastein darbringen. Und wenn die Könige heute die Opfergaben nicht mehr schenken (angeblich tun sie es doch im geheimen), so bringen die Borileute es so auf. Denn Dabo ward der Herrscher über vieles Land und viele neue Städte; und dadurch entstand Kano, das heute die mächtigste aller Haussastädte ist. Deshalb gilt der Raka-dodo als König aller Alledjenu.
Überlieferungen der Borileute des Südens
(der Haussa im Lande der Jukum)
Nachfolgende Aufzeichnungen stammen zumeist aus Wukari, zum kleinen Teil aus Ibi, sämtlich von den Abaqua Riga, jenem alten Haussastamm, der mit seinen heidnischen Religionen einst in dem Jukumlande einzog. Diesem Gange entsprechend, beginne ich mit der Wandersage. Diese schildert den Einzug des Aschama mit dem Gefolge der Borigeister; im zweiten Teile zeige ich dann, was über diese Wassergötter Dodo und Serkin Rafin erzählt wird. Diese Legenden zeigen, wie mich deucht, keinen absolut reinen Haussatypus. Sie führen nur zu den Leuten, die in ein fremdes Land, in das alte Jukum-Kororofa einwanderten. Demnach treten viele Züge der Mischung deutlich hervor. Vor allem erkennen wir die Verbindung mit ursprünglich der Bori-Haussawelt fremden Elementen daran, daß Aschama, Dodo Agaschi heute in Masken tanzen. Es ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, daß die alten Haussa diese Masken aus dem Norden nach dem Benue mitbrachten. Kororofa war dagegen seit alters ein Maskenland. Auch die einwandernden
Abaqua-Riga hüllten also einige prominente Gestalten in solche Gewänder. Man wird das ursprüngliche Fehlen der Borimasken bei der Haussa um so mehr annehmen, als die eigentlichen Bori keine Masker haben. Das würde auch dieser ganzen Religion widersprechen. Ausdrücklich tritt in der Legende immer Aschama mit den Bori zusammen auf. Also war Aschama anfangs kein Bori. Fernerhin isi es auch mit der Beziehung Dodos eine recht gewagte Sache. Auch Dodo ist an sich ebensowenig ein Alledjenu als Aschama. Entsprechende Angaben sind mir so häufig gemacht worden, daß sie nicht übersehen werden können, wenn heute die Verschmelzung und Verwurzelung auch ein sehr festes, oft homogen erscheinendes Gebilde hervorgerufen haben. Die ganze Verehrungsform Dodos ist nicht die eines Alledjenu. Dodo ergreift keinen Menschen, macht ihn am Benue nie besessen. Das dritte Symptom der Mischung ursprünglich hier einheimischer Religionsform mit neu herzugetretenen Elementen ist leichtlich an der Legende zu erkennen, in der der bekannte übermächtige Knabenheld wohl die gewaltigen Büffel überwinden kann, von Aschama aber bezwungen wird. Diese Büffelgötter mit dem Feuerbrand sind aber sicherlich die Vertreter der hier ursprünglich von atlantisch-äthiopischen Stämmen getragenen Büffel-Jupiter-tonans-Religion, wie sie in den Legenden und dem Kultus der Dakka und Schamba und der "Urbevölkerung" Kororofas noch erhalten ist. Also Mischung auf jeden Fall. Die heidnischen Abaqua-Riga treten uns in diesen ersten Mythen in enger Mischung und Angliederung an einheimische Benue-Elemente entgegen.
I. EINWANDERUNGSSAGEN AUS WUKARI
17. Aschama und der Boriflußübergang
Auf der andern (nördlichen) Seite des Benue lebten vordem folgende Alledjenu: 1. (1-16) Männliche Alledjenu: Adara, Jimoa, Bakoka, Babuke, Gunga, Dungudjirri, Baru, Sogo, Arri, Dauwa, Djiberri(n), Auta, Agurmaje Wauwa, Rigadja, Korro. 2. (17-24) Weibliche Alledjenu: Asana, Adama, Moremu, Nassara, Sosonni, Asumi, Kumatu, Asulpa.
Von diesen waren also die ersten sechzehn männliche, die andern acht* aber weibliche Alledjenu. Alle diese waren anfangs im Busch.
Dauwa war verheiratet mit Nassara. Sogo oder Sog(b)o war verheiratet mit Asumi. Djiberri(n) war verheiratet mit Kumatu. Wauwa war verheiratet mit Asana. Arri war verheiratet mit Adama. Rigadja war verheiratet mit Moremu. Korro war verheiratet mit Asulpa. |
Der Urahn der Abaqua-Riga wanderte einst mit seiner ganzen Familie, mit vielen Männern und Weibern und Kindern nach Süden. Er kam an den Anun (Fluß) Ateta. Das war ein sehr großer Fluß, und niemand konnte so hinüberkommen, so breit war er. Es war keine Schnur, kein Tau zum Anhalten, keine Brücke zum Darübergehen, kein Boot zum Hinüberfahren da. Der Urahn der Abaqua-Riga und alle Leute standen da und wußten nicht, wie sie weiterkommen sollten. Darauf bat der Urahn und König Gott (=Tsidon): "Was soll ich mit all meinen Leuten tun? Der Fluß ist voll Wasser. Können wir hinübergehen? Erlaubst du uns hinüberzugehen?" Darauf kam Asama vom Himmel. Asama fiel auf die Erde, auf das Ufer, auf dem die Leute standen. Er fiel ganz dicht beim Urahn-Häuptling nieder. Dann schritt Asama auf dem Wasser hin, von diesem Ufer auf das jenseitige Ufer (das soll heißen, er breitete sich gleich einer Brücke darüber aus). Er lag mit seinem Kleide auf dem Wasser wie eine Brücke. Alle Leute, alle Männer, Weiber und Kinder konnten auf ihm von einem Ufer zum andern über das Wasser hingehen, ohne naß zu werden. Von da an blieb Asama bei den Leuten. Der Urahn-Häuptling erklärte sich aber als Unterworfener (als Sklave oder Diener Asamas). Wenn das Sorghum reif ist, so daß die Ernte nahe bevorsteht, kommt Asama heraus und gibt den Leuten viel Nahrung und Bier. Asama macht die Leute gesund, bringt Kinder und reiche Ernte. Von Zeit zu Zeit, etwa alle drei Jahre, kommt Asama heraus und fordert dann allerhand zu essen und zu trinken.
Das Hochinteressante ist, daß der Urahn-Häuptling selbst auch den Namen Asama getragen haben soll. Wir tun also wohl nicht Unrecht, wenn wir in Asama gleich wie in Dako Boca der Nupe oder den Gunu-ku der Nordjoruba (letztere beiden sind identisch) Personifikationen der konzentrierten Ahnenreihen erblicken. Die Legende, die in diesem Band als erste wiedergegeben ist, würde dann den Sinn haben, daß Asama, der Urahn der Abaqua-Riga, das Volk ins Land gebracht hat, daß das Volk aber damals schon die Bori-Religion hatte.
19. Wie Jato mit Asama nach Wukari kamEs kam aber mit Asama und den andern vierundzwanzig Alledjenu noch ein Alledjenu nach Wukari, der sich von den andern
absonderte und trotzdem zuletzt mit ihnen wieder zusammenkam. Die andern Alledjenu konnten ihn nicht leiden, aber er langte doch mit ihnen zusammen an, und darüber gibt es folgende Überlieferung:An dem Tage, an dem die andern Alledjenu mit Asama über den Kogi zogen, war auch ein anderer Alledjenu bei ihnen, der hieß Jato (auch Jatari genannt, im Kano als Janjare; in Kontagora als Senserri, auch als Sensere bekannt). Die Alledjenu waren alle zusammen noch auf dem Nordufer, aber nicht mehr weit vom Kogi (=Fluß, der Benue ist gemeint) entfernt, da sprang ein Leopard durch den Busch. Der Leopard jagte einen Jambirri (auch Chambirri, das ist Husarenaffe). Jato sah den Jambirri. Jato sah, wie der Leopard den Jambirri jagte. Jato sagte: "Das muß ich sehen!"Jato sprang auf.
Agondaua war der Führer der Alledjenu. Agondaua sah wie Jato aufsprang, um hinter dem Jambirri herzulaufen. Agondaua sagte zu Jato: "Laß ab!"Jato aber lief von dannen. Agondaua sagte zu den andern Alledjenu: "Laßt den Jato hinter dem Jambirri herlaufen! Er ist verrückt! Was verlieren wir an diesem Jato?"Jato rannte hinter dem Jambirri her. Die andern Alledjenu zogen aber zum Flusse hinab. Sie warteten am Flusse. Asama kam und setzte die Alledjenu über. Die Alledjenu waren auf der andern Seite des Benue.
Als die Alledjenu auf der andern Seite des Benue waren, sagten sie untereinander: "Wir werden nun Essen finden. Was soll aber aus Jato werden? Soll Jato im Busch verhungern? Wir können Jato nicht so verlassen, denn er ist verrückt!"Die Alledjenu sprachen mit Agondaua. Agondaua sagte: "Es ist gut, ich werde mit Asama sprechen." Agondaua kam zu Asama und sagte: "Einer unserer Kameraden ist drüben geblieben. Er ist verrückt. Er wird verhungern, wenn er allein im Busch bleibt. Abokina (mein Freund), wir bitten dich, gehe zurück und hole ihn auch herüber. Asama, wir bitten dich!" Asama sagte: "Ich will es tun."Asama ging zurück ans Ufer. Asama wartete am Südufer des Benue auf Jato.
Nach einiger Zeit kam Jato am Nordufer des Benue an. Jato war über und über mit dem Kot des Jambirri beschmiert. Jato hatte dem Jambirri das Fell abgezogen und hatte es über die Schulter gehängt. Als Jato am andern Ufer des Flusses ankam, rief Asama hinüber: "Willst du nun über den Fluß herüberkommen, wie die andern Alledjenu, oder willst du nicht?"Jato sagte: "Abokina, sei nur nicht ärgerlich. Wenn ich nicht mit den andern Alledjenu zusammen
herübergekommen bin, so geschah es nur, weil ich den Jambirri so sehr liebe. Ich liebe den Jambirri mehr als alles andere. Darum mußte ich das Fell des Jambirri haben. Nun habe ich aber das Fell des Jambirri und nun bitte ich dich, mich auch hinüberzubringen, wie die andern Alledjenu. Abokina, ich bitte dich!" Asama sagte: "Ich will dich herüberbringen. Du bist aber über und über mit Kot beschmutzt. Du mußt dich also erst waschen, ehe ich dich herüberbringe, denn du beschmutzt mir sonst die Kleider."Jato sagte: "Abokina sieh! Jeder hat seine Sache. Das hier ist meine. Ich kann mich nicht waschen. Bringe mich doch so herüber!"Asama sah, daß Jato verrückt war. Asama brachte Jato auf das andere Ufer. Als er Jato auf die andere Seite des Flusses gebracht hatte, zeigte Asama ihm die Stadt und sagte: "Sieh dorthin! Siehst du die Stadt?" Jato sagte: "Ja, ich sehe diese Stadt." Asama sagte: "Gut! Gehe in diese Stadt. Gehe allein hin, denn ich mag nicht mit dir gehen, wo du so beschmutzt bist. Geh also allein in die Stadt. Frage nicht viel. Geh auch nicht viel umher, sondern gehe gleich geradeaus. Dann kommst du in das Haus Agondauas. Agondaua wird dir zeigen, wo ihr wohnt, wo du zu essen bekommst und was du zu tun hast! Geh nun!"Jato ging.Jato ging allein in die Stadt. Jato kam in die Stadt. Jato ging durch die Straßen der Stadt. Jato ging aber nicht in das Gehöft Agondauas, das Asama ihm gezeigt hatte. Jato ging überall herum. Er ging nicht in ein Gehöft. Er fragte niemand. Die Leute wichen ihm aus, weil er mit dem Kot des Jambirri beschmutzt war. Als es Abend war, wurde Jato hungrig. Jato sah sich nach etwas um, was er essen konnte. Jato sah nichts. Jato suchte. Jato kam dahin, wo die Leute sich entleerten. Jato sah den Menschenkot. Jato begann den Menschenkot zu essen. Jato schmierte sich mit dem Kot ein.
Als es Nacht war, kam Asama zu Agondaua. Asama sagte zu Agondaua: "Ist denn Jato noch nicht hier?"Agondaua sagte: "Wir haben Jato nicht gesehen, seit er auf der andern Seite des Flusses dem Jambirri nachgelaufen ist. Hast du ihn denn über den Fluß gebracht?" Asama sagte: "Gewiß habe ich ihn heute morgen in der Frühe über den Fluß gebracht. Ich zeigte ihm den Weg zu deinem Hause. Das war heute in der Frühe. Jetzt aber ist es Nacht und lange Zeit nach der Stunde des Essens. Agondaua sagte: "Dieser Jato ist verrückt. Dieser Jato wird wieder irgend etwas getan haben. Man kann mit dem Jato nichts machen."Asama sagte: "Wartet nur! Euer Jato wird schon kommen!"
Jato lief nachts in der Stadt umher. Jato fragte die Leute: "Wo wohnen die Alledjenu?" Die Leute sagten: "Es ist unsicher, wo die Alledjenu wohnen. Sie wohnen bald hier, bald dort."Jato sagte (bei sich): "Diese Leute sind dumm. Sie wissen nichts von den Alledjenu."Jato lief weiter. Jato traf eine Frau. Jato sagte zu der Frau: "Es sind viele Fremde in der Stadt angekommen. Ihr erster ist Agondaua. Weißt du, wo Agondaua wohnt?" Die Frau sagte: "Ja, das weiß ich. Komm mit mir, ich will dir den Weg zeigen." Die Frau ging voran. Jato folgte ihr. Die Frau führte Jato bis zu dem Gehöft. Die Frau blieb vor dem Sauri (Durchgangshaus) stehen und sagte: "Da gehe nur hinein. Da drinnen wohnen deine Kameraden. Ich selbst will aber nicht mit hineingehen." Jato sagte zu der Frau: "Nein, gehe nicht fort. Du darfst nicht so weggehen. Du mußt mir den Weg hinein zeigen, denn ich kann nicht allein hineingehen. Ich bitte dich also, geh voran!" Die Frau ging voran. Sie zeigte Jato den Weg.
Jato ging hinter der Frau her durch das Sauri. Jato kam hinter der Frau her in das Gehöft, in dem Agondaua und die andern Alledjenu waren. Agondaua sah die Frau und Jato. Agondaua sah, daß Jato mit Menschenkot beschmiert war. Agondaua sagte zu der Frau: "Frau, was soll das? Mit diesem Menschen wollen wir nichts zu tun haben. Siehst du nicht, daß er von oben bis unten mit Menschenkot beschmutzt ist? Riechst du nicht, daß er schon von weither nach Menschenkot stinkt?"Die Frau ging nicht. Jato ging nicht. Agondaua schrie: "Seht ihn! Sein Mund ist mit Kot beschmiert! Er stinkt! Bringt ihn weg! Es ist ihm gesagt worden, daß wir hier gutes Essen haben. Wir warteten auf ihn vom Morgen bis zum Abend. Er kam nicht vom Morgen bis jetzt, wo es Nacht ist. Er konnte Gutes bei uns essen. Er beschmutzte sich aber mit Kot. Nun wollen wir nichts mehr mit ihm zu tun haben. Bringt ihn weg!"
Jato ging. Jato ging wieder in die Stadt. Jato lief wieder in den Straßen umher. Jato lief durch diese Straße. Jato lief durch jene Straße. Jato lief immer umher. Jato traf eine Frau. Jato warf die Frau nieder. (Dies ist nicht wörtlich als "handgreiflich" zu nehmen. Es will besagen, daß er die Frau besessen machte. Man nimmt an, daß von Jato ergriffene Frauen zunächst zu Boden stürzen und sich in konvulsivischen Zuckungen hin und her winden.) Darauf wurde die Frau auch verrückt (verrückt in Haussa =hauka, in Jukum =akja, in Nupe illa, in Joruba =welle). Die Frau lief auch dahin, wo Menschenkot lag und begann auch Menschenkot zu essen
und sich mit Menschenkot zu beschmutzen. Die Frau lief auch in den Straßen umher und beschmutzte sich in der gleichen Weise wie Jato. Die Frau lief umher und schrie. Die Frau lief in ihrem Schmutze durch die Straßen.Die Verwandten der Frau hörten die Frau schreien. Die Verwandten der Frau kamen heraus. Die Verwandten der Frau fanden sie. Die Verwandten sahen, daß die Frau verrückt war. Sie sahen, daß sie Kot gegessen hatte und sich mit Kot beschmutzt hatte von oben bis unten. Die Verwandten sagten: "Was ist mit dir?" Die Frau antwortete nicht. Die Verwandten fragten: "Was ist mit dir? Was ist mit dir ?" Die Frau antwortete nicht. Die Frau griff in Kot, der da lag, und rieb sich über und über damit ein. Der Mann der Frau sagte: "Sie ist niedergeworfen, sie ist verrückt. Ich werde Asama fragen."
Der Mann ging zu Asama und sagte: "Meine Frau war bis heute sauber und klug. Heute ist sie niedergeworfen. Sie läuft in der Stadt umher. Sie sucht Kot. Sie ißt Kot. Sie beschmutzt sich über und über mit Kot. Sie ist verrückt. Was ist mit meiner Frau? Was kann ich für meine Frau tun?" Asama sagte: "Das ist Jato! Das hat Jato getan, der die Mädchen verrückt macht!" Die Leute der Stadt standen umher. Die Leute der Stadt sahen die Frau. Die Leute der Stadt sagten: "Das ist eine schlechte Sache! Das ist eine sehr schlechte Sache! Wir haben nie eine so schlechte Sache hier gesehen, ehe diese Alledjenu in die Stadt kamen."
Asama sagte: "Das, ist nicht meine Angelegenheit. Das ist die Angelegenheit der Alledjenu. Wenn ihr weiteres darüber erfahren wollt, müßt ihr zu Agondaua gehen. Agondaua ist das Oberhaupt der Alledjenu. Fragt Agondaua. Wißt ihr, wo Agondaua wohnt?" Die Leute sagten: "Ja, wir wissen, wo Agondaua wohnt. Wir wollen mit der Frau zu Agondaua gehen und Agondaua fragen." Die Leute gingen. Die Frau lief in der Stadt herum und schrie.
Der Mann der Frau kam mit den Leuten zu Agondaua und sagte: "Agondaua, höre mich! Ich habe eine Frau, die war bis heute sauber und klug. Heute ist meine Frau aber niedergeworfen. Sie läuft in der Stadt umher. Sie sucht Kot. Sie ißt Kot. Sie beschmutzt sich über und über mit Kot. Sie ist verrückt. Wir waren bei Asama. Asama sagt, das hat Jato getan. Jato macht die Mädchen verrückt. Asama sagt, das sei nicht seine Sache. Asama sagt, ich solle zu dir kommen und dich fragen. Kannst du mir sagen, was hier geschehen kann?"Agonclaua sagte: "Ja, das ist eine Sache, die Jato getan hat. Es ist recht,
ich werde ein Magani zurecht machen." Der Mann sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir!"Agondaua rief vier Alledjenu. Agondaua sagte zu den vier Alledjenu: "Jato hat eine Frau niedergeworfen und verrückt gemacht. Die Frau läuft in der Stadt umher, sucht Kot, ißt Kot, beschmutzt sich mit Kot. Ich will der Frau ein Magani geben. Geht hin und greift die Frau."Die vier Alledjenu gingen. Die vier Alledjenu fingen die Frau. Sie brachten die Frau zu Agondaua. Agondaua fragte den Mann: "Ist das die Frau, die du meinst?" Der Mann sagte: "Ja, das ist meine Frau."Agondaua fragte die vier Alledjenu: "Habt ihr Jato in den Straßen gesehen?"Die vier Alledjenu sagten: "Ja, wir haben Jato in den Straßen gesehen. Er sitzt draußen im Kot."Agondaua fragte die vier Alledjenu: "Wenn ich euch dahin sende, werdet ihr dann Jato noch finden?"Die Alledjenu sagten: "Ja, wir werden Jato noch finden."Agondaua fragte die vier Alledjenu: "Wenn ich euch den Auftrag gebe, Jato zu fangen und hierher zu bringen, werdet ihr ihn fangen und hierher bringen können?"Die vier Alledjenu sagten: "Ja, das werden wir können!"Agondaua sagte: "Dann bringt Jato hier her." Die vier Alledjenu gingen wieder.
Die vier Alledjenu fanden Jato. Sie sagten zu Jato: "Komm mit uns. Agondaua will mit dir sprechen, komm mit uns!"Jato sagte: "Gewiß werde ich mit euch kommen. Zeigt mir nur den Weg." Die vier Bori führten Jato. Jato kam zu dem Gehöft Agondauas. Sie brachten Jato zu Agondaua. Agondaua fragte Jato: "Hast du diese Frauniedergeworfen ?"Jato sagte: "Gewiß habe ich diese Frau niedergeworfen, sie gehört jetzt zu meiner Familie."Agondaua sagte: "Was machst du, Jato? Wir sagten dir, du sollest den Jambirri lassen. Du aber liefst dem Jambirri nach. Du kleidetest dich in das Fell des Jambirri. Du beschmiertest dich mit dem Kot des Jambirri. Wir sagten dir, daß du bei uns wohnen könnest, daß du viel gutes Essen haben könnest, soviel du willst. Du aber liefst durch die Straßen. Du suchtest dir menschlichen Kot. Du begannst menschlichen Kot zu essen und dich mit ihm von oben bis unten zu beschmutzen. Wir jagten dich deshalb schon einmal weg. Jato, laß das!"
Jato sagte: "Gewiß, ihr jagt mich fort. Wie soll ich das denn aber lassen?! Wie kann ich das denn lassen. Das gab mir Allah! (Gott wird von den Benue-Borileuten meist mit Allah, zuweilen allerdings auch mit Ferra-una = Pharao bezeichnet, welch letzterer Bezeichnung die meisten aber das Recht absprechen). Gott gab jedem seine Art. (Art in Haussa =hali; in Nupe =hali; in Joruba
=iwa.) Jeder von euch hat seine Art. Jeder von euch behält seine Art. Warum soll ich nun von meiner Art lassen ?"Agondaua sagte: "Du hast diese Frau niedergeworfen. Laß von dieser Frau!"Jato sagte: "Was soll ich?"Agondaua sagte: "Laß von dieser Frau!"Jato sagte: "Warum soll ich von dieser Frau lassen? Hat nicht jeder seine Familie? Will nicht jeder seine Familie haben? Und warum soll ich nicht meine Familie haben? Ich will meine Art und meine Familie (hier im Sinne religiösen Zusammenhanges, "Familie" als Gruppe der Verehrer und Anbeter gemeint) haben, wie ihr das auch wollt. Denn jeder von euch will das auch. Ich bin zufrieden, wenn ich mit den Kleidern des Jambirri bedeckt bin und wenn ich mich mit menschlichem Kot bestreichen und ernähren kann. Laßt mich also!"
Agondaua sagte: "Jato, dann sage mir das eine: Ist es dir denn wenigstens recht, wenn ich dich bitte, deine Leute nur kurze Zeit zu nehmen. Ist es dir denn wenigstens recht, wenn ich dich bitte, nur kurze Zeit in ihrem Kopfe zu sein? Ist es dir denn wenigstens recht, wenn ich deinen Leuten (also den von Jato besessenen) eine Medizin gebe. Ich will ihnen dann eine Medizin geben, die ich in das Feuer werfe. Sie sollen den Kopf darüber halten. Sie sollen meine Medizin einatmen. Willst du, Jato, wenn ich dieses tue, dann von deinen Leuten lassen?"Jato sagte: "Ich bin zufrieden, wenn ich nur kurze Zeit im Kopfe meiner Leute bin. Gib ihnen also die Medizin, wie du es mir gesagt hast. Mich laß aber sonst nach meiner Art und mit meiner Familie leben!"Jato lief danach von dannen. Er lief auf die Straße und lief durch die Straßen umher.
Agondaua sagte zu den Leuten: "Nun kann ich dieser Frau das Magani geben, das sie wieder vernünftig macht."Agondaua zündete ein Feuer an. Agondaua warf sein Magani auf das Feuer. Agondaua sagte: "Nun soll die Frau sich darüber setzen!"Die Frau setzte sich über das Feuer. Sie hatte ihr Tuch über dem Kopf. Sie atmete die Medizin ein. Die Frau wurde wieder klug. Jato ließ von der Frau. Die Frau ging gesund von dannen.
Seitdem werden die Frauen, die Jato gern hat, von Zeit zu Zeit von ihm gepackt.
20. Wie Asama den Büffeln an Stärke überlegen istDiese nachfolgende Legende erhielt ich von den Jukum. Diese gaben aber selbst an, daß sie ursprünglich Gut der Abaqua-Riga
sei. Da die Geschichte ja im Grunde genommen eine Verherrlichung des Asamadienstes ist, der seinerseits, heute wenigstens, lediglich von den Abaqua-Riga geübt wird, so ist die Richtigkeit dieser Angabe nicht mehr als wahrscheinlich. Sie wird noch dadurch wahrscheinlicher, daß die Verehrung der Büffel ja einen wesentlichen Bestandteil der Jukumreligion, des Aku-hua- und des Aku-ma-Dienstes ausmacht. Die Legende meldet:Eine Frau war schwanger. Sie war aber nicht schwanger im Leibe wie andere Frauen, sondern sie war schwanger am Knie. Das Kind, mit dem sie am Knie schwanger ging, war ein Knabe. Der Knabe hieß Angua-baba. Als Angua-baba geboren werden wollte, rief er aus dem Knie seiner Mutter: "Meine Mutter, lege dein Knie zur Erde." Die Mutter hörte die Stimme. Die Mutter sah umher. Die Mutter sah niemand. Der Knabe rief: "Meine Mutter, was siehst du um dich? Meine Mutter, ich bin hier in deinem Knie! Meine Mutter, du bist schwanger mit mir. Aber heute, meine Mutter, will ich hervorkommen aus deinem Knie. Heute will ich geboren werden! Also lege dein Knie auf die Erde, meine Mutter!" Die Mutter des Angua-baba erschrak. Die Mutter des Angua-baba tat nichts. Angua-baba trat aber aus dem Knie. Angua-baba fiel zur Erde hinab. Der Knabe stand aber auf. Der Knabe richtete sich auf. Der Knabe sagte: "Warum hast du dein Knie nicht auf die Erde gelegt? Habe ich dir das nicht gesagt?" Der Knabe schlug seine Mutter. Angua-baba schlug seine Mutter und sagte: "Nun werde ich umhergehen! Nun werde ich Streit suchen!"
Angua-baba lief (also gleich nach seiner Geburt) aus dem Hause seiner Mutter. Angua-baba suchte jemand, mit dem er Streit anfangen konnte. Angua-baba fand aber niemand. Angua-baba sah niemand, mit dem er streiten konnte. Angua-baba suchte Menschen, um mit ihnen zu kämpfen. Angua-baba fand jedoch keine Menschen. Es waren da aber sehr viele Büffel. Angua-baba sah die Büffel. Angua-baba ging zu einem Büffelkaib und sagte: "Mein Büffelkaib, bringe mich zu eurem Anführer! Bringe mich zu eurem Apagapi (das ist Jukum; in Haussa jagaba; in Nupe jegi; in Jeruba segi; damit wird der Leitbüffel gemeint, und zwar sowohl das Leittier der wilden Tiere als das der Hausrinderherde)." Das Büffelkaib sagte: "Was willst du von meinem Apagapi? Ehe ich dich zu meinem Apagapi führen kann, muß ich wissen, was du vorhast; denn der Apagapi wird mich danach fragen, und ich muß ihm antworten können."Angua-baba sagte zu dem Büffelkaib: "Du
kleiner Junge hast hierzu gar nichts zu sagen. Das ist nicht deine Sache. Das ist Sache deines Apagapi und mit deinem Apagapi will ich kämpfen! Rede nicht lange, sondern geh, wie ich es von dir verlangt habe!"Das Büffelkaib sagte: "Dann gehe selbst zu meinem Apagapi!" Angua-baba sagte: "Welcher ist es?" Das Büffelkaib zeigte ihm den Weg und sagte: "Dieser dort ist mein Apagapi!"Angua-baba ging zu dem Büffelstier und sagte: Dieses Büffelkaib sagt, du seist der Apagapi der Büffel. Wenn du das bist, will ich mit dir kämpfen!" Der Büffel sagte: "Ich bin der Apagapi; aber warum kämpfst du nicht erst mit dem Büffelkaib, ehe du mich aufforderst? Du bist ein Knabe, also kämpfe erst mit dem Büffelkaib, ehe du dich mit mir einläßt!" Das Büffelkaib sagte zu Angua-baba: "Komm, Bursche! Du bist noch kein (erwachsener) Mann! Also kämpfe erst mit mir. Komm! Ich bin auch jung und stark!" Der Apagapi sagte: "Ja, so ist es recht. Kämpft miteinander! Du, Knabe! Merke, daß auch ein Büffelkaib schon stark genug ist, um mit einem Burschen, wie du einer bist, fertig zu werden!"
Das Büffelkaib wollte auf Angua-baba zulaufen. Das Büffelkalb wollte Angua-baba angreifen. Angua-baba sagte: "Halt! Warte ein wenig! Erst sollen alle Büffel Holz herbeibringen und auf einen großen Haufen werfen. Erst soll dieser Holzhaufen angezündet werden, so daß man das Feuer weithin sieht. Dann will ich mit dir kämpfen!" Der Apagapi sagte zu den Büffeln: "Tut es, wie der Bursche es will!"Alle Büffel liefen von dannen. Die Büffel brachen Holz. Die Büffel brachten Holz. Sie warfen alles Holz auf einen Haufen. Es war ein großer Haufen Holz. Der Holzhaufen ward angezündet. Es war ein großes Feuer.
Angua-baba sagte zu dem Büffelkaib: "Nun komm, mein kleiner Bursche! Nun versuche mit mir zu kämpfen!" Alle Büffel standen herum. Das Büffelkaib kam angerannt. Das Büffelkaib wollte Angua-baba angreifen. Angua-baba stand fest. Als das Büffelkaib auf Angua-baba zukam, ergriff Angua-baba das Büffelkaib. Anguababa hob das Büffelkaib hoch in die Luft. Angua-baba warf das Büffelkaib mitten in den brennenden Holzberg. Das Büffelkaib verbrannte. Alle Büffel sahen zu. Alle Büffel schrien.
Die Buffel schrien zu Apagapi und sagten: "Unser Apagapi! Sieh doch! Dieser Knabe hat das Büffelkaib in das Feuer geworfen!" Der Apagapi sagte: "Ja, ich habe es gesehen. Dieser Knabe hat das Büffelkaib in das Feuer geworfen. Ich will nun selbst mit dem Knaben
kämpfen. Geht also zur Seite. Ich will den Knaben in das Feuer werfen, sowie er unsern Burschen in das Feuer geworfen hat."Die Büffel traten zur Seite. Der Apagapi kam heraus.Der Knabe Angua-baba sagte: "Es ist mir recht! Ich habe gleich gesagt, daß ich mit dir kämpfen will. Sage mir aber, ob du dich selbst für einen großen Mann hältst oder nicht ?" Der Apagapi sagte: "Natürlich bin ich ein großer Mann! Denn ich bin der Apagapi aller dieser Büffel."Angua-baba sagte: "Gut. Wenn du ein großer Mann bist, dann müssen deine Leute mehr Holz herbeibringen und ein größeres Feuer anzünden! Denn dann muß das Feuer viel größer sein!"Der Apagapi sagte: "Es ist recht, es muß für einen großen Mann ein größeres Feuer sein als für einen kleinen. Bringt also mehr Holz herbei!" Alle Büffel liefen auseinander. Die Büffel brachen viel Holz. Die Büffel brachten viel Holz herbei. Die Büffel warfen alles Holz auf den brennenden Holzhaufen, in dem das Büffelkaib lag. Es war ein großes Feuer, wie ein Berg. Der Apagapi sagte: "Ist dieses Feuer nun groß genug?"Angua-baba sagte: "Wenn du es für groß genug hältst, ist es mir recht!"
Apagapi sagte: "Nun paß auf!"Alle Büffel traten zur Seite. Apagapi lief auf Angua-babazu. Apagapi wollte Angua-baba niedertreten. Der Apagapi kam an Angua-baba heran. Angua-baba ergriff den Apagapi. Angua-baba packte den Apagapi. Angua-baba hob den Apagapi hoch und warf ihn mitten in das Feuer. Als die Büffel das sahen, rannten alle, so schnell sie konnten, von dannen.
Angua-baba ging weiter. Angua-baba kam zu Afi (dem Leoparden). Afi sah Angua-baba und sagte: "Was willst du hier? Was ist das mit dir? Willst du, daß ich dich fresse?"Angua-baba sagte: "Ich weiß nicht, was ihr hier eßt. Aber ob ihr hier Menschen eßt oder nicht, ist mir gleich. Ich bin gekommen, um mit dir zu kämpfen!" Afi sagte: "Es ist gut. Ich will dich töten und dann essen!" Angua-baba sagte: "Wir wollen erst das Feuer schüren, damit du mich besser kochen kannst!" Afi warf Holz in das Feuer. Afi wollte auf Angua-baba zuspringen und ihn töten. Angua-baba packte ihn aber und warf ihn in das Feuer. Afi starb im Feuer.
Angua-baba ging weiter. Angua-baba kam zu Asenku (oder Adjenku) dem Löwen. Asenku sah Angua-baba und sagte: "Was willst du hier? Was ist das mit dir? Willst du, daß ich dich fresse ?" Angua-baba sagte: "Ich weiß nicht, was ihr hier eßt. Aber ob ihr hier Menschen eßt oder nicht, ist mir gleich. Ich bin gekommen, um mit dir zu kämpfen!" Asenku sagte: "Es ist gut; ich will dich
töten und dann essen." Angua-baba sagte: "Wir wollen erst das Feuer schüren, damit du mich besser kochen kannst." Asenku warf Holz in das Feuer. Asenku wollte auf Angua-baba zuspringen und ihn töten. Angua-baba packte ihn aber und warf ihn in das Feuer, Asenku starb im Feuer.Angua-baba ging weiter. Angua-baba kam zu Taini (der Hyäne), Taini sah Angua-baba und sagte: "Was willst du hier? Was ist das mit dir? Willst du, daß ich dich fresse?" Angua-baba sagte: "Ich weiß nicht, was ihr hier eßt. Aber ob ihr hier Menschen eßt oder nicht, ist mir gleich. Ich bin gekommen, um mit dir zu kämpfen!" Taini sagte: "Es ist gut; ich will dich töten und dann essen."Anguababa sagte: "Wir wollen erst das Feuer schüren, damit du mich besser kochen kannst." Taini warf Holz in das Feuer. Tami wollte auf Angua-baba zuspringen und ihn töten. Angua-baba packte ihn aber und warf ihn in das Feuer. Taini starb im Feuer.
Angua-baba ging weiter. Angua-baba kam an die Stelle, an der Asama mit den Aku (oder Aki) tanzte. Asama tanzte mit den Aku auf einem Platz. Asama sah Angua-baba. Asama sagte zu den Aku: "Seht den Burschen dort! Fragt den Burschen, was er hier will. Sagt ihm, daß wir hier alle Aku sind und keine Menschen." Ein Aku kam zu Angua-baba und sagte: "Was willst du hier? Das ist kein Platz für Menschen. Wir sind hier alle Aku und keine Menschen." Angua-baba sagte: "Was ihr hier seid, ist mir ganz gleich. Ich will mit Asama kämpfen. Das ist alles. Mehr will ich nicht." Der Aku sagte: "Asama ist im Busch und tanzt. Asama ist nicht zu Hause." Angua-baba sagte: "Das ist mir ganz gleich. Ruft mir Asama; ich will mit ihm kämpfen." Der Aku ging.
Der Aku kam zu Asama zurück. Der Aku sagte zu Asama: "Dieser Bursche ist gekommen, um mit dir zu kämpfen." Asama sagte: "Was will dieser Bursche?" Aku sagte: "Der Bursche will mit dir kämpfen." Asama sagte: "Es ist gut." Asama kam heraus. Asama sagte zu Angua-baba: "Du, Bursche, du willst mit mir kämpfen?" Angua-baba sagte: "Ja, ich will mit dir kämpfen." Asama sagte zu den Aku: "Geht alle zur Seite. Nun will ich mit dem Burschen kämpfen." Der Bursche sagte: "Wenn du ein großer Mann bist, läßt du neben uns ein großes Feuer machen." Asama sagte: "Das soll geschehen."Alle Aku mußten Holz bringen. Alle Aku warfen das Holz auf einen Haufen. Der Holzhaufen ward angezündet. Es war ein großes Feuer. Asama sagte zu Angua-baba: "Ist das Feuer groß genug?"Angua-baba sagte: "Ja, es ist ein großes Feuer."
Asama kam (langsam) auf Angua-baba zu. Asama beugte sich über Angua-baba und ließ seine Spitzen um Angua-baba wehen. Angua-baba packte Asama. Asama aber umschlang Angua-baba mit seinen Spitzen (die Bänder und Spitzen, die auf der Maskenspitze befestigt sind). Angua-baba wollte Asama in das Feuer werfen. Asama hielt ihn mit den Spitzen fest umschlungen und sprang mit ihm durch das Feuer hindurch. Angua-baba wollte Asama in das Feuer werfen. Asama zog aber Angua-baba mit über das Feuer hinweg. Angua-baba focht mit Asama vom Morgen bis zum Abend.
Als es Abend war, trat Angua-baba zur Seite. Angua-baba nahm etwas Erde auf und aß sie. Die Erde sollte Angua-baba stark machen. Die Mutter gebar damals Angua-baba aus ihrem Knie gemeinsam mit einem Beutel. Angua-baba trug den Beutel um seinen Hals. Angua-baba nahm aus dem Beutel. Darauf begannen Angua-baba und Asama wieder zu kämpfen. Angua-baba wollte Asama in das Feuer werfen. Asama hielt den Burschen mit seinen Spitzen fest umschlungen und sprang mit ihm durch das Feuer. Angua-baba wollte Asama in das Feuer werfen. Asama zog aber Angua-baba mit über das Feuer hinweg. Angua-baba ward müde.
Angua-baba sagte:. "Ich kann Asama nichts antun. Asama kann ich nicht überwinden. Nun will ich Asama auch nichts mehr antun. Ich will Asama dienen von heute an." Darauf ward Anguababa der Diener Asamas.
Wenn Asama (die Maske) heute kommt, steht stets ein Mann neben ihm, der sich auf einen Stock stützt. Das ist Angua-baba. Angua-baba sagt stets: "Asumate, asumate-gua" (will sagen, daß Asama sein bester Freund von lange her sei). Man gibt diesem Begleiter des Asama anscheinend den Titel "Angu-dise".
II. ANDERE FLUSSGÖTTER
21. Dodo in Wukari
Die Gottheit Dodo tritt mit ihrem Diener in Wukari maskierte mit langem Kleid, Blätterschmuck und so weiter auf. Das viereckige Kopfstück der Aku-ma-Masken kehrt hier wieder. Merkwürdig ist, daß Dodo und sein Diener nicht gemeinsam auftreten dürfen. Das Auftreten des einen soll die Erscheinung des andern ausschließen. In der Tat sahen wir sie auch nie gemeinsam. Die Bedeutung Dodos ist im ersten Borikapitel eingehend behandelt.
Hier sei nur soviel wiederholt, daß nämlich hier in dem Lande, in dem alles aus dem Wasser kommt, Aku-ma, Asama, Alledjenu (von denen es typischerweise in Wukari nach der Einleitungslegende dieses Bandes nur weißgekleidete, also dem Wasser entsprechende geben soll), auch Dodo aus dem Wasser stammen muß. Eine gewisse Ähnlichkeit der Dodolegende mit der nachfolgenden von Serki(n) Rafin muß in die Augen fallen. —Dodo * tritt hier aber insofern aus dem Rahmen der sonstigen Abaqua-Rigasitten und Kultusanordnungen heraus, als er und seine Anhänger Bier trinken. Asama und die Borileute trinken aber kein Bier. Also gemahnt das daran, daß auch Haussa am Niger und aus Kano sagten: Dodo ist eine Sache der Heiden, der Magussanan. Dagegen werden die Borileute nicht als Heiden angesehen. Die Abaqua-Rigalegende von Dodo, erzählt in Wukari, lautet aber:In alter, alter Zeit war Dodo im Wasser. Dodo lebte damals mit allen seinen Leuten im Wasser und kam nicht auf das Land. Die Frauen gingen aber einmal mit ihren Töpfen zum Wasser, um Wasser zu holen. Sie kamen an das Wasser. Sie traten herab ans Ufer. Die Frauen hörten im Wasser etwas sprechen. Es sprach: "Qua, qua, qua!" Es sprach wie ein Alligator. Die Frauen antworteten darauf: "Qua, qua, qua!" Dodo hörte das. Dodo fragte aus dem Wasser: "Welcher Mensch antwortet denn da?" Als die Frauen das hörten, wandten sie sich um. Die Frauen erschraken. Die Frauen liefen so schnell sie konnten weg. Sie liefen nach dem Dorf zurück. Dodo hörte die Frauen laufen. Dodo kam aus dem Wasser. Dodo lief hinter den Frauen her, dem Dorfe zu.
Die Frauen und Mädchen kamen ganz dicht an das Dorf. Dodo war ganz dicht hinter den Frauen. Die Frauen schrien. Die Männer kamen aus dem Dorf. Die Männer sahen die Frauen kommen. Sie sahen ganz dicht hinter ihnen Dodo kommen. Einer der Männer sagte: "Ihr Frauen, was bringt ihr da?! Es gingen schon so viele Frauen zum Flusse hinab, um Wasser zu holen, aber noch keine brachte eine so schlimme Sache mit, wie diese da. Wie kommt ihr nur zu dieser schlimmen Sache ?" Dodo sagte zu dem Manne: "Abokina! Das ist nicht so! Ich bin keine schlimme Sache, und die Frauen haben nichts Schlimmes getan. Ich liebe aber diese Frauen (durchaus nicht im sexuellen Sinne gemeint). Diese Frauen sind mir angenehm. Deshalb bin ich ihnen in das Dorf gefolgt. Nur deshalb bin ich mit in das Dorf gekommen. Ich werde niemand etwas
Dodo sagte: "Wenn ich zu dir kommen soll, so ist mir das sehr recht. Baue mir aber ein kleines Haus in deinem Gehöft!" Der Mann sagte: "Komm nur mit mir. Das kleine Haus will ich dir bauen. Bleibe bei mir. Komm jetzt mit zu mir hinein!" Dodo sagte: "Ich bin gern bereit, mit dir in das Dorf und in dein Gehöft zu kommen. Ich habe aber eine Bitte. Ich will nicht, daß irgend jemand meine Hände und Füße sieht. Zieh mir also rote Stoffe darüber. Wenn du das getan hast, will ich gern mitkommen." (Der Berichterstatter sagt hierzu: In der alten Zeit gab es noch keine Ledergamaschen, mit denen Dodo heute kommt (?).Deshalb wurde Dodo in dieser alten Zeit von den Leuten nicht mit Ledergamaschen, sondern mit Stoffen bekleidet.) Der Mann sagte: "Das sollst du haben." Der Mann ging in das Dorf und in sein Gehöft. Er nahm Stoff und kam zurück. Er zog über Dodos Hände und Füße Stoffe. Der Mann sagte: "Willst du es so haben?" Dodo sagte: "So ist es gut. Nun gehe voran. Ich komme nach dir." Der Mann ging voran. Dodo folgte ihm. Der Mann baute Dodo in seinem Gehöft ein kleines Haus. Dodo wohnte in diesem kleinen Haus.
Dodo wohnte schon zehn Tage in dem Hause des Mannes im Dorf. Alle Leute Dodos waren aber im Wasser. Ruaru (das ist der Wasserdiener Dodos) sagte im Wasser zu den andern Leuten Dodos: "Mein Herr Dodo ist nun schon zehn Tage fort von hier. Ich habe meinen Herrn Dodo in allen diesen zehn Tagen nicht gesehen. Ich weiß nicht, was mit meinem Herrn Dodo geschehen ist. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Ich werde mich also aufmachen und werde mich nach meinem Herrn Dodo umsehen. Ich will meinen Herrn Dodo suchen." Die andern Leute Dodos sagten: "Ja, gehe nur und suche unsern Herrn Dodo!"
Ruaru machte sich bereit. Ruaru kam aus dem Wasser. Ruaru ging dem Dorf zu. Ruaru kam in das Dorf. Ruaru kam in das Gehöft des Mannes, der Dodo aufgenommen hatte. Ruaru begrüßte Dodo. Ruaru sagte zu Dodo: "Mein Herr, du bist hier! Wir warteten zehn Tage auf dich und haben dich während der zehn Tage nicht gesehen. Nun bin ich herausgekommen, um dich zu suchen. Nun habe ich dich gefunden. Was tust du hier, mein Herr?!" Dodo sagte zu Ruaru: "Ich wohne hier und will auch hier bleiben. Wes
halb soll ich in das Wasser zurückgehen? Ich habe ein besseres Haus hier. Die Menschen geben mir alles. Weshalb soll ich nun also nicht hier bleiben?" Ruaru sagte: "Es ist gut. Ich bitte dich um Erlaubnis, auch hier einige Tage bleiben zu dürfen." Dodo sagte: "Bleibe zwei Tage hier und sieh selbst alles." Ruaru sagte: "Dann will ich zwei Tage hier bleiben." Ruaru blieb zwei Tage bei Dodo. Nach zwei Tagen sagte Ruaru zu Dodo: "Ich habe nun gesehen, daß alles hier so gut ist, wie bei uns. Erlaubst du nun, daß ich auch hier bleibe? Erlaubst du, daß ich noch einmal ins Wasser zurückgehe und alle unsere Leute auch hierher bringe ?"Dodo sagte: "Ruaru, du kannst gehen. Du hast gesehen, daß dieser Ort unsere Wohnung im Fluß übertrifft. Gehe also zurück. Sage Siniwuara, meiner ersten Frau, was du hier gesehen hast. Sage ihr, daß sie hierher kommen soll. Sage allen meinen Leuten, daß sie hierher kommen sollen."Ruaru sagte: "Mein Herr! Ich werde es so machen!"Ruaru ging zurück zum Wasser. Ruaru ging in das Wasser. Ruaru rief Siniwuara, die erste Frau Dodos. Ruaru sagte zu Siniwuara: "Dein Mann Dodo lebt in seinem Hause im Dorfe bei den Menschen. Er hat dort einen besseren Wohnplatz als hier unter dem Wasser. Die Menschen geben gutes und viel Essen. Nun sollst du mit den andern Leuten Dodos auch heraufkommen." Siniwuara fragte: "Ist es denn wirklich ein guter Platz da oben?" Ruaru sagte: "Der Platz ist besser als unser Wohnplatz hier unten."Siniwuara sagte: "Dann will ich auch hinaufkommen."Ruaru sagte: "Ich will auch die andern Leute Dodos rufen."Ruaru rief die andern Leute Dodos. Die andern Leute Dodos sind:
Kue(m)bana -Bote und Sklave Dodos. Ri(m)pa -macht Dodos Wohnplatz gut und hält ihn baulich instand. Tuta - hält die Tuta, die Fahne Dodos. Magadjia -eine Frau, die alle Kleider Dodos aufbewahrt und in Ordnung hält, bessert auch schadhafte Stellen aus (was sehr merkwürdig ist). Kurumma - der Sänger Dodos. Wuondo - der Koch Dodos. |
Diese alle rief Ruaru zusammen und führte sie mit Siniwuara in die Stadt in das Gehöft, in dem Dodo wohnte. Wenn Ruaru diese Leute nicht zu seinem Herrn in die Stadt gebracht hätte, wäre Dodo doch wieder in das Wasser entflohen. So aber kam der Dododienst in die Stadt.
Folgendes ist aber das Wesentliche im Dienste Dodos. Wenn irgendwo etwas Böses geschieht oder eintritt -sei es, daß ein Diebstahl begangen ist, oder daß ein Maji (Subache) sich eines Menschen bemächtigt, oder daß Regen ausbleibt, oder daß aus sonst einem Grund eine Hungersnot über das Land kommt -, dann gehen die Leute zu Ruaru. Ruaru ist aber der Priester Dodos, der den Verkehr der Menschen mit Dodo vermittelt. Dieser Priester bringt Dodo dann vor allen Dingen Gija (Bier). Im übrigen sind die Opfer und Genußmittel, die Dodo am angenehmsten sind: Gija, Tuo (Brei), Gauta (weiße Tomaten), Ridi, Dauwa und anderes Korn, dann Sakara-dja (also rote Hähne) und Rago (Schafbock). Unangenehm, widerlich und ungenießbar sind dagegen dem Dodo: Rindvieh, Ziegen, Hund und Tschinkaffa (Reis). Hunde und Menschen, die Menschenfleisch gegessen haben, müssen sorgfältig von Dodo ferngehalten werden.
Die Dodoleute bilden in Wukari und an andern Plätzen eine Sekte. Sie leben nach der Art Dodos, das heißt halten sein Zore (=Speisenverbot; in Jukum =schesche; in Joruba =ewuo) inne, und nennen sich im klerikalen Sinne Dodos Söhne, behaupten auch zum Teile von Dodo abzustammen. Es scheinen durchweg Haussa (das heißt hier Abaqua-Riga) zu sein. Die Dodoleute heiraten sowohl untereinander als auch mit Anhängern der Bori, also Verehrern der Iska-Alledjenu. Dagegen heiraten die Dodoleute nie ein Asama-Mädchen und geben im besten Falle eine eigene Tochter einem Asama-Anhänger zur Frau.
Daß Dodo irgendwie Repräsentant der Seelen der Verstorbenen sei, daß er überhaupt mit den Geistern der Toten zu tun habe, wurde stets aufs strengste bestritten. Sehr ausgedehnt ist die Dodosekte im Gebiete des alten Kororofa nicht. Sie gilt als heidnisch, aber trotzdem als vornehm in ihrer Art.
22. Serkin Rafin in IbiSerkin Rafin ist ein Alledjenu, der früher im Wasser lebte. Dieser Alledjenu wurde von einer Frau zu den Menschen gebracht. Vorher kannten die Menschen ihn nicht. Serkin Rafin lebte nämlich im Tschadi, einem sehr großen Wasser (anscheinend dem Tschadsee), und niemand wußte etwas Genaues von ihm.
Niemand durfte aber damals zur Mittagszeit an dieses Wasser treten. Es pflegte niemand damals zur Mittagszeit Wasser zu 343
schöpfen. Eines Tages war aber in einem Hause das Wasser, das am Morgen geholt war, schon in der Mittagszeit verbraucht. Die Frau des Hauses hatte aber ihre Arbeit noch nicht beendet. Also nahm sie den Wasser topf auf und ging damit an den Tschadi, um Wasser zu holen.Als die Frau an das Wasser kam, sagte jemand zu ihr: "Frau! Du kommst um die Zeit, in der die Sonne in der Mitte steht, an das Wasser? Weißt du nicht, daß um diese Zeit niemand an dies Wasser kommen darf?" Die Frau hörte die Stimme. Die Frau sagte: "Ich hatte kein Wasser im Haus. Ich hatte meine Arbeit nicht vollendet. Was sollte ich tun? Ich muß doch meine Arbeit machen. Die Leute wollen zu trinken haben. Ich muß den Leuten Essen kochen. Ich mußte also hierher kommen, um Wasser zu holen. Ich muß mir Wasser nehmen."
Die Frau ging an das Wasser. Die Frau bückte sich im Wasser. Die Frau reinigte ihren Topf. Die Frau schöpfte Wasser und füllte ihren Topf. Den gefüllten Topf stellte sie alsdann auf das Ufer. Nachdem die Frau das getan hatte, legte sie ihre Kleider ab. Die Frau wollte sich baden. Als sie sich ausgezogen hatte, trat sie in das Wasser und warf sich hinein. Die Frau badete. Sie wandte sich im Wasser hierhin und wandte sich im Wasser dorthin.
Serkin Rafin war im Wasser. Serkin Rafin sah die Frau baden. Serkin Rafin fragte die Jan-rua (Leute des Wassers): "Wer nimmt um diese Zeit hier Wasser?" Die Leute im Wasser sagten: "Wir wissen es nicht." Serkin Rafin fragte die Jan-rua: "Wer badet um diese Zeit in diesem Wasser?" Die Leute im Wasser sagten: "Wir wissen es nicht." Serkin Rafin kam aus dem Wasser. Serkin Rafin kam an das Ufer. Am Ufer stand ein großer Stein. Serkin Rafin setzte sich auf diesen Stein und sah der Frau zu, wie sie im Wasser badete und sich hierhin warf und dahin warf.
Als die Frau sich gebadet und gewaschen hatte, kam sie heraus. Sie zog ihre Kleider an. Sie nahm den Topf mit Wasser auf. Sie ging zum Dorfe zurück. Serkin Rafin ließ die Frau ein Stück weit gehen. Als die Frau ein Stück weit gegangen war, folgte er ihr. Als die Frau wieder ein Stück weit gegangen, aber immer noch nahe am Wasser war, sagte er zu ihr: "Frau, geh nicht weiter! Warte hier auf mich!" Die Frau blieb stehen. Serkin Raf in kam heran an die Frau. Serkin Rafin sagte zu der Frau: "Frau! Du bist zu schön (kjau deowa). Ich mag dich leiden. Du aber magst mich nicht leiden. Ist es nicht so ?" Die Frau sagte: "So ist es. Ich habe meinen Mann zu Hause. Ich
brauche keinen zweiten Mann." Serkin Raf in sagte: "Du hast mich nicht verstanden! Ich will nichts Schlechtes von dir. Ich will nur deine Freundschaft. Das ist alles. Ich will als dein Freund bei dir sein, als sonst nichts." Die Frau sagte: "Wenn es so ist, komm mit mir. Mein Mann wird dich dann gut aufnehmen und dir nichts Schlimmes tun."Die Frau ging voran. Serkin Raf in folgte ihr.Die Frau kam an ihr Gehöft. Die Frau trat in das Gehöft. Der Mann der Frau saß im Gehöft. Die Frau sagte zu Serkin Rafin: "Komm herein, dies ist das Gehöft meines Mannes." Serkin Rafin sagte: "Ich danke dir, daß du mich mitgenommen hast."Die Frau sagte: "Dies dort ist mein Mann." Serkin Rafin sagte: "Ich grüße deinen Mann!" Die Frau sagte: "Komm, hilf mir! Nimm mir den schweren Wasserkrug ab." Serkin Rafin sagte: "Ich will das gern tun."Serkin Rafin nahm der Frau den Wasserkrug ab und stellte ihn auf die Erde. Die Frau sagte: "Ich danke dir."
Der Mann hörte, wie seine Frau mit Serkin Rafin sprach. Der Mann konnte aber Serkin Raf in nicht sehen. Der Mann hörte Serkin Rafin antworten, er konnte aber Serkin Raf in nicht sehen. Der Mann stand auf und sah umher. Der Mann sah niemand anders als seine Frau. Der Mann sagte zu seiner Frau: "Meine Frau, mit wem sprichst du? Meine Frau, wer antwortet dir ?"Die Frau sagte: "Es ist ein Fremder mit mir gekommen." Der Mann sagte: "Kann ich ihn sehen?" Die Frau sagte: "Gewiß kannst du ihn sehen. Komm nur näher und sieh ihn an." Der Mann trat ganz dicht heran und sah nach dem andern, mit dem seine Frau sprach. Der Mann sah überall hin. Der Mann konnte ihn aber nicht sehen.
Der Mann trat zu seiner Frau und sagte: "Ich habe den Fremden gehört. Ich habe aber den Fremden nicht gesehen. Ich suche den Fremden und kann ihn nicht finden. Kannst du mir diesen Fremden nicht zeigen?" Die Frau sagte: "Der Fremde ist da, ich will ihn dir zeigen." Dann nahm die Frau Magani und strich mit den Magani über das Gesicht ihres Mannes. Der Mann öffnete die Augen wieder. Der Mann konnte nun den Serkin Rafin sehen.
Der Mann trat zu Serkin Rafin. Der Mann begrüßte ihn. Der Mann sagte zu Serkin Raf in: "Was willst du hier? Was willst du von meiner Frau?" Serkin Rafin sagte: "Ich mag deine Frau. Deine Frau mag mich. Ich bin der Freund deiner Frau. Etwas anderes ist es nicht. Ich will nichts anderes. Deine Frau will nichts anderes. Ich bin der Freund deiner Frau und mag nicht wieder von ihr gehen."Die Frau sagte: "Ja, ich mag diesen meinen Freund nichtmehr von mir lassen.
Laß ihn bei uns bleiben." Serkin Raf in sagte zu der Frau: "Ich danke dir. Wenn mich dein Mann auch liebt, will ich bei euch bleiben. Wenn mich dein Mann aber nicht liebt, will ich wieder weggehen!" Der Mann sagte: "Wenn du sonst nichts von meiner Frau willst, dann bleibe nur bei mir. Ich mag dich wohl leiden." Serkin Rafin sagte: "So ist es mir recht, ich muß nur mein eigenes Essen haben. Ich kann nicht das gleiche Essen zu mir nehmen, wie die andern."Der Mann fragte: "Sage mir genau, was du brauchst." Serkin Rafin sagte: "Was ich esse, ist dieses: ich brauche weiß- und schwarzgefleckten Schafbock (genannt waki-waki-rago), dann Kürbis (kubewa), dann Früchte des Baobab (kuka), dann Blätter des Ramakrautes, dann kleine Kräuter von allerhand andern Bäumen, dann Kola (gogo). Aus diesem bereitet Speise für mich. Wenn ihr mir dieses gebt, kann ich bei euch bleiben. Dann werde ich in eurem Hause stehen und nicht wieder fortgehen."Der Mann sagte: "Das, was du gesagt hast, will ich dir geben. Bleibe aber bei uns." Serkin Rafin sagte: "Es ist gut, nun kann ich bei euch bleiben. Deine Frau wird dann gute Kinder von dir haben, und ich will für diese deine Kinder sorgen. Wenn ihr mir mein Essen gebt, will ich bei euch bleiben und euch in allem raten. Merke dir aber eines: Deine Frau wird weiße Hände und weiße Füße bekommen, wie jemand, der aus dem Wasser kommt." Der Mann sagte: "Jetzt ist es gut! Bleibe bei uns!"
Serkin Rafin kam so zu den Menschen. Serkin Rafin blieb bei den Menschen. Seitdem tritt Serkin Rafin dann und wann in den Kopf einer Frau. Dann werden ihre Hände und Füße weiß. Wenn er aber von ihr läßt, werden die Hände und Füße wieder dunkel wie vorher. — Früher gab Serkin Rafin jedem, der ihn darum anging, Medikamente.
23. Spuren anderer WassergötterDie ausgesprochenen Wassergeister der Abaqua-Riga, die auch in Masken auftreten, dagegen die Menschen nicht im Sinne der Iska-Alledjenu besessen machen, sind Asama oder Aschama und Dodo. Ähnlich ihnen gehören auch die sogenannten Agaschi-Maskierten diesem Kultus der alten Haussa an. Es sind dies auch Maskeraden, die auf den Spitzen der Masken mit gleichen Bändern und aufragenden Doppelstäben versehen sind, ähnlich Aschama. Aber die Maske ist eine Netzmaske, keine Stoffmaske. Man unterscheidet
eine alte Agaschi, die als Mutter gilt, und junge, die deren Kinder sind. Eine Legende konnte ich nicht mehr finden. Sie ist im Schoße der Zeit und im Wirbel der Jukummasken untergegangen. Im übrigen sagt man, dieser erste weibliche Agaschigeist hätte in Höhlen an und unter dem Wasser gewohnt. Es sei ein Krebs (in Haussa =kagua; in Nupe =kara; in Jukum =akan; in Joruba =alakan) gewesen. Er hat niemals jemand besessen gemacht. Agaschis sind heute Spielmasken.Ernster wird heute noch unter den Abaqua-Riga der Benue eine Wassergottheit genommen, die unter dem Wasser lebte und in alter, alter Zeit, "als noch niemand etwas von Allah wußte", eine außerordentliche Bedeutung hatte. Wenn die Leute der Stadt mit dieser Göttin Jaku sprechen wollten, mußten die Frauen, die ihre Priesterinnen waren, unter das Wasser gehen und mußten ein Jahr lang unter dem Wasser bleiben. In dem Jahre, in dem sie in der Tiefe bei der Göttin blieben und deren Weisheit vernahmen, wuchsen ihnen die Haare dann so lang, daß sie über die Schultern herabfielen. Und wenn die Priesterinnen nach diesem Jahre aus dem Wasser zurückkamen, mußten die Leute ihnen die Haare zurückschlagen; so konnten die Zurückgekehrten erst wieder sprechen. Dann sagten die Inspirierten alles, was die Göttin Jaku ihnen zu sagen hatte. Wir sehen also immer wieder diese alten Wassergötter:
Dodo Frauen inspirieren, mit Frauen den Weltverkehr Serkin Rafin vermitteln. Jaku Eine verwandte Auffassung ist es, wenn am oberen Niger Mekirabo, der Flußgott der Maikaffo-Ra-Mekirabogruppe durch die Frau des Maikaffojägers gebracht wurde.
III. BAUM- UND BUSCHGÖTTER
24. Djengere*
Djengere ist der König aller Alledjenu. (Dies kann mißverstanden sein.) Djengere ist der König der Borileute. (Das ist sicher richtig.) Djengere kommt aber aus einem Land, das liegt weit, weit im Osten.
Dort, in dem weit weg liegendem Lande im Osten, stand ein großer, großer Baum. Der hatte eine große Höhle, in die konnten mehrere Menschen hineintreten. So groß war die Höhle. Es kamen aber nicht
Die drei Männer kamen (einmal) zu dem Baum und baten die große Sache herauszukommen. Die drei Männer sprachen: "Wir bitten dich! Komm heraus und lebe mit uns!" Die große Sache antwortete nicht. Die drei Männer baten: "Wir bitten dich! Komm heraus und lebe mit uns!" Die große Sache antwortete nicht. Die drei Männer baten und baten. Die große Sache antwortete aber nicht und sprach nicht.
Die drei Männer fragten: "Was müssen wir tun, daß du zu uns herauskommst?" Die große Sache sprach. Die große Sache antwortete: "Ihr müßt mir einen schwarzen Bullen (baki-n-sa), einen schwarzen Hahn (baki-n-kasa), einen schwarzen Ziegenbock (bakin-aquea) geben. Gebt mir das, dann ist es mir lieb und ich werde auch (eines Tages) heraustreten." Die drei Männer warfen sich hin. Die drei Männer sagten: "Wir danken! Wir danken! Wir danken!" Die drei Männer gingen.
Die drei Männer gingen hin und brachten einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn und einen schwarzen Ziegenbock. Die drei Männer schlachteten die drei Tiere. Dann gingen die drei Männer wieder nach Hause. Am andern Tage kamen die Männer wieder und brachten einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn und einen schwarzen Ziegenbock. Die Männer schlachteten die Tiere. Dann gingen sie wieder heim. Die drei Männer kamen am dritten Tage wieder und opferten wieder einen schwarzen Bullen, einen schwarzen Hahn und einen schwarzen Ziegenbock.
Die drei (einer der Erzähler sagt an dieser Stelle vier) Männer opferten. Danach kam die große Sache heraus. Die drei (oder vier) Männer saßen um den Baum vor der Höhle. Der Adjingi der Leute sprach wieder. Die große Sache trat aus der Höhle des Baumes heraus und setzte sich zu den Männern. Die große Sache sprach mit den Männern. Die große Sache sagte: "Ihr Männer merket dieses: Ich komme am Freitag (Djimoa) heraus. Freitag und Donnerstag (Alamiss) sind meine Tage. Also geht jetzt wieder heim und kommt am nächsten Freitag um die siebente Stunde abends (Almuru) wieder.
Wenn ihr dann kommt, werde ich wieder herauskommen und werde mit euch hierüber sprechen. Nennt dann meinen Namen. Ruft mich bei meinem Namen. Ruft: ,Djengere!' Dann werde ich kommen. Tut so!" Die Männer warfen sich nieder und sagten: "Nagode! Nagode! Nagode!" (Danke.) Der Alledjenu Djengere ging wieder in den Baum. Die Männer machten sich auf den Weg und gingen wieder in die Stadt zurück.Die Männer warteten bis zum nächsten Freitag. Als es Freitag war, gingen die Männer wieder in den Busch und setzten sich wieder an dem großen Baum mit der großen Höhle nieder. Die Männer setzten sich nieder. Einer der Männer hatte eine Goje mitgebracht. Einer der Männer hatte eine Schlagkalebasse mit Stäben mitgebracht. Die Männer setzten sich am Baum nieder. Der eine spielte die Violine. Der andere schlug die Kalebasse. Sie riefen mit dem Spiel (die Namen der Götter der Bori werden anscheinend in Takten oder Melodie, jedenfalls durch Spiel gerufen) Djengere. Die Männer sahen aber nicht die Gottheit (Alledjenu). Als die Gottheit kam, trat sie einen von ihnen mit dem Fuße. Die andern Männer sahen es nicht und fühlten es nicht. Der Alledjenu Djengere warf aber den Getretenen nieder und nahm in seinem Kopfe Platz. (Der Mann war also besessen.)
Der Besessene sah den Gott. Der Besessene begann zu sprechen. Der Besessene sprach mit dem Adjingi. Der Adjingi sprach, was er wünschte. Der Adjingi fragte den Besessenen, was er brauchte. Der Gott sprach durch den Besessenen und sagte, was er brauchte, und er sagte durch den Besessenen dem Adjingi, was nun werde (als Zukunft; Prophezeiung). Djengere sagte aber durch den Besessenen zu dem Adjingi, er solle alles das allen Leuten sagen. Der Adjingi sagte das allen Leuten. Die Leute brachten schwarze Bullen, schwarze Hähne und schwarze Ziegenböcke und sagten zum Adjingi: "Opfere diese Tiere dem Alledjenu Djengere." Der Adjingi nahm sie an und brachte die Opfer zu Djengere an den großen, alten Baum und opferte sie da.
Die Familie derer, die im weit entfernten Osten (=Gabar) so von Djengere inspiriert (wörtlich ="niedergeworfen") wurde, heißt heute noch Jan-gabar (Leute aus dem Osten). So wie es damals war, so blieb es. Wenn der Alledjenu Djengere, der oberste der Alledjenu, Opfer wünscht oder den Borileuten etwas prophezeien will, wenn er sagen will, daß dieses oder jenes Unglück durch ein Opfer abgewendet werden kann, dann verkündet er das, in Inspi-349
ration, durch ein Mitglied dieser Familie (Jan-gabar) dem Adjingi der betreffenden Gemeinde, und der sagt alles dem Volk so, daß die Leute es verstehen.Wenn die Djengereleute durch ihren Alledjenu inspiriert werden, kann man das daran erkennen, daß sie in großer Hast Massen von Gautar (weiße Tomaten) verschlingen und Gia (Sorghumbier) kübeiweise heruntergießen. Dann rauchen sie auch Tabak, und außerdem haben sie während der Inspiration mächtig angeschwollene Hoden.
25. Magadja, Djengeres SchwesterAlledjenu Magadja ist die große Schwester Djengeres. Diese Magadja folgte stets ihrem Bruder überall hin. Sie ließ nie von ihm. Wo er hinging, da ging sie auch hin. Wo er sich niederließ, da ließ sie sich auch nieder. Wo er wohnte, da wohnte sie auch. Diese beiden Alledjenu waren immer zusammen. Anfangs waren sie aber immer gemeinsam im Busch. Sie kamen beide aus den weit im Osten gelegenen Ländern. Das ist schon lange, lange Zeit her. Djengere und Magadja waren erst wie Malaika (arabisch =Engel) für Firrauna (Pharao). Das war in ganz, ganz alter Zeit. So aber kamen sie zu den Abaqua Riga (am Benue).
Djengere und Magadja hatten ihr Haus (das ist ihre Wohnung) in einem großen, großen Baum. Der Baum war hohl, und die beiden Alledjenu wohnten darin. Nahe bei diesem Baum stand ein Haus. In dem wohnten Menschen, die kannten den großen Baum sehr wohl. Sie wußten aber nicht, wer darin wohnte und daß es dort Alledjenu gab. Eines Tages um Mitternacht empfand aber der Mann, der in dem Hause wohnte, einen starken Drang, sich zu entleeren. Er erhob sich also von seinem Bett und trat aus dem Haus. Er ging ein Stück weit, um einen guten Platz zur Entleerung zu finden. Da hörte er Djengere und Magadja sprechen. Der Mann sagte: "Dieses ist eine besondere Sache." Der Mann ging noch ein wenig weiter.
Magadja hörte den Mann kommen. Als er ziemlich nahe war, sagte sie: "Bist du ein Mensch oder ein Alledjenu ?"Djengere sagte zu seiner Schwester Magadja: "Weshalb fragst du diesen Mann? Weshalb sprichst du mit dem Mann? Fürchtest du dich denn etwa?" Magadja sagte: "Es kommt jemand leise durch den Busch. Ich bin kein Mann. Ich bin eine furchtsame Frau." Der Mann kam näher.
Magadja sagte zu ihrem Bruder: "Jetzt sehe ich den Mann. Der Mann gefällt mir. Ich will es mit dem Manne versuchen" (das heißt die Inspiration). Djengere sagte: "Meine Schwester, tue, was dir angenehm ist. Wenn du es willst, gehe ich mit dir. Denn du bist auch immer mit mir gegangen."Der Mann kam ganz nahe an den Baum. Magadja sagte zu dem Mann: "Kai, weshalb kommst du hierher? Weißt du nicht, daß ich dich verrückt machen kann, wenn du mir gefällst ?"Der Mann sagte: "Ich wußte nicht, daß du hier bist. Ich weiß nicht, wer du bist!" Die Magadja sagte: "Laufe schnell nach Hause! Lauf schnell!"Der Mann sagte: "Ja, ich will schnell laufen!"Magadja sagte: "Lauf schnell nach Hause. Ich will dir mit meinem Bruder sehr bald nachfolgen. Ich will kommen und will mir dein Haus ansehen. Aber achte wohl darauf, daß niemand etwas hört, wenn wir zu deinem Hause kommen. Es soll niemand von unserem Besuche wissen. Wenn ich höre, daß irgend jemand von unserem Besuche gehört hat, töte ich dich, wenn ich komme. Also sei vorsichtig!" Der Mann sagte: "Ich werde niemand etwas sagen, denn ich will nicht getötet werden."Der Mann ging wieder fort. Der Mann lief nach Hause. Der Mann wartete auf Magadja. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen Tag lang. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen zweiten Tag. Magadja kam nicht. Der Mann wartete einen dritten Tag. Magadja kam nicht. Der Mann wartete sechs Tage lang. Aber Magadja kam in all den sechs Tagen nicht. Der Mann sagte: "Es muß etwas geschehen sein. Weshalb kommt Magadja nicht? Ich muß diese Magadja sehen. Ich will sehen, was geschehen ist." Der Mann ging heraus.
Der Mann ging heraus zu dem Baum, in dem die große Höhle war. Der Mann trat zu der Höhle. Magadja erkannte den Mann wieder. Magadja fragte den Mann: "Du kommst schon wieder? Habe ich dir nicht gesagt, daß du schnell nach Hause gehen sollest ?"Der Mann sagte: "Du sagtest mir, daß ich schnell nach Hause gehen solle. Ich ging schnell nach Hause. Du sagtest, daß du mich besuchen wollest, um mein Haus zu sehen. Ich wartete auf dich einen Tag um den andern. Ich habe sechs Tage gewartet und du bist nicht gekommen. Nun bin ich gekommen, um zu sehen, was geschehen ist."Magadja sagte: "Ich freue mich, daß du so an mir hängst. Ich wußte nicht, daß ich gleich so gefallen würde. Nun habe ich dich gern. Was hast du mir denn gebracht?" Der Mann sagte: "Ich habe nichts mitgebracht, denn ich wußte nicht, was du ißt. Du hast mir noch nicht gesagt, was du haben möchtest. Da habe ich dir auch nichts bringen können."
Magadja sagte: "Es ist wahr. Ich habe dir hiervon nichts gesagt. Du konntest mir also nichts bringen. Mein Essen ist aber sehr kostspielig, daher wirst du mir Essen nicht besorgen können. Gehe also wieder nach Hause."Der Mann sagte: "Nicht doch! Sage mir, was du haben willst, damit ich es dir besorgen kann. Denn ich hänge sehr an dir." Magadja sagte: "Was ich genieße, besteht aus Tschikaffa (Reis), der zu Mehl gestampft ist, aus Summa (Honig) und aus Nono (Milch). Das Mehl muß erst mit Wasser angerührt werden, dann muß Milch und Honig dazu getan werden. Das ist das, was ich gewöhnlich und gern genieße."Der Mann sagte: "Das ist nicht schwer zu bereiten. Das kann ich dir geben, wenn du es willst."Magadja sagte: "Willst du das machen? Kannst du das machen?" Der Mann sagte: "Das ist nicht schwer."Magadja sagte: "Aber es ist nicht wenig, was ich davon brauche. Ich muß immer sehr viel haben, wenn ich bei dir bleiben soll." Der Mann sagte: "Glaube mir, ich hänge so an dir, daß es mir ein kleines sein wird, dir hiervon so viel zu bereiten, als du haben willst." Der Mann ging nach Hause.Der Mann ging zu seiner Frau und sagte: "Meine Frau, höre mich gut an! Ich habe im Busch einen Freund. Es ist ein großer Freund. Der Freund kann einmal zu mir kommen. Mein Freund braucht viel Essen. Mein Freund braucht teures Essen. Mein Freund kann kein billiges Essen nehmen. Wird das möglich sein?" Die Frau sagte: "Wenn du mir sagst, daß es ein großer Freund im Busch ist, will ich sehen, was ich machen kann. Also sage mir, was er braucht."Der Mann sagte: "Mein Freund braucht Reismehl mit Honig und Milch. Er braucht hiervon viel." Die Frau sagte: "Das ist nicht so schwierig!" Der Mann sagte: "Dann bereite es und bereite nicht zuwenig, denn er ist eine sehr einflußreiche Person, die uns alles geben kann, was wir brauchen." Die Frau sagte: "Ich will es schon machen. Ich will gleich auf den Markt gehen, um einzukaufen."
Die Frau ging auf den Markt. Die Frau kaufte Reis und Honig und Milch. Die Frau stampfte den Reis zu Mehl. Sie bereitete ihn mit Wasser und tat Honig und Milch zu. Die Frau bereitete eine große Menge von diesem Essen. Sie brachte es zu ihrem Manne und sagte: "Ich hoffe, daß es so recht ist." Der Mann sagte: "Du hast es gutgemacht. Nun will ich das Essen meinem Freund hinbringen und will sehen, ob es ihm so recht ist." Der Mann nahm das Gericht und trug es zu dem Baume. Er nahm seine Frau aber nicht mit. Als der Mann zu dem Baume kam, sagte er: "Hier bringe ich dir und deinem Bruder Wasser zum trinken." (,,Wasser" ist ein Aus-
druck der Bescheidenheit, angewendet, um damit anzudeuten, daß dieses, wenn auch wertvolle Gericht, der Ehre gegenüber, es geben zu dürfen, gar nicht in Betracht komme.)Magadja sagte: "Ich danke dir!"Djengere sagte: "Du hast meiner Schwester Magadja also ihre Speise gebracht! Du hängst so an uns? Dann bist du uns auch angenehm. Wenn du in Zukunft etwas von uns Wissen willst, kann meine Schwester zu dir kommen und alles sagen. Frage aber Magadja, was sie braucht, um zu dir ins Haus zu kommen." Der Mann wandte sich an Magadja und fragte: "Willst du uns helfen?"Magadja sagte: "Sage mir, was du von mir willst!" Der Mann sagte: "Ich bitte dich, in mein Haus zu kommen. Ich bitte dich, mir in meinem Hause heute und sonst zu sagen, was ich wissen muß."Magadja sagte: "Ich brauche zwanzig Tage, um meine Sachen zu ordnen. Bringe mir aber jeden sechsten Tag von dieser Reissuppe. Laß das Gericht immer so herrichten, wie ich es dir zuerst beschrieb. Nachher will ich dann gern zu dir kommen." Der Mann sagte: "Du sollst deine Reisspeise alle sechs Tage haben." Der Mann ging heim.
Der Mann ließ alle sechs Tage von der Reisspeise machen. Der Mann brachte Magadja alle sechs Tage das Reisgericht mit Honig und Milch. Der Mann fragte Magadja (nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist): "Was muß ich nun sonst tun?"Magadja sagte: "Richte für mich lauter weiße Opfergaben her. Stelle bereit einen weißen Schafbock (Farin-rago); stelle bereit weißen Hahn oder weiße Henne (Farmkasa); lege bereit weißes Kleid (Farin-riga); lege bereit weißen Stoff (Farin-seni). Wenn du das Blut dieser weißen Tiere nicht geben und die weißen Kleider nicht opfern kannst, kann ich nicht in dein Haus kommen. Diese Opfer mußt du aber nach meiner Weise darbringen. Wenn du das tust, werde ich zu euch kommen." Der Mann sagte: "Es ist recht. Es soll alles geschehen." Der Mann ging nach Hause. Der Mann sagte zu seiner Frau: "Jene einflußreiche Person wird zu uns kommen. Wir müssen aber herrichten: weißen Schafbock, weißen Hahn oder Henne, weißen Rock, weißen Stoff." Die Frau sagte: "Es ist gut, ich werde alles kaufen."Der Mann gab der Frau Geld. Die Frau kaufte alles.
Als der Mann alles beisammen hatte, brachte er es nach der Anweisung und Art der Magadja dar. Kein junges Mädchen durfte bei dem Opfer zugegen sein. Der Mann brachte den weißen Stoff hinaus und band ihn (in der oft gesehenen Weise) um den Baumstamm, in dem die Wohnung Magadjas war. Das weiße Kleid schenkte er einem Kuturu (solche Schenkung an Leprakranke entspricht der
Opferung an die entsprechende Gottheit, hier der der Magadja). Der Mann schlachtete den weißen Schafbock und den weißen Hahn. Das Blut der Tiere brachte er hinaus zum Baum. Es ward vor dem Baum ausgegossen. Das Fleisch ward von den Alten zubereitet und von den Alten verspeist. Die Reste der Speisen wurden dann in einer Grube vergraben. Das Kochgeschirr ward im Busch gelassen, und bei dem Heimwege durfte keiner der Teilnehmer am Opfer sich umwenden. —Das aber ist die Art, wie der Magadja nach ihren eigenen Weisungen geopfert wird. So brachte der Mann also auch das erste große Opfer der Magadja dar. Er trat vor Magadja und sagte: "Sieh nun; ich habe alles getan, wie du es nach deiner Art willst." Magadja sagte: "Du hast es recht getan, und ich werde in der nächsten Nacht in dein Haus kommen. Ich sehe jetzt, daß du wohlgesinnt bist."In der folgenden Nacht kam Magadja in das Haus des Mannes. Sie kam nicht allein. Magadja kam mit dem Bruder zusammen. Als der Mann sah, daß Magadja gekommen war, begrüßte er sie. Magadja sagte: "Sage mir nun, was du von mir willst." Der Mann sagte: "Magadja, lehre mich die Magani gesund zu werden (das heißt gib mir die Mittel gegen Krankheiten). Magadja, lehre mich die Magani, kinderreich zu werden! (das heißt also Fruchtbarkeit zu verleihen). Magadja, lehre mich wohlhabend zu werden!" Magadja sagte: "Du hast mir gegeben. Nun will ich dir geben. Du hast an mir gehangen, nun will ich an dir hängen. Was du erbeten hast, sollst du haben." Der Mann sagte: "Sage mir, Magadja, wie ich von dir hören kann?"Magadja sagte: "Wenn du etwas brauchst, so komm zu mir in den Busch. Bringe mit dir Djen-dauwa (rotes Sorghum) und Djen-goro (rote Kolanüsse). Wenn du in den Busch kommst, mische das rote Korn mit den roten Kolanüssen (das heißt zerreiben). In dem Busch suche dir einen kleinen Baum aus. Wirf erst nach Gabas (Osten). Wirf dann nach Jamma (Westen). Wirf dann nach Kurdu (Süden). Wirf dann nach Areva (oder Arrewoa = Norden). Wenn du von der roten Sache nach jeder Richtung geworfen hast, wirf dich selbst unter den Baum (gleich, ob groß oder klein) nieder. Dann sage mir, was du willst, dann bitte mich um das, was du brauchst. Danach nimm von den Blättern (Garija), von der Borke (Bauwa) und von der Wurzel (Seiwa) des Baumes. Zerkleinere und zerreibe Blätter, Borke und Wurzel. Wenn das Gemisch trocken ist, zerstampfe es im Mörser. Das, was dann noch nicht ganz klein und fein ist, wirf in das Feuer. Das Feine und gleichmäßig
Zerriebene iß aber. Nachher wirst du alles wissen, was du wünschest. Denn dann werde ich in deinem Kopfe sein (das heißt Magadja wird den Mann besessen machen) und werde alles sagen, was du zu wissen wünschst." Der Mann sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir!"Magadja sagte weiter zu dem Manne: "Wenn ich dann in den Kopf eines Mannes oder einer Frau gekommen sein werde (das heißt wenn Magadja sie besessen gemacht hat), wird dieser Mann oder diese Frau schreien: ,Magadja ist in mir! Magadja ist in mir! Magadja ist in mir!' Dann kann jeder, der da ist, herantreten und kann den (besessenen) Mann oder die (besessene) Frau fragen, was ihm zu wissen nötig ist. Ich werde aus dem Kopf des besessenen Menschen (also durch seinen Mund) Antwort geben. Dann soll man dem besessenen Menschen Kauri schenken. — Ich bin aber die Mutter aller Borileute."(Letzteres kann aber eventuell den Sinn haben, daß Magadja die Mutter der andern Alledjenu ist.)
Was nun den Magadjadienst anbelangt, so wurde er mir verschiedentlich immer gleich geschildert. Die Magadja-Besessenen sitzen still und gelassen da. Sie haben keine der Imitationen von Tieren oder Kranken oder häßliche Darstellungen als Sitte. Die Form des Magadja-Dienstes und der Magadja-Besessenheit zeichnet sich vor allen ähnlichen Sitten durch Würde und Gelassenheit aus.
26. Kundari oder KuturuDer Alledjenu Kundari ist der gleiche, der in andern Provinzen, wie z. B. in Kontagora, in Samfara, in Kano, in Katsena usw. den Namen Kuturu führt. Dieser aber, weil Kuturu der Leprakranke genannt wird und weil die Besessenheitsform dieses Alledjenu seinem Opfer die häßlichen Symptome dieser Krankheit aufzwingt. Wir werden nachher noch einen andern ähnlichen Dämon kennen lernen. Von Kundari erzählt nun die Abaqua-Riga-Legende folgende Tradition:
Kundari war in alter, alter Zeit ein Mann. Er war ein gesunder, kräftiger Mann, wie jeder andere. (Kundari war also im Beginn kein Alledjenu, sondern ein Mensch.) Kundari sagte zu den Leuten: "Ich übertreffe an Stärke jeden andern. Ich bin stark und erschrecke nicht. Ich fliehe vor nichts. Vor nichts fliehe ich!" Kundari hatte einen Freund, einen guten Freund, der hieß Pati. Pati hörte Kundari sprechen. Pati sprach zu Kundari: "Du sagst, du
fliehst vor nichts. Fliehst du denn auch nicht vor dem Feuer?" Kundari sagte: "Nein, ich fliehe auch nicht vor dem Feuer! Ich renne auch nicht fort, wenn das Feuer hinter mir her ist." Pati sagte: "Dieses müßte ich sehen, sonst kann ich es nicht glauben."Kundari ging mit Pati einmal auf die Jagd. Sie gingen sehr weit. Sie gingen beide so weit, daß sie ermüdet waren. Als sie müde waren, setzten sie sich im Schatten eines Baumes nieder. Der Baum stand mitten im trockenen Grase. Das trockene Gras reichte weit, weit fort, so weit, als man sehen konnte. Das trockene Gras war am andern Ende weit hinten angezündet. Kundari war im Schatten des Baumes eingeschlafen. Pati hörte das Feuer in der Ferne knistern. Pati weckte Kundari. Pati sagte zu Kundari: "Kundari! Kundari! Wach auf! Kundari! Kundari! Stehe auf! Kundari! Das Feuer kommt!" Kundari wachte auf. Kundari sagte: "Was ist das für ein Gerede!"Pati sagte: "Das Feuer kommt! Die Leute haben die Steppe angezündet. Nun kommt das Feuer hierher, wo wir sind!" Kundari sagte: "Wegen des Feuers laufe ich nicht fort. Laufe du nur zu!" Das Feuer war schon ganz dicht dabei. Kundari blieb liegen. Pati rannte fort so schnell er konnte.
Pati lief ein gutes Stück weit. Dann kletterte Pati auf die Spitze eines Baumes, um von da aus zu Kundari hinüberzusehen. Die Spitze des Baumes war sehr hoch. Pati konnte Kundari sehen. Kundari saß da, wie man am Feuer sitzt, um sich zu wärmen (das heißt in der Hocke, die Arme über die Knie hängend, so daß also Füße und Hände dem Feuer zugewendet sind). Das Feuer kam immer näher auf Kundari zu. Kundari änderte seine Stellung nicht. Das Feuer war vor Kundari. Kundari änderte seine Stellung nicht. Das Feuer ging um Kundari herum. Das Feuer entzündete Kundaris Kleider. Kundari änderte seine Stellung nicht. Das Feuer entzündete Kundaris Haare. Kundari änderte seine Stellung nicht. Kundari saß mitten im Feuer. Das Feuer fraß die Spitzen der Hände und Füße Kundaris. Das Feuer verbrannte Kundaris Haut. Kundari änderte seine Stellung nicht. Kundari starb nicht. Das Feuer hatte Kundari an allen Teilen verbrannt. Kundari konnte nicht aufstehen. Aber Kundari veränderte auch seine Stellung nicht. Das Feuer zog an Kundari weiter.
Pati stieg von der Spitze des Baumes herab. Pati ging durch die verbrannte Steppe zu Kundari hin. Kundari hatte seine Stellung nicht verändert. Pati kam zu Kundari und sagte: "Mein Kundari, kannst du mit nach Hause kommen?" Kundari sagte: "Ich kann
nicht aufstehen." Pati sah, daß Kundaris Finger und Zehen und Haut verbrannt waren. Pati sagte: "Warte, mein Kundari, ich will in die Stadt laufen und Leute holen. Die Leute sollen dich dann nach Haus tragen." Pati lief fort. Pati lief in die Stadt. Pati rief sechs Männer und sagte: "Nehmt Stangen mit euch und kommt dann mit mir. Kundari ist draußen vom Feuer sehr verbrannt. Wir wollen Kundari auf die Stangen legen und nach Hause tragen." Die Männer kamen mit den Stangen. Pati lief mit den Männern dahin in den Busch, wo das Feuer Kundari gepackt hatte. Kundari saß unter dem Baum. Er hatte seine Stellung nicht verändert.Pati sagte zu Kundari: "Mein Kundari, lebst du?"Kundari sagte: "Warum soll ich nicht leben? Ich kann mich nur nicht aufrichten. Ich glaube auch nicht, daß ich gehen kann."Pati sagte: "Ich habe sechs Männer und Stangen mitgebracht. Wir werden dich nach Hause tragen." Die Männer legten Kundari auf die Stangen. Sie hoben Kundari auf. Sie trugen Kundari fort. Kundari sagte nichts. Sie trugen Kundari in die Stadt. Kundari sagte nichts. Sie brachten Kundari in sein Haus. Sie legten Kundari auf sein Bett.
Als sie Kundari auf sein Bett gelegt hatten, sagte Kundari: "Wenn das Feuer mich tötet (soll bedeuten, wenn er an den Brandwunden sterbe), werde ich als Alledjenu wiederkommen. Wenn ich dann aber als Alledjenu in irgendein Haus komme, soll alle Welt wissen, daß ich es bin, der da gekommen ist. Niemand soll mich dann verkennen."
Drei Monate lag Kundari auf dem Bette. Während der drei Monate sprach Kundari nicht. Drei Monate pflegten ihn die Leute. Nach diesen drei Monaten starb Kundari. Kundari sagte bis zu seinem Tode nichts mehr. Kundari ward begraben. Acht Tage nachdem Kundari begraben war, stürzte das Grab Kundaris ein. Es entstand eine Höhle. Die Leute kamen an dem Grabe vorbei. Die Leute sahen, daß das Grab eingestürzt war. Die Leute sahen die Höhle. Die Leute sagten: "Was dieser Kundari gesagt hat, das ist nun wahr geworden. Kundari ist nicht mehr in seinem Grab." Alle Leute sagten: "Kundari hat die Wahrheit gesprochen. Er ist nicht mehr in seinem Grabe."
Acht Tage nachdem das Grab Kundaris eingestürzt war, kam Kundari als Alledjenu wieder. Der Alledjenu Kundari kam in Patis Haus. Kundari ergriff Pati. (Ein derartiges Ergreifen, "Besessenmachen", heißt in Haussa, wenn der Besessene ein Weib ist =Jakamata; wenn er ein Mann ist = Jakama-schi; eine vom Alledjenu
Niedergeworfene heißt Jabuge-ta, ein vom Alledjenu Niedergewor.. fener =Jabuge-schi)Pati wurde von Kundari ergriffen. Pati begann sogleich zu schreien. Patis Frau hörte ihren Mann schreien. Patis Frau rannte herbei und sagte: "Was ist mit dir, mein Mann! Was ist mit dir?" Pati antwortete nicht.
Die Frau fragte Pati: "Was ist mit dir, mein Mann, was ist mit dir?" Die Frau fragte ihren Mann immer wieder. Aber Pati antwortete nicht. Pati schrie. Die Frau fürchtete sich. Die Frau lief in großer Furcht fort. Sie lief zu einem Jäger und sagte: "Komm nur schnell in unser Haus. Komm nur schnell und sieh Pati. Seit heute morgen sieht mich mein Mann nicht mehr. Mein Mann verdreht die Augen und schreit." Der Jäger sagte: "Ich werde sogleich mit dir kommen. Wir wollen Pati gleich ansehen." Der Jäger kam mit. Der Jäger sah Pati. Der Jäger sagte: "Wir wollen deinen Mann hinsetzen." Der Jäger und die Frau wollten Pati hinsetzen. Es ging aber nicht. Sie konnten Patis Hände nicht öffnen. Patis Hände waren geschlossen und hart wie Stein zusammengepreßt. Patis Glieder waren (steif) wie Holz. Pati war starr wie ein Toter. Aus Patis Augen rannen aber Tränen.
Der Jäger betrachtete Pati und sagte: "Nun weiß ich alles, was diese Sache anbelangt. Kundari sagte es (seiner Zeit): ,Ich fliehe auch nicht vor dem Feuer!' Pati sagte: ,Das müßte ich erst sehen!' Kundari sagte ehe er starb: ,Wenn das Feuer mich tötet, werde ich als Alledjenu wiederkommen. Wenn ich dann aber als Alledjenu in irgendein Haus komme, soll alle Welt wissen, daß ich es bin, der da gekommen ist. Niemand soll mich dann verkennen!' Pati sagte dann aber zu den Leuten: ,Ich glaube das nicht. Kundari kann nicht als Alledjenu wiederkommen.' Pati sagte das, weil er nichts von der Art dieser Menschen weiß. Menschen von der Art Kundaris halten, was sie sagen, wenn sie wollen. Darum sage ich, weiß ich alles, was diese Sache anbelangt."
Die Frau sagte: "Abokina! Sage mir! Was kann hier getan werden, damit mein Mann wieder gesund wird?" Der Jäger sagte: "Dein Mann ist nicht krank. Du verstehst das nicht. Ich werde aber alles tun." Der Jäger sandte einen Jungen in sein Haus zurück und sagte: "Geh in mein Haus. Nimm da den kleinen Topf mit Magani (Medikamente) und bring ihn hierher." Der Junge ging. Der Jäger fragte die Frau Patis: "Kannst du mir ein Huhn bringen ?"Die Frau sagte: "Sicher kann ich dir ein Huhn bringen."Der Jäger sagte:
"Dann gehe und bringe es!" Die Frau ging. Die Frau brachte das Huhn. Der Junge kam aus dem Hause des Jägers zurück und brachte den Topf mit Magani. Der Jäger sagte zur Frau: "Nun gib mir noch etwas Sorghum!" Die Frau brachte das Sorghum.Der Jäger streute das Sorghum auf die Erde und sagte zu der Frau: "Wenn das Huhn nun die Körner des Daua aufpickt und ißt, so ist das ein Zeichen, daß es Kundari ist, der deinen Mann besessen gemacht hat. Wenn das Huhn die Körner aber nicht aufpickt, dann ist Kundari nicht in deinem Mann." Dann sprach der Jäger zu dem Kopfe Patis und sagte: "Wenn du Alledjenu bist, so nimm dies Huhn." Darauf setzte der Jäger das Huhn auf die Erde.
Als der Jäger das Huhn der Frau Patis auf die Erde gesetzt hatte, lief das Huhn sogleich auf das Korn zu und begann es aufzupicken. Es pickte in großer Hast sogleich alle Körner auf, die der Jäger hingestreut hatte. Der Jäger sagte zu der Frau: "Habe ich dir nicht gleich gesagt, daß es Kundari ist, der deinen Mann ergriffen hat? Hast du gesehen, wie das Huhn alle Körner aufgepickt hat?"
Der Jäger sagte zu der Frau Patis: "Nun bringe mir Wasser!" Die Frau brachte Wasser. Der Jäger nahm von den Magani aus seinem Topf und mischte sie mit dem Wasser. Mit dem gemischten Wasser begann er dann Pati zu waschen. Er wusch Pati oben und unten. Er wusch mit dem Maganiwasser Patis ganzen Leib. Er wusch mit dem Maganiwasser alle Glieder Patis. Er wusch mit dem Maganiwasser jeden Teil der Haut Patis.
Als Pati so gewaschen war, begann Pati zu sprechen. Pati sagte: "Heute habe ich Kundari wiedergesehen. Kundari befindet sich nun wohl. Seine Hände und Füße und seine Haut sind wieder wie früher, ehe er verbrannt wurde. Kundari ist wieder gesund." Der Jäger sagte zu Pati: "Zur Zeit, da Kundari noch lebte, sagte er dir alles. Er sagte dir, er würde vor dem Feuer nicht weglaufen. Du wolltest das Kundari nicht glauben. Er sagte dir, wenn das Feuer ihn töten würde, so würde er als Alledjenu wiederkommen. Du wolltest ihm das nicht glauben." Pati sagte: "Was du sagst, ist richtig. Du hast recht. Ich wollte Kundari nicht glauben. Kundari hat mir heute selbst gesagt, daß es so ist. Nun ist es so. Kundari hat mir auch gesagt, er wolle mir und meiner Frau helfen, daß wir in diesem Jahre noch ein Kind gebären. Wir werden in diesem Jahre also noch ein Kind gebären." Der Jäger sagte: "Du glaubst also jetzt das, was Kundari sagt?" Pati sagte: "Gewiß glaube ich jetzt, was Kundari sagt. Kundari hat auch gesagt, daß ich dem Kind, das wir
in dieser Nacht gebären werden, Kundaris Namen geben soll."Der Jäger sagte: "Dann tue das, und es wird für euch und das Kind gut sein."Danach war Pati wieder gesund. Drei Monate nachher war aber Patis Frau schwanger. Nach der Zeit ward das Kind geboren. Das Kind war aber fleckig. Es war hell und dunkel, hell und dunkel; es war gefleckt wie ein Albino. Die Haut des Kindes war gefleckt wie eine Haut, die vom Feuer verbrannt ist. Die Leute wuschen das Kind. Sie wuschen es mit Wasser und Magani. Aber die Haut des Kindes blieb fleckig. Pati wußte nicht, was er mit dem Kinde machen sollte.
Pati sagte: "Der Jäger hat mir geholfen. Der Jäger kann sicher auch dem Kinde helfen. Pati ging zu dem Jäger. Pati sagte: "Das Kind, von dem mir Kundari gesagt hat, ist nun geboren. Das Kind ist aber fleckig, weiß und dunkel, weiß und dunkel; die Haut des Kindes ist gefleckt wie ein Albino. Die Haut des Kindes ist gefleckt wie eine Haut, die vom Feuer verbrannt ist. Wir haben das Kind mit Wasser und Magani gewaschen, die Flecken bleiben aber. Kannst du mir nun nicht ein Magani geben, um das Kind gesund und seine Haut gut zu machen?" Der Jäger sagte: "Dem Kind kann nur Kundari helfen. Gib also dem Kind den Namen Kundari, wie es dir Kundari selbst auch schon gesagt hat." Pati ging. Pati gab dem Kinde den Namen Kundari.
Das Kind war ein Knabe. Der Knabe wuchs heran. Der Knabe wurde groß. Als der Knabe aber groß war, kam jeden Freitag der Wind (Iska) über ihn. Der Alledjenu packte das Kind. Der Knabe konnte dann die vier Finger nicht öffnen (das heißt also, er schloß die Finger krampfartig fest, daß nur die Daumen nach außen standen und beweglich blieben). Das ereignete sich jeden Freitag.
Die Leute, die das sahen, sagten zu Pati: "Die Sache, die du da ins Land gebracht hast, ist nicht gut. Sie ist gar nicht gut." Pati sagte: "Was soll ich tun? Es ist mein Freund Kundari. Wenn mein Freund zu mir kommt, kann ich ihm nicht wehren." Die Leute sagten: "Gut, wenn du ihn nicht lassen willst, dann mag die Art (Hali) wenigstens in deiner Familie bleiben. Wir wollen nichts damit zu tun haben."
Daher kommt Kundari immer in der Familie Patis zum Ausbruch, nie aber in einer andern Familie.
27. Ubandauaki (auch Leprakrankheit)Ubandauaki ist ein Alledjenu, der aus dem Busch im Osten kommt. Im Osten war damals ein Serki Samari vom Araberstamm. Der war ein Jäger. Eines Tages ritt dieser Serki Samari umher. Er kam an einen Gandschi-Baum. In dem Gandschi-Baum traf er den Alledjenu Ubandauaki. Serki Samari ritt an dem Baum vorbei. Da hörte er ein Geräusch in dem Baum. Serki Samari hielt an und fragte: "Was ist in dem Baum? Ist da in dem Baum ein Mensch oder ein Alledjenu?" Ubandauaki sagte: "Ich bin ein Alledjenu. Ich kann mich aber nicht bewegen, denn ich habe keine Hände und keine Füße." Der Serki Samari fragte den Ubandauaki: "Wie bekommst du denn dein Essen, wenn du keine Hände und Füße hast?" Der Alledjenu sagte: "Mein Essen bekomme ich hier von Allah! Wenn ihr mir aber Essen geben wollt, bin ich bereit, auch mit dir in die Stadt zu kommen." Der Serki Samari sagte: "Wir wissen aber nicht, was du ißt. Willst du uns das nicht sagen ?" Der Alledjenu sagte: "Nimm mich nur mit in die Stadt. In der Stadt werde ich dir dann schon sagen, was ich brauche." Serki Samari fragte: "Bist du denn Krieger, und bringst du den Krieg für andere ?" Der Alledjenu sagte: "Ja, ich bin Krieger." Serki Samari sagte: "Dann ist es gut. Dann werde ich dich mitnehmen, und du mußt uns helfen." Der Serki Samari nahm den Alledjenu. Der Serki Samari brachte den Alledjenu mit in die Stadt.
In der Stadt sagte der Alledjenu: "Opfere mir von den Bingi (das sind federlose große Hühner, die in Nupe Gbighi; in Joruba Okuibe heißen) die Hähne. Opfert mir schwarze Ziegenböcke! Opfert mir schwarze Bullen! Opfert mir Gauta (grüne bittere Tomaten), schmutzige, zerrissene, alte Kleider, Rinderschwänze (Isiga-n-san[u]), kleine Schultersäcke (djika)! Alles das gebt mir. Wenn du mir von alledem gut opferst, so werde ich dich, wenn du in den Krieg ziehst, in allem Nötigen unterrichten, und so wirst du selbst reichliches Essen unterwegs haben und viel (Beute) gewinnen." Der Serki Samari sagte: "Also das ist es, was du willst!" Der Alledjenu sagte: "Ja, das ist es!"
Der Serki Samari sagte aber zu dem Alledjenu: "Abokina, wenn du das Essen so wie du sagst haben mußt, dann nimm nur einen Stock, zieh umher und bettle bei den Leuten, daß sie dir dies gute Essen geben. So gutes Essen, wie du es haben willst, habe ich nicht." Der Alledjenu sagte: "Ich habe keine Hände und Füße, ich
kann also nicht selbst umhergehen. Ich kann nur einem Menschen in den Kopf gehen und kann durch ihn einen andern um Essen bitten, wenn ich es sonst nicht bekomme." Der Serki Samari sagte: "Dann mußt du es schon so machen, denn ich kann dir das, was du willst, nicht geben." Der Alledjenu Ubandauaki sagte: "Es ist deine Sache. Das ist nicht mehr meine Sache"(soll so viel heißen: du hast nun für die Folgen die Verantwortung).Darauf verließ der Alledjenu den Serki Samari. Der Alledjenu konnte nicht gehen, denn er hatte keine Füße und Hände (konnte also nicht körperlich gehen). Der Alledjenu Ubandauaki befiel aber einen andern Menschen. Als der andere Mensch von Ubandauaki befallen wurde, wurde er krank. Der Mensch sagte: "Was ist das mit mir?" Der Alledjenu schlug ihm rechts und links die eigenen Hände. Der Alledjenu verzerrte ihm das Gesicht. Der Mensch sagte: "Was ist das mit mir? Ich bin krank. Wie bin ich krank geworden?" Ubandauaki sagte zu ihm: "Ich, der Alledjenu Ubandauaki, bin in dir!" Der Mann sagte: "Wenn du in mir bist, so muß das gut sein, denn du bist ein Alledjenu. Was kann ich nun aber für dich tun? Was willst du von mir?" Ubandauaki sagte: "Ich bin zu dir gekommen, weil ich mein Essen haben will. Opfere mir, dann wirst du wieder gesund werden. Opfere mir Bingihahn, schwarzen Ziegenbock, schwarzen Bullen, grüne bittere Tomaten, Rinderschwänze, schmutzige, zerrissene, alte Kleider, kleinen Schultersack. Opfere mir das und ich werde von dir gehen. Opfere mir das und ich werde die Krankheit wieder von dir nehmen." Der Leprakranke (Kuturu) sagte: "Ich will sehen, was ich tun kann. Ich will dir dein Opfer geben."
Der Leprakranke nahm was er hatte. Der Leprakranke ließ sich von seiner Familie alles geben, was er selbst nicht hatte. Der Leprakranke opferte einen Bingihahn, einen schwarzen Ziegenbock, einen schwarzen Bullen, grüne bittere Tomaten, schmutzige, alte, zerrissene Kleider, Rinderschwänze und einen kleinen Schultersack. Man nahm hell und dunkel gestreiftes Zeug, damit deckte man den Kopf des Kranken zu. Man brachte das (vorgeschriebene) Opfer dar. Ubandauaki ließ von dem Manne. Der Mann ward gesund.
Man verfährt auch heute noch so, wenn der Alledjenu Ubandauaki einen Mann oder eine Frau befällt. Wenn nun ein Anhänger dieser Sekte oder der Verehrer des Ubandauaki die Inspiration durch diesen Ubandauaki wünscht, so bedeckt er den Kopf mit einer schwarz- und weißgestreiften Decke und läuft so in den Busch.
Dort wäscht er sich mit Magani. Danach bringen sie ihn aus dem Busch in die Stadt und in das Haus zurück und spielen im Haus vor ihm die Geige. Dies hat Eintritt der Inspiration oder Besessenheit zur Folge. Der Inspirierte, das heißt von Ubandauaki in Besessenheit Genommene, ist dann aber in der Lage, jede Sache der Zukunft zu prophezeien. Man befragt ihn, und die Gottheit antwortet durch seinen Mund. Wenn eine trübe und schlechte Zukunft prophezeit wird, dann tut die Gemeinde alles, was von der Gottheit für nötig befunden wird, um das drohende Übel abzuwenden.Man erklärt dabei die eben geschilderte Legende als Modell, nach dem man verfahren müsse. Man erklärt, daß die Opferungen für Ubandauaki immer guten Erfolg gehabt hätten, und betrachtet die Kuturu als in gewissem Sinne heilig.
Man sieht also diesen für uns so grauenvollen Zustand, wenigstens unter den Borileuten, als eine gewisse Segnung der Gottheit an.
IV. GESCHICHTSGOTTER
28. Scherandeli (Krieg Nukuni mit Kisra)
Diese vierte Gruppe von Gottheiten ist für afrikanische Verhältnisse durchaus verständlich. Es ist eine Gruppe von Gottheiten, die aus der Projektionsverzerrung historischer Überlieferungen erstanden ist. Inwieweit hierbei der Islam mitgewirkt, überhaupt allein anregend oder aber nur Beitrag liefernd, muß der Spezialvergleichung überlassen werden. Hören wir hier die verschiedenen Legenden:
Der Alledjenu Scherandeli (auch wohl Scherandebi) ist weit her aus dem Osten gekommen. Der Alledjenu war in Gabar, ehe Kisra (der Perserkönig) nach Westen kam und König in Karischi und in Bussa (am Niger) wurde. Damals war der Alledjenu Scherandebi Dan Scherbo in einem Stein. Das war in der Zeit, als Anabi Nuhu immer mit Kisra focht. Jedesmal wenn Anabi Nuhu (Noa) damals mit Kisra zusammenstieß, siegte Anabi Nuhu ob. Kisra verlor aber immer und immer wieder viel Volk. Kisra konnte nicht gegen den Anabi Nuhu fechten, ohne geschlagen zu werden.
Kisra rief alle seine Leute zusammen und sagte zu ihnen: "Immer siegt dieser Anabi Nuhu. Dieser Anabi Nuhu siegt immer wieder. Wie können wir nur widerstehen? Was sollen wir machen, um diesem Unglück zu widerstehen? Geht hin und seht nach einer
Sache, die wir in unsere Stadt stellen können, damit wir Anabi Nuhu schlagen." Die Leute Kisras sagten: "Wir wissen nicht, was zu tur ist. Nur das, was du selbst bringen wirst, wird gut sein."Der König Kisra sagte: "Wenn ihr auch nichts anderes wißt, so wollen wir zu dem Felsen gehen, der dort ist." Die Leute sagten: "Wir wollen so tun, wie du sagst." Der König Kisra ging mit allem Volke dahin. Als der König mit seinen Leuten angekommen war, sagte er: "Wir wollen unsere Stadt hier aufbauen. Das wird uns vielleicht helfen." Darauf ward die Stadt Kisras um den Stein herum aufgerichtet. Drei Monate nachher kam Anabi Nuhu und kämpfte wieder mit dem König Kisra. Der König Kisra und seine Leute wurden aber wieder von Anabi Nuhu geschlagen.
Danach ging Kisra zu dem Stein und sagte: "Stein! Wir haben dir unsere Stadt hier aufgebaut. Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Laß nicht zu, daß Anabi Nuhu noch einmal siegt!" In dem Stein war Alledjenu Scherandebi. Scherandebi sagte: "Dieses ist schon recht. Aber wenn ich euch nun helfe, werdet ihr mir nachher etwas Schlechtes tun." Kisra sagte: "Nein, wir sind nicht von dieser Art. Wie sollten wir dir nachher Schlechtes tun, wenn du uns jetzt hilfst, wenn wir auch nur Menschen sind? Wir sind nur Menschen. Du aber bist ein Alledjenu. Wie sollten wir dir da Schlechtes antun können?"Scherandebi sagte: "Dann ist es gut. Bringt mir aber mein Essen." Kisra sagte: "Sage mir, welches Essen dir angenehm ist." Scherandebi sagte: "Gib mir roten Hahn (djen sakara) , roten Ziegenbock (djen akuen), roten Bullen (djen sa), roten Hengst (djen doki), roten Mann (djen mutum), rotes Kleid (djen riga) und roten Stoff (djen sani). Dieses ist mir angenehm."Der König Kisra sagte: "Was du an Opfern verlangst, werde ich dir geben. Hilf uns nur, dann soll nie etwas fehlen."
Der König Kisra ging und opferte am Stein: roten Hahn und roten Ziegenbock, roten Bullen und roten Hengst, roten Mann und rotes Kleid und roten Stoff. Das Blut der Opfertiere goß Kisra über den Stein. Den Stoff band er um den Felsen. Dann errichtete er ein Haus darüber. Als er geopfert hatte, sagte Kisra: "Nun habe ich dir alles gegeben, wie du es verlangt hast." Der Alledjenu Scheranclebi sagte: "Du hast recht getan! Nun werden wir immer gemeinsam gegen den Anabi Nuhu kämpfen!"
Sieben Tage nachher kamen Leute an und riefen: "Der Anabi Nuhu kommt wieder! Der Anabi Nuhu kommt wieder!" Scheranlebi fragte Kisra: "An welchem Tage wird denn Anabi Nuhu hier
sein?" Der König Kisra sagte: "Der Anabi Nuhu wird übermorgen hier sein!" Der Alledjenu Scherandebi ergriff seinen Speer. Der Speer Scherandebis war stark wie ein Palmbaum. Er war lang wie ein Palmbaum. Scherandebi stieß den Speer in der Mitte der Stadt in den Erdboden. Der König Kisra opferte am Speer roten Hahn und roten Ziegenbock, roten Bullen und roten Hengst, roten Mann und rotes Kleid und roten Rock. Scherandebi nahm das Opfer und sagte: "Wenn der Anabi Nuhu je kommt, so trage den Speer hinaus und stoße ihn vor der Stadt in den Boden!"Als Anabi Nuhu kam, rief der Alledjenu Scherandebi alle Männer Kisras und sagte: "Nehmt alle eure Waffen! Kommt mit mir! Folgt mir gegen Anabi Nuhu!" Alle Leute kamen zusammen. Alle Männer nahmen ihre Waffen. Als es acht Uhr morgens (ahansi) war, kam Anabi Nuhu mit seinen Leuten heran. Scherandebi sagte zu den Leuten Kisras: "Kommt nun! Heute werden wir gegen den Anabi Nuhu kämpfen!" Kisra zog mit seinen Leuten hinaus. Zweimal trafen die Leute Anabi Nuhus und Kisras zusammen. Dann ward Anabi Nuhu geschlagen. Anabi Nuhus Leute liefen weit weg. Seitdem kämpfte Kisra mit Scherandebi gegen viele Städte. Wenn der König Kisra mit seinen Leuten auszog, ging Scherandebi vor ihm her und schwang den Speer. Also gewann König Kisra die Siege, und so ward Kisra ein großer König. Anabi Nuhu wurde in den Kriegen gegen König Kisra getötet, weil der Alledjenu Scherandebi mit König Kisra war. Es lebte nur noch der Bruder des Anabi Nuhu.
Kisra siegte in den Kriegen. Kisra dachte nicht mehr an den Alledjenu Scherandebi. Kisra gab dem Alledjenu Scherandebi nicht mehr das, was der Alledjenu zu essen haben wollte. Kisra vergaß den Alledjenu Scherandebi. Scherandebi ging von Kisra weg. Scherandebi ging zu dem Bruder Anabi Nuhus. Scherandebi sagte zum Bruder Anabi Nuhus: "Komm mit mir. Ich will dir vorangehen. Kämpfe gegen den König Kisra. Ich will dir helfen!" Der Bruder des Anabi Nuhu sagte: "Es ist gut! Ich komme!" Der Bruder des Anabi Nuhu kam heran. Er kämpfte gegen König Kisra. Das war (das heißt der Krieg) in Gabar. Der Bruder Anabi Nuhus siegte aber mit Scherandebi über König Kisra.
König Kisra ward aus Gabar vertrieben. König Kisra floh nach Karischi (in der Provinz Kotangora). König Kisra floh mit allen seinen Reitern nach Karischi. Der Bruder Anabi Nuhus folgte ihm eine Zeit lang nach. Dann kehrte Anabi Nuhus Bruder zurück und zog nach Gabar zurück. Anabi Nuhus Bruder blieb dann in Gabar.
Als Anabi Nuhus Bruder wieder nach Gabar zurückkam, sagte er: "Der Alledjenu Scherandebi hat mir zwar meinen Bruder, den Anabi Nuhu, getötet. Jetzt hat Scherandebi mir aber einen großen Sieg über Kisra gegeben. Darum will ich jetzt nicht mehr vorn Alledjenu Scherandebi lassen. Ich will dem Alledjenu Scherandebi alles geben, was er haben will!"
Der Bruder Anabi Nuhus gab dem Alledjenu Scherandebi alles, was der Alledjenu haben wollte; und wenn heute ein Mensch vorn Alledjenu Scherandebi gepackt und niedergeworfen wird, so weiß man, daß das ein Nachkomme und Verwandter des Bruders des Anabi Nuhu ist.
Ferner sagt die Volksüberlieferung: der Alledjenu Scherandebi habe überhaupt erst den Speer in die Welt gebracht. Der Alledjenu Scherandebi sei älter als der Alledjenu Gogobirri.
Wen Scherandebi packt, dem schwellen das Gesicht und vor allem die Augen an, wie einem Menschen, der geschlagen worden ist.
29. Gogobirri (Krieg zwischen Gobir und Kororofa)Serki Gobirri Bauwa Dan Goinki war ein großer König (unter den Alledjenu); er war ein großer König wie Firra-una. Er war der erste Gogobirri und war ein Alledjenu, der im Busch lebte. Bauwa Dan Goinki war aber der erste König des Gobirlandes. Nun führte damals der Serki von Kororofa gegen den Serki von Gobir (also des ältesten Haussastaates) viel Krieg. Die Jukum von Kororofa gewannen aber stets den Sieg über die Gobirawa. Der Serki von Gobir wußte nicht, was er gegen die Jukum und gegen den Serki von Kororofa unternehmen sollte. Er ging eines Tages in den Busch und bat den Alledjenu Gogobirri: "Alledjenu Gogobirri! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Ich bitte dich! Hilf mir! Hilf mir gegen die Jukum!"Es stand da aber eine alte, alte, große, große Kuka (Baobab).
In dieser alten, alten Kuka wohnte Gogobirri. Als der Serki eines Tages nicht mehr wußte, was er noch weiter tun könne, um in dem Krieg gegen Kororofa zu siegen, ging er in den Busch und bat wieder den Alledjenu Gogobirri: "Hilf mir! Hilf mir gegen Kororofa!" Dann nahm er einen großen Mahlstein der Weiber auf seinen Kopf und ging damit zu dem Stamme des Kuka. Der König setzte sich mit dem Mahlstein auf dem Kopf unter die Kuka. So saß er sieben Jahre und neun Monate immer mit dem Mahlstein (Dutschinika) auf dem Kopfe unter dem Baum.
In dieser Zeit von sieben Jahren und neun Monaten ward dem König von dem schweren Mühlstein das Schädeldach flach eingedrückt. Es entstand ihm auf dem Kopf ein großes Loch, und er mußte später einen Turban (ruoni) tragen. Der König brachte an dem Baume dem Alledjenu viele Opfer. Der König opferte: hundert schwarze Bullen, hundert schwarze (männliche) Affen, hundert schwarze Eselhengste, hundert schwarze Pferdehengste, hundert schwarze Männer, hundert schwarze männliche Hunde, hundert schwarze Ziegenböcke, hundert schwarze Schafböcke. Alle diese Tiere opferte er an dem Stamm der Kuka. Der König sprach nur: "Ich opfere dir diese hundert Bullen." Er sprach: "Ich opfere dir diese hundert männlichen schwarzen Affen." Er sprach: "Ich opfere dir diese hundert schwarzen Eselhengste"usw. (Er bat also nicht mehr viel, sondern brachte nur die Opfer dar.)
Aber der König brauchte die Tiere und Menschen, die er opfern wollte, nicht heranbringen zu lassen. Der König brauchte die Tiere und Menschen, die er opfern wollte, nicht totschlagen zu lassen. Der König sagte nur: "Ich opfere dir diese hundert schwarzen Bullen." Dann lagen die hundert schwarzen Bullen auch gleich tot unter dem Baume. Der Alledjenu trank dann das Blut der Tiere und Menschen, wenn sie tot unter dem Baobab niedergefallen waren. Die Stelle, wo die Kuka des Alledjenu Gogobirri stand, war (und ist heute noch) kein fruchtbares Erdiand, sondern es ist ein Felsen. Die Kuka des Alledjenu Gogobirri hatte auch keine Wurzeln und war auf dem Felsen nicht festgewachsen. Sie stand (locker und zusammenhanglos) da. Sie ging und geht heute noch umher. Damals aber ging sie aufrecht umher. (Siehe dagegen wie es später ward und heute ist.)
Nachdem der König das Opfer gebracht hatte (siehe oben) und nachdem sieben Jahre und neun Monate verflossen waren, sah er den Alledjenu Gogobirri (will sagen, daß dieser den König nun erhörte und sich ihm zeigte). Der Alledjenu hatte einen Maschi (das ist einen Speer) in der Hand. Der Alledjenu Gogobirri sagte zum König: "Geh heim! Morgen ist Freitag! Ich will am Freitag mit dem Speer in die Stadt kommen. Sage den Männern und Frauen, daß ich kommen werde. Sage den Männern und Frauen, daß ich schreien werde. Sage den Männern und Frauen, daß sie nicht weglaufen sollen, wenn ich komme und schreie. Sage ihnen, daß ich ihnen nichts Schlechtes tun werde." Der König sah den Alledjenu. Der König hörte den Alledjenu. Der König nahm den Mahlstein vom Kopf und legte ihn auf die Erde. Niemand hat den Stein je wiedergesehen.
Der König ging nach Hause. Der König sagte zu den Männern und Frauen: "Morgen kommt unser großer Freund, der Alledjenu. Erschreckt nicht und lauft nicht fort, wenn er kommt und wenn er schreit."Am andern Tage kam der Alledjenu dann in die Stadt. Der König war auf dem Markt. Der Alledjenu traf den König auf dem Markt. Der Alledjenu hielt den Speer hoch in der Luft und schrie. Alle Leute erschraken. Denn alle Männer und Frauen sahen nur den hochgehaltenen Speer und hörten nur die Stimme des Alledjenu. Aber den Alledjenu selbst sah niemand. Die Männer und Frauen erschraken und sprangen auf, um wegzulaufen. Der Alledjenu sagte zu dem König: "Sage zu allen Leuten, sie sollen nicht erschrecken, sondern sie sollen niedersitzen."
Alle Leute saßen nieder. Der Alledjenu sagte aber zu dem König: "Von jetzt ab werde ich bei dir sein. Von jetzt ab werde ich mit dir sein. Darum darfst du von jetzt ab nicht mehr nach rechts und nach links sehen. Du darfst den Kopf nicht wenden und darfst ihn nur nach vorn halten und nach vorn blicken. Wenn du das einhältst, wirst du durch mich jeden Menschen und jeden Widersacher überwinden." — Von dem Tage an blieb der Alledjenu Gogobirri in dem Gehöft des Königs.
Wenn der König von nun an in den Krieg zog, so ging er zu dem Bori (Alledjenu). Er faßte dann den Speer des Alledjenu Gogobirri und sagte: "Ich will in den Krieg gehen! Komm, hilf mir!" Dann ging der Alledjenu voran an der Spitze der Leute. Und alle Leute folgten ihm. Der König konnte aber nun in jedes Land gehen, in welches er wollte. Er konnte Krieg führen, gegen wen er wollte. Der König gewann überall unter der Führung und mit Hilfe des Alledjenu Gogobirri den Sieg. So kam es, daß niemand es mehr wagte, gegen den Gobirkönig Krieg zu führen. Alle Leute im Gobirland waren zufrieden und glücklich.
Der Adjingi der Bori (des Gobirlandes) kam eines Tages zum König und sagte: "Mein König! Du bist der König aller Leute. Aber wir bitten dich, du möchtest uns gestatten, deinen Alledjenu in unsere Mitte zunehmen, damit er mit uns sei!"Der König sagte zum Adjingi: "Ich kann diesen Alledjenu nicht von mir lassen und nicht verleihen. Denn ich habe selbst sehr gelitten, bis ich ihn gewann." Der Adjingi sagte: "Was du dem Alledjenu geopfert hast, ist nichts anderes als was wir sind, nämlich dein Eigentum. Darum bitten wir dich, leihe uns diesen Alledjenu Gogobirri!" Der König sagte: "Ich kann diese Bitte nicht erfüllen, denn was der Alledjenu verzehrt hat, bis ich
ihn gewann und seit er bei mir ist, das könnt ihr nicht aufbringen. Ihr würdet dem Alledjenu nicht genug geben können, und er würde von uns gehen!" Der Adjingi sagte: "Wenn du nicht den großen Alledjenu geben willst, so gestatte, daß die Kinder deines Alledjenu mit uns spielen." Der König sagte: "Darüber kann ich selbst nichts sagen. Ich will mit dem Alledjenu selbst sprechen."Der König ging zum Alledjenu Gogobirri und sagte: "Der Adjingi der Bori ist zu mir gekommen. Er wollte erst, daß du zu den Leuten gehst. Ich habe dem Adjingi gesagt, daß die Borileute dir nicht genug zu essen geben können. Nun bittet mich der Adjingi, daß deine Kinder mit den Bori spielen sollen. Was meinst du hierzu ?" Der Alledjenu Gogobirri sagte: "Ich kann selbst nicht mit den Leuten gehen, aber meine kleinen Jungen können mit ihnen sein." Der König ging zum Adjingi zurück und sagte: "Der Alledjenu selbst will nicht zu euch kommen. Aber seine kleinen Jungen können mit euch spielen. Ich selbst kann auch nichts anderes tun, als was der Alledjenu will. Von jetzt ab mögen also seine Jungen zu euch kommen, wenn ihr (im Kultus) die Goye streicht."Der Alledjenu sagte zu dem König weiter: "Also meine Kinder mögen im Bori tanzen. Aber jedes meiner Kinder soll, wie ich selbst, mit einer Lanze (Maschi) gehen. Jeder, der mir den Tanz (zur Ehre) tanzen will, muß einen Speer in den Händen haben."
Wenn seitdem der Alledjenu Gogobirri einen Menschen befällt, läuft der mit einem Maschi, einem Speer in der Hand, zu einer Kuka; an der Kuka führt er einen (pantomimischen) Tanz auf, und verzehrt von den Blättern des Baobab-Baumes.
Als der König der Gobirawa, Bauwa Dan Goinki starb, stürzte die große Kuka des Alledjenu Gogobirri, die bis dahin immer stehend auf dem Felsen umhergewandert war, um. Sie lag nun da. Sie ist aber nicht tot. Sie wandert heute noch mit allen Blättern (also frisch belaubt) auf der Felsplatte umher. Sie geht aber nicht mehr stehend, sondern sie geht seit dem Tode des Königs liegend.
24 Atlantis VII. Band 369