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INHALT
VORWORT (DAS FABELHAFTE) . 1
1. Tierfabeln
i. Der Schakal und die Lerche 5
2. Der Schakal und die Wildsau 7
3. Der Schakal und der Löwe 11
4. Der Schakal und der Igel 13
5. Der Schakal und das Rebhuhn 16
6. Der überschlaue Schakal 19
7. Der Schakal und der Bauer 24
8. Der prahlende Schakal 26
9. Die drei Wünsche des Schakals 27
10. Der Schakal und das Huhn 29
11. Der Schakal und der Löwe 31
12. Die Schönheit des Rebhuhns 33
13. Der Igel und der Eber 33
14. Löwe und Mensch 35
15. Die Tiere als Hirten 37
16. Das Rotkehlchen (Echtheit bezweifelt) 43
17. Der Schakal und die Lämmer (Echtheit bezweifelt) 43
II. Schlichte Märchen
18. Der widerspenstige Widder (Kettenerzählung) 47
19. Die Teriel und die Fliege (Kettenerzählung) 49
20. Braerosch, der Hirt (Kettenerzählung) 50
21. Die Mädchen bei der geizigen Katze 52
22. Das Mädchen im Holzblock 54
23. Sohn Erbse 70
24. Die hilfreichen Tiere 72
25. Hemmed L'ashascheschi der Fünfzigtöter 76
26. Der Fischer und der Affe 86
27. Der andere Fischer und der Affe 98
28. Der große Bruder und der kleine Bruder 102
29. Wettverwandeln 109
30. Die abgeschlagene Hand 118
31. Das stumme Mädchen 122
32. Der dankbare Löwe (Auszug) 124
33. Rova (Variante der Wandergenossenschaft) 126
34. Die Prinzessin und die sieben Brüder 129
35. Die Tochter und die Negerin 133
36. Die Stiefkinder 137
37. Mahasuk, der Älteste der 100 143
38. Die Zaubererbse . 148
39. Die ausgesetzten Geschwister 155
40. Die goldhaarigen Kinder (schlecht erzählt) 164
III. Bunte Erzählungen
41. Der dankbare Freigekaufte 171
42. Der mißachtete Kabylensohn 188
43. Der gestohlene Halsschmuck 198
44. Der Traum des Prinzen 202
45. Der verkappte Agelith 208
46. Der Unscheinbare 221
47. Die Stiefmutter 237
48. Hassan 246
49. Der verstorbene Sohn (Auszug) 262
50. Die Fischjungfrau 265
51. Die einhundertundeinmal Schöne 271
52. Lachia und Delesim 277
53. Der starke Jäger 294
54. Die kostbaren Eier 327
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN 354
DRUCK DER SPAMERSCHEN BUCHDRUCKEREI IN LEIPZIG


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VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

III. BAND

DAS FABELHAFTE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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EIN BAND ZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN

FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN. COPYRIGHT 1921 BY

EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA



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Das Fabelhafte

Nachdem im ersten Bande der große Gehalt an Mythen und die feinere Dichtung der Lebensweisheit, im zweiten Bande dann die an dichterischen Spielformen so auffallend reiche und doch an Wesenstypen wieder sehr begrenzte Welt der Ungeheuer abgespiegelt wurde, bleibt es dem dritten Bande vorbehalten, die eigentlichen "Fabeln" und "Märchen" der Kabylen unter einem andern Gesichtspunkte zusammenzufassen.

Im vorliegenden Bande habe ich mich bemüht, die Stoffe so zu gliedern, daß die eigentliche , , Stilverwandtschaft" hervortritt.

Die westliche Kulturwelt (Europa, Westasien, Afrika) bietet, abgesehen von den eigentlichen Mythen und von den mystischen Dichtungen und Sagen, dreierlei verschiedene Märchentypen. Die primitive ist die Tierfabel, die ja im Reinecke Fuchs auch bei uns noch lebendig ist, die aber in vorherrschender und die Dichtungen überhaupt charakterisierender Form im Westen nur den Afrikanern und zwar den dunkelfarbigen eigen ist, in ihrem Überwiegen dem Norden zu aber abnimmt. Liegt hier eine klare erkennbare Linie südnördlicher Tendenz vor, so zeigen die Märchen selbst eine solche westöstlicher. Die Märchen der westlichen Welt sind schlicht, einfach, ungezwungen. Ihre Schönheit ist im nördlichen Europa die reinste; ihre Einfachheit aber auch in Afrika und zwar zumal im westlichen eine selbstverständliche. Diesen schlichten Formen des Westens stehen die bunten des Ostens gegenüber, die am deutlichsten in der Sammlung Tausendundeiner Nacht ihre an maurisches Arabeskenwerk erinnernde Verschlingungen zeigen, die aber in ihrem Übergreifen nach Westen nicht nur den Pentamerone zeitigten. Das östliche Märchen ist komponiert und schmuckreich. Als nordische Dichter begannen, kunstreiche Märchen zu schaffen, verfielen sie unwillkürlich in Formen, die den östlichen nachkommen, und zwar nicht nur deshalb, weil die orientalischen Märchen damals ein großes Einflußgebiet schon erobert hatten, sondern deshalb, weil eben an die Stelle der selbstverständlichen Märchen und ihrer traditionellen Wesenheit, die "Kunst, Märchen zu erzählen", getreten war.

Die Frage ist nun, auf welchen Punkten dieser Entwicklungslinien die kabylischen Märchen und Fabeln ihr Heimatrecht haben.

Die kabylischen Tierfabeln (Teil 1) zeigen eine echt afrikanische Klarheit. Der Fabelheld ist aber, wie bei allen Nordafrikanern und den Völkern der Südspitze (auf deren kulturelle Beziehung zu den



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"Berbern" ich schon Bd. 1 S. 8 hinwies)* der Schakal, während bei den farbigen Afrikanern Mittelafrikas andere Tiere, im Osten und Süden der Hase den Reinicke repräsentiert. Der Schakal ist physiognomisch entschieden als Bruder unseres Reinecke Fuchs anzusehen; der Hase ist aber als Fabelheld weit nach Osten hin bis zu den Mongolen usw. heimisch. — Nach dieser Probe steht die kabylische Fabel also der europäisch-deutschen näher als der mittelafrikanischasiatischen.

Die eigentlichen Märchen habe ich in zwei Gruppen zusammengefaßt und den Gegensatz okzidentaler Schlichtheit und orientalisch bunten Arabeskenreichtums damit zum Ausdruck gebracht. Natürlich ist die Trennung nur eine äußere, denn innerlich gehen die For-. men ineinander über. — An der Spitze der "schlichten Märchen" marschieren die Kettenerzählungen, dann folgen so einfach natürliche Bildungen, daß sie auch aus dem nordwestlichen Europa stammen könnten. Auch mancherlei, zumal dem Norden angehörige Stoffe, die an den gestiefelten Kater, an den großen und kleinen Klaus, an Däumeling, an den tapferen Schneider (hier ein Holzhacker) erinnern, bestätigen diesen Eindruck verwandter Wesensart.

Am andern Ende dagegen fallen Stoffe wie Alladins Wunderlampe, der singende Vogel usw. auf, die Kunstfertigkeit der Verschlingungen wächst und Märchen wie Nr. 141 und 142 sind ganze Gewebe fein verbundenen Fadenwerkes. Bemerkenswert ist hier auch jene ritterliche Erscheinung, die als "Fans" in vielen Märchen östlicher primitiver Dichtkunst zumal im nächsten Bande (Kordofan) noch deutlicher hervortritt und die der vornehmen Gesinnung der vornehmen Wüstensöhne und Wüstenfürsten entspricht. Aber trotzdem zeigt sich in allem ein Hinneigen zur Schlichtheit auch in der Behandlung solcher Stoffe. Der Prunk des Hofes Arun al Raschids hat hier keinen wesentlichen Einfluß gewonnen und die Konstruktion des Dichtwerkes wird nicht durchaus durch eine übermäßige und schwülstige Ausschmückung, durch magische Wände und wunderbare Übermäßigkeiten ersetzt.

Der grundlegenden Eigenart nach ist die kabylische Volksdichtung mehr okzidental als oriental. 

* Eine Karte des Vorherrschens der verschiedenen Fabelhelden werde ich im letzten Bande geben.


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ERSTER TEIL TIER-FABELN



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1. Der Schakal und die Lerche*

Der Schakal lief einmal umher und erblickte auf einem Baume das Nest (la'asch) einer Lerche (aküba). In dem Neste saß die Lerche und unter ihr ihre sieben Jungen, die den Kopf herausstreckten. Der Schakal rief die Lerche an und sagte: "Wirf mir eins von deinen Jungen herab, oder ich komme herauf, und fresse euch alle." Die Lerche ward von großer Furcht befallen und warf ein Junges herab. Der Schakal fing das Junge auf, fraß es auf und lief von dannen.

Am andern Tage kam der Schakal wieder zu dem Nest der Lerche. Er forderte wieder ein Junges und erhielt es. So kam er jeden Tag zurück, sechs Tage lang, so daß am siebenten Tage früh die Lerche von ihren sieben Jungen nur noch eines hatte.

Am siebenten Tage früh saß die Lerche traurig über ihrem letzten Jungen und weinte. Der Fuchs (aküabe -in der Kabylie sehr häufig) kam vorüber und sah die Lerche weinen. Der Fuchs blieb stehen und fragte: "Weshalb weinst du denn?" Die Lerche sagte: "Alle Tage kommt der Schakal vorbei und droht mir, auf meinen Baum zu kommen und uns alle zu verschlingen, wenn ich ihm nicht ein Junges herunterwerfe. So habe ich ihm schon sechs von meinen Jungen herunterwerfen müssen, und heute kommt er sicher zurück und fordert mein siebentes und letztes Junges." Der Fuchs sagte: "Habe doch keine Furcht, der Schakal kann ebensowenig auf Bäume steigen wie ich. Also schlage ihm seine Forderung ab und er wird nicht imstande sein, dir etwas anzuhaben." Damit lief der Fuchs weiter.

Nach einiger Zeit kam der Schakal, blieb an dem Baume stehen und rief zur Lerche hinauf: "Wirf mir dein letztes Junges herab, oder ich komme herauf und hole nicht nur dein Junges, sondern auch dich herunter!" Die Lerche sagte: "So komm nur herauf und hole dir selbst mein Junges und mich!" Der Schakal sagte: "Das werde ich nun allerdings tun." Der Schakal versuchte erst, am Baume emporzuspringen. Das gelang ihm aber nicht. Darauf ging er hin und riß sich Strohhalme ab. Er machte sich einen Kletterring (tier-kabin), das sind die Ringe aus Schnur, die die Kabylen um Baum und Lenden schlingen, so daß sie, mit den Füßen am Baume stehend, sich rückwärts lehnend mit dem Rücken gegen den Ring 

• Die ersten vier Schakalfabeln wurden in einem Zusammenhange hintereinander erzählt.


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stützen können, aus Strohhalmen. Er wollte nun emporsteigen, aber die Strohhalme rissen und er fiel wieder hin.

Die Lerche fürchtete sich aber und weinte. Es kam aber gerade ein Adler geflogen. Der Adler (l'wess) sah die Lerche weinen und fragte: "Was weinst du?" Die Lerche sagte: "Der Schakal hat mir schon sechs von meinen sieben Jungen abgefordert und sie gefressen. Nun will er mir auch mein siebentes und letztes rauben. Er will den Baum heraufklettern." Der Adler sagte: "Weine nicht, Lerche, ich will dich von dem Schakal befreien."

Der Adler stieß aus der Luft herab und auf den Schakal. Er packte den Schakal mit seinen Krallen und trug ihn hinauf in die Luft. Der Adler stieg mit dem Schakal hoch hinauf zu den Wolken und fragte ihn: "Schakal, wie siehst du jetzt die Natur (dünith) ?" Der Schakal blickte ängstlich hinab und sagte: "Ich sehe die Natur ganz rot." Der Adler sagte: "Das sind die roten Kälber, die du sonst tötest und verspeist."

Der Adler stieg mit dem Schakal in den Krallen noch viel höher hinauf und fragte ihn dann: "Schakal, wie siehst du jetzt die Natur?' Der Schakal blickte noch ängstlicher herunter und sagte: "Ich sehe die Natur ganz weiß." Der Adler sagte: "Das sind die weißen Lämmer ([i]thimr), die du sonst tötest und verspeist!"

Der Adler stieg mit dem Schakal in den Krallen noch viel höher hinauf und fragte ihn dann: "Schakal, wie siehst du jetzt die Natur?' Dem Schakal war vor Angst ganz schwarz vor den Augen. Er konnte, als er die Augen öffnete, nicht mehr sehen. Er sagte: "Ich sehe die Natur ganz schwarz." Der Adler sagte: "Das sind die schwarzen Ziegen (ichesen), die du sonst tötest und verschlingst!"

Der Adler stieg mit dem Schakal in den Krallen noch viel höher hinauf und fragte ihn dann: "Schakal, wie siehst du jetzt die Natur ?" Der Schakal wagte aber vor Angst nicht mehr die Augen zu öffnen. Er sagte: "Ich sehe nichts mehr." Der Adler sagte: "Dann ist alles in Ordnung." Damit ließ der Adler ihn aus seinen Krallen. Der Schakal stürzte zur Erde hinab.

Der Schakal stürzte herab. Der Schakal starb fast vor Angst. In seiner Angst schrie der Schakal: "Sidi Abdel Kader Djilali (ein großer Heiliger), in einen See oder auf einen Strohhaufen! In einen See oder auf einen Strohhaufen! In einen See oder auf einen Strohhaufen!" Der Schakal fiel in einen See.

Der Schakal lag im See. Er versuchte zu springen. Er fand aber keinen Boden unter seinen Füßen. Der Schakal war daran, zu ertrinken.



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Der Schakal rief in seiner Angst: "Sidi Abdel Kader Djilali, ich will dir ein Maß Korn schenken, wenn ich nicht ertrinke, sondern Boden unter meinen Füßen bekomme." Der Schakal sank noch ein wenig; dann kamen seine Füße auf den Grund. Er konnte ein wenig weiter kriechen. Der Schakal kam mit dem Kopf wieder hoch. Der Schakal lief an das Ufer, schüttelte sich und sagte: "Jetzt gebe ich nichts mehr, mein Sidi Abdel Kader Djilali." Der Schakal lief von dannen.


2. Der Schakal und die Wildsau

Der Schakal lief ein wenig weiter, nahm ein Sieb in die Hand und hielt es unter das Gesicht. Dazu murmelte er wie lesend (solches Gepappel der koranlesenden Schüler heißt: itsergigi) vor sich hin. So saß er eine ganze Weile, da kam die Wildsau (thiltht - Eber - ileph) vorbei. Die Wildsau sah den Schakal über das Sieb gebeugt sitzen und rief ihm zu: "Was machst du da, mein Vetter (am'mi) Schakal?" Der Schakal sagte: "Geh weiter und störe nicht meine Andacht. Siehst du nicht, daß ich studiere ?" Der Schakal beugte sich wieder über das Sieb und murmelte weiter wie betend vor sich hin.

Die Wildsau sah eine Weile zu, dann kam sie leise näher und sagte ehrerbietig: "Entschuldige, ich sehe du liest. Du bist also jetzt ein gelehrter Mann (themuthniu, ein Weiser, ein Mann, der im Lesen und Lehren bewandert ist) geworden. Ich habe zu Hause sieben Kinder, die etwas Rechtes lernen sollen. Würdest du so freundlich sein, sie das Lesen zu lehren ?" Der Schakal sah von seinem Sieb auf und sagte: "Ich will es tun; Kinder zu belehren ist mein Beruf." Die Wildsau sagte: "Wie lange werden sie nötig haben, um das Lesen zu lernen?' Der Schakal sagte: "Wenn es kluge, größere Kinder sind, sind sie in einer Woche fertig." Die Wildsau sagte: "Ich werde die Kinder holen und dir bringen. Wo werde ich dich treffen?" Der Schakal sagte: "Bringe sie nur hierher." Die Wildsau lief fort.

Die Wildsau kam wieder und hinter ihr her kamen ihre sieben Kinder. Die Wildsau sagte: "Hier sind meine sieben Kinder. Belehre sie. Wann kann ich wieder zurückkommen?" Der Schakal sagte: "Wie ich dir schon sagte, komm in acht Tagen wieder. Wenn sie klug sind, haben sie dann schon das Ende gelernt. Dann wirst du sie verändert wiederfinden." Die Wildsau ging.



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Der Schakal nahm die sieben jungen Wildschweine mit sich In sein Haus. Daheim angekommen, sperrte er sechs der kleinen Wildschweine in einen Stall. Eines aber tötete und schlachtete er. Er bereitete es zu und aß es zur Hälfte zur Mittagszeit, zur andern Hälfte abends. Dann legte er sich gesättigt schlafen.

Der Schakal tötete jeden Tag eines der Kinder der Wildsau und bereitete sich so aus jedem eine Mittagsmahlzeit und eine Abendmahlzeit. Die Häute pflöckte er ausgespannt auf dem Hofe fest. Es kamen eine Unmenge Fliegen, die flogen auf den frischen Fellen umher und summten: "bwww! bwww! bwww!", so daß ein großes Geräusch im Hause entstand.

Am achten Tage hatte der Schakal alle sieben Jungen der Wildsau getötet und verspeist, ihre Häute aber auf dem Hofe seines Hauses ausgebreitet. Am achten Tage kam die Wildsau. Der Schakal kam ihr entgegen und begrüßte sie. Er sagte: "Guten Tag, meine Mutter!" Die Wildsau sagte: "Kann ich meine Kinder sehen und mit nach Hause nehmen ?" Der Schakal sagte: "Deine Kinder lernen eifrig. Störe sie nicht. Sie sind nicht so klug, wie ich dachte. Äußerlich sind sie schön wie ihre Mutter. Im Kopfe müssen sie aber mehr dem Vater ähnlich sein. Dein Mann ist wohl nicht so klug wie du ?" Die Wildsau sagte: "Nein, mein Mann ist in der Tat nicht sehr klug. Lesen und schreiben würde er nie lernen." Der Schakal sagte: "Nun, ganz so schlimm ist es mit den Kindern nicht. Sie haben ja dich zur Mutter. Rühmen muß ich, daß sie sehr fleißig sind. Möchtest du sie einmal hören?" Die Wildsau sagte: "Ja, mein Vetter, das möchte ich sehr gerne." Der Schakal sagte: "So komm mit mir und lege dein Ohr an die Tür meines Hauses. Du wirst sie lesen und lernen hören." Die Wildsau ging an die Haustür und horchte. Sie hörte die Fliegen, die auf den Fellen ihrer Kinder summten, brummen. Die Fliegen machten immer: "bwww! bwww! bwww!" Der Schakal sagte: "Nicht wahr, deine Kinder sind doch fleißig?" Die Wildsau sagte (gerührt): "In der Tat, sie sind sehr fleißig." Der Schakal sagte: "Ich gedenke ihnen etwas Ordentliches beizubringen." Die Wildsau sagte: "Oh, wie freue ich mich. Nun sage mir, Vetter, wann kann ich denn wiederkommen?" Der Schakal sagte: "Komm in acht Tagen wieder; dann werden sie schon artig fortgeschritten sein." Die Wildsau ging.

Sobald die Wildsau gegangen war, begann der Schakal sogleich, sich noch einen neuen Ausgang seines Hauses und zwar auf der entgegengesetzten Seite zu bauen, um so leichter fliehen zu können.



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Die Wildsau sehnte sich nach ihren Kindern. Sie wartete mit ihrem Besuche nicht acht Tage. Sie kam nach zwei Tagen wieder. Sie klopfte an die Türe des Hauses. Es öffnete niemand. Die Wildsau klopfte und schrie: "Macht auf, ich bin die Wildsau und will meine Kinder besuchen." Als der Schakal das hörte, sprang er zur Türe an der andern Seite des Hauses heraus.

Die Wildsau schrie noch mehr: "Macht auf, ich will meine Kinder besuchen!" Es kam niemand. Die Wildsau horchte und hörte das: "bwww! bwww! bwww!" Die Wildsau sagte: "Das sind nicht meine Kinder, die würden kommen und mir die Tür öffnen." Die Wildsau rannte mit aller Wucht gegen die Tür. Sie zerbrach die Tür. Sie rannte in das Haus und auf den Hof. Auf dem Hof sah sie die ausgebreiteten Felle ihrer Kinder, über denen die Fliegen hinsummten. Da erkannte sie, wie der Schakal sie betrogen hatte. Sie lief wütend über den Hof. Sie fand den zweiten Ausgang, durch den der Schakal weggesprungen war. Sie stürzte durch den Ausgang hinter dem Schakal her.

Der Schakal lief, so schnell er konnte. Die Wildsau lief hinter ihm her. Der Schakal war schnell, aber die wütende Wildsau war noch schneller. Die Wildsau kam dem Schakal immer näher. Der Schakal merkte, daß er nicht mehr weit laufen konnte. Da sprang er in ein Loch, das am Wege war. Die Wildsau kam fast gleichzeitig mit dem Schakal am Loch an. Sie schnappte schnell zu. Sie packte den Schakal am Hinterfuß.

Der Schakal fühlte, daß die Wildsau ihn am Hinterfuß gepackt hatte und an ihm zog. Der Schakal rief: "Weshalb ziehst du denn so an der Wurzel (asar)? Du denkst wohl, du hast meinen Fuß? Der ist daneben." Die Wildsau ließ los und schnappte daneben Der Schakal konnte woh den Fuß, nicht aber den Schwanz schnell genug zurückziehen. Die Wildsau packte den Schakal am Schwanz. Der Schakal schrie: "Weshalb ziehst du denn so an der Wurzel? Du glaubst wohl, das sei mein Schwanz ?" Die Wildsau sagte (zwischen den Zähnen): "Ja, das glaube ich!' Die Wildsau zog und zog am Schwanz; sie riß dem Schakal den Schwanz aus. Der Schakal aber lief, nun freigelassen, erst in das Innere des Loches und nachher auf der anderen Seite glücklich von dannen. Die Wildsau rief hinter ihm her: "Für heute bist du mir zwar entronnen. Ich habe dich aber gemarkt (dewark) und werde dich am Zeichen des fehlenden Schwanzes immer wieder unter deinesgleichen herausfinden."

Dann ging die Wildsau überall hin und sagte zu allen ihren Freunden



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und Verwandten: "Ein Schakal hat mir meine Jungen geraubt, getötet und gefressen. Wann und wo ihr ihn findet, tötet ihn oder sagt es mir. Ihr könnt ihn leicht erkennen, ich habe ihm den Schwanz ausgerissen."

Der Schakal hörte, daß nun alle Leute den Schakal ohne Schwanz suchten. Der Schakal sagte: "Wir wollen sehen, ob sie mich von meinen Stammesgenossen unterscheiden können." Der Schakal lief zu einem großen Feigenbaum, der nahe dem Hause eines Bauern stand und zu dessen Farm gehörte. Der Schakal lud alle andern Schakale zum Genuß der Feigen ein, die er ihnen herunterwerfen wolle. (Nach einer anderen Version pflanzte er die Feigen am Morgen, und am Abend ist der Baum schon hoch und mit Früchten bedeckt. Dies ist offenbar keine Fabelphrase, sondern ein Märchenmotiv.) Alle Schakale kamen unter dem Feigenbaum zusammen. Der Schakal sagte: "Ich werde jetzt hinaufsteigen und schütteln." Die anderen Schakale sagten: "Wir wollen auch hinaufsteigen und pflücken." Der Schakal sagte: "So geht es nicht, meine Brüder; die Aste würden brechen und es würde Streit entstehen um die besten Plätze. Der Bauer würde es hören und uns verjagen, ehe wir noch recht zum Genuß gekommen wären. Es ist viel richtiger, ich binde euch alle mit den Schwänzen an den Stamm. Dann hat jeder vor sich einen freien Platz, auf dem er die Feigen, die ich herabschüttle, auflesen kann. Jeder hat dann seine eigenen Feigen und jeder Streit wird vermieden." Die anderen Schakale waren einverstanden. Der Schakal band nun jeden seiner Brüder mit einem Strick fest an den Stamm

Dann stieg der Schakal auf den Feigenbaum hinauf und schüttelte Die Schakale sprangen sogleich auf die herabfallenden Feigen zu. Der Schakal aber schrie von oben: "Bauer, Bauer, komm schnell, die Schakale sind alle versammelt und fressen deine Feigen." Der Bauer kam mit einem Stock aus dem Hause. Der Bauer kam auf den Feigenbaum zu. Die Schakale zogen an den Stricken: so stark sie konnten; sie kamen nicht frei. Der Bauer kam mit einem Stock ganz dicht heran; er hob ihn, um auf die Schakale loszuschlagen. Da rissen die Schakale in ihrer Angst sich selbst die Schwänze ab, so daß die Schwänze am Baume festgebunden blieben, die Schakale aber nach allen Richtungen von dannen liefen. Als der Schakal auf dem Baume das sah, schrie er vor Freude und rief: "So, jetzt soll die Wildsau mich einmal aus unserer Mitte heraus erkennen!" Damit sprang er vom Baume und von dannen.



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Die Wildsau versammelte nun alle Schakale um sich. Sie sah, sie waren alle ohne Schwänze. Die Wildsau sagte: "Ich will doch den richtigen herausfinden, oder sie alle miteinander töten." Sie setzte den Schakalen nun in ihrem Garten ein Gericht Pfeffer (lii fil) vor und sagte bei sich: "Wer mir das Unheil zufügte, der wird zuerst ,ah' stöhnen." (Alter Zauberglaube.) Die Schakale fraßen alle von dem Pfeffer und nur der schuldige Schakal ließ den zum Munde geführten Pfeffer heimlich wieder zu Boden fallen. Nachdem die Schakale den Pfeffer gefressen hatten, sagten sie alle gemeinsam und gleichzeitig: "Ah!" Die Wildsau sagte: "Gut denn, kommt und macht die Probe mit dem Wasser." Die Wildsau führte alle Schakale an das Wasser und ließ sie saufen. Alle Schakale, die von dem Pfeffer gefressen hatten, tranken, bis sie tot hinfielen. Der schuldige Schakal aber, der die Ochsenspeise nur zum Munde und dann zur Erde hatte fallen lassen, trank nur wenig. Als alle andern Schakale tot hingefallen waren, sprang er auf, an der Wildsau vorbei, und rief aus der Ferne: "Dein Vetter ist hier."


3. Der Schakal und der Löwe

Der Schakal nahm nun eine Kuhhaut und begab sich auf einen Hügel, auf dem er von allen Seiten aus gesehen werden konnte. Dort zerschnitt er die Haut und machte sich ein paar Sandalen (eschifar-e-). Mit den Sandalen ging er dann wieder auf dem Hügel hin und her, so daß alle Welt ihn sehen konnte.

Der Löwe (isum) kam an dem Hügel vorüber. Er sah den Schakal. Er sah die schönen Sandalen und sagte: "Schakal, kannst du mir nicht auch so schöne Sandalen machen?" Der Schakal sagte: "Das will ich wohl sehr gerne tun. Aber die Haut, aus der ich meine Sandalen gemacht habe, ist trocken geworden, und ich kann aus ihr nichts mehr machen. Bringe mir aber eine fette Kuh hierher. Ich will sie dann töten und dir ein schönes Paar Sandalen aus der Haut machen. Je fetter die Kuh und je frischer die Haut, desto besser hält die Sandale."

Der Löwe brachte eine fette und schöne Kuh herbei. Der Schakal sagte: "Diese ist sehr gut. Wir wollen sie nun häuten. Aus dem Fleisch können wir uns einige gute Gerichte machen." Der Löwe tötete die Kuh. Der Schakal zog ihr dann die Haut ab. Der Schakal schnitt die Sandalen zurecht und sagte dann: "Nun fehlen mir nur



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noch Schnur und Nadel. Willst du mir Schnur und Nadel besorgen?" Der Löwe sagte: "Das sollst du sogleich haben." Der Löwe sprang fort, holte Nadel und Faden und gab beides dem Schakal.

Der Schakal sagte zum Löwen: "Nun lege dich hin und strecke die Füße von dir. Ich will dir nun Maß nehmen und die Sandalen festmachen." Der Löwe legte sich hin und streckte die Füße von sich. Der Schakal stach den Löwen einmal versuchsweise in den Fuß und sagte: , Nicht wahr, das ist nicht schlimm? Das kannst du schon sicher gut vertragen. Auf die Weise kann ich die Sandalen fester machen." Dann begann der Schakal die Sandalen auf die Sohlen des Löwen fest aufzunähen. Der Löwe stöhnte vor Schmerz. Der Schakal sagte: "Laß nur! Wenn es jetzt auch ein wenig schmerzt, so wird es nachher für dich desto schöner und angenehmer sein und nicht jeder Dorn wird dich belästigen!"

Nachdem der Schakal die Sandalen auf die Sohlen des Löwen festgenäht hatte, sagte er: "So, nun ist alles in bester Ordnung. Nun begib dich dort in die Sonne, lege dich auf den Rücken und halte die Sohlen nach oben. Dann werden die Sandalen schön trocken werden und der Schmerz wird bald nachlassen." Der Löwe wollte aufstehen. Aber als er auf die Fußsohle trat, mußte er vor Schmerzen schreien. Er schnappte voller Wut nach dem Schakal. Der Schakal aber rief: "Was, bin ich nicht dein Vetter?" Der Schakal nahm das Fleisch der Kuh auf und lief fort.

Der Löwe hielt in seinen Schmerzen die Füße in die Sonne. Er hoffte, es würde besser werden. Die frische Haut zog sich aber zusammen und der Schmerz wurde noch größer.

Nach einiger Zeit kamen zwei Rebhühner (thäthkurt) vorbei. Die zwei Rebhühner fragten: "Was hast du, Vetter Löwe?" Der Löwe sagte: "Kommt heran und seht, was für einen Streich mir der Schakal gespielt hat." Die zwei Rebhühner kamen ein wenig näher. Sie sahen aus der (angemessenen) Entfernung hin und sagten: "Was ist das?" Der Löwe sagte: "Der Schakal hat mir Schuhe an die Füße genäht. Ich bin ganz krank. Könnt ihr das wieder heilen?" Die beiden Rebhühner sagten: "Schwöre uns, daß du uns heute und auch später nichts antun und uns nicht fressen willst. Dann wollen wir dich wohl heilen." Der Löwe schwor: "Ich will nie wieder einem Rebhuhn etwas tun. Ich will nie wieder ein Rebhuhn fressen."

Die Rebhühner kamen heran. Sie gingen zur Quelle und trugen im Schnabel und auf den Flügeln Wasser herbei. Das Wasser tropften sie auf die wunden Füße des Löwen. Als die in der Sonne eingezogenen



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Wunden etwas gelöst waren, zogen sie mit den Schnäbeln die Schnüre heraus. Dann rieten sie dem Löwen, sich aus der Sonne in den Schatten zu legen. Der Löwe erhob sich. Er brüllte vor Schmerz. Er schnappte mit dem Maule nach den zwei Rebhühnern und sagte: "Wenn ich es nicht abgeschworen hätte, würde ich euch jetzt verschlingen." Die Rebhühner flogen nun (mit lautem Geräusch) von dannen. Das laute Surren erschreckte den Löwen. Er sagte: "Fast hätte ich meinen Schwur verletzt. In Zukunft wird das Surren der Rebhühner mich erschrecken."

Und so erschrickt der Löwe heute immer, wenn neben ihm ein Rebhuhn auffliegt.


4. Der Schakal und der Igel

Eines Tages traf der Schakal den Igel (imüsi oder immissi).Der Schakal sagte zum Igel: "Mein Igel, wir wollen zusammen arbeiten. Wir wollen zusammen ein Bohnenfeld bestellen." Der Igel war damit einverstanden. Der Schakal und der Igel bestellten zusammen ein Feld mit Bohnen. Im Sommer wuchsen die Bohnen. Im Herbst war eine ausgezeichnete Bohnenernte reif.

Der Schakal und der Igel begannen zu arbeiten. Während der Arbeit stießen sie auf einen Topf Butter (usir) und einen Topf Honig (thamend). Sie sagten: "Den Topf wollen wir jetzt beiseite stellen. Wenn wir heute abend mit der Arbeit fertig sein werden, nehmen wir ihn mit nach Hause und teilen den Inhalt." Sie stellten die beiden Töpfe beiseite und gingen gemeinsam der Arbeit nach. Weitergehend, blieb der Schakal von Zeit zu Zeit stehen und blickte sich um. Der Igel sagte: "Was hast du? Was blickst du dich immer um ?" Der Schakal sagte: "Bei mir zu Hause ist ein neugeborenes Kind. Ich soll nach Hause kommen und ihm einen Namen geben." Der Igel sagte: "So kehre doch um, geh nach Hause, gib dem Kinde einen Namen und kehre zurück." Der Schakal kehrte um. Der Igel ging weiter.

Der Schakal ging nicht nach Hause. Er ging dahin, wo sie die zwei Töpfe mit Butter und Honig hingestellt hatten. Er nahm sie hervor. Er fraß die Butter auf, bis nur noch ganz wenig im Topf war. Er fraß den Honig auf, bis nur noch ganz wenig im Topf war. Er nahm die Butter erst heraus, füllte den Topf bis oben mit Erde und strich den Butterrest darüber. Er nahm den Honig heraus,



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füllte den Topf bis oben hin mit Erde und strich den Honig noch darüber. Dann kam er zum Igel zurück.

Als der Igel ihn wiederkommen sah, fragte er den Schakal: "Welchen Namen hast du dem Kinde gegeben ?" Der Schakal sagte: "Ich gab ihm den Namen Belghá (d. h. ,bis auf den Boden')."

Der Schakal und der Igel arbeiteten den Tag über, und am Abend hatten sie alles abgeerntet. Der Schakal sagte am Abend: "Wir wollen die beiden Töpfe mit Honig und Butter stehen lassen, bis wir mit der ganzen Erntearbeit fertig sind. Heute wollen wir die Ernte hereintragen und morgen wollen wir sie dreschen. Bist du damit einverstanden?" Der Igel sagte: "Ja, ich bin einverstanden." Der Schakal sagte: "Dann soll einer die Arbeit des Heimtragens besorgen, der andere kann dann die Arbeit des Dreschens (ätherüith) verrichten. Willst du mit der Arbeit des Heimtragens beginnen ?" Der Igel war einverstanden. Der Igel trug die ganze Ernte heim.

Am andern Tage sollte die Arbeit des Dreschens verrichtet werden. Der Schakal sagte zum Igel: "Nach dem Dreschen muß einer mit der Gabel das Stroh hochwerfen, so daß die Körner herausfallen. Für diese Arbeit bist du zu klein, deshalb wird es besser sein, ich übernehme sie und du übernimmst die Arbeit des Dreschens, die du ebenso gut verrichten kannst wie ich. Bist du hiermit einverstanden." Der Igel sagte: "Ich bin einverstanden." Der Igel drosch an dem Tage das ganze Korn.

Am andern Tage sollte das Hochwerfen des Strohes mit der Gabel ausgeführt werden. Der Schakal sagte zum Igel: "Heute muß nun das Stroh mit der Gabel hochgeworfen werden, damit die Körner herausfallen. Es muß aber auch gleich für Maulesel gesorgt werden, die die Körner in die Mühle tragen. Da du nun in dieser Gegend wenig bekannt bist, während ich hier viele Freunde habe, die mir gern zu Gefallen sind, so wirf du mit der Gabel das Stroh hoch, so daß die Körner herausfallen, während ich in der Nachbarschaft herumgehe und mich nach ein paar Tragtieren umschaue. Bist du damit einverstanden?" Der Igel sagte: "Ich bin damit einverstanden." Der Igel warf dann mit der Gabel alles Stroh hoch, so daß die Körner herausfielen.

Der Schakal sagte am andern Tage: "Du hast die Arbeit des Hochwerfens des Strohes sehr gut gemacht. Nun wollen wir die Ernte teilen. Einer soll das Stroh nehmen und einer die Körner. Ich mache dir den Vorschlag, daß du das Stroh nimmst. Bist du damit einverstanden ?" Der Igel wurde böse und sagte: "Ich habe den ganzen



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Sommer gearbeitet, während du nichts getan hast; ich habe die Ernte heimgetragen, ich habe gedroschen, ich habe das Stroh hoch-. geworfen, während dieser Zeit hast du nichts getan. Und nun verlangst du von mir auch noch, daß ich mit dem Stroh mich abfinden soll ?" Der Schakal sagte: "Komm, wir wollen die Brüder fragen."

Der Schakal und der Igel gingen zu den Brüdern und legten denen die Frage vor. Die Brüder sagten: "Veranstaltet einen Wettlauf (t'hesila). Fangt dort hinten an. Wer zuerst an dem Haufen der Körner ankommt, soll die Körner erhalten. Wer zu zweit ankommt, muß mit dem Stroh zufrieden sein." Der Igel rief heimlich seinen Bruder und sagte zu ihm: "Verstecke du dich hier am Körnerhaufen in der kleinen Grube. Du mußt der erste sein, der bei dem Wettlauf ankommt."

Der Igel ging mit dem Schakal zusammen zu dem Platz, wo der Wettlauf seinen Anfang nehmen konnte. Der Schakal sah auf die kurzen Beine des Igels und sagte: "Ich laufe fünfmal so schnell als du." Der Schakal und der Igel begannen gleichzeitig zu laufen. Der Schakal begann mit langen Sprüngen. Der Igel lief einige Schritte hinterher und ließ sich dann in einen Graben rollen. Der Schakal lief so schnell er konnte. Als er fast an dem Körnerhaufen angekommen war, trat der Bruder des Igels aus der Grube hervor und sagte: "Ich bin schon da!" Da riefen alle Tiere: "Dem Igel gehören die Körner."

Darauf sagte der Igel zu dem Schakal: "Nun komm mit mir. Wir wollen den Topf mit Butter und den Topf mit Honig untersuchen. Wir wollen sehen, wieviel darin ist. Bist du damit einverstanden ?" Der Schakal sagte: "Ich bin damit einverstanden." Der Igel und der Schakal gingen dahin, wo sie den Topf mit Butter und den Topf mit Honig untergestellt hatten.

Der Igel kratzte ein wenig auf der Butter, da kam die Erde zum Vorschein. Der Igel kratzte ein wenig an dem Honig, da kam ebenfalls die Erde zum Vorschein. Der Igel sagte zum Schakal: "Das hast du gemacht." Der Schakal sagte zum Igel: "Nein, das hast du gemacht." Sie einigten sich darauf, daß sie gemeinsam zu einem weisen Manne gehen und diesem die Sache entscheiden lassen wollten.

Der Igel und der Schakal kamen zu dem weisen Manne. Der Ige sagte: "Der Schakal und ich bestellten gemeinsam ein Bohnenfeld. Wir fanden bei der Arbeit einen Topf Butter und einen Topf Honig. Wir stellten beide Töpfe beiseite. Der Schakal ging zurück, um einem Kinde den Namen zu geben. Als er wieder zu mir kam, fragte



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ich ihn, wie er das Kind genannt habe. Er sagte ,Belgha' (bis auf den Boden). Heute wollten wir beide nachsehen, was in den Töpfen ist. Da fand ich, daß sie ganz mit Erde und nur obenauf mit Butter und Honig überstrichen sind. Ich behaupte, der Schakal hat alles gefressen. Der Schakal macht mir den gleichen Vorwurf. Entscheide die Sache."

Der Mann sagte: "Wenn ihr euch heute abend zum Schlafen niederlegt, lege jeder von beiden sich zwei Topfscherben unter. Die Scherben dessen, der den Honig und die Butter fraß, werden morgen früh mit Butter und Honig bedeckt sein." Der Igel und der Schakal gingen. Als sie sich abends zum Schlafen niederlegten, legte sich jeder zwei Topfscherben unter. Dann schliefen sie ein. Gegen Morgen wachte der Schakal auf. Er sah, daß die Topfscherben unter ihm mit Honig und Butter überdeckt waren. Er sah, daß der Igel noch schlief. Er ging hin und vertauschte seine Topfscherben mit denen des Igels. Dann legte er sich wieder nieder.

Als der Igel am Morgen erwachte, sah er, daß die Topfscherben unter ihm mit Honig und Butter bedeckt waren. Da sagte er zum Schakal: "Du hast nachts die Topfscherben vertauscht!" Der Schakal wollte den Igel schlagen. Er traf in die Stacheln und schlug sich die Hand blutig. Der Schakal wollte den Igel beißen. Der Igel steckte seine Stacheln heraus. Der Schakal biß sich das Maul blutig. Dann rollte der Igel sich ganz zusammen und auf den Schakal zu. Er stieß den Schakal auf allen Seiten, und wo er traf, begann der Schakal zu bluten. Der Schakal lief endlich über und über blutend von dannen.

Der Igel behielt die Ernte. Der Schakal schwor, nie wieder mit dem Igel zu streiten.


5. Der Schakal und das Rebhuhn

Der Schakal war mit dem Rebhuhn gut Freund. Eines Tages sagte der Schakal zum Rebhuhn: "Wollen wir wetten, daß ich dich zum Lachen bringe ?" Das Rebhuhn sagte: "Wollen wir wetten, daß ich dich zum Lachen bringe ?" Der Schakal sagte: "Es ist gut. Fange du an." Das Rebhuhn sagte: "So komm mit mir!" Der Schakal folgte dem Rebhuhn.

Das Rebhuhn führte den Schakal an einen Acker, auf dem zwei Leute waren. Der eine der Männer arbeitete, der andere stand daneben.



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Der vom Wuarssen verfolgte Jüngling

verwandelt sich in einen Gärtner (in der Mitte), sein Pferd in eine Landhütte (unten in der Mitte), seine junge Frau in einen Melonengarten (rechts). Vor ihm der Weg (links), auf dem der Wuarssen kommt Originalzeichnung eines Kabylen



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Das Rebhuhn sagte: "Bleib hier stehen." Der Schakal blieb stehen. Das Rebhuhn lief auf den Acker und flatterte dem zusehenden Manne gerade auf den Kopf. Der arbeitende Mann sah es und sagte: "Halt ganz still. Ich will das Rebhuhn von deinem Kopf fangen." Der Mann hielt ganz still. Das Rebhuhn blieb sitzen. Der Mann mit seiner Hacke kam ganz dicht heran. Der Mann schlug mit seiner Hacke nach dem Rebhuhn. Das Rebhuhn flog fort. Der Mann traf mit seiner Hacke den Kopf des Kameraden. Der Kamerad fiel tot hin. Der Schakal lachte.

Das Rebhuhn kam zu dem Schakal zurück und sagte: "Hast du gelacht?" Der Schakal sagte: "Ich habe noch niemals so gelacht." Das Rebhuhn sagte: "Jetzt ist die Reihe an dir, mich zum Lachen zu bringen." Der Schakal und das Rebhuhn gingen zusammen weiter. Sie gingen durch einen Wald. Im Walde war eine Falle (thächfetz) aufgestellt. Es lag da ein Stück Fleisch unter dem Stein. Der Schakal sah das Fleisch. Der Schakal fragte das Rebhuhn: "Was ist das?" Das Rebhuhn sagte: "Das ist ein furchtsames Stück Fleisch." Der Schakal sagte: "Ist es denn gut?" Das Rebhuhn sagte: "Gewiß ist es gut. Willst du es denn essen ?" Der Schakal sagte: "Gewiß möchte ich es essen." Das Rebhuhn sagte: "So lege nur die Hand darauf." Der Schakal legte die Hand darauf. Die Falle schlug zu. Der Schakal war in der Falle gefangen. Das Rebhuhn flog auf einen nahen Baum und lachte.

Das Rebhuhn sagte von dem Baum aus: "Der Fallensteller wird bald kommen, und sich nach seinem Hasen (aüthul) umsehen. Er wird dich dann totschlagen wollen und dir arge Prügel versetzen. Nimm die ersten Schläge hin und stelle dich dann tot." Das Rebhuhn flog fort.

Der Bauer, der die Falle gestellt hatte, kam, um zu sehen, ob er etwas gefangen habe. Er kam an die Falle und sah den Schakal in der Falle. Der Bauer sagte: "Du bist es? Ich dachte, es wäre ein Hase; ein Hase wäre mir lieber gewesen. Warte, ich will dir deinen Lohn geben." Der Bauer begann auf den Schakal einzuschlagen, als er ihm einige starke Schläge versetzt hatte, stellte sich der Schakal tot. Da warf ihn der Bauer beiseite und stellte seine Falle wieder auf. Sowie der Bauer sich abgewendet hatte, sprang der Schakal auf und lief von dannen.

Der Schakal kam wieder zu dem Rebhuhn. Er sagte zum Rebhuhn. "Hast du gelacht?" Das Rebhuhn sagte: "So habe ich in meinem Leben noch nicht gelacht." Das Rebhuhn sagte: "Nun wollen wir



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etwas anderes gemeinsam machen." Der Schakal sagte: "Was schlägst du vor? Was gibt es ?" Das Rebhuhn sagte: "Entweder gibst du mir zuerst so viel zu essen, bis ich voll bin, oder ich gebe dir zuerst so viel zu essen, bis du voll bist." Der Schakal sagte: "Fange du an, gib du mir zuerst!" Das Rebhuhn sagte: "Es ist mir recht."

Der Schakal und das Rebhuhn gingen zusammen. Sie sahen eine Frau auf dem Wege, die trug eine Schüssel mit gutem Kuskus, Fleisch und Zutat zu ihrer Tochter, die eben Mutter geworden war. Das Rebhuhn sagte: "Warte im Graben!" Das Rebhuhn lief mit hängenden Flügeln (als ob es die Flügel gebrochen habe und nicht fliegen könne) über den Weg. Die Frau suchte das Rebhuhn ZU greifen. Das Rebhuhn lief aber schnell ein wenig weiter. Da setzte die Frau das Essen auf den Weg und eilte dem Rebhuhn nach. Das Rebhuhn huschte immer dicht vor ihr durch das Gras.

Mittlerweile stand der gute Kuskus mit dem Fleisch und der Zukost allein auf dem Wege. Der Schakal kam und fraß den guten Kuskus mit dem Fleisch und der Zutat. Die Frau war aber nahe daran, das Rebhuhn zu greifen. Da breitete das Rebhuhn die Flügel aus und flog davon. Die Frau kehrte zum Wege zurück. Als sie die Speisen aufnehmen und weitertragen wollte, rief der Schakal vom Graben her: "Ich habe alles aufgegessen!" Die Frau ging mit dem Korb und den leeren Schüsseln weiter.

Das Rebhuhn kam zurück zum Schakal und fragte: "Hast du gegessen ?" Der Schakal sagte: "Ich habe in meinem Leben noch nicht so gut gegessen. Mein Bauch ist ganz voll." Das Rebhuhn sagte: "Jetzt bist du an der Reihe, mir ein gutes Essen zu besorgen. Am liebsten esse ich Kichererbsen (l'hammas)." Der Schakal sagte: "Die sollst du haben. Es ist gerade die Zeit der Kichererbsensaat."

Am andern Tage gingen der Schakal und das Rebhuhn ihres Weges. Sie sahen einen Bauer, der hatte sein Feld bestellt und hatte einen Sack mit Kichererbsen gebracht. Die wollte er jetzt auf dem Felde säen. Der Bauer nahm aus dem Sack und ging fort, die Kichererbsen zu säen. Als er sich ein wenig entfernt hatte, trat der Schakal an den Sack und rief: "Herr, dies ist mein Essen." Der Bauer sah auf. Er gewahrte den Schakal und kam schnell zurück, um den Schakal zu vertreiben. Der Schakal lief ein wenig weiter. Der Bauer folgte ihm. Der Schakal lief nun noch ein wenig weiter. Der Bauer folgte ihm. Der Bauer folgte dem Schakal ein weites Stück.

Während der Bauer dem Schakal nachlief, kam das Rebhuhn und



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fraß alle Kichererbsen auf. Als das Rebhuhn damit fertig war, rief es laut: "Ich habe alle Kichererbsen aufgegessen." Der Schakal hörte das und sprang in großen Sätzen fort. Der Bauer gab die Jagd auf. Er kehrte zurück. Der Bauer fand den Sack leer. Er kehrte heim, um neue Kichererbsen zu holen.

Der Schakal traf das Rebhuhn. Er fragte das Rebhuhn: "Hast du gut gegessen?" Das Rebhuhn sagte: "Ich habe in meinem Leben noch nicht so gut gegessen. Mein Bauch ist ganz voll." Der Schakal und das Rebhuhn blieben Freunde. Sie sind bis heute Freunde geblieben.


6. De, überschlaue Schakal

Man erzählt war. von Unterwegs einem Schakal, trat er der sich einmal einen Dorn auf der in den Wanderschaft Fuß. Er hinkte. Der Schakal traf eine alte Frau. Die alte Frau sagte: "Mein Schakal, ich sehe, du hinkst. Komm, ich will dir den Dorn aus dem Fuß ziehen." Der Schakal legte sich hin. Die alte Frau untersuchte den Fuß, zog den Dorn aus und warf ihn fort.

Der Schakal stand auf. Er sagte zu der alten Frau: "Wo hast du meinen Dorn ?" Die Frau sagte: "Ich habe ihn weggeworfen." Der Schakal sagte: "Es war mein Dorn. Wie kannst du meinen Dorn wegwerfen. Suche und gib mir meinen Dorn wieder." Die alte Frau suchte den Dorn. Sie konnte ihn aber nicht finden. Sie sagte: "Ich finde diesen Dorn nicht; ich will dir aber hundert gleiche von derselben Art suchen." Der Schakal sagte: "Daran liegt mir nichts. Ich will meinen Dorn wiederhaben, und wenn du ihn nicht findest, will ich wenigstens ein Hühnerei dafür haben." Die alte Frau konnte den Dorn des Schakals nicht finden. Sie gab dem Schakal ein Hühnerei. Der Schakal lief mit dem Hühnerei von dannen.

Der Schakal ging mit seinem Hühnerei weiter. Als es Abend war, kam er zu einem Bauern (affila; Plural: iffilahen). Der Schakal fragte den Bauern: " Kann ich bei dir übernachten?" Der Bauer sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal sagte: "Hier habe ich ein Hühnerei bei mir. Das muß unter einem Huhn schlafen. Darf ich das Ei unter ein Huhn legen?" Der Bauer sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal legte das Ei selbst unter ein Huhn. Dann legte er sich nieder zum Schlafen.

Nachts erhob sich der Schakal, ging zu dem Huhn, nahm das Ei



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unter ihm fort, zerschlug es, fraß den Inhalt auf und strich etwas von dem Eigelb an den Schnabel des Huhnes. Dann legte er sich wieder hin.

Am andern Morgen weinte der Schakal. Der Bauer kam und fragte: "Warum weinst du?" Der Schakal sagte: "Dein Huhn hat mein Ei gegessen." Der Bauer sagte: "Wie ist das möglich, daß das Huhn das Ei gegessen haben soll!" Der Schakal sagte: "Hier ist der Beweis. Sieh, am Schnabel deines Huhnes ist noch das Gelbe." Der Bauer sah es und sagte: "Ich will dir ein anderes Ei geben." Der Schakal sagte: "Nein, ich will kein anderes Ei. Ich will mein Ei wieder haben." Der Bauer sagte: "Das kann ich dir doch nicht wiedergeben; ich will dir zwei, auch fünf, auch zehn Eier geben." Der Schakal sagte: "Nein, ich will mein Ei haben, oder das Huhn, das es gefressen hat." Da gab der Bauer dem Schakal das Huhn. Der Schakal lief mit dem Huhn von dannen.

Der Schakal ging mit seinem Huhn weiter. Als es Abend war, kam er in ein Dorf. Er ging in ein Gehöft und fragte: "Kann ich hier übernachten ?" Der Herr des Gehöftes sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal sagte: "Hier habe ich ein Huhn bei mir, das muß unter einer Ziege schlafen. Darf ich das Huhn unter eine Ziege setzen?" Der Herr des Gehöftes sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal setzte das Huhn selbst unter die Ziege. Dann legte er sich nieder zum Schlafen.

Nachts erhob sich der Schakal, ging zu der Ziege, nahm unter ihr das Huhn weg, tötete es und verschlang es. Von dem Blute strich er aber einiges an den Mund der Ziege. Dann legte er sich wieder hin.

Am andern Morgen weinte der Schakal. Der Herr des Gehöftes kam und fragte: "Warum weinst du?" Der Schakal sagte: "Deine Ziege hat mein Huhn gefressen." Der Herr des Gehöftes sagte: "Wie ist das möglich, daß eine Ziege ein Huhn gegessen haben soll!" Der Schakal sagte: "Hier ist der Beweis! Sieh, am Maul deiner Ziege ist noch das Blut meines Huhnes." Der Herr des Gehöftes sah es und sagte: "Ich will dir ein anderes Huhn dafür geben." Der Schakal sagte: "Nein, ich will kein anderes Huhn haben; ich will mein Huhn wiederhaben." Der Herr des Gehöftes sagte: "Das kann ich dir doch nicht wiedergeben. Ich will dir zwei oder drei andere Hühner dafür geben." Der Schakal sagte: "Ich will mein Huhn oder die Ziege, die es gefressen hat." Da gab der Herr des Gehöftes dem Schakal die Ziege. Der Schakal lief mit der Ziege von dannen.

Der Schakal lief mit seiner Ziege weiter. Als es Abend. war, kam



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er zu einem Bauern, der Rindvieh züchtete. Der Schakal fragte: "Kann ich bei dir übernachten?" Der Viehzüchter sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal sagte: "Hier habe ich eine Ziege bei mir, die muß neben einer Kuh schlafen. Darf ich die Ziege neben eine Kuh im Stalle einstellen ?" Der Viehzüchter sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal stellte seine Ziege selbst neben eine Kuh in den Stall. Dann legte er sich nieder zum Schlafen.

Nachts erhob sich der Schakal, ging zu der Ziege, schlachtete sie, verzehrte sie und bestrich mit dem Blute das Maul der Kuh, bei der die Ziege gestanden hatte, dann legte der Schakal sich wieder hin.

Am andern Morgen weinte der Schakal. Der Viehzüchter kam und fragte: "Warum weinst du?" Der Schakal sagte: "Deine Kuh hat meine Ziege gefressen." Der Viehzüchter sagte: "Wie ist das möglich, daß eine Kuh eine Ziege gefressen haben soll!" Der Schakal sagte: "Hier ist der Beweis. Sieh, am Maul deiner Kuh ist noch das Blut meiner Ziege!" Der Viehzüchter sah es und sagte: "Ich will dir eine andere Ziege dafür geben!" Der Schakal sagte: "Nein, ich will keine andere Ziege haben; ich will meine Ziege wiederhaben." Der Viehzüchter sagte: "Die kann ich dir doch nicht wiedergeben; ich will dir zwei oder drei andere Ziegen dafür wiedergeben." Der Schakal sagte: "Ich will meine Ziege haben, oder die Kuh, die meine Ziege gefressen hat." Da gab der Viehzüchter dem Schakal die Kuh. Der Schakal lief mit der Kuh von dannen.

Der Schakal lief mit seiner Kuh weiter. Als es Abend war, kam er zu einem Agelith. Der Schakal fragte den Agelith: "Kann ich hier übernachten?" Der Agelith sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal sagte: "Ich habe eine Kuh bei mir. Diese Kuh muß neben einer Stute im Stalle stehen. Darf ich die Kuh neben eine Stute im Staue stellen?" Der Agelith sagte: "Es ist mir recht." Der Schakal stellte seine Kuh selbst neben eine Stute in den Stall. Dann legte er sich nieder.

Nachts erhob sich der Schakal, ging zu der Kuh, schlachtete sie, fraß sie und bestrich mit dem Blute das Maul der Stute, bei der die Kuh gestanden hatte. Dann legte der Schakal sich wieder hin.

Am andern Morgen weinte der Schakal. Der Agelith kam und fragte: "Warum weinst du?" Der Schakal sagte: "Deine Stute hat meine Kuh gefressen." Der Agelith sagte: "Wie ist das möglich, daß eine Stute eine Kuh gefressen haben soll!" Der Schakal sagte: "Hier ist der Beweis! Sieh, am Maul deiner Stute ist noch das Blut meiner Kuh." Der Agelith sah es und sagte: "Ich will dir eine andere



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Kuh dafür geben!" Der Schakal sagte: "Nein, ich will keine andere Kuh, ich will meine Kuh wiederhaben." Der Agelith sagte: "Die kann ich dir doch nicht, wiedergeben, ich will dir zwei andere Kühe dafür geben." Der Schakal sagte: "Ich will meine Kuh oder die Stute, die meine Kuh gefressen hat." Da gab der Agelith dem Schakal die Stute. Der Schakal lief mit der Stute von dannen.

Der Schakal war mit der Stute ein Stück weit gelaufen, als er einem Zug von Leuten begegnete, die trugen eine Leiche zu Grabe. Der Schakal blieb stehen und fragte die Leute: "Was tragt ihr da?" Die Leute blieben auch stehen und sagten: "Wir bringen die Leiche einer alten Frau zu Grabe." Der Schakal sagte: "Wenn ihr mir die Leiche der alten Frau gebt, gebe ich euch die Stute dafür." Die Leute sagten: "Es ist uns recht." Die Leute gaben dem Schakal die Leiche der alten Frau. Der Schakal gab ihnen die Stute. Die Leute gingen mit der Stute nach der einen Seite; der Schakal lud die Leiche der alten Frau auf den Rücken und ging damit nach der andern Seite.

Der Schakal ging mit der Leiche der alten Frau auf dem Rücken weiter, bis er an ein Dorf kam, in dem die Leute fröhlich waren und ein Fest begingen. Es war das Fest einer Eheschließung. Der Schakal kam mit der Leiche auf dem Rücken an dem Hause vorbei, in dem die Hochzeit gefeiert wurde. Die Leute sahen ihn daherkommen und sagten zu ihm: "Nimm teil an unserem Fest, schlafe bei uns." Der Schakal sagte: "Ich danke euch! Sehr gerne will ich das. Aber ich habe meine kranke Mutter bei mir. Wenn die im Bett der jungverheirateten Frau schlafen darf, bin ich einverstanden." Der Vater des Bräutigams sagte: "Ich bin einverstanden. Laß du deine, alte kranke Mutter im Bett der Braut meines Sohnes mit schlafen. Die Braut mag für die Alte in der Nacht sorgen." Darauf brachte der Schakal selbst die Leiche der alten Frau in die Kammer der Braut und legte sie dort in das Bett neben die Braut. Ehe er aber ging, umarmte er die Leiche, streichelte ihr die Backen und schnitt ihr insgeheim den Hals durch. Dann ging er zu den andern, war mit ihnen fröhlich und legte sich nachher zum Schlafen nieder.

Als es wieder Tag wurde, ging der Schakal in die Kammer hinauf, in der die Leiche der alten Frau nachts über neben der jungen Braut gelegen hatte. Dann kam er weinend und sich das Gesicht zerkratzend herunter. Der Vater des Bräutigams sah ihn; er ging auf ihn zu und fragte: "Was weinst du? Was klagst du?" Der Schakal weinte und sagte: "Die Braut hat meiner alten kranken Mutter in



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der Nacht den Hals durchschnitten." Der Vater des Bräutigams er schrak und sagte: "Was sagst du? Wie wäre es möglich, daß eine junge Braut einer alten Frau den Hals abschnitt! Deine Mutter wird über Nacht gestorben sein." Der Schakal sagte: "Nein, meine alte Mutter ist nicht so gestorben. Geh selbst hinauf und sieh den Beweis! Meiner Mutter ist der Hals durchschnitten."

Der Vater des Bräutigams ging hinauf. Er sah, daß die alte Frau tot und ihr Hals durchschnitten war. Der Vater des Bräutigams fürchtete sich vor der Braut seines Sohnes. Er kam herab und sagte zum Schakal: "Was können wir da tun? Wie können wir das gut machen ?" Der Schakal sagte: "Gebt mir für die Leiche meiner alten Mutter die junge Braut, oder ich gehe zum Richter." Der Vater des Bräutigams war froh, die Braut auf diese Weise los zu werden. Er sagte zum Schakal: "So nimm die Braut." Darauf führte man dem Schakal die Braut zu. Der Schakal nahm sie, steckte sie in einen Sack und ging mit dem Sack auf dem Rücken von dannen.

Der Schakal ging mit der Braut im Sack auf dem Rücken ein gutes Stück weit. Dann war er ermüdet. Er kam an einem Gehöft vorbei und fragte den Bauern: "Kann ich hier in der Hitze ein wenig ablegen ?" Der Bauer sagte: "Es ist recht. Lege ab!" Der Schakal legte den Sack hin und sagte: "Kann ich einen Schluck Wasser trinken?" Der Bauer sagte: "Geh dort auf den Hof, da steht der Wasserkrug, trink dich nur satt." Der Schakal ging auf den Hof.

Der Bauer war aber gerade der Vater der Braut. Die Braut erkannte den Vater an der Stimme. Als der Schakal auf den Hof gegangen war, rief sie leise aus dem Sack: "Vater, öffne schnell den Sack!" Der Vater erkannte die Stimme seiner Tochter. Er öffnete. Seine Tochter kam heraus. Die Tochter sagte: "Wir wollen den Sack des Schakals schnell füllen, ehe er zurückkommt." Sie steckten zwei Hunde in den Sack und verschlossen ihn wieder. Die Tochter floh in den Viehstall.

Der Schakal kam wieder. Er bedankte sich, nahm seinen Sack wieder auf die Schulter und ging von dannen. Er ging bis auf einen Hügel. Da legte er dann den Sack nieder. Er trat vor den Sack und begann zu singen. Der Schakal sang: "Durch einen Dorn gewann ich ein Ei, durch das Ei gewann ich ein Huhn, durch das Huhn gewann ich eine Ziege, durch die Ziege gewann ich eine Kuh, durch die Kuh gewann ich eine Stute, durch die Stute gewann ich eine alte Frau, durch die alte Frau gewann ich eine junge Braut! Keiner ist wie ich." Danach öffnete der Schakal den Sack, um die Braut



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zu besichtigen. Aus dem Sack kamen die zwei Hunde, sie bissen den Schakal tot und liefen dann wieder nach Hause.


7. Der Schakal und der Bauer

Ein Bauer (Aecheräss, Pl. icheraesen) pflügte mit zwei Ochsen, vom Morgen bis zum Abend. Da kam eines Abends ein Löwe und sagte: "Gib mir einen der beiden Ochsen ab, oder ich töte dich und beide Ochsen." Der Bauer erschrak. Der Bauer spannte einen Ochsen aus und gab ihn dem Löwen. Der Löwe nahm ihn und schleppte ihn von dannen. Der Bauer kehrte mit dem übriggebliebenen Ochsen nach Hause zurück und kaufte gleich am selben Abend noch einen zweiten, um am anderen Tage wieder pflügen zu können.

Der Bauer pflügte am anderen Tage wieder vom Morgen bis zum Abend, und als es Abend war, kam wieder der Löwe und sagte: "Bauer, gib mir einen von deinen beiden Ochsen, oder ich töte sie alle beide und dich obendrein!" Der Bauer gab wieder einen Ochsen. Und abends kaufte er wieder einen Ochsen, um am anderen Tage pflügen zu können, und am nächsten Abend kam der Löwe wieder und verlangte einen Ochsen.

Der Bauer gab dem Löwen jeden Abend einen Ochsen. Eines Abends kam der Schakal bei dem Bauern vorbei, als er seinen Ochsen heimtrieb. Der Schakal fragte: "Jeden Morgen sehe ich dich mit zwei Ochsen dein Gehöft verlassen und jeden Abend sehe ich dich nur mit einem einzigen in dein Gehöft zurückkehren. Wie kommt das?" Der Bauer sagte: "Jeden Abend, wenn ich mit der Tagesarbeit fertig bin, kommt der Löwe und verlangt von mir einen Ochsen und droht, meine beiden Ochsen und mich selbst zu töten, wenn ich dem Wunsche nicht nachkomme." Der Schakal sagte: "Wenn du mir versprichst, mir ein Schaf zu geben, will ich dich von dem Löwen befreien." Der Bauer sagte: "Wenn du mich von dem Löwen befreien kannst, will ich dir gerne ein Schaf versprechen." Der Schakal sagte: "Morgen werde ich mit verstellter Stimme dort oben vom Hügel aus fragen, wer mit dir spricht. Dann antworte, es sei nur ein Asko! (Holzkloben zum Spalten.) Halte ein Beil zur Hand. Hast du mich verstanden?" Der Bauer sagte: "Gewiß habe ich dich verstanden."

Am andern Tage nahm der Bauer ein Beil mit auf den Acker



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und pflügte wie sonst mit den beiden Ochsen vom Morgen bis zum Abend. Als es Abend war, kam der Löwe und sagte: "Bauer, gib mir einen Ochsen, damit ich nicht beide Ochsen und dich noch obendrein töte!" Als der Löwe das gesagt hatte, sprach eine tiefe Stimme vom Hügel und sagte: "Bauer, wer spricht mit dir?" Der Löwe erschrak, duckte sich nieder und sagte erschrocken vor sich hin: "Das ist Gott." Der Bauer antwortete aber laut: "Es ist nur ein Asko (oder Ascho)." Die Stimme sagte laut: "So nimm dein Beil und spalte den Holzblock!" Der Löwe sagte leise: "Schlage aber nur sanft, Bauer." Dabei neigte er den Kopf. Der Bauer ergriff das Beil und schlug mit aller Gewalt auf den geneigten Löwenschädel, so daß er ihn spaltete und der Löwe sogleich starb. Der Schakal kam vom Hügel herunter und sagte: "Ich habe gehalten, was ich versprochen habe, der Löwe ist abgetan. Nun werde ich morgen wiederkommen und mir das Schaf holen, das du mir versprochen hast." Der Bauer sagte: "Du sollst es haben."

Der Bauer kam nach Hause. Er sagte zu seiner Frau: "Der Schakal hat mich von dem Löwen befreit. Nun will ich ihm einen Schafbock geben. Ich werde ihn schlachten. Verpacke ihn dann, damit ich ihn morgen mit auf den Acker nehme." Der Mann schlachtete den Widder. Als die Frau ihn einpacken sollte, sagte sie: "Weshalb sollen wir den guten Widder nicht selbst essen?" Die Frau steckte den Schafbock in einen Fellsack. Sie legte den Fellsack in einen Flechtkorb. Neben den Fellsack hieß sie aber den Hund des Hauses sich im Korbe niederlegen." Die Frau sagte zum Bauern: "Wenn etwa der Schakal über Tag den Widder nicht nimmt, bring ihn uns wieder heim. Sonst fressen ihn über Nacht die andern Tiere, die dir nichts Gutes getan haben. Stelle den Korb also nur so wie er ist auf das Feld, und laß die Sache gehen, wie sie geht."

Der Bauer ging aufs Feld. Er stellte den Korb auf das Feld und schrie: "Schakal, hier steht dein Widder!" Dann ging der Bauer seiner Arbeit nach und pflügte vom Morgen bis zum Abend, ohne sich weiter um den Korb, den Widder und den Schakal zu kümmern. Der Schakal kam aber auf den Korb zu, um den Widder herauszunehmen. Als er seine Nase in den Korb steckte, sprang der Hund empor. Der Schakal lief, so schnell er konnte, von dannen. Der Hund folgte ihm eine Weile, und als er sah, daß der Schakal doch zu schnell war, sprang er ab und lief nach Hause. Der Schakal schwor, den Menschen nie wieder zu helfen.

Der Bauer kam abends. Er blickte in den Korb und fand den



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Widder noch unberührt mit dem Fellsack über sich darin. Da packte er den Korb mit dem Widder wieder auf, brachte ihn heim und sagte: "Der Schakal hat seinen Widder nicht abgeholt. —Nun können wir ihn selbst essen!" — — —


8. Der prahlende Schakal

Der Schakal (Uschen) sagte eines Tages: "Wenn man mich mit einer Sache je einmal betrogen hat, wird dies nie zum zweiten Male gelingen."

Eines Tages verließ der Schakal sein Haus, kam zum Hirten und sagte: "Ich, Uschen, kann dich hundertmal anführen. Du aber kannst mich nur einmal überlisten." Der Schakal sprang auf ein Lämmchen. Der Hirt sah es. Er kam herbei. Er wollte das Lämmchen befreien. Uschen pisste dem Lämmchen in das Ohr; das hatte zur Folge, daß das Lämmchen ihm blindlings nachlief. Der Schakal lief von dannen. Das Lämmchen folgte ihm. Der Schakal sprang in den Wald. Das Lämmchen lief ihm in dem Walde nach. Der Schakal fiel im Walde über das Lämmchen her, biß es tot und trug die Mahlzeit nach Hause.

Als der Hirt merkte, daß der Schakal hinter seiner Herde her war, bestrich er seine Schafe mit Leim. Der Schakal kam bald wieder und schlich in der Nähe umher. Der Schakal sah, daß der Hirt weit fort war. Der Schakal sprang in die Herde und auf ein Schaf. Er sprang dem Schaf auf den Rücken. Da die Wolle aber dick mit Leim bestrichen war, blieb der Schakal darin hängen und konnte sich nicht wieder frei machen. Das geängstigte Schaf und die ganze Herde lief nun auf das Haus des Hirten zu. Der Hirt kam herzu. Er sah den festklebenden Schakal, packte ihn und schlug stark auf ihn ein. Der Schakal stellte sich nach kurzer Zeit tot. Da warf der Hirt ihn in einen Winkel seines Hauses.

Als aber der Hirt am andern Morgen die Tür aufmachte, um seine Herde herauszutreiben, sprang der Schakal auf und schlüpfte zur Tür hinaus. Von draußen rief er zurück: "Hab ich dir nicht gesagt, mein Hirt, daß du mich nicht überlisten kannst? Ich werde dir noch viele Lämmer stehlen." Der Hirt sagte: "Warte nur bis zu der Zeit, da Schnee fällt!"

Es wurde Winter. Die Kinder des Hirten stellten Fallen (Stock mit Stein -thachfitz). Der Schakal versteckte sich neben den Fallen.



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Sowie ein Vogel in seiner Falle gefangen war, scharrte er unter dem Fallstein ein Loch und holte sich die Beute hervor. So holte er sich aus den Fallen der Kinder des Hirten ein Essen nach dem andern hervor.

Die Kinder des Hirten fanden nun keine Beute mehr in ihren Fallen. Sie erzählten es dem Vater. Der Hirt sagte: "Baut neben den kleinen Fallen eine große. Der Räuber wird kein anderer sein als der Schakal." Die Kinder bauten neben der kleinen Falle eine große. Als der Schakal wiederkam, sich aus der kleinen Falle die Vögel zu holen, bemerkte er die große Falle nicht, und als er unter den kleineren Steinen die Erde wegscharrte, um zu seiner Beute zu gelangen, stürzte der große Stein über ihn nieder und begrub ihn unter sich.

Nach einiger Zeit kamen die Kinder des Hirten, um nach ihrem Fang zu sehen. Sie fanden den Schakal unter dem großen Stein. Die Kinder des Hirten nahmen den Stein auf und begannen den Schakal zu schlagen. Der Schakal wälzte sich aber derart in Schmutz und Kot, daß die Kinder ihn nicht anfassen mochten. Sie faßten ihn nur an der Schwanzspitze. Da riß der Schakal sich los und sprang von dannen.

Die Kinder des Hirten, die nun aber den Fallenräuber kannten, suchten das Loch auf, das in seine Wohnung führte. Sie nahmen zwei Hunde mit, um den Schakal fangen zu können, wenn er etwa noch einen Ausweg habe. Die Hunde stellten sie als Wache auf. Dann begannen sie zu graben. Sie fanden ein Nest von fünf Schakalen. Sie schlugen auf der Stelle drei von ihnen tot. Der vierte lief von dannen, ward aber von den Hunden ergriffen und totgebissen. Der letzte sprang auf der Flucht in seiner Angst in ein Wasserloch und ertrank.


9. Die drei Wünsche des Schakals

Der Schakal warf sich eines Tages zum Gebet vor Gott nieder und sagte: "Ich möchte drei verschiedene Tage hintereinander erleben. Am ersten Tage möchte ich recht fröhlich sein und lachen. Am zweiten Tage möchte ich etwas recht Gutes zu essen haben und am dritten Tage möchte ich weinen." Das Gebet des Schakals hörte der kleine Vogel Abüms 'gan(u) (Pl. ibumigasen). Der sagte (zu sich): "Zur Erfüllung dieser drei Wünsche brauchte der Schakal sich nicht an Gott zu wenden. Dazu kann ich ihm auch verhelfen."



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Der kleine Vogel kam zum Schakal und fragte ihn: "Willst du heute einmal recht fröhlich sein und etwas sehen, was dich sehr lachen machen wird?" Der Schakal sagte: "Gerade das ist es, was ich gerne möchte." Der kleine Vogel sagte: "So komme mit mir!" Der kleine Vogel lief voraus. Der Schakal lief hinter ihm her. Der kleine Vogel flog dahin, wo zwei Brüder zusammen das Feld bearbeiteten. Der eine der beiden Brüder führte den Pflug (ei maun, pl. lemaunat), und riß damit den Boden auf, der andere ging mit der Hacke hinter ihm her und zerschlug die Schollen. Der kleine Vogel setzte sich dem Pflüger nun auf den Kopf und pickte ihm auf der Mütze herum. Der Pflüger, der beide Hände am Pfluge hatte, suchte den Vogel abzuschütteln. Der Vogel ließ sich nicht wegjagen. Der Pflüger rief dem hinter ihm gehenden, hackenden Bruder zu: "Verjage doch einmal den Vogel von meinem Kopf oder schlage ihn tot." Der Bruder kam mit der Hacke von hinten heran und schlug mit aller Gewalt nach dem Vogel. Der kleine Vogel flog fort und der Hieb traf den Pflüger so stark, daß er tot hinsank.

Da lachte der Schakal. Als der kleine Vogel zurückkam, sagte der Schakal: "Du hast mir einen fröhlichen Tag gemacht!"

Am anderen Morgen kam der kleine Vogel zum Schakal und sagte: "Willst du heute einmal etwas recht Gutes zu essen haben?" Der Schakal sagte: "Gerade das ist es, was ich gerne möchte." Der kleine Vogel sagte: "So komme mit mir!" Der kleine Vogel und der Schakal begaben sich zur Landstraße. Es kam ein Mann mit seiner Frau. Die Frau ging vorn und trug einen Korb, der mit Fleisch und Kuchen gefüllt war. Der Mann ging voran und trug ihr kleines Kind auf dem Arme. Der kleine Vogel setzte sich vor dem Manne auf die Straße und hüpfte hin und her. Das Kind lachte und griff nach dem Vogel. Der Mann sagte: "Du willst wohl gern den kleinen Vogel zum Spielen haben?" "Warte, ich will sehen, ob ich ihn fangen kann." Der Mann setzte das Kind auf die Straße und versuchte, den kleinen Vogel zu fangen. Der kleine Vogel hüpfte von einer Seite zur andern. Der Mann suchte ihn zu greifen. Immer, wenn der Mann dem Vogel ganz nahe war, hüpfte der auf eine andere Seite. Der Mann rief seiner Frau zu: "Setze deinen Korb hin und sieh, ob du mit mir gemeinsam den kleinen Vogel für unser Kind fangen kannst." Die Frau setzte den Korb hin und nun suchte die Frau den Vogel von der einen Seite der Straße, der Mann ihn von der anderen Seite zu greifen. Der Vogel hüpfte immer ein wenig weiter. Das Kind saß auf der einen Seite der Straße, der Korb stand auf der



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anderen. Die Eltern entfernten sich mehr und mehr. Der Schakal kam und fraß alles, was in dem Korbe aufbewahrt war.

Der Schakal erhob sich gesättigt. Als der kleine Vogel das sah, flog er von dem Manne und der Frau fort und kehrte zum Schakal zurück. Der Schakal sagte: "Du hast mir heute viel gutes Essen gegeben."

Am dritten Morgen früh kam der kleine Vogel wieder zum Schakal und sagte: "Willst du heute wieder mit mir kommen oder hast du die Lust verloren ?" Der Schakal sagte: "Du bist ein lustiger Vogel, ich komme immer gerne mit dir." Der kleine Vogel sagte: "Heute werde ich dir eine Feige zeigen." Der kleine Vogel flog vor dem Schakal her. Der kleine Vogel setzte sich auf einen Zweig und sagte: "Sieh, dort unten liegt die Feige." Der Schakal griff nach der Feige. Die Feige war aber das Lockmittel für eine Falle. Die Falle packte zu und hielt den Schakal an den Füßen fest. Der Schakal heulte vom Morgen bis zum Abend. Der kleine Vogel hörte ihm zu und sagte endlich: "Du solltest sehr froh sein. Selten werden drei Wünsche erfüllt. Dir aber sind für drei aufeinander folgende Tage die Wünsche erfüllt. Weine also nicht und sei froh."


10. Der Schakal und das Huhn

Ein Huhn wohnte mit seinen Küken auf einem Felsen. Eines Tages kam der Schakal vorbei und sagte: "Gib mir eines von deinen Küken oder ich komme auf den Felsen hinauf und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf." Das Huhn erschrak und warf dem Schakal ein Küken hinunter und der Schakal lief vergnügt damit nach Hause. Dem Schakal war das eine sehr gute Gelegenheit. Er kam nun alle Tage bei dem Huhn auf dem Felsen vorbei und rief: "Huhn, gib mir eines von deinen Küken oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf." Und das Huhn gab ihm jeden Tag ein Küken.

Eines Tages kam der Adler bei dem Huhn vorbei und fragte: "Huhn, wo hast du alle deine Küken?" Das Huhn sagte: "Jeden Morgen kommt der Schakal vorbei und ruft zu mir herauf: ,Huhn, gib mir eines von deinen Küken, oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und die anderen Küken sämtlich auf.' —Was bleibt mir da anderes übrig? Dann werfe ich dem Schakal jeden Morgen ein Küken hinunter." Der Adler sagte: "Höre, Huhn, tue das nicht.



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Der Schakal ist nämlich gar nicht imstande, auf deinen Felsen hinaufzuflattern, du brauchst ihn also gar nicht zu fürchten und hast nicht nötig, seine üble Gier nach deinen Küken zu befriedigen." Das Huhn sagte: "Ich will versuchen, deinem Rate zu folgen."

Am andern Morgen kam der Schakal wieder und sagte zu dem Huhn: "Gib mir eines von deinen Küken, oder ich komme auf den Felsen und fresse dich und alle anderen Küken auf." Das Huhn sagte: "So versuche es doch heraufzukommen." Der Schakal versuchte nun, den Felsen zu erklimmen. Er kam aber immer nur auf den ersten Vorsprung und glitt beim Weiterspringen ab und fiel herunter.

Der Adler kam vorüber. Er sah die Bemühungen des Schakals und rief: "Schakal, was machst du denn da?" Der Schakal sagte: "Das Huhn pflegt mir jeden Morgen ein Küken zu geben. Heute will das Huhn es nicht tun und nun versuche ich, mir meinen Anteil zu holen." Der Adler sagte: "Wenn du Küken willst, mein lieber Schakal, dann will ich dir ein Land zeigen, wo so viele Küken zu treffen sind, daß deine ganze Familie sie niemals aufessen kann." Der Schakal sagte: "Ja, lieber Adler, zeige mir das! Denn junge Küken sind unsere liebste Speise." Der Adler sagte: "Dann mußt du aber auf meinen Rücken steigen." Der Schakal sagte: "So komme etwas tiefer herab."

Der Adler flog herab. Der Schakal stieg auf den Rücken des Adlers. Der Adler stieg dann in die Höhe, und als er mit dem Schakal schon eine gute Höhe erreicht hatte, fragte er ihn: "Nun Schakal, wie siehst du die Erde ?" (tamurt.) Der Schakal sagte: "Ich sehe sie grün. Ich sehe grüne Bäume und grüne Wiesen." Der Adler stieg steil noch höher, und fragte dann wieder: "Nun, Schakal, wie siehst du die Erde denn nun ?" Der Schakal sagte: "Jetzt sehe ich keine Bäume und Felder mehr, jetzt sehe ich die Erde nicht mehr grün. Jetzt sehe ich sie schwarz."

Der Adler sagte: "Dann bist du hoch genug, um eine Unzahl Küken zu sehen. Jetzt suche dir dein tägliches Küken aus." Der Adler machte eine schnelle Bewegung. Der Schakal glitt vom Rücken des Adlers herab. Der Schakal fiel herunter. Der Schakal bat Gott: "Laß mich in ein Wasser oder auf einen Strohhaufen fallen." Der Schakal fiel aber auf einen Felsen und starb!



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11. Der Schakal und der Löwe

Der Löwe hatte einmal schwere Schmerzen im Fuß und hinkte. Der

Löwe begegnete dem Schakal, und der sah, daß der Löwe hinkte. Der Schakal fragte: "Löwe, was fehlt dir ?" Der Löwe sagte: "Ich habe solche Schmerzen im Fuß, daß ich nicht auftreten und kaum gehen kann." Der Schakal sagte: "Dafür weiß ich ein ausgezeichnetes Mittel. Komm, wir gehen zusammen hin und töten eine Kuh. Dann nehmen wir die Kuh mit in den Wald und ich mache dir aus dem Kuhfell einen Verband, der dir bald genug helfen soll." Der Löwe war damit einverstanden.

Der Schakal führte den Löwen nun dahin, wo viele Kühe waren. Der Löwe tötete eine von ihnen und schleppte sie hinkend in den Wald. Dort häuteten der Löwe und der Schakal die Kuh. Der Schakal sagte zum Löwen: "Willst du dich nun nicht erst satt essen, ehe ich dir den Verband anlege ?" Der Löwe sagte: "Das Fangen und Töten der Kuh hat meine Schmerzen so vermehrt, daß ich allen Appetit verloren habe."

Der Schakal sagte: "Dann will ich gleich den Verband anlegen." Darauf hieß er den Löwen sich auf den Rücken legen und die vier Füße gen Himmel strecken. Als der Löwe in dieser Lage war, warf er die feuchte Kuhhaut über die vier Füße und band sie um jeden Fuß mit einer Kuhsehne fest. Er sagte zum Löwen: "Nun mußt du ein wenig so liegen bleiben, bis der Verband ganz fest ist. Dann wird dir besser werden." Der Löwe blieb so liegen. Der Schakal schleppte inzwischen einen Teil der Kuh nach dem anderen in seine Behausung.

Als der Schakal alles Kuhfleisch weggeschleppt hatte, sagte er zu den anderen Tieren: "Geht zum Löwen und macht ihm Besuche. Er ist sehr fußleidend. Den Verband habe ich ihm angelegt, ich habe aber in den nächsten Tagen so zu tun, daß ich mich nicht um ihn kümmern kann."

Die anderen Tiere kamen nun alle zum Löwen, um sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Sie fanden den Löwen in einem beklagenswerten Zustande. Die Kuhhaut war festgetrocknet und hatte sich wie eiserne Kettenfesseln um die Füße des Löwen gelegt, der immer auf seinem Rücken liegen blieb, ohne die Möglichkeit, sich zu rühren und die gegen den Himmel gestreckten Beine wieder zur Erde zu bringen. Alle Tiere kamen und klagten mit dem Löwen.

Der Reiher war aber damals mit dem Igel (inisije) sehr verfeindet.



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Als der Reiher zum Löwen kam, sagte er: "Ich weiß ein ausgezeichnetes Mittel gegen dein Fußleiden. Das ist das Blut des Igels." De: Löwe sagte: "Ich will daran denken." Nach einiger Zeit kam dei Igel und machte dem Löwen auch einen Besuch. Der Löwe fragt ihn: "Der Reiher hat mir gesagt, daß dein Blut ein vorzüglichen Medikament für mein Fußleiden ist." Der Igel sagte: "Der Reiher hat durchaus die Wahrheit gesagt. Fünf Tropfen von meinem Blut genügen, um zu heilen. Nur ist mein Blut völlig wirkungslos, wenn es nicht mit dem Gehirn des Reihers vermischt ist." Der Löwe sagte: "Willst du, sowie ich diesen Verband entfernt habe, wieder herkommen, um mir von deinem Blut zu geben?" Der Igel sagte: "Ich werde jeden Tag zu jeder Stunde kommen, wenn du mich rufst.' Der Igel ging.

Der Löwe sagte zu den Tieren: "Nun nehmt mir diesen Verband ab." Viele Tiere kamen und versuchten es vergeblich. Er war zt fest geworden. Sogleich kam das Rebhuhn und feuchtete die einzelnen Stellen mit Tropfen, die es im Schnabel trug, an. Die Kuhhaut wurde weich. Die Tiere konnten sie abnehmen. Der Löw€ sagte: "Nun will ich das Medikament des Reihers versuchen, ruft mir den Reiher und den Igel." Der Reiher und der Igel kamen. Dei Löwe ließ dem Reiher den Kopf abschlagen und das Gehirn herausnehmen. Der Igel trat heran, ritzte sich mit einem seiner eigener Stacheln den Fuß, so daß einige Tropfen Blut herauskamen und hieß dies Mittel den Löwen genießen. Der Löwe bedankte sich, und der Igel ging wieder.

Der Löwe wollte sich an dem Schakal rächen, der ihm den harten Verband angelegt, und ihn für 8 Tage in Fesseln gelegt hatte. Einmal traf er den Schakal im Walde. Er sprang auf ihn. Der Schakal entfloh aber zur Seite und der Löwe behielt nun den abgerissenen Schwanz in der Hand. Der Löwe sagte: "An dem Schwanze werde ich den Schakal, der mich so gepeinigt hat, erkennen." Er gab den Befehl, alle Schakale zusammenzurufen. Als der Schakal das hörte, lief er bei allen Vettern und Schakalen herum und sagte: "Der Löwe will einen Schakal mit einem langen Schwanze haben. Schneidet euch alle die Schwänze ab, wie ich es getan habe. Jeder, der keinen Schwanz hat, kann morgen zu dem Löwen gehen und kann sicher sein, daß ihm nichts geschieht."

Die Schakale schnitten sich alle die Schwänze ab. Sie kamen am anderen Tage dem Befehle des Löwen nach. Alle Schakale kamen zum Löwen. Der Löwe sah, daß er nun den einen Schakal, dem er



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den Schwanz abgerissen hatte, nicht mehr unter alle den anderen herausfinden konnte. Und so war der Schakal gerettet.


12. Die Schönheit des Rebhuhns

Das Rebhuhn rollte sich im Walde, bis seine Federn schön gemustert wurden. Das Rebhuhn pickte auf den Felsen, bis sein Schnabel rot wie agussin (?) wurde. Das Rebhuhn blickte in den Himmel (tasult), bis seine Augen blau wurden. Dann kam das Rebhuhn vom Berg herunter. Es begegnete einem Esel, der sagte: "Du bist so schön, daß du auf mir reiten mußt." Das Rebhuhn bestieg den Esel und ritt in die Ebene.

Das reitende Rebhuhn begegnete dem Schakal (Uschen). Der Schakal sah das Rebhuhn. Der Schakal fragte: "Wie bist du so schön geworden?" Das Rebhuhn sagte: "Ich habe mich mit den Federn im Walde gewälzt; ich habe mit dem Schnabel den Felsen gepickt; ich habe mit den Augen in den Himmel gesehen."

Der Schakal sagte: "Das werde ich auch tun."

Der Schakal rollte sich im Walde. Da fielen seine Haare aus. Der Schakal stieß die Schnauze auf den Felsen. Da brachen die Zähne heraus. Der Schakal stieg auf einen Berg und blickte in den Himmel. Da wurde er blind. Er stieg vom Berge herunter; weil er aber blind war, konnte er einen Abgrund nicht sehen. Er stürzte den Abhang herunter. Seine Gedärme fielen heraus.


13. Der Igel und der Eber

Der Igel und der Eber legten einmal gemeinsam Felder an. Im Winter bauten sie ein Weizenfeld; im Frühjahr pflanzten sie Zwiebeln (loboll[e]). Zuerst waren die Zwiebeln reif. Der Igel sagte zum Eber: "Wir wollen sogleich ausmachen, wie wir teilen wollen, damit nicht nachher Streit entsteht. Wir wollen so teilen, daß einer das bekommt, was unter der Erde ist, und einer das, was über der Erde ist. Nun bestimme du, welches du willst: das über der Erde, oder das unter der Erde?" Der Eber sagte: "Ich will das nehmen, was über der Erde ist." Sie ernteten die Zwiebelbeete ab. Der Igel bekam die Zwiebeln und der Eber bekam das Kraut. Der Eber sagte zum Igel: "Eh, du bist klug." Der Igel sagte: "Wieso bin ich klug? Du



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hast doch selbst dasjenige gewählt, was über der Erde ist." Der Eber sagte: "Ich werde mich rächen, wenn der Weizen reif ist. Ich werde nicht wieder so töricht sein."

Nach einiger Zeit war der Weizen reif. Der Igel sagte zum Eber: "Wir wollen nun wieder gleich ausmachen, was jeder bekommt, damit nachher kein Streit entsteht. Sage mir also, willst du das haben, was über der Erde ist, oder das, was unter der Erde ist." Der Eber sagte: "Ich bin nicht so töricht, daß ich wieder das wähle, was über der Erde ist, diesmal will ich das haben, was unter der Erde ist." Der Igel sagte: "Es soll so geschehen, wie du es gewünscht hast."

Der Igel und der Eber ernteten das Weizenfeld ab. Sie schnitter die Ähren (thimithkiuschar) mit dem Stroh auf der einen Seite und den Wurzeln auf der anderen Seite. Der Igel trug die Ähren heim und sagte zum Eber: "Alle diese Wurzeln waren unter der Erde; sie gehören dir." Der Eber sagte: "Du hast mich wieder betrogen." Der Igel sagte: "Wieso habe ich dich betrogen? Ich habe dir doch freie Wahl gelassen und du hast selbst gewählt, was unter der Erde ist!"

Im nächsten Jahre sagte der Igel zu dem Eber: "Wollen wir wieder gemeinsam ein Feld bestellen?" Der Eber sagte: "Ja, wir wollen wieder gemeinsam ein Feld bestellen; aber wenn wir das abernten, wollen wir ehrlich teilen und nicht nach deiner Malice (thachereimith)." Der Igel und der Eber bauten Zwiebeln, Steckrüben ([i]slephs) und Weizen an.

Als es soweit war, ernteten sie die Zwiebeln und den Weizen und kochten beide. Dann ernteten sie die Rüben. Sie hatten alle Arbeit gemacht: das Pflanzen, das Ernten, das Dreschen und das Heimbringen. Es war alles in Ordnung bis auf das Teilen. Der Igel sagte: "Wir haben nun alles eingebracht und wollen teilen. Damit es nun recht zugehe, wollen wir es nicht machen, wie im vorigen Jahre. Du warfst mir vor, im vorigen Jahr hätte ich alles gewonnen durch meine Schlauheit. Ich schlage dir vor, daß wir es diesmal nicht nach der Schlauheit machen, sondern nach der Stärke. Oder glaubst du nicht, daß du mich an Stärke übertriffst ?" Der Eber sagte: "Gewiß übertreffe ich dich an Stärke." Der Igel sagte: "Dann wollen wir uns ohne Waffen um den Besitz der Ernte schlagen. Und damit es ehrlich zugeht, wollen wir als Zeugen (inäghei» den Löwen, den Schakal, einen Bruder von dir und einen meiner Brüder zuschauen lassen." Der Eber sagte: "Ich bin einverstanden."



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Der Eber und der Igel riefen die Zeugen herbei. Der Löwe, der Schakal, ein Bruder des Ebers und ein Bruder des Igels kamen als Zeugen herzu und sagten: "Keiner von den beiden, die sich schlagen, darf ein Messer nehmen." Der Löwe sagte: "Jetzt schlagt euch. Derjenige, der unterliegt, oder der zuerst bereut, den Kampf begonnen zu haben, wird nichts erhalten. Derjenige, der siegt, oder, wenn der andere bereut, noch bereit ist weiter zu kämpfen, dem soll die Ernte zufallen. Jetzt schlagt euch." Der Eber und der Igel traten zum Kampf an. Der Eber rannte mit aller Kraft heran und stürzte sich auf den Igel. Der Eber stieß auf ihn mit der Schnauze. Der Igel steckte seine Stacheln heraus. Der Eber schrie: "Der Igel verletzt die Bedingungen. Der Igel benutzt ein Messer!" Der Igel sagte: "Hier sind die Zeugen. Habe ich ein Messer benutzt ?" Die Zeugen sagten: "Nein, der Igel hat kein Messer benutzt."

Der Eber stürzte sich wieder auf den Igel. Der Igel streckte wieder die Stacheln heraus. Der Eber fuhr wieder mit der Schnauze in die Stacheln des Igels. Der Eber schrie: "Der Igel verletzt die Bedingungen. Der Igel benutzt ein Messer." Der Igel sagte: "Hier sind die Zeugen. Habe ich ein Messer benutzt?" Die Zeugen sagten: "Nein, der Igel hat kein Messer benutzt."

Der Eber stürzte sich zum dritten Male auf den Igel. Der Igel streckte wieder seine Stacheln heraus. Der Eber fuhr wieder mit der Schnauze in die Stacheln des Igels. Der Eber schrie: "Der Igel verletzt die Bedingungen. Der Igel benutzt ein Messer." Der Igel sagte: "Hier sind die Zeugen. Habe ich ein Messer benutzt ?" Die Zeugen sagten: "Nein, der Igel hat kein Messer benutzt."

Der Eber sagte: "Ich glaube doch, daß der Igel ein Messer benutzt hat. Ich kämpfe nicht mehr mit dem Igel." Der Igel ging fort. Der Igel sagte: "Ich bin bereit, weiter zu kämpfen. Ihr seht also, daß ich gewonnen habe." Der Löwe, der Schakal, der Bruder des Ebers und der Bruder des Igels sagten: "Der Igel hat gewonnen. Die Ernte gehört dem Igel."


14. Löwe und Mensch

Die Löwin gebar einen jungen Löwen. Der junge Löwe sagte bald nach seiner Geburt: "Es gibt nur einen so Starken wie mich."Die Löwin sagte: "Nein, es gibt Stärkere als dich." Der junge Löwe blieb aber bei seinem Worte und wiederholte immer wieder:



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"Es gibt nur einen so Starken wie mich." Er wurde größer, wuchs zu einem starken, großen Löwen heran und sagte stets: "Es gibt nur einen so Starken wie mich."

Als er erwachsen war, sagte die Löwin eines Tages zu ihrem Sohne: "Du bist nun groß! Geh in das Holz." (Holz = thirthgi, bedeutet hier "Wald". Wald heißt sonst rawa.) Der junge Löwe machte sich auf und ging in den Wald. Der Löwe stürzte sich auf die Tiere und tötete sie. Er tötete ganz große Tiere. Er tötete einen Ochsen. Er tötete ein Kamel. Im Walde traf der Löwe dann einen Holzhacker (andjar resp. andschar).

Der Löwe kam an den Holzhacker heran und sagte: "Es gibt nur einen, der so stark ist wie ich. Weshalb kommst du in meinen Wald? Ich will dich fressen." —Der Holzhacker hatte gerade sein Beil in einen Baumstamm geschlagen, so daß der Spalt weit klaffte. Der Holzhacker sagte zum Löwen: "Hilf mir erst dies Holz auseinander ziehen, da du so stark bist, nachher kannst du mich dann verschlingen."

Der Löwe sagte: "Es ist mir recht, ich will dir zeigen, wie stark ich bin." Der Löwe legte seine Tatze in den Spalt. Der Holzhacker zog das Beil heraus. Der Baum schnellte zusammen und schloß den Spalt. Die Tatze des Löwen war in den Spalt fest eingeschlossen. Der Holzhacker nahm seinen Stock und verprügelte den Löwen.

Der Löwe fragte den Holzhacker: "Wie heißt du?" Der Holzhacker sagte: "Ich heiße Sohn der Frau (mitht'im [Sohn ihr]thoth [Frau], Plur. errau l'ohalef)." Der Löwe sagte: "Laß mich frei und ich schwöre dir, daß ich die Söhne der Frauen nicht verschlingen werde, solange sie noch Mut haben." Der Holzhacker ließ den Löwen nicht frei. Der Löwe schwor: "Ich will die Söhne der Frauen nicht anfassen, ehe sie nicht Leichen sind." Darauf schlug der Holzhacker sein Beil wieder in den Baumstamm, so daß der Spalt wieder aufklaffte. Der Löwe zog die Tatzen heraus und ging nach Hause.

Der junge Löwe kam hinkend nach Hause. Die Löwin sah ihren Sohn und lachte. Die Löwin sagte: "Was hast du erlebt ?" Der junge Löwe sagte: "Der Sohn der Frau ist stärker als ich." Die Löwin sagte: "Der ist es, von dem ich sprach." Der junge Löwe sagte: "Ich habe viele Schläge erhalten." Die Löwin sagte: "Hast du ein Versprechen gegeben?" Der junge Löwe sagte: "Ich habe geschworen, die Söhne der Frauen nicht anzufassen, ehe sie nicht Leichen sind."

Als es Winter war, hütete der Holzhacker am Rande des Waldes



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seine Schafe. Aus dem Walde kamen zwei Löwen. Die stürzten sich auf den Mann, warfen ihn zu Boden und wollten ihn fressen. Der Holzhacker lag unter den Löwen am Boden. Aus dem Walde kam auch der junge Löwe. Er berührte den Mann mit der Tatze und sagte: "Bist du nicht der Sohn der Frau?" Der Holzhacker sagte: "Ja, ich bin der Sohn der Frau, den du im Sommer töten wolltest. Ich gab dir die Freiheit." Der junge Löwe stürzte sich auf die anderen beiden Löwen. Er tötete den einen Löwen. Der andere war aber stärker, als der junge Löwe. Er ließ von dem Holzhacker und sprang auf den jungen Löwen zu. Der freigewordene Holzhacker erhob sich, ergriff sein Beil und schlug den großen Löwen tot.

Von da an waren der Mann und der junge Löwe gute Freunde. Wenn der Löwe Hunger hatte, gab der Holzhacker ihm ein Schaf.


15. Die Tiere als Hirten

Der Panther (arreleth), der Schakal (sikh'schen) und der Eber (eleph) wohnten einmal gemeinsam in einem Hause. Sie waren miteinander befreundet. Der Panther befahl im Hause. Eines Tages sandte der Panther den Schakal aus und sagte: "Gehe auf den Markt und sieh, ob es da etwas Gutes für uns gibt." Der Schakal machte sich auf den Weg und kam bald an den Ort. Er wagte aber nicht, in den Ort hineinzugehen. Er sah sehr viel Schafe, die da feilgeboten wurden. Der Schakal kam zurück und sagte: "Ich sah auf dem Markte viele Schafe. Schicke nur den Eber und laß sehen, ob es nicht so ist." Der Panther fragte: "Warum hast du denn keines mitgebracht?" Der Schakal sagte: "Ich fand sie zu teuer. Der Eber soll entscheiden, ob es nicht so ist."

In der nächsten Woche, als wieder Markttag war, sandte der Schakal den Eber aus und sagte: "Gehe auf den Markt und sieh, ob es da etwas Gutes zu essen gibt." Der Eber machte sich auf den Weg und kam bald an den Ort. Er wagte aber nicht in den Ort hineinzugehen. Der Eber sah sehr viele Schafe, die da feilgeboten wurden. Der Eber kam zurück und sagte: "Ich sah auf dem Markte viele Schafe. Geh nur selbst und sieh zu, ob es nicht so ist." Der Panther fragte: "Warum hast denn keines mitgebracht?" Der Eber sagte: "Ich fand sie zu teuer. Geh selbst hin und entscheide, ob es nicht so ist."

In der nächsten Woche, als wieder Markttag war, sagte der Schakal



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zum Panther: "Gehe du heute selbst auf den Markt und sieh, ob es da etwas Gutes zu essen gibt." Der Eber sagte: "Ja, gehe du heute selbst. Du bist der Stärkste von uns dreien." Der Panther machte sich auf den Weg und kam bald an den Ort. Er wagte es aber nicht, auch in den Ort hineinzugehen. Er sah auch sehr viele Schafe, die da feilgeboten wurden. Der Panther kam zurück und sagte: "Ihr hattet recht, es sind sehr viele Schafe auf dem Markt, aber sie sind zu teuer."

Am andern Tage sagte der Panther zum Schakal: "Schakal, du hast mehr Erfahrung als ich und der Eber; gib uns einen Rat, wie wir uns ein Schaf beschaffen können." Der Schakal sagte: "Ein Schaf nützt uns wenig. Wir haben eine Mahlzeit davon und am andern Tage haben wir dieselbe Sorge um unser Fortkommen. Wir müssen unsere eigenen Herden von Schafen haben, die Junge werfen und uns so ein bequemes Leben verschaffen. Ich bin dann auch bereit, die Herden für euch zu hüten." Der Panther sagte: "Wie kommen wir aber zu den Herden?" Der Schakal sagte: "Hier in der Nähe ist eine große Ebene, auf der viele Hirten ihre Schafherden weiden. Geh du nun, Panther, als der Stärkste, dorthin, und wenn dann morgen früh alle Hirten zusammenkommen, springst du zwischen sie. Sie werden fortlaufen und der Eber kann die Schafe dann nach Hause treiben. Ich will sie dann schon weiden." Der Panther und der Eber waren einverstanden.

Am andern Morgen gingen der Panther und der Eber in die große Ebene. Sie trafen da mehrere Herden. Die Hirten waren zusammengetreten. Der Panther sprang zwischen sie. Die Hirten schrien: "Der Panther will uns fressen." Die Hirten liefen nach allen Seiten von dannen. Der Eber kam aus dem Busch und trieb die Herde zusammen. Dann trieb der Eber die Herde zu dem Hause, in dem der Panther, der Eber und der Schakal zusammen wohnten.

Am andern Tage trieb der Schakal die Herde auf die Weide. Er trieb die Schafe vor sich her. Aus dem Walde kam ein D'deb (ein wildes Fabeltier). D'deb sagte: "Vetter Schakal, du hütest die Schafe ?" Der Schakal sagte: "Ja, ich hüte die Schafe." D'deb sagte: "Gib mir ein Schaf oder ich verschlinge dich." Der Schakal gab D'deb ein Schaf.

Abends trieb der Schakal die Herde heim. Der Eber kam und zählte die Herde. Der Eber sah, daß ein Schaf fehlte. Der Eber beschimpfte den Schakal und sagte: "Du hast schlecht gehütet. Du hast ein Schaf verloren." Der Schakal sagte: "So hüte du morgen."



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Am andern Tage trieb der Eber die Herde auf die Weide. Er trieb die Schafe vor sich her. Aus dem Walde kam ein D'deb. D'deb sagte: "Vetter Eber, du hütest die Schafe?" Der Eber sagte: "Ja, ich hüte die Schafe."D'deb sagte: "Gib mir ein Schaf, oder ich verschlinge dich." Der Eber sagte: "Die Schafe gehören nicht mir. Sie gehören dem Panther." D'deb sagte: "Gib mir ein Schaf, oder ich verschlinge dich." Der Eber gab D'deb ein Schaf.

Abends trieb der Eber die Herde heim. Der Panther kam und zählte die Herde. Der Panther sah, daß ein Schaf fehlte. Der Panther beschimpfte den Eber und sagte: "Du hast schlecht gehütet. Du hast ein Schaf verloren." Der Eber sagte: "So hüte du morgen." Am andern Tage trieb der Panther also selbst die Herde auf die Weide. Er trieb die Schafe vor sich her. Aus dem Walde kam ein D'deb. D'deb sagte: "Vetter Panther, du hütest die Schafe?" Der Panther sagte: "Ja, ich hüte die Schafe." D'deb sagte: "Vetter Panther, gib mir ein Schaf oder ich verschlinge dich." Der Panther sagte: "Wähle dir ein Schaf aus." D'deb wählte sich ein Schaf und nahm es mit sich.

Abends trieb der Panther die Herde heim. Der Schakal kam und zählte die Herde. Der Schakal sah, daß ein Schaf fehlte. Der Schakal sagte: "Dir fehlt auch ein Schaf wie uns andern beiden. Bist du D'deb begegnet?" Der Panther sagte: "Ja, D'deb hat es mir geraubt, ich konnte es nicht hindern." Der Eber sagte: "So ist es mir auch gegangen."

Der Panther sagte zum Schakal: "Schakal, du hast die meiste Erfahrung. Sage uns, was wir in dieser Sache tun können. D'deb raubt uns jeden Tag ein Schaf. Wenn es so weiter geht, werden wir bald keine Schafe mehr haben." Der Schakal sagte: "Wir wollen den Sohn des Schmiedes bitten, daß er uns die Schafe hütet. Der Sohn des Schmiedes ist sicherlich stärker als D'deb." Sie riefen also den Sohn des Schmiedes.

Am andern Tag nahm der Sohn des Schmiedes seine Deissel auf den Rücken und trieb die Herde auf die Weide. Er trieb die Schafe vor sich her. Dann setzte er sich an den Waldrand und schnitzte mit der Deissel Löffel. Aus dem Walde kam D'deb. D'deb sagte: "Vetter Schmied, du hütest die Schafe ?" Der Sohn des Schmiedes sagte: "Ja, ich hüte die Schafe." D'deb sagte: "Schmied, gib mir ein Schaf oder ich verschlinge dich!" Der Sohn des Schmiedes sagte: "Wähle dir ein Schaf." Der Sohn des Schmiedes schnitzte an seinem Löffel weiter. D'deb wählte sich ein Schaf und wollte damit von



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dannen gehen. D'deb sah nochmals rückwärts, und sah den Sohn des Schmiedes (gelassen) schnitzen.

D'deb blieb stehen und fragte: "Vetter Schmied, was machst du da?" Der Sohn des Schmiedes sagte: "Ich schnitze mir ein Paar Stelzen (thirksellin), damit ich gehend über die Büsche sehen kann. D'deb kam zurück und sagte: "Schnitze mir doch auch ein paar Stelzen. Sieh, meine Vorderbeine sind kürzer als die Hinterbeine, das hindert mich beim Laufen." Der Sohn des Schmiedes sagte: "So komm her und laß dir Maß nehmen."

D'deb kam ganz dicht heran. Der Sohn des Schmiedes sagte: "Lege dich zum Maßnehmen auf den Rücken, damit ich die Länge ausmessen kann." D'deb legte sich auf den Rücken und streckte die Füße in die Höhe. Der Sohn des Schmiedes band die vier Füße D'debs fest zusammen. Dann schlug er mit der Deissel zu und die vier Füße mit einem Schlage ab. Dann schlug der Sohn des Schmiedes mit einem zweiten Schlage den Kopf D'debs ab und steckte ihn in seine Tasche. Hernach schnitzte er an seinen Löffeln weiter.

Abends trieb der Sohn des Schmiedes die Herde heim. Der Panther kam und zählte die Herde. Es fehlte kein Schaf. Der Eber kam und zählte die Herde. Es fehlte kein Schaf. Der Schakal kam und zählte die Herde. Es fehlte kein Schaf. Der Panther, der Eber und der Schakal fragten den Sohn des Schmiedes: "So bist du D'deb nicht begegnet?" Der Sohn des Schmiedes sagte: "Gewiß, bin ich D'deb begegnet." Er zog D'debs Kopf aus der Tasche und warf ihn den drei andern hin. Der Panther, der Eber und der Schakal sprangen voller Entsetzen auseinander.

Der Panther, der Eber und der Schakal sagten untereinander: "Der Sohn des Schmiedes ist klüger und stärker als wir. Der Sohn des Schmiedes hat D'deb getötet. Der Sohn des Schmiedes wird, wenn es erst Nacht ist, auch uns töten, um morgen alle Schafe allein zu besitzen. Was sollen wir tun, um uns seiner zu erwehren ?" Der Schakal sagte: "Wir müssen wissen, wann er schläft."

Der Schakal kam zum Sohn des Schmiedes und fragte ihn: "Woran kann man erkennen, daß du schläfst?" (milnuth[e]geurth). Der Sohn des Schmiedes sagte: "Sagt mir zuerst, woran man erkennt, daß ihr schlaft. Nachher will ich euch dann auch sagen, woran ihr erkennt, wenn ich schlafe." Der Schakal sagte: "Wenn die Bohnen aus dem Meere aufwachsen, ist das ein Zeichen, daß ich schlafe." Der Eber sagte: "Wenn das Salz im Topf aufblüht, ist das ein Zeichen, daß ich schlafe." Der Panther sagte: "Wenn vor dir ein Stein



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rot wird, ohne daß es ein Fluß ist, ist das ein Zeichen, daß ich schlafe." Der Schmied sagte: "Wenn der Hammer, die Zange und die Eisenstange im Feuer zu Wasser zerrinnen, ist das ein Zeichen, daß ich schlafe."

Der Sohn des Schmiedes legte sich zum Schlafen nieder. Der Panther, der Eber und der Schakal nahmen den Hammer, die Zange und die Eisenstange des Schmiedes und legten sie ins Feuer, um zu sehen, wann sie zu Wasser zerfließen würden. Der Eber ging hinaus und brach Holz für das Feuer, der Panther trug das Holz ins Haus zu dem Feuer, der Schakal blies das Feuer an.

Nach einiger Zeit wurde der Schakal über dem Feuerblasen schläfrig, legte sich hin und schlief ein. Einige Zeit nachher wurde der Eber vom Holzschlagen müde, legte sich nieder und schlief ein. Endlich wurde auch der Panther vom Holztragen müde, legte sich nieder und schlief ein.

Als alle drei eingeschlafen waren, stand der Sohn des Schmiedes auf. Er sah, daß die drei eingeschlafen waren. Er zog die glühende Eisenstange aus dem Feuer und stieß damit den Schakal in den Rücken. Der Schakal sprang auf und lief schnell aus dem Hause. Der Sohn des Schmiedes zog den glühenden Hammer aus dem Feuer und schlug damit dem Panther auf den Rücken. Der Panther sprang auf und lief schnell aus dem Hause. Der Sohn des Schmiedes zog die glühende Zange aus dem Feuer und kniff damit dem Eber an die Schnauze. Der Eber sprang auf und lief schnell aus dem Hause. Als der Panther, der Eber und der Schakal aus dem Hause gelaufen waren, legte der Sohn des Schmiedes die Eisenstange, die Zange und den Hammer wieder in das Feuer und schloß die Tür hinter dem Panther, dem Eber und dem Schakal zu.

Der Panther, der Eber und der Schakal trafen im Walde zusammen. Sie sagten zueinander: "Wir wollen den Sohn des Schmiedes töten. Wir wollen nur abwarten, bis er schläft." Der Panther sagte zudem Schakal: "Geh du jetzt hin, sieh durch die Türe und melde uns, ob der Sohn des Schmiedes schläft oder was er treibt." Der Schakal lief zum Hause zurück. Der Schakal legte das Ohr an die Ritze der Haustür, um zu horchen, ob er etwas vom Sohn des Schmiedes zu hören vermöge. Der Sohn des Schmiedes nahm die glühende Eisenspitze wieder aus dem Feuer und stieß sie durch die Ritze in das Ohr des Schakals. Die Eisenstange ging durch den Kopf des Schakals und kam zum andern Ohr wieder heraus. Der Schakal schrie auf und rannte von dannen. Als der Schakal seine Kameraden



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traf, fragten diese ihn: "Hast du etwas gemerkt ?" Der Schakal sagte "Ich habe nichts gemerkt."

Der Panther sagte zum Eber: "Geh du jetzt hin und sieh durch die Türritze und melde uns, ob der Sohn des Schmiedes schläft oder was er treibt." Der Eber lief zum Hause zurück. Der Eber steckte die Schnauze durch die Türritze und schnupperte. Der Sohn des Schmiedes nahm die glühende Zange wieder aus dem Feuer, packte damit die Schnauze des Ebers und kniff sie ihm ab. Der Eber schrie auf und rannte von dannen. Als der Eber seine Kameraden traf, fragten diese ihn: "Hast du etwas gemerkt?" Der Eber sagte: "Ich habe nichts gemerkt."

Der Panther sagte: "Jetzt werde ich selbst hingehen und unter die Tür hindurchsehen. Ich werde euch dann melden, ob der Sohn des Schmiedes schläft oder was er treibt." Der Panther lief zum Hause zurück. Der Panther setzte den Kopf unter die Tür hinein, um zu sehen, was im Hause vor sich gehe. Der Sohn des Schmiedes nahm den glühenden Hammer wieder aus dem Feuer und schlug damit mit aller Kraft dem Panther auf den Kopf. Der Panther ward erst ohnmächtig; dann erhob er sich und taumelte zu dem Eber und dem Schakal zurück. Der Eber und der Schakal fragten: "Hast du etwas gemerkt?" Der Panther sagte: "Ich bekam einen Schlag, als ob sieben Männer sieben Schläge getan hätten."

Der Panther, der Eber und der Schakal flohen. Sie liefen so schnell wie möglich von dannen, um dem Sohne des Schmiedes zu entgehen. Sie kamen an eine Farm, die an einem Flusse lag. Am Flusse stand ein Baum. Ein Kind ging vorbei. Der Panther sprang auf den Baum. Der Eber sprang auf einen Strohhaufen. Der Schakal war noch nicht angekommen. Aus dem Hause kam eine Ratte. Sie wurde von einer Katze verfolgt. Die Katze schrie: "Mau, Mau, chchch! Mau, Mau, chchch!" Der Panther erschrak. Er dachte, das Kind riefe die anderen Leute zu Hilfe. Er sprang vom Baum. Er fiel gerade in den Fluß. Die Wellen des Flusses trugen ihn fort.

Der Sohn des Schmiedes blieb im Besitz der Herden. Er war ein wohlhabender Mann geworden.



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16. Das Rotkehlchen

In alter Zeit war ein Rotkehlchen, das war ganz besonders groß und der Agelith der Vögel. Als Agelith der Tiere gab das Rotkehlchen eines Tages den Befehl: "In Zukunft wollen wir unser Nest nicht im Sommer, sondern im Winter bauen." Die Vögel gehorchten. Alle Vögel bauten nun ihre Nester im Winter. Das Rotkehlchen aber machte sein Nest an einer Wand unter einem überhängenden Felsen.

Eines Tages kam nun der Hagel (äveruri). Der Hagel zerschlug alle Nester. Nur das Nest des Rotkehlchens, das von dem überhängenden Felsen geschützt wurde, zerbrach nicht. Das Rotkehlchen saß in seinem Nest und lachte. Die andern Vögel, deren Nester zerstört waren, flogen ängstlich umher. Sie kamen am Neste des Rotkehlchens vorbei und hörten es lachen. Die andern Vögel fragten: "Weshalb lacht das Rotkehlchen?" Sie fragten das Rotkehlchen: "Weshalb lachst du?" Das Rotkehlchen sagte: "Seht, ich habe mein Nest so gebaut, daß es geschützt ist. Eure Nester sind zerstört. Mein Nest ist nicht zerstört."

Darauf wurden die andern Vögel zornig. Sie schlugen das Rotkehlchen so, daß das Rotkehlchen der kleinste Vogel wurde, den es gibt. Und seitdem hat das Rotkehlchen nichts mehr zu sagen.


17. Der Schakal und die Lämmer

Eine Schafmutter hatte zwei junge Lämmer in einer Grotte (=lrär oder lghar), die ihr Haus war. Die Mutter ging jeden Tag auf die Weide, graste, riß das Gras ab und brachte es dann auf ihren Hörnern nach Hause. Wenn sie an die Grotte kam, klopfte sie dann an und rief: "Der Topf (thahalebth) zwischen den Schenkeln (damit ist das Euter gemeint) und das Heubündel zwischen den Hörnern!" Dieses Wort war das Erkennungszeichen. Wenn die jungen Lämmer das hörten, wußten sie, daß die Mutter draußen war. Dann öffneten sie die Tür und die Mutter kam mit dem Grasbündel zwischen den Hörnern herein. Die Mutter sagte aber oft zu den jungen Lämmern: "Ihr dürft nie jemand andern die Tür öffnen als mir. Ihr erkennt mich an diesen Worten und an meiner Stimme." Die jungen Lämmer versprachen es.

Eines Tages kam die Schafmutter mit der Last Heu zwischen den Hörnern nach Hause zu der Grotte und rief wieder: "Der Topf zwischen den Schenkeln und das Heubündel zwischen den Hörnern."



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18. Der widerspenstige Widder (Kettenerzählung)

Ein Mann hatte eine Tochter, die liebte er mehr als alles andere. Die Tochter konnte von ihrem Vater verlangen, was sie wollte. Der Vater verweigerte vielleicht erst ihre Wünsche. Nachher aber erfüllte er sie. Eines Tages kam die Tochter zu ihrem Vater und. sagte: "Mein Vater, ich bitte dich, schenke mir einen Widder (ikerri),. daß ich ihn auf die Weide führe." Der Vater sagte: "Meine Tochter, sei vernünftig. Jetzt kommt bald der Winter. Da kannst du den Widder nicht auf die Weide führen." Die Tochter bat den Vater aber so lange, daß er ihr zuletzt, gerade noch ehe es Winter wurde, den Widder schenkte.

Das Mädchen führte den Widder auf die Weide. Es war aber sehr kalt. Das Mädchen kletterte also auf einen Baum und wickelte sich ein. Das Mädchen blieb den Tag über auf dem Baum, weil es auf der Erde zu kalt zum Sitzen war. Als es Abend war, kam das Mädchen von dem Baum herab und sagte zu dem Widder: "Komm, nun wollen wir wieder nach Hause gehen." Der Widder sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen den Schakal (uschen) und sagte: "Der Widder will mir nicht folgen; beiße das Schaf. Der Schakal sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen die Hyäne (areless) und sagte: "Der Schakal will mir nicht folgen; beiße den Schakal!" Die Hyäne sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen den Löwen (isem) und sagte: "Die Hyäne will mir nicht folgen; beiße die Hyäne!" Der Löwe sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen die Löwin (tessedan) und sagte: "Der Löwe will mir nicht folgen; beiße den Löwen!" Die Löwin sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen die Lederschnur (thathisma) und sagte: "Die Löwin will mir nicht folgen; binde die Löwin!" Die Lederschnur sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen die Ratte (irradäjn) und sagte: "Die Lederschnur will mir nicht folgen; zerknabbere die Lederschnur." Die Ratte sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen die Katze (amschisch) und sagte: "Die Ratte will mir nicht folgen; fange die Ratte!" Die Katze sagte: "Ich will aber nicht."



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Da rief das Mädchen den Hund (akkejun) und sagte: "Die Katze will mir nicht folgen; packe die Katze!" Der Hund sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen den Stock (akueth) und sagte: "Der Hund will mir nicht folgen; schlage den Hund!" Der Stock sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen das Feuer (themith) und sagte: "Der Stock will mir nicht folgen; brenne den Stock!" Das Feuer sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen das Wasser (ämen) und sagte: "Das Feuer will mir nicht gehorchen; lösche das Feuer!" Das Wasser sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen den Ochsen (asgir) und sagte: "Das Wasser will mir nicht folgen; saufe das Wasser!" Der Ochse wollte aber nicht.

Da rief das Mädchen das Messer (ajenui) und sagte: "Der Ochse will mir nicht folgen; schlachte den Ochsen." Das Messer sagte: "Ich will aber nicht."

Da rief das Mädchen den Schmied (Ach[e]dad) und sagte: "Das Messer will mir nicht folgen; nimm das Messer, lege es in das Feuer, mache es glühend und schmiede es!" Der Schmied sagte: "Das soll sogleich geschehen."

Der Schmied wollte das Messer nehmen. Das Messer sah es, es schrak, und lief nun zum Ochsen, um ihn zu schlachten. Der Ochse sah das Messer kommen, erschrak und begann sogleich das Wasser zu saufen. Das Wasser fühlte das Saufen des Ochsen, erschrak und lief sogleich, um das Feuer zu löschen. Das Feuer fühlte das Wasser, erschrak und lief sogleich den Stock zu brennen. Der Stock fühlte das Feuer, erschrak und lief sogleich den Hund zu schlagen. Der Hund sah den Stock kommen, er erschrak und lief sogleich hinter der Katze her. Die Katze hörte den Hund bellen, erschrak und sprang sogleich auf die Ratte los. Die Ratte sah die Katze, erschrak und begann sogleich an der Lederschnur zu knabbern. Die Lederschnur fühlte die Zähne der Ratte, erschrak und sprang sogleich auf die Löwin zu, um sie zu binden. Die Löwin fühlte die Lederschnur, erschrak und sprang auf den Löwen zu. Der Löwe sah die Löwin kommen, erschrak und lief sogleich auf die Hyäne zu. Die Hyäne sah den Löwen kommen, erschrak und sprang sogleich auf den Schakal zu. Der Schakal sah die Hyäne kommen, erschrak und sprang sogleich auf den Widder zu, um ihn zu beißen.



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Der Widder sah, wie der Schakal auf ihn zusprang, um ihn zu beißen. Der Widder erschrak. Der Widder lief sogleich von dannen. Der Widder lief so schnell er konnte nach Hause. Als der Widder nun endlich nach Hause kam, packte ihn der Vater und schlachtete ihn. Der Widder wurde vom Vater und seiner Tochter gegessen.


19. Die Teriel und die Fliege (Kettenerzählung)

Eine Teriel (Hexe) hatte Ziegen. Sie pflegte die Ziegen gut, molk sie regelmäßig und verkaufte die Sahne. Es kam aber eine Isi (Fliege), die stahl der Teriel regelmäßig die Sahne, und die Teriel wurde darüber so wütend, daß sie die Fliege eines Tages fing, um sie töten und, wie es ihre Art war, sie verschlingen wollte. Die Fliege bat aber so sehr um ihr Leben, daß die Teriel zuletzt Gnade für Recht ergehen ließ und ihr zur Strafe nur die Flügel ausriß. Die Fliege konnte daher nicht mehr fliegen.

Eines Tages war nun ein großes Fest der Onkel (der chueli d. h. mütterliche Onkel, Sg. chali; väterl. Onkel, Sg. ami, Pl. leamum) und alle Fliegen kamen zu den Onkeln zu Gaste. Nur die Fliege, der die Teriel die Flügel ausgerissen hatte, konnte nicht kommen, weil sie nicht fliegen konnte. Die Fliege kam deshalb zur Teriel und bat: "Gib mir doch meine Flügel wieder, damit ich zum Feste meiner Onkel kommen kann." Die Teriel sagte: "Gib mir meine Milch wieder, dann sollst du deine Flügel wieder erhalten."

Die Fliege lief zur Ziege und sagte: "Bitte, gib mir deine Milch, damit ich meine Flügel erhalten kann, sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel." Die Ziege sagte: "Bring mir frische Blätter, dann will ich dir meine Milch geben."

Die Fliege lief zur Pflanze und sagte: "Bitte, gib mir deine Blätter, damit mir die Ziege die Milch und die Teriel meine Flügel gibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel!" Die Pflanze sagte: "Bring mir frisches Wasser, dann will ich dir meine Blätter geben."

Die Fliege lief zur Quelle und sagte: "Bitte, gib mir dein frisches Wasser, damit mir die Pflanze ihre Blätter, die Ziege ihre Milch und die Teriel meine Flügel gibt, sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen." Die Quelle sagte: "Rufe die Maurer, daß sie mir ein Becken mauern, dann will ich dir mein Wasser geben."

Die Fliege lief zu den Maurern und sagte: "Bitte, mauert der



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Quelle ein Becken, damit sie mir ihr Wasser, die Pflanze die Blätter, die Ziege die Milch und die Teriel mir meine Flügel gibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen!" Die Maurer sagten: "Ruf uns eine Sängerin (Taghemait), die uns singt, dann wollen wir der Quelle ein Becken mauern."

Die Fliege lief zu der Sängerin und sagte: "Bitte, singe den Maurern, damit sie der Quelle ein Becken mauern, damit die Quelle mir das Wasser, die Pflanze mir die Blätter, die Ziege die Milch und die Teriel mir meine Flügel wiedergibt; sonst kann ich nicht zum Feste meiner Onkel fliegen." Die Sängerin sagte: "Beschaffe mir einen Hund, der mich schützt, dann will ich den Maurern zur Arbeit singen."

Die Fliege lief zum Hund und sagte: "Bitte, komme mit mir zur Sängerin und gehe dann mit der Sängerin und schütze sie, damit sie den Maurern singt, damit die Maurer das Becken bauen, damit die Quelle das Wasser, die Pflanze die Blätter, die Ziege die Milch, die Teriel mir aber meine Flügel gibt, sonst kann ich nicht zum Fest meiner Onkel fliegen." Der Hund sagte: "Laufe voraus, ich will dir folgen und die Sängerin schützen."

Der Hund lief mit der Fliege zur Sängerin. Die Sängerin ging unter dem Schutze des Hundes zu den Maurern. Die Maurer bauten für die Quelle ein Becken. Die Quelle gab für die Pflanze das Wasser. Die Pflanze gab für die Ziege ihre Blätter. Die Ziege gab der Fliege die Milch. Die Fliege brachte der Teriel die Milch. Die Teriel setzte der Fliege wieder die Flügel an. Die Fliege flog zum Fest ihrer Onkel, und es war ein langes und sehr schönes Fest.


20. Braerosch, der Hirt (Kettenerzählung)

Braerosch, ein Hirt, weidete die Schafe seines Herrn. Eines Tages kam ein Schakal, der packte ein Schaf aus der Herde Braeroschs und schleppte es fort. Als Braerosch das merkte, erschrak er und sagte: "Heute abend werde ich die Herde nach Hause treiben. Mein Herr wird sehen, daß ich ein Schaf nicht mit nach Hause bringe. Mein Herr wird mich schlagen." Braerosch kam nach Hause und war voller Angst.

Seine Mutter setzte Braerosch die Suppe vor. Braerosch wollte aus Angst aber seine Suppe nicht essen. Die Mutter sagte zu dem Stock:



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"Braerosch will seine Suppe nicht essen, schlage ihn." Der Stock wollte aber Braerosch nicht schlagen. Da sagte die Mutter zum Feuer: "Brenne den Stock, denn er will Braerosch nicht schlagen." Das Feuer wollte aber den Stock nicht brennen. Da sagte die Mutter zum Wasser: "Lösche das Feuer, denn es will den Stock nicht brennen." Das Wasser wollte aber das Feuer nicht löschen. Da sagte die Mutter zum Ochsen: "Saufe das Wasser, denn es will das Feuer nicht löschen." Der Ochse wollte aber das Wasser nicht saufen. Da sagte die Mutter zum Messer: "Schlachte den Ochsen, denn er will das Wasser nicht saufen." Das Messer wollte aber den Ochsen nicht schlachten. Da sagte die Mutter zum Schmied: "Zerschlage das Messer auf dem Amboß, denn es will den Ochsen nicht schlachten!" Der Schmied wollte aber das Messer nicht zerschlagen. Da sagte die Mutter zur Schnur: "Erhänge den Schmied, denn er will das Messer nicht zerschlagen!" Die Schnur wollte aber den Schmied nicht erhängen. Da sagte die Mutter zur Maus: "Zernage die Schnur, denn sie will den Schmied nicht erhängen." Die Maus wollte aber die Schnur nicht zernagen. Da sagte die Mutter zur Katze: "Fang und verschlucke die Maus, denn sie will den Strick nicht zernagen."

Die Katze sagte: "Gewiß will ich das tun, zeige mir nur schnell, wo die Maus ist, so soll sie gleich gegriffen und verschluckt werden."

Als die Maus hörte, daß die Katze sie verschlucken wollte, sagte sie: "Ich bin bereit, die Schnur zu zernagen." Als die Schnur hörte, daß die Maus sie zernagen wollte, sagte sie: "Ich bin bereit, den Schmied zu erhängen." Als der Schmied hörte, daß die Schnur ihn erhängen wollte, sagte er: "Ich bin bereit, das Messer zu zerschlagen." Als das Messer hörte, daß der Schmied es zerschlagen wollte, sagte es: "Ich bin bereit, den Ochsen zu schlachten." Als der Ochse hörte, daß das Messer ihn schlachten wollte, sagte er: "Ich bin bereit, das Wasser zu saufen." Als das Wasser hörte, daß der Ochse es saufen wollte, sagte er: "Ich bin bereit, das Feuer auszulöschen." Als das Feuer hörte, daß das Wasser es auslöschen wollte, sagte es: "Ich bin bereit, den Stock zu brennen." Als der Stock hörte, daß das Feuer ihn brennen wollte, sagte er: "Ich bin bereit, Braerosch zu schlagen."

Als Braerosch hörte, daß der Stock ihn schlagen wollte, aß er schnell seine Suppe.



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21. Die Mädchen bei der geizigen Katze

Ein Mann heiratete eine Frau. Die schenkte ihm sieben Töchter. Kaum waren diese sieben Töchter herangewachsen, da starb die Frau und der Mann heiratete eine zweite Frau. Diese zweite Frau konnte aber die sieben Töchter ihres Mannes aus der Ehe mit der ersten Frau nicht leiden und so sagte sie eines Tages zu ihm: "Entweder du entfernst die sieben Töchter deiner ersten Frau aus deinem Hause, oder ich kehre zu meinem Vater zurück. Ich mag nicht mehr mit den sieben Mädchen zusammensein."

Der Vater war darüber sehr betrübt, wußte sich aber nicht zu helfen. Seine neue Frau wollte er behalten, und so sagte er eines Tages zu seinen Töchtern: "Kommt mit mir, wir wollen zu einem L'kama gehen, der am Meere liegt und wollen da beten." Die sieben Töchter kamen darauf mit ihm. Er führte sie zu dem L'kama ans Meer. Er sagte: "Nun wollen wir noch vor dem Gebet ein Bad nehmen. Springt ihr voran; ich werde euch folgen." Der Vater stieß die sieben Töchter vom hohen Ufer aus in das Meer hinab. Dann kehrte er nach Hause zurück und sagte zu seiner Frau: "Dein Wunsch ist erfüllt."

Die sieben Mädchen gingen im Meere unter. Sie ertranken aber nicht, sondern sie kamen auf den Grund des Meeres, und da trafen sie einen Mann, der hatte sein Haus auf dem Grunde des Meeres. Er sprach die sieben Mädchen an. Er lud sie ein, in sein Haus zu kommen und bei ihm zu speisen. Er setzte ihnen gutes Essen vor. Die sieben Mädchen aßen. Dann fragte er die Mädchen: "Wie kommt ihr alle miteinander in das Meer?" Die Mädchen sagten: "Unsere Mutter ist gestorben. Unser Vater nahm eine zweite Frau. Die zweite Frau verlangte von ihm, daß er uns entferne. Da warf er uns denn ins Meer." Der Mann sagte: "Habt keine Furcht, ihr werdet ein gutes Schicksal haben. Ich werde euch an das Ufer helfen und werde euch einen Weg zeigen, auf dem ihr zu einer guten Unterkunft gelangen werdet."

Am andern Tag führte der Mann die sieben Mädchen an das Ufer und sagte: "Schlagt diesen Weg ein!" Die sieben Mädchen bedankten sich, nahmen Abschied und gingen auf dem vorgeschriebenen Wege dahin, bis sie an ein einsames Gehöft kamen, das hatte flur 

* L'kama Plur. Lemkam; auch Luelli Plur. Leulija sind heilige Plätze, an denen gebetet wird. Diese heiligen Plätze sind nicht unbedingt mit dem Djema, den islamischen Betplätzen zu identifizieren. Die L'kama werden in arabischer Sprechweise als "Marabu" erklärt.


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zwei Kammern. Die eine Kammer war geschlossen, die andere offen. Da gingen sie in die offene und schlossen hinter sich die Türe ab.

Die jüngste unter den sieben Mädchen wollte aber wissen, wer in der geschlossenen Kammer wohne. Und als die älteren sechs Schwestern vor Müdigkeit eingeschlafen waren, nahm sie einen Stein, kratzte den Lehm von der Mauer, bog die Stäbe des Wandgeflechts auseinander und schlüpfte durch die Lücke in die verschlossene Kammer hinüber. Auf der anderen Seite kauerte sie dann auf der Urnenbank zwischen den Akufin (Speicherurnen) im Winkel nieder.

Als es Abend war, wurde die Tür geöffnet. Der Herr der Kammer und des Gehöftes kam und betrat die Kammer. Die Jüngste steckte den Kopf etwas vor. Da sah sie, daß es ein Kater war, der seine Schafe von der Weide heimgetrieben hatte. Der Kater ging zu einem Kornkrug, öffnete ihn, nahm Weizen heraus und sagte: "Mit Hilfe Gottes (slaeun arbe) wünsche ich mir ein Brot." Sogleich entstand ein Brot. Der Kater aß das Brot, streckte sich auf seiner Matte aus und schlief ein.

Sobald der Morgen anbrach, erhob sich der Kater, öffnete die Tore, schloß die Tür seiner Kammer von außen zu und trieb seine Herde auf die Weide. Kaum war der Kater fortgegangen, so kam die Jüngste aus ihrem Versteck hervor. Sie schlüpfte zu den sechs Schwestern und fand sie weinend, denn sie hatten großen Hunger. Die Jüngste sagte: "Ach! Ihr braucht weder zu hungern noch zu weinen. Wir haben alles im Hause. Wir haben hier so viel, daß es für ein Jahr genügt. Wartet nur ein kleines Weilchen."

Danach kehrte die Jüngste durch das Loch in der Wand in die Kammer des Katers zurück, griff in den Korntopf, nahm reichlich Weizenkorn heraus, legte es auf eine Platte und sagte: "Mit Hilfe Gottes wünsche ich mir ein gründliches Gericht Aschechschuch!" (Ein gebäckartiges feines Gericht aus Weizenmehl und Milch.) Sogleich war das Gericht bereitet. Sie nahm die Platte auf und trug sie durch das Loch hinüber zu ihren sechs Schwestern. Die sieben Geschwister aßen sich gründlich satt. Die Jüngste hob aber von ihrem Anteil ein klein wenig auf und trug diesen auf der Platte durch das Wandloch hinüber in die Kammer des Katers und stellte es dort so hin, daß der Kater es heimkehrend sehen mußte. Dann versteckte sie sich wieder zwischen den Akufin.

Am Abend kam der Kater mit seiner Herde wieder heim. Als er seine Kammer öffnete und umhersah, erblickte er sogleich die Platte mit dem Rest von Aschechschuch. Voller Zorn schlug er sich bei



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diesem Anblick vor den Kopf und rief: "Was? Ich, ich der Herr des Hauses, ich esse aus Sparsamkeit alle Tage nur trockenes Brot und nun kommt irgend wer Fremdes und ißt hier Aschechschuch?! O, diese Verschwendung. Dafür werde ich aber heute abend nicht einmal mein trockenes Brot essen, um das Verlorene ein wenig einzubringen." Zornig legte der Kater sich hin und war bald, ohne die Reste des Aschechschuch weiter anzusehen, hungrig eingeschlafen.

Als die jüngste der sieben Schwestern nun aber am Schnarchen des Katers merkte, daß er eingeschlafen war, kam sie heraus und nahm die Überreste des Aschechschuch und strich sie dem Kater auf das Rückenende und an die Hinterbeine. Dann versteckte sie sich wieder, bis es Morgen ward, zwischen den Akufin. Als der Morgen graute, erwachte der Kater. Sein zorniger Blick fiel sogleich auf die Platte, auf der gestern die Reste des Aschechschuch gelegen hatten, denn er hatte nicht einmal beim Schlafen und Schnarchen die Wut über die ungehörige Verschwendung vergessen. Der Kater erstaunte sehr, daß er die Reste des Aschechschuch nicht erblicken konnte. Erstaunt blickte er nach allen Seiten um sich und entdeckte sie endlich an seinem Rückenende und an den Beinen. Zornig sprang er auf und schrie: "Was sehe ich! Ich selbst gönne mir, um zu sparen, nicht einmal mehr das trockene Brot und mein Hinterteil mästet sich mit Aschechschuch! ?! Was, ich soll nicht einmal mehr allein die Herrschaft über meine Sparsamkeit haben!?! Das will ich denn doch ein für allemal bestrafen. Warte, mein Hinterteil!"Der Kater ging hin. Er machte eine eiserne Hackenspitze im Feuer glühend und bohrte sie sich dann in das Hinterteil. Der Kater brüllte vor Schmerz und schrie: "So, mein Hinterteil! Nun werden wir ja sehen, wer die Herrschaft über meine Sparsamkeit hat!" Dann starb der Kater stöhnend.

Sobald der Kater gestorben war, kam die Jüngste aus ihrem Versteck heraus und rief die älteren sechs Schwestern herbei. Sie zeigte ihnen alle Schätze und allen Besitz, der nun den sieben Schwestern zufiel und sie wurden außerordentlich fröhlich, denn es war nun bis an ihr Lebensende für sie gesorgt.


22. Das Mädchen im Holzblock

Ein Mann hatte sieben Töchter. Die Mutter der sieben Mädchen war gestorben. Eines Tages wollte der Mann eine lange Reise antreten und sagte zu seinen Töchtern: "Bereitet euch Essen für ein Jahr!"



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Als dies geschehen war, besichtigte er das Essen und sagte: "Nun sorgt, daß ihr für ein Jahr genug Feuerholz im Hause habt."Danach rief er die Töchter wieder zusammen und sagte: "Ich werde eine lange Reise antreten, von der ich vielleicht erst nach einem Jahre zurückkommen werde. Ihr habt nun genug Nahrungsmittel und Feuerholz im Gehöft, um nicht nötig zu haben, das Haus zu verlassen. Der Brunnen im Hofe gibt Wasser. Ihr braucht also von niemand irgendeine Sache. Nun habt ihr keine Verwandten hier, die euch genügend schützen könnten, wenn euch etwas zustößt. Deshalb schließt, sowie ich euch verlassen habe, die sieben Tore des Gehöfts hinter mir zu und laßt niemand mehr herein, bis ich wieder von der Reise zurückkehre. Wenn ich nun heimkehre, werde ich vor dem Fenster eine weiße Fahne (=tall'lamth) zeigen, und nur, wenn ihr diese Fahne seht, öffnet die sieben Türen." Die Töchter versprachen dem Vater, so zu handeln, und der Vater begab sich auf Reisen. Sowie er fortgegangen war, schlossen die Töchter von innen die sieben Türen zu und nahmen die Schlüssel an sich.

In dem Dorfe war ein junger Mann mit Namen Akli. Der wollte die jüngste der sieben Töchter heiraten; das Mädchen hatte ihn aber immer von sich gewiesen, weil sie ihn verabscheute. Als der Vater der sieben Töchter nun abgereist war, ging Akli zu einer listigen alten Frau und sagte: "Wenn du es mir möglich machst, in das verschlossene Haus der sieben Mädchen zu kommen und die Jüngste herauszunehmen, will ich dich reichlich belohnen." Die Alte versprach zu tun, was möglich sei und erwog die Sache.

Am andern Tage klopfte die Alte an einem Tore des Gehöfts der Mädchen. Die Mädchen riefen von innen: "Laß das Klopfen. Wir werden nicht öffnen." Die Alte rief: "Mir könnt ihr öffnen, ich bin die Schwester eurer verstorbenen Mutter. Ich habe gehört, daß ihr so einsam seid, seit euer Vater fortgereist ist, und deshalb bin ich über die Berge herübergekommen, um zu sehen, wie es den Töchtern meiner Schwester geht. Mir, der Schwester eurer Mutter, könnt ihr öffnen!" Die jüngste der sieben Schwestern war gerade auch an der Tür und sie antwortete: "Unser Vater hat keinen Bruder und unsere Mutter hat keine Schwester gehabt. Also kann das nicht wahr sein und wir werden, wie unser Vater es angeordnet hat, die Tür nicht öffnen!" Die Alte antwortete: "So wißt ihr nicht gut Bescheid um eure Verwandtschaft. Laßt es aber für heute. Ich bin mit meiner Tochter herübergekommen, und wir haben bei der Frau



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des Amin gutes Unterkommen. Ich werde morgen noch einmal an klopfen." Damit ging die Alte weg.

Als die Alte gegangen war, sagte die älteste Schwester zu der jüngsten: "Weshalb sollen wir die alte Frau nicht einmal zur Plaudern für einige Zeit hereinkommen lassen? Wir sind immer nur unter uns und es wird wirklich langweilig mit der Zeit." Die Jüngste sagte: "Weshalb wir die Alte nicht hereinkommen lassen wollen? —Weil der Vater verboten hat, irgend jemand hereinzulassen. Und weil unsere verstorbene Mutter gar keine Schwester gehabt hat." Die ältesten Schwestern sagten aber: "Du hast unsere Mutter gar nicht mehr gekannt. Wir können nicht wissen, ob wir eine Verwandte unserer Mutter haben oder nicht. Und was soll es schaden, wenn wir einmal eine alte Frau hereinlassen, um uns zu unterhalten?" Die andern Schwestern sagten: "Die Älteste hat recht! Was soll uns eine alte Frau schaden. Wir wollen uns einmal unterhalten!" Die Jüngste sagte: "Wenn ihr es tut, tut ihr es gegen den Willen unseres Vaters!" Die älteren Schwestern sagten: "Wir wollen uns einmal unterhalten. Wenn der Vater uns verboten hat, jemand eine Tür zu öffnen, so tat er es, um uns vor Schaden zu schützen. Ein alte Frau kann uns aber nicht schaden."

Am andern Tage klopfte die Alte wieder am Gehöft der sieben Mädchen an und rief: "Nun, ihr Kinder meiner Schwester, wollt ihr mir heute erlauben, daß ich ein wenig hereinkomme und nach euerm Befinden Umschau halte? Darf ich euch heute ein wenig unterhalten?" Die jüngste Schwester wollte antworten. Die älteste schob sie aber zur Seite und öffnete der Alten. Die Alte kam herein. Die Alte sprach viel. Die Alte erzählte viel. Die Alte blieb einige Stunden und sagte: "Wenn ihr es mir erlaubt, will ich morgen für einen Tag zu euch kommen und nachts bei euch bleiben. Dann werde ich euch noch mehr von eurer verstorbenen Mutter, meiner Schwester, erzählen." Die Alte ging. Die Schwestern schlossen hinter ihr die Tür. Die älteste Schwester sagte zur jüngsten: "Nun sage selbst, was der Besuch der Alten uns geschadet hat! Ich fühle noch keinen Schaden." Die andern fünf Schwestern sagten: "Wir freuen uns darauf, daß die Alte morgen wieder kommt und wollen sie zur Nacht dabehalten." Die Jüngste sagte: "Tut was ihr wollt. Ich einzelne kann gegen euch sechs nichts machen. Ich werde aber meinen Schlüssel auch für die Alte nicht hergeben."

Am andern Tage kam die Alte wieder. Sie erzählte viel und unterhielt die Mädchen. Die sechs ältesten Mädchen baten sie zur Nacht



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zu bleiben. Abends erzählte sie von ihrer Tochter. Sie sagte: "Morgen kann ich nun nicht wieder hierher kommen, denn übermorgen früh will ich zurückwandern und mag nicht zwei Tage hintereinander meine Tochter allein lassen." Da sagte die Älteste: "So bring doch morgen abend deine Tochter mit hierher. Wir werden euch ein gutes Essen bereiten." Die Alte sagte: "Es ist gut, ich werde meine Tochter mitbringen. Ihr müßt allerdings wissen, daß meine arme Tochter stumm ist und nicht reden kann. Sie versteht aber alles. Bereitet ihr uns beiden ein Essen. Ich werde eine ganz besondere Art Brot backen und mitbringen, wie sie in der Heimat eurer Mutter üblich ist." Die Alte blieb über Nacht. Sie ging am andern Morgen von dannen. Als die älteste hinter ihr die Tür geschlossen hatte, fragte sie die jüngste: "Nun, was hat die Alte uns geschadet ?" Die Jüngste sagte nichts.

Inzwischen ging die Alte zu Akli und sagte: "Heute kann ich dich mit in das Haus der sieben Mädchen nehmen. Ich werde dich in eine Frauenkleidung hüllen und als meine Tochter ausgeben. Ich habe den Schwestern gesagt, daß du stumm wärst. Wenn du also nicht sprichst, wird niemand merken, daß du ein Mann bist, zumal du keinen Bart hast." Die Alte kleidete Akli als Frau. Dann bereitete sie neun Brote. In sieben von den Broten tat sie aber Skrane (eine Pflanze, deren Genuß der Angabe nach in todesähnlichen Schlaf versenkt). Mit dem verkleideten Akli und den neun Broten ging sie am Abend zu den Schwestern.

Die sechs ältesten Schwestern begrüßten die Alte und ihre Tochter mit großer Freude. Sie luden sie gleich zum Essen ein. Sie setzten sich. Die Jüngste kam neben den verkleideten Akli zu sitzen. Die Jüngste sprach nicht. Sie sah immer vor sich nieder. Die Jüngste beobachtete, wie die Alte die Brote verteilte. Sie sah, daß die beiden Brote der Alten und ihrer Tochter gezeichnet waren. Sie rief plötzlich: "Eine Schlange!" Sie sprang auf. Alle sprangen auf. Die Jüngste sah, daß die Tochter der Alten in den Kleidern ungewohnt war. Sie vertauschte die Brote unbemerkt und sagte: "Ich bin sehr erschrocken. Die Schlange kam zur Türritze herein und kroch gleich wieder heraus. Wie bin ich erschrocken!" Die Alte biß in ihr Brot. Die jüngste biß in ihr Brot und biß die Stelle ab, an der es gezeichnet war. Akli und die Schwestern bissen in die Brote. Die Jüngste sagtet "Das Brot ist ausgezeichnet."

Nach einiger Zeit fielen die sechs Schwestern, eine nach der andern, in Ohnmacht. Die Alte lief hinaus, um Leute aus dem Dorfe



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zu rufen. Als sie fort war, fiel auch der verkleidete Akli zu Boden Die jüngste löschte die Lampe aus, so daß nur das schwache Feuer des Herdes leuchtete. Dann versteckte sich die Jüngste. Die Alte kam mit den Leuten aus dem Dorfe. Sie hieß sie die sechs ohnmächtigen Mädchen aufheben und heraustragen. Die Leute trugen die sechs Mädchen und Akli heraus. Als sie draußen waren, kam die jüngste aus ihrem Versteck herbei und schloß die Tür hinter den Leuten.

Als die Leute die sechs Mädchen und Akli herausgetragen hatten, sagte die Alte: "Nun wollen wir sehen, welches die Jüngste ist, denn für die allein bekomme ich von Aldi meine Bezahlung. Die andern sechs lassen wir hier liegen." Es holte einer einen Strohbrand herbei und leuchtete den Besinnungslosen in das Gesicht. Die Alte sagte: "Wo ist nur Akli hingelaufen! Er könnte uns helfen!" Sie beleuchtete die erste, es war die Älteste, sie beleuchtete die zweite, die dritte, die vierte, die fünfte, die sechste, es waren die älteren Schwestern. Sie beleuchtete die siebente und schrie auf. Die Alte sagte: "Die Jüngste ist nicht dabei! Akli ist dies. Die Jüngste ist mir entgangen. Meine ganze Belohnung ist verloren!" In ihrer Wut schlug die Alte auf die ältesten sechs Mädchen, und die bei ihr waren, stießen auch nach ihnen. Dann nahmen die Alte und die Leute aus dem Dorfe Akli auf und trugen ihn weg in sein Haus. Die ältesten sechs Mädchen ließen sie aber liegen. Die Jüngste beobachtete durch die Spalte der Tür alles, was vorging. Sie sah, wie die Alte sie suchte. Sie sah, wie die Alte eine der Schwestern nach der andern beleuchtete. Sie sah, wie die Alte Aldi entdeckte. Sie sah, wie die Alte und die andern ihre ohnmächtigen Schwestern stießen und traten. Sie sah, wie die Alte und die andern Akli aufnahmen und ins Dorf trugen. Als sie fort waren, öffnete sie die Tür und trug eine der Schwestern nach der andern wieder herein. Dann schloß sie die Tür wieder und versteckte die Schlüssel zu allen sieben Türen.

Die jüngste der Schwestern legte jede der sechs älteren auf ihr Lager. Die jüngste weinte, denn sie wußte nicht, was sie machen sollte und kannte das Mittel nicht, mit dem die Alte inzwischen Akli zur Besinnung brachte. Die sechs älteren Schwestern waren besinnungslos, weil sie das Brot mit dem schlechten Kraut gegessen hatten und weil sie so arg geschlagen und getreten waren. Die Jüngste wußte nicht, was sie tun sollte.

Die Jüngste saß an dem Brunnen. Sie sah zwei Eidechsen. Die beiden Eidechsen schlugen sich. Die eine Eidechse schlug nach der



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andern und schlug sie tot. Die jüngste sagte zu der Eidechse: "Schäme dich, deinen Bruder totzuschlagen!" Die Eidechse sagte: "Weshalb soll ich mich schämen. Sieh zu, wie ich verfahre. Wenn ich meinen Bruder totgeschlagen habe, gehe ich hin und hole von jenem Kraut Abäebdaer, das hier am Brunnen wächst, kaue die Blätter, drücke den Brei auf die Wunden. Dann lebt mein Bruder wieder auf. Du aber solltest dich viel mehr schämen, denn deine Schwestern liegen nun schon lange krank da, ohne daß du es so machst wie ich, und das ist schlimmer!" Mit diesen Worten lief die Eidechse zu dem bezeichneten Kraut, pflückte einige Blätter und zerkaute sie. Sie legte den Brei auf die Wunde des getöteten Bruders. Die getötete Eidechse lebte auf, und beide liefen von dannen.

Als die Jüngste das gehört und gesehen hatte, eilte sie schnell und pflückte viele Blätter und zerkaute sie und drückte den Brei dann auf alle Striemen und Wunden, die die Alte und die Leute aus dem Dorfe ihren Schwestern geschlagen hatten. Da lebten die Schwestern eine nach der andern auf und waren wieder fähig, etwas Nahrung zu sich zu nehmen. Langsam kamen die sechs Schwestern wieder zu sich. Die Jüngste eilte stets von einer zur andern und pflegte und tröstete sie. Eines Tages sagte die älteste: "Du, die Jüngste, bist die klügste von uns allen. Wären wir deinem Rat und dem Befehl des Vaters gefolgt, so wären wir nicht in dies Elend gekommen, und hättest du nicht so emsig für uns gesorgt, so wären wir nicht wieder zum Leben zurückgekehrt."

Die jüngste Schwester pflegte die älteren sechs, bis sie wieder frisch und kräftig waren. Eines Tages wurde vor ihrem Fenster die weiße Fahne aufgezogen. Da wußten sie, daß der Vater zurückgekehrt war. Die Jüngste holte die sieben Schlüssel zu den sieben Türen aus dem Versteck hervor und öffnete. Die empfing den Vater. Der Vater ließ sich alles erzählen, was sich in seiner Abwesenheit ereignet hatte, war aber glücklich, daß er seine sieben Töchter frisch und gesund vorfand. —

Eines Tages traf der Vater Akli in dem Orte. Akli redete den Vater an und bat ihn um die Hand seiner jüngsten Tochter. Der Vater sagte Aldi die Ehe mit seiner Tochter zu. Er ging heim und sagte zu seiner Tochter: "Ich habe dich heute dem Akli versprochen." Die jüngste Tochter erschrak und rief: "Ich will diesen Mann nicht. Er ist ein schlechter Mann, der sich nur an mir rächen will." Der Vater sagte: "Ich habe es nun einmal dem Akli zugesagt und kann mein Wort nicht mehr zurücknehmen." Die jüngste Tochter sah,



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daß nichts mehr zu ändern war. Sie sagte zu ihrem Vater: "So gib mir wenigstens zur Ehe reichlich Mehl, Butter und Milch mit." Der Vater sagte: "Das sollst du haben." Die Jüngste ließ sich viel Mehl, Butter und Milch geben.

Als der Tag der Hochzeit nahte, rührte sie am Morgen schon eine große Menge Teig an und formte daraus eine große Puppe. pie Puppe legte sie in ihr Bett. Am Morgen der Hochzeit sagte Akli ZU seinem Bruder Bussad: "Heute werde ich mich endlich an diesem Mädchen rächen können, das ich seinerzeit aus dem Haus der sieben Töchter herausnehmen und für mich gewinnen wollte und das mich an List übertroffen hat, so daß ihre sechs Schwestern wieder ganz gesund, ich aber heute noch nicht wieder ganz hergestellt bin. Bussad sagte: "Was willst du tun?" Akli sagte: "Wenn sie sich auf dem Lager ausgestreckt hat, werde ich sie mit dem Dolch totstechen." Bussad sagte: "Weshalb willst du einen Dolch nehmen. Er ist zu wenig für das, was das Mädchen dir angetan hat. Nimm ein Beil und schlage sie in ganz kleine Stücke." Aldi sagte: "Mein Bruder Bussad, du hast recht."

Als es Abend war, ging die Jüngste in die Hochzeitskammer. Sie überzeugte sich, ob die Puppe aus Mehl, Milch und Butter auch gut lag und versteckte sich dann in einem andern Winkel des Hauses. Als es Nacht war, kam Akli herein. Er zündete eine Lampe an und schaute nach dem Lager. Er zog ein Beil unter seinem Kleide hervor und begann auf die Puppe loszuschlagen. Er schlug der Puppe aus Mehl, Milch und Butter den Kopf ab. Er schlug ihr die Arme ab. Er schlug ihr die Beine ab. Er sagte: "Du hast Akli zum Gespött gemacht, nun will ich dich lachen lehren. Ich habe dagelegen wie ein Asekaor (Holzblock, wie er Sommers geschlagen und für die winterliche Zeit aufgestapelt und dann in Scheite gespalten wird), und ich will dich jetzt in Scheite schlagen. Ich will den Asekaor aufschlagen und sehen, was darin ist." Damit schlug er die Puppe aus Mehl, Milch und Butter mitten durch und ging hinaus. Draußen wartete Bussad auf seinen Bruder. Bussad fragte: "Mein Bruder Akli, hast du die Jüngste auch ganz klein geschlagen, so daß sie nicht mehr lebt?" Akli sagte: "Ich habe sie in Splitter geschlagen wie einen Asekaor!"

Am andern Morgen trafen sich Akli und Bussad auf dem Hofe und sagten: "Wir wollen nun hineingehen und die Leiche weg. schaffen." Sie standen ein wenig und gingen dann an die Tür der Hochzeitskammer. Als sie in die Hochzeitskammer, in der die zerschlagene



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junge Frau liegen sollte, eintraten, öffnete sich die Tür und die Jüngste trat wohlbehalten heraus. Die Brüder erschraken und gingen erstaunt zur Seite. Bussad sagte: "Du hast sie mit den Beilhieben nicht getroffen!" Akli sagte: "Ich habe sie doch aber im Lampenlicht zersplittert vor mir liegen gesehen!" Bussad sagte: "Sieh selbst hin, wie frisch und gesund sie ist. Sie kann keinen Beilhieb empfangen haben." Akli sagte: "Es muß so sein." Bussad sagte: "Laß mich heute abend in die Kammer gehen. Ich habe das Mädchen nie gern gehabt, wie dies einmal bei dir war. Ich werde sie mit den Beilhieben gut treffen." Akli sagte: "Es ist mir sehr recht." —

Tagsüber mischte die Jüngste wieder Mehl, Butter und Honig. Sie stellte wieder eine Puppe her und legte die Puppe auf ihr Lager. Am Nachmittage trug sie das Wasser, plauderte mit den Frauen auf dem Hofe und am Abend ging sie dann in ihre Kammer. Bussad und Aldi sahen, daß sie in die Kammer ging. Als es nun Nacht wurde, versteckte Bussad unter seinem Kleid ein großes Beil. Damit ging er in die Kammer. Er zündete eine Lampe an. Er blickte zu dem Lager hinüber und sah die helle Gestalt dort liegen. Bussad sagte bei sich: "Sie schläft. Ich werde ihr mit dem ersten Schlage das Herz durchschlagen. Ich habe schon manchen Asekaor zersplissen und treffe nicht vorbei." Er hob das Beil und schlug die Puppe mitten in das Herz hinein. Der Honig quoll hervor. Bussad sagte: "Sie rührt sich schon nicht mehr. Nun wollen wir sie ganz klein schlagen, damit das Wegräumen morgen um so leichter wird." Bussad schlug der Puppe den Kopf ab. Er schlug die Beine ab. Er schlug die Arme ab. Er schlug den Rumpf in Stücke, so daß von der ganzen Puppe kein spannenlanges Stück mehr heil war. Dann warf er das Beil in den Winkel und ging hinaus. Im Hofe wartete Aldi auf ihn. Akli sagte: "Nun mein Bruder Bussad, hast du es besser gemacht als ich ?" Bussad sagte: "Ich habe die Frau erst durch das Herz geschlagen, so daß das Blut weit hinfloß. Dann habe ich alle Glieder und den Rumpf in so kleine Stücke geschlagen, daß kein spannenlanges Stück mehr zusammengeblieben ist. Morgen früh wollen wir uns wieder hier treffen und die einzelnen Teile wegräumen." Aldi sagte: "Ich danke dir, mein Bruder Bussad."

Am andern Morgen trafen sich Aldi und Bussad auf dem Hofe. Aldi sagte: "Komm, ich will mir deine Arbeit ansehen." Bussad sagte: "Ja, wir wollen hineingehen und die einzelnen Teile herausbringen." Bussad und Aldi gingen über den Hof, um die Kammer,



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waren im Hause zusammengekommen. Sie färbten sich mit Henna- Sie sagten: "Wer ist die Schönste unter uns?" Sie lachten. Einige sagten: "Die Asekoar ist wahrscheinlich die Schönste!" Alle lachten. Einige sagten, wir gehen nicht, ehe man uns nicht "die Braut, den Asekoar" zeigt; es ist unser Recht, uns die Braut zu zeigen. Die Braut muß sehr häßlich sein, wenn sie sich uns nicht zeigt."

Die Jüngste hörte es. Die Jüngste tat es. Die Jüngste trat aus dem Asekoar hervor. Die Jüngste stand unter den anderen Mädchen. Es wurde hell in dem Zimmer, so schön war sie. Alle Mädchen sagten: "Dieses Asekoar-Mädchen ist das schönste unter uns." Die Mädchen lachten nicht mehr. Die Mädchen färbten der Jüngsten die Hände und Füße. Sie gingen und waren böse, daß das Mädchen im Holzblock schöner war als sie alle. Die Mädchen erzählten es überall.

Der Sohn kam in die Kammer. Die Jüngste sagte: "Morgen mußt du mir den Löwen und den großen Hund verschaffen. Die Mädchen haben mich gesehen und werden es überall erzählen. Akli wird es hören und wird bald kommen. Verschaffe mir also morgen den Löwen und den großen Hund." Am andern Tage ging der Sohn sogleich aus und kam mit dem Löwen und dem großen Hund zurück. Die Jüngste hieß die Tiere sich im Adäeinin (Viehstall) niederzulegen. Die Tiere gehorchten der Jüngsten.

Die Mädchen erzählten im Dorfe, wie die Jüngste aus dem Asekoar herausgetreten sei. Alle Leute sprachen darüber, daß die Braut aus dem Asekoar gekommen war. Überall im Land hörte man, daß es kein schöneres Mädchen gäbe als die Braut im Asekoar. Es gab keinen Ort, keinen Stamm, kein Volk, in dem man nicht von der Schönheit der Braut im Asekoar gesprochen hätte.

Bussad kam zu Akli und sagte: "Hast du schon von der schönen Braut im Asekoar gehört?" Akli sagte: "Alle Welt spricht darüber. Natürlich habe ich davon gehört. Aber alle Frauensachen sind mir gleich, seitdem die jüngste Tochter aus dem Haus der sieben Schwestern entschlüpfte, ohne daß ich mich hätte an ihr rächen können." Bussad sagte zu Akli: "Mein Bruder Akli! Wer sollte dieses schöne Mädchen aus dem Asekoar anders sein als deine Jüngste, die du und ich wie einen Asekoar zu zersplittern suchten und an deren Stelle wir dann unsere Mutter in das Feuer geworfen haben!" Akli rief: "Wahrhaftig, mein Bruder Bussad, du hast recht! Diese Braut aus dem Asekoar muß die Jüngste aus dem Hause der sieben Schwestern sein, mit der ich nichts Besseres anzufangen wußte, als sie zu vertreiben, ohne sie töten zu können. Komm, mein Bruder Bussad,



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mach dich mit mir auf den Weg. Sie hat uns beide verspottet und ist daran schuld, daß wir unsere eigene Mutter in das Feuer warfen. Komm, mein Bruder Bussad, mach dich mit mir auf den Weg, daß wir sie endlich töten."

Bussad sagte: "Mein Bruder Akli, ich glaube nicht, daß wir dieser schönen Braut in dem Asekoar an Klugheit gewachsen sind. Wenn du dich auf den Weg machen willst, noch einmal dein Glück mit ihr zu versuchen und sie umzubringen, so tue es. Ich beteilige mich nicht mehr daran, weil ich sie für klüger und listiger halte als mich selbst!" Akli sagte: "Dann mache ich mich allein auf den Weg!'

Akli verkleidete sich. Er band sich einen großen schwarzen Bart um und färbte sich das Angesicht gelblich. Er kaufte sich einen Kaftan und einen Kasten mit allerhand Spiegeln, Nadeln, Schminke. Er zog als Händler von Ort zu Ort. Unter seinem Kaftan trug er aber stets auf der linken Brusttasche einen Dolch.

Akli kam als Händler in den Ort, in dem das schöne Mädchen aus dem Asekoar verheiratet war, kam in das Haus der jungen Frau. Er klopfte und trat ein. Die Jüngste sah einen fremden Händler. Sie trat zurück und lehnte sich an den Eingangspfeiler des Adaeinin. Sie sagte: "Händler, suche mir einen Spiegel heraus." Der Händler beugte sich über seinen Kasten und kramte mit der linken Hand in den Spiegeln. Die Jüngste legte ihre linke Hand auf den Rücken und schnalzte mit den Fingern, so daß der Löwe und der große Hund es hinter ihr hörten und sich gehorsam erhoben und zum Sprunge duckten.

Akli, der verkleidete Händler, griff mit der rechten Hand suchend unter den Kaftan und sagte: "Ich habe hier noch ein besseres Stück für dich." Die Jüngste erkannte die Stimme. Sie sagte laut: "Auf!" Aldi wollte mit dem Dolch nach der Jüngsten stechen. Der große Hund sprang empor und zerbiß ihm das Handgelenk. Der Löwe sprang hervor und riß den Händler. zu Boden. Der Händler konnte sich nicht rühren.

Die Jüngste trat an den Händler heran und nahm ihm den falschen Bart ab. Sie betrachtete ihn, wie er am Boden lag. Die Jüngste sagte: "Akli, ich wußte, daß du kommen würdest und versuchen würdest, mich zu töten. Ich weiß, daß du, solange du lebst, versuchen wirst, mich zu töten. Deshalb kann ich dich nicht länger am Leben lassen!" Die Jüngste winkte dem Löwen. Er biß dem Akli den Hals durch. Der junge Ehemann kam nach Hause. Seine junge Frau sagte: "Der schlechte Mensch, der mich verfolgte, ist



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heute gekommen und wollte mich töten. Die Tiere haben ihn aber zerrissen. Nun brauche ich mich nicht mehr im Asekoar zu verstecken."


23. Sohn Erbse


(Vergl. Bd. II Nr. 79 bis 81)

Eine Frau hatte keine Kinder, trotzdem sie schon eine Reihe von Jahren verheiratet war. Deshalb war sie sehr unglücklich und ihr Mann desgleichen. Eines Tages ging die Frau über den Hof und sah da eine ganz kleine Erbse liegen. Da sagte sie vor sich hin: "Wenn ich doch, ein Kind hätte, und wenn es nicht größer sein sollte als diese Erbse!" Die kleine Erbse hörte das und sagte: "Liebe Mutter, ich will gern dein Sohn sein. Nimm du mich nur als Kind hin." Da nahm die Frau die Erbse auf und lief voller Freude zu ihrem Manne und sagte: "Mein Gatte! Mein Gatte! Wir haben ein Kind! Wir haben einen Sohn!" Die kleine Erbse sagte dazu: "Gewiß, lieber Vater! Ich werde jetzt euer Sohn ein; sage mir nur, wann ich dir eine Besorgung machen soll, ich werde es sogleich tun."

Der Gatte freute sich über den neuen Sohn ebenso wie seine Frau und sagte zu ihm sogleich: "Nun, mein Sohn Erbse, dann geh flur gleich zu den Erntearbeitern auf das Feld und sage ihnen, sie sollen jetzt zum Essen kommen." Erbse lief sogleich von dannen. Erbse kam auf das Feld und sagte zu den Arbeitern: "Ihr Arbeiter! Mein Vater läßt euch sagen, Ihr sollt alle Felder anzünden und alles Korn verbrennen." Die Arbeiter zündeten also die Felder an, verbrannten das Korn und gingen heimwärts zum Essen. Als sie Sich hingesetzt hatten, griff einer der Arbeiter vom Boden einige Gerstenkörner auf und warf sie ins Feuer. Der Gehöftherr sah das und sagte: "Man soll Korn, das uns ernährt, nicht verbrennen."Die Arbeiter sahen einander an und einer sagte zum andern: "Vorhin haben wir doch erst auf Geheiß des Herrn die ganze Ernte verbrannt!" Der Gehöftherr fuhr in die Höhe und rief: "Was habt ihr getan?" Die Leute sagten: "Du hast deinen Sohn Erbse zu geschickt und uns sagen lassen, wir sollten die ganze Ernte ab. brennen. Das haben wir getan." Als der Vater das hörte, sprang er auf und rannte mit dem Kopf gegen die Mauer. Sohn Erbse lief aber, so schnell er konnte, von dannen.

Erbse lief in den Wald. Im Walde traf Erbse Diebe, die gerade



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einen gestohlenen Hammel miteinander teilten. Erbse bat um ein Stück vom Bauchfell. Die Diebe gaben ihm das Erbetene. Erbse nahm es und stahl schnell noch ein Messer. Er versteckte das Messer unter dem Stück Bauchfell, das er sich als Burnus umhängte, bedankte sich und ging weiter in den Wald hinein. Als Erbse sehr weit gekommen war, hüllte er sich in sein Stück Bauchfell und sagte: "Ich will doch sehen, ob mich nicht jemand weiterträgt bis zum nächsten Dorf!" In sein Bauchfell gehüllt, mit dem Messer in der Hand, blieb Erbse am Wege liegen.

Es dauerte auch nicht lange, so kam ein Löwe. Der Löwe witterte das Bauchfell und suchte es. Erbse rief laut: "Verschlucke mich nicht! Verschlucke mich nicht! Verschlucke mich nicht!" Der Löwe sagte: "Ah, da liegst du!" ging hin und verschluckte das Stück Bauchfell mitsamt Erbse und seinem Messer. Dann lief der Löwe weiter auf ein Dorf zu, denn er hatte vor, an diesem Abend einen Ochsen zu töten.

Als der Löwe nahe dem Dorfe mit dem Ochsen war, lief er langsam und brüllte. Erbse hörte das und sagte: "Wir sind also angekommen." Erbse nahm sein Messer und schnitt dem Löwen den Bauch auf. Der Löwe starb und Erbse kam heraus. Erbse sah sich um und sah in der Entfernung Leute, die um das Gehöft schlichen, in dem das Vieh eingesperrt war. Es waren Diebe, die das Rindvieh stehlen wollten, aber nicht wußten, wie sie es anfangen sollten. Erbse ging zu ihnen und sagte: "Wartet nur ein wenig am Tore. Ich werde euch nach einiger Zeit eine Kuh herausbringen."

Danach schlüpfte Erbse durch einen Spalt in der Tür in das Gehöft und versteckte sich sogleich im Ohr einer Kuh. Von da aus schrie Erbse dann ganz laut: "Wollt ihr die schwarze Kuh oder die weiße Kuh ?"Sogleich sprang der Hirt auf und suchte den Hof ab nach dem, der da so laut so schlechte Worte gerufen hatte. Er konnte aber niemand finden und legte sich wieder hin. Nach einiger Zeit schrie Erbse wieder: "Wollt ihr die schwarze Kuh oder die weiße Kuh?" Der Hirte sprang wieder auf, suchte wieder alles ab und legte sich abermals hin. Nachdem Erbse den Hirten dreimal derart beim Einschlafen gestört hatte, war der Hirt so müde, daß er in einen ganz schweren Schlaf verfiel und nun nichts mehr horte.

Nun öffnete Erbse die Gehöfttür, trieb eine Kuh heraus, gab sie den Dieben und sagte: "Nun schlachtet!" Die Diebe machten sich sogleich an das Schlachten. Als sie alles zerteilt hatten, wählte sich Erbse als seinen Anteil ein ungeborenes Kalb, das man im Innern



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der Kuh gefunden hatte und den Magen. Die Diebe gaben es ihm, und Erbse ging damit von dannen.

Erbse ging mit seinem Anteil an der Beute in ein anderes Gehöft und sah zu, wer darin schlief. Er fand, daß auf der einen Seite ein alter Mann und eine alte Frau auf einer Matte, und auf der andere's Seite die beiden erwachsenen Töchter des Hauses auf einer Matte schliefen. Da ging Erbse zuerst zu den Alten und legte den Kuhmagen zwischen sie und trennte ihn mit einem langen Schnitt auf, so daß aller Schmutz herausquoll. Das ungeborene Kalb trug er aber auf die andere Seite und legte es zwischen die beiden schlafenden erwachsenen Mädchen des Hauses. Dann ging Erbse.

Als der Alte am andern Morgen erwachte, schrie er seine Frau an und sagte: "Auf, Alte! Du hast uns beide beschmutzt." Die Alte erwachte, sah den Inhalt des Kuhmagens und schrie: "Nein, du hast das getan. Du warst der Schmutzkerl und willst mich nun noch beschimpfen!" Darauf stritten sie weiter und fingen zuletzt an, sich zu schlagen.

Inzwischen erwachte die erste der erwachsenen Töchter des Hauses und sah das ungeborene Kalb neben sich liegen. Sie hielt es für ein neugeborenes Kind und schrie ihre Schwester an: "Schäm' dich, du hast diese Nacht ein Acheram (Bastard, natürliches Kind, das ein noch nicht verheiratetes Mädchen zur Welt bringt) geboren!" Die Schwester erwachte und sah das ungeborene Kalb. Sie hielt es auch für ein neugeborenes Kind und schrie: "Du beschimpfst mich nur, um die Schande, die Mutter des Acherams zu sein, von dir zu wälzen!" Eine glaubte das Schlimme von der andern. Eine beschimpfte die andere. Zuletzt schlugen sie sich.


24. Die hilfreichen Tiere

Ein Mann hatte einen Sohn, der war böse und fügte allen Übles zu, wo er nur konnte. Der Vater wußte mit dem Sohne nichts mehr anzufangen. Er klagte sein Leid einer alten Frau. Die alte Frau sagte: "Laß nur sein! Diese Art junge Leute kenne ich. Sie muß einmal gründlich in der Fremde geschult werden. Das werde ich schon einrichten."

Eines Tages ging die Alte über die Straße. Sie begegnete dem verrufenen Sohne. Der Bursche machte sich ausdrücklich auf dem Wege breit, so daß die Alte nicht vorbeikam. Die Alte sagte: "Sei



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nicht so hochfahrend und stolz. Du hast noch nicht Chartz geheiratet. Ja, wenn dir das gelungen wäre." Der Bursche lief sogleich heim zu seinem Vater und sagte: "Bereite mir Aiun (Wegnahrung). Ich will in die Ferne ziehen." Der Vater war sehr zufrieden. Er bereitete die Abreise seines Sohnes gut vor, nahm ihn zuletzt noch einmal beiseite und sagte: "Du gehst in ein anderes Land. Da ist es die erste Hauptsache, daß du stets den andern Gutes tust und auch die Kleinen nicht verachtest." Der Sohn versprach, darauf zu achten und zog von dannen.

Der Bursche kam nach einiger Zeit bei den Ameisen vorbei. Die hatten lange nichts zu essen bekommen und sie drängten zu ihm heran und baten: "Sorge doch, daß wir etwas zu essen bekommen." Da ging der Bursche in die nächste Ortschaft und kaufte einen Sack Gerste (thimthein; Weizen: irthen). Die Ameisen aßen die Gerste auf, dankten ihm vielmals, rissen sich beim Abschied die eine Hand aus, die reichten sie ihm und sagten: "Wenn du je unserer bedarfst, so wirf diese Hand nur ins Feuer. Sogleich werden wir kommen und dir helfen." Der Bursche lachte und sagte: "Wie soll ich euch einmal brauchen können." Er verwahrte aber die Ameisenhand und Zog weiter.

Nach einiger Zeit traf der Bursche auf ein Wildschwein, das klagte und weinte und sagte: "Wir haben nichts, nichts zu essen und unsere Kinder verhungern." Der Bursche hatte mit dem Wildschwein (ilf Pl. ilfaen) Mitleid und kaufte einen Sack voll Bohnen (ibauen). Darauf konnte das Wildschwein seine Jungen ernähren und war sehr zufrieden. Es gab dem Burschen zum Abschied eine seiner Borsten und sagte: "Wenn du uns Wildschweine jemals nötig haben solltest, so verbrenne nur diese Borste, und wir werden sogleich da sein." Der Bursche lachte, verwahrte die Borste und ritt weiter.

Wieder einige Zeit später kam der Bursche zu den Bienen (tisisuid Pl. tisisua), die klagten und weinten auch und hatten nichts zu essen. Da kaufte der Bursche einen Topf voll Honig (tament) und gab den Bienen den zu fressen. So konnten die Bienen sich sättigen, und sie bedankten sich sehr und gaben zum Abschied dem Burschen einen Stachel und sagten: "Wenn du uns je nötig hast, so wirf diesen Stachel ins Feuer!" Der Bursche lachte, bedankte sich, legte den Stachel zur Ameisenhand und Wildschweinsborste und ging weiter.

Eine Zeit darauf begegnete der Bursche einem Adler (ihiderr, Pl. ijudarr). Der klagte sehr und bat ihn: "Kannst du mir nicht einen



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Rat geben, wie ich meine Jungen füttere. Wir haben rein nicht mehr zu fressen und die Kinder verhungern." Da kaufte der Bursche im nächsten Dorfe Fleisch und gab das dem Adler. Der Adler nahm es, brachte es seinen Jungen, kam zurück, gab dem Burschen eine Feder und sagte: "Wenn du unserer je bedarfst, wirf diese Feder nur in das Feuer!" Der Bursche bedankte sich, legte die Adlerfeder zur Ameisenhand, Wildschweinsborste und Bienenstachel und ging weiter.

Nach einiger Zeit kam der Bursche zu einer Stelle, da wuchs ein Rohrhaim (aghanfm, Pl. ighonam). Irgend jemand hatte aber Iblis (der Teufel, auch Scheitan, also absolut arabisch) in diesen Rohrhaim gesperrt, so daß er nicht herauskonnte. Der Teufel jammerte und bat den Burschen, als er vorbeikam: "Hilf mir doch aus meinem Rohrhaim heraus." Der Bursche sagte: "Warum soll ich das nicht tun. Iblis hat mir nichts Schlimmes getan." Er half also dem Teufel aus dem Rohrhalm. Der Teufel war darüber aber so glücklich, daß er sich einen Nagel vom Finger riß, ihn dem Burschen gab und sagte: "Wenn du mich je brauchst, so wirf diesen Nagel nur ins Feuer und ich werde zur Stelle sein." Der Bursche bedankte sich, steckte den Teufelsnagel zur Ameisenhand, Wildschweinsborste, Bienenstachel und Adlerfeder und ging weiter auf das Dorf zu, in dem die Familie der Chartz wohnte. —

Der Bursche kam in dem Dorfe an und suchte am andern Tage den Vater der Chartz auf und sagte: "Gib mir deine Tochter Chartz zur Frau!" Der Vater sagte: "Meine Tochter Chartz will ich dir sehr gerne geben, wenn du imstande bist, einige Arbeiten auszuführen. Gelingt es dir, diese zu meiner Zufriedenheit zu vollenden, so gebe ich dir meine Tochter Chartz. Gelingt es dir nicht, so schlage ich dir den Kopf ab." Der Bursche sagte: "Ich bin einverstanden. Zeige mir die Arbeit."

Der Vater der Chartz sagte: "Dort ist ein Speicher, vollgefüllt mit Weizen und Gerste. Die Körner sind durcheinander gekommen. Du mußt bis morgen früh Weizen und Gerste getrennt haben."Der Bursche sah den Speicher voll. Er saß im Speicher. Er begann zu weinen. Denn das war für ihn unmöglich. Als es aber Nacht war, fielen ihm die Ameisen ein. Er nahm schnell die Ameisenhand heraus und warf sie ins Feuer. Sogleich kamen Ameisen an. Der Bursche setzte ihnen auseinander, was der Vater der Chartz verlangte, und die Ameisen sagten: "Das ist eine Kleinigkeit." Die Ameisen kamen von allen Seiten. Sie schleppten nach allen Seiten Körner,



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nach der einen Seite den Weizen, nach der andern die Gerste. Ehe es noch Morgen war, hatten sie die Arbeit vollendet. Der Bursche bedankte sich, und die Ameisen liefen fort.

Am andern Morgen kam der Vater der Chartz in den Speicher. tier Bursche sagte: "Ich habe die Arbeit vollendet, nun gib mir deine Tochter." Der Vater der Chartz sagte: "Dies hast du gekonnt. So schnell geht es aber mit dem Heiraten bei uns nicht. Erst einmal Will ich, daß du mir bis morgen früh den Boden dieses Waldes um die Bäume herum umgräbst." Der Vater der Chartz ließ den Burschen allein im Walde. Der Bursche dachte eine Zeitlang nach. Dann zündete er ein Feuer an, warf die Borste des Wildschweines hinein und wartete. Bald kam das Wildschwein an. Der Bursche erzählte, was der Vater der Chartz von ihm verlangte. Das Wild-Schwein grunzte. Von allen Seiten kamen Wildschweine und begannen den Boden aufzuwühlen. Ehe es noch wieder Morgen war, hatten sie die Grabarbeit vollendet.

Am andern Morgen kam der Vater der Chartz, sah die vollendete Arbeit und sagte: "Als drittes verlange ich, daß du bis morgen früh die eine Hälfte des Dorfes von Schnee weiß gefärbt, die andere aber von der weißen Decke frei hältst. Wenn dir das auch gelingt, magst du meine Tochter nehmen, wenn du sie findest." — Der Bursche ging, sowie der Vater der Chartz gegangen war, zu einem Feuer, zog die Feder des Adlers heraus und warf sie ins Feuer. Der Adler kam. Der Bursche setzte ihm den Befehl des Vaters der Chartz auseinander. Der Adler flog fort und kam in der Nacht mit vielen Vögeln zurück. Die Vögel ließen auf die eine Hälfte des Dorfes ihre Federn fallen, so daß es aussah, wie mit Schnee bedeckt.

Als der Vater der Chartz das sah, war er einverstanden und sagte: "Nun nimm meine Tochter, du mußt aber bis morgen früh ihren Aufenthalt in meinem Gehöft ausfindig machen, und du weißt, es hat viele Kammern." Der Bursche ging in seine eigene Kammer, zog den Nagel des Iblis heraus und warf ihn ins Feuer. Iblis kam. Der Bursche fragte: "Kannst du mir ganz genau angeben, wo Chartz versteckt ist?" Iblis sagte: "Gewiß kann ich das. Der Vater der Chartz hat im Hofe eine Grube ausgehoben. Die Grube ist nach oben mit einer Matte abgeschlossen und mit einem Stein bedeckt, so daß man den Platz nicht erkennt. In der Grube ist Chartz." Der Bursche bedankte sich. Der Bursche ging zum Vater der Chartz. Er sagte zu ihm: "Gib mir eine Hacke." Der Vater der Chartz gab ihm eine Hacke. Der Bursche ging auf den Hof, hackte den Stein



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frei, hob ihn auf, nahm die Matte auf und sagte: "Da unten ist deine Tochter Chartz."

Der Vater der Chartz sagte: "Du hast sie gefunden. Ich werde dir meine Tochter Chartz morgen früh inmitten der andern Frauen meines Gehöfts verschleiert vorführen. Alle werden gleich gekleidet sein. Findest du sie sogleich heraus, so ist sie dein. Findest du sie nicht, so schlage ich dir den Kopf ab." Der Bursche ging in seine Kammer und dachte nach. Er hatte nur noch den Stachel der Bienen. Er warf ihn ins Feuer. Die Biene kam und fragte: "Was willst du?" Der Bursche setzte ihr auseinander, was der Vater der Chartz gesagt hatte. Die Biene sagte: "Das ist sehr einfach. Wenn die Frauen morgen früh kommen, so achte darauf, welche von den Bienen begleitet ist. Das wird Chartz sein." Die Biene flog fort. Am andern-Tage kamen alle Frauen des Gehöfts, alle gleich gekleidet und gleich verhüllt, vom Vater der Chartz geführt, zu dem Hause des Burschen. Der Bursche erwartete sie. In der Mitte war eine Frau, um deren Haupt schwirrten tausende von Bienen, deren Flügel in der Sonne schillerten, so daß der Kopf der Frau wie von Licht umgeben schien-Der

Der Bursche ging auf diese Frau zu und sagte zum Vater: "Das hier ist deine Tochter Chartz!" Der Vater sagte: "Du hast recht." Da heiratete der Bursche die schöne Chartz, und nachdem die Feste vorüber waren, kehrte er mit ihr in das Dorf seines Vaters zurück. Und von da an war er kein böser Mann mehr.


25. Hemmed L'hasdieschi, der Fünfzigtöter

Hemmed L'hascheschi war ein ganz armer Mann. Er hatte keinerlei Verwandte und lebte in großem Elend. Erlebte ganz einsam in einer kleinen Hütte. Tagsüber ging er in den Wald und schlug Holz, das schleppte er heim und verkaufte es abends auf dem Markte. Er erhielt jeden Tag für seine Last zwei Geldstücke, für eines kaufte er dann Brot und für das andere Tabak. Das genügte ihm für seinen Lebensunterhalt. So ging das ungefähr zwei Jahre, einen Tag genau so wie den andern.

Da ereignete es sich, daß er eines Abends für seine Last Holz statt der zwei drei Geldstücke empfing. Als er die in der Hand hatte, ward er über die Maßen froh und wußte sich vor Freude über seinen Reichtum nicht zu fassen. Er rief: "Was soll ich nur mit dem vielen Geld ?" Dann machte er sich auf den Weg. Zunächst kaufte er wie



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gewöhnlich für ein Geldstück Brot und für eines Tabak. Darauf Wanderte er aber von Laden zu Laden und betrachtete alles, was er für sein drittes kleines Geldstück anschaffen könne. Nichts war ihm gut und preiswert genug. Endlich kam er zu einem Milchhändler. Den fragte er: "Was verlangst du für einen Topf voll Milch ?" Der Milchhändler sagte: "Ein Topf Milch kostet ein kleines Geldstück." Das schien Hemmed L'hascheschi preiswert, er kaufte die Milch und ging in seine Hütte.

In seiner Hütte stellte Hemmed L'hascheschi das Brot, den Tabak Und die Milch vor sich hin, freute sich über den Anblick und sagte: "Dieses alles kann ich nun genießen! Wie reich ich bin!" Während er noch den Anblick genoß, kam eine Fliege herbei, setzte sich erst auf den Rand des Gefäßes und fiel dann hinein. Hemmed L'hascheschi lachte und sagte: "Dieser ist es schlecht bekommen. Ich will doch einmal sehen, wieviel andere noch dazu kommen." Er verhielt sich ganz ruhig, und so kam eine Fliege nach der andern, bis ihrer eine große Zahl war, die alle am Rande der Milch saßen und sich nährten. Da ward Hemmed L'hascheschi böse und sagte: "Habt ihr mir vielleicht geholfen, wie ich tagsüber Holz schlug? Habt ihr mir vielleicht das Holz heimzutragen geholfen? Habt ihr ein Recht zum Anteil an meinem Reichtum?" Das Denken machte ihn so zornig, daß er zuschlug, und da seine tägliche Arbeit ihn ein sicheres Schlagen gelehrt hatte, traf er gerade mitten auf den Topf, und alle Fliegen fielen in die Milch und ertranken.

Hemmed L'hascheschi blickte in den Topf. Die Milch war bedeckt von toten Fliegen. Er begann sie zu zählen. Er zählte fünfzig tote Fliegen. Er sagte stolz: "Fünfzig tote Fliegen! Hemmed L'hascheschi hat mit einem Schlage fünfzig getötet! Hemmed L'hascheschi ist für seinen Beruf zu gut!" Darauf nahm er das Brot und die Milch zu sich, rauchte seinen Tabak und ging zu Bett mit den Worten: "Hemmed L'hascheschi hat fünfzig mit einem Schlage getötet! Hemmed L'hascheschi ist für seinen Beruf zu gut!" Damit schlief er ein.

Am andern Tage stand Hemmed L'hascheschi auf. Er begab sich zu einem Schmied und sagte: "Stelle mir ein Schwert her und bringe darauf das Wort an: ,Ich, Hemmed L'hascheschi, töte fünfzig mit einem Schlage.' Dieses Schwert richte mir gut und schnell her. Ich will damit zum Kampf ausziehen, und ich schwöre, daß ich in Zukunft nie weniger als fünfzig mit einem Schlage töten will." Der Schmied versprach es.



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Sobald das Schwert fertig war, gürtete Hemmed L'hascheschj es um und zog von dannen. Er wanderte weit fort und kam endlich an das Gehöft eines Agelith, der um sein ganzes Besitztum eine Mauer aufgeführt hatte. Auf den Spitzen waren die Köpfe von neuundneunzig Männern aufgespießt. Diese alle hatten sich um die Hand der Tochter des Agelith beworben. Der Agelith hatte dann aber von einem jeden verlangt, gegen vier andere Ageliths, die seine Todfeinde waren und seine Stadt ständig bedrohten, zu Felde ZU ziehen. Alle neunundneunzig waren aber vor diesem Unternehmen zurückgeschreckt, und der Agelith hatte dann einem jeden den Kopf abschlagen und ihn zu den anderen auf die Mauer setzen lasser' Hemmed L'hascheschi betrachtete noch diesen Schmuck der Mauer, da kam ein alter Mann vorbei und sagte: "Geh lieber weiter! Sonst könnte dein Kopf auch sehr schnell zu den andern neunundneunzig kommen. Denn der Agelith ist sehr hart und hat jedem, der sich auch nur eine kurze Zeit in der Nähe seines Gartens, in dem seine Tochter oft spazieren geht, aufhält, den Tod angedroht." Als Hemmed L'hascheschi das hörte, schlug er an sein Schwert und sagte: "Ich bin Hemmed L'hascheschi und töte fünfzig mit einem Schlage. Der Alte sagte: "Ich habe dich gewarnt." Er ging weiter.

Hemmed L'hascheschi sprang aber über die Mauer, ging in den Garten und schritt unbekümmert alles betrachtend umher. Er kam an einen Baum, der herrliche Früchte trug. Er kletterte hinauf, aß sich satt, füllte noch die Taschen und stieg wieder herab. Er war von der Wanderschaft müde und so kleidete er sich aus, legte seine Kleider zusammen und sein Schwert obenauf. Erstreckte sich aus und schlief sogleich ein.

Nach einiger Zeit ging ein Wächter des Gartens an der Stelle vorüber; er sah den Mann und seine Kleider; er trat näher und las das Wort auf dem Schwert: "Ich Hemmed L'hascheschi, töte fünfzig mit einem Schlage." Der Wächter erschrak und lief eilends zu dem Agelith und sagte: "Es ist ein Mann in deinen Garten eingedrungen, hat sich unter einen Baum gelegt und schläft da." Der Agelith sagte: "So ergreift ihn und schlagt ihm den Kopf ab." Der Wächter sagte: "Es ist kein gewöhnlicher Mann; es ist Hemmed L'hascheschi, der fünfzig mit einem Schlage tötet." Als der Agelith das hörte, erschrak er ebenfalls und befahl, daß einige kundige Leute hingehen, den seltenen Mann betrachten und über ihn berichten sollten.

Die kundigen Leute gingen hin. Sie sahen Hemmed L'hascheschi und seine Kleider. Sie sahen das Schwert und lasen das Wort: "Ich



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bin Hemmed L'hascheschi, der fünfzig mit einem Schlage tötet." Da erschraken sie noch mehr als der Wächter, liefen eilends zurück zum Agelith und sagten: "Der Wächter hat die Wahrheit gesagt, es ist der schreckliche Hemmed L'hascheschi, der fünfzig mit einem Schlage tötet." Der Agelith ward von großer Furcht befallen und sagte: "Welchen Rat gebt ihr mir?" Die kundigen Leute sagten: "Wir raten dir, Hemmed L'hascheschi mit allen Ehren zu empfangen und ihn als Gast in dein Haus aufzunehmen. Wenn irgend jemand imstande ist, mit unseren Feinden, den vier Agelith, fertig zu werden, so ist er es." Der Agelith war einverstanden.

Sogleich wurde die goldene Sänfte (aenneasch) des Agelith von Vier Leuten herbeigebracht. Die kundigen Leute stellten sich an die Spitze des Zuges, und so kamen sie zu dem Baume, unter dem Hemmed L'hascheschi schlief. Als die vielen Leute kamen, erwachte er und sagte unwillig: "Weshalb stört ihr mich? Weshalb laßt ihr mich nicht schlafen? Wißt ihr nicht, daß ich Hemmed L'hascheschi bin, der fünfzig mit einem Schlage tötet?" Die kundigen Leute sagten: "Wir wissen es wohl, wer du bist. Wir bitten dich auch, es zu verzeihen, wenn wir dich gestört haben. Der Agelith lädt dich aber ein, in sein Haus zu kommen, denn er möchte deine Bekanntschaft machen." Hemmed L'hascheschi gähnte und sagte: "Euer Agelith ist mir sehr gleichgültig. Laßt mich schlafen." Die kundigen Leute sagten: "Hemmed L'hascheschi, dies ist kein würdiger Schlafplatz für dich. Der Agelith hat deshalb seine goldene Sänfte gesandt, um dich in das Haus tragen zu lassen. Er hat sein eigenes Lager bereiten lassen, daß du besser liegst." Hemmed L'hascheschi sagte: "Gut denn, ich will mitkommen und mich im Bett des Agelith ausschlafen. Es gelüstet mich sowieso, den Töter der neunundneunzig für seine Handlungen zu züchtigen. Ich werde es tun, sobald ich ausgeschlafen habe." Damit erhob er sich, bestieg die Sänfte und ließ sich zu dem Haus tragen.

Der Agelith kam ihm mit seiner Musik und umgeben von seinen Dienern entgegen und begrüßte Hemmed L'hascheschi auf das freundlichste. Hemmed L'hascheschi aber war unfreundlich. Er schlug gegen das Schwert und sagte: "Du bist also der, der die neunundneunzig Männer hat töten lassen. Versuche das doch auch mit mir. Ich bin Hemmed L'hascheschi." Der Agelith war darob sehr erschrocken und sagte: "Hemmed L'hascheschi, glaube mir, diese neunundneunzig waren meiner Tochter nicht würdig. Wenn dir aber meine Tochter zusagt, so weiß ich, daß ich keinen besseren Schwiegersohn



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finden kann, und ich bitte dich denn, sie zur Frau zu nehmen!" Hemmed L'hascheschi sagte: "Es ist gut. Ich werde sehen."

Hemmed L'hascheschi ward in das Haus geführt. Ein herrliches Mahl war bereitet. Hemmed L'hascheschi ward freundlich, und als er nachher die Tochter des Agelith sah, war er überrascht von ihrer außerordentlichen Schönheit und erklärte sich bereit, sie zu heiraten. Der Agelith sagte: "Du weißt, daß ich dir meine Tochter gern zur Frau gebe. Bedenke aber, daß du hier kaum in Ruhe leben kannst, denn jeden Tag können wieder die vier Agelith Leute gegen uns schicken, so daß wir kämpfen müssen." Hemmed L'hascheschi sagte: "Das wird dann schon mein Schwert machen. Warte nur die Zeit meiner Stärke ab!" Hemmed L'hascheschi blieb im Hause des Agelith und ließ es sich wohlergehen.

Eines Morgens ganz früh rief der Wächter des Agelith vom Turme: "Alle Menschen sollen ausschauen. Die Nacht bricht am Morgen an!" Alle Leute sprangen auf und schauten aus. Sie sahen das Land auf allen Seiten von den Kriegern der feindlichen vier Agelith angefüllt. Die kundigen Leute gingen zum Agelith und sagten zu ihm: "Herr, es wird Zeit sich zu erheben. Die feindlichen vier Agelith sind mit allen ihren Leuten gekommen und ziehen von allen Seiten gegen uns heran." Der Agelith erschrak und sagte: "Was Sollen wir da tun? Wie sollen wir mit allen vier Feinden und ihren Massen allein fertig werden?" Die kundigen Leute sagten: "Bitte deine Tochter, daß sie Hemmed L'hascheschi zum Kampfe überredet. Hemmed L'hascheschi ist der einzige, der uns helfen kann." Der Agelith rief seine Tochter und sprach mit ihr. Die Tochter des Agelith ging zu Hemmed L'hascheschi, warf sich vor ihm nieder und sagte: "Hemmed L'hascheschi, die Feinde meines Vaters kommen von allen Seiten. Du bist der einzige, der uns helfen kann."Hemmed L'hascheschi erschrak. Er ließ es sich aber nicht merken und sagte: "Gut denn! Hemmed L'hascheschi wird es tun, sie werden also Hemmed L'hascheschi kennen lernen. Hemmed L'hascheschi wird es aber in seiner Weise machen."

Hemmed L'hascheschi ging in den Hof. Hemmed L'hascheschi sagte: "Jetzt wird es Zeit, daß ich mich davonmache. Ich will aber wenigstens noch einigen Tabak mit auf den Weg nehmen."Hemmed L'hascheschi trat zum Agelith und sagte: "Laß mir fürs erste einen Ziegenhautsack voll Tabak stopfen. Dann gib mir dein schnellstes zweijähriges Pferd, das noch nie geritten ist. Endlich verlange ich,



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daß, während ich draußen kämpfe, alle deine Leute sich in den Häusern verstecken und keiner es wagt, herauszuschauen. Wenn ein einziger herausschaut, vernichte ich nachher deine Stadt und deine eigene Besitzung. Ich will den Kampf ganz allein und ohne daß auch nur ein einziger von euch zusieht, ausfechten." Der Agelith sagte ihm alles zu.

Alle Leute gingen in die Häuser. Die drei Negerdiener des Agelith brachten das Pferd und den Ziegensack mit Tabak. Dann ließ sich Hemmed L'hascheschi umgekehrt mit dem Kopf auf der Kruppe des Pferdes und mit den Beinen um den Hals des Tieres festbinden. Den Tabak ließ er auf der einen, das Schwert auf der anderen Seite festbinden. Hemmed L'hascheschi sagte zu den drei Negersklaven: "Nun achtet nur darauf, daß niemand aus der Stadt mir nachschaut. So, und nun laßt das Pferd frei und gebt ihm einen Schlag!" Die Negerdiener gaben dem Pferd einen Schlag. Das Pferd sprang in großem Bogen aus dem Tore heraus. Die Negersklaven schlossen das Tor hinter ihm. Hemmed L'hascheschi dachte: "Dieses unbändige junge Pferd wird mich schnell durch die Haufen der Feinde von dannen tragen. Gott gebe nur, daß ich mir dabei nicht den Hals breche, denn ich habe noch nie auf einem Pferde gesessen."

Das junge unbändige Pferd sprang aber nicht durch die Lücken in den Reihen der Feinde von dannen, sondern es sprang in seiner Wut über die ungewohnte Last und um sich von ihr zu befreien, mitten in die Haufen der Feinde hinein. Es warf die Feinde zu Boden und zertrat ihre Köpfe und Glieder. Es jagte wild umher. Die Menschen sprangen schreiend zur Seite. Das zornige Pferd setzte aber hinter ihnen her und raste in wilden Sprüngen überall um die Stadt herum, dahin, wo noch Haufen von Menschen sich schützend zusammendrängten. Die feindlichen Krieger flohen in gewaltigem Schrecken in Unordnung von dannen. Es lagen bald mehr Tote als Verwundete in der Ebene rund umher, es waren aber mehr Geflohene als Tote. Die Fliehenden rissen die vier Agelith mit sich fort. Als es Abend war, gab es im weiten Kreise keinen kampffähigen Gegner mehr.

Inzwischen war das junge Pferd auch müde geworden und trug Hemmed L'hascheschi zurück zum Tore. Die Negersklaven öffneten, führten das Tier herein und hielten es, während Hemmed L'hascheschi mehr tot als lebendig abstieg. Hemmed L'hascheschi war über und über mit Blut bedeckt, auch hatte er sich aus Angst die Hosen beschmutzt. Die Negersklaven führten ihn auf seinen



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Wunsch in ein Bad. Dann gingen sie hin und berichteten dem Agelith, daß Hemmed L'hascheschi alle Feinde vernichtet habe und alle Leute nun wieder die Häuser verlassen und das Schlachtfeld betrachten könnten. Der Agelith, seine Tochter und alle ihre Diener, die Männer, Frauen und Kinder in der Stadt kamen heraus und sahen voller Staunen die Menge der Toten und Verwundeten. Der Agelith kam in die Stadt zurück. Als Hemmed L'hascheschi erholt aus dem Bade kam, ging ihm der Agelith entgegen, fiel ihm um den Hals und sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir!" Er wandte sich zu seinen Leuten und sagte: "Seht, das alles hat der einzige Hemmed L'hascheschi getan. Dieser einzige ist unser Retter. Ihr aber habt nichts getan."

Darauf ward ein großes Hochzeitsfest veranstaltet, das viele Tage währte. Von da an waren der Agelith und seine Leute glücklich und lebten in völliger Ruhe, denn niemand wagte es, die Stadt, solange Hemmed L'hascheschi in ihr lebte, zu befeinden.

Eines Tages ereignete es sich aber, daß in der Gegend ein Löwe auftrat, und von nun an täglich einen Hirten oder mindestens ein Schaf anfiel und tötete. Die kundigen Leute kamen zum Agelith, berichteten ihm von den Opfern des großen Raubtieres und sagten: "Dieses Tier ist so ungewöhnlich stark und schrecklich, daß keiner deiner Leute oder der Stadtbewohner es wagte, ihm entgegenzutreten. Wir bitten dich also, du möchtest durch deine Tochter den einzigen Mann zu Hilfe rufen, der helfen kann, das ist Hemmed L'hascheschi." Der Agelith rief seine Tochter und sprach mit ihr. Seine Tochter sagte: "Das ist für meinen Mann keine große Sache." Die Tochter des Agelith ging zu Hemmed L'hascheschi, erzählte ihm alles und sagte: "Nicht wahr, du tust meinem Vater den kleinen Gefallen und tötest den Löwen. Es kann für dich nur eine kleine Sache sein." Hemmed L'hascheschi erschrak, er ließ sich aber nichts anmerken und sagte: "Ich bin Hemmed L'hascheschi. Für Hemmed L'hascheschi ist das eigentlich überhaupt nichts. Da die Leute aber hier so mutlos sind, wird Hemmed L'hascheschi es auf seine Art machen."

Hemmed L'hascheschi ging in den Hof und sagte bei sich: "Jetzt wird es Zeit, daß ich mich davonmache. Ich will aber wenigstens noch einigen Tabak mit auf den Weg nehmen." Er ließ sich also eine Ziegenhaut voll Tabak stopfen, gürtete sein Schwert um, nahm Abschied und ging aus dem Tore der Stadt von dannen. Nachdem er ein Stück weit gegangen war, traf er auf einen Hirten, den fragte



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er: "An welchem Wege trifft man denn gewöhnlich den Löwen ?" ber Hirt sagte: "Wenn man hier geradeaus geht, trifft man nach einiger Zeit auf einen Kreuzweg. Der Löwe kommt nun stets von der linken Seite her. Gehst du den linken Weg entlang, so wirst du nach einiger Zeit sicher den Löwen treffen."

Hemmed L'hascheschi bedankte sich und ging weiter. Er sagte bei sich: "Wenn der Löwe auf dem linken Weg kommt, werde ich den rechten gehen, um ihm sicher zu entkommen." Er ging also erst noch geradeaus, bis er an den Kreuzweg kam, und dann bog er statt nach links nach rechts ab. Er war aber noch nicht lange auf dem falschen Wege hingegangen, da trat ihm der Löwe aus dem Busch entgegen. Hemmed L'hascheschi wurde ganz bleich vor Schreck. Er nahm sich aber zusammen, sprang auf einen nahe stehenden Eichbaum zu und schwang sich an seinen Ästen in die Höhe.

Der Löwe stieß voll Zorn, daß die Beute ihm entronnen sei, ein starkes Brüllen aus und versuchte an dem Baume hochzuspringen. Voller Schreck hierüber ließ Hemmed L'hascheschi seine Ziegenhaut voll Tabak los, und diese fiel dem brüllenden Löwen gerade in den Rachen. Der Löwe, der vor Wut alle Überlegung verloren hatte, glaubte statt des Tabaksackes Hemmed L'hascheschi zwischen den Zähnen zu haben und fraß die ganze Ziegenhaut mitsamt dem Tabak auf. Diese große Menge starken Tabaks betäubten aber den Löwen derart, daß er nach wenigen Augenblicken in einen schweren Schlaf verfiel.

Hemmed L'hascheschi erstaunte nicht wenig, als er sah, wie der erst so wütende Löwe nach einiger Zeit sich ganz ruhig niederlegte. Er pflückte also einige Eicheln und warf sie auf den Löwen. Der Löwe rührte sich nicht. Hemmed L'hascheschis Mut stieg. Er ließ sich am Baume bis zum niedrigsten Ast herab und kitzelte den Löwen mit der Spitze seines Schwertes. Der Löwe rührte sich nicht. So kletterte Hemmed L'hascheschi denn ganz herab, trat auf den Löwen zu, zupfte ihn am Ohr und sagte: "Was, mein Löwe, du weißt nicht, wer Hemmed L'hascheschi ist? Was, du willst mit Hemmed L'hascheschi kämpfen, der fünfzig mit einem Schlage tötet?" Als der Löwe sich immer noch nicht rührte, wuchs Hemmed L'hascheschis Mut ins Große. Er zog eine Schnur hervor, die band er dem betäubten Löwen um den Hals. Dann zog er und sagte: "Auf, mein Löwe, folge Hemmed L'hascheschi in die Stadt." Der so aufgerüttelte, noch immer schwer betäubte Löwe erhob sich nun



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und trottete, von Hemmed L'hascheschi geführt, hinter ihm, gehorsam her.

Als Hemmed L'hascheschi sah, daß der Löwe alles tat, was er wollte, überschritt sein wachsender Mut die letzte Grenze. Er schwang sich auf den Rücken des Löwen und ritt auf ihm weiter. Er rief immer: "Hehehe!" Er rief: "So mein Löwe! Hehehe! Immer flink vorwärts! Hehehe! Bis in die Stadt." So kam Hemmed L'hascheschi an die Tore der Stadt und ritt herein. Von allen Seiten kamen die staunenden Menschen zusammen und blickten auf den reitenden Hemmed L'hascheschi. Der aber rief: "Was sagt ihr? Ein wildes reißendes Tier soll das sein? Es ist Hemmed L'hascheschjs Esel und Reittier." Alles Volk jubelte. Hemmed L'hascheschi ritt aber in den Hof des Agelith, stieg vom Löwen ab und sagte: "Nehmt die Schnur und bindet ihn da an, wo die Esel stehen!" Die Leute des Agelith taten es.

Der Agelith trat seinem Schwiegersohne entgegen. Er dankte ihm und führte ihn herein. Ein großes Fest ward gefeiert, und spät erst gingen die aufgeregten Leute auseinander. Die Leute hatten sich aber noch nicht lange zur Ruhe gelegt, da erwachte der Löwe aus seiner Betäubung. Er schüttelte sich ein wenig, so daß sogleich der Strick, an dem er angebunden war, zerriß. Dann brüllte er, sprang auf, stürzte sich auf die neben ihm angebundenen Tiere und biß sie tot. Der Löwe brüllte. Die sterbenden Tiere brüllten. Die Wächter schrien: "Der Löwe hat sich losgerissen!" Weiber und Kinder schrien. Alle Leute schrien in ihrer Angst nach Hemmed L'hascheschi. Hemmed L'hascheschi hörte es. Eine große Furcht befiel ihn Hemmed L'hascheschi versteckte sich hinter seinen Decken Kissen und stellte sich schlafend. Inzwischen hatte der Löwe ein Schaf gepackt, damit sprang er aus der Stadt und seinem Walde

Am andern Tage kamen die kundigen Leute wieder zum AgeIith und sagten ihm: "Wir bitten dich, durch deine Tochter Hemmed L'hascheschi nochmals zu Hilfe zu rufen und ihn zu bestimmen daß er diesmal den Löwen tötet. Was ihm das erstemal so leicht war, wird ihm das zweitemal nicht schwer werden." Der Agelith rief seine Tochter und bat sie um seine Fürsprache bei Hemmed L'hascheschi. Seine Tochter sagte: "Sicherlich wird Hemmed L'hascheschi euch gerne helfen. Was ihm das erstemal so leicht war, kann ihm das zweitemal nicht schwer werden." Die Tochter ses Agelith ging zu ihrem Manne und sagte: "Hemmed L'hascheschi mein Gatte, mein Vater und alle Leute bitten dich, du möchtest noch



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einmal ausziehen, den Löwen aufzusuchen. Du möchtest ihn diesmal aber nicht lebendig bringen, sondern möchtest ihn töten." Hemmed L'hascheschi erschrak. Er ließ sich aber nichts merken, sondern sagte: "Was Hemmed L'hascheschi das erstemal so leicht war, wird Hemmed L'hascheschi das zweitemal nicht schwer werden. Die Leute haben hier ja außer Hemmed L'hascheschi keine Männer."

Hemmed L'hascheschi ging in den Hof und sagte bei sich: "Dieses ist der letzte Tag meines Lebens gewesen, wenn es mir jetzt nicht gelingt zu entfliehen. Ich will mir aber wenigstens noch einigen Tabak mit auf den Weg nehmen." Hemmed L'hascheschi packte seinen Ziegenhautbeutel mit Tabak auf, gürtete das Schwert um und machte sich auf den Weg. Erst ging er die gleiche Richtung wie das erstemal. Als er aber an den Kreuzweg kam, sagte er bei sich: "Gestern kam mir der Löwe auf dem rechten Weg entgegen, heute werde ich also am besten auf dem linken gehen, um ihm zu entrinnen." Also schlug Hemmed L'hascheschi den linken Weg ein.

Kaum aber war er einige hundert Schritt weit gegangen, da stand wieder der Löwe vor ihm. Hemmed L'hascheschi stieß einen Schrei aus; er griff nach dem nächsten Ast, um sich auf einen Baum zu retten. Dabei aber blieb sein Schwert am Stamme hängen, und als er es mit sich heraufriß, schlitzte die Schwertspitze einen spitzigen Span aus dem Holz. Hemmed L'hascheschi war gerade in Sicherheit, als der Löwe voller Zorn hinter ihm her am Baume hochzuspringen suchte. In seiner Wut sprang der Löwe blindlings hoch und achtete nicht des spitzen Spanes, der aus dem Stamme herausragte. Der Span aber schlitzte dem springenden Löwen den ganzen Leib der Länge nach auf, so daß er tot zu Boden sank.

Als Hemmed L'hascheschi glaubte, hoch genug geklettert zu sein, schaute er sich nach dem Löwen um. Er sah den Löwen in seinem blute liegen. Hemmed L'hascheschi erstaunte. Er stieg einen Ast tiefer, riß einige Eicheln ab und warf sie auf den Löwen. Der Löwe rührte sich nicht. Hemmed L'hascheschi stieg noch einen Ast tiefer und pißte von hier aus auf den Löwen. Der Löwe rührte sich nicht. 9a kletterte Hemmed L'hascheschi ganz auf die Erde, ging rund um ihn herum, zog ihn am Ohr und sagte: "Was mein Löwe, du weißt nicht, wer Hemmed L'hascheschi ist? Was, du hast Hemmed L'hascheschi gestern noch nicht einmal als deinen Herrn anerkennen gelernt? Siehst du nun, daß auch du nicht mit Hemmed L'hascheschi, der fünfzig mit einem Schlage tötet, kämpfen kannst?



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Nun bist du durch das Schwert Hemmed L'hascheschis ums Leben gekommen."

Danach bückte sich Hemmed L'hascheschi und rieb sein Schwert mit dem Blute des Löwen ein. Auch rieb er sich von dem Blute in seine Kleider. Alsdann machte er sich auf den Weg und ging Zur Stadt zurück. Unterwegs rief er einige Wächter heran, sie sandte er zurück, damit sie die Leiche des Löwen hinter ihm hertrügen Vor dem toten Löwen zog Hemmed L'hascheschi in die Stadt ein Der Agelith kam ihm entgegen, um ihm zu danken. Alle Leute jubelten und schrien vor Freude. Als er aber daheim angekommen war, sagte er zum Agelith und den kundigen Leuten: "Hemrned L'hascheschi, der fünfzig mit einem Schlage tötet, hat euch gern den Gefallen getan und dem Löwen sein Schwert in die Brust gerannt. In Zukunft müssen aber auch die anderen jungen Männer der Stadt kämpfen. Sie sollen mehr lernen und nicht das Wenige, was sie können, vergessen. Es ist also für die Stadt besser, wenn in Zukunft Hemmed L'hascheschi seine Freude am Kampf unterdrückt und den anderen den Vortritt läßt. Hemmed L'hascheschi hat genug getan."

Die kundigen Leute sagten: "Hemmed L'hascheschi hat recht."


26. Der Fischer und der Affe.

Ein Fischer (achueth) ging alle Tage zu seiner Arbeit aus. Er fing tagtäglich seine vier bis sechs Fische, die brachte er abends auf den Markt und von deren Erlös lebte er ganz behaglich in einer kleinen Hütte, die seitwärts großer Häuser mit vier Stützen errichtet und mit Schilf bedeckt war.

Eines Tages nun war er wieder am Wasser bei seiner Arbeit beschäftigt, da faßte sein Angelhaken schwer an. Der Fischer zog an. Erst meinte er, es habe wohl ein großer Fisch angebissen, als das Ende der Leine aber näher kam, sah er, daß der Haken in das Holz eines kleinen Kästchens gegriffen hatte, das er nun ganz auf das Ufer zog. Neugierig, zu erfahren, was der seltsame Fang enthalten möge, entschloß er sich, es heute mit der Arbeit genug sein zu lassen und nach Hause zurückzukehren. Er legte seine Geräte zusammen, schulterte das Kistchen und wanderte heim. Auf dem Wege sagte er sich: "Wenn ich in dem Kistchen nun nicht irgend etwas finde, dessen Verkauf mir einiges einbringt, so weiß ich nicht, wie ich



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heute noch zu einem Abendessen kommen soll." Damit hatte er aber recht. Denn der Fischer war arm und lebte täglich von dem, was er durch seine Arbeit erbeutet hatte.

In seiner Hütte öffnete er den Kasten mit ziemlicher Mühe. Es war aber kein Schatz darin. Statt des Anblickes von Gold und Silber sprang ihm ein Affe (ibiki) entgegen, der rief fröhlich: "Du bist es! Sei mir gegrüßt!" Der Fischer wußte zuerst nicht, wie er mit gutem Herzen den Gruß beantworten solle, denn nun konnte er sich nicht ausdenken, wie er zu seinem Essen kommen sollte. Er sagte: "Du bist in kein reiches Haus gekommen. Ich weiß nicht, wie ich dir zu essen geben soll." Der Affe lachte aber und sagte: "Darum sorge dich nicht, ich bin Ibiki (der Affe), ich werde schon für alles sorgen. Gehe nur fürs erste unbekümmert zu deiner Arbeit."

Am andern Tage ging der Fischer wieder an das Ufer zu seiner Arbeit. Der Affe aber sprang umher und betrachtete die nächste Umgebung der Fischerhütte. So fand er einige Blumen, die aus dem Fenster eines großen Gebäudes geworfen waren, in dem ein Agelith wohnte. Der Affe hob sie auf und sagte: "Diese Leute wissen mit ihren Sachen nichts anzufangen, ich werde es sie aber lehren." Er nahm die Blumen und pflanzte ihre Stengel sorgfältig auf den Platz hinter der Hütte seines Herrn und dem Hause des Agelith. Er goß die Pflanzen täglich und pflegte sie und so kam es, daß bald an Stelle der öden Fläche ein wundervoll blühender Garten entstand.

Eines Tages nun schaute die Tochter des Agelith zum Fenster heraus und war ganz entzückt über die Schönheit der Blumenpracht. Sie rief ihre Negersklavin herbei und sagte zu ihr: "Sogleich gehe zu dem Herrn herüber, dem dieser prächtige Garten gehört und bitte ihn um einige Blumen für mich. Mein Herz brennt nach ihnen." Die Negerin machte sich sogleich auf den Weg. Sie kam in den Garten, in dem soeben der Affe umherging und entbot ihm freundlich ihren Gruß. Der Affe aber entgegnete der Alten mit einem Gruße und sagte: "Ich habe deinen Gruß nicht nötig, ich arbeite." Die Negerin sagte: "Mein Lieber, du könntest freundlicher sein. Wisse denn, daß ich im Auftrage der Tochter des Agelith komme, die dich um einige Blumen bittet." Der Affe lachte höhnisch und sagte: "Da ist mir deine Herrin etwas Rechtes. Ihr Leute hier im Lande seid sehr unbescheiden und eingebildet. So eine alte Frau, wie du, sollte doch aber vorsichtig sein und fragen, wenn sie um etwas bitten will, ich will es dir sagen: Dieser Garten gehört dem Sohn des großen Fürsten (mit "Agelith", jedoch auch mit "Sul



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tan" bezeichnet) von Indien*, in dessen Dienst ich hier arbeite" Die Negerin erschrak und rief: "Was? Dem Sohn des großen Fürsten von Indien? !" Der Affe sagte: "So ist es. Der Sohn des Fürsten hat von einer sehr schönen Agelithtochter gehört, die hier irgendwo im Lande wohnen soll, und so hat er sich auf die Reise gemachte, um selbst zu sehen, was an dem Gerede wahr ist. — Nun ist es aber genug mit dem faden Gewäsch, nimm hier diese Blumen und bring sie deiner Herrin. Versteckt sie aber gut und laßt sie nicht etwa am Fenster sehen, so daß sie mein Herr gar eines Tages entdeckt und zornig wird. Mach nun überhaupt, daß du wegkommst, denn ich muß nach dem Essen sehen." Die Negerin sagte: "Ich danke dir, ich danke dir, ich danke dir! Was aber das Essen anbelangt, so laß dich das nicht kümmern. Wir haben heute ein großes Mahl bereitet. Ich werde als Dank alles Nötige herüberschicken, du brauchst deinem Herrn ja nichts zu sagen, woher das Essen kommt, damit er nicht erfährt, daß du meiner Herrin von euren Blumen gegeben hast."

Die alte Negerin schlug die Blumen in ein Tuch, lief zu ihrer Herrin herüber und berichtete ihr alles, was sie von dem Affen gehört hatte. Die Tochter des Agelith war sehr erstaunt über dieses alles. Sie betrachtete neugierig die schönen Blumen und merkte es in ihrer Verwunderung gar nicht, daß es keine anderen Blumen waren als die, die sie vor einiger Zeit aus dem Fenster geworfen hatte. Sie sagte zu der alten Negerin: "Mit dem Essen hast du recht gehabt. Sorge, daß sogleich schöne Gerichte hergestellt und alsbald hinübergebracht werden. Geh, mache dich geschwind an die Arbeit."

Nach einiger Zeit kamen die Diener des Agelith mit einer Reihe von Platten und Töpfen zu dem Affen. Die alte Negerin sagte: "Dieses wird, denke ich, deinem Herrn zusagen." Der Affe schnüffelte an den Speisen und sagte zu der Alten: "Ich hoffe, daß du recht hast, und daß mein Herr, der ein sehr gutes Essen gewohnt ist, nicht merkt, daß die Sachen von auswärts kommen. Laß nur die paar Platten hinstellen. Das übrige ist ja sowieso meine Sorge. Sage deiner Herrin auch meinen Dank." Die Platten und Töpfe wurden niedergesetzt, und die alte Negerin ging mit den Dienern wieder nach Hause.

Als nun der arme Fischer nach Hause kam, fand er die Töpfe und 

* Im Volksmunde des nordöstlichen Kleinafrika gilt Indien als das Wunder- und Heimatland aller Schätze, während im südwestlichen die Negerländer am Niger den höheren Ruhm genießen.


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Platten voll Speise rund herumstehen und rief entzückt aus: "Wo kommt denn dieses prachtvolle Essen her?" Der Affe lachte und sagte: "Ich habe dir doch gesagt, ich werde für alles sorgen, denn ich sei Ibiki. Nun setze dich hin und iß, schlage dir aber den Leib nicht zu voll, denn heute abend wirst du ein Mahl erhalten, das dieses hier an Güte weit übertrifft." Der Fischer begann sogleich Zu essen und hörte auch sobald nicht wieder auf.

Kaum hatte der Fischer aber den letzten Brocken zum Munde geführt, so ergriff der Affe alle Platten und Töpfe und zerwarf sie, außerdem rieb er sich die rußigen Bodenscherben im Gesicht ab, So daß er ganz verschmiert aussah. In diesem Zustande ging er in den Garten und heulte und wehklagte. Die Tochter des Agelith, die oftmals an das Fenster trat in der Hoffnung, einmal den Sohn des Fürsten von Indien zu erblicken, sah den Affen jammernd im Garten liegen. Erschrocken rief sie ihre Negersklavin und sagte: "Schnell, laufe hinab und frage den armen Affen, was ihn bekümmere, daß er sich so jämmerlich auf dem Wege im Sand wälzt. Ich hoffe, daß dem Sohn des Fürsten von Indien nichts zugestoßen ist. Eile dich und bringe mir bald Nachricht "

Die alte Negerin lief schnell herab und in den Garten, trat zu dem Affen und fragte: "Sage mir doch, was dir ist? Die Tochter des Agelith sendet mich, ich soll ihr schnell die Auskunft über den Grund deiner Kümmernis bringen." Der Affe erhob sich vom Boden, zeigte der Sklavin sein mit Ruß bestrichenes Antlitz und sagte: "Sieh hier, das danke ich meiner Gutmütigkeit Wie konnte ich nur deiner Herrin die Blumen schenken! Hätte ich es nicht getan, dann wäre nie dieses schreckliche Essen auf den Tisch gekommen Oh, wie teuer habe ich meine Gutmütigkeit bezahlen müssen." Die Negerin erschrak noch mehr und sagte: "Ich beschwöre dich, erkläre mir, wieso dieses Essen, das ich selbst mit aller Sorgfalt herstellen ließ, der Grund zu deinem Leiden wurde!"

Der Affe erhob sich ganz. Er ging auf die Negerin zu und sagte: "Gut so, mit aller Sorgfalt! Eine schöne Sorgfalt! Ich roch ja gleich an den Speisen, daß das wohl kaum etwas für den Sohn des Fürsten von Indien sein könne. Daß es schlimm war, dachte ich allerdings, aber ich wähnte, ihr wäret doch wenigstens leidlich wohlhabende Leute und hättet einige Lebensart. Als mein Herr das Essen versucht hatte, wurde er so wütend, daß er mir alle Platten und Töpfe an den Kopf warf und noch schlimmer - mich zum Schluß zwang, von dem schrecklichen Zeug eine gute Portion zu genießen. Sieh,



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meinen Kopf! Sieh, wie eure rußigen Töpfe mir in das Gesicht flogen sind. Fühl an meinen Leib, wie heiß er von dem Fieber geworden ist, das dieses schreckliche Mahl mir erzeugte. Dir und deiner Herrin danke ich das. Laufe hin und berichte ihr diese sch Sache!"

Die Negerin lief, so schnell sie konnte, zurück. Sie erzählte alles der Tochter des Agelith. Die Tochter des Agelith aber erschrak noch mehr als die Dienerin. Sie begann zu weinen und sagte: "Der arme Sohn des Fürsten von Indien ist schrecklich gekränkt. Der arme Affe hat fürchterlich leiden müssen. Oh, daß ich nicht daran dachte, daß diese Leute nur das Allerbeste gewöhnt sind. —Aber nun schnell, rufe mir alle meine Frauen und Mädchen zusammen, daß sie unter meiner persönlichen Aufsicht ein Mahl bereiten, das uns mehr Ehre macht als deine schrecklichen Gerichte!" Die Negerin rief sogleich alle Mädchen und Frauen zusammen, und nun begannen sie aus dem schönsten Mehl, mit dem besten Öl und den seltensten Gewürzen ein herrliches Mahl zu bereiten. Die Tochter des Agelith versuchte selbst jede einzelne Speise und Tunke und Zukost und sandte das Ganze dann auf schönen Platten aus Silber und in feinen Gefäßen zu dem Fürsten hinüber.

Nach dem Mittagsmahle hatte der Fischer sich auf den Weg gemacht und war ein wenig umhergegangen, um das ungewohnt reichliche Mahl besser zu vertragen. Er hatte einen langen Weg zurückgelegt und dachte mit Bedauern daran, daß er sich nichts davon für ein Nachtmahl aufgehoben habe. Als er seine Hütte nun wieder betrat, erschrak er freudig bei dem Anblick des noch reicheren und feiner duftenden Mahles. Er ließ sich sogleich nieder, verzehrte, soviel er vermochte, legte sich nieder und sagte einschlafend: "Mein Affe, ich habe dir sehr unrecht getan, als ich dich am ersten Tage so unfreundlich begrüßte!" Der Affe lachte und sagte: "Warte, morgen beginnen wir wirklich ein anderes Leben. Dann erst wirst du mit mir wahrhaft zufrieden sein."

Am anderen Morgen rieb sich der Affe das Gesicht weiß an. Dann kämmte er die Haare, so daß sie wild umherstanden. So rannte er im wilden Laufe hinüber zu dem Hause des Agelith und pochte hastig an die Tür. Die Negerin öffnete. Als sie den Affen in so wildern Zustande sah, erschrak sie noch mehr als am Tage vorher und schrie: "Was ist das? Was ist denn noch Schrecklicheres geschehen! Das Essen war doch das Beste, das man auf Erden her stellen kann!" Der Affe sagte: "Schnell schließe die Tür, daß



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mich nicht sieht. Vielleicht kann mich deine Herrin vor dem mir drohenden Tode bewahren, indem sie mich versteckt!" Die Negerin schloß hastig die Tür und sagte: "Schnell komm zur Tochter des Agelith und erzähle ihr, was geschehen ist." Dann führte sie den Affen zu ihrer Herrin.

Der Affe brach aber in Tränen aus, beschwor die Tochter des Agelith und sagte: "Nun bitte ich dich nur noch, mich zu verstecken und mich dann vor dem Zorne meines Herrn entfliehen zu lassen, nachdem deine elende Dienerschaft durch den Diebstahl mein Glück vernichtet hat." Die Tochter sagte: "Was ist denn geschehen ?" Der Affe antwortete: "Gestern nacht brachten deine Diener dem Sohne des Fürsten von Indien ein leidlich gutes Mahl. Ich nahm gleich wahr, daß einige aufmerksam im Hause umherblickten und zumal nach den Kisten schielten, in denen wir unser Geld aufbewahren. Heute nun gegen Morgen höre ich es brechen und krachen und dann einige Leute durch die Räume gehen, wobei sie dicht an mir vorüberkamen. Ich hatte solche Furcht, daß ich mich nicht rührte und so ihrer Aufmerksamkeit entging. Nun hörte ich einen zum andern flüstern: ,Der Diener der Tochter des Agelith hat gesagt, daß die Kisten mit Gold im Tharkunth (Winkel an der Hinterwand neben der Krugbank) des zweiten Hauses stehen.' Ich hörte, wie die Räuber dann sieben von unsern Kisten wegschleppten und wie sie gehend zueinander sagten: ,Wie schade, daß wir die Hälfte des Raubes dem Diener der Tochter des Agelith abgeben müssen.' — Sieh, derart wurde mein Herr heute Nacht bestohlen. Ich bin sogleich entflohen. Denn der Sohn des Fürsten von Indien pflegt jeden Nachmittag seine hundert Goldkisten zu zählen, und wenn er dann merkt, daß sieben fehlen, so wird er mich hinrichten lassen. Darum bitte ich dich, mich bei dir verstecken zu dürfen."

Die Tochter des Agelith sagte: "Mein armer Affe, wie bedaure ich es, daß du durch den Diebstahl meiner Leute so erschreckt bist. Aber ich will das wieder gut machen, was sie dir Schlimmes antaten. Mein Vater hat zwar nicht hundert, sondern nur vierzig Goldkisten. Er hat sie mir zur Aufbewahrung anvertraut und wird es nicht gewahr werden, wenn ich dir sieben davon sogleich zusende. Sie sollen bei euch im Hause sein, ehe dein Herr seinen Reichtum zu zählen pflegt. Zum Abschied bitte ich dich, mir zu verzeihen, daß meine Leute dir so schweres Leid zufügen!" Der Affe bedankte sich und sagte: "Ich freue mich, in dir eine so gerechte und vernünftige Person kennengelernt zu haben. Auch bist du schön. Vielleicht



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kann ich dir einmal einen großen Dienst erweisen." Damit kehrte der Affe zu dem Fischer zurück.

Kurze Zeit nachher kamen die Diener der Tochter des Agelith und brachten sieben Kisten mit Gold. Der Affe nahm sie in Empfang. Als der Fischer von seiner Arbeit nach Hause zurückkehrte, sagte er zu dem Affen: "Nachdem ich gestern zweimal so gut gegessen hatte, wurde mir in dem Gedanken, daß ich heute dafür wohl fasten müßte, recht traurig zumute. Immerhin habe ich vier Fische gefangen, bringe sie auf den Markt und verkaufe sie und erhandle dafür ein Brot oder derartiges." Der Affe sagte: "Von heute ab brauchst du nun nicht mehr zum Fischen fortzugehen. Schau hier.. her!" Damit zeigte er dem Fischer die Kisten, öffnete eine derselben und ließ seine Finger in das Gold gleiten." Der Fischer schlug die Hand vor den Mund und schrie: "Aeaeaeaeae!" —

Am gleichen Tage noch ging der Affe hin und kaufte für seinen Herrn die schönsten Kleider und Schmuck und Waffen, alle viel schöner noch, als sie der Agelith selbst zu tragen pflegte, und wo er gefragt wurde, für wen die Kostbarkeiten seien, antwortete er: "Für meinen Herrn, den Sohn des Fürsten von Indien." So kam es, daß bald alle Welt von dem reichen Sohne des Fürsten von Indien sprach, und daß das Gerücht von dessen großem Reichtum und Prachtliebe auch zu den Ohren des Agelith drang. Dieser war nun neugierig, den Sohn des Fürsten von Indien kennenzulernen, und sagte dieses auch eines Tages zu seiner Tochter. Die Tochter, die noch emsiger als der Vater dieses Ziel verfolgte, suchte ihn anzuspornen, indem sie sagte: "Durch meine Negersklavin hörte ich daß er mit nicht weniger als hundert Kisten Gold in der Welt um. herwandert und eine Frau sucht. Auch soll er als Diener einen ungemein gebildeten Affen haben!" Der Agelith, dessen Neugierd nun noch stieg, sagte: "Also habt ihr Frauen auch schon von ihm gehört. Nun, so sorge, daß wir morgen ein gutes Essen haben, ich werde ihn und seinen Affen zu Gaste laden."

Als die Einladung des Agelith bei dem reich gewordenen Fischer ankam, sagte der Affe zu ihm: "Nun höre meine drei Ratschläge für morgen! Wenn wir morgen das Gemach des Agelith betreten werden, wirst du es ganz ausgelegt finden mit herrlichen Teppichen Tue aber so, als ob du es gewohnt seiest, über so herrliche Teppiche zu gehen und ziehe deine Schuhe nicht aus. Am Ende des Zimmers wirst du einen silbernen und einen goldenen Stuhl stehen sehen Gehe sogleich auf den goldenen Stuhl zu, als seiest du immer gewohnt,



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auf goldenen Stühlen zu sitzen und laß dich darauf nieder. Nachher wird es ein reiches und wohlschmeckendes Mahl, bestehend aus einer großen Anzahl herrlicher Speisen geben. Iß von allem nur ganz wenig, denn das ist die Art ansehnlicher Leute, und rufe den Eindruck hervor, als pflege man stets so zu speisen. Außerdem schützt es vor schlimmen Folgen." Der Fischer versprach dem Affen, alle seine weisen Anregungen zu befolgen.

Als sie aber am anderen Tage den Saal des Agelith betraten und der Fischer die schönen Teppiche vor sich liegen sah, wollte er sogleich seine Schuhe ausziehen. Der Affe aber hielt ihn noch im letzten Augenblick an und sagte: "Laß das!" Und als sie an den goldenen und silbernen Stuhl kamen, wollte er sich voller Bescheidenheit auf den silbernen setzen, der Affe sprang aber schnell darauf und sagte: "Wenn du es befiehlst, mein Herr, nehme ich neben dir Platz." So blieb nur der goldene Stuhl leer, den der Fischer dann einnahm. Der Agelith trat herein, begrüßte seine Gäste und ließ die Speisen auftragen.

Der Fischer sog erst den Duft der leckeren Gerichte mit der Nase ein, dann aber stürzte er sich sogleich über eine nach der anderen und packte, ohne noch an den Rat des Affen zu denken und sich an der Unterhaltung zu beteiligen, eine Speise nach der anderen in seinen Leib, so daß bald nichts mehr auf dem Tische stand. Der Affe aber sagte zu dem Agelith: "Während vierzehn Tagen war mein Herr so in Gedanken versenkt, daß er keinen Bissen zu sich nahm und ich schwere Sorge um ihn hatte. Heute nun ißt er aus gleicher Gedankenlosigkeit alles herunter, worüber ich sehr froh bin, denn nun wird er wenigstens nicht am Hunger sterben." Dann erzählte der Affe, während der Fischer, ohne auf die anderen zu achten, unentwegt vor sich her aß, von der Pracht und der Macht des Fürsten von Indien, von dessen Schiffen und Soldaten, mit denen er jedes Land, das ihm widerstehe oder seinen Zorn errege, erobern und zerstören könne und von dem gewaltigen Reichtum der Heimat. Der Agelith wurde durch diese Unterhaltung so gefesselt und nachdenklich gestimmt, daß er es gar nicht merkte, daß nach dem Abschiede der Fischer mit dem Affen nicht sein Haus verließ, sondern vielmehr dem Winke der Negerin folgte, die dem Sohne des Fürsten im Auftrage ihrer Herrin bat, bei ihr heimlich einzutreten und auf dem Lager neben ihr Platz zu nehmen. Der Fischer trat so bei der Tochter des Agelith ein und streckte sich neben ihr aus, und der Affe, der ein Unglück fürchtete, schlüpfte insgeheim auch mit



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in den Raum, um sich hinter dem Akufi (Getreidefaß) zu verstecken.

Eine Zeitlang unterhielt sich der Fischer mit der Tochter des Agelith, die an den groben Gewohnheiten des reich gewordenen Fischers besonderen Gefallen fand und sie für das Zeichen fremder und besserer Art hielt. Dann schlief der Fischer, müde gemacht durch das reichliche Mahl und die freundlichen Anforderungen der Tochter des Agelith neben dieser auf deren Lager ein.

Beide schliefen erst längere Zeit. Dann aber machten sich im Leibe des Fischers die Folgen des allzu reichlichen Mahles bemerkbar, und so kam es, daß er das Bett beschmutzte. Der Affe, der bisher aufmerksam in seinem Winkel gesessen hatte, kam, als er dieses zu bemerken glaubte, herbei, zog vorsichtig das beschmutzte Kleid unter dem schwer schlafenden Fischer hervor, warf es über die Tochter des Agelith, stieg auf das Dach und machte über dem Paar ein Loch in der Decke. Als es nun ein wenig hell wurde, stürzte er in das Haus und schrie: "Was, man hat den Sohn des Fürsten von Indien in diesem Hause beschmutzt? Der Fürst von Indien wird mit seinen Schiffen und Soldaten kommen und dieses ganze Land vernichten!"

Von dem Schrei erwachte der Agelith. Er vernahm den Ruf des Affen. Er erschrak und sprang auf. Er eilte dahin, woher der Ruf des Affen kam. Er betrat den Schlafraum seiner Tochter und sah, wie der Sohn des Fürsten von Indien neben seiner Tochter auf dem Lager ausgestreckt und über beiden und gerade unter dem Loch in der Decke das beschmutzte Gewand lag. Der Agelith war bei diesem Anblick so erschrocken, daß er gar nicht erst auf den Gedanken kam, nachzufragen, was der Sohn des Fürsten von Indien auf dem Lager neben seiner Tochter zu suchen habe, — er fragte nur: "Ich beschwöre euch, sagt mir nur, was hier geschehen ist!" Der Affe wies nach dem Loch in der Decke und sagte: "Sieh, Agelith, das Loch in der Decke des Hauses! Dein Haus ist schlecht bewacht, daß sogar in einer Nacht, in der es den Sohn des Fürsten von Indien birgt, freche Diebe wagen, ein Loch in die Decke zu schlagen und den Sohn des Fürsten von Indien zu beschmutzen. Nun aber wird der Fürst von Indien, sobald er von der seinem Sohne im Hause eines kleinen Agelith widerfahrenen Schmach hören wird, seine Schiffe und Soldaten schicken und das Land und die Stadt ver.. nichten!"

Da warf sich der Agelith voller Angst und Schrecken vor dem



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Affen nieder, beschwor ihn und sagte: "Ich bitte dich, den Sohn des Fürsten von Indien in meinem Namen um Verzeihung anzuflehen. Sage ihm, ich bäte ihn, meine Tochter als Frau hinzunehmen, seinen Vater aber nicht von dieser in meinem Hause geschehenen Ruchlosigkeit wissen zu lassen. Mein lieber Affe, ich bitte dich, sprich für mich!" Der Affe sagte zu dem Fischer: "Mein Herr, du hörst, was dieser Agelith dich bittet und dir anbietet. Er war bis jetzt freundlich und aufmerksam. Ich glaube dir raten zu können, seinen Vorschlag anzunehmen."

Der Fischer rieb sich den Schlaf aus den Augen, gähnte und sagte: "Ich bin einverstanden. Nun aber laßt uns noch ein wenig schlafen, denn wir sind müde." —

So ward der Fischer der Bräutigam der Tochter des Agelith. Der Agolith veranstaltete kurz darauf ein großes Fest zu Ehren des Sohnes des Fürsten von Indien und dessen Hochzeit mit seiner Tochter. Das Fest dauerte viele Tage, und täglich wuchs die allgemeine Achtung vor dem Sohne des Fürsten von Indien. Alle Welt beeilte sich, dem Schwiegersohn des Agelith Geschenke darzubringen und in die Lobsprüche zu seinen Ehren einzustimmen, so daß der Agelith und seine Tochter alle Tage mit dieser Entwicklung der Dinge zufriedener wurden.

Eines Tages aber kam der Affe zu dem Agelith und sagte: "In wenigen Tagen wird mein Herr mit seiner jungen Frau nach einem hier nahegelegenen Schlosse (l'har), das ihm gehört, aufbrechen, sorge also für ein ansehnliches Geleit!" Der Agelith sagte: "Ich hätte gern die angenehme Gesellschaft deines Herrn noch länger genossen. Ich sehe aber ein, daß er sein eigenes, reicheres Schloß einzunehmen wünscht, und so will ich denn dafür Sorge tragen, daß dein Herr in würdiger Weise heimgeleitet wird."

Am Tage begann der Agelith sogleich alle seine Leute zusammenzurufen und diejenigen Neger, Negerinnen, Diener, Frauen und Burschen auszusuchen, die er dem Sohne des Fürsten von Indien und seiner Tochter mitzugeben gedachte. Die Burschen und Tragtiere nahmen alle Geschenke, die Kisten mit Gold und Stoffen auf; der ansehnlich gewordene Fischer und seine Frau bestiegen ein Pferd; der Affe stellte sich an die Spitze des Zuges; es wurde Abschied genommen, und dann setzte sich der Zug unter dem Jubel des Abschiedsgrüße rufenden Volkes in Bewegung.

Der Affe eilte führend dem Zuge voran. Er wanderte auf das Geratewohl weiter und führte ihn so eine weite Strecke, bis er eines



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Tages an einen großen Wald kam. In diesem Walde wohnte in einem ausgedehnten Gehöft mit vielen Nebenhäusern der Agelith aller Wuarssen (Riesen). Als der Affe auf dieses Gehöft zukam, trat der Wuarssen gerade vor die Tür. Der Affe schrie vor Erstaunen auf und rief: "Was, du bist noch hier? Fürchtest du dich denn gar nicht? Schau, dort hinaus! Hinter mir die große Staubwolke! Das sind die neunundneunzig Wuarssen der Nachbarländer, die kommen, um dich zu zerstören! Schau nur, wie die Masse näherkommt!" Der Wuarsse blickte in die gewiesene Gegend und sah die Staubwolke, die der Zug des Fischers und seiner Frau aufwirbelte. Er erschrak. Er rief: "Was soll ich tun? Wie soll ich mich retten?" Der Affe sagte: "Krieche nur dort in den Strohhaufen (amaar). Ich will dann schon sorgen, daß dich niemals jemand wiederfindet." Der Wuarssen folgte dem Rate des Affen. Er kroch in den Strohhaufen. Kaum war er aber ganz in das Innere geschlüpft, da zündete der Affe den Strohhaufen an und der Wuarssen verbrannte bis auf den letzten Knochen.

Der Affe ging dann durch das Gehöft. Er fand dreißig Schlüssel von dreißig verschiedenen Räumen, die mit Gold, Silber, Stoffen und wertvollen Dingen angefüllt waren. Der Affe besichtigte das alles und trat dann dem Zuge entgegen, der gerade vor dem Tore ankam. Er begrüßte seinen Herrn und sagte: "Oh, Sohn meines Fürsten; tritt ein in diese deine Behausung!" Und sich zu der jungen Frau wendend, sagte er: "Nimm fürs erste in diesem Landhaus (l'hausch) meines Herrn vorlieb. In das Schloß (l'har) können wir ein anderes Mal übersiedeln." Der Fischer und seine Frau traten näher, und die Tochter des Agelith, die mit ihrer alten Negerin von einem Raume zum andern schritt, konnte sich nicht genugsam verwundern über all diese Herrlichkeiten. Abends kamen die Hirten des Wuarssen mit den Herden von Rindern und Kühen, Schafen, Eseln und allerhand Geflügel heim. Der Affe empfing sie alle und sagte ihnen: "Ihr habt bislang gedacht, der Wuarssen wäre der Herr dieses Landes. Dieses ist nicht der Fall. Er war nur der Statthalter des Fürsten von Indien. Dieser hat gefunden, daß der Wuarssen seine Güter schlecht verwaltet hat und hat ihn vernichtet. Er hat seinen Sohn hierher gesandt, dem ihr nun ebenfalls verpflichtet seid." Damit waren die Leute sehr zu. frieden.

Am andern Tage verabschiedete der Affe die Leute des Agelith Diese kehrten in die Stadt zurück. Sie erzählten daheim von der



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Pracht und dem Reichtum des Landhauses des Sohnes des Fürsten von Indien.

Ein Jahr lang lebte der ansehnlich gewordene Fischer mit seiner Frau sehr glücklich, und seine Frau gebar um diese Zeit ein Kind. Eines Tages sagte sich der Affe: "Ich möchte doch einmal sehen, wieweit die Dankbarkeit dieser Leute reicht." Der Affe stellte sich krank. Alsbald kam der Fischer zu ihm und sagte: "Du bist krank, mein Affe? Was kann ich tun, um dich wieder gesund zu machen?" Der Affe sagte: "Ich kann nur dadurch wieder gesund werden, daß ihr euer Kind tötet." Die Frau des Fischers, die den Affen fast lieber hatte als ihren Mann, sagte sogleich: "Wenn dir damit geholfen ist, will ich sogleich das Kind töten lassen." Der Fischer aber lachte und sagte: "Was, unser Kind töten wegen eines Affen? Einen Affen können wir uns alle Tage wieder kaufen!"

Da wurde der Affe zornig und schrie: "So dankbar also bist du, armseliger Fischer, mir, dem du alles verdankst?" Als die Tochter des Agelith das hörte, brach sie in Tränen aus und rief: "Einen Fischer habe ich zum Manne! Ein armseliger Fischer ist mein Mann! Ich will sogleich zu meinem Vater zurückkehren!" Darüber erschrak der Fischer nun sehr, und er bat ihn, seine höhnische Rede zu verzeihen und alles wieder in Ordnung zu bringen.

Der Affe ließ sich bestimmen und ging zur Tochter des Agelith. Er sagte: "Frau des Sohnes des Fürsten von Indien, du hast vorhin gehört, wie ich unbotmäßig gegen meinen Herrn gewesen bin. Verzeih du mir ebenso, wie er mir schon vergeben hat. — Wisse übrigens, daß der Ausdruck ,Fischer' ein scherzhafter Spottname ist, den sein Vater deinem Gatten gegeben hat, weil er daheim in Indien seine Zeit gern mit Fischen in einem Teiche im Garten zubrachte." Als die Tochter des Agelith das hörte, beruhigte sie sich.

Von da an lebten der Fischer, seine Frau und der Affe glücklich in ihrem Landhaus unter den Schätzen. Eines Tages aber ward der Affe ernstlich krank. Der Fischer pflegte ihn nun mit aller Sorgfalt, ohne aber das Ende aufhalten zu können. Der Affe starb. Darüber weinte der Fischer, und er ließ ihn noch acht Tage lang über der Erde, um neben der Leiche zu trauern.

Mittlerweile ließ er ein herrliches Grabmal errichten. Nach Ablauf der Klagezeit wurde der Affe darin beigesetzt, und von nun ab ließ der Fischer alle Tage am Grabe des Affen Speise unter die Bedürftigen verteilen.



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27. Der andere Fischer und der Affe

E in Fischer ging jeden Tag an das Wasser und warf seinen Angelhaken aus und jeden Tag fing er einen Fisch. Den verkaufte er und erlöste dafür so viel, daß er jeden Tag für sich und seine Frau je ein Brot kaufen konnte. Eines Tages warf der Fischer seine Angel aber wieder und wieder aus, und er hatte kein Glück, bis seine Schnur endlich gegen Abend beim Aufziehen straff wurde. Sorgsam zog er sie heraus. Es war aber kein Fisch an dem Angelhaken, sondern ein alter Kasten.

Mittlerweile war es Abend geworden und der Fischer ging mit Angelhaken, Schnur und Kasten nach Hause. Er warf den Kasten ärgerlich in den Winkel und sagte zu seiner Frau: "Heute werden wir nun einmal nichts essen. Dies ist alles, was ich gefangen habe." Die Frau war hungrig und traurig wie der Mann. Beide saßen still da und hungerten. Da sagte eine Stimme aus dem Kasten: "Sucht am Fuße der Kiste den Schlüssel, öffnet den Kasten und steckt eine Nadel in die Tasche." Der Fischer und seine Frau sahen einander an. Da sie aber nichts Besseres zu tun hatten, steckte der Mann die Nadel in die Tasche, während die Frau den Schlüssel suchte, fand und den Kasten öffnete. Sie traten beide an den Deckel, öffneten ihn und sahen auf dem Boden der Kiste einen kleinen Affen. Die Frau und der Fischer waren ärgerlich. Die Frau sagte: "Für den Affen gibt uns kein Mensch ein Brot." Der Fischer wollte den Kasten zuwerfen. Der Affe sagte: "Seid nicht so eilig." Der Fischer sagte: "Was willst du Affe uns Gutes tun oder anraten ?"

Der Affe sagte: "Achte genau auf alles, was ich dir sage! Reiche mir die Nadel, die du in die Tasche gesteckt hast, damit ich sie einmal berühre." Der Fischer tat wie aufgefordert. Der Affe sprach wieder: "Nun stecke die Nadel wieder ein. Jetzt geh zu dem Bäcker und kaufe eine Doppellast Brot. Nachher bezahle mit der Nadel. Dann geh zum Fleischer und kaufe eine Doppellast Fleisch. Zögere nicht, sondern tue das alles sogleich."

Der Fischer schüttelte den Kopf, aber er ging. Er kaufte beim Bäcker eine Doppellast Brot. Er gab ihm als Bezahlung die Nadel. Der Bäcker war zufrieden und versprach, das Brot sogleich zu schicken. Der Fischer schüttelte den Kopf. Er ging zum Fleischer, kaufte eine Doppellast Fleisch und griff in die Tasche, voller Angst, darin nichts zu finden. Die Tasche war aber voller Goldstücke, die um die Nadel lagen, die der Affe berührt hatte, die der Fischer dem



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Bäcker als Zahlung gegeben hatte, die inzwischen aber wieder in seine Tasche zurückgekehrt war. Er zahlte das Fleisch und der Fleischer sandte die Doppellast.

Abends schüttelten der Fischer und seine Frau den Kopf und aßen sich im übrigen satt. Sie gingen schlafen. Als es noch ganz früh am andern Morgen war, weckte der Affe den Fischer und rief: "Holt mir den Milchkaffee herein." Der Fischer war noch halb im Schlaf und rief: "In meinem Hause gibt es keinen Milchkaffee." Die Frau des Fischers stand aber auf. Sie trat auf den Hof. Der ganze Hof stand voller Schafe, Rinder, Säcken voll Korn und Ballen von allerhand Ware. Der Fischer und seine Frau schüttelten den Kopf. Der Affe sagte: "Heute ist Markttag! Geht hin und kauft alle Krüge." Der Fischer tat es. Er kaufte alle Krüge und stellte sie in eine Kammer, so daß diese ganz damit angefüllt war. Er kam zum Affen zurück und fragte: "Was soll mit den Krügen ?" Der Affe sagte: "Sieh morgen früh nach." Am andern Morgen sahen der Fischer und seine Frau in die Krüge; sie waren von unten bis oben mit Gold angefüllt. Der Fischer und seine Frau schüttelten den Kopf.

Der Fischer und seine Frau waren nun die reichsten Leute weit und breit. Sie bauten sich ein neues großes Haus und lebten sorgenlos und bequem. Dem Fischer wurde es nach einiger Zeit langweilig. Er sagte zu seiner Frau eines Tages: "Ich werde auf Reisen gehen." Der Affe sagte: "Das ist recht, nimm mich aber mit. Die Frau soll das Haus hüten." Der Fischer machte sich also auf den Weg, um die Welt kennenzulernen, und er nahm den Affen überall mit.

Eines Tages kam der Fischer mit dem Affen in eine Stadt, die wurde von einem Amin regiert, der eine sehr schöne Tochter hatte. Der Amin hatte aber bis jetzt jeden, der sich um seine Tochter bewarb, töten lassen und auf diese Weise waren schon neunundneunzig Männer ums Leben gekommen. Als der Fischer in diese Stadt kam, sagte der Affe zu ihm: "Erkundige dich, warum der Amin dieser Stadt jeden, der sich um seine Tochter beworben hat, töten ließ." Der Mann fragte die Leute danach. Kein Mensch wollte es ihm sagen. Er kam zum Affen und sagte dem, daß ihm niemand Bescheid tun wolle. Der Affe sagte: "So versuche es in der Weise, daß du beim Bäcker den ganzen Laden auskaufst, ihm aber erst dann das Geld gibst, wenn er dir die Frage beantwortet hat. Der Fischer ging hin und sagte dem Bäcker, daß er ihm den ganzen Laden auskaufen wolle. Der Bäcker war erfreut. Der Fischer sagte, daß er aber wissen wolle, weshalb der Amin alle Bewerber seiner Tochter töten lasse.



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Da wurde der Bäcker zornig und sagte: "Mein Ware ist warm und wird auch verkauft, ohne daß ich so dumme und unangenehme Fragen beantworte." Der Fischer ging zum Affen zurück und berichtete von seinem neuen Mißerfolg. Der Affe sagte: "So nimm einen Dolch unter das Kleid, kaufe beim Fleischer eine Doppellast Fleisch und sage ihm, er solle dies hinter die Stadtmauer bringen. Wenn er dort dann die Bezahlung erhalten soll, so halte in der linken Hand das Gold, in der rechten den Dolch. Dann frage ihn und er wird antworten." Der Fischer ging. Nach einiger Zeit kam er zum Affen zurück und sagte: "Nun weiß ich, weshalb der Amin bisher alle Bewerber seiner Tochter hat töten lassen." Der Affe sagte: "Wenn du es weißt, so nimm mich unter deinem Kleid auf dem Schoße mit dir, bewirb dich beim Amin um die Tochter und beuge dich, wenn du mit dem Mädchen allein bist, vor, so daß man nicht erkennen kann, ob die Stimme aus deinem Munde oder aus deinem Schoße kommt."

Der Fischer nahm den Affen unter sein Kleid und ging zum Amin. Der Amin empfing ihn. Der Fischer sagte: "Ich bin fremd hier, besitze aber Gehöft und alles Zugehörige in jener Stadt dort. Ich möchte gerne deine Tochter zur Frau haben. Willst du sie mir geben?" Der Amin sagte: "Gewiß will ich dir meine Tochter gerne geben. Es handelt sich dabei um eine sehr einfache Sache. Ich werde meine Tochter hereinrufen. Sie wird sich auf die Erde setzen, gerade dir gegenüber. Wenn es dir nun gelingt, meine Tochter bis zum Abend zum Sprechen zu bewegen, so wird sie deine Frau. Gelingt es dir aber nicht, so töte ich dich." Damit ging der Amin heraus. Gleich darauf trat die Tochter des Amin herein und setzte sich dem Fischer gegenüber auf den Boden.

Der Fischer überlegte: "Was soll ich reden? Was ich auch rede, sie wird mir nicht antworten. Wenn sie bis zum Abend nicht spricht, werde ich getötet." Der Fischer überlegte. Die Schatten wurden kürzer. Es war Mittag. Der halbe Tag war verflossen. Der Fischer hatte noch keine Weise ersonnen, die Tochter des Amin zum Sprechen zu bringen. In seiner Angst beugte er sich vornüber, stützte seine Arme auf die Knie, senkte die Stirn und nahm so die Stellung ein, die der in seinem Schoße hockende Affe ihm vorgeschrieben hatte, denn nun konnte niemand unterscheiden, ob die sprechende Stimme aus dem Munde oder aus dem Schoße des Fischers kam. Sogleich begann der Affe auch zu sprechen und sagte: "Höre und entscheide gerecht!

Ein Schnitzer fertigte einmal aus einem Baumstamm die Gestalt



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einer Frau an. Die Gestalt machte er so genau nach der Natur wie nur möglich. Er schnitzte die Hände und Nägel, die Füße und Zehen, den Kopf mit den Haaren, Augen, Ohren, der Nase, dem Munde und dem ganzen Körper so sorgfältig wie nur irgendmöglich, getreu nach der Art einer lebenden Frau. Das Holzbildnis setzte er auf die Straße.

Nach einiger Zeit kamen zwei Kaufleute mit allerhand Kleiderstoffen und Schmucksachen auf diese Straße. Sie kleideten die Figur, weil ihre Nacktheit bei so vollendeter Schönheit ihnen leid tat. Sie gaben ihr die besten Kleider, die sie hatten und den schönsten Schmuck, der in ihren Ballen war.

Nach einiger Zeit kamen zwei Händler auf der Straße daher. Sie sahen die hölzerne, schöngekleidete, schöngeformte Frau und es tat ihnen leid, daß sie nicht geschminkt war. Darauf nahmen die Händler Tasult (Antimon) und schminkten die Augenränder. Sie nahmen Agussin (Nußschalenpräparat) und schminkten die Lippen.

Nach einiger Zeit kam ein Prophet auf der gleichen Straße einher. Der sah die hölzerne, schöngeschnitzte, schöngekleidete und schöngeschminkte Figur und betrachtete sie. Der Prophet sagte: ,Wie schade, daß diese schönen Formen kein Leben haben', und er bließ der Figur das Leben ein. Die Figur begann zu atmen, schlug die Augen auf und ging von dannen.

Höre und entscheide gerecht! Ich habe mich gefragt, wer es verdient, daß die Frau ihm gehöre. Ich meine, am meisten habe sie ihr Dasein dem Holzschnitzer zu danken."

Die Tochter des Amin sprang erregt auf und rief: "Nein, das ist nicht wahr. Der Prophet hat sie verdient, denn er gab ihr die Seele einer lebenden Frau!"

Der Fischer sagte: "Du hast gesprochen." Die Tochter des Amin sagte: "Du hast recht. Nun werde ich deine Frau werden." Der Fischer ging nach Hause, nahm den Affen aus seinem Kleide und dankte ihm, daß er ihm jetzt auch noch zu einer jungen schönen Frau verholfen habe. Der Affe sagte: "Wer hat denn eigentlich aber die Frau verdient, du oder ich ?"



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28. Der große Bruder und der kleine Bruder

Einmal beerbten zwei Brüder der Imschuhall ihren Vater und danach war der eine reich und der andere sehr arm. Dies war aber nicht wahrzunehmen, denn der Reiche ging wie der Arme und der Arme war nicht anders gekleidet als der Reiche. Also wußte lange Zeit hindurch niemand in der Gemeinde etwas anderes, als daß beide emsig arbeiteten, um, wie sie beide sagten, das tägliche Essen für sich und ihre Kinder zu verdienen. Denn jeder der beiden hatte fünf Kinder, der Reiche, der auch der ältere war, fünf Söhne, der arme, Jüngere, aber fünf Töchter.

Eines Tages wollte der Reiche seinen Reichtum feststellen. Es war aber so viel Münze, daß es schwer gewesen wäre, die Stücke zu zählen. Deshalb sagte sich der Reiche: "Ich will das Geld nicht zählen, ich will es mit einem Maß (für Korn =emodamsien, PIurimodamsiennen) messen." Der Reiche hatte aber kein Maß. Das Maß, das sein Vater zum Kornmessen besessen hatte, hatte der Jüngere geerbt. Er ging hinüber zum Gehöft des Jüngeren, dessen Frau allein daheim war und sagte: "Leih mir doch einmal das Maß, das dein Mann von unserem Vater geerbt hat."Die Frau sagte: "Das Maß liegt unter dem Gerät im Schuppen. Ich werde es nachher heraussuchen und dir bringen." Der Reiche ging.

Die Frau des Armen sagte bei sich: "Was mag der Bruder meines Mannes jetzt zu messen haben ?" Das Korn ist nicht reif. Sonst hat er nichts, was uns bekannt ist. Es muß also eine heimliche Sache sein und ich will sie wissen, wozu bin ich eine Frau, wenn ich nicht klug genug bin, diese Sache aufzuhellen!" Die Frau strich auf den Boden des Maßgefäßes also ein wenig Harz und sagte: "Irgend etwas von dem, was der Bruder meines Mannes messen will, wird schon daran hängen bleiben." Dann nahm sie das Gefäß, brachte es zu dem Bruder ihres Mannes und sagte: "Hier hast du, was du wünschst, bringe es nur, nachdem du es nicht mehr benötigst, gleich wieder herüber, denn du weißt, daß mein Mann sehr arm ist und deshalb jede Sache, die uns gehört, hoch einschätzt." Der Reiche sagte: "Das will ich sicherlich tun."

Sobald die Frau seines Bruders gegangen war, ging der Reiche in seine Kammer, verschloß sie und maß die Münze. Damit dies Geschäft aber nicht auffalle, vollführte er es im Dunkeln und so kam es, daß er es selbst nicht wahrnahm, daß auf dem Boden des Gefäßes am Harze eine Münze kleben blieb. Nachdem er alles abgescheffelt



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hatte, versteckte er seine Reichtümer wieder und brachte noch in später Abendstunde das Maßgefäß in das Haus seines Bruders und bändigte es dessen Frau wieder aus.

Kaum war der Reiche gegangen, so ging die Frau mit dem Gefäß zur Lampe und sagte: "Nun werden wir sehen, was der Bruder meines Mannes gemessen hat." Im Lampenlicht sah sie, daß an dem Harz auf dem Boden ein Silberstück kleben geblieben war. Die Frau betrachtete es und sagte: "Da sieht man, wie arm der Bruder meines Mannes aus der Erbschaft seines Vaters hervorgegangen ist."

Am anderen Tage kam der Arme heim. Seine Frau empfing ihn, nahm ihn beiseite und sagte: "Komm und schau, wie dein ehrlicher Bruder bei der Erbschaftsteilung nach dem Tode deines Vaters schlecht weggekommen ist! Der Arme ist so mittellos aus dieser Teilung hervorgegangen, daß er nicht einmal ein Maßgefäß besitzt, um seine Silberstücke zu messen." Dann zeigte sie ihm das am harzigen Boden festgeklebte Beweisstück des Reichtums seines Bruders. Der Arme schüttelte den Kopf und sagte: "So bin ich also doch betrogen und so hat mein älterer Bruder also doch die Schätze, die mein Vater sorgsam vergraben gehalten hat, gefunden und an sich gerissen, statt sie mit mir zu teilen."

Der Arme ging nun zum Ortsrichter und trug diesem die Sache vor. Er sagte zum Richter: "Mein Bruder hat alles Geld meines Vaters an sich genommen und mir bei der Teilung nichts abgegeben. Mein Bruder ist so reich, daß er das Geld mit einem Maßgefäß mißt, statt nach Münzen zählt, und er gibt mir, der ich arm bin, nichts ab." Der Richter sagte: "Ich habe deine Klage vernommen. Geh jetzt heim. Ich werde mir einige Tage überlegen, wie ich dies regeln kann. Geh du auch heim und überlege die Sache." Der Arme ging heim und überlegte die Sache, und der Richter ging in seine Kammer und dachte darüber nach, wie dem Armen zu helfen sei.

Eines Tages ließ der Richter den Reichen zu sich kommen und sagte zu ihm: "Nachdem dein Vater gestorben ist, hast du mit deinem jüngeren Bruder die Erbschaft geteilt und er ist so arm geblieben, daß er nicht weiß, wie er seine Kinder ernähren soll. Du aber bist dabei reich geworden und trotzdem gibst du deinem Bruder weder Geld noch Korn ab. Warum hilfst du deinem Bruder nicht, wenn du so reich bist?" Der Reiche sagte: "Was sagst du, ich soll reich sein? Sieh meine Kleider an, wie sie alt und abgetragen sind. Sieh meine fünf Söhne an, wie sie schlecht ernährt und ärmlich gekleidet sind. Sage mir, wie ich dazu kommen soll, ein reicher Mann



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zu sein." Der Richter wußte nicht, was er darauf antworten sollte' Er ließ den Armen kommen und sagte: "Ich habe nicht gefunden' wie ich dir deinem Bruder gegenüber helfen kann. Ich will alle Gesetzbücher lesen und suchen, ob ich etwas zu deinem Nutzen wirken kann. Denke du auch darüber nach!" Der Arme ging nach Hause.

Der Richter schlug nun alle Gesetzbücher nach und suchte, ob er etwas finden könne, womit er dem Armen helfen könne. Der Arme dachte Tag und Nacht darüber nach. Der Richter und der Arme sprachen mit allen alten und klugen Männern über die Sache, aber weder der Richter noch der Arme noch irgendeiner der klugen und alten Leute kamen auf einen guten Gedanken. Der Arme wurde zu letzt ganz traurig. Er wurde zuletzt so traurig, daß er ganz still wurde und überhaupt nicht mehr sprach.

Die Frau des Armen sah dies eine lange Zeit mit an. Eines Abend sagte sie aber zu ihrem Manne: "Weshalb bist du so still und traurig' und wie steht es denn mit der ungerechten Erbschaftsteilung deines Bruders ?" Der Arme sagte: "Mein Bruder hat zum Richter gesagt, daß er ebenso arm sei wie ich, und weder der Richter, noch alle klugen und alten Leute, noch ich können ein Mittel finden, meinem ungerechten Bruder nahezukommen, und deshalb bin ich so traurig. Die Frau sagte: "Warum hast du die Sache nicht mit mir besprochen? Ich will sie heute nacht bedenken und ich glaube, dir morgen früh einen guten Ratschlag geben zu können." Danach legten sich beide zur Ruhe nieder. Die Frau des Armen dachte die ganze Nacht hindurch über die Sache nach. Am anderen Morgen sagte sie sich: "Dies ist nicht eine Sache für Männer. Dies ist eine Sache für Frauen. Es ist eine Sache, in der die Frauen klüger sind als die Männer. Da nun der Bruder meines Mannes fünf Söhne, mein Mann aber fünf Töchter hat, so ist mein Mann im Vorteil, und ich werde dafür sorgen, daß mein Mann und meine Kinder diesen Vorteil genießen."

Als der Arme am anderen Morgen sich erhob, sagte die Frau: "Laß mich nur einmal allein handeln und mische dich nicht in die Sache. Ich hoffe, daß ich alles zum Besten für uns wende." Danach ging die Frau hinüber in das Haus des Reichen und sagte: "Du hast mit deinem Bruder Streit, weil mein Mann glaubt, du seiest reich aus der Erbschaft eures Vaters hervorgegangen, während wir dabei arm blieben. Dieser Streit bringt uns und unsere Kinder allzusehr in den Mund der Leute. Nun hast du fünf Söhne, während dein jüngerer Bruder fünf Töchter hat. Deine wie unsere Kinder sind in Einfachheit und Armut erzogen. Ich rate also, daß deine Söhne und unsere



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Töchter einander heiraten. Auf diese Weise kommen Leute von gleicher Erziehung zusammen. Auf diese Weise wird der Streit aus der Welt geschafft, und auf diese Weise kommen beide Familien aus dem Gerede der Leute. Und da wir nun wissen, daß du arm bist, so verlangen wir für unsere Töchter kein großes Heiratsgut." Der Reiche war mit diesem Vorschlag sehr zufrieden und gab sogleich seine Einwilligung, denn seitdem er zu dem Richter gerufen war, fürchtete er immer, daß eines Tages bei ihm eine Haussuchung abgehalten und sein wohlversteckter Reichtum entdeckt werden könnte.

Nachdem so die Heirat zwischen den Kindern verabredet und das Heiratsfest für einen nahe bevorstehenden Tag festgesetzt worden war, rief die Frau des Armen eines Tages ihre fünf Töchter zusammen, ging mit ihnen auf ein Feld, wo niemand ihre Gespräche hören konnte und erzählte ihnen, was sie seit dem Verleihen des Maßgefäßes von dem Bruder ihres Gatten wußte. Die Mutter sagte dann: "Ihr wißt nun, daß der Vater eurer zukünftigen Männer bei der Erbschaftsteilung euren Vater bestohlen hat und seinen Reichtum verborgen hält. Ihr könnt sicher sein, daß seine fünf Söhne, eure fünf Männer, von diesem Reichtum nichts wissen, und daß ihr eigener Vater seine eigenen Kinder lieber Mangel leiden läßt, als daß er ihnen etwas von dem betrügerisch erworbenen Reichtum sagt. Die Art der Männer ist nun nicht so, daß sie in solchen schwierigen Fällen die Wahrheit zu erfahren und das Recht am Besitz durchzusetzen vermögen. Der Richter der Stadt, euer Vater und alle alten und klugen Männer haben sich wochenlang den Kopf zerbrochen, um euren Vater zu seinem Recht zu verhelfen. Sie haben kein Mittel gefunden, und deshalb habe ich die Sache durch eure Verehelichung in eure Hände gelegt. Ihr werdet nun in Zukunft alle fünf im Gehöft des betrügerischen Mannes sein. Euer Geschäft ist in Zukunft, ohne daß er es merkt, jeden seiner Schritte zu beobachten und zu erkennen, wo er den Reichtum verborgen hält. Ihr dürft, ehe ihr den Aufenthaltsort der Reichtümer nicht wißt, niemals mit euren Männern darüber sprechen. Habt ihr den Versteck aber erst in Erfahrung gebracht, dann ist es eure Sache, eure Männer dazu zu bestimmen, daß der Reiche das Geld wieder der Familie zuwendet. Nun kennt ihr die Sache. Schweigt, wie in solchen Fällen nur Frauen schweigen können. Ich habe euch die Möglichkeit gegeben, wohlhabende und angesehene Frauen zu werden. Eure Sache ist, als Frauen, mit der den Frauen eigenen Klugheit, diese Möglichkeit auszunutzen." Danach ging die Mutter mit ihren fünf Töchrem



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wieder nach Hause und kurze Zeit darauf fand die Hochzeit statt.

In dem Hause des Reichen ging es noch ärmlicher her als im Hause des Armen, denn der Reiche fürchtete sich, durch irgendeine besondere Ausgabe seinen Besitz zu verraten. Der Reiche gab immer nur sehr wenig Korn und Früchte heraus, so daß sogar seine Söhne zu murren begannen. Als der Reiche das merkte, rief er seine Söhne und sagte: "Ich sehe, ihr seid nicht zufrieden damit, daß ich jetzt? wo ihr verheiratet seid, noch weniger Korn und Früchte heraus gebe als früher. Bedenkt aber, daß wir arm sind, daß ich von meine Vater nichts geerbt habe, und daß es schwerer ist, zehn statt Kinder zu ernähren. Sorgt aber dafür, daß eure Frauen fleißig arbe' ten, damit wir mehr verdienen als früher."

So lebten alle im Hause des Reichen sehr ärmlich und kärglich, und da der Alte die Furcht hatte, seine Schwiegertöchter könnten den Aufbewahrungsort seines Reichtums merken, so verließ er das Gehöft und sah auch nie nach seinem Reichtum, der im Rau unter dem Tarurfiz (Beobachtungskammer über dem Mittelbau des Gehöftes) in einer Grube versteckt war. Die fünf jungen Frauen hatten aber verabredet, daß jede Nacht eine von ihnen wachen den Alten, der immer im Tarurfiz schlief, beobachten wollten.

Eines Nachts nun, als gerade die Älteste die Wache hatte, kam den' Alten eine unbezwingliche Sucht an, einmal wieder seinen Reichtum zu beschauen. Er zündete ein Licht an, stieg von der Beobachtungskammer herab und hob den Deckel von der Grube auf. Dann ließ er das Silbergeld durch seine Finger rollen. Die älteste Schwiegertochter hatte nun beobachtet, wie der Alte das Licht entzündete. Sie vergewisserte sich, ob ihr Mann schlief, stieg vom Schlafgestell herab, ging zur Tür hinaus und blickte vom Hof aus dem Spiel des Schwiegervaters zu. Der Reiche war nach einiger Zeit mit seiner Besichtigung zufrieden, schloß die Grube und stieg in sein Turmgemach hinauf, wo er alsbald wieder einschlief. Sobald die Älteste dies wahrgenommen hatte, ging sie in die Kammer, nahm eine gute Hand voll Silberstücke heraus, band sie in ihr Kopftuch und kehrte dann auch auf ihre Lagerstätte zurück.

Die Älteste behielt ihr Geheimnis für sich und hielt auch das Geld wohl versteckt. Eines Tages nun mußte der Alte einmal über Land gehen, so daß er nicht vor später Nacht zurückkommen konnte. Er besichtigte noch einmal sein Geldversteck und strich die darüber geschüttete Erde sorgfältig glatt, lieh sich von einem Nachbarn einen



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Esel und machte sich auf den Weg. Kaum war der Alte fort, so ging die Älteste auf den Markt. Sie kaufte nun die besten Sachen, die sie auftreiben konnte, Fleisch, Eier, Tauben, Süßigkeiten und Wein, ging damit nach Hause und gab ihren Schwestern den Auftrag, insgeheim dies alles für das Abendessen säuberlich herzurichten. Danach ging sie wieder fort und kaufte für sich und ihre Schwestern schöne Kleider und Schmuck, einige gute Schüsseln und einen guten Teppich. Danach blieb aber immer noch einiges von dem Gelde übrig, das sie dem Alten aus seinem Versteck genommen hatte.

Die fünf jungen Männer waren tagsüber auf dem Felde. Als sie auf dem Heimweg waren, sagte der Älteste: "Nun haben wir wieder einen Tag hart gearbeitet und werden desto schlechteres Essen bekommen." Der zweite sagte: "Das Essen wird nicht nur schlecht, sondern auch wenig sein." Der dritte sagte: "Unsere Frauen werden uns in den alten Lumpen entgegenkommen." Der vierte sagte: "Wir sind sehr arm." Der fünfte sagte: "Der Vater hat eben nichts vom Großvater geerbt."

Die fünf Männer kamen ins Haus. In der Mittelkammer brannten drei Lampen. Der Älteste sagte: "Es ist so viel Licht wie nie vorher." Der zweite sagte: "Es riecht nach gutem Essen." Der dritte sagte: "Ich sehe gut gekleidete schöne Frauen." Der vierte sagte: "Auf dem Boden liegt ein guter Teppich." Der fünfte sagte: "Dort steht schönes Geschirr und Wein."

Die fünf jungen Frauen kamen den Männern lachend entgegen. Der Älteste sagte: "Was soll das? Wo habt ihr das her?" Die Älteste sagte: "Es ist von der Erbschaft des Großvaters gespart und soll uns heute froh machen." Da setzten sie sich alle hin und genossen die ungewohnten Leckerbissen. Alle fünf Männer sahen aber mit Erstaunen, wie schön ihre Frauen in den schönen Kleidern waren. Nach dem Essen tranken sie den Wein, lachten und sangen.

Als alle sehr wohlgelaunt waren, sagte die Älteste: "Wir haben es sonst sehr ärmlich und kläglich." Die zweite sagte: "Wir könnten es immer so gut haben wie heute." Die dritte sagte: "Ihr armen Männer müßt immer schwer arbeiten." Die vierte sagte: "Ihr könntet es immer so gut und reichen Lohn für eure Arbeit haben." Die Jüngste sagte: "Es ist schändlich, wie euch der Reichtum vorenthalten wird, wo er doch vorhanden ist."

Die fünf Brüder horchten auf. Die Brüder sagten: "Was wollt ihr? Es ist wahr, daß wir alle immer und stets darben, aber unser Großvater hat uns nichts vererbt, und deshalb müssen wir fünf Männer



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und ihr fünf Frauen jämmerlich darben." Die Schwestern sagten: "Das ist nicht wahr." Dann nahm die Älteste eine Lampe und sagte: "Kommt mit." Sie führte die Männer und die Schwestern in die Kammern unter dem Tarurfiz, strich die Erde bei Seite, hob den Deckel auf und zeigte die Menge des Geldes. Dazu sagte sie: "Seht, euer Vater hat euch und uns um alles bestohlen, weil er alles, was der Großvater hinterließ, für sich behielt. Ihr armen Männer müßt schwer arbeiten und habt als Lohn nur schlechtes Essen und Frauen in schmutzigen Kleidern, weil euer Vater in seinem Geiz alles für sich behalten wollte."

Der älteste Sohn sagte: "Ich sehe es, unser Vater hat uns Unser ganzes Leben lang um alles Schöne bestohlen." Der zweite sagte: "Aber in Zukunft soll es anders werden!" Alle fünf Brüder sagten: "In Zukunft soll es anders werden!" In diesem Augenblick kam der Vater mit seinem Esel an. Er stieg ab, kam herein und sah seine fünf Söhne und Schwiegertöchter vor dem geöffneten Versteck um den mühsam geheimgehaltenen Reichtum stehen. Der Vater schrie auf. Der Vater schrie: "Ihr seid Diebe! Ihr seid alle zehn schlechte Diebe, die ihren Vater um alles bestehlen wollen, was ihm Freude machte!" Der Alte warf sich mit ausgebreiteten Armen über die Grube.

Der Älteste sagte: "Was sagst du, Vater? Was sagst du, Vater? Du sagst, wir wären Diebe? Wer hat uns denn um unser Essen Und um alles Gute bestohlen. Sagt, Brüder, was sollen wir darauf ant worten ?" Die fünf Brüder wollten den Alten zurückdrängen. Der Alte zog sein Messer hervor und sagte: "Wer das Geld hier anrührt, wird von mir getötet." Da schlugen die Brüder den Vater tot.

So wurden die fünf Söhne reiche Leute. Sie schmückten ihre Frauen und lebten so gut, wie sie vordem schlecht gelebt hatten. Sie nahmen den armen Schwiegervater und seine Frau mit in ihr Haus und sorg.. ten, daß es ihm immer gut ging. Sie ließen sich von der Mutter ihrer Frauen alles erzählen und sagten: "Es ist wahr, in allen diesen Fragen war die Klugheit der Frau größer als die des Richters, aller alten und klugen Männer, und der bestohlenen Söhne."

Das geschah in der Zeit der Imschuhall, in der noch Vater Und Mutter totgeschlagen wurden.



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29. Wettverwandeln

Ein armer Bäcker hatte einen einzigen Sohn, der war jung und klug. Der Vater verdiente aber nicht genug, daß er den Sohn hätte ordentlich kleiden können, und so ging er ständig in schmutzigen Kleidern einher. Der Vater buk jeden Tag eine Anzahl Kuchen. Die legte er auf ein Brett. Das mußte der Sohn auf den Kopf nehmen und damit handelnd durch die Straßen ziehen. Da der Junge geschickt war, gelang es ihm auch täglich, die Ware abzusetzen, und so verdienten Vater und Sohn genügend, um ein einfaches Leben zu führen.

Als der Bursche nun eines Tages mit seinem Kuchenbrett durch die Straßen ging, wurde er aus einem Fenster heraus aufgefordert, in ein Haus zu treten, um seine Waren anzubieten. Er trat ein. Die ihn gerufen hatte, war die junge Tochter eines sehr, sehr wohlhabenden Mannes, und diese hatte ihn weniger der Kuchen wegen, als um in ihrer Einsamkeit durch Zwiegespräch einige Unterhaltung zu haben, hereingerufen. Das junge Mädchen hockte sich denn auch neben den Bäckerburschen auf die Treppe nieder und begann mit ihm zu sprechen. Sie fand die Unterhaltung so angenehm und den Burschen so aufgeweckt, daß sie darüber ganz den Kauf eines Kuchens vergaß, bis der Bursche endlich aufschreckte, weil ihm einfiel, daß er ja bis zum Abend noch all seine Kuchen verkaufen müsse. Da hielt sie ihn nieder und sagte: "Laß das nur meine Sorge sein. Deine Kuchen sollen dir reichlich bezahlt werden. Unterhalte dich noch etwas mit mir."

Das wohlhabende Mädchen unterhielt sich mit ihm bis zum Abend und sie sagte: "So gut habe ich mich noch nie unterhalten. Du bist ein gescheiter Bursche, komm nur morgen wieder." Dabei drückte sie ihm ein Geldstück in die Hand und eilte von dannen. Der Bursche, der das Geldstück für eine Kupfermünze hielt, ging beklommen nach Hause, da er glaubte, einer Tracht Schläge seitens seines Vaters nicht entgehen zu können. Der Vater sah auch sehr zornig auf das noch mit Kuchen gefüllte Brett, nahm auch sehr unlustig das dargereichte Geldstück aus der Hand seines Sohnes. Kaum fühlte der Vater aber das Geld in seiner Hand, so hellte sich auch seine Miene auf, denn die Tochter des reichen Vaters hatte dem Bäckerjungen ein schweres Goldstück zum Geschenk gemacht, so daß der Ertrag dieser Unterhaltung die übliche Einnahme des Burschen weit übertraf.



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Am andern Tage trug der Bäckerbursche wiederum sein Brett mit Kuchen durch die Straßen. Die Tochter des wohlhabenden Mannes rief ihn wieder an und er saß, gleich wie am gestrigen Tage, bei ihr und unterhielt sich mit ihr, und beide, der Sohn des ganz armen Bäckers und die Tochter des sehr wohlhabenden Kaufmannes, hatten eine noch größere Freude an dem Zwiegespräch als gestern. Als es Abend war, gab das wohlhabende Mädchen dem armen Bäckerjungen wieder ein Goldstück für den Vater mit. Am dritten Tage verlief es ebenso.

Am vierten Tage saß der Bäckerbursche wieder auf der Stufe mit der Tochter des wohlhabenden Mannes. Das Mädchen sagte: "Mein Junge, ich will mich immer so gut unterhalten, wenn es dir auch zusagt. Ich bin also bereit, deine Frau zu werden." Der Bäckerjunge erschrak und sagte: "Wo denkst du hinaus! Wie kann ich, der Sohn eines ganz armen Bäckers, dich, die Tochter eines sehr wohlhabenden Mannes, heiraten! Wie sollen mein Vater und ich denn die Brautgabe (thaemams) aufbringen!" Das Mädchen sagte: "Wenn du mich nicht zur Frau nehmen willst, dann hast du recht. Wenn du mich aber heiraten möchtest, dann mußt du selbst wissen, daß du so klug bist, daß dir das gelingen wird, da ich es auch will. Natürlich wird es nicht am ersten Tage gleich gelingen. Aber nach und nach wirst du dahin kommen, wenn du willst!" Der Bäckerbursche sagte: "Ja, ich will." Das reiche Mädchen sagte: "Dann wird es gehen." Der Bäckerbursche sagte: "Erst wird es sehr schwer sein." Das reiche Mädchen sagte: "Daran ist kein Zweifel." Der Bäckerbursche sagte: "Ich will." Dann lief der Bäckerjunge so schnell er konnte nach Hause.

Der Bäckerjunge kam zu seinem Vater und sagte: "Vater, ich will das Mädchen des wohlhabenden Mannes heiraten, mit dem ich mich immer so gut unterhalten habe." Der Vater sagte: "Bist du verrückt?" Der Junge sagte: "Nein, ich bin nicht verrückt. Aber ich bitte dich, morgen zu dem wohlhabenden Manne zu gehen und bei ihm um seine Tochter für mich zu werben."

Der Vater wollte dies nicht tun. Er stellte dem Sohne vor, was er, der ganz arme Bettler, denn dem reichen Manne als Morgengabe darbringen könne. Er sagte ihm, wie unglücklich ein in einem wohl.. habenden Hause erzogenes und verwöhntes Mädchen in einem so armen Hause wie dem des Bäckerjungen sich fühlen müsse. Noch vieles andere sagte der Vater; der Sohn blieb aber dabei, den Vater zu bitten und zu bitten, für ihn um die Tochter des wohlhabenden



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Mannes zu werben. Der Sohn blieb dabei, daß er sagte: "Und wenn die erste Werbung heute nicht gelingt, dann gelingt vielleicht die von morgen oder die von übermorgen."

Der Vater des Bäckerjungen wollte die Bitte seines Sohnes nicht erfüllen. Zuletzt tat er es aber doch. Er machte sich auf den Weg und kam zu dem wohlhabenden Manne. Er trug dem wohlhabenden Manne seine Bitte vor. Der wohlhabende Mann sah ihn erst sehr lange und sehr erstaunt an. Dann ließ er seine drei Negersklaven kommen, daß sie den armen Bäcker packten und hinauswürfen. Die drei Negersklaven packten den Bäcker und warfen ihn zum Hause hinaus, nachdem sie ihn verprügelt hatten.

Zu Hause angekommen, sagte der Bäcker zu seinem Sohne: "Da siehst du, daß ich recht hatte." Der Sohn sagte: "Das habe ich vorher befürchtet. Das erste Mal ist es nicht gelungen. Vielleicht gelingt es das zweite, vielleicht erst das dritte Mal." Der Vater wollte nicht noch einmal zu dem wohlhabenden Manne gehen. Der Sohn bat ihn so, daß er es am zweiten Tage wiederholte. Der reiche Mann war noch erstaunter und sagte: "Das übersteigt jede Unverschämtheit, die mir bisher vorgekommen ist." Der Bäcker wurde wieder von den drei Negersklaven gepackt, verhauen und hinausgeworfen.

Der Vater war nun so hartnäckig in seinem Widerstand, daß der Sohn all seine Beredsamkeit aufbieten mußte, ihn zu einem dritten Werbegang zu überreden. Endlich gelang es, und der Bäcker erschien wieder mit seiner Brautbitte vor dem reichen Manne, und zwar hatte dieser dieses Mal einen Freund zu Besuch, der von dem verrückten Bäcker schon gehört hatte. Der reiche Mann wollte, nachdem der Bäcker seine Bitte vorgetragen hatte, wieder seine Sklaven rufen, daß sie wie sonst den Aufdringlichen packten, schlügen und hinauswürfen. Der Freund zog den wohlhabenden Vater des unterhaltungsbedürftigen Mädchens aber beiseite und sagte zu ihm: "Wenn du fortfährst, den Mann durch die Neger so behandeln zu lassen, wird es noch so kommen, daß er ihnen eines Tages unter den Händen stirbt und dann hast du große Unannehmlichkeiten. Ich rate dir deswegen zu einem andern Verfahren, das auch dahin führen muß, den Mann fernzuhalten. Fordere von ihm eine Brautgabe (thaemams), die er unmöglich beschaffen kann." Der reiche Mann sagte: "Dein Vorschlag ist gut. Sage mir doch etwas, was unmöglich zu beschaffen ist." Der Freund dachte nach und sagte: "So fordere von ihm das Ladjib jarbe (eine mystische Sache). Kein Mensch weiß, was Ladjib jarbe ist und keiner kann sagen, wie man Ladjib



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jarbe beschafft." Der Reiche sagte: "Ich danke dir für deinen Vorschlag, mein Freund."

Der Reiche trat wieder zu dem Bäcker und sagte ihm: "Die Bitte deines Sohnes um die Hand meiner Tochter ist so unerhört, daß ich auch eine unerhörte Forderung für Brautgabe stellen muß. Sage deinem Sohn, daß ich ihm meine Tochter zur Frau geben würde, wenn er mir Ladjib jarbe verschafft und vorführt." Der Bäcker ging.

Der Bäcker kam nach Hause und sagte erregt zu seinem Sohne: "Nun hast du den Erfolg des Brautwerbens. Ich bin zwar heute nicht von den Negersklaven verhauen und hinausgeworfen worden, wohl aber hat der Vater deines schönen unterhaltungsbedürftigen Mädchens mir die Forderung der Brautgabe genannt, die du niemals erfüllen kannst. Banne die Sache also aus deinem Kopf." Der Bäckerbursche fragte: "Wie lautet denn die Thaemamsforderung des Vaters ?" Der Vater sagte: "Der reiche Mann will dir seine Tochter geben, wenn du ihm Ladjib jarbe verschaffst und vorführst." Der Bäckerjunge sagte: "Ich will sehen, ob ich das kann. Hier bekomme ich das nicht. Ich will aber in die Welt hinauswandern und sehen, ob ich irgendwo erlernen kann, was Ladjib jarbe ist."—Am andern Tage nahm der Bursche von seinem Vater Abschied und wanderte von dannen.

Sechs Monate lang wanderte der Bäckerjunge, ohne daß es ihm gelang, in Erfahrung zu bringen, was Ladjib jarbe eigentlich sei und bedeute. Er arbeitete bald hier, bald dort, lernte viele Fertigkeiten und den Umgang mit Menschen. Er scheute keine Arbeit und schärfte Verstand und Rede; aber was Ladjib jarbe sei, das vermochte er nicht zu erfahren.

Eines Tages ging er auf der Landstraße einem fernen Ort zu und traf da einen Juden. Der Bursche hatte nichts zutun. Der Jude suchte einen Lehrling. Der Jude fragte: "Wo gehst du hin?" Der Junge sagte: "Ich gehe dahin, wo ich Brot finde." Der Jude sagte: "Dann komm mit mir. Ich will dir Brot geben." Der Jude führte den Burschen in sein Haus und hieß ihn dann in einer Kammer niedersitzen. Der Jude ging auf den Hof.

In der Kammer war die Tochter des Juden, es war ein hübsches Mädchen, das sehr einsam lebte und erfreut war, in dem Burschen einen Kameraden zu gewinnen. Das Mädchen sagte sogleich Zum Burschen: "Bursche, du weißt, daß mein Vater jeden Zauber aus führen kann, den es gibt. Er will dich als Lehrling nehmen; er wird



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dich aber, sobald er merkt, daß du gescheit bist, entlassen. Wenn du also lange hierbleiben willst, was mich sehr freuen würde, so stelle dich sehr dumm an und tue stets so, als ob du von alledem, was mein Vater macht und kann, nichts verstehst." Der Bursche bedankte sich und sagte, daß es ihm, da er glaube, hierzu klug genug zu sein, nicht schwer fallen würde, sich immer genügend töricht zu stellen.

Der Bursche blieb bei dem Juden. Der Bursche war fleißig und tat alles, was der Jude ihm befahl. Wenn der Jude ihn aber einmal fragte ob er verstanden habe, wozu und warum dieses oder jenes getan worden sei, so sagte der Bursche stets: "Ich bitte dich, mich jede Arbeit ausführen zu lassen, die dir nützlich ist. Ich bitte dich aber, mich nicht mit so schwierigen Fragen zu quälen, denn ich habe einen kurzen Verstand und bin deswegen schon aus der Schule gejagt worden. Verlange bitte nicht von mir, daß ich mich mit Nachdenken anstrenge, denn ich werde dann meine andern Arbeiten nicht mehr mit der genügenden Sorgfalt ausführen können." Mit dieser Antwort war der Jude sehr zufrieden und so vernachlässigte er es, genügend zu beobachten, was der Bursche in seinen Mußestunden tue. Sonst hätte er es merken müssen, daß der Bursche mit Hilfe seiner Tochter, die den Burschen sehr lieb gewonnen hatte, alle Zauberbücher abschrieb und alle einzelnen Griffe der Zauberei erlernte.

Als der Bursche nun alles gelernt hatte, schrieb er seinem Vater, er weile da und da und habe auch manches gelernt. Er wolle nun nach Hause kommen, habe aber den Weg vergessen. Darum bäte er den Vater, daß er ihn da und da abholen möge. Der Bäcker empfing den Brief. Er war sehr erfreut, von seinem Sohne endlich einmal etwas zu hören, und er machte sich sogleich auf den Weg. Der Bursche nahm von der Tochter des Juden Abschied, packte seine Bücher zusammen und ging seinem Vater entgegen. Der Bäcker und sein Sohn trafen sich. Der Bäcker war über die Maßen glücklich, seinen Sohn wieder gefunden zu haben und beide begaben sich auf den Heimweg.

Nachdem sie einen Monat lang gewandert waren, schlug der Bursche seine Zauberbücher nach und sah, daß ganz nahebei Leute auf einer Jagd sich befanden, die aber erfolglos war, weil sie keinen Hund hatten. Er rief also seinen Vater herbei, zog ein Hundehalsband heraus und sagte: "Lege mir dieses Halsband um, dann werde ich ein Hund werden. Mit dem Hund gehe an jenen Ort, wo du Jäger triffst, die dir den Hund abkaufen werden wollen. Verkaufe



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den Hund für fünfzig Goldstücke, vergiß aber ja nicht bei dem Verkaufe das Halsband für dich zu behalten, mir also abzunehmen, sonst werde ich nicht imstande sein, zu dir zurückzukehren." Der Bäcker merkte sich alles genau, legte dem Burschen das Hundehalsband um und führte ihn, der sich sogleich in einen Hund verwandelte, an die angegebene Stelle. Die Jäger sahen den Hund. Sie kamen sogleich heran und baten den Bäcker, ihnen den Hund zu verkaufen. Der Bäcker verkaufte den Hund für fünfzig Goldstücke, nahm das Halsband ab und ging weiter. Der Hund lief dann eine Zeitlang mit den Jägern, verkroch sich dann in einen Busch und verwandelte sich dort wieder in den Burschen. Die Jäger suchten und suchten nach dem Hunde. Inzwischen war der Bursche wieder bei seinem Vater angekommen und wanderte mit diesem den Weg der Heimatstadt zu.

Nachdem sie wieder einen Monat weit gegangen waren, schlug der Bursche in seinem Zauberbuche nach und sah, daß sie gerade auf ein Dorf zukamen, wo die besten Schützen um einen Gewinn nach dem Ziele schossen, ohne daß einer mitten in das Ziel zu treffen imstande war, weil alle Gewehre nichts taugten. Da gab der Bursche seinem Vater ein Gewehrfutteral und sagte: "Ziehe dieses Gewehrfutteral mir über den Kopf. Ich werde mich dann sogleich in ein Gewehr verwandeln. Mit dem Gewehr gehe in die Stadt. In der Stadt schießen die Leute gerade um die Wette nach einem Ziele. Keiner aber trifft. Tritt du zu ihnen und schieße mit deinem Gewehr. Du wirst sogleich mitten hinein treffen und zwar jedesmal, so oft du anlegst. Die Leute werden mich dann kaufen wollen. Verkaufe das Gewehr für fünfzig Goldstücke, behalte aber ja das Futteral bei dir. Verkaufe das Futteral ja nicht, sonst kann ich nicht zu dir zurückkommen. Dann geh weiter und warte da und da auf mich. Ich werde dort wieder zu dir kommen."

Der Vater tat, wie der Sohn ihm geraten. Er zog das Gewehrfutteral dem Burschen über den Kopf, und dieser verwandelte sich sogleich in ein Gewehr. Mit dem Gewehr ging der Vater in die Stadt und kam gerade dazu, wie die Schützen sich untereinander über die Schlechtigkeit ihrer Gewehre beklagten. Der Vater erklärte sich bereit, auch einige Schüsse zu unternehmen, und die andern waren hiermit einverstanden. Der Bäcker schoß und traf mitten in das Ziel. Er schoß wieder und wieder und traf immer genau in das Ziel. Da baten die Schützen der Stadt ihn, das Gewehr zu verkaufen. Der Bäcker verkaufte das Gewehr für fünfzig Goldstücke, behielt das



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Futteral für sich und ging fort. Die Schützen schossen noch einige Zeit und stellten dann, als es Essenszeit war, das Gewehr beiseite. Sowie das Gewehr allein war, verwandelte es sich; der Bursche nahm wieder seine gewöhnliche Gestalt an und lief hinter dem Vater her, den er am verabredeten Platze traf und mit dem er dann wieder den Weg der Heimatstadt entgegen einschlug.

Nachdem der Bäcker mit seinem Sohne wieder einen Monat lang gegangen war, schlug der Bursche sein Buch nach und sah, daß vor ihnen ein Marktplatz war, auf dem an diesem Tage besonders viel Vieh und Maulesel gehandelt wurden. Der Bursche gab darauf seinem Vater ein Mauleselgebiß und sagte: "Lege mir dieses an und ich werde mich sogleich in einen sehr schönen Maulesel verwandeln. Reite auf mir in die vor uns liegende Stadt, in der heute großer Viehmarkt ist und verkaufe mich da für fünfzig Goldstücke. Vergiß aber ja nicht, mir, ehe du mich weggibst, das Gebiß abzunehmen, denn sonst kann ich nicht wieder zu dir kommen. Dann gehe bis da und dahin und warte dort auf mich; ich werde dann bald nachkommen."

Der Bäcker legte dem Sohne das Gebiß an; der Sohn verwandelte sich in einen Maulesel und der Vater ritt in die Stadt. In der Stadt war Viehmarkt. Ein Mann kam und bot für den Maulesel fünfzig Goldstücke. Der Bäcker nahm sie, vergaß aber, dem Maulesel das Gebiß abzunehmen. Der neue Besitzer ritt auf dem Maulesel von dannen und der Vater ging an den verabredeten Ort und wartete da auf seinen Sohn. Als der Vater gegangen war, begann der Maulesel seinem neuen Besitzer arg mitzuspielen, er schlug aus, er biß, er stieg in die Höhe, er drückte ihn an die Mauer und warf ihn auf die Erde. Er konnte es aber nicht erreichen, daß der neue Besitzer ihm das Gebiß abnahm, da dieser nicht auf den Gedanken kam, solchen

Versuch zu unternehmen.

Inzwischen hatte der Jude schon lange gemerkt, daß sein Lehrling ihm entflohen war. Er mochte aber seine Bücher aufschlagen wie und wo er wollte, er vermochte kein Mittel zu erkennen, seiner wieder habhaft zu werden. Als er aber eines Tages wieder nachschlug, sah er, daß der Bursche als Maulesel mit dem Gebiß im Maul die Fähigkeit der freien Betätigung verloren hatte. Sogleich machte sich der Jude auf den Weg. Er war im gleichen Zeitpunkte in der Stadt, in der der Mann sich mit dem eben gekaufen Maulesel abquälte, schaute eine Weile zu und sagte dann zu dem Manne: "Ihr habt mit dem Esel ein schlechtes Geschäft gemacht, Freund, denn es ist ein Tier



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mit einem sehr schlechten Charakter. Ihr würdet mit ihm nur fertig werden, wenn ihr ihn genau kenntet wie ich. Da das nicht der Fall ist, verkauft ihn mir bitte; es soll mir auf ein paar Goldstücke mehr nicht ankommen." Der Mann war sehr froh, daß er das schlimme Tier so schnell wieder los wurde und verkaufte es an den Juden. Der Jude bestieg den Maulesel und ritt mit ihm von dannen.

Der Jude kehrte mit dem Maulesel heim. Er ritt in sein Gehöft und band den Maulesel mit Gebiß sogleich im Stall an. Dann ging er in seine Kammer, um zu essen und dann, um seine Bücher nachzuschlagen. Die Tochter des Juden hatte, als der Vater in das Gehöft einritt, sogleich erkannt, was es mit dem Maulesel für eine Bewandtnis habe. Sobald der alte Jude sich in seine Kammer eingeschlossen hatte, rief sie durch das Fenster einen Hirtenbuben heran, der draußen die Schafe des Vaters grasen ließ und sagte: "Komm sogleich her, binde den Maulesel los und führe ihn zur Tränke, nimm ihm da das Geschirr ab und laß ihn saufen, ohne daß es mein Vater merkt. Wenn du es geschickt machst, werde ich dir ein gutes Geschenk geben."

Der Hirtenbube band sogleich den Maulesel ab und ritt zur Tränke. Dort stieg er ab und nahm gerade dem Maulesel das Geschirr ab, als der Jude in sein Buch blickte und die ganze Sachlage erkannte. Sogleich setzte der Jude auf einem Pferde hinter dem Hirtenbuben mit dem Maulesel her.

Der Maulesel war gerade vom Geschirr befreit, da kam der Jude an. Der Bursche verwandelte sich sogleich aus dem Maulesel in einen Fisch in der Quelle und schwamm in das Meer. Der Jude verwandelte sich sogleich in eine Angel und hätte fast den Fisch erwischt, da verwandelte der sich in eine Taube. Die Taube flog empor in die Luft, da verwandelte sich der Angelhaken in einen Falken, der hinter der Taube herflog. Die Taube flog nach der Heimatstadt des Bäckers. Der Falke hatte die Taube fast erwischt, da verwandelte sich die Taube zu einem Ring an dem Finger der schönen unterhaltungsbedürftigen Tochter des wohlhabenden Mannes.

Kaum hatte der Bursche sich zu dem Ring am Finger des schönen Mädchens verwandelt, da nahm der Jude seine natürliche Gestalt an, ging in das Haus und traf das Mädchen, wie es gerade im Hofe ihrem Vater den schönen neuen Ring zeigte. Der Jude trat heran und sagte: "Der Ring ist gestohlen, ich will den Ring wieder haben, denn er gehört mir." Der reiche Mann sagte: "Wie bist du zu dem Ring gekommen, meine Tochter, daß dieser Mann es wagen kann



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ihn als gestohlen zu beanspruchen ?" Das schöne Mädchen sagte: "Ich weiß nicht, wie ich dazu kam, ich fand ihn soeben an meinem Finger." Der reiche Mann sagte: "So gib ihn lieber dem Mann." Das schöne Mädchen war ärgerlich und sagte: "Dann werfe ich den Ring fort, so wie er an mich geflogen ist."

Das schöne Mädchen warf den Ring im Hofe fort. Der reiche Mann, seine Tochter und der Jude sahen den Ring rollen. Der Jude wollte ihn erhaschen. Da verwandelte sich der Ring in einen Granatapfelbaum, der mitten im Hofe aufwuchs, da wo der Ring liegen geblieben war. Sogleich verwandelte sich der Jude in eine Axt, die den Baum umschlug und mit jedem Schlage den Baum zu stärkerem Wanken brachte. Während die Axt aber unten an dem Baume einschlug, reifte oben am äußersten Zweige eine Granatfrucht mehr und mehr heran, und als der Baum unter den Schlägen der Axt umsank, fiel die Granatfrucht reif zu Boden. Das alles sahen der reiche Mann und seine Tochter.

Die Granatapfelfrucht fiel auf die harten Fliesen des Bodens nieder, zersprang und zerstreute im Auseinanderfallen ihre vielen kleinen Kerne, so daß sie weit umherspritzten. Sogleich aber verwandelte sich die Axt, die den Baum gefällt hatte, in einen Hahn, der lief eiligst auf die Samenkörner der Granatapfelfrucht zu und pickte eins nach dem andern auf. Ein letztes Samenkorn, das ganz klein war, fiel aber in die Ritzen der Fliesen und blieb da liegen. Der Hahn sah sich um und suchte das letzte Samenkorn. Er konnte es nicht finden. Da verwandelte sich das Samenkorn in ein Messer, und das Messer schnitt dem Hahn den Hals ab, so daß er sogleich starb.

Das alles sahen der reiche Mann und seine Tochter. Das schöne unterhaltungsbedürftige Mädchen schlug voller Erstaunen die Hände über dem Kopfe zusammen und sagte: "Was ist das?"Der reiche Mann sah erstaunt auf das Messer und sagte: "Was ist das?" Da verwandelte sich das Messer in den Bäckerburschen und der Bursche sagte: "Was das ist? Das ist Ladjib jarbe. Das ist das, was ich deiner Bestimmung nach dir als Morgengabe für deine Tochter vorführen sollte. Ich habe das getan, genau wie du es verlangt hast und nun bitte ich dich, mir deine Tochter zur Frau zu geben." Der reiche Mann konnte nichts sagen. Seine schöne Tochter war glücklich darüber, daß der Bäckerjunge wieder vor ihr stand und alles so durchzuführen imstande war. Der reiche Mann gab seine Einwilligung.

Es wurde ein großes Fest veranstaltet. Der Bäckerbursche kam



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nicht als armer, sondern als reicher Mann, denn er verstand es, mit der vom Juden erlernten Kunst große Schätze zu erwerben.


30. Die abgeschlagene Hand

Ein junger Mann aus einer angesehenen Familie war immer noch nicht verheiratet. Die Eltern drängten ihn, eine Frau zu wählen. Er aber ging immer seiner Arbeit nach und dachte nicht am Heiraten.

Der junge Mann führte alle Tage seinen Maulesel zu einer Quelle und ließ ihn da saufen. Eines Tages brachte er den Maulesel wieder dahin; als das Tier aber mit dem Kopfe am Wasserspiegel war, fuhr es zurück und wollte nicht saufen. Der Bursche nahm darauf einen Stock und strich damit durch das Wasser, um zu sehen, was sich darin befände und dem Tier die Lust am Saufen benehme. Mit dem Stock zog er zuletzt ein Haar heraus. Es war ein Frauenhaar, und zwar ein so langes, daß der junge Mann erstaunte und es lange betrachtete. Endlich sagte er: "Die Frau, die so lange Haare hat wie dieses hier, die will ich heiraten; diese und keine andere."

Der Bursche verwahrte das Haar und kehrte ins Dorf zurück. Er ließ nun alle Mädchen kommen und maß an dem mitgebrachten Haare, wie lang die ihren waren. Er fand aber kein einziges Mädchen, das so lange Haare gehabt hätte. Er kam betrübt nach Hause und schwor: "Ein anderes Mädchen als das, welches Haare hat, solang wie dieses hier, heirate ich nicht."

Der Bursche trat in das Haus. Hinter der Tür stand seine Schwester Sergma mit dem Rücken dem Bruder zu und kämmte sich die Haare. Der Bursche sah die Haare. Er zog das heraus, das er in der Quelle gefunden hatte und maß das Haar seiner Schwester Sergma. Er sah, daß seine Schwester das lange Haar hatte. Er sagte bei sich: "So werde ich also meine Schwester heiraten." Er ging zu seinen Eltern und sagte: "Rüstet das Fest. Ich werde heiraten. Aber wen ich heirate, das werde ich nicht sagen." Die Eltern rüsteten das Fest. Der Bursche rüstete sich zum Fest. Die Schwester Sergma rüstete sich zum Hochzeitsfest ihres Bruders. Niemand wußte, wen er heiraten wollte.

Die Schwester Sergma fütterte die Hühner und sagte bei sich: "Wen will mein Bruder nur heiraten?" Ein Huhn sagte: "Gib mir einige Körner Weizen, dann will ich dir sagen, wen dein Bruder heiraten



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will."Sergma gab dem Huhn Weizenkörner. Das Huhn sagte: "Dein Bruder will dich heiraten." Sergma sagte: "Das glaube ich nicht."

Die Schwester Sergma fütterte den Esel und sagte bei sich: "Wen will mein Bruder nur heiraten ?" Der Esel sagte: "Gib mir eine Handvoll Weizen, dann will ich dir sagen, wen dein Bruder heiraten will." Sergma gab dem Esel Weizenkörner. Der Esel sagte: "Dein Bruder will dich heiraten." Sergma erschrak.

Sergma floh. Sergma floh auf einen Felsen und versteckte sich auf einem Baume. Ein Hirt kam vorüber. Sie rief den Hirten an und sagte: "Gehe hinab und sage meinem Vater und meiner Mutter, daß ich mich hier versteckt habe. Sage diesen beiden, daß sie kommen möchten, weil ich ihnen Lebewohl sagen will." Der Hirt ging. Er sagte es den Eltern aber nicht, als sie allein waren, sondern als der ältere Bruder, der sie heiraten wollte, und der jüngere, der noch nicht erwachsen war, dabei waren.

Da gingen die beiden Eltern und die Brüder hinauf zu dem Felsen, dahin, wo Sergma sich auf der Pappel versteckt hatte. Die Eltern baten Sergma, wieder nach Hause zurückzukehren. Sergma sagte: "Nein, ich kann nicht." Der jüngere unerwachsene Bruder reichte ihr die Hand herauf und sagte: "Lebe wohl." Da packte den älteren Bruder die Wut, da er Sergma, seine eigene Schwester, die er heiraten wollte, sich nun entgehen sah. Er zog sein Messer und schlug Sergma die Hand, die sie dem jüngeren Bruder herabreichte, ab. Die abgeschlagene Hand fiel den Felsen hinab in den Abgrund und unten in das Nest eines Raben. Sergma aber schwor und sagte zu ihrem Bruder: "Du sollst elend werden! Deine Knie sollen werden wie abgeschlagen, so daß du nicht gehen und nicht kriechen kannst, bis meine Hand wieder am Arm ist."

Die Eltern flohen. Die beiden Brüder flohen. Als der ältere Bruder daheim ankam, fiel er zu Boden. Seine Knie waren wie abgeschnitten. Er konnte von da an nicht mehr gehen.

Sergma floh. Sergma lief über die Berge und über fremde Felder. Auf der anderen Seite der Berge traf sie auf dem Feldweg einen Mann. Der Mann sah, daß Sergma schön war und er sagte zu ihr: "Ich habe schon eine Frau. Ich frage dich, ob du meine zweite Frau werden willst." Sergma sagte: "Ich habe keine Eltern. Ich habe keinen Vater, bei dem du nach mir fragen kannst. Ich habe nur eine Hand, denn die andere ist abgeschlagen. Du triffst mich auf dem



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Felde und willst mich vom Felde weg heiraten! Soll das ein gutes Ende nehmen können?"

Der Mann drang in Sergma, seine Frau zu werden. Sergma hatte keine Angehörigen, zu denen sie fliehen konnte. Sie hatte kein Haus, in dem sie hätte Aufnahme erbitten können. Der Mann war freundlich zu ihr. Sie willigte ein. Sie wurde die zweite Frau des Mannes.

Die erste Frau des Mannes war unfreundlich. Die erste Frau war mit dem, was Sergma tat, nie einverstanden. Die erste Frau und Sergma stritten sich stets. (N. B. wie das in allen polygamischen Kabylenehen ist. Die Weiber keifen gegeneinander vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein.) Die beiden Frauen waren stets uneinig und machten so viel Geräusch, daß der Mann es nicht mehr mit anhören konnte. Die erste Frau kam einmal zu ihrem Mann und sagte: "Du kannst das Gezänk nicht mehr hören. Jage eine von uns beiden fort. Gib uns morgen Wolle zum Waschen und sage, daß die, die mit der gewaschenen Wolle zuerst zu dir zurückkommen werde, bei dir bleiben dürfe, daß du aber die andere verjagen wollest." Der Mann sagte: "So will ich es einrichten." Die erste Frau sagte bei sich: "Die Sergma wird mit der einen Hand nicht so schnell fertig werden!" Der Mann dachte nicht an die abgeschlagene Hand.

Am anderen Tage gab der Mann beiden Frauen den gleichen Pack Wolle und sagte: "Geht hin zu dem Flusse und wascht das. Wer damit zuerst fertig wird, der kann bei mir bleiben, die andere muß mein Haus verlassen." Die beiden Frauen nahmen die Wolle und stiegen auf verschiedenen Wegen zum Flusse herab. Sergma weinte. Sie dachte an ihre Hand. Da kam ein Rabe geflogen. Der Rabe sagte: "Gib mir doch einige Flocken Wolle, damit ich mein Nest bauen kann." Sergma sagte: "Da nimm." Sie gab dem Raben. Der Rabe sagte: "Warte, ich komme gleich wieder." Der Rabe flog fort. Er kam wieder. Er brachte Sergmas Hand. Er setzte Sergma die Hand an. Sergma lachte. Sergma sprang zum Flusse herab. Sie war mit dem Waschen der Wolle bald fertig. Sie kam zurück. Der Mann empfing sie. Als die erste Frau sehr viel später kam, sagte der Mann zu ihr: "Du hast es selbst so gewollt." Die erste Frau mußte gehen.

Sergma blieb bei dem Manne. Sie hatte bald zwei Kinder, zwei Knaben, die heranwuchsen. Einmal war der ältere Knabe ungezogen. Er beschimpfte seine Mutter und sagte: "Du hast keine Verwandten. Mein Vater hat dich auf dem Felde aufgelesen!" Sergma ging zu ihrem Manne und sagte: "Gestatte mir, daß ich mit unseren



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Knaben einmal eine Wanderung zu Verwandten unternehme?" Der Gatte sagte: "Ich habe nichts dagegen."

Sergma machte sich auf den Weg. Sie ging mit ihren Knaben in las Dorf ihrer Eltern. Sie sagte unterwegs zu ihrem jüngsten Kinde: ,Heute abend bitte mich, dir eine Geschichte zu erzählen." Das Kind sagte: "Ich will es nicht vergessen." Sergma kam an das Haus ihrer Eltern. Sie klopfte. Niemand erkannte sie. Sergma sagte: "Ich bin eine Frau, die auf dem Wege in das Haus ihrer Eltern ist, darf ich mit meinen beiden Kindern für eine Nacht hier bleiben?" Die Mutter Sergmas sagte: "Bleibe du nur hier. Schlafe auf dieser Seite. Dort drüben liegt mein kranker Sohn. Ihm sind seit Jahren die Knie wie abgeschnitten."

Sergma setzte sich an das Feuer. Der Vater kam. Der jüngere Bruder kam. Der kleine Knabe Sergmas sagte: "Mutter, erzähl mir eine Geschichte". Sergma sagte: "So höre. Es war einmal ein Mädchen, das hatte lange Haare und es hatte einen Bruder, der wollte sie wegen der langen Haare heiraten. Das Mädchen floh. Die Eltern und die Brüder kamen dem Mädchen nach und der Bruder schlug ihr zum Abschied die Hand ab. Da schwor das Mädchen, daß der Bruder an den Knien krank sein würde, bis sie selbst ihre Hand zurückerhielte. Das Mädchen heiratete. Ihr Mann hatte eine erste Frau, die plagte und quälte die junge Frau und wollte sie dadurch verjagen, daß sie Arbeit verlangte, die die junge Frau mit der einen Hand nicht verrichten konnte. Es kam aber ein freundlicher Rabe, der brachte der jungen Frau die Hand zurück. Da mußte die erste Frau fliehen und die junge Frau hatte zwei Knaben. Das ist die Geschichte."

Die Mutter Sergmas fiel vor der jungen Frau auf die Erde und weinte. Der Vater Sergmas sank hin und glaubte, vor Scham in die Erde kriechen zu müssen. Der Bruder Sergmas erhob sich von seinem Lager und war gesund. Der jüngere Bruder Sergmas wandte seinen Kopf dem Feuer zu und betrachtete sie.

Der älteste Knabe Sergmas sagte: "Mutter, du hast ja auch Verwandte ?"



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31. Das stumme Mädchen


(Auszug. Vgl. Schöpfungslegende Bd. 1, Nr. 18)

Eine schwangere Frau geht in den Wald, Holz zu suchen; sie trifft im Walde wilde Kühe. Die Frau erschrickt so, daß sie das Kind, ein Mädchen, gebiert. Die Mutter läuft voll Entsetzen nach Hause. Das kleine Mädchen bleibt im Walde liegen. Das Mädchen wird von einer der wilden Kühe, die ihr das Euter hinhält, genährt. Das kleine Mädchen läuft nun immer mit den wilden Kühen umher Das Mädchen ist stumm und nackt und lebt genau wie die wilden Tiere. Das Mädchen ist aber sehr schön. Es irrt nun immer mit den wilden Kühen in dem gleichen, gewaltigen Walde umher.

Eines Tages kommen in diesen großen Wald sieben Brüder. Sie sind auf der Jagd, verlieren die Richtung und verirren sich vollkommen. Sie laufen ein Jahr lang im Walde umher, ohne Ausgang oder Weg zu finden. Ihre Kleider fallen vom Leibe. Sie schießen nun wilde Tiere, ziehen die Haut ab und kleiden sich in die Häute.. Die Häute beginnen zu stinken. Die Brüder legen die Häute nun in Asche und reiben sie so lange mit Asche ein, bis sie tragbar werden. Von nun ab ziehen sie, in Felle gehüllt, wie Tiere im Walde umher.

Eines Tages haben die sieben Brüder gelagert. Einige gehen zur Quelle, um Wasser zu holen, einige sammeln Holz. Ein Rudel wilder Kühe zieht an ihrem Lager vorbei. Die Brüder springen auf und werfen ihre Lanzen auf die wilden Kühe. Die wilden Kühe laufen von dannen. Das Mädchen aber bleibt bei dem Anblick der in Felle gekleideten Männer ganz entsetzt stehen und läuft nicht fort. Die sieben Brüder umringen sie, bitten sie, mit in ihr Lager zu kommen und ihr Essen zu genießen. Das Mädchen ist stumm, nimmt aber alles dankbar hin, ißt, läßt sich eine kleine Hütte bauen, in der sie schläft und läßt sich in Fellkleider von der gleichen Art hüllen, wie sie die sieben Brüder tragen. Das stumme, schöne Mädchen zieht nun mit den sieben Brüdern im Walde herum.

Eines Tages finden die sieben Brüder und das stumme schöne Mädchen den Ausgang aus dem Walde. Sie kommen in die Ebene und in einen Ort. Im Orte erzählen sie von ihren Erlebnissen. Eine alte Frau schreit: "Das muß meine Tochter sein, die ich im Walde geboren habe." Die Leute denken nun darüber nach, wie sie dem stummen Mädchen die Sprache wiedergeben können. Man ist der Ansicht, daß gleichzeitig mit dem Saugen am Euter der Kuh einige kleine Halme von der Art der Thimah'schicht (dies wäre wohl Hanf)



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in den Hals des Mädchens gekommen sei. Das Mädchen wird an den süßen in dem Hause aufgehängt, und nun kommen aus dem Mädchen drei Schlangen heraus, die sich aus Würmern gebildet haben, die das Kind mit der Milch der wilden Kuh eingesogen hat. Als die drei Schlangen herausgekommen sind, ist große Seligkeit, denn das Mädchen kann nun wieder sprechen.

Die sieben Brüder wollen nach Hause zurückkehren. Sie haber das Mädchen, das so lange mit ihnen herumgezogen ist, so hei gewonnen, daß sie es mitnehmen wollen. Aber nun entwickelt sich ein Streit. Der Vater des Mädchens will dieses daheim behalten um macht sein Anrecht an das Mädchen mit der Begründung geltend daß er das Mädchen erzeugt habe. Die sieben Brüder machen ihr Anrecht an das Mädchen geltend, daß sie es aus der Wildnis befreit in der Wildnis versorgt und heimgebracht, also gewissermaßen auf neue dem Leben wiedergegeben haben. Der Streit ist nicht zu entscheiden. Die sieben Brüder ziehen zornig ab, um einen anderen Richterspruch zu erzielen.

Die sieben Brüder ziehen heim an den Ort, in dem ihr Vater Agelith ist. Sie schwärzen sich aber vor dem Eintritt in den Ort die Ge sichter und vermummen sich so, daß nicht einmal der Vater sein Söhne wiedererkennen kann. Sie treten in dieser Weise als Freunde vor den Vater und fragen unter Darlegung des ganzen Vorganges den Vater, ob das Mädchen von Rechtswegen nun dem Manne gehöre, der es erzeugt habe, oder denjenigen, die es dem Leben zurückgewonnen haben. Der Vater entscheidet sich für das Besitzrecht dei letzteren Art. Nun geben die Söhne sich dem Vater zu erkennen und rüsten dann den Kriegszug gegen den Ort, in dem das Mädchen lebt

Die sieben Brüder überfallen den Ort und besiegen die Männer darin Sie erobern das schöne Mädchen und kehren mit ihm heim. Daheim geraten sie sich aber nunmehr in die Haare und bekämpfen einander, weil jeder das schöne Mädchen heiraten will. Zuletzt haben sich alle untereinander getötet bis auf den Jüngsten, der als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht, das Mädchen heiratet den Jüngsten, der anstelle seines Vaters Agelith wird.



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32. Der dankbare Löwe


(Auszug)

Zwei Brüder sind verheiratet. Der eine hat einen kleinen Knaben; der andere hat keine Kinder. Der kinderlose Onkel hat aber seinen kleinen Neffen außerordentlich lieb, und da er dem Bruder direkt benachbart wohnt, bittet er den Bruder oft: "Laß doch heute deinen Jungen zu mir kommen, damit ich mich an seinem Spiele erfreue." Der Bruder sendet denn auch seinen Buben oft hinüber.

Eines Tages geht der Bube wieder vom Elternhause weg und zu dem Onkel hinüber. Unterwegs wird er aber von einem Löwen und einer Löwin angefallen, die von Hunger und Kälte geplagt in das Dorf gekommen sind. Die Löwen packen das Kind, töten es und schleppen es heim in ihren Bau, um es mit ihren Jungen zusammen zu verschlingen. Nur wenige Überreste von dem Kinde bleiben übrig.

Inzwischen wundern sich Vater und Onkel über das Fernbleiben des Buben. Sie suchen sich gegenseitig auf, erkennen, daß hier etwas vorgekommen sein müsse und machen sich auf die Suche. Sie finden die Blutspur, die die Löwen hinterlassen haben, folgen ihr und kommen mit den Waffen an die Behausung der Löwen. Sie finden die zwei Jungen der Löwen. Sie steigen auf einen Baum und töten von dort durch Schüsse die anspringenden alten Löwen. Im Bau finden sie die Reste des Kindes. Die Reste des Kindes und die jungen Löwen nehmen sie mit sich.

Die beiden Brüder beschließen, nicht nach Hause zurückzukehren, sondern mit den Resten des Kindes und den jungen Löwen eine Reise zu unternehmen. Einmal soll die Mutter des Kindes nicht gleich das ganze Elend hören, und dann wollen sie Ablenkung vorn eigenen Unglück und eigener Trauer suchen.

Die beiden Brüder nehmen also die Überreste des Kindes auf, hüllen sie ein und gehen mit diesem Paketchen und den beiden jungen Löwen, die sie unterwegs gut füttern, auf Reisen. Sie treffen erst auf ein Dorf, dessen Bewohner von einem Wuarssen getötet und zerstreut sind. Sie töten den Wuarssen und ziehen dann weiter.

Danach kommen die beiden Brüder (immer mit dem Leichenrestpaket und den beiden jungen Löwen) in einen Wald und an eine Wasserstelle. Über der Wasserstelle hat eine mächtige Schlange einen großen Löwen, mit ihrem Leib ihn fest umklammernd, in den Zweigen aufgehängt. Der Löwe ist nahe daran, in der Umklammerung zu sterben. Die beiden Brüder töten die Schlange und befreien so den



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Löwen. Der Löwe ist ganz schwach und halb verhungert. Die Brüder ernähren und pflegen ihn, bis er wieder hergestellt ist. Dann ziehen die Brüder weiter. Der Löwe folgt ihnen. Die Brüder fragen ihn, weshalb er nachkomme. Der Löwe schüttelt nur den Kopf und weint.

Als die Brüder nun am nächsten Lager ankommen, haben sie nur noch gerade für sich selbst und die zwei jungen Löwen, aber für den großen Löwen nichts zu essen. Sie sagen das dem Löwen. Der große Löwe läuft weg und kommt nach einiger Zeit wieder, mit dem Kopf einen Widder vor sich herstoßend. So haben sie reichlich zu essen. Sie ziehen weiter und lagern abermals. Der Löwe fragt die Brüder: "Habt ihr zu essen ?" Da dies nicht der Fall ist, läuft der Löwe wieder fort und bringt nun ein Kalb. Die Brüder schlachten und leben nun wohl. Sie ziehen weiter.

Sie lagern an einer anderen Stelle im wilden Wald, und nun kommen alle wilden Tiere und wollen die beiden Brüder überfallen und töten. Die beiden jungen Löwen springen aber gegen die wilden Tiere an und halten eine längere Rede, in deren Verlauf sie schildern, wie ihre Eltern das Kind der Brüder getötet haben, wie die Brüder sich aber der jungen Löwen angenommen haben, ohne Rache zu nehmen. Auch der vom Untergang durch die Schlange befreite große Löwe hält eine Lobrede auf die beiden Brüder. Auf solche Zeugenschaft hin werden die großen wilden Tiere gerührt und bringen ihrerseits auch Essen.

Die beiden Brüder hausen nun wohigespeist und versorgt im Walde und kommen nach einer langen Wanderschaft endlich auf den Gedanken, heimzuwandern. Sie erreichen das Dorf. Als sie nahe dem heimatlichen Dorfe sind, bleibt der große Löwe stehen. Er weint und trottet dann weinend in den Wald zurück. Er hat die Brüder wohlbehalten in das Dorf gebracht und damit seinen Vorsatz erfüllt. Die Brüder gehen ihrerseits gerührt und getröstet in das Dorf zurück.

So weit habe ich alles noch genau in Erfahrung bringen können. Es gibt aber noch einen Schluß, den meine Leute nicht gut kannten. Diesem Schluß zufolge hat der Löwe in seiner Dankbarkeit auch zuletzt die Reste des getöteten Kindes wieder zum Leben gebracht



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33. Rova


(Variante der Wandergenossenschaft)

Ein Mann hatte vier Söhne und eine Tochter. Die Tochter hier Rova. Dieses Mädchen wurde vom Vater und von den vier Brüdern in gleicher Weise geliebt. Von den vier Brüdern übte jeder aber eine besondere Kunst. Der erste spaltete, wenn er mit seiner Albus (Keule) auf die Erde schlug, die Erde. Der zweite hatte so scharfe Augen, daß er durch Mauern sehen konnte und außerdem konnte er auch über Mauern springen; der dritte hatte so scharfe Ohren daß er alles zu hören vermochte; der vierte war so geschickt, daß er einem brütenden Rebhuhn unter dem Leibe die Eier wegnehmen konnte, ohne daß dieses es wahrnahm.

Eines Tages war der Vater im Männerrate (thimmä-amerth). Ei sprach im Männerrate und sagte etwas Unschickliches. Er schämte sich. Vor Scham blieb er augenblicklich auf der Stelle draußen (der Männerrat wurde außerhalb des Ortes im Freien abgehalten) fest auf dem Steine sitzen und konnte nicht mehr aufstehen. Der Mann klebte auf dem Steine fest. Sogleich baute man um ihn eine kleine Hütte, die ihm gegen das Unwetter und die wilden Tiere einen Schutz bot. Abends aber kam Rova aus der Stadt und brachte ihrem Vater das Essen heraus. Sie leistete ihrem Vater Gesellschaft.

Der Vater blieb draußen in seiner kleinen Hütte. Die Tochter kam jeden Abend aus dem Orte und brachte ihm das Essen. Rova rief, wenn sie kam, stets am Eingang der Hütte: "avava (Vater) inova (ich bin es)!" Der Vater antwortete dann von innen: "nchinchin (laß klingen) imserani (Schmuck der) a'rova (Rova)!" Die Tochter klapperte dann mit ihrem Schmuck. Der Vater erkannte das Klingen und öffnete. Rova blieb dann oft lange bei ihrem Vater und kehrte erst am andern Morgen wieder zurück.

Eines Tages war ein Löwe in der Nähe. Der hörte, wie Rova anklopfte und sagte: "avava inova!" Der Löwe merkte sich die Worte. Am andern Tage kam er gegen Abend vor Rova an die Tür des Vaters und rief: "avava inova!" Der Vater erkannte aber, daß der Löwe nicht Rova sein konnte. Seine Stimme war zu tief. Der Vater sagte: "Ich höre deine Stimme, die nicht die meiner Tochter Rova ist. Auch höre ich nicht das Klingen deines Schmuckes." Der Löwe ärgerte sich und ging fort. Als Rova kam, erkannte der Vater ihre Stimme. Er ließ sie herein und erzählte ihr, daß vorher der Löwe versucht hatte, Eintritt zu erlangen.



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Der Löwe ging aber zu einem Amrar asemeni und trug ihm alles vor. Amrar asemeni sagte: "Deine Stimme ist zu tief. Kaufe dir ein Stück tezcint (Fett) von einer Ziege (amaiz). Tue dies in die Ohren und lege dich in einen Ameisenhaufen. Die Ameisen werden das Fett fressen und in deinem Kopf die tiefe Stimme beseitigen. Dann sammle Schneckenschalen (erorar). Aus diesen mache dir ein Halsband und hänge dies um. Das Halsband wird so klingen wie dasjenige Rovas, und wenn der Vater dann deine geänderte Stimme und das Klingen der Muschelschalen hört, wird er dich hereinlassen." Der Löwe bedankte sich und ging.

Der Löwe folgte dem Rate des Amrar asemeni. Die Ameisen bereiteten ihm eine helle Stimme. Das Halsband von Schneckenschalen erklang wie der Schmuck Rovas. Als es Abend war, ging er vor Rova zu der Tür der Hütte, in der der Vater saß und rief: "Vater, ich bin es!"Der Vater sagte: "Laß deinen Schmuck erklingen, Rova!" Der Löwe rasselte mit dem Schneckenhaisband. Der Vater glaubte, daß Rova draußen sei. Der Vater öffnete die Tür der Hütte. Der Löwe kam in die Hütte.

Der Löwe kam in die Hütte und sagte zu dem Vater: "An welchem Ende soll ich anfangen, dich zu verschlingen ?" Der Vater sagte: "Fange an den Füßen an. Dann höre ich vielleicht noch meine Tochter kommen und kann sie warnen." Der Löwe begann sogleich, den Vater zu verschlingen. Als der Löwe den Vater bis zur Mitte verschlungen hatte, kam Rova. Der Vater hörte sie und rief: "Meine Tochter laufe schnell fort, es ist ein Löwe bei mir." Der Löwe verschluckte darauf den Rest des Vaters, kam heraus, ergriff Rova und nahm sie auf die Schulter. Rova schrie. Der Löwe trug Rova aber in den Wald in sein Haus.

Im Orte hörte der Bruder mit den scharfen Ohren seine Schwester schreien. Er sagte zu seinen Brüdern: "Unserer Schwester Rova ist etwas zugestoßen. Wir wollen uns morgen in den Wald begeben und nach ihr sehen." Am andern Tage machten sich die vier Brüder gemeinsam auf den Weg und kamen in den Wald. Der Löwe war gerade ausgegangen, und Rova erging sich allein in der Umgebung des Hauses. Der Bruder mit den scharfen Ohren hörte ihre Schritte und sagte zu seinen Brüdern: "Kommt mit in diese Richtung. Ich höre die Schritte unsrer Schwester Rova." Die vier Brüder gingen in der angegebenen Richtung und trafen bald auf Rova.

Die vier Brüder sahen Rova und sagten: "Du bist also nicht getötet." Rova sagte: "Nein, ich bin nicht getötet. Der Löwe will mich aber



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durchaus heiraten. Damit ich nun nachts nicht fortlaufe, bindet er mir jeden Abend mit seinen Haaren die Hände zusammen und all seinen Bart. So muß ich neben ihm unter der gleichen Gandura (thakandurth) schlafen. Sonst würde ich fortlaufen." Die Brüder sagten: "Gehe nur getrost wieder in das Haus des Löwen. Heute nacht sollst du noch deine Suppe mit uns gemeinsam essen." Rova ging wieder in das Haus.

Gegen Abend kam der Löwe nach Haus. Er band mit seinen Haaren Rovas Hände zusammen; er band Rova mit den Haaren seines Bartes fest und breitete über sich und Rova eine Gandura aus. Dann schlief der Löwe ein. Inzwischen kamen die vier Brüder draußen an die Mauern des Hauses. Der Bruder mit den scharfen Augen schaute hindurch und sagte: "Der Löwe schläft noch nicht." Nach einiger Zeit sagte der Bruder mit den scharfen Augen: "Der Löwe schläft ein wenig, aber nicht fest." Nach einiger Zeit sagte der Bruder mit den scharfen Augen: "Jetzt schläft der Löwe fest; jetzt kann ich unsere Schwester herausholen." Dann sprang der Bruder mit den scharfen Augen über die Mauer.

Der Bruder mit den scharfen Augen ergriff den Löwen und seine Schwester Rova. Er trug sie vorsichtig, so, wie sie zusammengebunden waren, heraus und legte sie auf die Erde. Der Bruder, der so geschickt war, daß er einem brütenden Rebhuhn das Ei unter dem Leibe wegnehmen konnte, ohne daß dieses es gewahren konnte, begann die Gandura von Rova und dem Löwen zu nehmen. Dann löste er den Knoten der Barthaare des Löwen, mit denen dieser Rova an sich gebunden hatte. Dann löste er den Knoten der Haare, mit denen Rovas Hände zusammengebunden waren. Rova erhob sich. Der Löwe hatte nichts gemerkt und schlief weiter.

Die vier Brüder liefen mit ihrer Schwester Rova so schnell Sie konnten von dannen. Von Zeit zu Zeit blieb der Bruder mit den guten Ohren stehen und horchte. Als sie ein langes Stück weit gelaufen waren, blieb der Bruder mit den guten Ohren wieder stehen und horchte. Der Bruder mit den guten Ohren sagte: "Der Löwe ist erwacht und läuft hinter uns her. Er wird bald hier sein."

Da ergriff der Bruder mit der starken Albus seine Keule und schlug auf die Erde, so daß sie sich weit spaltete. Die vier Brüder gingen mit Rova in die Spalte und hockten in einem Loche unter der Erde zusammen nieder. Bald kam der Löwe. Der Löwe lief über die Erde hin und roch mit der Nase überall hin. Der Löwe sagte: "Sie sind da und sind doch nicht da." Er lief herum und sagte wieder:



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Die älteste der sieben Töchter sitzt

(in der Mitte) mit Kamm und Spiegel (neben ihrer Hand) auf dem Felsblock (links), in dem die gastliche Schlange wohnt (darunter) und weint, weil der Widder (rechts) der Schlange böse Absichten andichtet. Der Sohn des Agelith (links oben in der Ecke) lauscht heimlich dem Vorgange zu. Originalzeichnung eines Kabylen



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"Sie sind da und sind doch nicht da." Er lief herum und sagte wieder: "Sie sind da und sind doch nicht da." Dann lief der Löwe wieder in Sein Haus zurück.

Die vier Brüder lebten nun mit ihrer Schwester Rova in der Höhle unter der Erde. Die vier Brüder gingen alle Tage auf die Jagd. Ihrer Schwester verboten sie aber, jemals die Höhle zu verlassen. So lebten sie lange Zeit. Eines Tages trafen die vier Brüder aber den Löwen auf der Jagd. Die vier Brüder töteten den Löwen. Dann gingen sie in ihre Höhle, holten ihre Schwester Rova ab und kehrten mit ihr heim in den Ort.


34. Die Prinzessin und die 7 Brüder

Ein Fürst (Sultan) hatte sieben Söhne. Eines Tages wurde die Frau des Sultans wieder guter Hoffnung und alle Leute sprachen darüber, ob der Fürst dieses Mal Vater eines Sohnes oder einer Tochter werden würde. Auch die sieben Söhne des Fürsten, die ein gutes Stück entfernt von der Stadt in den Bergen wohnten, hörten von dem, was alle Welt besprach und sagten: "Wenn das Kind unserer Mutter wieder ein Sohn wird, ziehen wir in die Welt hinaus. Wenn das Kind unserer Mutter eine Tochter wird, wollen wir ein Fest begehen."

Das Kind wurde geboren. Es war ein Mädchen. Die Frau des Fürsten rief ein altes Weib und sagte: "Gehe in die Berge zu meinen Söhnen und sage ihnen, daß sie eine Schwester erhalten haben." Das alte Geschöpf war ein böses Weib. Das alte Weib ging in die Berge und sagte zu den Brüdern: "Ihr habt einen achten Bruder erhalten." Da sattelten die Brüder ihre Pferde, bestiegen sie und ritten weit fort, so weit, daß kein Mensch wußte, wo sie sich befanden.

Es waren vierzehn Jahre vergangen, seitdem die sieben Brüder verschwunden waren. Die Prinzessin ging eines Tages zur Quelle, um Wasser zu holen. An der Quelle traf sie die böse Alte, die seinerzeit die Brüder durch ihre Lüge vertrieben hatte. Die Alte saß da und schöpfte das Wasser mit einem Siebe. Das Wasser lief stets wieder aus dem Siebe unten heraus und es kam nichts in den Krug. Die Prinzessin lachte und sagte: "Hier nimm meinen Schöpfer. So wird dein Krug nie voll werden." Die böse Alte wurde aber zornig und sagte: "Laß mich, du schlechtes Mädchen, das sieben Brüder verjagt hat." Die Prinzessin sagte: "Was meinst du? Ich habe keine



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Brüder!" Die Alte sagte: "Du hast doch Brüder gehabt. Du hast sie aber verjagt!" Das Mädchen wurde traurig, nahm seinen Krug und ging heim.

Die Mutter sah, daß ihre Tochter traurig heimkehrte. Die Mutter sagte: "Was fehlt dir, meine Tochter?" Das Mädchen sagte: "Bereite mir eine besondere Speise." Die Mutter begann zu kochen. Sie ging hinaus. Die Tochter warf schnell ein Stück Holzkohle in die brodelnde Suppe. Die Mutter kam zurück und sah den Unrat auf der Suppe schwimmen. Sie wollte ihn mit zwei Stöckchen herausfischen' Die Tochter hielt die Hand der Mutter über die brodelnde Suppe und sagte: "Entweder du sagst mir die Wahrheit über meine Brüder, oder ich stoße deine Hand in den kochenden Brei." Die Mutter erschrak. Sie erzählte der Tochter alles.

Die Tochter verlangte von der Mutter Wegzehrung und eine Negerin. Sie ließ sich vom Vater ein Pferd geben. Der Vater gab ihr noch einen Vogel mit, der war in einem kleinen Käfig eingeschlossen und fragte man ihn etwas, so antwortete er: "Nur immer weiter so!" Das Mädchen nahm Abschied und ritt mit dem Vogelkäfig auf dem Pferde und der Negerin, die hinterherlief, von dannen, um ihre Brüder zu suchen und zu bewegen, heimzukehren.

Nachdem die Prinzessin einen Tag geritten und die Negerin immerfort hinter ihr her gelaufen war, sagte die Negerin: "Laß uns einmal wechseln. Ich bin müde und möchte ein wenig reiten." Die Prinzessin fragte: "Mein Vater und meine Mutter, eine Negerin bittet mich, daß ich vom Pferde steigen und sie reiten lassen solle." Der Vogel im Bauer sagte: "Nur immer weiter so!" Darauf schlug sie der Negerin die Bitte ab und ritt weiter voraus.

Abends kamen sie an eine Quelle. An der Quelle blieben sie. Die Prinzessin setzte ihren Vogel auf die Steine des Quellrandes. Am andern Tage brachen sie früh auf. Die Prinzessin vergaß aber, ihren Vogel mitzunehmen. Nachdem sie wieder einen Tag lang wie gestern marschiert waren, sagte die Negerin: "Laß uns einmal wechseln. Ich bin müde und möchte ein wenig reiten." Die Prinzessin fragte: "Mein Vater und meine Mutter, eine Negerin bittet mich, daß ich von meinem Pferde steige und sie weiter reiten lassen solle." Die Prinzessin erwartete eine Antwort. Da sie den Vogel aber stehen gelassen hatte, erhielt sie keine Antwort. Darauf stieg sie ab und ließ die Negerin reiten.

An diesem Abende hatten sie eine doppelte Quelle vor sich. Wenn sich eine schwarze Person in der einen badete, wurde sie weiß, und



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Wenn sich eine weiße in der anderen badete, wurde sie schwarz. Da nun die Negerin voranritt und schneller vorwärtskam, erreichte sie den Brunnen früher. Sie stieg sogleich ab und badete in der weißfärbenden Quelle. So wurde sie weiß. Als nun die Prinzessin ankam, War zum Baden nur noch in der anderen Quelle Platz. Da stieg sie in die andere Quelle und wurde schwarz.

Am andern Tage stieg die Negerin als weiße Frau auf das Pferd, Und die Prinzessin lief als Schwarze hinterher. So ging es nun Tag für Tag. Sie reisten sehr weit, die Negerin immer als weißes Mädchen Voraus und die Prinzessin als Negerin hinterher. Nachdem sie sehr Weit gereist waren, kamen sie bei den sieben Brüdern an. Die weiße Negerin ritt sogleich auf sie zu und sagte: "Als ich geboren wurde, Seid ihr getäuscht worden. Euer achtes Geschwister ist nicht ein Bursche, sondern ein Mädchen, und das Mädchen bin ich. Ich bin gekommen, euch das zu sagen und mit euch zu wohnen. Auch habe ich eine Negerin mitgebracht. Sie kommt hinter mir her und ihr könnt Sie zum Arbeiten anstellen." Da wurden die Brüder froh und begrüßten die Schwester und gaben ihr gutes Essen. Dem schwarzen Mädchen aber gaben sie Arum (gebackenes Gerstenmehl) und Sandten es aus, die Kamele auf die Weide zu treiben.

Jeden Tag saß nun die schwarz gewordene Prinzessin bei den Kamelen auf der Weide und weinte und jammerte: "Mein Gott, mein Gott (Gott =[ar]robi)! Weshalb bin ich so verlassen. Um meine Brüder zurückzurufen bin ich ausgereist, und unterwegs hat die Negerin sich weiß und mich schwarz gemacht! Mein Gott, mein Gott, Weshalb bin ich so elend!" Die schwarze Prinzessin hatte von ihren Brüdern sieben Kamele bekommen, die sie weiden sollte. Sechs von diesen Kamelen hörten, das siebente aber war taub und hörte nichts. Wenn die sechs Kamele die Klagen der Prinzessin hörten, dann Weinten und klagten sie mit und sie vergassen darüber das Fressen. Nur das siebente taube Kamel fraß und wurde immer dicker, während die andern sechs Kamele vor Gram abmagerten.

Die sieben Brüder sahen, daß sechs von den Kamelen abmagerten, während das siebente fett wurde. Sie fragten das schwarze Mädchen: "Wie kommt es, daß sechs von den Kamelen abmagern, während das siebente fett wird?" Das schwarze Mädchen sagte: "Das ist nicht mein Fehler. Ich kann die Kamele nicht zum Fressen zwingen."

Als die sechs Kamele immer magerer wurden, versteckte sich der älteste Bruder einmal an der Stelle, an der die Kamele geweidet wurden. Da hörte und sah er das Weinen und Klagen des Mädchens



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und der Kamele. Er ging abends heim und erzählte es seinen Brüdern und am zweiten Tage versteckte sich ebenda der zweite, der dritte am dritten Tage, und so weiter bis auf den sechsten. Und jeder ging abends heim und verwunderte sich über das, was er gesehen hatte und sprach mit den Brüdern darüber.

Am siebenten Tage versteckte sich nun der siebente. Der hörte auch das Weinen und Klagen des schwarzen Mädchens und der sechs Kamele, und er konnte es nicht über das Herz bringen, im Busche liegen zu bleiben, sondern er trat hervor und sagte zu dem schwarzen Mädchen: "Negerin, was sprichst du da für Klagen aus!" Das schwarze Mädchen sagte: "Ich bin keine Negerin, sondern eure Schwester. Das Negermädchen hat es so eingerichtet, daß wir in den Quellen badeten, die sie weiß und mich schwarz machten, und wenn ihr Brüder euch davon überzeugen wollt, so seht euch meine Haare an, die schlicht und lang sind wie die eurigen und seht die des jetzt weißen Mädchens an, und ihr werdet finden, daß sie kraus sind." Der jüngste der sieben Brüder ging heim.

Der Jüngste sagte zu seinen sechs Brüdern, als er heimkehrte: "Wir wollen die Haare unserer Schwester ansehen!" Sie riefen das weiße Mädchen und sagten: "Nimm deinen Kopfschal ab und zeige uns deine Haare!" Das weiße Mädchen erschrak und sagte: "Mein Haar zeige ich nicht. Es schickt sich nicht." Da riß der jüngste Bruder dem weißen Mädchen den Kopfschal herab und nun sahen alle sieben, daß das schwarze Mädchen recht gehabt hatte. Das weiße Mädchen hatte krause Haare.

Am andern Tage fragte der jüngste Bruder das schwarze Mädchen: "Kannst du den Weg zu den Quellen finden, in denen ihr euch gebadet habt?" Das schwarze Mädchen sagte: "Das kann ich wohl." Da brachen die Brüder auf und gingen dahin, wo die Quellen waren, und das weiße Mädchen mußte sich in der Quelle baden, die schwarz macht, während die Schwester in der andern badete. Nun erst sahen die Brüder, wie schön ihre Schwester war.

Die sieben Brüder waren aber über die Negerin zornig. Sie ließen die betrügerische Negerin durch ein Pferd in den Wald schleifen, hieben ihr den Kopf ab und warfen ihn ins Feuer, hieben ihr die Hände ab und warfen sie ins Feuer und schlugen die Arme ab Und benutzten sie als Schüreisen.

Die Brüder blieben noch einige Tage mit der Schwester in der Wüste, dann kehrten sie mit ihr heim. Der Vater ließ sich alles er zählen und sagte: "Hättest du den kleinen Vogel nicht stehengelassen,



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assen, so wäre es nicht so schlimm gekommen. Nun ist aber alles floch gut gegangen. Wir danken dir, daß du deine sieben Brüder Wiedergebracht hast und wollen ein großes Fest feiern.

Dann feierten sie ein großes Fest und die sieben Brüder waren glücklich, daß sie bei Vater und Mutter und Schwester daheim sein konnten.


35. Die Tochter und die Negerin

Ein Vater hatten sieben Söhne. Eines Tages war die Mutter wieder guter Hoffnung. Die Söhne saßen miteinander an der Quelle. Sie schnitten sich da die Haare. Die Söhne sagten untereinander: "Wenn das Kind unserer Mutter ein Knabe wird, werden Wir die Töpfe auf unserem Kopf zerbrechen (ein Zeichen der Trauer) und werden fortgehen. Wenn das Kind aber ein Mädchen ist, werden Wir ein Fest feiern." Der Vater kam vorbei und sagte: "Meine Söhne, ich bin eurer Ansicht." Eine Setut (böse alte Frau) hörte die Söhne und den Vater.

Am gleichen Tage gebar die Mutter ein Mädchen. Die Setut lief aber zu den Söhnen und sagte: "Eure Mutter hat einen Knaben geboren." Die sieben Söhne fragten: "Ist es nicht ein Mädchen?" Die Setut sagte: "Nein, ich habe es mit meinen Augen gesehen." Da zerbrachen die sieben Burschen die Töpfe auf ihren Köpfen, bestiegen ihre Tiere und ritten von dannen in ein anderes Land. Dort bauten sie sich ein Haus, legten Felder an und züchteten Vieh.

Das Mädchen aber wuchs sehr schnell. Nach vier Jahren war sie schon erwachsen. Das Mädchen glaubte, es sei das einzige Kind seiner Eltern. Eines Tages spielte sie und war vergnügt. Die alte Setut kam vorbei. Sie sah die Freude des Kindes. Sie sagte: "Thimrarak nthivar wuethmetherith!* Du hast deine sieben Brüder verjagt." Das Mädchen ging heim und begann zu weinen. Das Mädchen legte sich ins Bett. Das Mädchen wollte nicht essen. Die Mutter kam und fragte das Mädchen: "Was hast du ?" Das Mädchen sagte: "Ich habe sieben Brüder, du hast nie mit mir über meine sieben Brüder gesprochen. Wo sind meine sieben Brüder?"

Die Mutter erzählte dem Mädchen alles. Das Mädchen sagte: "Ich will gehen und meine Brüder suchen." Das Mädchen bereitete sich 

'Danach hat dies Märchen bei den Kabylen seinen Namen.


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Essen, nahm einen Maulesel, eine Negerin und das Korn A-a-ka ithauwellen (das beratende Korn, das Korn, das spricht) mit. Das Mädchen bestieg den Maulesel, ritt voran und ließ die Negerin hinterhergehen. Das Mädchen ritt mit der Negerin hinter sich weit fort.

Nach einiger Zeit wurde die Negerin müde. Sie bat das Mädchen: "Laß mich jetzt auf den Maulesel steigen; ich bin so müde." Das Mädchen sagte: "Avaven, avaven (Vater, Vater) die Negerin will aufsteigen!" Das Korn sprach: "Reite weiter! Reite weiter! Habe keine Furcht!" Das Mädchen ritt weiter und hörte nicht auf die Negerin.

Abends kam das Mädchen mit der Negerin an eine Quelle, die war für Weiße und eine Quelle, die war für Schwarze. Das Mädchen stieg vom Maulesel und legte das Korn auf einen Stein. Dann badete das Mädchen. Es badete aber nicht in der Quelle für Weiße, sondern in der Quelle für Schwarze. Sie wurde schwarz. Und die Negerin badete nicht in der Quelle für Schwarze, sondern in der Quelle für Weiße. Da wurde sie weiß.

Am andern Morgen brach das Mädchen auf. Das Mädchen ließ aber das Korn auf dem Stein am Brunnen liegen und vergaß es mitzunehmen. Das schwarze Mädchen bestieg seinen Maulesel und ritt weit fort. Die weiße Negerin lief hinterher. Nachdem sie weit geritten waren, wurde die weiße Negerin müde und bat: "Laß mich jetzt auf den Maulesel steigen; ich bin so müde." Das schwarze Mädchen sagte: "Avaven, Avaven, die Negerin will aufsteigen."Das Korn auf dem Stein an der Quelle sprach: "Reite weiter; reite weiter, habe keine Furcht!" Das Korn war nun aber auf dem Stein an der Quelle so weit entfernt, daß das Mädchen seine Stimme nicht hörte. Deshalb stieg das schwarze Mädchen vom Maulesel ab und die weiße Negerin bestieg den Maulesel. Das schwarze Mädchen ging hinter dem Maulesel her.

Am Abend kamen sie bei den sieben Brüdern an. Die weiße Negerin stieg ab und sagte: "Ich bin eure Schwester. Ich bin gekommen, euch zu besuchen. Die Negerin kann inzwischen eure Kamele hüten." Die sieben Brüder waren darüber sehr froh. Die sieben Brüder ließen ein gutes Essen bereiten und plauderten mit der weißen Negerin Das schwarze Mädchen aber wurde in den Stall geschickt.

Am andern Morgen erhielt das schwarze Mädchen ein schwarzes Stück Brot und mußte die Kamele zur Weide treiben. Unter den Kamelen war ein taubes. Das schwarze Mädchen trieb die Kamele auf die Weide, legte ihr schwarzes Brot auf einen Felsen, stieg auf



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ihn, weinte und sang: "Nimm mein Brot und steige, steige, steige, Fels, damit ich das Land meiner Eltern sehen kann! Die schwarze negerin ist zur weißen Schwester geworden und die weiße Schwester Zur schwarzen Negerin und muß die Kamele hüten." Da stieg der Fels sehr hoch, so daß das Mädchen über das Land hinsehen konnte. Die Kamele aber vergaßen zu grasen und weinten mit ihr, bis auf das taube, das nichts hören konnte. Die andern aber weinten, vom Morgen bis zum Abend.

Das ging so dreißig Tage. Da waren die Kamele, die immer nur mit dem schwarzen Mädchen klagten, ganz mager, bis auf das taube, das nichts verstand. Die sieben Brüder sagten unter sich: "Was ist das, unsere Kamele werden immer magerer?" Der Jüngste aber sagte bei sich: "Ich werde heimlich einmal sehen, was die Negerin mit den Kamelen macht."

Als das schwarze Mädchen am andern Morgen das schwarze Stück Brot erhalten hatte und die Kamele auf die Weide trieb, folgte der jüngste der sieben Brüder insgeheim. Er folgte auf den Weideplatz. Er sah, wie das schwarze Mädchen das schwarze Stück Brot auf den Felsen legte, auf dem schon dreißig Stück schwarze Brote lagen, auf den Felsen stieg, weinte und sang: "Nimm mein Brot und steige, steige, steige, Fels, damit ich das Land meiner Eltern sehen kann! Die schwarze Negerin ist zur weißen Schwester geworden und die weiße Schwester zur schwarzen Negerin und muß die Kamele hüten." Der jüngste der sieben Brüder sah, wie der Fels sehr hoch stieg, so daß das Mädchen weit über das Land sehen konnte und wie die Kamele zu grasen vergaßen und mit dem schwarzen Mädchen weinten. Nur das taube Kamel hörte nichts und fraß weiter.

Als der Jüngste das sah, warf er sich auf das schwarze Mädchen und sagte: "Sprich alles zu mir! Bist du unsere Schwester oder bist du die Negerin? Das schwarze Mädchen nahm das Kopftuch ab, so daß die Haare bis auf den Boden fielen und sagte: "Hat eine Negerin solche Haare ?" Dann erzählte sie dem Jüngsten alles, wie es sich zugetragen hatte. Der Jüngste sagte: "So komm mit nach Hause; ich will es den Brüdern erzählen."

Der Jüngste erzählte den Brüdern alles. Die Brüder gingen auf den Markt und kauften einen Kamm, einen Spiegel und Bohnen. Sie legten den Kamm, den Spiegel und die Bohnen dem schwarzen Mädchen und der weißen Negerin hin. Die weiße Negerin ging sogleich auf die Bohnen zu und begann sie zu essen (Erklärung des Erzählers: Bohnen lieben die Neger über alles), das schwarze Mädchen



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aber nahm ihr Kopftuch ab, so daß die Haare bis auf den Boden herabfielen und begann sich zu strählen. Als die weiße Negerin die Bohnen gegessen hatte, sagten die Brüder: "Nun kämme du dich auch!"Die weiße Negerin nahm das Kopftuch ab. Alle Brüder sahen, wie ihre kurzen Haare zum Himmel standen.

Die sieben Brüder sagten: "Wir wollen dieses schwarze Mädchen mit den langen Haaren und die weiße Frau mit den kurzen Haaren zurückführen zu der Stelle, an der das sprechende Korn liegen blieb und wo sie beide auf dem Herwege badeten." Sie brachen auf. Sie kamen an die Stelle. Die weiße Frau mußte in der Quelle für Schwarze baden und das schwarze Mädchen in der Quelle für die weißen. Als sie aus dem Wasser stiegen, war das Mädchen mit den langen Haaren wieder weiß, und die Frau mit den schwarzen Haaren war wieder eine schwarze Negerin. Die Schwester der sieben Brüder eilte auf den Stein zu, auf dem das Korn lag. Sie ergriff das Korn und rief: "Avaven, avaven! Die Negerin will aufsteigen!" Das Korn antwortete: "Reite weiter, reite weiter, hab' keine Furcht!" Die sieben Brüder hörten es. Sie umfingen das schöne Mädchen und sagten: "Wir hören und sehen es, daß du unsere Schwester bist." —

Die sieben Brüder kehrten mit der Schwester und der Negerin heim. Die sieben Brüder wollten die Negerin töten. Die Schwester aber sagte: "Tut das nicht! Wenn sie gestraft werden soll, überlaßt das andern." Die Brüder sagten: "Dann wollen wir sie im Walde anbinden und abwarten, ob die Tiere ihr etwas tun." Sie brachten die Negerin in den Wald und banden sie an einem Baume an. Sie ließen sie tagsüber und die Nacht im Walde angebunden.

Am andern Morgen ging der Jüngste in den Wald, um zu sehen, was aus der Negerin geworden war. Er fand sie am Baume angebunden. Die Löwen waren um sie versammelt und brüllten. Sie hatten aber der Negerin nichts getan. Als der jüngste Bruder in die Nähe kam, fielen die Löwen über ihn her und schleppten ihn in ihr Haus. Der Jüngste hatte aber keine Angst und so taten die Löwen ihm nichts. Als der jüngste Bruder nicht zurückkam, gingen am nächsten Tag die älteren sechs Brüder in den Wald und suchten nach ihm. Sie kamen an die Stelle, an der die Negerin angebunden war. Die Negerin war noch am Leben. Die Negerin zeigte den Brüdern den Weg, auf dem die Löwen den Jüngsten weggeschleppt hatten. Die Brüder gingen den Löwen nach. Die Löwen packten aber die sechs Brüder und schleppten auch sie in ihre Behausung, und zwei von ihnen, die sich fürchteten, bissen sie tot.



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Als auch die andern Brüder nicht wiederkamen, ging die Schwester in den Wald. Sie fand die Negerin und band sie los. Von der Negerin hörte sie alles. Die Negerin kehrte mit ihr heim. Die Schwester ließ nun einen Ochsen töten und schlachten. Das Fleisch vergiftete sie. Das vergiftete Fleisch trugen sie in den Wald. Die Löwen fielen über das Fleisch her. Die Löwen fraßen es und starben alle. Am nächsten Tage ging die Schwester wieder mit der Negerin in den Wald. Sie fanden den Jüngsten und vier der andern Brüder noch am Leben und kehrten mit ihnen heim.

In der Farm ließen sie die Negerin zurück. Die Schwester wanderte mit den fünf Brüdern wieder in das Haus der Eltern. Hier trauerten sie zwei Jahre um die zwei toten Brüder


36. Die Stiefkinder

Ein Mann heiratete zwei Frauen. Von der ersten hatte er erst ein Mädchen und dann einen Knaben. Von der zweiten Frau erhielt er dann noch ein Mädchen. Diese zweite Frau verstand es ausgezeichnet, Burnusse zu weben. Eines Tages, als die Kinder der ersten Frau schon spielend draußen umherliefen, während ihr eigenes noch im Gehöft blieb, rief sie die Kinder der ersten Frau und sagte ihnen: "Wenn ihr eure Mutter tötet, webe ich euch schöne Burnusse."

Die Kinder der ersten Frau liefen hinaus, wo die Steine waren und fingen dort in einem Ledersack giftige Schlangen. Die Kinder kamen zur Mutter und sagten: "Mutter, sieh einmal, was wir gefangen haben! Stecke einmal die Hand in den Ledersack!" Die Mutter tat es. Sogleich wurde sie von den giftigen Schlangen gebissen und alsbald wußte sie auch, daß sie sterben würde. Sie legte sich nieder und sagte zu den Kindern: "Meine Kinder, ich werde sterben. Ich weiß sehr wohl, daß ihr es nicht waret, die mich getötet haben. Nun merkt euch aber eines und das vergeßt nie: Sorgt, es zu verhindern, daß die Kuh, die draußen auf dem Felde steht, verkauft wird. Wenn ihr nicht genug zu essen habt, laßt euch von der Kuh ernähren. Nachher kommt an mein Grab und holt euch Rat." Die Mutter starb.

Nachdem die Mutter gestorben war, kamen die beiden Kinder zu der zweiten Frau und sagten: "Nun webe uns auch die Burnusse." Die zweite Frau sagte: "Macht, daß ihr hinauskommt, ihr seid schlechte Kinder, die keine Burnusse bekommen sollen." Die zweite Frau jagte die Kinder der verstorbenen ersten Frau heraus und gab



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ihnen nicht einmal etwas zu essen; sie gab nur ihrem eigenen Kinde. Die beiden Kinder liefen hinaus und spielten dort den Tag über. Als sie nach Hause kamen, weil es sie hungerte, jagte die zweite Frau sie wieder weg. Da liefen die beiden Kinder zu der Kuh, ergriffen ihr Euter und tranken sich satt.

Auf diese Weise ging es nun alle Tage. Das kleine Mädchen der zweiten Frau bekam alle Tage das beste Essen. Die beiden älteren Kinder der verstorbenen ersten Frau wurden alle Tage herausgejagt und nährten sich mit Hilfe der Kuh. Dabei blieb aber das kleine Mädchen der zweiten Frau mager und schwächlich, während die beiden Kinder der verstorbenen ersten Frau stark und kräftig und sehr schön wurden. Das ging eine lange Zeit so, und die beiden älteren Kinder wurden immer größer, schöner und kräftiger, trotzdem sie von der zweiten Frau nur die allerschlechtesten Abfälle vorgesetzt erhielten.

Eines Tages sagte die zweite Frau zu ihrem eigenen kleinen Mädchen: "Ich weiß nicht, wie es kommt, daß du so elend und mager ausschaust, trotzdem ich dir das beste Essen vorsetze, während die beiden Kinder der verstorbenen Frau schön, stark und groß werden, trotzdem sie von mir nur die allerschlechtesten Abfälle bekommen. Geh doch einmal mit den beiden Kindern tagsüber auf das Feld, spiele mit ihnen und sieh, ob sie nicht noch irgendeine andere Nahrung haben. Wenn sie noch etwas anderes genießen, so iß ebenfalls davon, und wir wollen dann sehen, ob du nicht auch so schön, stark und kräftig wirst."

Das Kind der zweiten Frau lief also mit den älteren beiden Kindern am andern Tage auf das Feld. Den Tag über spielte es. Abends gingen die beiden Kinder der ersten Frau zu ihrer Kuh und sättigten sich. Als sie von der Kuh zurücktraten, wollte das Kind der zweiten Frau sich in der gleichen Weise sättigen. Es legte sich auch unter die Kuh. Da gab die Kuh dem Kinde aber einen Tritt, der das Kind in das Gesicht traf, und ihm das rechte Auge ausschlug. —Das kleine Mädchen lief nach Hause und erzählte heulend alles seiner Mutter.

Die zweite Frau war über das Unglück, das ihre Tochter getroffen hatte, sehr zornig. Sie lief sogleich zu ihrem Manne und sagte: "Bringe morgen die Kuh, die auf dem Felde steht, auf den Markt und verkaufe sie." Der Mann sagte: "Ich will es tun." Er brachte die Kuh am andern Tage auf den Markt und bot sie feil. Es war aber niemand da, der sie kaufen wollte. Der Mann kam abends mit der Kuh wieder zurück. Die Frau sagte: "Versuche es am nächsten



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Markttage noch einmal." Der Mann ging zum zweiten Markttage wieder hin und hielt die Kuh feil. Aber er mußte sie abermals wieder mit nach Hause nehmen, weil niemand sie kaufen wollte. Die zweite Frau sagte: "Versuche es am nächsten Markttage noch einmal."

Am dritten Markttage führte der Mann die Kuh wieder auf den Markt und hielt sie feil. Die zweite Frau verkleidete sich aber als Mann, und als sonst niemand bereit war, die Kuh dem Manne abzukaufen, kaufte sie sie ihrem Manne ab. Er erkannte sie aber nicht, da sie sich verkleidet hatte. Nachdem die Frau die Kuh erworben hatte, brachte sie sie sogleich zum Schlächter ihres Ortes und sagte: "Schlachte diese Kuh und verkaufe das Fleisch zu welchem Preise du willst." Der Schlächter schlachtete die Kuh und teilte sie auf. Sobald die Frau das mitangesehen hatte, ging sie nach Hause.

Die beiden Kinder der verstorbenen ersten Frau kamen zum Grabe ihrer Mutter und sagten: "Siehe, Mutter, die Kuh ist geschlachtet! Sie ist tot! Wovon sollen wir nun leben?" Die Mutter sprach aus dem Grabe: "Geht hin und laßt euch von dem Schlächter den Magen der geschlachteten Kuh geben. Bringt ihn her und schüttet ihn auf dem Grabe aus."Die beiden Kinder gingen hin und baten den Schlächter um den Magen der geschlachteten Kuh, die ihrer verstorbenen Mutter gehört habe. Der Schlächter gab den Magen. Die Kinder kehrten zum Grabe zurück. Sie öffneten den Magen und gossen den Inhalt aus. So entstanden zwei Löcher. In dem einen war Honig, in dem andern war Butter. Die Kinder aßen die Butter und den Honig. Von dem Tage an kamen sie alle Abende zum Grabe der Mutter und aßen sich satt, und die Stiefmutter mochte ihnen noch so schlechtes Essen geben, so wurden die beiden Kinder immer schöner, größer und stärker, während ihre eigene Tochter, trotzdem sie immer die beste Nahrung bekam, elend, mager und häßlich blieb.

Die beiden Kinder wuchsen so heran und waren schön, stark, groß und erwachsen geworden; da sagte die zweite Frau zu ihrer Tochter: "Geh hin und sieh zu, was die Kinder der verstorbenen Frau genießen, daß sie so schön und stark werden. Geh hin und genieße das gleiche, damit du ebenso wirst." Das Mädchen ging hin und tat, wie die Mutter ihm befohlen hatte. Die Tochter der zweiten Frau ging den beiden größeren Kindern der verstorbenen Frau nach. Sie sah, wie die beiden Kinder sich abends mit dem Honig und der Butter vom Grabe der Mutter nährten. Die Tochter der zweiten Frau wollte auch aus den beiden Gruben Honig und Butter nehmen.



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Da wurde der Honig zu Blut und die Butter zu Eiter. — Das Mädchen lief nach Hause und erzählte es seiner Mutter.

Die zweite Frau geriet wieder in Zorn. Sie ging am andern Morgen ganz früh hin, öffnete das Grab der verstorbenen Frau, nahm deren Gebeine heraus und verbrannte sie. Als die beiden Kinder am Abend zu dem Grabe kamen, um aus der Grube Honig und Butter zu nehmen, fanden sie das Grab zerstört. Die Mutter aber sagte zu ihren beiden Kindern: "Ich kann euch jetzt nicht mehr helfen, denn mein Grab ist zerstört und meine Knochen sind verbrannt. Ihr aber seid jetzt erwachsen und könnt selbst handeln. Verlaßt dieses Land und geht in ein anderes." Darauf weinten die beiden Kinder am Grabe der Mutter, und dann machten sich beide auf den Weg und wanderten von dannen.

Sie kamen in ein anderes Land. Als es wieder Abend war, kamen sie an einen großen Baum, dessen Krone über einer Quelle hochaufragte. Darauf stiegen das Mädchen und der Bursch auf den Baum und setzten sich in die Krone, um dort die Nacht zu verbringen. Ehe es dunkel war, kam aber noch eine alte Frau, die wollte Wasser an der Quelle schöpfen. Sie sah im Wasserspiegel das Bild des Mädchens und sie sah, daß das Mädchen schöner war, als irgendeines im ganzen Lande. Sie lief sofort zurück in die Stadt und zum Agelith und sagte zu ihm: "Agelith, in der Baumkrone über der Quelle haben sich zwei junge Menschen versteckt, ein Mädchen und ein Bursche. Das Mädchen ist so schön, wie ich überhaupt noch niemals ein ähnliches im Lande gesehen habe, komm und sieh es selbst!"

Der Agelith machte sich mit der alten Frau auf den Weg zu dem Baume. Er sah das junge Mädchen und sagte: "Wer seid ihr?"Das junge Mädchen sagte: "Wir sind Bruder und Schwester und fliehen, weil wir uns vor der zweiten Frau unseres Vaters fürchten." Der Agelith sagte: "Kommt herab! Ich schwöre dir, Mädchen, daß ich dir nichts Schlimmes antun werde." Das Mädchen sagte: "Schwöre, daß du auch meinen Bruder ansehen willst als deinen Bruder und deinen eigenen Verwandten." Der Agelith schwor. Das Mädchen stieg mit dem Bruder herab und beide folgten dem Agelith, der sie in das Dorf führte und ihnen ein gutes Unterkommen gab.

Am andern Tage kam der Agelith schon am frühen Morgen, um nach dem Befinden des Mädchens und des Burschen zu sehen. Er sah nun, wie schön das Mädchen war und fragte sie, ob sie ihn zum Gatten nehmen wollte. Sie fragte den Bruder, ob er damit einverstanden wäre. Das Mädchen nahm den Agelith zum Manne. Der



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Agelith veranstaltete ein großes Fest. Alle Leute weit und breit sprachen von dem herrlichen Feste, sprachen von der Schönheit der jungen Frau, sprachen von dem Reichtum und der Güte des Agelith. Der Agelith und seine junge Frau lebten zehn Monate in großem Glück.

Als alle Leute von dem Glück der jungen Frau sprachen, hörte das auch die zweite Frau und sie sagte zu ihrer Tochter: "Meine Tochter, die Tochter und der Sohn der ersten Frau deines Vaters haben ein sehr glückliches Schicksal erfahren. Kleide dich so schön du kannst und komme mit mir. Wir wollen zusammen hingehen und sie besuchen. Und das elende, magere Mädchen machte sich so schön, als es nur konnte, und folgte der Mutter.

Die zweite Frau kam zu der jungen Frau gerade als der Agelith verreist war. Sie begrüßte die junge Frau und sagte: "Wir haben so lange nichts von dir gehört, da habe ich mich auf den Weg gemacht, um nach dir zu sehen. Wir wollen miteinander plaudern. Komm, erzähle uns. Komm zu dem großen Brunnen. Da ist auch meine Tochter. Die ist mitgekommen und will dich gerne sehen. Komm mit an den großen Brunnen!" Die junge Frau kam mit an den großen Brunnen. Als sie am großen Brunnen stand, packte die zweite Frau des Vaters sie und warf sie hinab. Die junge Frau blieb unten im Brunnen zwischen den Steinen stecken. — —

Die zweite Frau des Vaters brachte sodann ihre eigene Tochter in die Kammer des Agelith. Sie zog der eigenen Tochter die Kleider der in den Brunnen gestürzten jungen Frau an. Sie legte ihr deren Schmuck an. Sie sagte zu ihr: "Der Agelith wird nun fragen, wo du dein rechtes Auge gelassen hast. Dann sage ihm, daß das Fasult (Antimon) des Landes schlecht sei und dir das Auge ausgebrannt habe." Dann ging die zweite Frau des Vaters heim.

Der Agelith kam von seiner Reise zurück. Er sah das verkleidete Mädchen und fragte: "Wie ich dich heiratete, hattest du zwei Augen. Wo ist dein zweites Auge geblieben ?" Das verkleidete Mädchen sagte: "Das Auge habe ich verloren, weil das Fasult deines Landes schlecht ist." Der Agelith sagte: "Als ich dich heiratete, hattest du weiße Haut. Jetzt hast du graue Haut." Das verkleidete Mädchen sagte: "Daran ist das schlechte Wasser deines Landes Schuld." Der Agelith sagte: "Als ich dich heiratete, hattest du langes, schwarzes Haar, jetzt hast du kurzes, krauses Haar." Das verkleidete Mädchen sagte: "Daran sind die schlechten Kämme deines Landes Schuld." Der Agelith sagte nichts weiter. Der Agelith sah aber, daß der Bruder jeden Abend zum Brunnen ging. — — —



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Auch das verkleidete Mädchen sah, daß der Bruder der jungen Frau jeden Abend zum Brunnen ging, und das Mädchen hörte, daß er mit seiner Schwester sprach. Da merkte das Mädchen, daß die junge Frau dort unten nicht gestorben war, und sie begann den Burschen zu fürchten. Deshalb sagte das verkleidete Mädchen eines Tages zu dem Agelith: "Mein Gatte, ich bitte dich! Töte meinen Bruder!" Der Agelith sagte: "Was sagst du? Du sagst, ich solle deinen Bruder töten? Du hast mich doch am ersten Tage schwören lassen, daß ich deinem Bruder nichts tun und ihn als Bruder und Verwandten ansehen solle." Das verkleidete Mädchen sagte: "Es ist gleich, was ich damals bat. Ich bitte dich heute, ihn zu töten." Der Agelith sagte: "Ich schwöre dir, daß es mir, wenn es sich um meine junge Frau handelt, nicht darauf ankommt, einen Menschen zu töten. Es soll geschehen." Der Agelith ging zu dem Burschen und sagte zu ihm: "Man verlangt von mir, daß ich dich töte." Dann wandte sich der Agelith um und ging beiseite.

Als es Abend war und der Bursche zu dem großen Brunnen hinausging, folgte er ihm und als er sah, daß der Bursche am Brunnen sprach, versteckte er sich und hörte zu. Der Bursche aber sagte, als er angekommen war, in den Brunnen hinab: "Meine Schwester, ich soll getötet werden!" Die Schwester antwortete von unten: "Mein Bruder, ich kann dir nicht helfen. Ich bin inzwischen Mutter zweier Knaben geworden. Ch'sen sitzt auf meinem rechten Knie und L'hussin sitzt auf meinem linken Knie. Ich darf mich aber nicht rühren, denn zu meiner Rechten ist Fanafsa (ein Luasch, ein Ungeheuer, das in Brunnen haust) und wartet darauf, Ch'sen zu verschlingen, und zu meiner Linken ist Lafa (das siebenköpfige Drachenungeheuer aus der Drachenlegende!) und will L'hussin verschlingen. Deshalb darf ich mich nicht rühren und kann ich dir nicht helfen." Als der Agelith das hörte, trat er aus dem Versteck an den Burschen heran und sagte: "Frage deine Schwester, wie wir ihr helfen könnten, so daß sie mit ihren Kindern wieder zu uns emporsteigen kann." Der Bursche sagte: "Meine Schwester! Sage mir doch, wie dir geholfen werden kann." Die junge Frau sagte: "Wenn ihr ein Kalb in zwei Hälften schlagt und eine Hälfte mir zur Rechten für Fanafsa, eine mir zur Linken für Lafa hinwerft, so werden beide Luasch für einen Augenblick abgelenkt sein, und wenn ihr mir dann ein Seil zuwerft, werde ich mit den Kindern heraufsteigen können." Der Agelith sagte zum Burschen: "Komm, wir wollen es sogleich tun."



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Der Agelith ließ das Kalb in zwei Hälften schlagen. Er warf eine zur Rechten, eine zur Linken hinab. Er ließ einen Strick hinab. Er zog seine junge Frau und ihre Kinder empor. Er brachte sie heim. Der Agelith sagte zu dem verkleideten Mädchen: "Ich sagte dir schon, daß es mir nicht darauf ankommt, meiner jungen Frau zuliebe einen Menschen zu töten." Dann ließ er das verkleidete Mädchen töten. Er ließ den Leib in kleine Stücke hacken und daraus eine Speise bereiten. Diese Speise schickte er der zweiten Frau des Vaters zu als Tarthift ihrer Tochter. (tarthift ist das Geschenk, das die Mutter der jung verheirateten Frau einen Monat vor der Verehelichung erhält.) — Die zweite Frau nahm die Speise und aß sie. Als Sie sie ganz verzehrt hatte, fand sie unten auf dem Boden der Schüssel ein geschlossenes und ein offenes Auge. Da wußte sie, daß sie ihre eigene Tochter gegessen hatte, und sie weinte.


37. Mahasuk, der Älteste der 100

Ein Mann, dessen Gehöft in der Stadt eines sehr mächtigen Fürsten (Sultan) gelegen war, hatte hundert Söhne von verschiedenem Alter. Mahasuk, der Älteste, war schon ein reifer Bursche. Die Jüngsten waren noch kleine Buben. Diese hundert Söhne hielten aber zusammen wie gleichaltrige, und überall, wo man einige sah, konnte man annehmen, daß auch die andern in der Nähe waren.

Eines Tages kamen die Hundert vom Acker. Sie hatten den Tag über gearbeitet und lachten und spotteten über die Burschen, die keine Brüder hätten. Sie trafen am Wege einen Burschen, der war der Sohn einer Witwe. Der hatte zehn Eicheln in seiner Tasche, mit denen spielte er. Als er an den hundert Söhnen vorbeikam, riefen die ihm zu: "Gib jedem von uns eine Eichel!" Der Witwensohn sagte: "Ich habe nur zehn Eicheln! Wie soll ich es nun machen, daß ich jedem von euch, die ihr hundert seid, eine Eichel gebe!" Die hundert Burschen lachten und sagten: "Warum hast du nicht noch neun Brüder, von denen jeder auch zehn Eicheln in der Tasche hat. Dann kämst du noch davon. So aber müssen wir dich bestrafen." Damit fielen die hundert Söhne über ihn her. Der eine zerrte den Waisensohn hier, der .andere dort. Der eine riß ihm die Kleider ab, der andere zog ihn an der Nase. Der dritte packte ihn am Bein, der vierte setzte sich ihm auf die Brust, —-jeder ließ seinen Übermut an dem Witwensohn aus. Dann ließen sie ihn laufen.



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Der Witwensohn kam klagend bei seiner Mutter an und erzählte ihr alles Unrecht und Gewalttätige, das ihm die hundert Burschen zugefügt hatten. Die Witwe lief sogleich zum Fürsten. Sie erzählte die Geschichte dem Fürsten und sagte: "Diese hundert Söhne schlimme Burschen. Sie sind jetzt schon eine arge Plage. Es ist immer schlimm, wenn aus einer Familie viele Kinder kommen, aber von vielen und so schlimmen hat man noch nicht gehört. Jetzt, wo meisten der hundert Söhne noch klein sind, machen sie schon solche Streiche. Wie wird es erst werden, wenn sie alle herangewachsen sind? Ich bin überzeugt, dann werden sie sich nicht scheuen, sogar an dich Hand anzulegen, um einen unter sich zum Fürsten zu machen." Der Fürst sagte: "Was würdest du mir raten? Was soll ich tun, um diese Gefahr beizeiten zu verhindern?" Die Witwe sagte: "Ich würde sie alle in Säcke binden und ins Meer werfen lassen." Am andern Tage ließ der Sultan hundert große Säcke suchen. Man fand aber nur fünfzig. Dann ließ er fünfzig Maulesel zusammentreiben. Dann ließ er die hundert Söhne gefangennehmen und je ZU zweien in einen Sack stecken. Dann ließ er die fünfzig Säcke auf die Maulesel laden und befahl, sie zum Meeresufer hinabzutreibefl und dort ihre Last versenken zu lassen.

Die Treiber führten die Maulesel am gleichen Tage noch hin an das Meer. Dort luden sie die fünfzig Säcke mit den hundert Söhnen ab und ließen die Tiere grasen. Da die Leute die schweren Säcke aber über die Steine des Ufers hinweg bis an den Rand des tieferen Wassers selbst tragen mußten und sie recht faul waren, wie alle Leute dieses Fürsten, so ließen sie die fünfzig Säcke mit den hundert Söhnen am Steinufer liegen und nahmen sich vor, die Arbeit am andern Tage zu verrichten.

Mahasuk, der älteste der hundert Söhne, hatte aber in seinem. Kleide bei der Gefangennahme ein kleines Messer und eine Debus (Holzkeule) versteckt. Als es nun Nacht war und die Maultiertreiber schliefen, begann er mit dem Messer den Sack, in dem er mit einem seiner Brüder eingeschlossen war, aufzuschneiden. Er schlüpfte heraus und eilte von einem Sack zum andern und hatte die Arbeit der Befreiung nach kurzer Zeit vorgenommen. Als die Maultiertreiber am andern Morgen erwachten, lagen die fünfzig Säcke leer da. Sie erschraken. Einer von ihnen sagte aber: "Was schadet es. Die hundert Brüder werden sich schwer hüten, in die Stadt zurückzukehren. Sie sind in den großen Wald dort gelaufen, und von da aus werden sie schon in ein anderes Land entwischen.



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Wir aber wollen die Säcke am Ufer unten mit Steinen füllen und ins Wasser werfen. Ich denke, wir können sehr froh sein, daß wir der Schlepperei überhoben sind. Dem Fürsten aber brauchen wir ja nicht gerade zu sagen, daß die Burschen uns entwischt sind." Die andern Maultiertreiber waren mit diesem Vorschlage sehr zufrieden und verfuhren danach. Sie kehrten in die Stadt zurück und berichteten, Sie hätten die fünfzig Säcke mit den hundert Burschen ins Meer geworfen, und es sei eine schwere Arbeit gewesen, für die sie ein besonderes Geschenk erhoffen dürften. Der Fürst und alle Bewohner der Stadt waren darüber froh, und die Maultiertreiber erhielten von vielen Leuten Dankesgaben. Nur der Vater und die Mütter der hundert Söhne waren über alle Beschreibung darüber traurig, daß sie ihre Kinder so alle auf einmal an einem Tage auf diese Weise verloren hatten.

Inzwischen waren die hundert Brüder in der Nacht in den Wald, der der Küste des Meeres benachbart war, entwichen. Sie flohen Unter Führung Mahasuks, des ältesten Bruders, eilig dahin, so Schnell, daß die jüngsten Buben nur gerade noch mitkommen konnten. Einen Tag nach dem andern liefen sie so im Walde fort, bis eines Tages der Älteste im fernen Gebüsch einen Rauch aufsteigen Sah. Da ließ er seine Brüder sich lagern und sagte: "Dort drüben müssen irgendwelche Geschöpfe sein, denn ich sehe einen Rauch aufsteigen. Bleibt ihr nun unter Leitung eures zweitältesten Bruders hier und wartet auf mich, denn ich will hingehen und sehen, ob ich irgendein gutes Essen für uns gewinnen kann. Bleibt ihr alle aber hier und wartet auf mich, denn wenn es etwa Luhjusch (Menschenfresser, Ungeheuer) sind, die da wohnen, so genügt es, wenn ich allein zugrunde gehe. Wenn ich also in vier Tagen nicht zurückkehre, so wandert in einer andern Richtung des Waldes fort." Damit nahm der älteste Bruder Abschied.

Mahasuk ging auf den Rauch zu. Er fand eine kleine Hütte, in der eine alte Frau Brot buk. Mahasuk trat aus dem Walde, begrüßte die Alte und sagte: "Was machst du da Gutes ?" Die Alte erschrak erst beim Anblick des fremden Mannes, dann aber sagte sie: "Ich backe mir jeden vierten Tag vier Brote, so daß ich jeden Tag Brot habe, heute ist mein Backtag." Mahasuk fragte: "Wohnst du denn ganz allein im Walde?" Die Alte sagte: "Früher wohnte ich in einer schönen Stadt, dann floh ich hierher, denn ich bin der einzige Mensch, der von den Bewohnern der Stadt übriggeblieben ist."

Mahasuk fragte: "Was hat sich denn in dieser Stadt ereignet?"



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Die Alte sagte: "In der Stadt lebt eine Stute, die wird von Zeit zu Zeit von sieben Würmern geplagt, die sie in der Nase hat. Wenn sie dadurch sehr erregt ist, beginnt sie wild umherzurasen und jedes Menschen zu verschlingen, der ihr in den Weg kommt. Ich bin der Stute entflohen. Alle andern Menschen hat sie vernichtet." Nachdem die Alte dieses erzählt hatte, war sie mit dem Brotbacken fertig und sagte: "Du wirst weit gegangen sein und also Hunger haben. Nimm eines von meinen vier Broten."

Mahasuk sagte: "Ich nehme dies Brot sehr dankbar an und werde es in hundert Brocken teilen." Die Alte fragte: "Weshalb willst du dies kleine Brot in hundert Brocken teilen?" Mahasuk sagte: "Ich habe im Walde noch neunundneunzig Brüder, wir sind insgesamt hundert Söhne eines Vaters. Ich will nun nicht mehr essen als sie, zumal ich noch der älteste und stärkste, die andern aber zum Teil kleine Buben sind." Die alte Frau sagte: "Wenn es sich so verhält, so kann eurer Not leicht Abhilfe geschaffen werden. Ich werde dir zeigen, wo hier das Mehl aufgespeichert liegt. Es ist viel vorhanden, und du kannst mir dann so viel bringen, daß ich euch hundert Brote backe. Die bringe dann zu deinen Brüdern hinüber." Der älteste Bruder war darüber sehr glücklich. Die hundert Brote wurden gebacken, und Mahasuk packte sie auf und trug sie zu seinen Brüdern hinüber.

Als Mahasuk kam, fand er die neunundneunzig Brüder in großer Aufregung. Er fragte: "Was ist denn geschehen ?" Der älteste unter den neunundneunzig sagte: "Einer der kleinen Buben ist trotz aller Warnung seitwärts weggelaufen und wurde im Walde drüben von einem Schakal angefallen. Der Schakal hält unsern Bruder an den Haaren fest, und wir wissen nun nicht, wie wir ihn wieder befreien können." Da ging Mahasuk zu der Stelle, wo der Schakal den Bruder an den Haaren festhielt. Er schlug ihn tot und befreite so seinen Bruder. Als wieder alle hundert Brüder beisammen waren, verteilte er die hundert Brote und sagte: "Nun hat jeder ein Brot. Jeder verzehrt sein Brot heute oder bewahre sich seinen Teil auf. Ich werde euch wieder allein lassen, denn ich will Ausschau halten, ob ich nicht für uns alle eine gute und nahrhafte Unterkunft in der Gegend aus findig zu machen imstande bin. Bleibt so lange stets zusammen Und gehorcht dem Ältesten unter euch, bis ich zurückkehre."Damit nahm Mahasuk wieder Abschied und kehrte zu der Alten zurück.

Er dankte der Alten nochmals für die hundert Brote und sagte: "Nun bitte ich dich, sage mir, wo ich die wilde Stute und die verlassene



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Stadt finde." Die Alte sagte: "Ich sehe, du willst versuchen, die Stadt von der wilden Stute zu befreien. Die Stadt liegt in jener Richtung, nicht weit von hier entfernt. Ich rate dir aber nicht, dorthin zu gehen. Die Stute kommt jeden Morgen an der Spitze eines ganzen Rudels von Pferden zu einer Quelle gelaufen, die du nicht verfehlen wirst, wenn du in jener Richtung gehst. Dort allein ist es vielleicht möglich, ihrer Herr zu werden." Der Bursche fragte: "Wie erkenne ich die wilde Stute unter den anderen Pferden?" Die Alte sagte: "Sie ist immer an der Spitze der andern." Mahasuk bedankte sich.

Der Älteste der Burschen machte sich sogleich auf den Weg in der angegebenen Richtung. Er fand die Quelle. Er machte sich im Gebüsch der Quelle ein Lager und legte sich mit seiner Debus in der Hand zum Schlafe nieder. Am andern Morgen wurde er ganz früh durch Wiehern und Pferdegetrappel geweckt, das noch fern war, das aber jeden Augenblick näher kam. Da versteckte er sich in der Quelle so, daß er nicht zu sehen war, aber freie Bewegung für den rechten Arm behielt.

Die wilde Stute kam heran. Die wilde Stute beugte den Kopf vor, um zu saufen. Da versetzte Mahasuk ihr einen Schlag mit der Debus auf die Nase, daß sie entsetzt auffuhr. Dabei fiel aber aus der Nase ein Wurm. Die Stute bat: "Laß mich saufen." Die Stute neigte wieder den Kopf zum Wasser. Der Bursche versetzte ihr wieder einen Schlag mit der Debus, so daß sie wiederum emporfuhr, einen Wurm fallen ließ und dann bat, saufen zu dürfen. Das wiederholte sich siebenmal, dann waren alle Würmer aus der Nase gefallen und die Stute von der Ursache ihrer Qualen und Wildheit befreit. Die Stute sagte: "Du, der du versteckt bist, komm hervor. Du hast mich befreit und bist nun mein Herr. Besteige und reite mich. Laß mich aber erst saufen."

Mahasuk trat hervor. Die Stute soff das Wasser. Dann ließ sie sich besteigen. Mahasuk ritt zu der Alten. Als die Alte die Stute herankommen sah, wollte sie erst fliehen, dann aber erkannte sie den ältesten der hundert Brüder und beruhigte sich sogleich. Sie hatte gerade aufs neue hundert Brote für die hundert Söhne des Vaters gebacken. Die lud Mahasuk auf sein Pferd und ritt dann zu den neunundneunzig Brüdern.

Nachdem die Brüder ihr Mahl beendet hatten, führte er sie, auf der Stute voranreitend, zu der Alten, und die zeigte ihnen den Weg in die ausgestorbene Stadt. Sie bot den Brüdern mehr, als sie benötigten.



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Die hundert Söhne des Vaters machten es sich in der Stadt bequem und führten ein angenehmes Leben. Sie blieben ein Jahr nach dem andern dort wohnen, so lange, bis die jüngsten auch herangewachsen waren. Dann rief Mahasuk eines Tages seine Brüder zusammen und sagte: "Wir sind nun alle erwachsen und besitzen alles, was zum Leben nötig ist. Ich sehne mich aber zurück zu Vater und Mutter, und euch wird es ebenso gehen. Ich schlage also vor, daß wir alle Schätze, die diese Stadt birgt, sammeln, daß jeder ein Pferd besteigt, auflädt, was er noch tragen kann und daß wir dann in die Stadt unseres Vaters zurückkehren. Sagt mir, ob ihr hiermit einverstanden seid." Die Brüder stimmten dem Vorschlage Mahasuks allgemein zu. Alle rüsteten sich zum Aufbruch und ritten wenige Tage später auf gepackten Pferden hinter Mahasuk her, der die Stute bestiegen hatte.

Sie kamen in die Stadt und im Gehöft ihres Vaters an. Der Vater und die Mütter der hundert Söhne waren über die unerwartete Ankunft aller ihrer tot geglaubten Söhne so erfreut, daß sie sich erst nicht zu fassen vermochten. Die Ankunft der hundert berittenen Männer verursachte aber ein solches Geräusch, daß man den Ruf zum Gebete nicht vernahm. Die Weiber schrien, die Pferde wieherten und stampften, die Männer sprachen laut durcheinander.

Der Fürst hörte den Lärm. Er fragte seine Leute: "Was gibt es?" Die Leute sagten: "Die hundert Söhne des Vaters, die du vor Jahren in Säcken hast ins Meer werfen lassen, sind mit Pferden und Waffen zurückgekehrt." Der Fürst erschrak. Er rief seine Leute zusammen und zog gegen das Gehöft des Vaters. Mahasuk ließ sogleich alle seine Brüder ihre Pferde besteigen und ritt mit ihnen dem Fürsten entgegen. Der Kampf begann. Der erschrockene Fürst wurde im Kampf von Mahasuk getötet. Seine Leute flohen zum Teil.

Die andern erhoben Mahasuk zum Fürsten der Stadt und der Lande.


38. Die Zaubererbse

Ein Mann, der einen Sohn hatte, war erst sehr reich. Damals galt er als der reichste Mensch in der Gegend. Dann verarmte er aber plötzlich, und nun hatte er gar nichts mehr. Er hatte so wenig, daß er eines Tages seinen Sohn als Sklaven an einen Händler ver.. kaufen mußte. So kam dieser Sohn als Sklave auf ein Schiff, wurde



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über das Meer gebracht und einem wohlhabenden Grundbesitzer verkauft, der durch die Güte seiner Äcker, seine außerordentlichen Schätze und die Schönheit seines Hauses weit und breit bekannt war.

Bei diesem Manne wurde der Bursche nun Sklave und mußte als Arbeiter dessen Felder bestellen. Eines Tages fand er beim Hacken zwischen den Schollen eine kleine Erbse. Die kleine Erbse lag ganz allein da, denn der Herr hatte sie beim Gang über das Feld verloren.. Der Bursche hob die Erbse auf und führte sie zum Munde, um sie zu zerkauen und zu essen. Die Erbse rief aber: "Halt ein! Iß mich nicht! Wenn du mich nicht ißt, werde ich dir Gutes erweisen!" Der Bursche lachte und sagte: "Was kannst du kleine Erbse denn! Was willst du mir denn Gutes erweisen!" Die Erbse sagte: "Verlange von mir, was du willst; solange du mich besitzt, kannst du von mir verlangen, was du willst." Der Bursche sagte: "So mache, daß ich mich sogleich im Hause meines Herrn befinde, daß aber das Haus meines Herrn alsbald ohne ihn auf die andere Seite des Meeres versetzt wird." Die Erbse sagte: "Es soll geschehen."

Sogleich war der Bursche nicht mehr auf dem Felde, sondern mitten im Hause des Herrn, und als er aus der Tür des Hauses heraustrat, da sah er sich dem Hause seines Vaters gegenüber und mitten in seiner Heimat. Der Bursche war überaus glücklich. Er verbarg die kleine Erbse in einem alten Koffer, ging in die Ortschaft, begrüßte seine alten Freunde, setzte alle durch seinen außerordentlichen Wohlstand in Erstaunen, suchte sich eine hübsche Frau aus und heiratete. Darauf lebte er dann eine Zeitlang überaus glücklich und zufrieden in seinem Heimatlande.

An dem Tage, an dem der Bursche die Erbse gefunden und sich und das Haus über das Meer ins Land seines Vaters hatte versetzen lassen, ging der Herr dieses Hauses und der Erbse eine Zeitlang über die Äcker und sagte immer vor sich hin: "Ich habe meine Erbse heute verloren. Wo mag ich meine Erbse heute nur verloren haben. Ich muß meine Erbse suchen." Nachdem er sie lange vergeblich gesucht hatte, ging er betrübt über den Verlust nach Hause. Als er aber an die Stelle kam, an der sein Haus früher gestanden hatte, war es nicht mehr da. Da sagte der Herr: "Wenn mein Haus nicht mehr hier steht, dann ist es sicher, daß mein Sklave, der von der andern Seite des Meeres her hierher verkauft war, die Erbse gefunden und den Wunsch ausgesprochen hat, mit dem Haus in seine alte Heimat zurückversetzt zu werden. Dann weiß ich, wo ich meine Erbse zu suchen habe. Ich werde meine Erbse wiederfinden"



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Der Herr verkleidete sich sogleich. Er zog die Gewandung eines Händlers an, nahm einen Korb voller Kämme zum Verhandeln über den Rücken, bestieg ein Schiff und fuhr über das Meer. Der Kammhändler kam an sein Haus, das jetzt dem Burschen gehörte, gerade, als nur die junge schöne Frau, nicht aber der Bursche selbst zu Hause war. Der Kammhändler beschloß sogleich, sich die junge schöne Frau auch zu eigen zu machen und suchte die schönsten unter den Kämmen heraus, die er bei sich hatte. Die junge Frau war denn auch ganz entzückt von der Schönheit der Kämme, wählte sich einen besonders gefälligen heraus und fragte nach dem Preise.

Der Händler sagte: "Ich nehme kein Geld. In unserm Lande kann man kein Geld gebrauchen. Wir bezahlen alles mit Erbsen. Gib mir also einige Erbsen für den Kamm und ich bin zufrieden." Die Frau dachte eine Weile nach und sagte dann: "Leider bin ich unter diesen Umständen nicht in der Lage den Kamm zu kaufen, denn wir haben keine Erbsen im Hause." Der Händler sagte: "Es ist keine Frage um die Masse der Erbsen. Eine einzige winzig kleine Erbse, die vielleicht vergessen und übersehen in irgendeiner Truhe oder einem Winkel des Hauses liegt, genügt mir." Die junge Frau sagte: "Ja, eine kleine Erbse habe ich in einer alten Truhe meines Mannes gesehen. Wenn die dir genügt, so kann ich damit den Kamm bezahlen." Der Händler sagte: "Nun, so geh nur gleich hin und hole sie mir."

Die junge Frau lief hin und holte die Erbse aus der Truhe ihres Mannes. Sie brachte sie dem Kammhändler und sagte: "Genügt dir diese kleine Erbse ?" Der Kammhändler ergriff die kleine Erbse und sagte: "Gewiß genügt mir diese Erbse. Es ist ja gerade die, die ich suche. Sie soll mir nun nicht wieder verlorengehen." Der Händler steckte die Erbse in den Mund und legte sie unter die Zunge, dann wünschte er sich mit dem Hause und der jungen Frau darin sogleich in sein Land am andern Ufer des Meeres zurück, und kaum hatte er das ausgesprochen, so befand er sich mit der Frau und dem Hause auch schon an der alten Stelle. Die junge Frau war sehr unglücklich.

Die junge Frau wurde aber noch unglücklicher, als der Herr, nachdem er die Verkleidung als Händler abgelegt hatte, nun wieder hereinkam und sie aufforderte, seine Frau zu werden. Der Herr sagte ihr, daß sie ihren früheren Gatten nun doch nicht wieder zu sehen bekommen würde. Der Herr sagte: "Dein früherer Gatte ist nur der Dieb dieses Hauses und seiner Schätze gewesen. Ich bin aber



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der eigentliche Besitzer, in dessen Hände dies alles nun zurückgekehrt ist!" Die junge Frau sagte dagegen: "Rühme dich nicht, ein ehrlicher Mann zu sein. Du hast mich gestohlen und hast mich \ron der Seite meines Mannes geraubt, den ich lieben würde, auch Wenn er ganz arm wäre. Wie du mich gestohlen hast, wirst du dieses Haus, all seine Schätze und die Erbse unter deiner Zunge früher auch einmal gestohlen haben. Du bist also nicht etwa besser, sondern Schlechter als mein Mann. Tu mit deiner Erbse und deinen Schätzen Was du willst. Deine Frau werde ich nicht werden, und wenn du mich aus Rache dafür tötest." — Der Herr quälte die junge Frau mit seinen Heiratsbitten alle Tage. Die junge Frau blieb aber fest dabei, daß sie die Frau des Burschen bleiben wolle, und so gelang es dem Herrn nicht, über sie Macht zu gewinnen. —

An dem Tage, an dem die junge Frau dem Händler den Kamm für eine Erbse abgekauft hatte, kam der Bursche an die Stelle, an der er mit seiner jungen Frau im Hause des Herrn an der andern Seite des Meeres sonst gewohnt hatte und sah, daß das Haus nicht mehr an Seiner Stelle war, und da er außerdem von allen Leuten, die er befragte, hörte, daß niemand die junge Frau, jedermann dagegen der Händler mit den Kämmen gesehen hatte, so sagte er sich: "Also hat der Herr von dem anderen Ufer des Meeres den Weg hierher gefunden, hat sich die Erbse und damit sein Haus mitsamt meiner jungen Frau anzueignen und auf die andere Seite des Meeres zu bringen gewußt. Wie soll ich nun wieder in den Besitz meiner Frau kommen ?"

Als der Herr sein Haus und die junge Frau mit sich selbst auf die andere Seite des Meeres hatte versetzen lassen, waren nicht alle zum Hause gehörigen Tiere daheim. Eine Taube war auf ein Feld geflogen, um da einiges Futter zu suchen. Eine Katze war in ein Nachbargrundstück geschlichen, um da eine Ratte zu fangen, und ein Hund hatte den Burschen auf einem Spaziergange begleitet, weil er den neuen Herrn ebenso liebte, wie dies alle Tiere taten.

Wie der Bursche nun auf dem leeren Platze seines Hauses trübsinnig saß, kam die Taube und setzte sich auf seine Schulter, kam die Katze und strich an seinem Fuß entlang, kam der Hund, leckte ihm die Hand und legte sich dann vor ihm nieder. Der Bursche streichelte die Taube, die Katze und den Hund und ging dann an das Meer hinab, um von da aus den Blick auf das gegenüberliegende Ufer zu richten, obgleich es ganz unmöglich war, es zu sehen, denn es lag zu weit entfernt.



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Am Meeresufer setzte der Bursche sich nieder, und als er nun so gar nichts von dem Lande, in dem seine junge Frau jetzt weilte, sehen und er gar keinen Gedanken gewinnen konnte, wie er hinüber kommen sollte, so weinte er, und darüber wurden die Taube, die Katze und der Hund auch traurig. Die Tiere blinzelten sich eine Zeitlang an, dann sagte die Taube: "Höre, ich will einen Vorschlag machen. Ich will auf die andere Seite des Meeres fliegen und will sehen, wie es deiner Frau geht und ob es eine Gelegenheit gibt, dir wieder zu dem Deinen zu verhelfen." Der Bursche war über diesen Vorschlag sehr glücklich. Der Hund und die Katze gaben ihre Zustimmung.

Die Taube flog von dannen. Sie flog über das Meer und kam an das Haus, in dem die junge Frau weinte, weil sie von ihrem Gatten getrennt war und der Herr des Hauses sie alle Tage drängte, ihn zum Manne zu nehmen. Der Herr war im Hause. Die Frau aber war im Hofe. Die Taube flog auf die junge Frau zu und setzte sich auf ihre Schulter. Die Taube sagte: "Weine nicht! Ich komme von der andern Seite des Meeres, wo dein Gatte am Ufer sitzt und auch weint, weil er dich verloren hat. Aber weine nicht. Der Hund und die Katze werden kommen und die Erbse wiederholen, und dann sollst du mit dem Hause wieder zu deinem Manne zurückkehren. Sage mir nur, wo der Herr des Hauses die Erbse versteckt hat." Die junge Frau sagte: "Es wird sehr schwer werden, die Erbse wiederzuerlangen, denn der Herr hat sie, nachdem sie durch meine Torheit wieder in seinen Besitz gekommen ist, in den Mund gesteckt und hält sie seitdem unter der Zunge fest." Die Taube sagte: "Weine nur nicht mehr. Der Hund, die Katze und ich sind klug genug, um die Erbse schon wiederzuerlangen." Dann flog die Taube fort.

Die Taube flog zurück auf die andere Seite des Meeres und erzählte dem Burschen, dem Hunde und der Katze alles, was sie in Erfahrung gebracht hatte. Die Katze sagte: "Wenn ich drüben wäre, wüßte ich, wie ich dem Herrn die Erbse abnehmen könnte." Der Hund sagte: "Das ist sehr einfach. Du steigst auf meinen Rücken, und ich schwimme über das Meer." Die Taube sagte zum Burschen: "Weine nicht mehr. Wir werden dir wieder zu dem Besitze der Erbse und deiner jungen Frau verhelfen."

Die Katze stieg auf den Rücken des Hundes. Der Hund schwamm über das Meer. Am andern Ufer stieg die Katze herunter und lief sogleich in das Haus des Herrn, um die Gelegenheit zu erkunden. Die Katze fand, daß es viele Ratten gab und daß diese sich sehr vermehrt



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hatten, weil sich die Katze dem Hause nun schon einige Zeit ferngehalten hatte. Als es nun Abend war und der Herr sich in seine Kammer schlafen gelegt hatte, begann die Katze auf die Rattenjagd zu gehen. Sie fing eine Ratte und dann noch eine. Sie biß sie tot und ließ sie liegen, statt sie gegen ihre frühere Gewohnheit zu verzehren. Die Ratten waren sehr entsetzt. Die Katze fing noch zwei Ratten, biß sie tot und ließ sie liegen.

Da kam eine alte Ratte zur Katze und sagte: "Früher warst du zufrieden mit ein oder zwei Ratten für jeden Tag, tötetest und ver-. zehrtest diese beiden und ließest uns andre dann in Frieden. Weshalb tötest du nun heute eine Ratte nach der andern und jagst uns diesen Schreck ein? Was willst du von uns ?" Die Katze sagte: "Ich will sogleich aufhören, euch zu töten, sowie ihr mir die Erbse bringt, die der Herr unter seiner Zunge im Munde verborgen hält." Die Ratte sagte: "Ist das wirklich alles, was du von uns verlangst?" Die Katze sagte: "Für heute ist das alles." Die Ratte machte vor Vergnügen einen Sprung und sagte: "Das sollst du sehr schnell haben."

Die Ratte lief fort. Sie besprach sich mit den andern Ratten. Eine schlaue kleine Ratte lief dann dahin, wo der scharfe Pfeffer stand. Sie tauchte ihren Schwanz in den scharfen Pfeffer. Mit dem gepfefferten Schwanze lief sie ganz vorsichtig, um unterwegs nicht zu viel zu verlieren, dahin, wo der Herr schlief. Sie steckte dem Herrn den gepfefferten Schwanz in die Nase. Kaum hatte der Herr den Pfeffer in der Nase, so mußte er furchtbar niesen. Die kleine Ratte sprang schnell beiseite und paßte auf. Der Herr nieste so stark, daß er dabei mit dem Kopfe hochfuhr und den Mund öffnete. Er prustete sehr stark und die kleine Erbse flog mit dem Niesen aus seinem Munde. Die Ratte lief hinter der Erbse her, fing sie und brachte sie zur Katze. Die Katze nahm die Erbse und trug sie zum Hund, der am Ufer des Meeres wartete.

Der Hund sagte: "Hast du die Erbse ?" Die Katze sagte: "Gewiß, habe ich die Erbse. Hier ist sie." Der Hund sagte: "Gib sie her. Ich will sie ins Maul und dich auf den Rücken nehmen. Dann will ich zu unserm Burschen zurückschwimmen." Die Katze gab die Erbse dem Hunde, der sie sogleich in das Maul nahm; sie stieg auf seinen Rücken und der Hund schwamm hinüber. Als der Hund nun aber gerade am andern Ufer war, sah er sein Spiegelbild im Wasser und glaubte, es sei ein andrer Hund. Er schnappte nach dem Spiegelbild und dabei fiel die Erbse aus seinem Munde, gerade als er ans Land steigen wollte.



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Die Erbse fiel ins Wasser; ein Fisch, der im Wasser am Ufer stand, fing sie auf, schluckte sie hinter und schwamm damit von dannen. Die Katze sah es. Sie sprang ans Ufer und begann einen Fisch nach dem andern zu fangen, ihn mit der Tatze ans Ufer zu ziehen, ihm den Bauch aufzureißen und zu sehen, ob die Erbse darin sei. Die Fische erschraken. Sie kamen und fragten: "Liebe Katze, sage nur, was du suchst. Wir können es sicher bringen, ohne daß du uns alle tötest." Die Katze sagte: "Einer von euch Fischen hat die Erbse verschluckt, die dem Hunde aus dem Munde gefallen ist." Der Fisch sagte: "Wir werden die Erbse sogleich wiederfinden."

Der Fisch rief alle Fische zusammen. Als alle Fische zusammengekommen waren, fragte der größte Fisch: "Es ist eine Erbse verloren, die hat ein Fisch verschluckt. Wir müssen die Erbse zurückgeben, sonst tötet die Katze uns alle. Wer hat die Erbse?" Die Fische fragten einander. Keiner der anwesenden Fische hatte eine Erbse verschluckt. Endlich sagte ein kleiner Fisch: "Da ist noch ein Fisch, der ist nicht mit hierhergekommen, weil er taub ist und das Rufen nicht hat hören können. Soll ich ihn holen?" Der große Fisch sagte: "Gewiß, lauf schnell hin und hole den tauben Fisch." Der kleine Fisch holte den tauben Fisch. Der große Fisch fragte den tauben Fisch: "Hast du vielleicht die kleine Erbse verschluckt?" Der taube Fisch sagte: "Gewiß, habe ich die kleine Erbse verschluckt. Ich habe sie in meinem Bauche." Der große Fisch sagte: "So gib sie schnell wieder her, denn sonst tötet die Katze uns noch alle." Der taube Fisch sagte: "Sehr gerne." Dann spie er die kleine Erbse ans Land.

Die Katze nahm die kleine Erbse sogleich auf und brachte sie zum Burschen. Der Bursche nahm sie. Er sagte: "Kleine Erbse, nun bist du wieder bei mir. Nun schaff mir nur schnell meine junge schöne Frau und mein Haus und mich selbst an die alte Stelle. Den schlechten Mann aber, der meine Frau durchaus zwingen wollte, ihn zu heiraten, den halte drüben fest, so daß er nicht wieder auf dieses Ufer kommen kann."

Gleich darauf war das Haus mit der jungen schönen Frau wieder am andern Ufer, und der Bursche stand neben ihr und war sehr glück.. lich. Der Herr, der die junge schöne Frau aber hatte zwingen wollen, ihn zu heiraten, fiel aus dem Hause so hart auf die Felsen, daß er starb.



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39. Die ausgesetzten Geschwister

Man spricht von einem armen Manne, der hatte sieben Töchter. Die Jüngste war noch sehr jung. Sie war außerdem schwach auf den Füßen, so daß sie meist am Känun (Feuerloch) saß, und zu allem war sie auch noch sehr häßlich. Aber sie war klug und in ihrem Herzen voller Güte.

Die Jüngste saß meist daheim. Eines Tages sagte aber der Vater: "Begleite heute deine Schwestern und sammle Holz im Busch!" Die Jüngste machte sich also bereit und begleitete die Schwestern in den Busch. Die sieben Schwestern sammelten das Holz, nahmen ihre Lasten auf und gingen heim. Unterwegs wurde die Jüngste sehr müde. Sie sagte: "Meine Schwestern, laßt mich ein wenig ausruhen; ich bin sehr müde." Vier der Schwestern sagten: "Bleib du nur allein zurück; wir haben Besseres zu tun, als auf dich zu warten." Die vier Schwestern gingen weiter nach Hause.

Zwei der Schwestern blieben bei der Jüngsten und setzten sich mit ihr unter einem Baum nieder. Die drei Mädchen plauderten miteinander. Nach einiger Zeit kam der junge Agelith vorüber. Die älteste der Schwestern sagte: "Wenn mich der Agelith zur Frau nähme, würde ich die gesamten Bewohner des Ortes einladen und allesamt mit einer Maß (thakelischt) Weizen bewirten." Die zweite Schwester sagte: "Wenn mich der Agelith heiratete, würde ich die ganze Ortschaft mit der Haut eines einzigen Widders beköstigen." Die jüngste Tochter sagte: "Wenn mich der Agelith heiraten würde, so würde ich ihm nach einem Jahre einen Sohn und eine Tochter schenken, den Sohn mit dem Mond und den Sternen aus Silber im Haare, die Tochter mit einem Rasiermesser (lemus; hier die Sonne bedeutend) aus Gold auf der Stirne."

Der Agelith hatte gehört, was die drei Mädchen gesprochen hatten. Er ließ am andern Tage den Vater der sieben Töchter zu sich kommen und sagte zu ihm: "Ich will diese deine drei Töchter heiraten." Der arme Mann erschrak und sagte: "Was?! Ich bin so arm. Ich bin nicht deinesgleichen. Du kannst meine Töchter nicht heiraten, denn sie bringen deinem Hause keine Ehre." Der Agelith sagte: "Das laß meine Sorge sein. Ich will deine drei Töchter heiraten, und ob du meinesgleichen bist oder nicht, soll dich nicht kümmern."

Am ersten Tage rief der Agelith nun die älteste der drei Töchter und sagte: "Ich will heute das Fest der Hochzeit mit dir feiern. Sorge nun, daß du, wie du es gesagt hast, die ganze Ortschaft mit



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einem Maß Weizen beköstigst." Die älteste der drei Töchter lief zu einem Amrar asemeni (weisen Manne) und fragte: "Der Agelith will mich heute heiraten, und ich soll die ganze Ortschaft mit eine's Maß Weizen beköstigen; wie mache ich das?" Der Amrar asemeni sagte: "Mische eine halbe Maß Weizenmehl mit einer halben Maß Salz und stelle das Gericht am Eingange hin. Jeder, der kommt, wird ein klein wenig davon nehmen, aber nur ganz wenig, und so wird es für alle reichen." Die älteste der drei Töchter machte es so. Sie stellte ein Gericht aus einer halben Maß Weizenmehl und einer halben Maß Salz her. Sie stellte es am Eingang hin. Ein jeder nahm ein ganz klein wenig davon und das Gericht reichte für alle Bewohner des Ortes.

Am zweiten Tage rief der Agelith nun die zweite der drei Töchter und sagte: "Ich will heute das Fest der Hochzeit mit dir feiern. Sorge nun, daß du, wie du es gesagt hast, die ganze Ortschaft mit der Haut eines Widders beköstigst." Die zweite der drei Schwestern lief auch zu dem Amrar asemeni und sagte: "Der Agelith will mich heute heiraten, und ich soll die ganze Ortschaft mit der Haut eines Widders beköstigen; wie mache ich das?" Der Amrar asemeni sagte: "Webe aus der Wolle des Widders ein Gewand, dies Gewand schneide in lauter kleine Teile und wirf jedem einen der kleinen Teile hin." Die zweite der drei Schwestern machte es so. Sie verfertigte aus der Wolle des Widderfelles ein Gewand, zerschnitt das Gewand in lauter kleine Stückchen und warf jedem Gaste ein Stück hin. So erhielt jeder seinen Teil.

Am dritten Tage rief der Agelith nun die jüngste der drei Töchter und sagte zu ihr: "Ich will heute das Fest der Hochzeit mit dir feiern. Wie willst du es nun machen, daß du mir in einem Jahre einen Sohn und eine Tochter schenkst, der Sohn mit dem Mond und den Sternen aus Silber im Haar, die Tochter mit einem goldenen Rasiermesser auf der Stirne?" Die Jüngste sagte: "Warte, du wirst es sehen."

Nach einem Jahre gebar die jüngste der drei Schwestern eines Nachts einen Knaben, der hatte den Mond und die Sterne aus Silber in den Haaren und eine Tochter, die hatte ein goldenes Rasiermesser auf der Stirne. Als die beiden älteren Schwestern das sahen, sagten sie untereinander: "In Zukunft wird der Agelith nur noch unsere jüngste Schwester ihrer Kinder wegen lieben und uns übersehen, wenn wir die Kinder nicht sogleich entfernen." Die beiden Schwestern stern gingen sogleich zu einer alten Hexe (setut oder stud) und



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baten sie um ihre Hilfe. Die alte Hexe brachte zwei junge Hunde, die in der gleichen Nacht geboren waren, herbei, und vertauschte sie mit den Kindern. Die Kinder setzte sie aber in eine Kiste und diese Warf sie in das Meer. —

Am andern Morgen kam der Agelith und fragte nach den Kindern, die seine Frau ihm in der vorigen Nacht geschenkt habe. Die Alte Sagte: "Das ist ein großes Unglück. Deine Frau hat nicht einen Knaben und ein Mädchen, sondern einen Hund und eine Hündin geboren." Der Agelith fuhr auf. Er sagte: "Uah! So ist es? Ich Schwöre, daß diese Frau, da sie Hunde geboren hat, bis zum letzten Tag ihres Lebens mit den Hunden zusammengesperrt werden soll." Darauf wurde die junge Mutter entkleidet und im Adaeinin (Stall) bei den Hunden angebunden. —

Am Ufer des Meeres wohnte ein Fischer, der war sehr arm. Er ging jeden Tag zum Fischen heraus und fing dann einen Fisch. Den Verkaufte er und das, was er verdiente, genügte gerade dazu, ihn Und seine Frau zu ernähren.. Eines Tages fischte er auch. Er hatte keinen Erfolg. Nach einiger Zeit aber sah er auf den Wellen eine Kiste schwimmen. Er warf mit Steinen danach und setzte dies so lange fort, bis die Wellen die Kiste an das Ufer trugen. Er ergriff das Kistchen und nahm es, froh über den Fang, mit, denn er glaubte, es müsse Gold darin sein.

In seinem Hause angekommen, rief er seine Frau, öffnete und fand darin einen Knaben, der hatte den Mond und die Sterne aus Silber in den Haaren und ein kleines Mädchen, das hatte auf der Stirne ein goldenes Rasiermesser. Als der Fischer das sah, erschrak er und sagte: "Ich habe nicht genug, um mich und meine Frau zu ernähren, und nun soll ich auch noch diese Kinder ernähren. Wovon sollen wir leben?" Die Frau sagte: "Das laß nur die Sorge Gottes sein. Geh du aber noch einmal an die See und sieh, ob du nach diesem ersten Fang heute nicht auch noch einen zweiten tun wirst."

Die Frau gab den Kindern Nahrung. Der Fischer ging nochmals an das Meer und diesmal fing er dreimal so viel, als er sonst an einem Tage zu fangen gewohnt war. Und das Ergebnis seines Fischzuges steigerte sich von Tag zu Tag, so daß er und seine Frau und die Kinder nicht nur reichlich zu essen hatten, sondern auch noch genug hatten, etwas zurückzulegen. Die beiden Kinder wuchsen auf und wurden ein schöner großer Knabe und ein schönes und gutes Mädchen. Sie wußten nicht, daß der Fischer und seine Frau nicht



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ihre Eltern waren. Sie nannten den Fischer vewa (Vater) und seine Frau jma (Mutter). Alle Leute hatten die beiden Kinder gerne und sprachen von ihnen als dem Knaben mit Mond und Sternen aus Silber im Haar, der immer zur Jagd gehe, und dem Mädchen mit dem goldenen Rasiermesser auf der Stirne, das immer daheim weile.

Als so alle Leute über diese beiden Kinder sprachen, hörten auch die Frauen des Ageliths von ihnen und sie sprachen untereinander: "Das müssen die Kinder unsrer jüngsten Schwester sein. Wir müssen diese Kinder vernichten." Sie gingen wieder zur alten Hexe und erzählten es ihr. Die alte Hexe sagte: "Laßt mich nur machen, ich will die Kinder schon beiseite schaffen."

Die Alte ging eines Tages zu dem Hause des Fischers. Der Fischer war an dem Meer, der Bruder auf der Jagd im Walde und die Frau des Fischers in dem Orte. Die Alte ließ sich an der Tür des Fischerhauses hinfallen und stöhnte. Sie klopfte an der Tür. Das Mädchen mit dem goldenen Rasiermesser auf der Stirne öffnete oben das Fenster und rief hinunter: "Was hast du, meine Alte?" Die Alte stöhnte und sagte: "Öffne mir doch und laß mich ein wenig am Känun niederlegen. Ich habe das Fieber (thoula)." Das Mädchen sagte: "Mein Vater und meine Mutter haben mir verboten, die Tür zu öffnen." Die Alte sagte: "Sie haben nicht daran gedacht, daß eine alte Frau im Fieber darum bitten könne."

Das Mädchen ging hinunter und öffnete die Haustür. Die Alte kam herein und setzte sich am Kamin nieder. Die Alte sagte: "Mädchen, du bist schön. Du hast in dieser elenden Hütte nichts zu suchen." Das Mädchen sagte: "Wieso, bin ich hier denn nicht sehr gut aufgehoben? Was fehlt mir denn?" Die Alte sagte: "Es gibt nur eines, was deiner Schönheit entspricht, das ist Tär Lemeghari (der singende Vogel)." Das Mädchen sagte: "Wie bekommt man den Tär Lemeghani ?" Die Alte sagte: "Wenn heute abend dein Bruder heimkommt, stelle dich krank. Wenn dein Bruder dich fragt, was dir fehlt, sagst du: Ich sehne mich nach dem Tär Lemeghani» — Das Mädchen sagte: "Das werde ich tun." Die Alte ging.

Bis zum Abend wuchs die Sehnsucht des Mädchens nach Tär Lemeghani so, daß sie wirklich Fieber bekam. Sie legte sich auf ihr Lager, und als ihr Bruder heimkam und sie fragte, was ihr fehle sagte sie: "Ich sehne mich nach Tär Lemeghani." Der Bruder sagte "Tär Lemeghani werde ich dir bringen. Bereite mir nur Essen) So will ich mich morgen sogleich auf die Wanderschaft machen»

Am andern Morgen packte der Bruder sein Essen ein, nahm Spiegel,



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Kamm und Rasiermesser in seine Tasche und trat den Weg an. Er wanderte in irgendeiner Richtung, denn niemand hatte ihm sagen können, wo Tär Lemeghani zu finden sei. Er kam zuletzt in einen großen Wald. Und in dem Walde traf er einen alten Mann, dessen Haare reichten bis auf die Knie und sein Bart bis auf den Bauch. Er hatte sich lange Zeit nicht gepflegt. Der Bursche begrüßte den alten, wilden und häßlichen Mann. Der Alte sagte: "Wenn du mich nicht gegrüßt hättest, so würde ich dich und die Erde, auf der du gehst, fressen." Der Bursche fragte: "Weshalb willst du mich fressen? Ich bin doch zu deinem Besten gekommen." Der Alte sagte: "Wieso zu meinem Besten?" Der Bursche sagte: "Halte nur einen Augenblick still."

Der Bursche begann darauf den Bart und die Haare des Alten zu schneiden und zu ordnen. Als er damit fertig war, hielt er dem Alter den Spiegel hin und sagte: "Nun sieh selbst, wie du aussiehst." Der Alte sah in den Spiegel. Er lachte und sagte: "Ich sehe in der Tat jung und schön aus. Du machst mich froh. Nun sage mir, was du in diesem Walde suchst ?" Der Bursche sagte: "Ich suche Tär Lemeghani." Der Alte sagte: "Wenn das alles ist, so ist das nicht schwer. Nimm hier diesen Käfig und stelle ihn in den Baum. Tär Lemeghani wird kommen und wird dich beschimpfen. Wenn du ihn antwortest, wird die Erde sich öffnen und dich verschlingen. Wenn du ihm aber nicht antwortest, wird er nach einiger Zeit mit Schimpfen aufhören und von selbst in den Käfig kommen. Dann schließe ihn und trage ihn heim."

Der Bursche bedankte sich und stellte den Käfig in den Baum. Als es Abend war, kam Tär Lemeghani, setzte sich auf einen Zweig und begann zu schimpfen und dem Bruder schlechte Worte zu sagen. Der Bursche blieb stumm und antwortete nicht. Tär Lemeghani schimpfte und flog endlich in den Käfig. Der Bursche schloß den Käfig und begab sich sogleich auf den Heimweg. Er brachte Tär Lemeghani seiner Schwester. Seine Schwester war sehr glücklich. Sie dankte ihrem Bruder und ward sogleich gesund.

Die beiden Frauen des Agelith hörten, daß die Kinder ihrer jüngsten Schwester schöner und glücklicher seien als vordem. Sie gingen ZU der Alten und sagten: "Die Kinder sind glücklich; schaffe sie aus der Welt." Die Alte sagte: "Ich werde es tun."

Die Alte kam wieder zu dem Fischerhaus, als das Mädchen mit dem goldenen Rasiermesser auf der Stirne allein zu Hause war und der Fischer sich beim Fischfang am Meer, der Bruder auf der Jagd



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im Walde und die Mutter zum Einkauf im Orte befand. Die Alte begrüßte das Mädchen und sagte: "Hast du nun Tär Lemeghani?" Das Mädchen sagte: "Ja, wir haben Tär Lemeghani und er macht mich glücklich." Die Alte sagte: "Du siehst, wie gut ich dir geraten habe. Jetzt fehlt dir nur noch das Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen." Darauf ging die Alte. Das Mädchen ward aber sogleich mit einer solchen Sehnsucht nach dem Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen erfüllt, daß es am Abend ein schweres Fieber hatte.

Am Abend kam der Bruder heim und fand seine Schwester im Fieber. Er fragte sie: "Was fehlt dir?" Das Mädchen sagte: "Ich habe die Sehnsucht nach dem Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen." Der Bruder sagte: "Meine Schwester, beruhige dich. Bereite mir Essen für die Reise. Ich will morgen sogleich aufbrechen und dir das Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen holen."

Am andern Morgen packte der Bursche sein Essen und ein Gefäß (einen eisernen Topf: tassedeledz) in seinen Reisesack. Er bestieg seinen Maulesel und ritt in die Welt hinaus. Nachdem er lange Zeit auf der Wanderschaft war, kam er eines Tages in ein Land, das war bedeckt mit Felsen. Er sah die zusammenschlagenden Felsen. Er sah in der Ferne die Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen.

Der Bursche setzte sich nieder. Er sah im Grase vor sich zwei kleine Schlangen miteinander streiten. Er sah, wie die eine der beiden Schlangen die andre im Streit tötete. Der Bursche fragte die Schlange: "Weshalb tötest du deinen Bruder?" Die kleine Schlange sagte: "Das macht nichts; gib acht, ich werde meinen Bruder Sogleich wieder zum Leben bringen." Die Schlange lief hin und pflückte von dem Kraut Thah(a)schicht (e)hajun, zerrieb die Pflanze zwischen zwei Steinen und drückte die Masse der toten Schlange in den Mund. Sogleich erhob sich die tote Schlange und lief mit der andern von dannen.

Der Bursche sammelte von der Pflanze. Er zerquetschte die Pflanze auf einem großen Stein. Sogleich wurde der Stein zu einem Manne. Der Bursche fragte den Mann: "Wie kommst du hierher?"Der Mann sagte: "Ich kam hierher, um von dem Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen zu holen. Als ich zwischen die Felsen kam, wurde ich zu Stein und ich wäre immer als Stein hier liegen geblieben, wenn du mich nicht gerettet hättest.



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411e diese Steine hier herum sind Männer, Pferde, Maulesel, Hunde, esel. Sie sind alle in gleicher Weise Stein geworden wie ich." Der bursche sagte: "So komm und hilf mir. Wir wollen allen diesen Menschen und Tieren das Leben wiedergeben." Der Bursche und der Mann sammelten nun sehr viel von dem Kraut und zerquetschten es auf allen Steinen, die herumlagen, und alle wurden zu Menschen, Pferden, Mauleseln, Hunden und Eseln. Und alle Menschen kamen zu dem Burschen und sagten zu ihm: "Wir danken dir, du hast uns das Leben wiedergegeben. Wir werden in Zukunft deine Diener sein!"

Der Bursche sagte: "Wir werden sogleich wieder zurückkehren; ich will nur erst dieses Gefäß voll Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen nehmen. Merkt nun auf, wie ich es machen werde und wie ihr dann mir den gleichen Dienst erweisen könnt, den ich euch verrichtete. Ich werde mich mit dem Gefäß vorbeugen und das Wasser auffangen. Ich reiche euch das Gefäß zu und ihr ergreift es schnell. Ich werde dann zu Stein werden. Ihr aber müßt dann auf diesem Steine das Kraut zerquetschen, wie ich es euch gezeigt habe." Die Männer sagten: "Wir werden es so tun."

Der Bursche ging mit den Männern dicht an die Quelle. Er beugte sich weit vor und schöpfte das Gefäß mit dem Wasser aus der Quelle. Die andern ergriffen sogleich das Gefäß mit dem Wasser. Der Bursch aber wurde in einen Stein verwandelt. Die andern Männer zerquetschten sogleich von dem Kraut auf dem Stein, und der Bursche kam wieder zum Leben.

Der Bursche machte sich mit dem Gefäß voll Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen auf den Heimweg. Alle Männer, die er wieder zum Leben gerufen hatte, folgten mit ihren Tieren. Es war ein langer, langer Zug. Sie kamen beim Dorfe des Fischers an. Der Bursche sprang von seinem Maulesel und eilte in das Haus. Er reichte seiner Schwester das Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenschlagenden Felsen. Die Schwester trank davon; sie wurde sogleich gesund. Sie dankte ihrem bruder.

Der Bursche ging zu dem Fischer und sagte: "Alle diese Leute und Tiere, die ich mitgebracht habe, gehören dir, meinem Vater, dem ich das Leben verdanke." Der Fischer sagte: "Mein Sohn, ich danke dir; dies Geschenk kann ich nicht annehmen. Da du nun dieses noch nicht weißt, muß ich dir sagen, daß ich nicht dein und deiner Schwester Vater bin. Ich habe euch beide, als es meiner Frau und mir sehr



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schlecht ging, eines Tages in einer Kiste auf dem Meere schwimmend gefunden und euch mit meiner Frau zusammen groß gezogen. Seitdem ihr aber in meinem Hause wart, ging es meiner Frau und mir so gut, daß das, was ich an euch getan habe, längst vergolten ist. Behalte also deine Leute und Tiere. Ich will dir nur behilflich sein, alles gut und nützlich einzurichten."

Der Bursche baute nun mit den Leuten einen großen Ort. Er ließ sich Felder und Gärten anlegen. Er ließ zwei große Häuser bauen. eines für den Fischer und seine Frau, eines für sich und seine Schwester. Der Bursche und der Fischer wurden bald reiche Leute, und der Ruhm ihres Reichtumes und ihrer Freundlichkeit wurde weiter und weiter im Lande verbreitet.

Auch der Agelith, der einst die drei Schwestern geheiratet hatte, hörte von dem Fischer und seinem Sohne, die so gut und dabei reiche Leute geworden waren. Er wollte diese Leute gern kennenlernen und lud den Fischer und den Burschen und die Frau des Fischers und die Schwester des Bruders ein, ihn zu besuchen und seine Gäste zu sein. Der Fischer und seine Frau, der Bruder und seine Schwester machten sich also auf den Weg und kamen nach einer guten Reise auch bei dem Agelith an.

Als der Agelith die beiden Geschwister sah, gewann er sie sogleich lieb. Er sagte zu ihnen: "Ehe wir uns zum Essen niedersetzen, will ich euch mein Haus zeigen." Der Agelith führte die Geschwister überall herum. Sie kamen auch in den Stall. Das Mädchen sah im Stall die nackte, angebundene Frau. Das Mädchen begann zu weinen. Der Agelith sagte: "Kümmere dich nicht um diese Frau; es ist ein schmutziges Weib, das mir statt zweier Kinder zwei ekelhafte Hunde geschenkt hat." Das Mädchen hörte aber nicht auf zu weinen. Das Mädchen sagte: "Das glaube ich nicht. Ich werde in diesem Hause nichts essen, wenn diese arme Frau nicht losgebunden und mit zum Essen eingeladen wird." Der Agelith sagte: "Mein Kind, beruhige dich; was ich sage, ist die Wahrheit." Das Mädchen weinte und sprach: "Ich glaube nicht, daß dieses die Wahrheit ist. Du mußt belogen sein. Was ich dir aber sage, ist auch die Wahrheit und ich werde keinen Bissen anrühren, wenn du die Frau nicht losbindest und mit uns essen läßt."

Der Agelith sagte: "So bindet die Frau los, badet sie, kleidet sie und laßt sie mit uns essen." Das Mädchen sagte zu ihm: "Ich danke dir." Die beiden Frauen des Agelith banden ihre jüngste Schwester los. Sie badeten sie, sie kleideten sie. Sie sagten: "Morgen werden



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Wir dich töten!"Die Frau sagte: "Ich weiß, wie ihr es mit mir meint, meine Schwestern."

Die Frau kam in den Raum, in dem der Agelith und seine Gäste Waren. Der Agelith sah sie nicht an. Er sah nur auf den Burschen Und das Mädchen. Das Mädchen aber ging auf die Frau zu und sagte: "Erzähle du mir auch, wie es mit deinen Kindern war." Die Frau sagte: "Der Agelith heiratete mich mit meinen beiden älteren Schwestern zusammen. Er heiratete mich, weil ich versprochen hatte, ihm nach einem Jahre zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen zu schenken. Nach einem Jahre gebar ich einen Knaben und ein Mädchen. Meine beiden Schwestern aber, die befürchteten, ich würde nun alle Gunst des Agelith an mich ziehen, nahmen meine Kinder und brachten sie fort. Dafür legten sie mir zwei junge Hunde hin und sagten am andern Tag zu dem Agelith: ,Deine Frau hat dir in dieser Nacht zwei junge Hunde geschenkt.' Darauf ließ der Agelith mich im Stall anbinden."

Der Bursche fragte die Frau: "Würdest du deine Kinder denn wiedererkennen?" Die Frau sagte: "Gewiß würde ich meine Kinder wiedererkennen, die ich dem Agelith geschenkt habe. Mein Sohn hai den Mond und die Sterne aus Silber im Haare. Meine Tochter hat eir goldenes Rasiermesser auf der Stirne. Daran kann jeder sie wiedererkennen, auch ihr Vater, der Agelith, denn ich habe ihm das vorher gesagt." Der Bursche trat vor den Agelith, nahm die Mütze ab und sagte: "Sieh hier, mein Vater!" Das Mädchen nahm das Tuch von der Stirne, trat vor den Agelith und sagte: "Sieh hier, mein Vater!" Der Agelith sah den Mond und die Sterne aus Silber in den Haaren des Burschen; er sah das goldene Rasiermesser auf der Stirne des Mädchens. Der Agelith umfing sie mit den Armen und sagte: "Ja, ihr seid meine Kinder; ich fühle es in meinem Herzen."

Der Agelith ließ die Mutter in herrliche Stoffe kleiden und gab ihr viel Schmuck. Der Agelith sagte: "Verzeih mir." Der Agelith ließ die beiden älteren Schwestern kommen. Er ließ sich alles erzählen. Er ließ die alte Hexe kommen und ließ sich alles erzählen. Der Agelith ließ den beiden Schwestern und der alten Hexe den Kopf abschlagen. Den Fischer machte er zu einem reichen Manne. Er setzte ihn über das Dorf, das der Bursche gegründet hatte mit den Leuten, die er wieder zum Leben gerufen hatte. Seinen Sohn setzte er aber an seiner Stelle ein.



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40. Die goldhaarigen Kinder


(Schlecht erzählt - Variante des vorigen Märchens)

Ein Amin hatte einen Sohn, der war nicht verheiratet, —er hatte aber das Alter dazu. Er ging einmal auf den Acker. Vor ihm gingen drei Mädchen. Die wußten nicht, daß er in der Nähe war. Sie sprachen über ihn und er hörte es. Die erste sagte: "Wenn mich der Sohn des Amin zur Frau nähme, so würde ich ihm stets das beste Essen aus einem Weizenkorne bereiten." Die zweite sagte: mich der Sohn des Amin zur Frau nähme, so würde ich ihm aus einem einzigen Wollflocken einen Burnus weben."Die dritte sagte: "Wenn mich der Sohn des Amin zur Frau begehren würde, so würde ich ihm nach zehn Monaten zwei Knaben mit goldenem Stirnhaar (=taunsa-ne-d'háv, wörtlich: Stirnhaare von Gold) schenken."

Der Sohn des Amin nahm die erste zur Frau. Er nahm die zweite zur Frau, er nahm die dritte zur Frau. Als er nun die erste geheiratet hatte, gab er ihr ein Weizenkorn und sagte zu ihr: "Nun bereite mir einmal das Essen aus einem Weizenkorne." Die erste Frau konnte das nicht. Als er die zweite geheiratet hatte, gab er ihr einen Wollflocken und sagte: "Nun webe mir einen Burnus aus diesem Wollflocken." Die zweite konnte das nicht. Als er die dritte geheiratet hatte, wurde sie guter Hoffnung, und die ersten beiden Frauen achteten schon eifersüchtig darauf, was daraus werden würde.

Nach zehn Monaten gebar die dritte Frau zwei Knaben. Sie hatten beide auf der Stirne goldne Haare. Die junge Frau ließ ihrem Manne sagen: "Ich habe mein Versprechen gehalten und habe dir zwei Knaben geschenkt, die haben auf der Stirne goldne Haare."Als der Sohn des Amin das hörte, war er sehr erfreut, und er veranstaltete ein großes Fest. Die dritte Frau aber lachte über die erste und zweite und sagte: "Die eine wollte ein Essen aus einem Weizenkorne bereiten. Die zweite wollte einen Burnus aus einem Wollfaden weben. Ihr habt beides nicht gekonnt! Ich aber habe meinem Manne gehalten, was ich versprochen hatte." Darüber wurden die beiden anderen Frauen noch zorniger, als sie schon vorher gewesen waren.

Nachts sprachen die erste und die zweite Frau zusammen. Die erste und die zweite Frau gingen zu der Wiege (duach, Pl.: leduach) in der die beiden Kinder mit den goldnen Stirnhaaren lagen. Sie nahmen die beiden Knaben heraus. Sie legten dafür zwei Raben in die Wiege. Sie trugen die beiden Knaben hinaus, setzten sie in einen Kasten (tath en discht, Pl.: tiessendiág[h) und warfen den Kasten



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in das Meer. Am andern Morgen gingen die beiden ersten Frauen zu ihrem Gatten, dem Sohne des Amin und sagten: "Deine dritte Frau hat dich betrogen. Was sie behauptet hat, ist nicht wahr. Sie hat nicht zwei Knaben geboren mit goldnen Stirnhaaren, sie hat vielmehr zwei Raben geboren. Geh nur selbst zur Wiege und, überzeuge dich davon." Der Sohn des Amin ging zur Wiege.

Der Sohn des Amin kam an die Wiege. Er sah die beiden Raben. Er sagte: "Meine erste Frau hat zwar nicht aus einem Weizenkerne eine ganze Mahlzeit bereiten können, aber sie kann wenigstens, wie jede andre Frau, eine Mahlzeit überhaupt herrichten. Meine zweite Frau kann zwar aus einem Wollflocken keinen ganzen burnus weben. Aber sie kann überhaupt einen Burnus weben. Diese Frau nun hat sich vermessen, mir zwei Kinder mit goldnen Stirnhaaren zu schenken, und nun ist sie nicht einmal imstande, Kinder zu gebären, wie andre Frauen, sondern bringt an Stelle dieser Raben hervor!! Wenn sie Tiere hervorbringt, so soll sie da leben, wo Tiere hingehören."

Und er ließ die dritte Frau in den Adaeinin (Viehstall im Hause) sperren. Von da an wurde die arme Frau sehr schlecht behandelt, durfte die Adaeinin nicht mehr verlassen und bekam das schlechteste Essen vorgesetzt. Alle Welt sprach davon.



***
Inzwischen trieb die Schachtel mit den beiden Kindern auf dem 1 Meere herum, bis eines Tages ein Fischer mit seinem Fangsack (aschlif, Plur. ischifan) den Kasten aus dem Meere zog und ans Ufer brachte. Der Fischer öffnete ihn sogleich und fand darin nun die beiden Knaben mit dem goldnen Stirnhaar. Als er sie sah, sagte er bei sich: "Vor einiger Zeit wurde doch im Lande irgendwo eine Frau angeklagt, an Stelle zweier Knaben mit goldnem Stirnhaar junge Raben geboren zu haben. Sollten diese beiden Knaben mit der Geschichte in irgendeinem Zusammenhange stehen? Ich werde mich ihrer jedenfalls annehmen, damit ihnen nichts Schlimmes geschieht, denn es sind prachtvolle Kinder."

Der Fischer nahm den Kasten mit den beiden goldhaarigen Knaben und ging heim. Daheim sagte er zu seiner Frau: "Willst du mir schwören, daß du mir in einer bestimmten Sache zu Gefallen handeln und mir eine große Bitte erfüllen wirst ?" Die Frau des Fischers sagte: "Dies kann ich dir zuschwören, denn ich tue es gerne." Der Fischer brachte ihr nun den Kasten mit den beiden Knaben, die das goldne Haar auf der Stirn hatten und sagte: "Ziehe mit mir zusammen



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diese beiden Knaben auf. Ich fand sie so in einem Kasten heute beim Fischen. Ich denke mir, sie hängen irgendwie mit der Geschichte zusammen, die letzthin so viel besprochen wurde, und die sich irgendwo im Lande ereignet haben soll. Vielleicht sind es die zwei Knaben, die mit den Raben ausgetauscht worden sind."

Der Fischer und seine Frau zogen die Kinder auf. Der Fischer und seine Frau sorgten für die Kinder ausgezeichnet und die beiden Knaben wurden bald größer und schöner als andre Kinder ihres Alters. Sie nannten den Fischer "Vater" und die Fischerfrau "Mutter", und der Fischer und seine Frau sprachen von ihnen als von ihren Kindern. Das ging so lange, bis die Buben groß und stark waren, so daß sie schon selbst etwas unternehmen konnten.

Da konnte die Mutter es nicht mehr über das Herz bringen, die Kinder um die angesehene Stellung, die sie ihrer Geburt nach einnehmen konnten, zu bringen. Sie rief die beiden Knaben eines Tages zu sich heran und sagte zu ihnen: "Meine Knaben, ihr nennt den Fischer und mich immer eure Mutter und euren Vater. Wir sind aber nicht eure Eltern, sondern der Vater hat euch eines Tages in einem Kasten im Meere aufgefischt. Ihr seid auch nicht die Kinder armer Leute, wie wir das sind. Sondern ihr müßt die Kinder einer Familie der Echereijon (oder l'arroa, d. h. also der Kaste der Vornehmen) sein. Ich bin es euch schuldig, euch dies zu sagen, nicht nur um eurer selbst willen, die ihr eben etwas andres seid, als die Knaben andrer Leute, sondern auch um eurer Mutter willen, die vielleicht heute noch deshalb leidet, weil man euch damals beiseite geschafft hat. Hört nun, was der Fischer und ich mir über diese Geschichte denken.

Um die Zeit, da ihr geboren wurdet, erzählte man sich überall, wo die Leute Zeit zum Geschichtenerzählen hatten, daß der Sohn eines Amin drei Frauen geheiratet hatte, von denen ihm eine jede in der Ehe etwas Besonderes zu leisten versprochen hatte. Die ersten beiden konnten nicht halten, was sie in Aussicht gestellt hatten. Die dritte hatte versprochen, ihrem Gatten zehn Monate nach der Hochzeit zwei Knaben mit goldnem Stirnhaar, wie ihr es habt, zu schenken. Die Frau wurde auch Mutter und gebar. Aber als der Vater an die Wiege trat, die Kinder zu betrachten, da fand er an Stelle der zwei schönen Knaben mit goldnem Stirnhaar nur zwei Raben. Voller Wut warf er die Mutter in den Adaeinin und wollte von nun an nichts mehr von ihr wissen. Die Leute behaupteten damals schon, die beiden ältern Frauen hätten die Raben in die Wiege gelegt Und



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die zwei Knaben beseitigt. Der Fischer und ich glauben aber, daß ihr diese Knaben seid. —Das ist es, was ich sagen mußte. Sagt nun, Was ihr tun wollt."

Die Knaben fragten: "Sind wir nicht groß und stark genug, um unsere Mutter zu suchen ?" Die Fischersfrau sagte: "Gewiß seid ihr das. Außerdem will ich euch sagen, daß Knaben eurer Art die Fähigkeit haben, allen Tieren zu befehlen und daß die Tiere ihnen folgen. Die Tiere werden überall eure Gehilfen sein." Die Knaben sagten: "Dann wollen wir uns auf den Weg machen, um unsere Mutter und unsern Vater zu suchen."

Die Knaben riefen einen Schakal und ein Schaf. Sie sagten zu den beiden Tieren: "Der Schakal frißt sonst das Schaf und das Schaf frißt sonst den Schakal. Solange ihr aber nun beide bei uns seid, müßt ihr die besten Freunde sein und euch nichts tun und euch nicht fliehen!" Dann banden sie den Schakal und das Schaf mit einem Fädchen zusammen und verlangten von ihnen mitzukommen. Die beiden Knaben riefen außerdem einen Adler herbei und sagten: "Komm mit uns und achte du stets darauf, daß uns niemand etwas antun kann, wenn wir es nicht sehen können." Mit den drei Tieren begannen die beiden Knaben die Wanderung.

Als die Knaben mit dem Schakal und Schaf nun in das erste fremde Dorf kamen, sagten die Leute: "Seht, wie merkwürdig: Schakal und Schaf als große Freundschaft." Die Knaben antworteten: "Die Freundschaft von Schakal und Schaf bei uns ist weniger merkwürdig als wenn bei euch eine Frau statt gewöhnlicher Kinder junge Raben gebiert." Die Leute sagten: "Das ist nicht bei uns, sondern jenseits jener Berge am obern Flusse geschehen." So erfuhren die Knaben, daß sie über das Land jenseits der Berge am obern Flusse gehen müßten, wenn sie ihre Eltern finden wollten. Sie kamen in das Land. Auch dort wieder riefen die Leute verwundert aus: "Seht den Schakal und das Schaf in inniger Freundschaft!" Die Knaben sagten: "Das ist weniger merkwürdig, als wenn bei euch eine Frau statt gewöhnlicher Kinder junge Raben gebiert." Die Leute sagten: "Das ist nicht bei uns geschehen, sondern in diesem Dorfe dort vor euch." So erfuhren die Knaben den Ort, in dem sie ihre Eltern suchen mußten. Sie kamen in den Ort und wieder wunderten sich die Leute über die Freundschaft von Schaf und Schakal und wieder sagten die Knaben ihnen, daß es bei ihnen viel merkwürdiger zugehe, da bei ihnen die Frauen statt gewöhnlicher Kinder junge Raben zur Welt brächten. Die Leute sagten: "Das ist hier nur einmal in diesem



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Hause dort geschehen, in dem der Sohn des Amin wohnt." So erfuhren die Knaben das Gehöft, in dem ihre Eltern wohnten.

Die Knaben klopften an dem Gehöft ihrer Eltern an und baten um Unterkunft. Der Sohn des Amin sah die Knaben hereinkommen. Er sagte bei sich: "Das sind schöne Knaben!" Er merkte aber nicht, daß es seine eigenen Söhne waren. Die beiden ersten Frauen sahen die Knaben auch und sie sahen, daß es schöne, starke Knaben mit Haaren aus Gold auf der Stirn waren und sie sagten untereinander: "Das sind die Kinder der dritten Frau. Das sind die beiden Knaben mit den goldnen Stirnhaaren. Wir wollen sie vergiften." Die beiden Frauen bereiteten das Essen für die Knaben und vergifteten es.

Die Frauen brachten den Knaben das Essen. Die Knaben wollten zugreifen. Der Adler hatte aber alles beobachtet, kam herbeigeflogen und flüsterte den Knaben ins Ohr: "Das Essen ist vergiftet." Die Knaben baten den Herrn des Hauses, mit seinem Hunde zu kommen. Der Sohn des Amin kam mit dem Hunde. Die Knaben sagten: "Warte nur ein wenig und sieh, welches Essen uns deine erste und zweite Frau vorgesetzt haben." Sie gaben dem Hunde, der fraß und starb sogleich.

Der Sohn des Amin erschrak und sagte: "Was soll das?" Die Knaben sagten: "Deine erste Frau und deine zweite Frau wollen uns zum zweiten Male töten, nachdem es das erste Mal mißlungen ist." Der Sohn des Amin sagte: "Wer seid ihr?" Die Knaben sagten: "Sieh die Haare auf unserer Stirn und frage die Frau, die du in den Adaeinin geworfen hast."

Der Sohn Amin hörte und sah alles, er ging zu der Frau, die im Adaeinin lag und trug sie mit seinen eigenen Händen zu ihren Söhnen.

Die erste Frau aber zwang er die vergiftete Speise aus Weizenmehl zu essen und als sie starb, sagte er: "Nun bereite aus einem Korne nach dem andern je eine Mehlspeise." Die zweite Frau erhängte er an einem Strick aus Wollfäden und als sie starb, sagte er: "Nun webe aus einem Wollflocken nach dem andern je einen Burnus!"



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DRITTER TEIL BUNTE ERZÄHLUNGEN



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41. Der dankbare Freigekaufte

Ein Sultan hatte drei Söhne. Die ließ er erziehen mit aller Kunst und ließ sie alles lehren, was die Lehrer im Lande selbst wußten. Die ältesten beiden Söhne ernteten stets den Lohn des Lehrers. Der Jüngste aber mußte vielen Tadel erdulden, so daß der Sultan meinte, es würde nicht viel aus ihm werden.

Eines Tages sagte der Sultan: "Ich möchte nun einmal selbst erproben, was meine drei Söhne gelernt haben und was sie können. Einer soll sich nach dem andern erweisen." Der Sultan ließ den ältesten Sohn kommen und fragte ihn: "Was kannst du? Wie willst du mir einen Beweis dafür ablegen, was du gelernt hast?" Der älteste Sohn sagte: "Gib mir fünfzig Goldstücke, so will ich dafür auf den Markt einkaufen gehen und ich hoffe, du wirst nachher zugeben, daß ich mich auf das Leben verstehe."

Der Sultan sagte: "Es ist gut, nimm hier fünfzig Goldstücke und zeige mir, daß du damit etwas Rechtes anzufangen verstehst."

Der älteste Sohn des Sultans nahm die fünfzig Goldstücke, bestieg am andern Tage ein Pferd und ritt auf den Markt. Auf dem Markte sah er einen schönen Widder, der ihm sehr gut gefiel. So ritt er denn auf den, der den Widder feilhielt, zu und fragte: "Denkst du nicht auch, daß dieser Widder würdig ist, vom Sohne des Sultans gekauft zu werden ?" Der Mann sagte: "Gewiß, denke ich auch so, wenn der Sohn des Sultans einen seiner würdigen Preis dafür zahlt!" Der Sohn des Sultans sagte: "Denkst du, daß fünfzig Goldstücke des Widders und des Sohnes des Sultans würdig sind?" Der Mann sagte: "So denke ich." Der Sohn des Sultans gab dem Manne die fünfzig Goldstücke und band den Widder mit einem Schnurende um seinen Kopf, mit dem andern an den Knopf des Sattels und ritt im schärfsten Galopp so schnell als möglich nach Hause.

Der Widder konnte natürlich nicht so schnell laufen und stürzte sogleich. Die Schnur zog sich um seinen Hals zusammen und er erstickte. Das galoppierende Pferd schleifte den Widder über den steinigen Boden, so daß er bald ganz unansehnlich war und als unkenntliche Masse daheim ankam. Der Sultan stand vor dem Hause und sah der Rückkehr seines Sohnes und des Beleges seiner Tüchtigkeit mit Spannung entgegen. Als der Sohn abstieg und ihm das Ergebnis mit den fünfzig Goldstücken zeigte, wurde der Sultan sehr zornig und schickte ihn zur Strafe für seine Unklugheit am andern Tage mit den Arbeitern in den Wald, damit er dort, würdig



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des Mangels an Verstand, beim Roden als Arbeiter mit Hand anlege.

Der zweite Sohn sah das und kam zu dem Sultan. Er sagte: "Ich bitte dich, mein Vater, gib mir auch fünfzig Goldstücke und erlaube mir, daß ich auf den Markt gehe, damit ich den Beleg meiner guten Lebensschulung erbringe." Der Sultan sagte: "Hier nimm fünfzig Goldstücke und zeige, was du kannst."

Der zweite Sohn des Sultans nahm die fünfzig Goldstücke, bestieg am andern Tage sein Pferd und ritt auch auf den Markt. Er ritt an dem Teil vorbei, wo das lebende Vieh verkauft wurde und sagte: "Wenn ich das Lebende tot nach Hause bringe, so bin ich unklug wie mein Bruder. Ich will etwas Totes mitbringen." Er kam an den Teil des Marktes, auf dem die Töpfer ihre Waren feilhalten und sagte: "Ich werde einen Topf kaufen, der kann nicht mehr sterben, denn er war nie lebendig. Er sah einen Topf, der war von ganz besonderer Größe. Er betrachtete ihn lange und fragte endlich die Frau: "Ist dies der größte Topf, der auf dem Markte ist?" Die Frau sagte: "Gewiß ist das der größte Topf." Der zweite Sohn des Sultans fragte: "Würde wohl ein anderer als ein Sohn des Sultans weniger als fünfzig Goldstücke zahlen ?" Die Frau sagte: "Ich verkaufe ihn einem Sohn des Sultans ebensogut wie einem andern, wenn ich fünfzig Goldstücke dafür bekomme. Das kann ich dir beschwören." Der Sohn des Sultans sagte: "Ich will den Topf nicht hinter meinem Pferde herschleifen. Wie könnte ich ihn nun aber mit mir nehmen ?" Die Frau sagte: "Wenn du es wünschst, schlage ich dem Topf den Boden aus und du stülpst ihn über den Kopf. Das ist am bequemsten." Der zweite Sohn des Sultans sagte: "Du bist eine kluge Frau. Hier nimm die fünfzig Goldstücke, schlage dem Topf den Boden aus und reiche ihn mir herauf."

Die Frau tat so. Der zweite Sohn des Sultans stülpte darauf den Topf so über, daß sein Kopf durch das Loch im Boden herausragte und ritt damit nach Hause. Als er aber zu Hause abstieg, zerbrach der Topfrest und lag vor dem Sultan und um dessen Sohn als Ergebnis des Handels mit den fünfzig Goldstücken in Scherben herum. Als der Sultan das Nähere sah und hörte, wurde er so zornig, daß er seinen zweiten Sohn ebenfalls in den Wald schickte. Während der ältere Bruder nun aber Bäume fällte, mußte der zweite Kohlen brennen.

Der Sultan war sehr traurig über die Torheit seiner ältesten beiden Söhne, die ihm von den Lehrern immer als Muster und Beispiel von



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klugheit und Gelehrsamkeit geschildert waren. Er wartete nun darauf, daß sein dritter Sohn auch zu ihm kommen und um die Gelegenheit, seine Geschicklichkeit ZU erweisen, bitten würde. Aber der dritte Sohn kam nicht. Der dritte Sohn ging still seiner Wege und kam dem Vater möglichst wenig nahe. Eines Tages rief ihn aber der Sultan und fragte ihn: "Sage mir doch, mein Sohn, ob du gar nicht den Wunsch hast, deinem Vater einen Beleg dafür zu erbringen, Was du gelernt hast?" Der Jüngste sagte: "Nein, mein Vater, den Wunsch habe ich nicht. Alle meine Lehrer haben mir stets gesagt, daß ich weniger geschickt und gelehrig sei wie meine Brüder. Meine Lehrer waren aber sehr gelehrte Leute, die es verstanden haben müssen, denn du hast sie mit Sorgfalt ausgesucht. Wenn nun meine Brüder, die doch als klüger gelten, von dir schon nach dem erster Versuche der Ungeschicklichkeit wegen so hart gestraft werden, so daß sie Bäume fällen müssen und Kohlen brennen, was muß Dann erst meine viel besprochene größere Ungeschicklichkeit mir ein. tragen! Wie soll ich da zu dem Wunsche kommen, dir einen Beleg meiner Ungeschicklichkeit zu erbringen, wo ich mir doch vorher sagen muß, daß ich dabei nur noch mehr an Achtung verlieren kaum aber etwas gewinnen kann!"

Da wurde der Sultan zornig und sagte: "Du ungeratener Sohn Überlasse es deinem Vater und deinen Lehrern, darüber zu entscheiden, wie sie über deine und deiner Brüder Tüchtigkeit und Geschicklichkeit urteilen. Ich bin sehr betrübt darüber, daß du so wenig den Wunsch hast, aus dem schlechten Rufe, in dem du stehst dich herauszuarbeiten. Es ist aber nicht eine freiwillige Handlung, der du dich unterziehen sollst, sondern eine von mir geforderte. Denn ich will die Art meiner Söhne kennenlernen. Nimm also hier die fünfzig Goldstücke und reite morgen in der Frühe auf den Markt und kaufe so ein, daß ich daran deine Geschicklichkeit und deine Art erkennen kann."

Der Jüngste nahm also die fünfzig Goldstücke, bestieg am andern Morgen sein Pferd und ritt auf den Markt. Er konnte aber auf dem Markte, so weit und so reichlich er besucht war, nichts finden, was seine Aufmerksamkeit erweckt hätte. Er wollte schon sein Pferd wenden und wieder heimreiten, da kam er am Gerichtsgebäude vorbei, vor dem sich eine große Menschenmenge versammelt hatte. Er hörte, wie zwei Leute miteinander sprachen. Der eine sagte: "Dieser M'hammed ei hém (Mohammed der "Schlaue" oder der "Schakal") kann mir leidtun. Er kann die fünfzig Goldstücke, die er schuldig



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ist, nicht aufbringen." Der andere sagte: "Du wirst sehen, sie werden den Mohammed ei hém gleich als Sklaven verkaufen."

Der Jüngste hörte es, sprang vom Pferde, gab es einem Manne zu halten und trat in das Gerichtsgebäude. Er ging an den Platz der Verhandlung und sagte: "Hier zahle ich die fünfzig Goldstücke für M'hammed ei hém. M'hammed ei hén, du bist frei." Der Verklagte warf sich vor dem dritten Sohne des Sultans nieder und sagte: "Ich danke dir! Ich will nun aber nicht frei sein, sondern ich bitte dich, daß du mir erlaubst, dir als Diener zu folgen, denn ich hoffe dir einmal von Nutzen sein zu können. Ich bitte dich, nimm mich mit. Erlaube mir, daß ich dir als Diener folge, treu wie ein Hund, bis zum Tode." Der Jüngste sagte: "Einen Diener will ich nicht an dir haben, wenn du aber mein Freund sein willst, so komm mit mir."

Der Jüngste nahm darauf M'hammed ei hém mit auf sein Pferd und ritt mit ihm nach Hause. Der Sultan stand inzwischen vor seinem Hause und sah der Rückkehr seines jüngsten Sohnes mit Ungeduld entgegen. Der Jüngste sagte indessen zu seinem neuen Freunde: "Höre, mein M'hammed, ich bin zwar der Sohn des Sulans, es ist aber sehr unsicher, ob ich nicht sehr ungnädig behandelt werde, wenn ich mit dir heimkomme. Sollte das der Fall sein, so reite nur gleich von dannen. Mein älterer Bruder wurde wegen Ungeschicklichkeit auf dem Markte zum Baumfällen, mein zweiter zum Kohlenbrennen verurteilt." M'hammed sagte: "So erkläre nur deinem Vater, dem Sultan, wenn er dich danach fragt, wie es auf dem Markte gewesen sei, du hättest einige gefunden, die hätten schlecht gehandelt, andere, die hätten mit Vorteil gehandelt, und wieder andere, die wären ohne Nutzen und Schaden aus dem Handeln herausgekommen."

Der Jüngste kam mit seinem neuen Freunde an. Der Vater hörte voller Erstaunen, was sich zugetragen hatte und sagte: "Dann eßt nur erst einmal!" Bei sich sagte der Vater: "Ich bin sehr neugierig, wie mein Jüngster sich in dieser Sache weiter verhalten und wie er gegen diesen M'hammed verfahren wird." Er hieß den Dienern, seinem Sohne und dessen Freund M'hammed Honig und Öl, Gerstenbrot und Weizenbrot zu reichen. Er blickte durch eine Spalte und sah, wie sein Sohn selbst Öl und Gerstenbrot aß, dem Freunde M'hammed aber Honig und Weizenbrot hinschob.

Als der Vater gesehen hatte, daß der Sohn dem Freunde das Bessere gab, sandte er Kuskus und Fleisch hinein. Der Jüngste unter.. brach aber das Mahl, kam zu dem Sultan und sagte: "Mein Vater,



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darf ich etwas sagen ?" Der Sultan sagte: "Sprich, mein Sohn!"Der Jüngste Sohn des Sultans sagte: "Du bist sehr gütig zu mir, mein Vater. Ehe ich aber esse, bitte ich dich, meine beiden Brüder zu rufen, die im Walde Hunger leiden, während ich und mein Freund im Überfluß leben." Der Sultan sagte: "Es soll geschehen."

Die beiden Brüder wurden aus dem Walde gerufen. Sie kamen mager und schwarz an. Der Jüngste sorgte für sie und blieb von da an derjenige, der unter den Söhnen des Sultans das Wort führte Und den die andern Brüder auch unter sich zum Sachwalter und Oberleiter erwählten. —

Eines Tages sagte der Sultan zu seinem Jüngsten: "Mein Sohn, ich werde alt. Ich möchte nicht mehr Sultan sein, übernimm du das Amt an meiner Stelle." Der Jüngste sagte: "Mein Vater, solange du lebst, bitte ich dich, Sultan zu bleiben. Wenn ich dir als Sohn in irgendeiner Weise helfen kann, so weißt du, daß ich immer da bin. Wenn du mir aber eine Freiheit erlauben willst, so bitte ich dich um die Genehmigung, in die Welt zu ziehen, um mir eine Frau zu suchen und zu diesem Zwecke meinen Freund M'hammed ei hém mitzunehmen." Der Sultan sagte: "Diese Genehmigung erteile ich dir ohne weiteres. Nimm dir aber genügend Geld mit." Der Sohn sagte: "Ich danke dir, mein Vater, wenn mich aber M'hammed begleitet, so ist das mehr wert als alle Schätze."

Der Prinz (statt Sohn des Sultans) nahm von seinem Vater Abschied und ritt mit M'hammed ei hém von dannen. Er ritt mit seinem Freunde sehr weit. Nach langer Wanderschaft kamen sie endlich in eine Stadt, in der ein Sultan lebte. Der Sultan hatte eine Tochter, die war ihrer Schönheit wegen weit und breit bekannt. Deshalb hatten sich schon viele Freier eingefunden, die um ihre Hand anhielten. Der Sultan, ihr Vater, verlangte aber von jedem Freier, daß er direkt mit seiner Tochter spreche, und er sagte dem ihre Hand zu, dem sie den Ring gab. Kam aber ein Freier ohne Ring zurück, so wurde er enthauptet, und bis dahin waren alle Freier geköpft worden.

Eines Tages, nachdem der Prinz mit M'hammed ei hém in der Stadt angekommen war, ging er durch Zufall am Hause des Sultans vorüber. Er blickte empor und sah, daß sich die Prinzessin oben gerade zum Fenster herausbeugte und dann in ihr Zimmer zurücktrat. Der Prinz blickte ihr lange nach, denn sie war schön wie das Licht der Sonne. Dann eilte er heim, suchte M'hammed ei hém auf und sagte: "M'hammed, wir sind am Ziel unserer Reise angelangt.



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Ich will die Tochter des Sultans heiraten. Nun rate mir, wie ich mich um sie bewerben und ihre Hand und den Ring gewinnen kans' ohne daß dir oder mir der Kopf abgeschlagen wird." M'hammed ei hrn sagte: "Warte, mein Prinz, über diese Sache werde ich erst nachdenken. Ich muß mir alles erst ganz genau ansehen und jede Gelegenheit auskundschaften. Dann erst will ich dir Bescheid sagen." M'hammed entfernte sich.

M'hammed ging in die Stadt und sprach mit den Leuten. Er machte mit den Dienern des Sultans Freundschaft und hörte, daß die Prinzessin in einem eignen Obergeschoß wohnte, unter der" ein grimmiger Neger Wache hielt und die Schlüssel beaufsichtigte. Nachdem er so viel gehört hatte, kaufte er sich eine Ladung Zucker, die er mit einem Kraute einrieb, einen lahmen Esel und schwarze Farbe. Er malte sich so dunkel an, daß er aussah wie ein Neger. Derart verunstaltet, zog er dann durch die Straßen der Stadt, den lahmen Esel mit der vorgerichteten Zuckerladung immer vor sich hertreibend.

M'hammed ei hém kam so bis vor das Haus des Sultans und trieb sein Tier bis dahin, wo der Neger unter dem Turmzimmer der Prinzessin Wache hielt. Der Neger stand in der offenen Tür und sah auf den schwarz angemalten M'hammed. Der Neger rief: "Ho! Wo bist du denn her? Du siehst ja auch nicht so aus, als ob du hier im Lande geboren worden wärest!" M'hammed sagte: "Das bin ich auch nicht! Ich komme aus dem Sudan." Der Neger rief: "Dann sind wir ja aus demselben Dorfe! Dann sind wir Brüder. Es ist lange her, seit ich den letzten Mann aus meinem Lande gesehen habe. Darum bitte ich dich, binde deinen Esel hier im Hofe innen an, komme zu mir in mein Wachtzimmer und teile mein Abendessen mit mir, dann können wir noch zusammen plaudern, solange du willst, — meinetwegen bis morgen früh, denn ich muß die Nacht hindurch Wache halten."

M'hammed erklärte sich einverstanden. Sie banden den Esel im Hofe an, schlossen die Vordertür von innen ab und warteten auf das Essen, das dem Neger jeden Abend vom Sultan gesandt wurde. Dies Essen bestand immer in einer riesigen Schale mit Kuskus, auf der eine schwere, große Hammelkeule lag. So groß diese Menge von Brei und Fleisch auch war, so verzehrte der Neger sie doch jeden Abend, ohne auch nur einen Bissen übrig zu lassen oder sich im Magen übermäßig beschwert zu fühlen.

Die große Schale mit Kuskus mit der großen, schweren Hammelkeule



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kam. Der Neger nickte M'hammed zu und sagte: "Nun iß mit mir, zu zweien werden wir das bald aufgegessen haben." M'hammed tat es. Er aß so viel, wie er nur vermochte, damit das, Was der Neger bekam, möglichst wenig sein möchte. So kam es denn, daß nach einiger Zeit die Schüssel leer war, ohne daß der Neger gesättigt gewesen wäre. Der Neger sah, daß er nun womöglich hungrig bleiben würde. Da packte ihn eine große Wut. Er sprang auf und Schrie: "Mann aus meinem Dorfe! Ich muß dich töten. Du hast mein Abendessen aufgegessen und ich bin nicht satt geworden. Nun muß ich dich totschlagen und nun will ich dich auffressen, damit ich endlich einmal satt werde."

M'hammed ei hém stand auf und sagte: "Beruhige dich, du Freund aus meinem Dorfe. Ich habe etwas für dich, was viel besser ist als mein Fleisch und was wir Neger über alles lieben. Ich habe auf meinem Esel eine Last Zucker. Zwar gehört der Zucker nicht mir, sondern meinem Herrn, aber wie ich mit dem fertig werde, das laß nur meine Sorge sein!" Der Neger brüllte vor Freude und schrie: "Her mit dem Zucker." Der Neger lief auf den Hof, nahm dem Esel die Last ab, trug sie herein, band sie auf und begann den Zucker mit beiden Händen in den Mund zu stecken. Da nun aber das Betäubungsmittel, das M'hammed ei hém dem Zucker beigefügt hatte, sehr stark war, so dauerte es nicht sehr lange und der Neger lag besinnungslos und völlig betäubt am Boden.

M'hammed beugte sich sogleich über den Betäubten und suchte nach dem Schlüssel zu dem Zimmer der Prinzessin. Er fand ihn am Gürtel des Negers, band ihn ab und eilte zur Treppe, die nach oben führte. Mit großer Vorsicht öffnete er die Tür. Er trat ein. Die Kammer war von einer niederbrennenden Lampe beleuchtet, die aber immer noch so viel Licht auf das Lager der Prinzessin warf, daß M'hammed ei hém heftig erschrak. Über die Prinzessin fielen nämlich nach vorn zu das Haupt und die Pranken eines Löwen. M'hammed el hém sagte bei sich: "Die schlafende Tochter des Sultans wird von einem Löwen bewacht, was soll ich nun tun?"

M'hammed ei hém wartete eine Zeitlang und sagte dann: "Der Löwe ist ja nur ein Fell! Sonst würde er atmen und mich riechen.' Er schlich dicht an die Prinzessin heran. Dann erkannte er, daß die schlafende Tochter des Sultans sich bis an den Kopf mit der Löwenhaut bedeckt hatte. M'hammed ei hém hob die Löwenhaut vorsichtig empor. Er sah die Schönheit des Mädchens und sagte: "Mit Recht wird sie Schaled-schimes (Licht der Sonne; arabisch) genannt."



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Er ergriff mit Vorsicht den Arm der Tochter des Sultans, streifte den Ring vom Finger und deckte Schaled-schimes mit dem Löwenfell wieder zu. Er zog sich zurück, verließ die Kammer, verschloß sie und stieg hinab, um dem Neger den Schlüssel wieder am Gürtel zu befestigen. Dann trieb er seinen Esel heraus, verließ das Tor, schloß es von außen ab und warf den Schlüssel herein, so daß er dem betäubten Neger vor die Füße fiel. Der Neger erwachte aber erst am andern Morgen, richtete sich auf, stierte lange vor sich hin, lachte dann laut auf und sagte: "Wahrhaftig, ich habe für einen Wächter recht lange und gut geschlafen und habe einen sehr sonderbaren Traum gehabt."

M'hammed ei hém kehrte nach Hause zurück. Er wusch die braune Farbe ab und ging zu dem Prinzen. Er sagte zu dem jüngsten Sohne des Sultans: "Ich habe dir das Versprechen gegeben, mich danach umzusehen, wie es zu machen sei, daß du dich um die Hand der Prinzessin Schaled-schimes bewirbst, ohne daß du in Gefahr kommst, wie alle früheren Freier, enthauptet zu werden. Du weißt, der Sultan hat demjenigen die Hand seiner Tochter zugesagt, der ihm den Ring von ihrem Finger bringt. Dieser Ring ist hier. Nimm ihn, gehe zum Sultan und heirate Schaled-schimes."

Der Prinz machte sich, sowie es Tag war, auf den Weg zum Sultan. Er sagte zum Sultan: "Ich bitte dich, mir deine Tochter Schaledschimes zur Frau zu geben." Der Sultan sagte: "Gehe zu ihr. Kommst du zurück und kannst mir den Ring von ihrer Hand zeigen, so soll sie deine Frau werden. Kommst du ohne den Ring zurück, so lasse ich dich töten." Der Prinz kam zur Prinzessin. Der Prinz sagte: "Schaled-schimes, dein Vater sendet mich zu dir, mit dir zu sprechen." Die Prinzessin sagte: "Ich habe einen Traum gehabt, und nun besitze ich den Ring nicht mehr." Der Prinz sagte: "Sieh, den Ring habe ich, darf ich ihn deinem Vater geben?" Die Prinzessin sagte: "Ich sehe, du hast den Ring. Gehe zu meinem Vater, dem Sultan und zeige ihm, daß du den Ring hast. Ich werde nun deine Frau werden."

Der Prinz kehrte zum Sultan zurück. Er reichte dem Sultan den Ring und sagte: "Hier ist das, was du wünschest. Nun gib mir Schaled-schimes zur Frau." Der Sultan war sehr erstaunt. Der Sultan betrachtete den Prinzen. Der Prinz hatte auf der langen Reise die Schönheit seiner Kleider eingebüßt und sah deshalb armselig aus. Der Sultan wurde zornig und sagte: "Meine Tochter hat die reichsten und bestgekleidetesten Söhne von Fürsten und Kaufleuten



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ausgeschlagen und will dich, der du nicht mehr zu sein scheinst als ein Bettler, zum Manne nehmen? Dazu werde ich meine Genehmigung nicht geben."Der Prinz sagte: "Ich bin vielleicht etwas anderes, als ich dir erscheine!" Der Sultan sagte höhnisch: "Das wäre natürlich möglich. Das will ich in Berücksichtigung ziehen. Zunächst hast du den Ring und die Einwilligung meiner Tochter und bist somit dem Tode entgangen. Nun habe aber auch ich noch einen Wunsch, den du erfüllen mußt, damit ich erkenne, ob du würdig und mächtig genug bist, meine Tochter zur Frau zunehmen. Höre: Innerhalb eines Tages bringst du mir soviel Gold, als das Gewicht meiner Tochter Schaled-schimes ausmacht, oder ich lasse dich töten."

Der Prinz ging. Der Prinz kam zu M'hammed ei heim und war tief traurig. M'hammed sagte: "Was ist dir? Du siehst nicht aus wie der glückliche Freier der Schaled-schimes." Der Prinz sagte: "Das bin ich auch nicht." Dann erzählte er, was ihm der Sultan gesagt hatte. M'hammed ei hem sagte: "Laß mich ein wenig nachdenken." M'hammed ei hém ging fort und begab sich zu einem Juden. Er fragte: "Was zahlst du hier für einen klugen und starken Mann, wie ich es zum Beispiel bin ?" Der Jude sagte: "Wie soll ich das bezahlen? Ich kann immer so hübsche Männer gebrauchen, wie du einer bist, aber die Leute bieten einem erst immer die Ware preisend an, und wenn man sie sieht, taugt sie nichts. Einen Mann, der hübsch und stark wie du bist, kann ich mit Gold aufwiegen. Aber ich bin sicher, wenn du deinen Sklaven bringst, ist er nicht halb so viel wert!" M'hammed ei hém sagte: "So schwöre mir, daß du den Mann mit Gold aufwiegen wirst, wenn er so viel wert ist wie ich." Der Jude sagte: "Ich schwöre es dir zu! Aber ich sage dazu sogleich, daß es auf mein Urteil ankommt, ob der Mann so viel wert ist wie du und nicht auf deines oder das eines Richters." M'hammed ei hém sagte: "Dein Urteil und dein Schwur entscheiden. Ich bin es selbst, der verkauft werden soll." Der Jude erschrak, denn nun mußte er seinen Schwur halten. M'hammed ei hém ließ sich sogleich abwiegen. Er sagte: "Komm Jude, wir wollen das Gold meinem Herrn bringen. Ich werde es selbst tragen." Der Jude mußte Folge leisten. Er ging mit M'hammed ei hém zu dem Prinzen. M'hammed ei hém setzte den Sack mit Gold hin und sagte: "Ich gehe für längere Zeit mit dem Juden, der da unten wartet, auf Reisen. Heirate du." M'hammed ei hém ging hinab. Der Jude brachte ihn auf einem Esel reitend nach dem Meere, um ihn auf einem Schiff nach der entgegengesetzten Küste zu bringen.



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Der Prinz brachte dem Sultan das Gold. Der Sultan war sehr erstaunt über den Reichtum, den ihm sein Schwiegersohn brachte und sagte: "Nun kann ich nichts mehr dagegen einwenden, daß du meine Tochter heiratest. Ich hätte mir aber einen angeseheneren Schwiegersohn gewünscht, deshalb werde ich nichts zu deinem ferneren Fortkommen beitragen. Sieh zu, wie du allein mit ihr fertig wirst." Der Prinz heiratete. Er sagte dem Sultan nicht, daß er der Sohn eines Sultans sei. Er hatte auch kein Geld mehr. Er zog mit seiner jungen Frau in ein kleines Haus und verdiente sein tägliches Brot als Sackträger. Er sagte zu Schaled-schimes: "Wir werden erst heimkehren, wenn mein Freund M'hammed ei hém von seiner Reise zurückgekommen sein wird. Solange müssen wir uns behelfen."



***
Inzwischen brachte der Jude M'hammed ei hém an das Schiff, um ihn über das Meer zu bringen. Er stieg zuerst in das Schiff und ließ M'hammed den Maulesel, auf dem er bis dahin geritten war, an einen Baum binden, damit ihn nachher ein Bursche abhole. M'hammed stieß dem Maulesel ein Messer in den Leib. Dann stieg auch er in das Schiff. Der Jude wollte abstoßen, da sagte M'hammed: "Jude, ich glaube, dein Maulesel ist krank. Er hat sich so ungewöhnlich hingelegt." Der Jude sagte: "Ich muß selbst einmal nachsehen und werde deshalb das Schiff noch einmal verlassen. Bleibe du auf dem Schiff." Der Jude stieg aus und ging zu dem Esel. M'hammed ei hém rief vom Schiff aus: "Ich werde also auf dem Schiff bleiben und warten, daß du mich innerhalb acht Tagen von dem Schiff abholst. Tust du das nicht, so nehme ich an, daß du mich aus deinen Diensten entläßt." Mit diesen Worten stieß M'hammed ei hém das Schiff vom Ufer ab und fuhr allein auf das Meer hinaus, während der Jude schreiend und heulend am Ufer auf- und ablief.

M'hammed fuhr drei Monate lang auf dem Meere umher. Dann sagte er: "Es scheint also, daß der Jude auf mich keinen Wert mehr legt, denn statt acht Tage hat er drei Monate lang auf sich warten lassen." Dann fuhr er auf einen Berg zu, der an der Küste aus dem Meere emporragte. M'hammed ei hém sagte: "Auf der Spitze dieses Berges liegt eine Stadt. Ich will aussteigen und sehen, was es in dieser Stadt Besonderes gibt." M'hammed ei hém brachte das Schiff an das Ufer und stieg aus.

Er ging den Berg hinauf in die Stadt. Die Stadt war sehr schön, aber nirgends traf er einen Menschen. Die Stadt lag da, als sei sie gestern verlassen worden. Die Läden waren offen. Das Gerichtsgebäude



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stand geöffnet da. Die Waffen der Polizisten standen an die Mauer gelehnt. Aber nirgends war ein Mensch, und die Stadt lag ganz still und schweigend. M'hammed ei hém ging lange umher und verwunderte sich über den Reichtum und den Überfluß, den er überall sah.

Endlich ging M'hammed ei hém in ein Haus, das ihm das schönste von allen zu sein schien. Er fand unten Speise und Wein und sättigte sich. Dann ging er weiter hinauf und sah, daß alles von Gold und von Silber war. Er erfreute sich an dem schönen Anblick, wurde aber von all dem Sehen müde und beschloß, sich in einen Winkel des schönsten Zimmers des Hauses zum Schlafe niederzulegen. Er streckte sich aus.

M'hammed lag noch nicht lange da und war noch nicht eingeschlafen, da hörte er ein zischendes und ein schleifendes Geräusch. Er richtete sich auf und sah, wie eine ungeheuerlich große Schlange in das Zimmer kam, auf den ihm gegenüberliegenden Winkel zukroch und sich dort, den an die hundert Fuß langen Leib langsam heranschleifend, zum Schlafe zusammenrollte.

M'hammed ei hém sagte: "Diese Schlange muß die Menschen dieser Stadt gefressen haben." M'hammed ei hém sah lange entsetzt auf die Schlange und gewahrte, wie sie noch einige Male blinzelte und dann einschlief. M'hammed sagte zu sich: "Jetzt muß ich Mut haben."

M'hammed ei hém sprang auf. Er ging auf die Schlange zu und sagte: "Willst du alles tun, was ich von dir verlange oder willst du von mir gegessen werden! Ich habe gerade großen Hunger." Die Schlange erschrak. Die Schlange hatte gehört, daß es Wuarssen (Riesenmenschenfresser) gäbe und hatte vor diesen große Angst. Sie glaubte, M'hammed sei ein Wuarssen und sagte: "Ich will dir gehorchen und alles tun, was du mir befiehlst. Ich bitte dich nur, lieber Wuarssen, friß mich nicht." M'hammed sagte: "Wenn du mir folgsam bist, werde ich dir nichts tun und werde dich ungegessen lassen. Zeige mir erst die Stadt und was es darin Besonderes gibt."

Die Schlange richtete sich auf. M'hammed ging heraus und ließ sich alle besonderen Häuser der Stadt zeigen. Die Schlange sagte: "Du kannst in alle Häuser ohne jede Gefahr, etwas Besonderes zu erleben, hineingehen, kannst auch an dich nehmen, was dir gefällt, denn ich habe alle Menschen dieser Stadt aufgefressen. Nur dieses Haus bietet Gefahr. In dieses Haus gehe auch ich nicht. Ich warne



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dich davor, es zu betreten, denn es ist auch für einen Wuarssen bedenklich." M'hammed sagte: "Ich danke dir für deinen Ratschlag. Nun lege dich irgendwo hin und pflege der Ruhe, in der ich dich vorhin gestört habe. Das Haus allerdings, in dem du mich getroffen hast, betritt in Zukunft ohne meine ausdrückliche Erlaubnis nicht, denn ich will darin selbst wohnen." Damit trennte M'hammed sich von der Schlange und legte sich wieder in den gleichen Winkel, den er zuerst gleich zu seiner Ruhestätte ausgewählt hatte, zur Ruhe nieder.

Nachdem M'hammed ei hém die Nacht über ausgezeichnet geschlafen und sich am andern Morgen an Speise und Trank gesättigt hatte, sagte er sich: "Nach allem, was mir die Schlange gesagt hat, ist das Bemerkenswerteste in dieser Stadt das Haus, das zu betreten sie mich gewarnt hat. Folglich werde ich mir jetzt dieses betrachten." M'hammed el hém erhob sich, verließ seine Kammer und sein Haus, ging durch die Stadt und öffnete die Türe zu dem Hause, vor dem ihn die Schlange gewarnt hatte. Er trat ein und sah, daß es fast noch prächtiger war als das, in dem er selbst gewohnt hatte. In der Mitte befand sich ein Bad, durch das warmes Wasser rann. M'hammed sagte: "Diese Gelegenheit werde ich mir nicht entgehen lassen! Er entkleidete und badete sich. Dann legte er sich in einen Winkel, um sich auszuruhen.

Er lag noch nicht lange, da vernahm er im Halbschlafe Flügelschläge. Er erwachte und sah, wie drei Tauben herniederflogen, sich auf dem Rande des Bades niederließen und ihre Federkleider ablegten. Kaum hatten sie aber ihre Federkleider abgelegt, so waren es drei wunderschöne Mädchen, die in das Wasser stiegen und sich spielend darin tummelten. M'hammed sagte bei sich: "Wahrhaftig, diese eine dort wäre gerade eine Frau für mich, mit der ich eine glückliche Ehe führen könnte." M'hammed ei hém schlich sich also ganz vorsichtig dorthin und wollte das eine schöne Mädchen fangen, da bemerkten die drei Badenden ihn, sprangen aus dem Wasser, ergriffen ihre Federkleider und flogen als Tauben von dannen.

M'hammed war sehr ärgerlich und verließ in böser Stimmung das Haus. Er ging zu der Schlange und erzählte ihr, was er erlebt hatte. Die Schlange sagte: "So warst du also doch in dem Hause und hast das, was ich dir gesagt habe, für nichts erachtet. Es ist aber bis jetzt noch jedem, der die Taubenmädchen gesehen, ergangen wie dir. Jeder möchte eine von ihnen zur Frau haben. Um dies aber zu erreichen, muß er zu guter Letzt bei dem Vater der Mädchen anhalten,



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der ein Wuarssen ist wie du, nur daß er nach allem, was ich gehört habe, viel schlimmer und böser und stärker sein muß. Wenn du nun aber deine Lust, ein Mädchen zu heiraten, nicht bewältigen kannst, so mußt du folgendermaßen verfahren: Gehe morgen nur um die gleiche Stunde wieder in das Haus mit dem heißen Bade und verstecke dich. Wenn dann die drei Tauben gekommen sind, ihr Federkleid abgelegt haben und als Mädchen baden, so versuche nicht, die Mädchen selbst zu fangen, sondern trachte danach, das Federkleid derjenigen zu erhaschen, die du zur Frau begehrst. Immerhin rate ich dir, die Sache noch gründlich zu überlegen, denn du kommst nicht darum herum, den Wuarssen, der der Vater der Taubenmädchen ist, aufzusuchen, und sein Anblick allein soll schon so grauenvoll sein, daß jeder, der ihm begegnet, vor Schrecken stirbt." M'hammed bedankte sich bei der Schlange für ihre Ratschläge, verließ sie und verbrachte den Rest des Tages, indem er durch die leeren Straßen ging, die ausgestorbenen Häuser betrat und sich merkte, wo besondere Reichtümer aufgespeichert lagen, die er dann später beim Verlassen der Stadt mitzunehmen gedachte.

Am andern Tage, nachdem er gehörig ausgeruht und gesättigt war, begab er sich wieder in das Haus mit dem warmen Bade. Wie gestern, erquickte er sich erst in dem Wasser und legte sich dann wieder in seinen Winkel, war aber heute so erregt, daß er nicht einschlafen konnte und vollkommen wach war, als die drei Tauben hereinflogen. Die drei Tauben setzten sich wieder auf den Rand des Beckens nieder, legten die Federkleider ab und stiegen in das Wasser. M'hammed merkte sich genau, wo jede einzelne ihr Kleid hinlegte und schlich dann dahin, wo das Kleid jener lag, die er sich zur Gattin ausersehen hatte.

M'hammed ei hém ergriff das Federkleid. Die drei Mädchen schrien auf und sprangen aus dem Wasser. Zwei von ihnen erfaßten ihr Federkleid, waren im Augenblick wieder Tauben und flogen zum Hause heraus. Die dritte lief weinend umher und rief: "Wo ist mein Federkleid? Wer hat meine Federn? Ich will dem, der mir meine Federn zurückgibt, alles geben, was er verlangt."

M'hammed ei hém trat hervor und sagte: "Dein Federkleid habe ich. Ich will es dir gerne wiedergeben, wenn du mir versprichst, meine Frau zu werden und mich heiraten zu wollen." Das schöne Mädchen sagte: "Ich will dir dies gerne zusagen. Es ist aber sehr schwer, denn du mußt zu meinem Vater gehen und ihn bitten, mich dir zur Frau zu geben. Mein Vater ist aber ein Wuarssen und zwar



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ein so schrecklich anzusehender, daß noch niemand seinen Anblick ertragen hat. Nun hat mein Vater sich vorgenommen, mich nur dem zur Frau geben zu wollen, der seinen Anblick erträgt, der seinen Antrag frohgemut vorträgt, und bei dessen Werbung ich selbst dann froh auflache. Du siehst also, es wird dir nicht leicht werden, mich zur Frau zu gewinnen. Willst du mir aber mein Federkleid wiedergeben, so will ich dazu beitragen, was ich kann. Auf jeden Fall werde ich dich davor schützen, daß mein Vater dich gleich tötet und verschlingt."

M'hammed el hém hörte das alles mit an. Dann gab er dem Mädchen das Federkleid und sagte: "Du kannst deine Zusage nur für dich, nicht aber für deinen Vater machen. Deshalb genügt mir das, was du mir versprochen hast. Nimm hier dein Federkleid zurück und zeige mir nun zum Schluß nur noch die Richtung, in der ich zum Hause deines Vaters kommen werde." Das schöne Mädchen nahm ihr Federkleid zurück und sagte: "Ich will es dir vom Dach des Hauses aus zeigen." Das Mädchen ging voran und M'hammed folgte. Auf dem (flachen) Dache angelangt, sagte das Mädchen: "Von hier aus kannst du genau sehen, wohin ich fliege. Damit kennst du die Richtung." Das schöne Mädchen nahm Abschied, hängte das Federkleid um, ward zur Taube und flog auf einen großen Wald zu. M'hammed ei hém merkte sich die Richtung genau und kehrte dann in sein Haus zurück, um sich für die Wanderung zu stärken.

Am andern Tage trat M'hammed ei hém die Wanderung an. Er ging den ganzen Tag über und erreichte den Wald erst mit einbrechender Dunkelheit. Er übernachtete auf einem Baum und setzte die Reise am andern Morgen so zeitig fort, daß er an diesem Tage gerade vor einbrechender Dunkelheit das Haus des Wuarssen vor sich sah. M'hammed sagte sich: "Nun werde ich schnell gehen, um anzukommen, ehe es dunkel ist. Wenn man schon einen schrecklichen Anblick ertragen will, so soll man ihn bei Licht genießen, denn im Dunkeln ist er noch schwerer zu überwinden."

M'hammed ei hém kam auf das Haus zu. Kurz vor dem Hause band er sich quer über das Gesicht noch ein Tuch und bedeckte damit ein Auge. Er sagte bei sich: "Nun werde ich, wenn ich schon erschrecke, auf der Seite, die verbunden ist, den Schrecken zur Schau tragen können, ohne daß mir daraus ein Nachteil erwächst, denn das kann niemand sehen."

M'hammed ei hém trat in das Haus, aber nur in die Haustür und sagte: "Ich werde nicht ganz hereintreten. Denn hier draußen im



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Walde habe ich geradesogut Heimatrechte wie der Wuarssen; da drinnen hat aber nur der Wuarssen Besitzrecht. Das Gefühl des Heimatrechtes wird mir aber den Mut und das Gefühl der Sicherheit vermehren."

M'hammed ei hém rief mit lauter Stimme: "Wuarssen, mein Freund, komme heraus, denn ich habe dir etwas sehr Wichtiges zu erzählen." Der Wuarssen rief von innen: "Wenn du mir etwas erzählen willst, so komme du doch herein zu mir!" M'hammed ei hém sagte: "Wenn einer den ganzen weiten Weg gelaufen ist, so kannst du doch die paar Schritte machen." Der Wuarssen sagte: "Wieviel Tage bist du gegangen? M'hammed ei hém sagte: "Zwei Tage weit!" Der Wuarssen sagte: "Dann will ich dir zwei Schritte Weit entgegengehen. Geh beiseite." M'hammed ei heim trat ins Freie Zurück und sagte: "Jetzt heißt's also nur auf der verbundenen Seite erschrecken!" Der Wuarssen machte zwei Schritte und stand vor M'hammed ei hém.

M'hammed ei hém tat so, als ob er nieste. Er nieste so zehnmal hintereinander und dachte: "Das ist allerdings schwierig. Da soll ich hinsehen. Aber während des Niesens gewöhne ich mich an den Anblick!" Als er ausgeniest hatte, trocknete er sich die Augen und sagte: "Höre, mein Freund Wuarssen, du hast mit den zwei Schritten so viel Staub aufgewirbelt, wie hundert Frauen an hundert Mahlsteinen in einem Jahre nicht an Mehl mahlen können. Und all den Staub treibst du mir in das Gesicht. Das ist nicht höflich."

Nachdem er sich Nase und Augen abgetrocknet hatte, sagte M'hammed bei sich: "Jetzt kann ich schon ganz gut hinsehen." Er blickte den Wuarssen fest an. Der Wuarssen sagte: "Nun, was hast du mir denn zu erzählen? Eile dich etwas, sonst werfe ich dich in den Kochtopf und esse dich heute abend."

M'hammed ei hém sagte bei sich: "Nun alle Kräfte zusammengenommen!" M'hammed ei hém sah den Wuarssen fest an, strengte alle seine Muskeln an und zwang die Angst herunter, daß ihm fast das Herz im Leibe gesprungen wäre vor Anstrengung, und dann lachte M'hammed ei hém und sagte: "Hat man je gehört, daß ein Vater seinen eignen Sohn in den Kochtopf wirft und nachher verzehrt? Höre, Freund Wuarssen! Laß das wilde Gesicht und überwinde du den Zorn, so wie ich die Angst überwunden habe. Danach gib mir dann deine Tochter zur Frau!"

In diesem Augenblick begann das schöne Mädchen im Hause zu lachen. Der Wuarssen sagte: "Nun kann ich dir allerdings meine



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Tochter nicht mehr verweigern, komm in das Haus." M'hammed ei hém band das Tuch ab und trat in das Haus. Er blieb einige Tage bei dem Wuarssen, der ihm das schöne Mädchen zur Frau gab.

Dann nahm M'hammed aber von dem Wuarssen Abschied und wanderte mit seiner jungen schönen Frau zurück in die Stadt der Schlange. M'hammed trug dann mit seiner Frau alle besonderen Schätze zusammen, die die Stadt barg; er trug sie herab in das Boot und fuhr von dannen. Nahe der Stadt, in der Schaled-schimes, trotzdem sie die Tochter des Sultans war, als arme Frau des armen Sackträgers lebte, stieg M'hammed ei heim an Land. Er verkaufte einige Kleinigkeiten und stellte dann eine große Karawane zusammen, mit der er samt seiner jungen Frau und allen seinen Schätzen zur Stadt des Vaters der Schaled-schimes zog. Kurz vor der Stadt lagerte er noch einmal und sandte einige Boten voraus mit dem Auftrage, ihm ein gutes Zeltlager zu errichten.

Diese Boten kamen an. Sie erzählten so viel von der Pracht und dem Reichtum ihres Herrn, daß der Sultan, der Vater der Schaledschimes, und alle Leute der Stadt glaubten, der fremde Reisende müsse ein großer Sultan sein, der nur seinen Namen und seine große Bedeutung verberge.

Alle Leute zogen ihm also unter Anführung des Sultans entgegen. Der Sultan begrüßte M'hammed ei hém mit vielen Worten. M'hammed ei hém antwortete nicht; M'hammed sah sich überall nach dem Prinzen um; endlich erkannte er ihn unter den schmutzigsten Leuten. Der Prinz aber erkannte seinen früheren Freund und Diener nicht.

M'hammed wurde auf den Männerplatz geführt, wo ihm der Kaffee gereicht wurde. Der Sultan wollte sich auf die rechte Seite M'hammeds setzen. M'hammed ei heim blickte über ihn hinweg und rief den schmutzigen Sackträger heran, daß der sich auf seine rechte Seite setze. Danach sprach M'hammed ei hém so viel mit dem Sackträger, daß sich alle Leute und auch der Prinz sehr verwunderten, denn er erkannte seinen alten Freund und Diener noch immer nicht. Dagegen sprach M'hammed ei heim wohl viel mit dem Sackträger und allerhand auch mit diesem und jenem unter den angesehenen Männern der Stadt, nicht ein Wort aber mit dem Sultan, so daß sich alle Leute sehr verwunderten, am meisten aber der Sultan. Der Sultan konnte die ganze Nacht nicht schlafen und beschloß, am andern Tage den vornehmen Fremden vor aller Welt deswegen zur Rede zu stellen.



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Am andern Tage hatte M'hammed ei hém sein Zeltlager mit aller kostbarkeit herrichten und schmücken lassen und bat als Dank für den freundlichen ihm bereiteten Empfang alle Männer der Stadt, an diesem Tage bei ihm zu Gaste zu sein. Es kamen auch alle Männer. M'hammed wies jedem seinen Platz an. In der Mitte hatte er Seidene Kissen hinlegen lassen. Der Sultan kam und wollte sich daraufsetzen. M'hammed wies ihm schweigend den Platz zur Rechten des Kissens an. Noch schwieg der Sultan. Als einer der letzten kam der Sackträger. Da erhob sich M'hammed ei hém ging dem Sackträger entgegen und warf sich vor ihm nieder. Dann führte er ihn zu dem Platze, an dem die seidenen Kissen lagen und bat ihn, darauf niederzusitzen.

Der Sultan wurde zornig. Er sagte: "Ich weiß nicht, aus welchem Lande du bist. Aber erkläre mir, warum du mit mir, dem Sultan, kein Wort sprichst und mich, den Sultan, auf eine schlechte Stelle setzest und dem armen Sackträger so viel Aufmerksamkeit erweist, ja ihm sogar den Ehrenplatz zwischen dir und mir gibst."

M'hammed ei hém lachte und sagte: "Sultan, du setzest mich nicht weniger in Erstaunen, als dich mein Gebaren gewundert hat. Denn ich habe nichts anderes getan, als du mir vorgemacht hast und habe doch dabei das, was du ungerecht getan hast, meinerseits gerecht getan. Auch du hast den Herrn mißachtet und den Diener geehrt und du denkst, ich hätte es gleicherweise getan. Ich habe mich aber von dem Scheine frei gemacht und die Wahrheit als solche betont."

Danach wandte sich M'hammed ei hirn an alle Anwesenden und sagte: "Ihr werdet auch meinen, dieser eine, hier sei ein großer Sultan und der andere sei ein armer Sackträger und sonst nichts. So wißt denn, daß dieser Sultan nur ein Tagessultan ist, denn seine Mutter war eine Brotverkäuferin und sein Vater ein Bäcker. Dieser Sackträger aber, der den Tagessultan erhöht hat, indem er seine Tochter geheiratet hat, ist der Sohn eines großen Sultans und wird nach seiner Heimkehr Sultan werden. Ich aber, den ihr als den verkleideten Sultan begrüßt habt, ich bin nichts als der Diener dieses großherzigen Prinzen."

M'hammed ei hém rüstete alles für die Heimkehr. Von nun an konnten der Prinz und seine Prinzessin, die schöne Schaled-schimes, in allem Wohlbehagen leben, bis M'hammed ei heim sie glücklich in die Heimat geführt hatte. Als sie in die Nähe der Stadt des Sultans kamen, sandte M'hammed ei hém Boten voran und ließ sagen:



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"Sultan, dein jüngster Sohn kommt mit seiner Gemahlin heini! Sende Trommler und Musikanten entgegen."

Da sandte der Sultan Trommler und Musikanten entgegen, und er bestieg selbst ein Pferd und ritt bis an das Tor, um seinen Sohn zu begrüßen. Danach veranstaltete er ein Fest, das dauerte sieben Tage. Die Freundschaft des Prinzen mit M'hammed ei hém währte aber bis an beider Lebensende.



42. Der mißachtete Kabylensohn

Ein Achim (=Häuptling; Fürst) hatte drei Frauen. Seine erste und zweite Frau waren Araberinnen. Seine dritte Frau war eine Kabylin. Jede der drei Frauen hatte ein Kind. Die drei Kinder waren Knaben und gleich alt. Als die Knaben klein waren, lebten sie in Freundschaft und Liebe. Als sie aber große Burschen geworden waren, begannen die Söhne der Araberinnen den Sohn der Kabylin zu mißhandeln. Der Sohn der Kabylin wurde mißachtet. Er litt sehr. Der mißachtete Sohn war sehr unglücklich.

Eines Tages kam der mißachtete Sohn zu seinem Vater und bat ihn: "Mein Vater, laß mich von hier weg eine Wanderung unternehmen." Der Achnim sagte: "Mein Sohn, du bist noch zu jung; bleibe noch bei mir." Der mißachtete Sohn sagte: "Wenn ich hier bleiben muß, werde ich eines Tages sterben." Er bat den Vater so lange, bis dieser ihm die Erlaubnis gab. Als die beiden Söhne der Araberinnen hörten, daß der Vater dem mißachteten Sohne die Erlaubnis, von dannen auf die Wanderung zu gehen, gegeben hatte, baten sie auch darum. Der Vater wollte zunächst nicht einwilligen, dann aber stimmte er zu.

Die drei Söhne bereiteten ihre Wanderung vor. Die Mütter kochten ihnen Essen. Sie nahmen von ihren Müttern Abschied. Sie gingen zu ihrem Vater. Der Vater sagte zu ihnen: "Hier nehmt dies Gold mit euch. Wandert nun, wohin ihr wollt. Nur in dem Goldwald (atherar-d'd€b) und dem Silberwald (atherar alfed'ha) verbiete ich euch, zu übernachten. Dies Geheimnis ist nicht unseres und muß bewahrt werden. Ich glaube nicht, daß ihr stark genug seid, uni aus dem Goldwald und dem Silberwald lebend wieder herauszukommen. Versprecht mir (schwört mir), daß ihr dieses Verbot halten wollt." Die drei Söhne versprachen es, und der Vater ließ sie gehen.



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Die drei Burschen wanderten weit fort. Sie kamen aber eines Tages in den Goldwald. Ehe sie ihn aber durchzogen hatten, wurde es Nacht. Die beiden Söhne der Araberinnen fürchteten sich, in der Nacht noch weiterzuwandern. Sie sagten: "Kommt, laßt uns hier niederlegen und schlafen." Der mißachtete Sohn der Kabylin sagte aber: "Wir haben unserem Vater versprochen, im Goldwald nicht zu übernachten. Kommt, wir wollen weitergehen!" Die Söhne der beiden Araberinnen aber zwangen den mißachteten Bruder, auch im Wald zu bleiben und zu übernachten.

Die Söhne der Araberinnen schlugen ein Zelt für sich, der Sohn der Kabylin auch eines für sich auf. Sie legten sich zum Schlafen nieder. Als es Mitternacht war, kam Lephsa (der Drache) durch den Wald. Er brüllte und schrie. Die beiden Söhne der Araberinnen fürchteten sich und versteckten sich in ihrem Zelte hinter dem Gepäck. Der mißachtete Bruder nahm seinen Säbel und trat aus dem Zelte. Lephsa kam. Lephsa kam auf den mißachteten Sohn zu. Der mißachtete Sohn ergriff seinen Säbel und schlug Lephsa den Kopf ab. Lephsa starb. Der mißachtete Sohn ging wieder in sein Zelt und schlief.

Am andern Morgen traten die Söhne der Araberinnen aus ihrem Zelt. Sie sahen den toten Drachen. Sie gingen zum Zelt des mißachteten Bruders und sagten: "Komm heraus und sieh, was wir diese Nacht getötet haben." Der mißachtete Bruder trat heraus. Er sah den Drachen, den er getötet hatte und sagte: "Ja, ihr seid meine starken Brüder. Ich stehe unter eurem Schutze. Ihr habt mir das Leben gerettet." Die Brüder packten ihre Sachen auf die Tiere und zogen weiter.

Am andern Tage kamen sie in den Silberwald. Ehe sie ihn aber durchwandert hatten, wurde es Nacht. Die beiden Söhne der Araberinnen fürchteten sich wieder, in der Nacht noch weiterzuwandern. Sie sagten: "Kommt, laßt uns hier niederlegen und schlafen." Der mißachtete Sohn der Kabylin sagte aber wieder: "Wir haben unserem Vater versprochen, im Silberwald nicht zu übernachten. Kommt, wir wollen weitergehen!" Die Söhne der beiden Araberinnen aber zwangen den mißachteten Bruder, auch im Silberwald zu bleiben und zu übernachten.

Die Söhne der Araberinnen schlugen ein Zelt für sich, der Sohn der Kabylin auch eines für sich auf. Sie legten sich zum Schlafen nieder. Als es Mitternacht war, kam wieder ein Drache durch den Wald. Er brüllte und schrie. Die beiden Söhne der Araberinnen



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fürchteten sich noch mehr als das erstemal und versteckten sich hinter dem Gepäck. Der mißachtete Bruder nahm aber seinen Säbel und trat aus dem Zelte. Lephsa kam. Lephsa kam auf den mißachteten Sohn zu. Der mißachtete Sohn ergriff seinen Säbel und schlug Lephsa den Kopf ab. Lephsa starb. Der mißachtete Sohn sah um sich.

Als er sich umwandte, sah der Mißachtete in der Entfernung ein Licht. Er ging auf das Licht zu. Je näher er kam, desto mehr erstrahlte das Licht. Er kam näher und sah, daß das Licht von einem Mädchen ausging. Das Mädchen war gekleidet in seine lang herabhängenden Haare. Es war so schön, daß es ein großes Licht um sich verbreitete. Das Mädchen sah den Mißachteten, winkte ihm und sagte: "Komm, du sollst mein Mann werden. Denn ich soll den heiraten, der den Drachen tötet. Du hast mich befreit." Der mißachtete Sohn der Kabylin sagte: "Ja, ich werde dich heiraten. Bleib aber noch hier. Ich hole dich. Behalte meinen Schuh (als Pfand)." Der mißachtete Bursche zog seinen Schuh aus und gab ihn dem schönen Mädchen. Der Schuh des Burschen war aber so klein, daß ihn kein anderer Mann über den Fuß bringen konnte. — Dann kehrte der mißachtete Sohn der Kabylin wieder in sein Zelt zurück, legte sich nieder und schlief bald darauf ein.

Am andern Morgen traten die zwei Söhne der Araberinnen wieder aus ihrem Zelt. Sie sahen den toten Drachen. Sie gingen zum Zelt des mißachteten Bruders und sagten: "Komm heraus und sieh, was wir diese Nacht getötet haben." Der mißachtete Bruder trat heraus. Er sah den Drachen, den er getötet hatte und sagte: "Ja, ihr seid meine starken Brüder. Ich stehe unter eurem Schutz. Ihr habt mir das Leben gerettet." — Die drei Brüder packten ihre Sachen auf die Tiere und zogen weiter.

Sie kamen aus dem Silberwald. Sie waren noch ein Stück weitergekommen, da sagte der mißachtete Sohn der Kabylin: "A-zurr! (Ausruf wie hallo!) Ich habe meinen einen Schuh vergessen, wir müssen zurückkehren." Die zwei Brüder sagten: "Du wirst doch wegen eines Schuhes nicht in den Wald des Drachen zurückkehren wollen! Komm mit bis zum nächsten Markt, da werden wir dir einen neuen Schuh kaufen!" Der mißachtete Sohn sagte: "Nachher werdet ihr zu unserem Vater sagen: ,Unser Bruder hat seinen Schuh vergessen; wir mußten ihm neue Schuhe auf dem Markt kaufen!' So werdet ihr sagen und spotten. Das will ich nicht. Lieber kehre ich zurück. Wandert ihr nur weiter." Damit machte der mißachtete Sohn kehrt und ritt in den Silberwald zurück.



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Er ritt in den Silberwald. Er ritt im Silberwald hin, bis er zu dem Schönen Mädchen kam. Er nahm das schöne Mädchen mit auf das Pferd und ritt mit ihm wieder aus dem Silberwald heraus. Sie ritten Weit fort. Als es Mittag war, wurde es sehr heiß. Sie kamen an einen Baum. Sie stiegen an dem Baume ab. Sie legten ihre Oberkleider ab Und setzten sich in den Schatten. Das schöne Mädchen hatte einen herrlichen Schmuck. Sie zeigte ihn dem Burschen. Der Bursche betrachtete den Schmuck. Das Mädchen war vom Reiten und von der Sonne müde und schlief ein. Der Bursche betrachtete den Schmuck. Auf dem Baume saß ein Rabe (tajarpha). Der Rabe sah den Schmuck. Als der Bursche den Schmuck auf der flachen Hand in die Sonne hielt, flog der Rabe herab und riß dem Burschen den Schmuck aus der Hand. Der Rabe flog mit dem Schmuck davon.

Der Bursche erschrak darüber, daß der Schmuck des schönen Mädchens so abhanden kommen könne. Der Bursche sprang auf und rannte dem Raben nach. Der Rabe flog auf einen entfernten Baum. Der Bursche folgte. Als der Bursche an den Baum kam, flog der Rabe auf und weiter und der Bursche immer hinterher, so daß er nicht mehr wußte, wo er war. Er rannte immer weiter dem Raben nach. Er lief Tag und Nacht dem Raben und dem gestohlenen Schmuck nach.

Das schöne Mädchen wachte inzwischen auf. Sie sah sich nach dem Burschen um. Der Bursche war weggelaufen. Sie sah nach dem Schmuck. Der Schmuck war nicht mehr da. Das schöne Mädchen sagte: "Hier ist ein Unglück geschehen. Der Bursche wird eines Tages aber wiederkommen. So lange will ich die Reise fortsetzen." Das schöne Mädchen zog die Oberkleider, die der Bursche bei seinem Weglaufen liegen gelassen hatte, an. Sie verkleidete sich als Mann. Sie bestieg das Pferd und ritt weiter.

Nachdem sie ein weites Stück geritten war, kam das verkleidete Mädchen in einen Ort, in dem waren die Menschen von allen Seiten zusammengekommen und liefen aufgeregt umher. Das verkleidete Mädchen fragte ein Kind: "Was gibt es hier?" Das Kind sagte: "Hier ist ein Mann, der ein Verbrechen beging und nun vom Chranim (Richter) abgeurteilt werden soll." Das verkleidete Mädchen sagte zu dem Kind: "Willst du mir nicht den Weg zum Chranim zeigen?" Das Kind sagte: "Das will ich sehr gerne tun." Das Kind brachte das verkleidete Mädchen zu dem Richter.

Der Richter war erstaunt über die Schönheit des jungen Mannes. Der Richter stand auf, ging auf das verkleidete junge Mädchen zu



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und sagte: "Sei gegrüßt! Sei gegrüßt! Fremder, was kann ich für dich tun? Das verkleidete Mädchen sagte: "Erzähle mir, was hier geschehen ist." Der Richter sagte: "Ein Mann hat einen anderen getötet. Nun soll er wieder getötet werden." Das verkleidete Mädchen sagte: "Schenke mir sein Leben!" Der Richter sagte: "Ich kann es dir nicht abschlagen. Du sollst sein Leben haben." Die Leute hörten es auf der Straße. Die Leute jubelten. Sie schrien vor Freude. Andere Leute kamen dazu. Die anderen Leute fragten: "Was ist?" Die jubelnden Leute sagten: "Das Recht ändert sich. Ein Töter wird nicht wieder getötet. Die Güte waltet." Die Hinzugekommenen fragten: "Wer hat das erreicht?" Die jubelnden Leute sagten: "Der schöne Jüngling, der soeben angekommen ist, hat das erreicht." Am andern Tage kam das Volk zu dem Chranim und bat ihn: "Mache den schönen Jüngling, der gestern angekommen ist, zu deinem Nachfolger!" Der Richter tat es.

So wurde das schöne verkleidete Mädchen zum Nachfolger des Richters.

Eines Tages ging das verkleidete Mädchen hin und badete. Die Tochter des Richters sah zum Fenster hinaus. Als das verkleidete Mädchen sein Oberkleid abgelegt hatte, strahlte es vor Schönheit. Die Tochter des Richters sah es. Die Tochter des Richters ging zu ihrer Mutter und sagte: "Meine Mutter; ich habe etwas so Schönes gesehen, daß ich erschrocken bin. Ich habe den jungen Mann gesehen, den mein Vater zu seinem Nachfolger gemacht hat. Er ist schön wie ein Stern (itheri). Ihn muß ich zum Mann haben." Die Mutter sagte: "Beruhige dich!" Das Mädchen legte sich aber nieder und bekam das Fieber (thaula). Sie stöhnte: "Meine Mutter, ich muß den Mann heiraten!" Die Mutter sagte: "Das ist so nicht angängig! Wer kennt diesen Mann? Er ist erst seit wenigen Tagen bei uns." Die Tochter sagte: "Ich will diesen Mann heiraten! Ich muß diesen Mann heiraten! Ich werde diesen Mann heiraten!"

Die Mutter des Mädchens ging zum Richter und sagte: "Deine Tochter hat deinen Nachfolger (luorth) gesehen. Sie sagt, er wäre ein Mann, so schön, daß Licht von ihm ausgehe. Deine Tochter wünscht diesen Mann zu heiraten." Der Richter sagte: "Ich werde mit dem jungen Mann sprechen. Der Richter rief den jungen schönen Mann und fragte ihn: "Willst du meine Tochter heiraten?" Das verkleidete Mädchen sagte: "Ich bin soeben erst angekommen! Wie wäre es möglich, daß ich deine Tochter heirate, wo mich niemand hier kennt!" Der Richter sagte: "Du hast unrecht! Ich habe



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großes Vertrauen zu dir! Ich gebe dir meine Tochter zur Frau, Wenn du sie annimmst." Das verkleidete Mädchen mußte zustimmen. Der Richter sagte der Mutter, daß seine Tochter den jungen Schönen Mann heiraten könne. Die Mutter sagte es der Tochter. Die Tochter sprach: "Wir wollen das Fest bald veranstalten." Die Tochter drängte zur Hochzeit.

Die Hochzeit wurde gefeiert. Als die verkleidete Jungfrau in der Nacht in die Kammer kam, in der die Tochter des Richters auf ihn Wartete, begann sie zu beten. Sie hörte mit Beten nicht auf bis zum nächsten Morgen. Die Tochter des Richters lag auf ihrem Lager und Wartete, daß der junge schöne Mann zu ihr kommen würde. Das verkleidete Mädchen betete aber bis zum anderen Morgen. Die Tochter des Richters fieberte vor Erregung. Das verkleidete Mädchen betete. Am andern Morgen war die Tochter des Richters tief betrübt. Sie ging zu ihrer Mutter und sagte: "Mein Mann hat die ganze Nacht gebetet und sich nicht nach mir umgesehen." Die Mutter sagte: "Warte die nächste Nacht ab."

Als die zweite Nacht heranbrach, trat das verkleidete Mädchen wieder in die Kammer der Tochter des Richters und begann zu beten. Die Tochter des Richters lag auf ihrem Lager und harrte des Gatten. Das verkleidete Mädchen betete. Da sagte die Tochter des Richters: "Höre, mein Gatte! Bete nicht bis zum nächsten Morgen. Ich bedarf deiner." Da begann das verkleidete Mädchen zu weinen und sagte: "Lekoin! (Ausruf.) Ich bin ja ein Mädchen (zachschisch) wie du. Aber ich bitte dich, wahre mein Geheimnis!" Das verkleidete Mädchen erzählte der Tochter des Richters alles, wie es sich begeben hatte. Das verkleidete Mädchen sagte: "Wenn mein Mann heimkehrt, wird er uns alle beide heiraten." Die Tochter des Richters sagte: "Es ist mir recht so! Die Tochter des Richters sagte am andern Tage nichts von dem, was sie gehört hatte. Sie sagte zur Mutter nur: "Jetzt ist alles in Ordnung!"

Inzwischen lief der Bursche immer weiter hinter dem Raben mit dem gestohlenen Schmuckstück her. Zuletzt verlor er den Raben aus den Augen. Er kam nun in eine Stadt (thanedint) , in der er niemand kannte. Er fragte nach Arbeit. Er fand einen Juden (uthä[i]), der gab ihm Arbeit. Er bearbeitete die Felder des Juden. Eines Tages bearbeitete er den Acker des Juden mit einer Hacke (ageithim) und warf die Erde um. Da entdeckte er einen Topf mit Gold. Er brachte den Topf mit dem Golde zu dem Inhaber des Ackers, dem Juden, und sagte: "Hier diesen Topf voll Gold habe



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ich auf deinem Acker gefunden." Der Jude sagte: "Ich will diesen Topf mit Gold nicht haben. Gott hat ihn dir gegeben. Ich habe im vorigen Jahre den Acker an derselben Stelle umgeworfen und den Topf mit Gold nicht gefunden. Also kann er erst kürzlich hingestellt sein. Nimm das Gold (d'eheb) und werde damit glücklich." Da nahm der Bursche das Gold und verließ damit die Stadt.

Der Bursche zog mit dem Golde weiter. Er kam an einen Ort am Meere. Er ging auf ein Schiff und stellte seinen Topf mit Gold darauf. Er schrieb seinen Namen auf den Topf und sagte zu dem Schiffseigentümer: "Bewahre ihn. Ich gehe noch einmal an das Land und komme sogleich wieder." Dann ging er noch einmal an das Land. Das Schiff fuhr aber ab und war in zwei Monaten nicht zurück zu erwarten. Als der Bursche wieder an das Ufer kam, war das Schiff abgefahren und er mußte zu Fuß gehen. Der Bursche wanderte also zu Fuß weiter.

Das Schiff mit dem Goldtopf des Burschen kam inzwischen zu dem Hafen und der Stadt, in der das verkleidete Mädchen als Nachfolger des Richters lebte. Das verkleidete Mädchen aber ging jedesmal, wenn ein Schiff ankam, an das Ufer und untersuchte das Schiff. Als das verkleidete Mädchen das Schiff, auf dem der Goldtopf des Burschen stand, betrat, sah es diesen und die darauf gezeichneten Schriftzeichen (lah(e)-thaib). Das verkleidete Mädchen erkannte den Namen ihres Gatten. Sie fragte den Schiffsführer: "Wo ist der Mann, dem dieser Topf gehört?" Der Schiffsführer sagte: "Der Mann, der den Topf in mein Schiff stellte, ging vor der Abreise nochmals an Land und wir fuhren ab, ehe er zurückkam." Da befahl das verkleidete Mädchen im Namen des Richters dem Schiffsführer, sogleich noch einmal zurückzufahren. Der Schiffsführer tat es. Er kam zu der Stadt zurück, von der er ausgefahren war. Der Bursche war aber inzwischen zu Fuß weitergewandert und nicht mehr zu erreichen.

Inzwischen wanderte der Bursche zu Fuß weiter. Er kam zu einer Stadt, in der regierte ein Chranem, der eine Tochter besaß. Der Chranem hatte einen großen Garten, in dem stand ein großer Baum. Jeder, der sich um die Tochter des Chranem bewarb, erhielt von dem Chranem eine Axt (aschakör oder aschachor) und den Befehl, diesen Baum umzuschlagen. Der Chranem sagte dazu: "Entweder es gelingt dir, den Baum umzuschlagen und dann erhältst du meine Tochter zur Frau, oder es gelingt dir nicht und ich töte dich."Bis jetzt war es noch keinem Bewerber um die Tochter des Chranem



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gelungen, den Baum zu fällen, und sie waren noch alle getötet Worden. Denn der Baum richtete sich nach jedem vierten Schlage Wieder auf.

Der Bursche kam in den Garten des Chranem und sah den Baum. Er sah auf dem Baum das Nest eines Raben. Der Rabe saß daneben. Der Bursche erkannte den Raben. Es war der Rabe, der ihm den Schmuck des schönen Mädchens gestohlen hatte. Der Bursche sprach zu den Leuten: "Kann man den Baum umschlagen?" Die Leute sagten: "Wenn du den Baum umschlägst, gibt dir der Chranem seine Tochter zur Frau. Bewirb dich also um sie. Wir warnen dich aber, denn nach jedem vierten Schlage richtet der Baum sich wieder auf. Und wenn es dir nicht gelingt den Baum umzuschlagen, wird der Chranem dich töten." Der Bursche ging darauf zum Chranem und sagte: "Ich will den Baum umschlagen." Der Chranem gab ihm die Axt und sagte: "Nimm die Axt. Wenn es dir gelingt, erhältst du meine Tochter zur Frau, gelingt es dir nicht, werde ich dich töten."

Der Bursche sagte: "Ich werde den Baum mit drei Hieben fällen." Der Bursche nahm die Axt und ging in den Garten. Der Chranem und seine Leute folgten ihm. Der Chranem wußte, daß der Baum mit drei Schlägen zu fällen war, nicht aber mit zehn. —Der Bursche setzte die Axt an. Der Bursche führte drei starke Hiebe. Der Baum wankte. Da packte der Bursche den Baum mit den Händen und brach das Letzte mit einem Griff durch. Der Baum stürzte. Der Rabe flog auf und davon. Der Bursche sprang auf das Nest zu. Er fand darin den Schmuck. Er nahm den Schmuck an sich. Der Chranem sagte zu dem Burschen: "Ich will dir meine Tochter zur Frau geben, denn du hast den Baum gefällt." Der Bursche sagte: "Ich will deine Tochter nicht; ich habe nur des Rabennestes wegen den Baum gefällt. Ich suchte mein Schmuckstück, das der Rabe mir gestohlen hatte. Ich habe es in dem Nest gefunden. Deine Tochter ist mir gleichgültig." Der Bursche nahm Abschied und ging weiter.

Der Bursche ging sehr weit. Er war bestaubt und schmutzig und seine Kleider waren zerrissen. Der Bursche kam in die Stadt, in der seine schöne, junge Frau in Verkleidung lebte und der Nachfolger des Richters war. Der Bursche ging auf den Tajemait (Männerplatz). Der Bursche saß da. Das verkleidete Mädchen war auch da. Der Bursche fragte: "Wo kann ich hier baden ?" Das verkleidete Mädchen erkannte seine Stimme und sagte zu dem Inhaber eines Bades: "Führe den Mann in dein Bad. Wenn er gebadet hat,



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bringe ihn zu mir." Der Inhaber des Bades nahm den Burschen mit sich. Er führte den Burschen in sein Bad. Der Bursche legte seine Kleider ab und badete. Während er badete, untersuchte der Inhaber des Bades die Kleider des Burschen und fand den Schmuck. Er nahm den Schmuck heraus und versteckte ihn.

Nachdem der Bursche gebadet hatte, kleidete er sich wieder an. Er griff in die Tasche seiner Kleider, um nach dem Schmuck zu suchen. Der Schmuck war nicht mehr in dem Kleide. Der Bursche sagte zu dem Inhaber des Bades: "Du hast mir meinen Schmuck genommen, gib mir meinen Schmuck wieder." Der Inhaber des Bades sagte: "Wie kannst du mir solches vorwerfen? Ein Bettler wie du, stiehlt, aber wird nicht bestohlen. Wer von uns beiden ist es, der bestohlen werden kann, ich, der reiche Inhaber des Bades, oder du, der nichts hat?" Der Bursche sagte: "Gib mir meinen Schmuck, oder ich gehe zum Richter." Der Inhaber des Bades sagte: "So geh doch zum Richter! Sieh, ob man dir glaubt. Wenn du aber vernünftig sein willst, so schenke ich dir ein neues Kleid. Das ist für dich besser als ein Schmuck, an dem du kein Recht hast." Der Bursche sagte: "Ich will meinen Schmuck." Der Inhaber des Bades sagte: "Sei kein Narr und nimm das Kleid."

Der Bursche sagte: "So werde ich zum Richter gehen." Der Inhaber des Bades sagte: "Du wirst nicht zum Richter gehen. Der Nachfolger hat befohlen, daß ich dich nach dem Bade zu ihm bringe, und was der Nachfolger sagt, muß geschehen." Der Bursche sagte: "Gut, so führe mich zum Nachfolger." Der Inhaber sagte: "Zieh aber das neue Kleid an. In dem alten Fetzen kannst du nicht zu dem Nachfolger gehen." Der Bursche sagte: "Ich will dein neues Kleid nicht; ich will meinen Schmuck. Nun bringe mich in meinem alten Kleid zum Nachfolger." Der Inhaber des Bades sagte: "So komm!"

Der Inhaber des Bades brachte den Burschen zu dem Nachfolger. Das verkleidete Mädchen sah den Burschen und wußte nun, daß es ihr Mann war. Der Bursche sagte: "Der Inhaber des Bades hat mir, während ich badete, aus meinem Kleid einen Schmuck genommen und will mir dafür ein Kleid geben. Ich aber will meinen Schmuck wiederhaben und kein neues Kleid, denn der Schmuck gehört nicht mir. Wenn der Inhaber des Bades nicht sogleich meinen Schmuck hierher bringt, so werde ich das machen, was mein Vater einmal tat, als man ihm seinen Esel unterwegs stahl." Der Inhaber des Bades wurde von Angst befallen. Er sagte: "Ich habe einen Schmuck



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und werde ihn bringen, er gehört aber nicht dem Burschen." Das verkleidete Mädchen sagte: "So bringe den Schmuck her." Der Inhaber des Bades ging, holte den Schmuck und gab ihn dem Nachfolger.

Das verkleidete Mädchen betrachtete den Schmuck. Es sah, daß es ihr Schmuck war. Das verkleidete Mädchen sagte zu dem Inhaber des Bades: "Wenn der Schmuck nicht dem Burschen hier gehört, So sage mir, wo du ihn her hast." Der Inhaber des Bades sagte:: ',Ich habe ihn von meinem Vater geerbt." Das verkleidete Mädchen Sagte zu dem Burschen: "Wenn der Schmuck nicht dem Inhaber des Bades gehört, so sage mir, wo du ihn her hast." Der Bursche Sagte: "Das ist eine lange Geschichte." Das verkleidete Mädchen Sagte: "So erzähle die Geschichte." Der Bursche erzählte die ganze Geschichte. Als der Bursche die Geschichte zu Ende erzählt hatte, fragte das verkleidete Mädchen den Inhaber des Bades: "Was sagst du hierzu?" Der Inhaber des Bades sagte: "Der Bursche lügt." Das verkleidete Mädchen sagte: "Was soll ich nun dem tun, der hier lügt?" Der Inhaber des Bades sagte: "Weise ihn aus dem Lande." Das verkleidete Mädchen sagte: "Den Schmuck nehme ich zunächst an mich. Morgen wird der Nachfolger zu Gericht sitzen. Der Inhaber des Bades mag nach Hause gehen. Den Burschen hier will ich eingeschlossen halten, daß er uns nicht entrinne." — Der Bursche wurde gefangen gesetzt.

Als der Bursche eingeschlossen war, kam das verkleidete Mädchen zu ihm und sagte: "Wenn dir der Schmuck gehört, will ich ihn dir abkaufen, was willst du dafür haben ?" Der Bursche sagte: "Der Schmuck gehört nicht mir, er gehört meiner Frau. Ich kann ihn dir nicht verkaufen." Das verkleidete Mädchen drang in ihn. Der Bursche gab das Recht am Schmuck nicht fort. Das verkleidete Mädchen sagte: "Heute abend wirst du die Folgen deiner Starrheit sehen." Das verkleidete Mädchen ging. Das verkleidete Mädchen ging zu der Tochter des Chranem und sagte: "Freue dich, unser Gatte ist angekommen."

Als es Abend war, wurde dem Burschen ein neues Kleid gebracht. Er zog es an. Der Bursche wurde in das Haus des Nachfolgers geführt. Er kam in das Schlafgemach, in dem viele Öllampen (meswah) brannten. Es war ein starker Glanz. ,Der Bursche sagte: "Wo bringt ihr mich hin? Das ist die Wohnung einer Frau."Das verkleidete Mädchen hatte die Kleider angelegt, die der Bursche damals zurückließ, als er dem Raben nachlief. Das verkleidete Mädchen hatte den



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Schmuck angelegt, den der Rabe gestohlen hatte. Das verkleidete Mädchen sagte: "Kennst du diese Kleider nicht?" Der Bursche erkannte die Kleider. Der Bursche erkannte das Mädchen. Der Bursche umfaßte das Mädchen. Das schöne Mädchen sagte: "Du hast noch eine zweite Frau." Sie führte ihm die Tochter des Richters zu.

Am andern Tage saß der Bursche als Nachfolger zu Gericht. Er ließ den Inhaber des Bades vorführen. Er sagte zu ihm: "Hast du einen Zeugen dafür, daß der Schmuck dir gehört?" Der Inhaber des Bades sagte: "Ich habe keinen Zeugen." Der Bursche sagte: "Hier aber ist ein Zeuge dafür, daß die Geschichte mit dem Raben wahr ist und der Schmuck der Frau des Burschen gehört." Der Bursche ließ seine schöne Frau sprechen. Der Bursche sagte dann: "Du hast selbst gesagt, was mit dem geschehen soll, der in der Sache gelogen hat. Er soll aus dem Lande gewiesen werden."

Am Abend sagte die junge schöne Frau zu ihrem Mann, dem Burschen: "Sage mir doch, was dein Vater tat, als ihm unterwegs einmal der Esel gestohlen wurde!" Der Bursche sagte: "Er ging zu Fuß weiter."


43. Der gestohlene Halsschmuck

Ein Mann aus angesehener (vornehmer) und wohlhabender Familie heiratete. Er hatte einen Sohn. Der Sohn wuchs heran. Als er erwachsen war, kam er zu seinem Vater und sagte: "Vater, ich möchte heiraten!" Der Vater aber wollte das nicht. Der Sohn kam wieder zum Vater und sagte: "Vater, gib mir eine Frau." Der Vater wollte nicht. Da wartete der Sohn noch eine Weile und ging dann in das Nachbardorf. Dort warb er um ein sehr schönes und kluges Mädchen. Es ward ihm zugesagt. Er kam zu seinem Vater und sagte: "Rüste das Fest. Ich will mich verheiraten und kehre sogleich zurück, um meine Frau zu holen." Der Bursche ging in das andere Dorf zurück.

Der Bursche holte das Mädchen. Er führte es zu seinem Dorfe. Unterwegs sagte er: "Erlaube mir, daß ich einmal dein (verhüllendes) Kopftuch erhebe und dich betrachte." Der Bursche hob das Kopftuch. Er besah die junge Frau. Er war froh über ihre Schönheit. Es kam ein Vogel vorbei, der riß im Vorüberfliegen ein Schmuckband vom Halse der jungen Frau und trug es von dannen. Der Bursche



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ließ sogleich das Kopftuch der jungen Frau fallen, wandte sich um Und lief hinter dem davonfliegenden Vogel her. Er lief und lief. Drei Tage lang lief er. Dann hatte er seine junge Frau vollkommen Vergessen. Er verlor nun aber auch den Vogel aus den Augen und Suchte nun da, wo er gerade war, Arbeit und blieb da.

Die junge Frau sah, daß der Bursche sie mit dem Suchen nach dem Halsband verloren hatte. Sie sagte: "Er wird nicht eher wieder an mich denken, ehe ihn nicht der Halsschmuck daran erinnert. Derweilen will ich mir selbst weiterhelfen." Die junge Frau rasierte Sich die Haare. Sie zog Männerkleider an. Sie wanderte auch in das Land hinein. Nach einiger Zeit kam sie an ein Dorf, da war gerade der Agelith gestorben, und die angesehenen Leute stritten sich um die Wahl des neuen Agelith. Denn jeder wollte selbst gern Agelith werden. Wie nun die schöne, junge Frau als Mann verkleidet in das Dorf kam, waren sich alle einig: "Dieser junge Mann muß unser Agelith werden."

So wurde die junge Frau Agelith. Der neue Agelith war schnell allgemein beliebt. Man war sehr zufrieden mit den Rechtssprüchen, die der junge Agelith fällte. Er war sehr angenehm in der Unterhaltung und mischte sich nie in Frauenangelegenheiten. Da beschlossen die Angesehenen des Dorfes denn eines Tages, dem jungen Agelith ein besonderes Geschenk zu machen. Sie suchten das schönste unter den Mädchen aus und brachten es dem jungen Agelith als Frau. Der junge Agelith heiratete. Der junge Agelith berührte seine Frau nie. Die junge Frau kam eines Abends zu ihrem Manne und fragte: "Weshalb berührst du mich nie ?" Der junge Agelith sagte: "Schwöre, daß du mein Geheimnis bewahren willst." Die junge Frau sagte: "Ich schwöre es dir." Der junge Agelith sagte: "Ich bin kein Mann. Ich bin eine Frau wie du." Die junge Frau sagte: "Wie soll das möglich sein?" Der junge Agelith nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust. Die junge Frau sagte: "Es ist wahr, ich werde dein Geheimnis bewahren." Die beiden Frauen lebten nun in großer Freundschaft miteinander.

Inzwischen sah der Bursche, der eines Tages mit dem Suchen nach dem verlorenen Halsschmuck seine junge Frau vergessen hatte, beim Arbeiten auf dem Felde in der Krone eines Baumes über sich ein Nest. Er stieg hinauf und blickte in das Nest hinein, und da sah er den Halsschmuck, den der Vogel seinerzeit seiner Frau geraubt hatte. Sogleich schlug der junge Bursche sich vor den Kopf, denn sogleich dachte er auch wieder an seine junge Frau. Der junge



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Bursche schlug sich noch einmal vor den Kopf und rief: "Wie ist das möglich ?" Dann nahm er das Halsband, stieg vom Baume herab, pflückte sich schnell noch einige Feigen, die er als Wegzehrung zu dem Armband in die Tasche steckte und lief so schnell er konnte von dannen, um seine junge Frau zu suchen.

Gegen Abend kam der Bursche an das Haus einer alten Frau. Die bot ihm Unterkunft für die Nacht. Sie bereitete das Abendessen. Der Bursche saß vor der Tür des Hauses und dachte an seine junge Frau. Es kam ein alter Bettler vorbei, der bat um etwas zum Abendessen. Der junge Bursche griff in die Tasche, in die er an diesem Morgen die Feigen gesteckt hatte, nahm sie heraus und gab sie dem alten Bettler. Ohne daß er es wußte, ergriff er gleichzeitig aber den Halsschmuck seiner jungen Frau und gab ihn hin. Der Bettler steckte die Feigen mitsamt der Kette ein und ging. Abends wollte der junge Bursche die Kette anschauen und griff in die Tasche. Die Tasche war leer. Er erschrak und sagte zu der Frau, die ihn bewirtete: "Ich habe den Schmuck mitsamt den Feigen vorhin dem alten Bettler gegeben." Die Frau tröstete ihn und sagte: "Deinen Schmuck wirst du wiedergewinnen können. Morgen früh ist hier nahebei der große Markt. Der alte Bettler wird den Schmuck dort ausbieten. Dann kannst du ihn greifen und vor den Agelith des Nachbardorfes bringen, der ein junger, aber sehr kluger Richter ist."

Am andern Tage ging der junge Bursche schon früh auf den Markt und setzte sich da in eine Ecke. Es kamen viele Menschen. Nach einiger Zeit kam auch der alte Bettler. Er hielt den Halsschmuck von des Burschen junger Frau in der Hand hoch und rief: "Wer kauft einem alten Manne das letzte Stück, was er von seinem Vater ererbt hat, ab, damit er sich Essen kaufen kann?" Der Bursche sprang hervor und rief: "Du lügst! Der Schmuck gehört mir!" Der alte Bettler erschrak und sagte: "Nein, du lügst, denn ich habe den Schmuck von meinem Vater ererbt." Der Bursche sagte: "Komm, wir wollen zusammen zum Agelith gehen." Die Leute schrien: "Ja, das ist eine Sache für unsern Agelith."

Der Bursche und der alte Bettler wurden vor den Agelith gebracht. Der Agelith erkannte sogleich den Burschen als seinen jungen Gatten. Der Bursche aber erkannte seine junge Frau in Männerkleidern nicht. Der Agelith ließ sich den Schmuck geben und erkannte ihn als den, den er als junge Frau getragen hatte. Der Agelith sagte: "Bringt den Burschen dort in jene Kammer und den alten



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bettler in jene." Nachdem sie fort waren, sagte der junge Agelith Zu den Angesehenen, die um ihn saßen:

"Ich werde euch nun zeigen, daß man sehr schnell erkennen kann, Wer hier recht und wer unrecht hat. Zu dem Halsschmuck gehört eine Geschichte. Wer von den beiden nun die Geschichte kennt, dem kommt der Halsschmuck zu. Ich werde euch die Geschichte er-Zählen, und dann werden wir die beiden, die Anspruch auf Besitzrecht an dieser Kette haben, hören. Die Geschichte lautet: ,Es war einmal ein vornehmer und reicher Mann. Als der geheiratet hatte, bekam er einen Sohn. Als der Sohn erwachsen war, kam er zu Seinem Vater und bat ihn, ihm eine Frau zu geben. Der Vater wollte nicht. Da holte der junge Bursche sich selbst eine junge Frau aus dem nächsten Dorfe. Als er auf dem Wege der Heimführung war, gelüstete es ihn, die Schönheit seiner jungen Frau zu sehen. Er hob ihr Kopftuch in die Höhe. In dem Augenblick kam ein Vogel und riß ihr den Schmuck hinweg. Der Bursche vergaß über dem Schmuck seine junge Frau vollkommen. Er ließ sie stehen und lief dem Vogel nach. Die junge Frau wartete vergeblich auf ihn.' — Das ist die Geschichte. Nun wollen wir sehen, wer sie kennt. Bringt zuerst den alten Bettler herein."

Der alte Bettler wurde wieder vor den Agelith geführt. Der junge Agelith fragte ihn: "Was kannst du über den Halsschmuck erzählen?" Der alte Bettler sagte: "Ich habe ihn von meinem Vater ererbt. Ich will dies letzte Stück nun verkaufen, um etwas zum Leben zu haben." Der Agelith fragte: "Mehr weißt du nicht ?" Der alte Bettler sagte: "Nein, mehr weiß ich nicht." Der Agelith sagte: "Ruft den Burschen." Der Bursche kam herein.

Der Agelith sagte: "Was kannst du über diesen Halsschmuck erzählen ?" Der Bursche sagte: "Eine ganze Geschichte." Der junge Agelith sagte: "So erzähle sie." Der Bursche sagte: "Es war einmal ein vornehmer und reicher Mann. Als der geheiratet hatte, bekam er einen Sohn. Als der Sohn erwachsen war, kam er zu seinem Vater und bat ihn, ihm eine Frau zu geben. Der Vater wollte nicht. Da holte der junge Bursche sich selbst eine Frau aus dem nächsten Dorfe. Als er auf dem Wege der Heimführung war, gelüstete es ihn, die Schönheit seiner jungen Frau zu sehen. Er hob ihr Kopftuch in die Höhe. In dem Augenblick kam ein Vogel und riß den Schmuck hinweg. Der Bursche vergaß über dem Schmuck seine junge Frau vollkommen. Er ließ sie stehen und lief dem Vogel nach. Der Bursche lief dem Vogel drei Tage lang nach, dann entschwand



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er seinen Augen." Der junge Agelith sagte: "Es ist genug, mein Bursche."

Der junge Agelith sagte (zu den alten Leuten des Dorfes): "Wem gehört nun der Halsschmuck?" Die alten Leute sagten: "Er gehört natürlich dem Burschen, der alte Bettler ist ein Lügner!" — Der alte Bettler wurde bestraft. Die Leute des Dorfes sagten untereinander: "Wie klug ist unser Agelith!"

Der junge Agelith nahm den Burschen mit sich und sagte: "Heute bist du mein Gast. Erzähle mir nun die Geschichte des Burschen zu Ende." Der Bursche erzählte. Der junge Agelith sagte: "Willst du nun auch die Geschichte der jungen Frau, die der Bursche vergaß, wissen ?" Der Bursche sagte: "Kennst du sie? Kannst du mir sagen, wo meine junge Frau ist ?" Der junge Agelith sagte: "Gib mir einmal die Kette!" Der junge Agelith nahm den Halsschmuck in die Hand und sagte: "Die junge Frau wartete lange auf die Rückkehr des Burschen. Dann schnitt sie das Haar ab, legte Männerkleidung an, ging in das Land und wurde in einem anderen Dorfe zum Agelith gewählt." Der junge Agelith legte sich den Halsschmuck um. Kaum hatte der junge Agelith den Halsschmuck umgelegt, da erkannte der Bursche seine junge Frau.


44. Der Traum des Prinzen

Ein Fürst (nach einer Variante:) Sultan, nach der zweiten Amin. —Wahrscheinlich ist die Sage aber aus arabischer Quelle geflossen, da der Sklavenhandel und die Fahrt über das Meer eine große Rolle spielen) hatte einen Sohn, der hieß Sif Liasid. Als Sif Liasid erwachsen war, träumte ihm eines Tages, er werde zwei sehr schöne Mädchen heiraten, von denen das eine "Sonne", das andere "Mond" hieß; er würde des Glückes, diese beiden Frauen zu gewinnen, nur dann habhaft werden, wenn er über diesen Traum unbedingtes Stillschweigen pflege und mit keinem Menschen über den Traum und diese seine schöne Aussicht sprechen würde; sprechen dürfe er erst darüber, nachdem er mit beiden Frauen verheiratet sei. Nachdem der Prinz das geträumt hatte, erwachte er.

Der Prinz ging voller Gedanken den Morgen umher und blieb, auch als er sich mit dem Vater zum Essen niedersetzte, schweigsam. Der Fürst betrachtete seinen Sohn eine Zeitlang und sagte dann: "Was fehlt dir, mein Sohn?" Der Prinz sagte: "Ich hatte einen



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Traum." Der Prinz wollte weitersprechen, da fiel ihm ein, daß ihm dies versagt sei, wenn er wünsche, daß der Traum in Erfüllung gehe. Der Prinz sprach nicht weiter, sondern schwieg. Der Fürst wartete eine Weile und sagte dann: "Welchen Traum hattest du?" Der Prinz antwortete: "Ich kann es dir nicht erzählen." Der Fürst drang in den Sohn, ihm zu sagen, was das bedeute, aber der Prinz schwieg, So daß der Fürst allgemach ungehalten und zuletzt sehr aufgebracht wurde. Der Fürst wurde so zornig, daß er zuletzt schwor und sagte: "Wenn du mir den Traum nicht bis morgen früh erzählst, werde ich dich als gemeinen Sklaven an einen Händler verkaufen."

Der Prinz erzählte dem Vater den Traum nicht. Da erfüllte der Fürst seinen Schwur und verkaufte seinen Sohn an einen Sklavenhändler mit dem Auftrage, den Sohn weit fort über das Meer zu verkaufen, so daß er nicht wieder zurückkommen könne. Der Sklavenhändler schrieb sofort einen Brief an einen jenseits des Meeres heimischen Geschäftsfreund, übergab den Brief in einem kleinen Kasten den Leuten eines Schiffes und befahl ihnen, den Prinzen auf das andere Ufer des Meeres zu bringen.

Der Prinz wurde auf das Schiff gebracht und fuhr mit der Mannschaft von dannen. Die Fahrt währte sehr lange und verlief sehr einförmig, so daß die Männer sich die Zeit mit Spielen vertrieben. Sie spielten und luden den Sklaven zum Spiele mit ein. Der als Sklave verkaufte Prinz spielte also mit den Leuten. Er hatte aber solches Glück, daß er zuletzt der ganzen Schiffsmannschaft alles Geld abgewann, das sie bei sich hatten. Die Schiffsleute wurden zornig. Sie schrien: "Was, du, ein gemeiner Sklave, willst uns unser ganzes Geld abnehmen? Nein, wir wollen dir unser Geld nicht geben. Wir werden dich ins Meer werfen. Es wird niemand viel nach dir fragen, und wir werden unser Geld behalten."

Der als Sklave verkaufte Prinz sagte: "Seid nicht zornig. Ihr braucht euch nicht in dieser Weise zu erregen. Ich will euch euer Geld gerne lassen und nicht auf die Auszahlung meines Verdienstes bestehen, wenn ihr mir einen Gefallen tut, der euch nicht schwer fällt."Die Schiffsleute sagten: "Welcher Gefalle soll das sein?" Der als Sklave verkaufte Prinz sagte: "Leiht mir bis heute abend den kleinen Kasten, in dem euch der Händler die Briefe mitgegeben hat." Die Schiffsleute sagten: "Wenn das alles ist, so ist das leicht getan." Sie gaben ihm den kleinen Kasten.

Der als Sklave verkaufte Prinz öffnete den Kasten, nahm den brief des Händlers an seinen Geschäftsfreund darin, las und ersah



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daraus, daß Sif Liasid sehr strenge behandelt, als gefährlicher Verbrechersklave in Ketten gehalten und für die Zukunft jeder Freiheit beraubt werden sollte. Sif Liasid zerriß den Brief und schrieb einen andern. Er schrieb, daß Sif Liasid zwar nicht als ganz freier Mann komme, da sein Vater über ihn erzürnt und willens sei, ihn eine Zeitlang nicht zu sehen, daß aber Sif Liasid ein ausgezeichneter Bursche sei, den man nie wie einen Sklaven behandeln dürfe, dem man vielmehr jede nur erdenkliche Freiheit und Vergünstigung gönnen müsse. Diesen Brief legte der als Sklave verkaufte Prinz statt des entfernten in das Kästchen und gab dieses den Schiffsleuten zurück.

Das Schiff lief ohne Gefahr in seinen Bestimmungshafen ein. Der Geschäftsfreund las den im Kästchen aufbewahrten Brief und empfing Sif Liasid sehr freundlich. Er wies ihm ein angenehmes Quartier an und überließ ihm jede Freiheit, die er sich wünschte.

Sif Liasid ging alle Tage spazieren. Eines Tages kam er an einen prachtvollen Park. Vor dem Park standen viele Menschen. Die Menschen sprachen leise untereinander. Er hörte, wie einige sagten: "Ob sie wohl heute sterben wird?" Sif Liasid fragte: "Wer soll heute sterben ?" Ein Mann sagte: "In dem Hause, das sich inmitten des Parkes befindet, liegt die Tochter des Fürsten, die den Namen ,Sonne' trägt, krank darnieder und wir erwarten alle Tage den Tod. Der Fürst hat alle ansehnlichen Ärzte befragt, aber keiner konnte der Prinzessin helfen. Seitdem läßt er die Ärzte hinrichten, die sich melden und ihre vergeblichen Versuche anstellen, die Prinzessin zu heilen." Sif Liasid hatte dies kaum vernommen, als er ohne Besinnen sogleich auf das Parktor zuging. Die Leute suchten ihn festzuhalten. Viele riefen: "Es ist bei Todesstrafe verboten, hineinzugehen." Sif Liasid sagte: "Laßt mich, ich bin Arzt!"

Sif Liasid ging durch das Tor. Die Wächter hielten ihn fest und sagten: "Was willst du? Wer bist du?" Sif Liasid sagte: "Ich bin Arzt und von weither gekommen, um die Prinzessin zu heilen."Die Parkwächter nahmen ihn darauf in ihre Mitte und führten ihn zu dem Fürsten, der in dem Hause inmitten des Parkes weilte. Als der Fürst Sif Liasid inmitten der Wächter sah, sagte er: "Weshalb habt ihr den Burschen nicht sogleich getötet, als er in den Park kam." Die Leute sagten: "Der Mann ist Arzt und weither gekommen, um deine Tochter ,die Sonne' zu heilen." Der Fürst fragte Liasid: "So willst du es wagen, meine Tochter zu behandeln? Weißt du, daß ich dich töten lassen werde, wenn du sie nicht zu heilen



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Vermagst?" Sif Liasid sagte: "Ich will es wagen. Ich weiß, daß es nur gelingen wird, sie zu heilen." Der Fürst sagte: "Dann würde ich dir jeden Wunsch erfüllen. Ihr Leute, bringt den Mann in das Zimmer meiner Tochter!" Die Wächter brachten Sif Liasid in das Zimmer. Sif Liasid sagte: "Laßt mich allein eintreten."

Sif Liasid trat in das Zimmer. Die Prinzessin lag auf ihrem Bette. Sie hatte die Augen geschlossen und sprach immer leise vor sich hin. Sif Liasid betrachtete sie. Sie war so schön, daß das Zimmer erleuchtet war, als brenne das Licht vieler Lampen. Sif Liasid beugte Sich über sie und versuchte zu verstehen, was die Lippen der Prinzessin sprechen würden. Die Prinzessin wandte mit geschlossenen Augen den Kopf ihm zu. Die Lippen bewegten sich stärker. Die Prinzessin sagte ganz leise: "Wie heißt du?" Der als Sklave verkaufte Prinz sagte: "Sif Liasid!" Da lachte die Prinzessin und sagte: "Ja, das ist sein Name!" Sie schlug die Augen auf, lachte noch mehr und sagte: "Ja, so ist dein Anblick! O, warum hast du mich erst von dir träumen lassen und bist dann so lange nicht gekommen, daß ich vor Sehnsucht fast gestorben bin und es doch nicht aussprechen konnte, was mir fehlt. Geh, mein Geliebter, sogleich zu meinem Vater und sage ihm, daß ich geheilt bin."

Sif Liasid ging zum Fürsten und sagte: "Deine Tochter ist geheilt." Der Fürst sagte: "Sei kein Narr. Wie soll ein Mensch, der so lange krank war und an dem so viele Ärzte ihre Kunst vergeblich versucht haben, so plötzlich genesen ?" Sif Liasid sagte: "Es ist aber doch so, und deine Tochter wünscht dich zu sprechen." Der Fürst ging.

Der Fürst kehrte zurück. Er sagte: "Sif Liasid, du hast mir die Wahrheit gesagt. Meine Tochter ist in der Tat geheilt. Ich habe versprochen, dir einen Wunsch zu gewähren, sprich ihn aus!" Sif Liasid sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Fürst sagte: "Du sollst sie erhalten. Kurze Zeit darauf war die Hochzeit, und Sif Liasid zog als ein hochgeehrter Mann in das Viertel des Fürsten.

Wenige Tage später ging Sif Liasid durch die Stadt und traf auf den Geschäftsfreund, an den er durch den Sklavenhändler seines Vaters gesandt war. Der Geschäftsfreund schrie: "Fangt ihn! Fangt ihn! Es ist ein entlaufener Sklave." Sogleich stürzten sich einige Leute auf Sif Liasid und er wurde gebunden. Der Geschäftsfreund schrie: "Du falscher Mensch, es ist alles herausgekommen! Du hast den an mich gerichteten Brief gefälscht. In Ketten als gefährlichen Sklaven sollte ich dich halten. Du aber hast es verstanden, mir zu



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entweichen!" Sif Liasid sagte zu den umstehenden Leuten: "Ich verlange, daß ich zur Entscheidung vor den Fürsten gebracht werde!" Die Leute sagten: "Das kann er verlangen."

Am andern Tage führte der Geschäftsfreund Sif Liasid vor den Fürsten. Als der ihn gefesselt sah, sagte er: "Bindet meinen Schwiegersohn los!" Der Geschäftsfreund erschrak, denn er wußte vorher nicht, daß Sif Liasid es gewesen sei, der die Prinzessin geheiratet hatte. Der Fürst fragte: "Weshalb hast du meinen Schwiegersohn gefesselt ?" Der Geschäftsfreund sagte, daß Sif Liasid ihm von einem Händler zugeschickt sei mit dem Auftrage, ihn als Sklaven zu halten. Der Fürst sagte: "So schreibe deinem Freunde, dem Händler, daß dir der Sklave entwichen sei, denn ich nehme ihn dir weg."

Als der Geschäftsfreund gegangen war, sagte der Fürst: "Nun sage mir, Sif Liasid, wer du bist!" Sif Liasid sagte: "Ich bin der Sohn eines Fürsten, der so mächtig ist, wie du es bist." Der Fürst sagte: "Wie bist du nun aber als Sklave zu dem Händler gekommen?" Sif Liasid sagte: "Mein Vater hat mich verkauft, weil ich ihm einen Traum nicht erzählen konnte." Der Fürst sagte: "So erzähle mir den Traum!" Sif Liasid sagte: "Ich kann es nicht!" Der Fürst drang in seinen Schwiegersohn, daß er ihm seinen Traum erzähle. Sif Liasid blieb dabei, daß er es nicht könne. Der Fürst wurde erregter und zornig. In seinem Zorn schwur der Fürst und sagte: "Ich will nicht weniger streng mit dir umgehen als dein eigener Vater!" Entweder du erzählst mir den Traum, oder ich lasse dich auf den großen Berg tragen und dort gebunden zwischen die Ameisen werfen."

Sif Liasid erzählte den Traum nicht, und so gab denn der Fürst am anderen Tage seine Befehle. Die Leute packten Sif Liasid und schleppten ihn auf den großen Berg. Dort fesselten sie ihn und ließen ihn dann herabrollen. Er schlug sich rollend an dem Felsen viele Wunden. Er kam rollend zuletzt bis an den Ameisenhaufen. Die Ameisen fielen über ihn her, sie krochen ihm in die Wunden, in die Nase, in den Mund und in die Ohren. Sif Liasid sagte sich: "Nun werde ich sterben, ohne daß mein Traum erfüllt wird."

Auf der andern Seite des Gebirges der Ameisen wohnte ein Fürst, der war alt und hatte zwei Kinder. Das eine war eine Tochter, die hieß "Mond", das andere war ein Sohn, der hieß Sif Liasid. Der Fürst liebte seinen Sohn Sif Liasid über alles. Dieser Prinz starb aber eines Tages und der Fürst kam in eine große Trauer und sagte zuletzt zu seinen Leuten: "Geht überall hin in meinem Lande und seht, ob ihr irgendwo im Lande einen jungen Mann im Alter meines



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Sohnes findet, der auch Sif Liasid heißt. Wenn ihr einen solchen jungen Mann findet, will ich ihn an Sohnes Statt annehmen."

Die Leute liefen nun überall im Lande herum und suchten einen jungen Mann, der Sif Liasid hieß. Sie konnten aber nirgends einen solchen finden. Eines Tages kamen einige Leute des Fürsten an den Ameisenberg, und da sahen sie den verstoßenen Gatten der "Sonne" liegen. Sie hoben ihn auf, banden ihn los, reinigten ihn von Ameisen, Blut und Staub und fragten ihn, wie er hieße. Er sagte: "Ich heiße Sif Liasid." Darüber freuten sich die Leute, und sie brachten ihn sogleich zu ihrem Fürsten und sagten: "Das, was du uns zu suchen befohlen hast, haben wir gefunden. Auf dem Ameisenberg, der dein Land von dem des Meeresfürsten trennt, fanden wir den jungen Menschen, der im Alter deines verstorbenen Sohnes ist und der Sif Liasid heißt." Der Fürst betrachtete den Jüngling und nahm ihn dann in sein Haus auf.

Der als Sklave verkaufte Prinz lebte von nun an als Sohn des Fürsten in dessen Haus. Er nannte den Fürsten seinen Vater und dessen Tochter seine Schwester. Der Fürst, seine Tochter und Sif Liasid waren sehr zufrieden und lebten glücklich, bis eines Tages eine Botschaft von dem jenseits des Ameisenberges wohnenden Meeresfürsten kam, die eine Herausforderung war. Der Meeresfürst, der der Vater der "Sonne", der Gattin Sif Liasids war, sandte nämlich an den Fürsten, der der Vater der "Mond" genannten Tochter war, eine Nuß und ließ dazu sagen: "Wenn du, mein benachbarter Fürst, mir sagen kannst, was es mit dieser Nuß für eine Bewandtnis hat, so will ich dir meine Tochter Sonne zur Frau geben. Wenn du es jedoch nicht errätst, so fordere ich deine Tochter Mond von dir als meine Gattin." Der Fürst betrachtete die Frucht. Er konnte aber nichts sagen. Er zog sich in seine Kammer zurück und weinte, denn er war traurig darüber, daß er seine Tochter diesem fremden Fürsten zur Frau geben sollte.

Sif Liasid kam in die Kammer und traf den Fürsten weinend. Er sagte: "Mein Vater, was fehlt dir?" Der Fürst erzählte ihm die Botschaft und zeigte ihm die Frucht. Sif Liasid sagte: "Mein Vater, diese Frucht ist in meinem Heimatlande sehr häufig. Ich kann dir die Antwort geben: wenn man die Nuß in das Meer legt, wird sie weiß und im Geschmack wie Milch. Wenn man die Nuß in eine Quelle legt, wird sie gelb und im Geschmack wie Honig. Wenn man die Frucht in einen Fluß legt, wird sie gelblich-weiß und im Geschmack wie Butter. — Dies lasse dem Fürsten sagen."



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Der Fürst sandte seinem Nachbar von der anderen Seite des Ameisenberges die Frucht mit der Antwort zurück, die Sif Liasid gegeben hatte. Der Fürst ließ zurücksagen, die Antwort sei richtig. Da erhielt Sif Liasid von seinem Vater die Prinzessin Mond zur Frau, und da der Meeresfürst nun auch noch die Prinzessin Sonne sandte, so war der Traum in Erfüllung gegangen. Er blieb noch einige Zeit mit den beiden Frauen bei seinem Adoptivvater und bat dann um die Erlaubnis, zu seinem Vater auf die andere Seite des Meeres zurückzukehren. Der Fürst ließ den wiedergewonnenen Sohn nicht gern ziehen, gab aber zuletzt den Widerstand auf.

Sif Liasid fuhr dann mit den beiden Frauen, Sonne und Mond, über das Meer, begrüßte seinen Vater und erzählte ihm seinen Traum. Da war der Vater sehr erfreut, daß alles ein so gutes Ende genommen hatte.


45. Der verkappte Agelith

Ein Mann wollte einmal auf die Pilgerfahrt gehen. Er rief seine einzige Tochter und übergab ihr einen Topf. In dem Topfe hatte er sein ganzes Gold, oben darauf aber eine Schicht Salz gefüllt. (Salz lemiläch.) Der Mann sagte zu seiner Tochter: "Schwöre mir, daß du diesen Topf mit Salz nicht anrühren und sorgfältig bewahren wirst, bis ich von meiner Pilgerfahrt zurückkommen werde." Die Tochter schwor es. Sie stellte den Topf beiseite. Sie rührte ihn nicht wieder an. Der Mann ging auf die Pilgerfahrt.

Im Hause neben dem Pilger wohnte ein großer Dieb. Der Dieb sagte zu seiner Frau: "Geh doch einmal hinüber zu der Tochter des Pilgers und frage sie, was ihr der Vater zur Aufbewahrung übergeben hat." Die Frau ging zu der Tochter des Pilgers. Sie sprach mit der Tochter des Pilgers. Sie fragte die Tochter: "Was hat dir dein Vater als Besonderes zum Aufbewahren übergeben?" Die Tochter sagte: "Nichts als einen Topf mit Salz." Die Frau kehrte zurück und sagte: "Der Pilger hat seiner Tochter nichts zurückgelassen als einen großen Topf mit Salz. Die Tochter hat den Topf im Adaeinin (Viehstall) versteckt*." Der Dieb nahm darauf einen Sack voll Salz und brach nachts in die Wand des Viehstalles beim Pilger ein. Er 

NB. Anmerk. Nach einer anderen, offenbar schlechteren Version, gewann der Dieb die Kenntnis von dem Vorhandensein des Goldes durch Orakel. (Orakel — aggethen, vorhersehen, — thimtheräuth.) —


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nahm alles Gold aus dem Topfe und schüttete ihn ganz voll Salz. bann kehrte er zurück, schloß die Öffnung in der Mauer und trug das Gold in sein Haus.

Nach einiger Zeit kam der Vater von seiner Pilgerfahrt zurück. ber Vater fragte seine Tochter: "Wo hast du mein Gold?" Die Tochter sagte: "Du hast mir kein Gold gegeben. Du gabst mir nur einen Topf mit Salz. Und der steht im Viehstall." Der Pilger ging in den Viehstall und untersuchte den Topf. Er fand nur Salz. Darauf verstieß der Vater die Tochter, ging zum Agelith und trug ihm die Sache vor. Der Agelith sagte: "In dieser Sache kann ich nichts tun." Der Vater ging zornig fort. Die Tochter ging weinend fort. Alle Leute im Orte sprachen über den Vater, sein Gold und seine Tochter.

Eines Tages blickte der Agelith, der noch sehr jung war, zum Fenster hinaus. Vor seinem Hause spielten einige Knaben Gerichtssitzung (schert). Ein kleiner Junge spielte das Haupt (im. koran, d. i. der Große) des Gerichtes. Die Kinder spielten die Geschichte des Pilgers, seines Goldes und seiner Tochter. Der klein€ Junge ließ die andern sprechen und sagte dann zu dem Jungen, dei den Vater spielte: "Du hast kein Recht, deine Tochter zu verjagen Du hast ihr den Topf mit dem Salz als einen Topf voll Salz übergeben und sie hat ihn dir auch voll Salz zurückerstattet." Dann wandte er sich an den Jungen, der die Tochter des Pilgers spielte, und sagte: "Nun sage mir genau, welcher Frau du während der Abwesenheit deines Vaters etwas von dem Topf mit dem Salz gesagt hast. Gehe hin und sieh zu, ob irgendeine Stelle in der Mauer des Viehstalles neu hergerichtet ist. Und wenn das der Fall ist, untersucht die Häuser aller Männer, mit deren Frauen das Mädchen über den Salztopf gesprochen hat."

Der junge Agelith hörte das. Er ließ die Tochter des Pilgers kommen und sprach mit ihr. Er sagte: "Mit wem hast du während der Abwesenheit deines Vaters über den Topf mit Salz gesprochen?" Die Tochter sagte: "Nur mit der Frau unseres Nachbars; die fragte mich, was mein Vater mir Besonderes zum Aufbewahren zurückgelassen habe." Der Agelith ließ sogleich die Frau des Nachbars holen und deren Mann gefangennehmen. Der junge Agelith ließ das Haus des Diebes untersuchen; er fand das Gold. Der Dieb gestand alles. Der junge Agelith gab dem Pilger das Gold wieder und sagte: "Du verdankst dein Gold diesem Knaben. Deshalb beschenke ihn reichlich. Du hast deine Tochter schlecht behandelt. Deshalb beschenke



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sie." Alle Leute waren zufrieden und lobten die Klugheit des jungen Agelith. —

Der Agelith ließ aber den klugen Knaben zu sich kommen. Er ließ ihn in seinem Hause erziehen. Er machte ihn zu seinem Stellvertreter.



***
Eines Tages hatte der junge Agelith einen bösen Traum. Er träumte, daß er sieben Jahre im Elend verbringen müsse. Der Agelith erwachte am Morgen und dachte über seinen Traum nach. Der junge Agelith sagte: "Diese sieben Jahre des Elends werde ich erleben. Es ist nur die Frage, ob ich sie in der Jugend oder im Alter erleben werde. Ich will sie lieber in der Jugend verbringen, denn in der Jugend kann ich sie besser ertragen." Der Agelith ließ sogleich den Knaben kommen, der sein Stellvertreter war und sagte: "Ich werde auf sieben Jahre verreisen. Bleib du an meiner Stelle. Nach sieben Jahren komme mit meinen Leuten. Ich werde dich dann wissen lassen, wo ich bin."

Dann zog der Agelith mit einigen Leuten, einem blauen Zelt, einem blauen Kleid, einem blauen Pferd, vielen schönen Sachen und sieben Eseln, bepackt mit Gold, in die Ferne. Er hatte aber kaum die Stadt verlassen, da öffnete sich die Erde und verschlang die sieben mit Gold beladenen Esel. Der junge Agelith war froh und sagte: "Die sieben Jahre des Elends beginnen." Der Agelith zog mit seinen Leuten, seinem blauen Zelt, auf blauem Pferd und im blauen Kleid noch weiter, bis er in ein fremdes Land kam. Dort ließ er seine Leute, das blaue Zelt, das blaue Pferd und das blaue Kleid zurück, zog ein anderes Gewand an, hieß seine Leute auf seine Rückkehr warten und wanderte allein weiter.

Der junge Agelith war noch nicht sehr weit gegangen, da traf er einen Hirten. Er sagte zu dem Hirten: "Gib mir einen Hammel und deine Kleider. Ich lasse dir dafür meine Kleider und alles, was ich an Gold habe, zurück." Der Hirt war damit einverstanden. Der junge Agelith zog darauf die alten Kleider des Schäfers an. Er tötete den Widder, nahm die Eingeweide heraus und stülpte sie als Hut auf den Kopf. So ging er weiter und kam bald an einen großen Ort. Durch die Stadt ging er zum Markte und setzte sich als Bettler neben einen Kuchenbäcker nieder.

Die Kinder sahen den Mann mit dem Eingeweide auf dem Kopf und nannten ihn Wuthkerschiuth (wuth -genetiv = seiner; kerschiuth =Eingeweide). Die Kinder blieben stehen, und da sie nun



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einmal dort standen, kauften sie dem Bäcker Kuchen ab. Alle Kinder und jungen Leute blieben stehen und sahen Wuthkerschiuth an. Alle kauften dem Bäcker Kuchen ab, so daß er am Abend keine mehr hatte. Der Bäcker sah, daß er ein gutes Geschäft machte. Er gab Wuthkerschiuth am Abend reichlich zu essen und sagte: "Bleibe bei mir; hilf mir bei der Arbeit; ich will dich reichlich ernähren."

So blieb der junge Agelith als Wuthkerschiuth bei dem Bäcker. Von nun ab begleitete Wuthkerschiuth den Bäcker alle Tage auf den Markt. Die Leute kamen in Menge herbei, um den Mann mit dem Eingeweide auf dem Kopfe zu sehen, und kauften alle Kuchen, so daß der Bäcker zuletzt ein reicher Mann wurde. Der Bäcker wollte eines Tages Wuthkerschiuth neue Kleider kaufen. Wuthkerschiuth aber sagte: "Laß das. Wenn du mir etwas schenken willst, so kaufe mir bitte ein Stück Seife (sabun), damit ich mich waschen kann." Der Bäcker tat es.

Wuthkerschiuth ging zum Brunnen. Er nahm die Eingeweide ab und zog die alten schmutzigen Kleider ab. Er wusch sich und stand am Brunnen in seiner ganzen Schönheit. Und der junge Agelith war schöner als irgendein Mann in der Stadt. Dem Brunnen gegenüber war das Haus des Agelith der Stadt. Die jüngste Tochter des Agelith sah zum Fenster heraus. Sie sah den jungen Agelith in seiner ganzen Schönheit. Sie war geblendet von seiner Schönheit. Sie sagte: "Diesen Mann und keinen anderen will ich heiraten. Wer ihn so sieht, weiß, daß dieser Mann etwas anderes ist, als nur ein schmutziger Bettler."

Die jüngste Tochter des Agelith hatte noch sechs ältere Schwestern. Die jüngste Tochter ging zu ihren Schwestern und sagte: "Wir wollen unseren Vater bitten, daß er uns Männer gibt." Die sechs Schwestern waren einverstanden. Sie nahmen eine sehr reife Melone, steckten sieben Messer hinein und sandten die Melone so zu ihrem Vater. Der Vater ließ einen Amrar asemeni kommen und sagte: "Meine Töchter haben mir diese reife Melone mit sieben Messern darin geschickt. Was wollen sie damit sagen ?" Der Amrar asemeni sagte: "Deine Töchter wollen damit sagen, daß sie reif sind, wie diese Melone und daß sie dich bitten, ihnen Ehemänner zu geben." Der Agelith sagte: "Meine Töchter haben recht, jede von ihnen soll sich einen Mann auswählen."

Der Agelith ließ ausrufen, daß alle jungen Männer der Stadt sich gute Kleidung anziehen und an seinem Hause vorüberziehen sollten, damit seine Töchter sich unter ihnen ihre Gatten auswählen könnten.



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Der Agelith hieß seine Töchter sich am Fenster niedersetzen. Er gab jeder von ihnen einen Apfel. Die jungen Männer der Stadt zogen in ihren besten Kleidern auf den schönsten Pferden vorüber. Eine der älteren Schwestern nach der anderen warf je einem Sohne aus guter Familie einen Apfel zu. Als die jungen Männer vorbeigeritten waren, hatten alle sechs älteren Schwestern ihre Gatten gewählt. Nur die jüngste hielt ihren Apfel noch in der Hand.

Der Agelith fragte die Leute: "Ist denn noch irgendein junger Mann in der Stadt, den meine Tochter noch nicht gesehen hat?" Die Leute sagten: "Es ist nur noch der schmutzige Wuthkerschiuth da." Der Agelith sagte: "Er soll auch vorüberreiten." Die Leute liefen zu Wuthkerschiuth und sagten: "Du sollst auch am Fenster der jüngsten Tochter des Agelith vorüberreiten." Darauf bestieg Wuthkerschiuth ein altes hinkendes Pferd und ritt nach dem Hause des Agelith. Als er unter dem Fenster der jüngsten Tochter des Agelith vorbeikam, erkannte diese den schönen Mann am Brunnen und warf Wuthkerschiuth ihren Apfel zu. Da lachten alle Leute und sagten: "Die jüngste Tochter des Agelith hat sich den Wuthkerschiuth zum Gatten gewählt." Die sechs Schwestern spotteten über sie und sagten: "Hast du keinen Erbärmlicheren gefunden als diesen Wuthkerschiuth?" Die jüngste Tochter des Agelith sagte: "Das geht euch nichts an. Das ist meine Sache."

Einige Tage später gab der Agelith ein großes Fest und gab allen seinen sieben Töchtern die Männer, die sie erwählt hatten. Die jüngste heiratete Wuthkerschiuth und zog mit ihm in ein kleines, schmutziges Haus. Sie blieben sechs Tage zusammen.

Am siebenten Tage sagte Wuthkerschiuth nachts zu seiner jungen Frau: "Geh zu deinem Vater und sage ihm: ,Sage deinen Schwiegersöhnen, die dich liebhaben, die sollen dir von den wiederbelebenden Äpfeln (zfah'lemädchór) bringen." — Am andern Tage ging die Jüngste zu ihrem Vater und sagte: "Mein Vater, rufe deine Schwiegersöhne zusammen und sage ihnen, welche von ihnen dich lieb hätten, die sollten dir von den wiederbelebenden Äpfeln bringen."

Der Agelith rief seine Schwiegersöhne zusammen und sagte: "Wenn ihr mich lieb habt, bringt mir einige von den wiederbelebenden Äpfeln." Die sechs ältesten Söhne fragten: "Wo können wir diese wiederbelebenden Apfel finden?" Der Agelith sagte: "Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß sie an dem gegenüberliegenden Ufer des Meeres wachsen." Die sechs Männer der ältesten Schwestern



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sagten: "Es soll uns nicht schwer fallen. Wir werden sie bringen." Der Wuthkerschiuth aber sagte nichts.

Am andern Morgen bestieg Wuthkerschiuth sein hinkendes Pferd und ritt ganz früh von dannen. Nach einiger Zeit machten sich auch die andern sechs Schwiegersöhne auf den Weg und hatten auf ihren schnellen Pferden Wuthkerschiuth bald überholt. Wuthkerschiuth ritt zu den Felsen, auf denen ein großer Vogel (äjithir plur. ichuthär; einige behaupten, er sei ein Strauß gewesen, andere Erzähler erklären ihn für einen Adler) sein Nest hatte. Er schlachtete am Fuße des Felsens einen Hammel und stieg mit dem Hammel hinauf.

Im Nest des Vogels waren nur die sieben Jungen. Wuthkerschiuth gab ihnen den Hammel zu fressen, so daß die Jungen ganz satt und sehr zufrieden waren. Nach einiger Zeit kam die Mutter der Jungen mit einem Frosch (amkak) im Schnabel als Speise für die Jungen an. Die sieben Jungen aber schrien: "Laß deinen Frosch, Mutter! Wir haben heute reichlich Fleisch bekommen." Der große Vogel sagte: "Wie ist das geschehen?" Die sieben Jungen sagten: "Dieser Mann hier hat uns einen ganzen Hammel auf den Felsen gebracht und unter uns verteilt." Der große Vogel sagte: "Diesem Manne werde ich danken und ihm jeden Wunsch erfüllen, auch wenn er von mir verlangen sollte, daß ich ihn in das Land der wiederbelebenden Äpfel und zurückbringen sollte." Wuthkerschiuth sagte: "Darum bitte ich dich!"

Der große Vogel nahm Wuthkerschiuth zwischen die Flügel und sagte: "Schließe die Augen." Wuthkerschiuth schloß die Augen. Der große Vogel flog. Er flog weit über die sieben Meere fort. Dann ließ er sich nieder und sagte: "Öffne die Augen." Wuthkerschiuth öffnete die Augen und sah, daß er in einem Garten war, in dem die Bäume mit den wiederbelebenden Äpfeln standen. Er pflückte sieben Äpfel und steckte sie zu sich. Er sagte zu dem großen Vogel: "Nun trage mich dahin, wo mein blaues Zelt steht." Der große Vogel nahm Wuthkerschiuth wieder zwischen die Flügel, flog auf und trug ihn wieder über die sieben Meere zu der Stelle, wo dicht bei seinem Neste das blaue Zelt des jungen Agelith mit den Leuten stand.

Wuthkerschiuth kleidete sich in die blauen Kleider. Er bestieg sein blaues Pferd. Er ritt hinaus. Er begegnete den sechs Männern der älteren Schwestern seiner Frau. Die sechs Männer begrüßten den vornehmen jungen Agelith. Sie erkannten ihn nicht. Der junge Agelith lud sie ein, in sein Zelt zu kommen. Er bewirtete sie und fragte: "Was sucht ihr?" Die sechs Männer sagten: "Wir suchen



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die wiederbelebenden Äpfel." Der junge Agelith sagte: "Ich habe fünf von den wiederbelebenden Äpfeln." Die sechs Männer sagten: "Wir wollen sie dir abkaufen! Was willst du dafür haben?" Der junge Agelith sagte: "Die fünf Äpfel sind mir für Gold nicht feil. Ich gebe sie euch nur, wenn mir jeder von euch einen seiner kleinen Finger gibt." Darauf ließen die sechs Männer sich sechs kleine Finger abschneiden. Der junge Mann nahm sie an sich und gab ihnen dafür die wiederbelebenden Äpfel.

Die sechs Männer bedankten sich und machten sich auf den Heimweg. Wuthkerschiuth zog auch sein altes Kleid an, bestieg das alte hinkende Pferd und ritt hinter ihnen her. Die sechs Männer der älteren Schwestern brachten dem Agelith die fünf wiederbelebenden Äpfel. Der Agelith lobte sie. Nachher kam Wuthkerschiuth auf seinem alten Pferde angehinkt. Die sechs Männer der älteren Schwestern fragten ihn: "Und was bringst du ?" Wuthkerschiuth sagte: "Ich bringe heute noch nichts!" Da spien sie ihm ins Gesicht.

Nach drei Tagen sagte Wuthkerschiuth zu seiner jungen Frau: "Gehe zu deinem Vater und sage ihm, er soll von seinen Schwiegersöhnen verlangen: wenn sie ihn lieb hätten, sollten sie ihm von der Milch einer Löwin, gefüllt in einen Sack aus dem Fell einer jungen Löwin, der mit dem Barthaar eines alten Löwen zugebunden ist, bringen." Die jüngste Tochter des Ageliths ging am andern Tage zu ihrem Vater und sagte: "Verlange von deinen Schwiegersöhnen, daß, wenn sie dich liebhaben, sie dir die Milch der Löwin in einem Fellsack aus der Haut einer jungen Löwin, der zugebunden ist mit dem Barthaar eines alten Löwen, bringen." Der Agelith sagte: "Das werde ich tun."

Der Agelith rief am andern Tage seine sieben Schwiegersöhne zusammen und sagte: "Wer unter euch mich lieb hat, bringe mir die Milch der Löwin, gefüllt in einen Sack aus dem Fell einer jungen Löwin, der zusammengebunden ist mit einem Barthaar des alten Löwen." Die sechs Männer der älteren Töchter des Agelith sagten: "Das werden wir tun." Wuthkerschiuth sagte nichts.

Am andern Morgen bestieg Wuthkerschiuth schon frühzeitig sein hinkendes Pferd und ritt von dannen. Die sechs Männer der älteren Schwestern seiner Frau brachen erst spät auf. Mit ihren schnellen Pferden holten sie aber Wuthkerschiuth bald ein und ritten, ohne ihn zu grüßen, schnell an ihm vorüber. Wuthkerschiuth nahm einen Hammel. Er ging dahin, wo in dem Felsen die Höhle einer Löwin war. Er tötete den Hammel und trug ihn in die Höhle. In der Höhle



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waren nur die sieben Jungen, denn der Alte und die Alte waren ausgegangen.

Wuthkerschiuth teilte den Hammel und teilte ihn unter die sieben Jungen. Die sieben Jungen fraßen gierig, denn sie hatten seit Tagen nichts zu fressen bekommen. Dann versteckte sich Wuthkerschiuth im Hintergrunde der Höhle. Nach einiger Zeit kam die Löwin. Sie kam langsam und traurig. Denn sie hatte wieder kein Fressen für ihre Kinder beschaffen können.

Die sieben Jungen schrien der Löwin entgegen und riefen: "Mutter, wir sind ganz satt!" Die Löwin war sehr erstaunt und sagte: "Wie kommt das?" Die sieben Jungen riefen: "Ein guter Mann hat einen Hammel gebracht, hat ihn getötet und unter uns geteilt." Die alte Löwin sagte: "Darüber bin ich froh; denn nun braucht ihr nicht alle zu verhungern. Ich will dem Mann danken; ich will ihm jeden Wunsch erfüllen." Wuthkerschiuth kam aus dem Hintergrunde der Höhle hervor und sagte: "So bitte ich dich, gib mir deine Milch im Fettbalg eines deiner Jungen und schließe den Sack mit einem Barthaar deines Mannes." Die Löwin sagte: "Das sollst du haben."

Die Löwin tötete selbst eines ihrer Jungen. Sie zog ihm den Balg ab und sagte zu Wuthkerschiuth: "Hier hinein melke meine Milch!' Wuthkerschiuth tat es. Dann lief die Löwin fort, lief dahin, wo ihr Mann, der Löwe, umherstrich, riß ihm ein Barthaar aus und kehrte damit zurück. Die Löwin band den Fellsack mit ihrer Milch mit dem Barthaar des Löwen zu und übergab ihn Wuthkerschiuth. Wuthkerschiuth bedankte sich und ging.

Wuthkerschiuth ging darauf dahin, wo seine Leute mit dem blauen Zelt warteten. In seinem Zelte zog er seine blaue Kleidung an, bestieg sein blaues Pferd und ritt heraus, seinen sechs Schwägern entgegen. Die sechs Männer der älteren Schwestern seiner Frau begrüßten den jungen Agelith. Sie erkannten wieder nicht, daß dies ihr Schwager Wuthkerschiuth war. Wuthkerschiuth lud sie in sein Zelt ein, bewirtete sie und fragte sie: "Was sucht ihr?" Die sechs Männer sagten: "Wir suchen die Milch einer Löwin, gefüllt in den Balg eines jungen Löwen, der zugebunden ist mit dem Barthaar des alten Löwen." Der junge Agelith sagte: "Ich habe diesen Sack." Die sechs Männer sagten: "Wir wollen ihn dir abkaufen."Wuthkerschiuth sagte: "Der Sack ist mir für Gold nicht feil." Die sechs Männer fragten: "Was sollen wir dir dafür bieten?" Wuthkerschiuth sagte: "Gebt mir dafür jeder ein Ohrläppchen (thaurthend;



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plur. thiurthemin)." Die sechs Männer waren damit einverstanden. Wuthkerschiuth schnitt jedem ein Ohrläppchen ab und gab den sechs Männern dann den Sack. Die sechs Männer ritten mit dem Sack nach Hause.

Wuthkerschiuth zog wieder sein altes Kleid an. Er bestieg wieder sein altes hinkendes Pferd. Er ritt langsam hinter den sechs Schwägern her. Die sechs Männer der älteren Schwestern seiner Frau kamen daheim an. Sie übergaben dem Agelith die Milch der Löwin gefüllt in einen Sack aus dem Fell eines jungen Löwen, der mit dem Barthaar des alten Löwen zusammengebunden war. Der Agelith lobte seine Schwiegersöhne sehr und war sehr froh. Lange Zeit nachher kam Wuthkerschiuth auf seinem Pferde angehinkt. Die sechs Schwäger fragten ihn: "Und was bringst du ?" Wuthkerschiuth sagte: "Ich bringe noch nichts." Da spien ihm die Männer der älteren Schwestern seiner Frau in das Gesicht.

Nach drei Tagen sagte Wuthkerschiuth nachts zu seiner Frau: "Gehe morgen zu deinem Vater und sage ihm, er solle verlangen, daß der seiner Schwiegersöhne, der ihn liebhabe, ihm den singenden Vogel bringen soll." Am andern Morgen ging die jüngste Tochter zu ihrem Vater, dem Agelith und sagte zu ihm: "Sage zu deinen Schwiegersöhnen, daß der, der dich lieb hat, dir den singenden Vogel bringen soll." Der Agelith sagte: "Es ist recht, meine Tochter, ich will den singenden Vogel von meinen Schwiegersöhnen verlangen."

Der Agelith rief seine Schwiegersöhne zusammen und sagte: "Der von euch, der mich lieb hat, soll mir den singenden Vogel bringen." Die sechs Männer der älteren Töchter des Agelith sagten: "Das werden wir tun. Wir werden dir den singenden Vogel bringen." Wuthkerschiuth sagte nichts.

Am andern Morgen bestieg Wuthkerschiuth schon früh sein hinkendes Pferd und ritt aus der Stadt. Seine sechs Schwäger machten sich erst spät auf den Weg, holten ihn aber bald ein. Sie beschimpften Wuthkerschiuth und ritten an ihm vorüber. Wuthkerschiuth ritt zu einem Walde, der nahe bei seinem blauen Zelt war. Er steckte Kamm, Rasiermesser und Spiegel zu sich und ging in den Wald.

Nach einiger Zeit traf er auf einen alten Mann, dessen Haare fielen bis auf die Erde herunter und sein Bart reichte von einem Busch zum andern. Wuthkerschiuth begrüßte den alten Mann. Der alte Mann beschimpfte ihn und sagte: "Wenn du mich nicht gegrüßt hättest, würde ich dich und die Erde, auf der du gehst, verschlingen."Wuthkerschiuth sagte: "Weshalb willst du das tun? Ich bin doch gekommen,



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dich jung und schön zu machen." Der alte Mann lachte (höhnisch) und sagte: "Wie willst du das machen?"

Wuthkerschiuth sagte nichts weiter. Er zog sein Rasiermesser und den Kamm heraus und begann dem alten Mann die Haare zu schneiden. Er schnitt die Haare kurz und rasierte ihn. Dann hielt er ihm den Spiegel vor und sagte: "Nun sieh selbst!" Der alte Mann besah Sich im Spiegel und sagte: "Du hast recht, du hast mich schön gemacht, wie einen jungen Mann. Nun sage mir, was du wünschst."

Wuthkerschiuth sagte: "Ich möchte den singenden Vogel haben." Der alte Mann sagte: "Das ist sehr einfach! Nimm dieses Vogelbauer, Offne es und stelle es dort unter den Baum. Nach einiger Zeit wird der singende Vogel kommen und sich auf einen Zweig des Baumes Setzen. Der singende Vogel wird anfangen, dich zu beschimpfen. Wenn du auf seine schimpfende Rede antwortest, wird sich sogleich die Erde öffnen und dich verschlingen. Wenn du aber nicht antwortest, wird der singende Vogel ganz von allein in das Vogelbauer fliegen.

Dann schließe das Vogelbauer und trage ihn heim." Wuthkerschiuth nahm das Vogelbauer und bedankte sich.

Wuthkerschiuth öffnete das Vogelbauer und setzte es unter den Baum. Nach einiger Zeit kam der singende Vogel, setzte sich auf einen Zweig des Baumes und begann Wuthkerschiuth zu beschimpfen. Wuthkerschiuth blieb stumm und antwortete nicht auf die schimpflichen Reden des singenden Vogels. Darauf flog der singende Vogel herab in das Vogelbauer. Wuthkerschiuth schloß es und ging mit ihm fort.

Wuthkerschiuth ging dahin, wo seine Leute und sein blaues Zelt waren. Wuthkerschiuth zog sein blaues Kleid an und bestieg sein blaues Pferd. Der junge Agelith ritt den sechs Schwägern entgegen. Er begrüßte die sechs Schwäger und lud sie in sein Zelt ein. Die sechs Männer der älteren Schwestern seiner jungen Frau erkannten Wuthkerschiuth nicht. Sie folgten der Einladung des jungen Agelith. Wuthkerschiuth führte sie in sein Zelt, bewirtete sie und fragte sie: "Was sucht ihr?" Die sechs Männer sagten: "Wir suchen den singenden Vogel." Der junge Agelith sagte: "Den singenden Vogel sucht ihr überall vergebens. Den singenden Vogel hab nur ich!" Die sechs Männer riefen: "Wir bitten dich! Verkaufe uns den singenden Vogel! Was willst du für den singenden Vogel haben?" Der junge Agelith sagte: "Der singende Vogel ist mir für Gold nicht feil!" Die sechs Männer drängten und sagten: "Was forderst du von uns für



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den singenden Vogel?" Der junge Agelith sagte: "Jeder von euch soll mir eine seiner kleinen Zehen (thiothend; plur. thivthenip) geben." Die sechs Männer der älteren Schwestern der jungen Frau des Wuthkerschiuth waren damit einverstanden. Der junge Agelith schnitt ihnen die kleinen Zehen ab. Die sechs Männer nahmen den singenden Vogel und ritten nach Hause.

Der junge Agelith legte darauf wieder sein Kleid als Wuthkerschiuth an, bestieg das hinkende Pferd und ritt hinter den sechs Schwägern her. Die sechs Männer der älteren Schwestern der jungen Frau des Wuthkerschiuth kamen inzwischen in der Stadt an. Sie gaben dem Agelith den singenden Vogel. Der Agelith bedankte sich sehr und war über den singenden Vogel sehr froh. Wuthkerschiuth kam nach langer Zeit auch an. Die sechs Schwäger kamen ihm entgegen und fragten ihn: "Und was hast du mitgebracht?"Wuthkerschiuth sagte: "Ich habe noch nichts mitgebracht." Darauf spien die sechs Schwäger ihm wieder in das Gesicht und beschimpften ihn. Wuthkerschiuth sagte aber nichts.

Am andern Tage ließ der Agelith seine Schwiegersöhne zusammenkommen und ihnen sagen, sie sollten seinem Stellvertreter angeben, was jeder seiner Frau als Morgengabe (immenthir) einbringen werde. Die sieben Schwiegersöhne kamen zusammen. Der eine sagte, er bringe eine Million (aliph) Hammel. Der zweite sagte, er bringe tausend Ochsen. Der dritte sagte, er bringe tausend Kamele. Der vierte sagte, er bringe fünfhundert Stuten. Der fünfte sagte, er bringe eine Million Maß Weizen. Der sechste sagte, er bringe zehntausend Goldstücke. Wuthkerschiuth sagte: "Ich bringe mich."Da gab der Stellvertreter dem Wuthkerschiuth eine Ohrfeige. Wuthkerschiuth sagte: "Stelle diese Ohrfeige in Rechnung, denn meine Zeit ist bald abgelaufen und dann wollen wir alles zusammen berechnen.

In diesen Tagen waren nämlich die sieben Jahre des Elends für Wuthkerschiuth abgelaufen. Er sandte eine Nachricht an den Knaben, den er als Stellvertreter zurückgelassen hatte und ließ ihm sagen: "Ich bin in der großen Stadt. Komme mit meinen Leuten mich abzuholen." Der Stellvertreter des jungen Agelith rief alle Männer zusammen und sagte: "Die Zeit des Elends unseres jungen Agelith ist abgelaufen! Kommt mit und holt ihn in der großen Stadt ab." Darauf zogen alle Männer ihre besten Kleider an, stiegen zu Pferde oder zu Kamel und machten sich allesamt auf den Weg.

Der Zug der vielen Menschen kam an der Stelle vorbei, an der der junge Agelith seine Leute mit dem blauen Zelt und dem blauen Pferd



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zurückgelassen hatte. Sie nahmen alles mit und kamen bald darauf in die Stadt. Als der Zug in die Stadt kam, liefen alle Leute schreiend zusammen und riefen: "Ein fremder Agelith kommt, um uns den krieg zubereiten." Der Stellvertreter des jungen Agelith sagte aber: ,Seid still! Seid ruhig! Wir bringen nichts Schlechtes. Wir bringen euch nur Gutes!"

Der Stellvertreter kam in die Mitte der Stadt. Er ließ das blaue Zelt in der Mitte der Stadt aufschlagen. Wuthkerschiuth kam. Er trat in das blaue Zelt und zog sein blaues Kleid an. Er bestieg das blaue Pferd und begrüßte seinen Stellvertreter und seine Leute. Der junge Agelith fragte den Stellvertreter: "Was verdient die Hand, die mich schlug?" Sein Stellvertreter sagte: "Die Hand verdient abgeschlagen zu werden." Der junge Agelith sagte: "Was verdient der Mund, der mich beschimpfte ?" Der Stellvertreter sagte: "Verbrannt zu werden."

Der alte Agelith der Stadt hatte gehört, daß ein junger Agelith angekommen war. Sein Stellvertreter hatte auch gehört, daß ein junger Agelith angekommen wäre. Der Stellvertreter und der alte Agelith kamen, den Agelith zu begrüßen. Der alte Agelith erkannte seinen Schwiegersohn. Er begrüßte ihn. Der Stellvertreter des alten Agelith wollte auch den Schwiegersohn seines Herrn begrüßen. Der junge Agelith sagte aber zu seinem Stellvertreter: "Dies ist der Arm, der mich schlug." Darauf schlugen die Leute ihm den Arm ab. Der junge Agelith sagte: "Das ist der Mund, der mich beschimpfte." Darauf warfen sie den Stellvertreter des alten Agelith in das Feuer, so daß er verbrannte.

Der alte Agelith führte seine Gäste in sein Haus, um sie zu bewirten. Der junge Agelith sagte im Hause zu seinem Schwiegervater: "Ich habe den sechs Männern der älteren Schwestern meiner Frau etwas mitgebracht, rufe sie." Der alte Agelith ließ seine sechs Schwiegersöhne rufen. Der junge Agelith sagte: "Setzt euch! Ihr fragtet mich dreimal, was ich mitgebracht habe. Ich habe euch alle dreimal geantwortet, daß ich noch nichts mitgebracht habe. Heute habe ich nun für jeden von euch drei Geschenke mitgebracht, und ich bitte euch, sie sogleich anzulegen." Die sechs Schwiegersöhne sagten: "Wir danken dir, wir werden deine Geschenke sogleich anlegen."

Der junge Agelith zog sechs kleine goldene Ringe hervor und sagte "Steckt diese auf den kleinen Finger eurer linken Hand." Die sechs Männer wurden verlegen. Sie nahmen die kleinen goldnen Ringe



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und sagten: "Wir wollen sie auf dem kleinen Finger der rechten. Hand tragen." Der junge Agelith sagte: "Ihr habt mich nicht recht verstanden. Ihr sollt sie auf dem kleinen Finger der linken Hand. tragen." Die sechs Männer sagten: "Das können wir nicht." Der Agelith sagte: "Weshalb könnt ihr es nicht. Zeigt Eure Hände." Die sechs Männer zeigten ihre Hände. Da sahen alle, daß ihnen die kleinen Finger der linken Hand abgeschnitten waren.

Der junge Agelith sagte: "Ich habe euch noch etwas anderes mitgebracht." Er zog sechs Ohrgehänge (die Kabylenmänner tragen nur in einem Ohr ein Gehänge) hervor und sagte: "Befestigt diese in eurem rechten Ohrläppchen!" Die sechs Männer wurden verlegen und sagten: "Wir wollen diese Gehänge im linken Ohrläppchen befestigen» Der junge Agelith sagte: "Ihr habt mich falsch verstanden. Ihr sollt die Gehänge am rechten Ohrläppchen tragen." Die sechs Männer sagten: "Das können wir nicht." Der alte Agelith sagte: "Weshalb könnt ihr es nicht? Hebt eure Mützen hoch."Die sechs Männer hoben die Mützen auf; da sahen alle Leute, daß ihnen die rechten Ohrläppchen abgeschnitten waren.

Der junge Agelith sagte: "Ich habe euch noch etwas mitgebracht." Er zog sechs goldne kleine Zehenringe heraus und sagte: "Diese Zehenringe sollt ihr auf der kleinen Zehe eures linken Fußes tragen." Die sechs Männer wurden verlegen und sagten: "Wir werden diese goldnen kleinen Ringe auf der kleinen Zehe des rechten Fußes tragen." Der junge Agelith sagte: "Ihr habt mich nicht recht verstanden. Ich sagte euch, ihr solltet sie auf der kleinen Zehe des linken Fußes tragen." Die sechs Männer sagten: "Das können wir nicht." Der alte Agelith sagte: "Was, das könnt ihr auch nicht? Zeigt eure linken Füße!" Die sechs Männer entblößten die linken Füße. Alle Leute sahen, daß ihnen die kleine Zehe abgeschnitten war.

Der alte Agelith sagte: "Nun sagt mir, wo eure kleinen Finger, eure Ohrläppchen und eure kleinen Zehen geblieben sind."Die sechs Männer schwiegen. Der alte Agelith wandte sich an den jungen Agelith und fragte ihn: "Weißt du es, so sage es mir." Der junge Agelith zog die sechs kleinen Finger aus der Tasche und sagte: "Hier sind die sechs kleinen Finger. Mit diesen sechs Fingern bezahlten sie mir die fünf wiederbelebenden Apfel, die sie dir nachher als ihre Geschenke brachten. Ich habe aber nicht nur diese fünf, sondern noch zwei weitere wiederbelebende Äpfel mitgebracht, die ich dir hier als meine Gabe darbringe." Der junge Agelith zog zwei wiederbelebende Apfel heraus und gab sie dem alten Agelith.



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Danach nahm der junge Agelith die sechs Ohrläppchen aus seiner Tasche und sagte: "Gegen diese sechs Ohrläppchen tauschten mir diese sechs Männer die Milch der Löwin in dem Balg des Löwenjungen, der mit dem Schnurrbarthaar des alten Löwen zugebunden War, ein. Sie brachten dir den Sack später als ihr Geschenk." Der junge Agelith zog dann die sechs kleinen Zehen der sechs Männer heraus und sagte: "Gegen diese sechs Zehen kauften mir diese sechs Männer den singenden Vogel ab, den ich erlangt hatte, und brachten ihn dir nachher als ihre Gabe dar."

Der alte Agelith ward zornig. Er verjagte die sechs Männer der älteren Schwestern der jungen Frau des jungen Agelith. Dem jungen Agelith dankte er für alles, was er getan hatte. Er behielt seinen Schwiegersohn lange bei sich und entließ ihn später in großer Freundschaft. Der junge Agelith kehrte dann mit seiner jungen Frau und seinen Leuten in seine Stadt zurück. Er hatte die sieben Jahre des Elends, die seinem Leben bestimmt waren, hinter sich.



46. Der Unscheinbare

Ein Kaid hatte vier Töchter, von denen drei erwachsen waren. Viele Männer der Stadt und von auswärts kamen und baten den Kaid um die Hand einer seiner Töchter. Der Kaid antwortete aber stets: "Ich verheirate meine Töchter erst, wenn alle vier erwachsen sind. Dann sollen sie aber selbst ihren Gatten wählen und sollen alle vier am gleichen Tage heiraten."

Es nahte die Zeit, da auch die jüngste Tochter erwachsen war, und somit der Tag, an dem der Kaid alle vier Töchter gleichzeitig verheiraten wollte. Der Kaid teilte dieses seinen vier Töchtern eines Tages mit, setzte den Tag der Gattenwahl und Hochzeit fest und sagte: "Überlegt euch wohl, meine Töchter, welchen Mann jede sich zum Gatten auswählen will. Ihr habt noch Zeit genug, die einzelnen jungen Männer der Stadt untereinander zu vergleichen und eure Entschlüsse ausreifen zu lassen, so daß ihr mir dann würdige Schwiegersöhne in das Haus führt und unsere Familie vor Schande bewahrt." Nachdem der Kaid das gesagt hatte, ließ er alle vier ihres Weges gehen und die Schicksalsentscheidung selbst erwägen.

Nun hatten die ältesten drei Töchter schon ihre Wahl getroffen. Eine jede hatte einen Liebhaber, mit dem sie sich schon hier und da ein Zeichen und ein Stelldichein gegeben hatte, und von denen jeder



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der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns der Stadt war. Die jüngste Tochter hatte bislang aber alle Winke der Männer übersehen, weil sie ihr alle gleichgültig waren. So war denn sie allein durch die Erklärung des Vaters vor eine schwierige Frage gestellt und ging deshalb, während ihre drei Schwestern von dannen eilten, um ihren Liebhabern die Mitteilung von dem nahe bevorstehenden Hochzeitsfeste zu machen, nachdenklich in den nahen Wald, in dem sich eine kühle Quelle befand.

Die jüngste Tochter des Kaid ging sinnend im Walde dahin. Sie hatte einen Hund bei sich, der lief nach der Quelle voraus, um zu saufen. Kaum war er fort, so begann der Hund jämmerlich zu schreien. Das Mädchen ging schnell weiter, um zu sehen, was dem Hund zugestoßen sei, da sah sie noch ein wenig entfernt, daß eine riesenhafte Schlange, die sicher imstande war, den stärksten Ochsen zu erwürgen, den Hund gepackt hatte und ihn eben verschlucken wollte. Sie wollte schon entsetzt fliehen, als von der andern Seite ein in Lumpen gehüllter und statt der Mütze mit einem Stück Kuhmagen bedeckter Mann herbeisprang, die Schlange packte, sie, trotzdem sie sich um ihn wand, mit den Händen erdrosselte und dann tot hinwarf, während der Hund bellend von dannen rannte.

Die jüngste Tochter des Kaids blickte aus ihrem Versteck fast berauscht vor Erstaunen auf den Bettler. Denn während des Kampfes hatte die Schlange ein Stück seines Lumpengewandes zerrissen, und dabei war ein herrlich, fein gestickter Silberstoff zum Vorschein gekommen. Dann hatte die Schlange mit dem letzten Schwanzschlage ihm die Kuhmagenhaut vom Haar gerissen, und nun sah man, daß darunter reines Gold war, das leuchtete so hell, daß der Wald ringsumher den Schein des Goldhauptes und der Schönheit des anscheinenden Bettlers widerspiegelte. Das dauerte aber nicht lange, denn sowie die Schlange tot am Boden lag, nahm der Mann den Kuhmagenlappen auf und bedeckte sein Goldhaupt. Dann schob er die Lumpen über das prächtige Unterkleid und ging, ohne die Schlange eines Blickes zu würdigen oder die Tochter des Kaids in ihrem Versteck zu gewahren, der Stadt zu.

Gänzlich verwirrt blieb die jüngste Tochter des Kaids an der Stelle hocken, von wo aus sie dieses Schauspiel gesehen hatte. Sie kam erst wieder zu sich, als sich von der andern Seite Schritte näherten. Schon wollte sie aufstehen und sich entfernen, da sah sie, daß es ihre älteste Schwester und deren Liebhaber waren, die auf die Quelle zuschritten. Die Jüngste blieb. Die älteste Schwester und ihr Liebhaber



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betraten die freie Stelle. Der Liebhaber erblickte die tote Schlange zuerst, schrie laut auf und floh, die Schwester gleich hinter ihm her. Die jüngste Schwester lachte vor sich hin und sagte: "Dies ist ja ein außerordentlicher Mann, den sich meine Schwester da er-Wählt hat."

Die Jüngste verfiel dann wieder in die Gedanken an den goldhäuptigen Bettler. Zum zweiten Male wurde sie durch Schritte aufgeschreckt. Es war ihre zweite Schwester und deren Liebhaber, die durch den Wald zur Quelle gingen. Die Jüngste sagte vor sich hin: "Ob dies wohl die gleiche Art ist, wie mein ältester Schwager ?" — Der Jüngling betrat den Queliplatz, schrie und lief, ohne sich um seine Geliebte zu kümmern, von dannen. Diese brachte sich aber auch ohne die Unterstützung des Geliebten in Sicherheit.

Die Jüngste lachte wieder. Nach einiger Zeit hörte sie aber auf zu lachen und sagte bei sich: "Jetzt kommt auch meine dritte Schwester mit ihrem Geliebten. Wenn der sich ebenso benimmt, dann habe ich heute gelernt, daß äußerer Wohlstand und innere Tapferkeit nichts miteinander zu tun haben." Der dritte Liebhaber kam und floh vor der toten Schlange ebenso eilig, wie die Erwählten dei älteren zwei Schwestern.

Da erhob sich die Jüngste und ging nach Hause. Sie rief ihre Sklavin und sagte ihr: "Geh sogleich in die Stadt und sieh dich uni nach einem Bettler, der statt der Mütze ein Stück Kuhmagen auf dem Kopf hat. Berichte mir, wo er wohnt und wie er heißt." Die Sklavin ging. Sie kam am Abend wieder und sagte: "Ich habe nichts erfahren. Hat der Mann aber etwas verbrochen, so können die Leute deines Vaters ihn sicher schnell ausfindig machen und gefangen setzen." Die jüngste Tochter des Kaids sagte: "Ich will nicht, daß man ihn im geringsten kränkt, oder daß er erfährt, daß ich mich nach ihm erkundigt habe. Ich will aber bis morgen früh seinen Namen wissen."

Am andern Tage kam die Sklavin und sagte: "Ich habe den Namen des Bettlers in Erfahrung gebracht. Er heißt Hamed bul kerscha (der mit der Bauchhaut Bedeckte) und wohnt als ganz Armer in der Moschee (Djemaa)." Die Jüngste sagte: "Es ist gut." — Abends suchte die jüngste Tochter den Kaid auf und sagte: "Ich habe in meinem Inneren deine gütigen Worte wohl erwogen. Ich sehe aber in einem nicht klar und bitte dich, meinen Vater, dir einige Fragen vorlegen zu dürfen. Der Kaid sagte: "Sprich, meine Tochter."

Die Jüngste sagte: "Du hast gesagt, wir sollen uns unsern Gatten



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selbst wählen, sollten unsere Entschlüsse aber sorgfältig prüfen, damit wir dir einen würdigen Schwiegersohn zuführen und deine Familie vor Schande bewahren. Ist es so ?" Der Kaid sagte: "Du hast mich richtig verstanden." Die Jüngste sagte: "Erkläre mir bitte, ob du unter einem würdigen Mann, der deine Familie vor Schande bewahrt, einen Mann verstehst, der nach viel aussieht, hinter dem aber nichts steckt, oder einen Mann, der nach nichts aussieht und doch etwas Besonderes ist?" Der Kaid sagte: "Sieh, ich bin kein junger Mann, sondern ein alter. Als alter Mann sage ich dir, daß ich nur den für würdig erachte und ehren kann, der etwas ist nicht etwa den, der wie etwas scheint." Die Tochter sagte: "So habe ich dich also recht verstanden. Nun bitte ich dich um Beantwortung einer letzten Frage: Willst du deinen Schwiegersöhnen, wenn ich darum bitte, die Möglichkeit geben, sich als das zu erweisen, was sie sind?" Der Kaid sagte: "Mein Kind, das verspreche ich dir."Die Tochter ging.

Der Tag kam, an dem jede der vier Töchter des Kaid ihren Gatten wählen sollte. Alle jungen Männer der Stadt waren versammelt. Alle Reichen standen in der Mitte. Draußen aber standen auch die Armen und blickten dem Schauspiel der Hochzeit eines wohlhabenden Hauses zu. Der Vater trat mit seinen vier Töchtern heraus. Er gab jeder der Töchter einen Apfel und sagte: "Nun wählt." Die älteste Tochter nahm den Apfel und reichte ihn ihrem Liebhaber, der war der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns. Alle Leute lobten die Wahl. Die zweite Tochter nahm den Apfel und reichte ihn ihrem Liebhaber, der war auch der Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, und demnach lobten alle Leute auch diese Entscheidung. Die dritte Tochter nahm den Apfel und reichte ihn ihrem Liebhaber, und da der desgleichen der Sohn eines sehr vermögenden Kaufmanns war, so erntete auch diese Wahl Befriedigung.

Die vierte Tochter nahm den Apfel und blickte im Kreise umher. Sie blickte die ersten Reihen auf und ab. Sie blickte die hinteren Reihen auf und ab. Sie schaute auf die Gaffer, die draußen herumstanden. Sie schüttelte den Kopf und sagte: "Es sind nicht alle jungen Männer der Stadt anwesend." Der Vater sagte: "Kannst du jemand nennen, der fehlt?" Die Tochter sagte: "Es fehlen die Armen der Djemaa. Und deiner Bestimmung nach brauche ich erst dann zu wählen, wenn alle jungen Männer der Stadt versammelt sind." Darauf sandte der Vater zur Djemaa (Moschee) und ließ die rufen, die noch fehlten. Auch sie kamen und stellten sich zu allerhinterst, ganz draußen auf.



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Eine Thimhaschiszelt

(Hanfraucher)-Gesellschaft Originalzeichnung eines Kabylen



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Als sie angekommen waren, schritt die jüngste Tochter mitten durch die Massen der Reichen, Wohlhabenden, Bemittelten und irgendwie angesehenen Leute auf die Bettler zu und gab ihren Apfel einem sehr heruntergekommen aussehenden, in Lumpen gehüllten Burschen. Die Umstehenden traten erstaunt zurück und Sagten: "Hamed bul kerscha, der Hamed mit der Bauchhaut!" erstaunt sahen sich die ältesten drei Schwestern an. Ernst blickte der Kaid drein und sagte: "Meine Tochter, das ist eine ernste, wichtige Sache, auch solltest du deinen Scherz nicht mit einem armen bettler treiben." Die jüngste Tochter sagte: "Es ist mir kein Scherz, Sondern Ernst. Ich habe mir einen Gatten erwählt, und ich glaube ficht, daß irgendein Mensch heute schon, wo ihr ihn gar nicht kennt, Sich eine Antwort auf die Frage erlaubt, ob er weniger würdig ist, als deine andern Schwiegersöhne und ob er deiner Familie nicht Ehre bringt."

Die ältesten Schwestern zürnten. Die Männer der ältesten Schwestern spotteten. Alle Anwesenden lachten. Der Kaid nahm seine Jüngste Tochter beiseite und sagte: "Du hast sonst gewußt, was du tust. Weißt du es heute auch ?" Die Tochter sagte: "Ich weiß es." Der Vater sagte: "Du hast mir neulich abends Fragen vorgelegt, die ich dir beantwortete. Hast du dich den Worten oder dem Sinne nach nach der Antwort gerichtet?"Die Tochter sagte: "Dem Sinne nach." Der Vater sagte: "Kannst du mir nun noch etwas sagen, was mich dieses verstehen läßt ?" Die Tochter sagte: "Wer ein Knäuel Faden kauft, soll nicht das außen umschlungene, schöngefärbte Stückchen betrachten, sondern er soll darauf achten, daß der lange Hauptteil haltbarer und fester ist, als der vielleicht schäbige Anfang." Der Vater seufzte und wollte gehen. Die Tochter sagte: "Mein Vater, vergiß nicht, daß du mir versprochen hast, mit deinem Endurteil zu warten, bis du die Proben erlebt hast." Der Vater sagte: "Es ist gut, ich werde abwarten."

Darauf feierten alle ein großes Fest. Die ältesten drei Schwestern saßen mit ihren Gatten bei dem Kaid auf dem Ehrenplatze. Die jüngste Tochter saß mit dem bauchhautbedeckten Hamed an der Tür. Die ältesten drei Schwestern zogen mit ihren Gatten in deren prächtige Häuser. Die Jüngste zog mit dem Bettler in einen Winkel der Moschee.

Eines Tages sagte Hamed bul kerscha zu seiner Gattin: "Geh zu deinem Vater und bitte ihn, daß er sich krank stellt, daß er dann seine vier Schwiegersöhne kommen läßt und ihnen sagt: ,Es gibt für mich



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nur ein Heilmittel, das sind einige jener Äpfel, die jenseits der sieben Meere wachsen und die ich euch, meine vier Schwiegersöhne, bitte, mir zu bringen." Die junge Frau ging hocherfreut und bat ihren Vater zu tun, wie es ihr Gatte gewünscht hatte. Der Vater legte sich also auf sein Lager und sandte zu seinen vier Schwiegersöhnen. Als sie alle um ihn herumstanden, sagte er: "Meine Söhne, ich bin sehr krank. Es gibt für mich nur ein Heilmittel, das sind einige jener Äpfel, die jenseits der sieben Meere wachsen und die ich euch, meine vier Schwiegersöhne, bitte, mir zu bringen."

Die drei reichen Schwiegersöhne und der arme gingen, die ersteren in ihre Häuser, um ihre Pferde zu satteln, der letztere, um sich zu Fuß auf den Weg zu machen. Die reichen Schwiegersöhne ritten zusammen zum Tore hinaus und sagten untereinander: "Wie sollen wir es nur anstellen, in das Land jenseits der sieben Meere zu gelangen ?" Sie ritten bedrückt dahin.

Inzwischen war Hamed kaum draußen vor den Toren der Stadt angelangt, da sah er um sich, ob niemand ihn beobachtete, und dann drehte er einen Ring, den er am Finger hatte, und der der Tachasinsleberi(ng), der Wunschring, war. Der Ring sagte: "Was befiehlst du ?" Hamed sagte: "Nimm diese schmutzige Oberkleidung und gib mir ein reiches, rotes Obergewand. Dazu schaffe mir sogleich ein rotes Pferd, dessen vordere Beine wie der Wind und dessen hintere Beine wie Blitze sind." Sogleich war Hamed in ein herrliches rotes Gewand gekleidet und hatte vor sich ein prächtiges rotes Pferd. Damit jagte er hinter seinen reichen drei Schwägern her, die er auch bald erreichte.

Der Rote ritt an die reichen drei Schwiegersöhne heran, begrüßte sie und sagte: "Ihr seid traurig. Kann ich euch in irgendeiner Sache mit einem Ratschlag dienen ?" Die reichen drei Schwiegersöhne sagten: "Unser Schwiegervater ist krank und verlangt von uns, wir sollten ihm als Heilmittel einige jener Äpfel bringen, die jenseits der sieben Meere wachsen. Das können wir aber nicht. Denn wie sollen wir über die sieben Meere kommen." Der Rote sagte: "Darin kann ich euch allerdings keinen Rat geben, das kann ich höchstens selbst machen, denn es ist schwer." Die reichen drei Schwiegersöhne sagten: "Was sollen wir dir dafür bezahlen, wenn du uns die Äpfel beschaffst ?"Der Rote sagte: "Gebt mir jeder eines seiner zwei Ohren." Die reichen drei Schwiegersöhne waren einverstanden. Der Rote sagte: "So wartet hier, bis ich wiederkomme. Ich werde zu der Reise einige Zeit benötigen." Dann ritt er von dannen.



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Hamed ritt bis zum Ufer des Meeres. Unterwegs kaufte er zwei Schafe. Er ging zu einer entlegenen Stelle und schlachtete die Schafe. Er warf sie bis auf wenige Stücke den Adlern zum Fraß hin. Ein Adler kam mit seinen Jungen herunter. Der Adler und seine Jungen aßen sich satt. Der Adler sagte zu Hamed: "Ich danke dir, daß du meine Jungen gut gefüttert hast. Du kannst zum Danke dafür verlangen, was du willst." Hamed sagte: "Ich möchte, daß mich einer der jungen Adler über die sieben Meere trägt, dahin, wo ich von jenen Äpfeln pflücken kann, und daß er mich dann zurückbringe." Der Adler fragte einen seiner Söhne: "Wie lange brauchst du hierzu?" Der Adlersohn sagte: "Ich brauche einen Monat hin und einen zurück." Der Adler sagte: "Das ist zu viel. Wie lange brauchst du dazu ?" Der zweite Adler sagte: "Ich brauche zwanzig Tage hin und zurück." Der Adler sagte: "Das ist zu lange. Wie lange brauchst du?" Der dritte Adler sagte: "Ich brauche für Hin- und Rückweg zusammen sieben Tage." Der alte Adler sagte: "Das ist der Richtige."

Hamed steckte sieben Stücke Fleisch ein. Jeden Tag nahm er ein Stück Fleisch heraus und gab es dem Adler. Als er am siebenten Tage in die Tasche griff, merkte er, daß er beim Pflücken der Äpfel im Vorüberfliegen ein Stück verloren habe. So zog er denn ein Messer heraus und schnitt sich ein Stück vom Bein ab, das gab er dem Adler. Der Adler ließ Hamed an der Meeresküste nieder. Hamed blutete und konnte das Hinken nicht verbergen. Der junge Adler sagte: "Was fehlt dir? Dir ist ja ein Stück des Beines abgeschnitten!" Hamed sagte: "Ich hatte das siebente Stück Fleisch verloren und hatte dir nichts anderes zu bieten als das, was ich mir selbst abschneiden konnte." Der junge Adler sagte: "Das soll wieder hergestellt werden." Er wendete sich ab und spie das verschlungene Stück von Hameds Bein wieder aus. Er setzte es Hamed an. Hamed war geheilt.

Hamed bestieg sein Pferd. Er ritt mit den Äpfeln in der Tasche dahin, wo er die reichen drei Schwiegersöhne zurückgelassen hatte. Er begrüßte sie und sagte: "Ich habe die Äpfel!" Darauf ließen sich die reichen drei Schwiegersöhne je ein Ohr abschneiden, zogen ihre Kappe tiefer auf den Kopf, nahmen die Äpfel und ritten vergnügt darüber, daß sie so billigen Kaufs aus der Affäre hervorgegangen waren, heimwärts. Hamed seinerseits legte vor den Toren der Stadt den roten Mantel auf das Pferd, ließ alles vom Wunschring zurücknehmen, sich die alten Lumpen wieder umhängen und kam als



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Bettler in die Stadt zurück, während seine reichen drei Schwäger ufl Hause des Kaid mit Ehren empfangen wurden. —

Einige Tage später ging Hamed mit seiner Frau in lumpigen Kleidern durch die Stadt. Die drei reichen Schwiegersöhne begegneten ihnen. Als sie ihres armen Schwagers ansichtig wurden, lachten sie und fragten höhnend: "Hast du nicht Lust, auch einige von den Äpfeln jenseits der sieben Meere zu holen?" Hamed antwortete: "Wie sollte ich armer Mann dazu kommen, die Geheimnisse eurer Taten zu kennen?" Die drei reichen Schwiegersöhne sagten: "Zu solcher Arbeit gehört mehr Mut und Klugheit, als Kenntnis Von Geheimnissen." Hamed antwortete: "Darin bin ich eurer Ansicht, und ich weiß auch, was ich tun würde, wenn ich euren Mut und eure Klugheit hätte." Die drei höhnten und sagten: "Sprich doch, was du tun würdest." Hamed sagte: "Nicht heute, aber ein anderes Mal!" Dann ging er mit seiner Frau weiter.

Wenige Tage darauf sagte Hamed zu seiner Frau: "Geh wieder zu deinem Vater und bitte ihn, daß er sich wieder krank stellen, diesmal von seinen Schwiegersöhnen als das Heilmittel einen Trunk von der hinter den auf- und zuschlagenden Felsen aufspringenden Quelle ausbitten soll." Die junge Frau ging und sagte es ihrem Vater. Der Vater legte sich nieder, ließ seine vier Schwiegersöhne zusammenrufen und sagte: "Meine Söhne, ich bin zum zweiten Male sehr krank. Dieses Mal kann mir nur ein Trunk von der Quelle, die hinter den auf- und zuschlagenden Felsen entspringt, nützen. Ich bitte euch also, diesen Trunk für mich zu holen." Die vier Schwiegersöhne gingen.

Die drei reichen Schwiegersöhne verließen zu Pferde auf der einen Seite, der arme auf der andern Seite zu Fuß die Stadt. Die drei Reichen ritten bedrückt dahin, als ihnen nach einiger Zeit wieder der rote Reiter begegnete, der sie freundlich begrüßte und sie fragte: "Was stimmt euch so traurig?" Die drei reichen Schwiegersöhne sagten: "Unser Schwiegervater, der Kaid, ist krank und als Heilmittel benötigt er einen Trunk aus der Quelle, die hinter den auf. und zuklappenden Felsen entspringt. Diesen Trunk sollen wir ihn] besorgen. Nun ist es aber sicher, daß wir, wenn wir es wagen würden, hindurchzugehen, zwischen den zusammenschlagenden Felsen zermalmt werden würden. Wir sind also zur Ausführung der Aufgabe nicht imstande." Der rote Reiter sagte: "Diese Sache ist allerdings sehr schwierig und verlangt ebenso viel Mut als Klugheit. Immerhin glaube ich, daß ich dazu imstande sein würde." Die reiehen



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drei Schwiegersöhne sagten: "Was verlangst du für die Ausführung dieser Aufgabe? Was sollen wir dir für einen Trunk von diesem Wasser geben ?" Der rote Reiter sagte: "Ich würde ihn euch geben, wenn ein jeder von euch seinen kleinen Finger gibt." Die reichen drei Schwiegersöhne erklärten sich damit einverstanden, Und der rote Reiter sagte zu ihnen: "So bleibt hier lagern, bis ich mit dem Trunk zurückkehre." Dann ritt er von dannen.

Der rote Reiter begab sich nun in die Gegend der auf- und zu-Schlagenden Felsen. Diese Felsen standen bei sonnigem Wetter fest, So lange nicht irgendein Wesen, sei es ein Hase, ein Vogel oder eine Fliege zwischen beiden hindurchsetzen wollte. So wie dies aber geschah, schlugen sie mit riesiger Geschwindigkeit und so großer Gewalt gegeneinander, daß jedes Geschöpf zwischen ihnen zu Staub zermalmt wurde. Sowie Sie aber ein Wesen zwischen sich zermalmt hatten, gingen sie wieder langsam auseinander. Nun hatte der rote Reiter unter seinem Mantel verborgen zwei Tauben mitgebracht. Als er am Eingange der Felsentore angekommen war, nahm er die eine der Tauben heraus und sagte: "Fliege zur Quelle." Die Taube flog. Die Felsen schlugen blitzschnell zusammen. Sie zermalmten die Taube zwischen sich zu Staub. Dann gingen die Felsen wieder langsam auseinander. Diesen Augenblick benutzte der rote Reiter. Er drückte seinem Pferde die Sporen in die Seite, so daß es mit den Füßen, die wie Wind und Blitz waren, hindurchsauste. Kaum war er aber in der Mitte des Felsendurchganges, da waren die Riesenblöcke auch an der äußersten Grenze ihrer Rückbewegung angelangt und schlugen sofort wieder zusammen. Der rote Reiter hatte mit seinem Pferde gerade die andere Seite des Durchganges erreicht, als die Felsen wieder zusammenprallten. Sie trafen gerade noch das äußerste Ende des Pferdeschwanzes und schnitten dies glatt ab.

Der rote Reiter ruhte sich und sein Pferd an der Quelle aus. Dann schöpfte er den Trunk, den er seinen reichen drei Schwägern versprochen hatte und bereitete sich zur Rückkehr vor. Er ritt bis an den Ausgang des Felsenpasses, nahm die zweite Taube, ließ sie frei und sagte: "Fliege nach Hause!" Die Taube flog. Die Felsen schlugen mit großer Gewalt gegeneinander und zermalmten die Taube zwischen sich zu Staub. Dann begannen die Felsen wieder langsam auseinander zu gehen. In diesem Augenblick gab der rote Reiter wieder seinem Pferde die Sporen, und dieses raste schnell wie Blitz und Wind zwischen den Felsblöcken hin. Kaum war der Reiter aber in der Mitte des Felsdurchganges angelangt, da waren die Blöcke



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auch an der äußersten Grenze ihrer Rückbewegung und schlugen nun mit furchtbarem Krachen zusammen, — so schnell, daß die Hinterhufe des rasenden Pferdes gerade dem Felszusammenschlag entgingen, die Hälfte des Schweifes aber noch glatt abgeschnitten wurde.

Der rote Reiter ruhte sein Pferd noch einige Zeit von dem gewaltsamen Ritt aus und machte sich dann auf den Weg, um seinen Schwägern den versprochenen Trunk zu überbringen. Er traf sie noch an der gleichen Stelle, an der sie ungeduldig auf ihn gewartet hatten. Er bändigte ihnen den Trunk aus, schnitt jedem einzelnen von ihnen seinen kleinen Finger ab und ritt von dannen. Einige Zeit später ritten die drei reichen Schwiegersöhne stolz und hoch zu Roß durch das eine Tor der Stadt, während der arme Hamed zu Fuß durch das andere auf die Moschee zuging, in der seine Gattin seiner harrte. Alle Leute aber rühmten die Tapferkeit der reichen drei Schwiegersöhne, welche eine so schwierige Aufgabe gelöst hatten und spotteten des Bettlers, der nur eine Fußwanderung vor den Toren der Stadt gemacht hatte.

Einige Tage darauf begegnete Hamed mit seiner Frau abermals seinen reichen drei Schwägern. Sie spotteten wieder seiner. Hamed sagte wieder: "Ich weiß, was ich tun würde, wenn ich euren Mut und eure Klugheit hätte." Die drei reichen Schwäger entgegneten abermals: "Sprich doch, was du tun würdest." Hamed entgegnete wie das erstemal: "Heute noch nicht, aber ein anderes Mal." Dann ging er mit seiner Frau weiter.

Kurze Zeit darauf sagte Hamed zu seiner Frau: "Geh noch ein drittes Mal zu deinem Vater und bitte ihn, sich krank zu stellen. Sage ihm, er solle als Heilmittel die Milch einer säugenden Löwin, gefüllt in den Balg eines ihrer eigenen Kinder von seinen Schwiegersöhnen verlangen." Der Kaid war damit einverstanden. Er rief seine vier Schwiegersöhne zusammen und sagte: "Leider bin ich noch ein drittes Mal erkrankt und kann nur durch ein sehr schwierig zu erlangendes Heilmittel gerettet werden. Ich brauche nämlich die Milch einer säugenden Löwin, gefüllt in den Balg eines ihrer eigenen Kinder. Würde einer von euch, meine vier Schwiegersöhne, imstande sein, diese Milch in solchem Behälter zu beschaffen, um mir meine Genesung zu ermöglichen ?" Die vier Schwiegersöhne gingen auseinander.

Der Bettler verließ zu Fuß durch das eine Tor die Stadt, die drei reichen Schwiegersöhne hoch zu Roß durch das andere. Bald begegneten



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die drei reichen Schwiegersöhne dem roten Reiter und sagten sogleich: "Du kannst uns heute wieder einen vorzüglichen Dienst erweisen." Der rote Reiter sagte: "Worin besteht dieser?" Die drei reichen Schwiegersöhne entgegneten: "Unser Schwieger-Vater, der Kaid, verlangt als Heilmittel zur Genesung von seiner neuen Krankheit, in die er verfallen ist, die Milch einer Löwin, gefüllt in den Baig eines ihrer eigenen Kinder. Was verlangst du dafür, wenn du uns die verschaffst ?" Der rote Reiter sagte: "Von jedem von euch die kleine Zehe von einem seiner Füße." Die reichen drei Schwiegersöhne sagten: "Du sollst sie haben. Bringe sie nur schnell hierher. Wir bleiben hier lagern und warten auf dich." Der rote Reiter ritt von dannen.

Der rote Reiter ritt dahin, wo ein tapferer Schäfer mit sehr guten Hunden seine Schafe weidete. Es war ein Schäfer, der es verstand, stets die Löwen von seinen Schützlingen fernzuhalten, so daß diese hier schwer und selten ihre Nahrung fanden. Von diesem Schäfer kaufte er zwei fette Schafe und ging damit gegen Abend in den Wald. Das eine der Schafe band er unter einem Baume an, das andere zog er an einem Strick am Baume hinauf und stieg dann selbst hinauf. Als es nacht war, kam eine Löwin mit ihren Jungen, fiel über das unten angebundene Schaf her und verschlang es mit ihren Kindern.

Danach hatten die Löwin und ihre Jungen aber noch großer Hunger und sie witterten den Menschen und das Schaf auf den Baum. Die Löwin sagte: "Wer du auch seiest da oben, du hast meine Jungen und mich gespeist, so daß ich dir danke. Nun hast du dort oben aber noch ein fettes Schaf, während wir hier unten noch nicht gesättigt sind. Laß uns also das Schaf herunter und schenke es meinen Jungen und mir. Tust du es, so schwöre ich dir bei Gott, daß ich dir jeden Wunsch, dessen Erfüllung meine Fähigkeit nicht übersteigt, erfüllen werde." Der rote Reiter sagte: "Ich bin mit deinem Vorschlage einverstanden, und bin bereit, dir das zweite Schaf sogleich herunter zu bringen. Ich werde aber von dir etwas seht Schweres und unbedingt die Einhaltung deines Schwures verlangen.' Die Löwin sagte: "Ich wiederhole meinen Schwur."

Darauf stieg der rote Reiter mit dem zweiten Schafe vom Baume herunter und gab es der Löwin, die es sogleich mit ihren Junger zerriß und verzehrte, während er daneben stand. Als die Löwin sich und ihre Kinder gesättigt hatte, sagte sie: "Du hast meine Junger und mich gesättigt. Ich danke dir. Du hast einen Wunsch und ich



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habe geschworen, ihn dir zu erfüllen. Sprich ihn also aus." Der rote Reiter sagte: "Ich brauche deine Milch, gefüllt in den Balg eines deiner Kinder." Als die Löwin das hörte, brüllte sie in gewaltigem Zorn auf und wollte sich auf den roten Reiter stürzen. Dieser blieb stehen und sagte: "Ich fürchte dich nicht. Vergiß du aber nicht, daß du geschworen hast." Die Löwin legte sich nieder und zwang ihren Zorn hinunter. Sie sagte: "Du hast recht. Ich werde meinen Schwur halten; ich bitte dich jedoch, es mir möglich zu machen. Nimm eines meiner Jungen und erwürge es, aber nicht hier, sondern so weit von hier abseits, daß ich es nicht sehe, sonst würde der große Zorn wieder in mir aufsteigen. Dann komm mit dem Balg und melke meine Milch hinein. Du mußt dabei aber mit deiner einen Hand meinen Kopf niederdrücken, damit ich nicht um mich beißen kann. Tust du es so, dann kann und will ich meinen Schwur einhalten." Der rote Reiter sagte: "So soll es geschehen."

Der rote Reiter nahm ein Kind der Löwin und trug es seitwärts weg in den Busch. Er erdrosselte es und streifte die Haut ab. Mit dem Balg kehrte er zurück und drückte dann mit einer Hand und großer Kraft den Kopf der Löwin nieder, während er mit der andern rnolk. Als er mit der Arbeit fertig war, wollte die Löwin wieder zornig werden, er aber schleuderte sie weit weg in den Busch und sagte: "Denke an deinen Schwur!" Mit dem gefüllten Balg kehrte er dann dahin zurück, wo er sein Pferd angebunden hatte und bestieg es.

Der rote Reiter kehrte zu den drei reichen Schwägern zurück. Er schnitt jedem von ihnen eine Zehe ab, gab ihnen den Baig mit der Milch der Löwin und ritt von dannen. Die drei reichen Schwäger kehrten hoch zu Roß durch das eine Tor, der Bettler zu Fuß durch das andere in die Stadt zurück. Die reichen drei Schwäger wurden mit vielen Lobpreisungen und Ehren, der Bettler aber mit Spottreden und Höhnen empfangen.

Eines Tages begegnete Hamed, der mit seiner Frau ging, den reichen drei Schwägern. Die drei Schwäger spotteten wieder seiner. Er sagte abermals: "Ich weiß, was ich tun würde, wenn ich euren Mut und eure Klugheit hätte." Die reichen drei Schwäger entgegneten: "So sprich doch endlich, was du tun würdest!" Hamed entgegnete: "Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich vor unseren Schwiegervater treten und sagen: ,Du hast deinen Töchtern anbefohlen, dir würdige Schwiegersöhne zu wählen und hast ihnen gesagt, sie sollten deine Familie vor Schande bewahren. Du hast seitdem



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verschiedentlich die Dienste deiner Schwiegersöhne in Anspruch genommen und kennst sie. So bitten wir dich denn, an einem Tage den, der sich als der würdigste erwiesen hat, als Lusir (Wesir, Stellvertreter) zu erwählen, die Unwürdigen aber, die deiner Familie Schande bereitet, zu verstoßen.' Ich weiß, daß ich mich damit in euren Augen selbst verurteile, ich ziehe es aber vor, aus der Stadt vertrieben, als meiner Armut wegen ständig verhöhnt zu werden." Damit ging Hamed von dannen. Seine Frau folgte ihm. Die reichen drei Schwiegersöhne blieben aber stehen und sagten untereinander: "Der schmutzige Hamed hat recht." Und dann verabredeten sie untereinander das Nähere.

Die reichen drei Schwiegersöhne suchten ihren Schwiegervater auf und sagten dem Kaid die Worte, die ihnen Hamed in den Mund gelegt hatte. Der Kaid war damit einverstanden und bezeichnete einen bestimmten Tag, an dem er wiederum ein Fest veranstalten wolle, das ihm Gelegenheit gebe, den würdigsten seiner Schwiegersöhne zu seinem Lusir zu ernennen, die aber, die seiner Familie Schande brächten, zu verstoßen. Die ganze Stadt sprach von dem großen Ereignis. Einige höhnten den Bettler Hamed, den morgen die Verbannung treffen würde, andere bemitleideten ihn. Alle aber lobten die reichen drei Schwiegersöhne und stritten sich nur darüber, welcher von diesen wohl vom Kaid als Würdigster zum Lusir ernannt werden würde. — Als sie abends schlafen gingen, fragte jede der drei ältesten Schwestern ihren Gatten, ob er auch sicher sei, morgen zum Lusir ernannt zu werden, und jeder versicherte, daß er dessen sicher sei.

Die jüngste Tochter des Kaid sprach mit ihrem Gatten nicht über die Angelegenheit. Sie legten sich nachts wie stets in der Djemaa nieder und schliefen ein. Nach zwei Stunden wachte die junge Frau aber auf und blickte in den Winkel, in dem ihr Gatte schlief. Nach einiger Zeit erhob sie sich vorsichtig und schlich hinüber. Sie hob das Lumpenkleid auf und sah, ob er noch das feingestickte Silbergewand darunter trug. Sie sah es. Sie nahm die häßliche Kuhmagenhaut und sah, ob das Haupt noch wie vordem in Gold strahle. Es war so. Nachdem sie das gesehen hatte, schlich sie sich wieder auf ihr Lager, legte sich nieder und schlief sogleich ein.

Am andern Tage versammelten sich alle angesehenen Leute beim Kaid, der die Ehrenplätze seinen drei reichen Schwiegersöhnen angewiesen hatte, während der Bettler, wie am Hochzeitstage, an der Tür saß. Die besten Gerichte wurden an der Tafel den Herren herumgereicht.



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Die reichen Schwiegersöhne aber verhöhnten den Schwager, indem sie untereinander sagten: "Wenn ihr irgendeinen Abfall im Essen findet, so sammelt ihn und laßt ihn dem Bettler an der Tür dort reichen. Er wird seit langem nichts so Gutes gegessen haben."

Nach dem Essen sprach der Kaid: "Ihr drei Schwiegersöhne, Männer meiner ältesten drei Töchter, habt mich gebeten, dies Fest zu veranstalten und heute den Würdigsten meiner Schwiegersöhne zu meinem Lusir zu erwählen, die aber, die meiner Familie Schande bereiten, zu verstoßen. Ist es so, oder ist es nicht so ?" Die reichen drei Schwiegersöhne sagten: "Es ist so." Der Kaid sagte: "Nun habt ihr drei Gatten meiner ältesten Töchter mir während der Zeit, seit ihr meine Schwiegersöhne seid, drei Geschenke als Heilmittel überbracht. Ich war krank und hatte zur Genesung einige der Apfel nötig, die jenseits der sieben Meere wachsen. Ihr zogt zu dreien aus. Wenn ich nicht irre, so warst du es, der Gatte der ältesten meiner vier Töchter, der mir die Äpfel überreichte." Der Gatte der ältesten Tochter des Kaids sagte: "So war es, ich habe die Äpfel geholt und sie dir gereicht."

Der Kaid sagte: "Ich ward wiederum krank und hatte zur Genesung einen Trunk des Wassers nötig, das jenseits der auf- und zuschlagenden Felsen entspringt. Ihr zogt zu dreien aus. Wenn ich nicht irre, so warst du es, der Gatte meiner zweiten unter meinen vier Töchtern, der mir den Trunk Wasser überreichte." Der Gatte der zweiten Tochter des Kaids sagte: "So war es, ich habe den Wassertrunk geholt und dir gereicht."

Der Kaid sagte: "Ich ward zum dritten Male krank und hatte zur Genesung die Milch einer Löwin, aufbewahrt im Balg eines ihrer Jungen, nötig. Ihr zogt zu dreien aus. Wenn ich nicht irre, so warst du es, der Gatte der dritten unter meinen vier Töchtern, der mir die Milch im Löwenbalg reichte." Der Gatte der dritten Tochter des Kaids sagte: "So war es, ich habe die Milch der Löwin im Balg ihres Jungen geholt und dir gereicht."

Der Kaid sagte: "Und nun habt ihr mit der Bitte um das heutige Fest wahrscheinlich gemeint, ich sollte als Würdigsten unter euch den auserwählen, der mir das Wertvollste unter diesen drei Sachen gereicht hat. Habe ich euch richtig verstanden ?" Die reichen drei Schwiegersöhne sagten: "Darum bitten wir dich." Der Kaid sagte: "Nach welchem Maßstab soll ich denn nun aber den verschiedenen Wert der drei Heilmittel, die ihr mir gereicht habt, abmessen?" Die reichen drei Schwiegersöhne schwiegen. Der Kaid wartete einige



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Zeit und sagte dann: "Ihr müßt euch in dieser Hinsicht doch einen Gedanken gemacht haben!" Die drei Schwiegersöhne schwiegen. Der Kaid wartete einige Zeit, dann wandte er sich an den ersten seiner reichen drei Schwiegersöhne und sagte: "Kannst du mir nichts hierauf sagen ?" Der erste schwieg. Der Kaid fragte den zweiten, der zweite schwieg. Der Kaid fragte den dritten, der dritte schwieg.

Der Kaid sagte: "Dies ist recht merkwürdig. Ihr bittet mich um ein Abmessen, wißt aber selber nicht, nach welchem Maße es geschehen soll. Ich meine doch, ihr alle seid Kaufleute und solltet doch wissen, daß es für jede Ware einen Wert wie ein Maß gibt. Es muß doch einer von meinen Schwiegersöhnen auf den Gedanken gekommen sein, mir die Bitte nach diesem Fest und solcher Preisverteilung zu unterbreiten, und dieser muß doch wenigstens einen Gedanken über Wert- und Maßabschätzung gehabt haben. Wer von euch dreien kam auf den Gedanken?" Wiederum schwiegen die drei reichen Schwiegersöhne. Alle aber, die zugegen waren, wechselten untereinander erstaunte Blicke.

Der Kaid schüttelte den Kopf und sagte: "Ist unter den Anwesenden jemand, welcher weiß, von wem der Gedanke zu diesem Feste und zu dieser Ehrenauszeichnung ausgegangen ist?" Alles schwieg und schaute umher.

Da erhob sich der Bettler, Hamed bul kerscha, der vierte Schwiegersohn des Kaids, und sagte: "Den Rat gab ich." Der Kaid blickte erstaunt auf den Bettler und sagte: "Was? Du gabst den Rat, daß ich heute den Würdigsten unter meinen Schwiegersöhnen zu meinem Lusir erwählen und die, die meiner Familie Schande bringen, verstoßen soll?" Hamed sagte: "So ist es." Der Kaid fragte die reichen drei Schwiegersöhne: "Bestreitet ihr das ?" Die reichen drei Schwiegersöhne schwiegen.

Der Kaid wandte sich wieder an Hamed und sagte: "Wenn der Gedanke von dir ausging, so mußt du auch einen Vorschlag machen können, nach welchem Wertmaßstab ich die mir von meinen ersten drei Schwiegersöhnen gereichten Gaben abmessen kann!" Hamed sagte: "Einen solchen Vorschlag kann ich machen, und ich bin erstaunt, daß meine drei Schwäger nicht das gleiche können, denn mein Vorschlag entspricht ihrem, nicht aber meinem Berufe." Der Kaid sagte: "So sage deine Meinung." Hamed sagte: "Meine drei Schwäger sind Kaufleute. Sie haben als solche klug und mutig gehandelt, — so klug und mutig, wie das bei Söhnen reicher Kaufleute Sitte ist. Sie haben die Äpfel, das Wasser und die Löwin nicht gekauft.



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Sie haben für die Äpfel drei ihrer Ohren, für das Wasser drei ihrer Finger und für die Löwenmilch drei ihrer Zehen bezahlt. Wenn man feststellen will, welches der drei Heilmittel an Wert das erste, an Wert das zweite und an Wert das dritte ist, braucht man nur zu entscheiden, ob drei Ohren, drei Finger oder drei Zehen wertvoller sind."

Wütend sprangen die drei reichen Schwäger auf und riefen: "Er lügt! Wir haben die Heilmittel im Kampf gewonnen! Er soll uns doch den Mann nennen oder zeigen, von dem wir die Heilmittel gekauft haben!"Hamed wandte sich an den Kaid und fragte: "Wünscht du auch den Mann kennenzulernen, von dem deine reichen drei Schwiegersöhne ihre Heilmittel für Ohren, Finger und Zehen gekauft haben?" Der Kaid sagte: "Ja, das wünsche ich."

Hamed bul kerscha warf die Lumpen zur Seite und stand da in rotem Kleide, das mit Silber gestickt war. Er warf die Haut aus Kuhmagen vom Kopfe, und sein goldenes Haupt leuchtete über alle Anwesenden hin. Er zog aus seiner Tasche drei Ohren und sagte: "Das ist die Bezahlung, die sie mir für Beschaffung der Äpfel aus dem Lande der sieben Meere gegeben haben. Ich aber habe mich von einem Adler zu jenem Lande hin und von dort wieder zurücktragen lassen. Seht, ob die drei Ohren passen." Die Anwesenden rissen den reichen drei Schwiegersöhnen die Mützen vom Kopfe, und alle Welt sah deren Schande.

Hamed zog aus der Tasche die drei Finger, warf sie hin und sagte: "Das ist die Bezahlung, die sie mir für die Beschaffung des Trunkes aus der Quelle jenseits der auf- und zuschlagenden Felsen gegeben haben. Ich aber bin zwischen diesen Felsen hin- und zurückgeritten. Seht, ob die drei Finger passen." Die Anwesenden preßten den reichen drei Schwiegersöhnen die geballten Fäuste auseinander, und alle Anwesenden sahen deren Schande.

Hamed zog aus der Tasche die drei Zehen, warf sie hin und sagte: "Das ist die Bezahlung, die sie mir für die Beschaffung der Milch der Löwin im Balg eines ihrer Jungen gegeben haben. Ich aber habe das Kind der Löwin abgebalgt, habe den Kopf der zornigen Löwin mit der einen Hand niedergedrückt und die Milch gemolken. Seht, ob die drei Zehen passen." Die Anwesenden rissen den reichen drei Schwiegersöhnen die Schuhe von den Füßen, und alle Anwesenden sahen deren Schande.

Der Kaid fragte die Anwesenden: "Glaubt jemand, daß es schwer ist, hier zu entscheiden?" Alle Anwesenden riefen: "Hamed ist ein



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lsoar-urgess (Held, mutiger, starker Mann; Plur. so[e]renirgesen), ein Held. Er ist dein würdigster Schwiegersohn. Die andern drei aber haben deiner Familie Schande bereitet."

Der Kaid rief seine jüngste Tochter, führte sie in seine Kammer, küßte sie und sprach: "Du, meine Tochter, hast meinen Wunsch am besten verstanden."Inzwischen drehte Hamed seinen Ring, wünschte sich ein prächtiges Haus, und in dem lebte er dann mit seiner Gattin als Lusir (Wesir) des Kaids. — Die drei reichen Schwiegersöhne verloren alle Achtung in den Augen der Leute, weil sie sich nicht als echte Kaufleute, die sie waren, sondern als Helden ausgegeben hatten. Ihre Frauen gingen nach einiger Zeit von ihnen und wurden die Gattinnen anderer ordentlicher Leute.


47. Die Stiefmutter

In alter Zeit war ein Mann einmal mit zwei Frauen verheiratet. Die beiden Frauen wurden am gleichen Tage Mütter und gebaren eine jede einen Knaben. Beide Knaben waren an Gestalt und Farbe sich so ähnlich, daß sie nicht voneinander zu unterscheiden waren. Eines Tages starb der Vater der beiden Knaben, und dessen eine Frau folgte ihm bald darauf, so daß nur noch die Mutter des einen Knaben am Leben blieb, die nun beide Knaben aufzog.

Die beiden Knaben wuchsen zu großen starken Burschen heran, die alle Tage ihre Pferde bestiegen und fort zur Jagd ritten. Sie waren einander so ähnlich, daß niemand sie voneinander unterscheiden konnte. Nicht einmal die Mutter konnte den eigenen Sohn von dem andern unterscheiden. Sie wußte nicht, welcher ihr Sohn war. Sie sagten beide zu ihr Mutter und wußten keinen Unterschied. Die Frau war hierüber aber sehr unglücklich. Sie wollte durchaus wissen, welcher ihr Sohn sei. Sie fragte die Leute: "Könnt ihr mir nicht sagen, welcher mein eigener Sohn ist?" Die Leute sagten: "Wie sollen wir dies erkennen, da du es nicht einmal weißt? Und weshalb willst du es wissen, da du sie und sie dich in gleicher Weise lieben ?" Die Frau wollte es aber durchaus wissen, und sie ging, als einmal beide Söhne auf der Jagd waren, zu einem Amrar asemeni und sagte: "Kannst du mir nicht sagen, welcher von diesen beiden mein eigener Sohn ist? Sieh, ich habe zwei Söhne. Der eine ist mein eigener Sohn, der andere ist der einer Frau, die mein Mann nach mir geheiratet hat. Sie haben den gleichen Vater und sind an Gestalt und Farbe einander



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so gleich, daß ich nicht weiß, welches mein Sohn und welches der Sohn der zweiten Frau meines Mannes ist. Kannst du mir nun nicht raten, wie ich meinen eigenen Sohn erkennen kann?"

Der Amrar asemeni sagte: "Ich rate dir, laß es mit den Söhnen bewenden, wie es derzeit ist. Wenn ihr euch alle gleich liebt, kann es nichts schaden, und du kannst glücklich sein, Mutter von zwei gleichen Söhnen zu sein." Die Mutter sagte: "Ich möchte es aber gern wissen, welcher mein Sohn ist." Der Amrar asemeni sagte: "Ich rate dir nochmals: laß das! Du wirst das Glück, das ihr gemeinsam genießt, stören!" Die Mutter sagte: "Ich bitte dich, sage mir, Amrar asemeni, wie ich meinen eigenen Sohn von dem der zweiten Frau meines Mannes unterscheiden kann."

Amrar asemeni sagte: "Wenn es denn sein muß, verfahre folgendermaßen. Ehe deine Söhne heute abend von der Jagd heimkommen, färbe deine Hand frisch mit Henna. Wenn deine Söhne angeritten kommen, tritt wie gewöhnlich vor die Tür, um ihre Pferde zu halten. Wenn sie absteigen, falle plötzlich hin, als habe ein Pferd dich getreten und verletzt. Derjenige der beiden Söhne, der dann herzuspringen und dich auffangen wird, ist dein eigener Sohn. Drücke ihm, während er dich aufhebt, die Hand mit dem Henna auf den Rücken seines Burnus. So hast du ihn gezeichnet. Der andere, der inzwischen mit größerer Ruhe die Pferde besänftigt, ist der Sohn der zweiten Frau deines Mannes." Die Mutter bedankte sich und ging.

Als es Abend war, bestrich sich die Mutter die Hände frisch mit Henna. Die beiden Söhne kamen auf ihren Pferden von der Jagd zurück. Die Mutter trat aus der Tür. Als die Söhne angekommen waren, ergriff sie die Pferde bei den Zügeln, und als beide abstiegen, stieß die Mutter einen Schrei aus und fiel hin. Der richtige Sohn der Mutter sprang, ohne sich weiter um die Pferde zu kümmern, auf die Mutter zu, richtete sie auf und sagte: "Haben die Pferde dich getreten, meine Mutter? Bist du verletzt, meine Mutter? Was fehlt dir, meine Mutter?" Die Mutter drückte ihre Hand mit Henna auf den Rücken des Burnus ihres Sohnes und sagte: "Es ist nichts. Ich weiß nicht, was mir war." Der andere Sohn führte inzwischen die Pferde beiseite, kam dann auch und sagte: "Geht es dir besser, meine Mutter?" Die Mutter sagte: "Es ist wieder ganz gut."

Die Mutter wollte nun ihrem Sohn noch ein andres Erkennungszeichen geben. Sie schenkte ihm einen Ohrring (thagethumth Plur. tigetusmin, die Kabylenmänner tragen nur einen Ohrring und zwar im rechten Ohrläppchen). Ihr Sohn sagte aber: "Ich bin gewohnt,



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nichts zu tragen, was nicht auch mein Bruder trägt. Laß das, meine Mutter." So blieb der Mutter zunächst denn kein anderes Erkennungszeichen, als der Flecken von Henna, den sie ihrem Sohne auf die Rückenseite des Burnus aufgedrückt hatte.

Sie bereitete aber nun in Zukunft zweierlei Kuchenart als Tagesnahrung für ihre Söhne. Sie buk täglich einen Kuchen aus Weizenmehl mit viel Butter, den gab sie ihrem Sohne mit auf die Jagd. Und dann buk sie noch einen Kuchen von Gerstenstroh und ohne Butter, den gab sie dem Sohne der zweiten Frau ihres Mannes mit auf die Jagd. Die Folge hiervon war, daß ihr eigener Sohn alle Tage stärker und gesünder wurde, der Sohn der zweiten Frau ihres Mannes aber wurde alle Tage schwächer und magerer.

Eines Tages waren die beiden Brüder wieder einmal auf der Jagd. Sie kamen an eine Quelle. Der rechte Sohn sagte: "Wir wollen nachher hier essen. Laß uns jeder sein Brot auf einer Seite in das Wasser legen. Es wird, bis wir zurückkommen, aufgeweicht sein." Jeder der beiden Brüder legte an einer Seite das Brot in die Quelle, dann ritten sie noch einmal zu einem Jagdzuge aus. Danach aber kehrten die beiden Brüder zu der Quelle zurück.

Beide Brüder sahen nach ihrem Brot in der Quelle. Das Brot des rechten Sohnes, das mit Butter und Weizenmehl gebacken war, war untergegangen und gequollen. Das Brot des Sohnes der zweiten Frau, das aus Gerstenstroh und ohne Butter gebacken war, schwamm aber dürr, wie vorher, auf dem Wasser umher. Der rechte Sohn der Mutter sah es. Er betrachtete das schwimmende Brot seines Bruders. Er nahm es aus dem Wasser und sagte: "Mein Bruder, dein Brot besteht aus dürrem Gerstenstroh! Jetzt weiß ich, warum du an Gesundheit und Kraft abnimmst und mager wirst." Der Bursche sagte: "Du hast es gesehen. Du bist der rechte Sohn deiner Mutter. Du hast gutes Brot daheim und lebst auf dem Boden eines liebenden Herzens, sowie dein Brot in der Quelle untersinkt. Mein Strohbrot schwimmt dagegen auf dem Wasser, weil ich deiner Mutter gleichgültig bin. Wenn ich länger bleibe, werde ich sterben. Ich will deshalb lieber in ein anderes Land ziehen."

Der rechte Sohn der Mutter sagte: "Ich sehe, daß du recht hast. Ich sehe, was dir geschieht. Ich will mit dir ziehen." Der rechte Sohn der Mutter weinte. Der Bruder antwortete: "Nein, du kannst nicht mit mir ziehen. Du mußt bei deiner Mutter bleiben. Laß mich allein gehen." Der rechte Sohn der Mutter sagte: "Geh nicht allein, nimm mich mit dir." Der Bruder weinte auch.



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Der Bruder sagte: "Deine Mutter lebt, meine Mutter ist schon vor langer Zeit gestorben. Du bleibst bei deiner Mutter; ich werde jetzt von dannen reiten. Sieh aber hier auf diesen wilden Olivenbaum (thaschthad; der echte Olivenbaum heißt thethmurth). Solange seine Blätter grün sind, wird es mir gut gehen. Wenn seine Blätter aber zu dörren anfangen, geht es mir schlecht." Der Sohn der zweiten Frau bestieg sein Pferd. Er nahm von seinem Bruder Abschied. Er ritt mit seinen vier Hunden in den Wald.

Der rechte Sohn der Mutter ritt mit seinen Hunden nach Hause. Seine Mutter kam ihm entgegen. Seine Mutter fragte ihn: "Wo hast du deinen Bruder?" Der Sohn sagte: "Hatte ich denn einen Bruder?" Die Mutter sagte: "Gewiß hattest du einen Bruder. Er hatte eine andere Mutter, ihr hattet aber den gleichen Vater." Der Sohn sagte: "Wenn wir gleiche Brüder gewesen wären, hätte mein Brot nicht aus Weizenmehl und Butter und das meines Bruders nicht aus Stroh bestanden." Der rechte Sohn wandte sich von der Mutter ab.

Der Bruder ritt ein Jahr lang durch den Wald. Er kämpfte mit wilden Tieren. Er erlegte Wild. Das Fleisch des Wildes, Kräuter und Wurzeln waren seine einzige Nahrung. Seine einzige Freude waren seine Jagdhunde und sein Pferd. Er ritt, ohne einen Menschen je zu sehen und zu sprechen ein Jahr lang mit seinen Hunden durch den Wald.

Eines Tages kam der Jäger aber an das Ende des Waldes. Er sah einen großen Ort vor sich liegen. Der Ort hatte vordem viele Menschen geborgen. Jetzt war der Ort aber leer und verlassen. Es lebte da nämlich eine mächtige Kamelstute. Die hatte in ihrem Kopf Würmer. Und wenn die Würmer sie plagten, wälzte sie sich erst am Boden, dann rannte sie umher und vernichtete alle Menschen, die ihr in den Weg kamen. So hatte sie alle Menschen getötet, die im Orte waren. Nur die junge Tochter des Agelith lebte noch. Sie hatte sich auf den Tarorfiz gerettet.

Der Jäger kam in die Stadt. Er klopfte an ein Haus. Niemand antwortete. Er ging durch die Straßen. Er sah keinen Menschen. Er kam an das Haus des Agelith. Er sah die Tochter des Agelith im Fenster des Tarorfiz. Er sah, daß sie schön war wie die Sonne, und daß ihr Antlitz vor Schönheit leuchtete. Das Mädchen erschrak, als es den Jäger auf seinem Pferde mit seinen vier Hunden daherkommen sah. Das Mädchen rief: "Du Armer! Schnell rette dich! Die wilde Kamelstute wälzt sich jetzt noch, von Schmerz geplagt, auf der Erde. Gleich aber wird sie durch die Straßen rasen und dich, dein Pferd und deine



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Hunde vernichten." Der Jäger sagte: "Es wird also darauf ankomrnen, daß ich mit ihr kämpfe!" Das Mädchen weinte und sagte: "Ich beschwöre dich, wage es nicht. Kein Mensch und kein Tier kann der rasenden Kamelstute widerstehen. Ich will aber aus meinem Haar schnell einen Strick flechten. An dem Strick will ich dann erst dein Pferd heraufziehen. Ich lasse das Haar wieder herunter. Du bindest an jeder Seite zwei Hunde daran. Ich ziehe die Hunde hoch. Ich lasse das Haar wieder herunter. Du kletterst selbst am Haar wieder herauf." Der Jäger war einverstanden.

Die Tochter des Agelith löste ihr Haar. Sie flocht einen langen Strick aus dem Haar. Sie ließ ihren Haarstrick zum Fenster des Tarorfiz herabfallen. Das Haar des Mädchens reichte bis auf die Erde. Der Jäger band erst sein Pferd daran. Das Mädchen zog es herauf. Der Jäger band dann die Hunde, auf jeder Seite zwei, daran. Das Mädchen zog die Hunde herauf. Dann kletterte der Jäger selbst hinauf.

Die Tochter des Agelith und der Jäger sahen einander an. Sie sahen, daß keines von beiden je einen schöneren Menschen gesehen hatte. Sie lachten beide. Sie aßen zusammen. Sie scherzten zusammen. Sie Waren so glücklich, daß sie weinten. Sie lachten und weinten sieben Tage lang.

Am achten Tage sagte der Jäger: "Ich werde dich heiraten. Wir wollen diesen Ort wieder aufrichten, und ich will die Kamelstute töten. Sage mir die Gewohnheiten der Kamelstute." Das Mädchen sagte: "Wenn die Kamelstute sich am Abend gewälzt hat und gequält von den Würmern in seiner Nase umhergerast ist, schläft sie und geht am Morgen mit großem Durst zur Quelle. Dort säuft sie hastig. Die Würmer treten aus ihrer Nase und trinken. Dann ist sie ruhig. Hernach wälzt sie sich wieder und rast durch den Ort." Der Jäger sagte: "Zeige mir, in welcher Gegend die Quelle liegt." Das Mädchen zeigte dem Jäger die Quelle.

Am andern Morgen ging der Jäger ganz früh zu der Quelle und versteckte sich an ihrem Rande. Nach einiger Zeit kam die Kamelstute brüllend angelaufen. Sie rannte auf die Quelle zu und steckte die Schnauze hinein. Der Jäger aber schlug mit der Hand das Wasser, so daß es Wellen schlug und zur Seite wich. Die Würmer kamen, von durstiger Gier getrieben, aus der Nase der Kamelstute heraus, tranken und krochen wieder zurück. Der Jäger sah, daß die Würmer wieder zurückkrochen. Als die Kamelstute wieder den Kopf beugte und saufen wollte, schlug er wieder das Wasser, daß es Wellen schlug



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und zur Seite wich. Die Würmer kamen wieder heraus. Der Jäger ergriff diesmal die Würmer und tötete sie: so konnten sie nicht wieder in die Nase des Kamels zurückkommen. Auf diese Weise tötete er alle Würmer, die in der Nase der Kamelstute waren. Die Kamelstute war nun ganz ruhig. Der Jäger kam heran und streckte ihr die Hand hin. Die Kamelstute leckte seine Hand. Der Jäger streckte ihr den Arm hin. Die Kamelstute leckte ihm den Arm bis zur Schulter hinauf. Die Kamelstute leckte ihm den Kopf. Die Kamelstute trat an ihn heran und rieb aus Dankbarkeit ihren Kopf an seiner Schulter. Der Jäger bestieg die Kamelstute und ritt nach Hause.

Die Tochter des Agelith sah zum Tarorfiz heraus. Sie weinte vor Furcht um den Jäger. Dann hörte sie die Kamelstute kommen. Sie sah den Jäger auf dem Rücken der Kamelstute. Da stieß sie Freudenschreie (thararathin; sing. therars; das gehende Freudenschreien der Kabylenweiber) aus. Sie rief so laut, daß der Donner antwortete. So entstand der Donner (aradtith; ein einzelner Donner heißt rada), und seitdem erklingt er.

Ein Jahr blieb der Jäger bei der Tochter des Agelith, dann brach er auf, ließ seine Hunde bei dem Mädchen zurück und ritt in das weite Land. Wo er ein Dorf fand mit armen Leuten, sagte er: "Kommt in meinen Ort; ich will euch Wohnung und Land geben." Die Leute kamen von hierher und dorther. Nach einem Jahr wohnten mehr Leute in dem Ort, als je vorher darin gewesen waren. Der Jäger wurde der Agelith des Ortes.

Eines Tages brach der Jäger mit seinem Pferde und den vier Hunden wieder auf, um auf die Jagd zu gehen. Er kam in einen großen Wald, aus dem war noch nie ein Mensch wieder lebend herausgekommen. Es lebte eine alte Frau darin, die hieß Ahasphoar, und wenn diese pfiff (pfeifen; äsphoar), so ward der, mit dem sie sprach, in Stein verwandelt. Der Jäger hatte mehrere Tiere erlegt. Er hatte sie an den Sattel gebunden. Er kam in den Wald und traf die Alte. Die alte Ahasphoar sah ihn, trat auf ihn zu und sagte: "Gib mir die Tiere, die du erlegt hast." Der Jäger sagte: "Wie komme ich dazu, dir meine Beute zu geben. Ich habe dir nichts zu danken."Da pfiff die alte Ahasphoar, und sogleich waren der Jäger, sein Pferd und seine vier Hunde Steine. Sie lagen als sechs Steine im Walde.



***
In der folgenden Nacht träumte dem richtigen Sohn der Mutter, dem Bruder daheim, sein Bruder, sein Pferd und seine vier Hunde seien in Stein verwandelt. Als er am Morgen darauf erwachte, hatte


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er ein schweres Fieber. Der Bruder erhob sich und sagte bei sich: "Das Fieber soll mich an meinen Traum erinnern. Ich habe seit einem Monat nicht nach dem falschen Olivenbaum gesehen und will sogleich hinreiten und schauen, ob sich mein Bruder auch nicht etwa im Elend befindet." Der Bruder machte sich zurecht und wollte ausreiten. Seine Mutter trat ihm entgegen und sagte: "Mein Sohn, du hast heute ein schweres Fieber. Du kannst heute nicht ausgehen. Warte bis morgen. Es gibt nichts, was so wichtig und eilig ist." Der Sohn sagte: "Doch, meine Mutter, es gibt etwas, das so wichtig und eilig ist. Aber es ist nicht deine, sondern meine Sache." Der Sohn ging hinaus. Er kam an den falschen Olivenbaum und sah, daß seine Blätter gelb und vertrocknet waren.

Der rechte Sohn ging schnell wieder heim. Er bestieg sein Pferd, rief seinen vier Hunden und ritt hinaus in den Wald. Seine Hunde folgten der Spur der Hunde seines Bruders, des Jägers. Er ritt so schnell er konnte. Er legte den Weg, zu dem sein Bruder ein Jahr gebraucht hatte, in drei Tagen zurück. Er kam aus dem Walde heraus und in den Ort.

Der rechte Bruder fragte die Leute: "Welcher Ort ist hier? Wem gehört er?" Die Leute sagten: "Dieser Ort war vernichtet und ist von einem Agelith neu errichtet worden. Der Agelith selbst ist aber seit vier Tagen auf der Jagd und noch nicht wieder zurückgekehrt. Er ist es, der uns allen Wohlstand und glückliches Leben gegeben hat. Wir alle sind besorgt um ihn." Der rechte Sohn sagte: "Zeigt mir das Haus des Agelith." Die Leute wiesen ihm den Weg.

Der rechte Sohn kam an das Haus des Agelith. Er stieg ab und trat herein. Die junge Frau lief ihm entgegen. Sie sah ihn. Sie dachte nicht anders, als daß dies ihr Gatte sei. So glichen die beiden Brüder einander. Sie umschlang ihn und sagte: "Ah! Warum hast du mich so lange allein gelassen. Ich dachte schon, die wilden Tiere hätten dich getötet." Der Bursche machte sich frei und sagte: "Nachher will ich dir alles erzählen. Jetzt muß ich schnell noch einmal umkehren und das Wichtigste erledigen." Die junge Frau sagte: "Was, du willst in den gleichen Wald dort drüben noch einmal zurückkehren, aus dem sonst noch kein Mensch zurückgekehrt ist?" Damit zeigte sie in der Richtung des Waldes der alten Ahasphoar.

Der rechte Sohn wußte nun die Richtung und die Stelle, an der sein Bruder umgekommen war. Er machte sich sogleich und ohne sich erst auszuruhen auf den Weg. Er ritt bis an den Waldrand. Am Wald-. rande fanden seine Hunde wieder die Spur der Hunde seines Bruders.



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Sie bellten und wollten in den Wald laufen. Der rechte Bruder rief aber seine Hunde zurück und setzte sich am Waldrand nieder, uni auszuruhen und nachzudenken.

Der rechte Sohn saß am Rande des Waldes. Über ihm im Baume saßen zwei Vögel. Die beiden Vögel sprachen miteinander. Die beiden Vögel sagten: "Dieser arme Bursche sucht seinen Bruder, den die alte Ahasphoar in einen Stein verwandelt hat. Wenn er seinen Bruder und dessen Pferd und dessen Hunde wieder zum Leben bringen will, muß er dort in den Busch treten. In dem Busche dort muß er sich nach der Korbschale (tewak; Plur. tebók) umsehen, die mit Federn gefüllt ist (itschur [voll]derrisch [Federn]). Wenn er einen Teil von diesen Federn verbrennt, so wird die alte Ahasphoar sogleich ganz schwach und willig. Sie wird dann dem Burschen ganz gefügig sein. Sie wird zu ihm kommen und alles tun, was er verlangt. Sie kann dann schon kaum mehr sehen. Der Bursche muß nun erst verlangen, daß sie ihm die Schlüssel zu ihrem Hause gibt und ihm alle Schätze zeigt, die sie aufgesammelt hat. Dann muß er von ihr verlangen, daß sie über den Steinen, zu denen sein Bruder, dessen Pferd und dessen Hunde verwandelt sind, pfeift. Diese werden wieder zum Leben zurückkehren, und er kann dann die alte Ahasphoar töten."

Der rechte Sohn hörte dieses alles. Er stand sogleich auf und trat in den Busch. Er suchte und fand die Korbschale mit den Federn. Er verbrannte einige von den Federn, die andern Federn steckte er zu sich. Gleich darauf kam die alte Ahasphoar. Sie kam halb betäubt und fast blind. Der rechte Bruder sagte zu ihr: "Gib mir deine Schlüssel und zeige mir, was du in deinem Hause hast." Die alte Ahasphoar gab ihm ihre siebzig Schlüssel. Sie führte den Bruder zu ihrem Hause; ließ ihm alle Kammern öffnen und zeigte ihm alle Schätze. Der rechte Sohn sagte dann zu der alten Ahasphoar: "Nun führe mich zu meinem Bruder." Die alte Ahasphoar führte ihn zu den sechs Steinen, in die der Jäger, sein Pferd und seine vier Hunde verwandelt waren. Der rechte Sohn sagte: "Nun pfeife über diesen Steinen!" Die alte Ahasphoar tat es. Sogleich kam der Bruder, das Pferd und die vier Hunde wieder zum Leben. Der rechte Sohn schlug mit seinem Schwert schnell die alte Ahasphoar tot, dann umarmte er seinen Bruder.

Beide Brüder weinten vor Freude. Die beiden Brüder bestiegen dann ihre Pferde, ritten noch einmal zum Hause der Ahasphoar, um die Schätze zu besichtigen und kehrten heim. Als sie in das



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flaus des Jägers kamen, sprang ihnen die junge Frau entgegen. Sie umarmte bald den einen, bald den andern. Sie konnte sie nicht voneinander unterscheiden. Nach einiger Zeit holten die Brüder die Schätze der Ahasphoar in den Ort. Sie verschenkten einen Teil unter ihre Leute, die so zu den reichsten Leuten des Landes wurden, einen andern Teil aber verwahrten sie. Der rechte Sohn blieb bei seinem Bruder.

Eines Tages sagte der Jäger zu seinem Bruder: "Ich will hingehen und deine Mutter auch hierherbringen, damit sie an unserem gemeinsamen Glück teilnehme." Der rechte Sohn seiner Mutter erschrak und sagte: "Mein Bruder, bedenke, was du tun willst! Meine Mutter wird wieder, wie vordem, uns zu trennen suchen. Sie ist seit damals noch älter geworden, und du weißt, daß der böse Wille bei den Frauen mit dem Alter wächst. Ich beschwöre dich, laß von dem Gedanken ab. Ich werde noch einige Zeit bei dir bleiben und dein Glück teilen und dann zu meiner Mutter zurückkehren. Wenn später aber meine Mutter gestorben sein wird, komme ich ganz zu euch."

Der Jäger sagte: "Es ist mir nicht recht, daß du wieder heimkehren willst. Lieber hole ich deine Mutter hierher und will sie ertragen. In dieser Welt wird der Tüchtige (ischtar; Plur. ischtran; auch [i]härrasch; plur. harrschen) daheim nichts. Dem Tüchtigen gehört die Welt (=iharrasch dikulisch; oder auch adifai del'hadja). Deshalb bleibe hier draußen bei mir. Ich will deine Mutter hierherbringen."

Der Jäger machte sich mit seinen vier Hunden auf den Weg, uni die Mutter seines Bruders zu holen. Der rechte Sohn der Mutter betete aber ununterbrochen währenddessen, daß seine Mutter lieber sterben möge, als daß sie ihn wieder von seinem Bruder trenne. — Als der Jäger im Hause der Mutter seines Bruders ankam, war die Mutter gerade gestorben und begraben.

Der Jäger sagte: "Ich muß meinem Bruder die Treue wahren. Ich habe ihm geschworen, ihm seine Mutter zuzuführen und muß es tun. Nun sie nicht mehr lebendig ist, muß ich ihm die Gestorbene zuführen." Der Jäger grub die Leiche der Mutter seines Bruders aus, nahm sie mit sich auf das Pferd und wollte an seinen Ort zurückreiten.

Der Jäger kam mit der Leiche in den Wald. Im Walde sammelte sich um ihn das Unglück. Alle wilden Tiere und Teriel kamen um ihn zusammen und begannen über ihn herzufallen. Alle Toten kamen aus den Gräbern und stürzten auf ihn zu, um ihm die Leiche



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zu entreißen. Der Jäger mußte nach allen Seiten kämpfen und die Leiche verteidigen. Er kämpfte zwei Monate lang Tag und Nacht, Und er kam nicht vom Fleck.

Der rechte Sohn vertrat inzwischen als Agelith seinen Bruder. Er wartete mehrere Tage auf seine Rückkehr. Er wartete einen Monat. Er wartete zwei Monate. Als sein Bruder immer noch nicht kam, sagte er: "Es muß etwas geschehen sein!" Er bestieg sein Pferd. Er ritt in den Wald. Auf dem Wege fand der den Bruder nicht. Er ritt zu dem falschen Olivenbaum. Er fand dessen Blätter dürr. Er lied seine Hunde die Spur des Bruders suchen. Die Hunde fanden die Spur. Der rechte Sohn ritt schnell hinterher. Er traf den Bruder mit der Leiche seiner Mutter, umgeben von allen wilden Tieren, Teriel und Toten. Er zog sein Schwert und kam dem Bruder zu Hilfe. Ei kämpfte und tötete viele. Je mehr er aber tötete, desto mehr kamen hervor. Da fielen ihm die Federn ein, die er im Walde der Ahasphoai zu sich gesteckt hatte. Er zog sie hervor und verbrannte einige. So-. gleich verschwanden alle Toten und Teriel, und nur einige wilde Tiere blieben übrig, die die beiden Brüder bald getötet hatten.

Der rechte Sohn sagte: "Aber mein Bruder, wie konntest du die Leiche meiner Mutter mit dir nehmen ?" Der Jäger sagte: "Ich hatte dir zugeschworen, deine Mutter zu bringen. Da ich die Lebende nicht mehr fand, grub ich die Tote aus und brachte sie. Ich habe sie du hierher mitgenommen." Der rechte Sohn sagte: "Wir wollen meine Mutter auch im Tode nicht mit an deinen Ort nehmen, denn auch die Tote wird dir nur Unglück bringen. Laß sie uns hier begraben und dann gemeinsam an deinen Ort zurückkehren. Wir wollen uns nicht wieder trennen."

So taten sie es.



48. Hassan

Man sagt, daß in der alten, alten Zeit einmal ein Mann war, dei hatte eine große Stadt unter sich, die war umgeben von einer Mauer, und diese hatte sieben Tore. Inmitten der Stadt stand abei auf einem Hügel das Haus des Herrn; das war eine Burg (thraja; Plur. thräjes), in der lagen sieben Zimmer übereinander. In dei obersten Kammer (dem höchsten Tarorfiz) hatte der Mann abel seinen Sohn Hassan eingeschlossen. Denn der Mann liebte seinen Sohn Hassan über alle Maßen. Er wollte nicht, daß Hassan in dei



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Welt zu einem Schaden komme. Hassan hatte aber die Gabe, daß alles, was er mit den Händen anfaßte, zu Gold wurde.

Hassan kannte die Welt nicht. Eines Tages geschah es, daß Hassan am Abend in einen schweren Schlaf verfiel. Er schlief und träumte. Im Traume sah er ein Mädchen, das war schöner als irgendein Mädchen auf dieser Welt. Das war Tithiri-luagur (Mondschein-Mond). Es war schön wie der Mondschein und wie der Mond. Als Hassan Tithiri-luagur im Traume sah, wußte er auch im Traum kein Wort zu sprechen. Tithiri-luagur begrüßte Hassan und sagte: "Ich werde deine Frau werden. Kein andrer Mann wird mich heiraten. Versprich mir aber, daß du deinen Traum niemand erzählen wirst, der dich hierzu nicht auffordert mit den Worten l'cherkan*. Dies versprich mir." Hassan versprach es im Traume.

Hassan erwachte am Morgen. Er dachte über seinen Traum nach. Sein Vater kam und begrüßte ihn. Hassan sagte: "Ich habe einen schönen Traum gehabt." Der Vater sagte: "So erzähle ihn mir, mein Sohn." Der Vater sagte nicht: "l'cherken." Hassan gedachte aber des Versprechens, das er im Traume Tithiri-luagur gegeben hatte und antwortete nicht. Hassan war stumm und taub. Der Vater bat immer wieder: "Mein Hassan, so sprich doch! Mein Sohn Hassan, so erzähle mir doch deinen Traum und was dir ist." Er sagte aber niemals l'cherkan. So blieb Hassan denn stumm und taub und sprach nicht mehr.

Der Vater quälte sich mit seinem Sohne ab. Er bat und bat ihn alle Tage. Hassan blieb stumm und taub. Zuletzt wurde der Vater zornig und wollte von Hassan nichts mehr wissen. Der Vater sagte: "Wenn du stumm und taub sein willst, so gehe dahin, wo alles stumm und taub ist; gehe zu den Fischen!" Der Vater ließ eine Kiste machen. In die Kiste ließ er Hassan mit viel Gold und Edelsteinen hineinlegen. Er ließ die Kiste außen schön ausschmücken und in das Meer werfen.

Die Kiste schwamm lange auf dem Meer umher. Eines Tages wurde sie nahe an das Ufer eines Landes getrieben, in dem ein andrer Agelith lebte. Die Frau des Agelith sah die Kiste von ferne, und sie sagte zu ihrem Manne: "Sieh dort, ganz dicht am Ufer schwimmt eine sehr schön ausgeschmückte Kiste. Laß sie doch heranziehen, 

* Es ist eine Sitte der Kabylen, daß, wenn jemand sagt: "Ich habe geträumt", der Zuhörer ihn mit dem Worte l'cherkan zum Erzählen auffordert. Dies Wort stammt aus dem arabischen, gleichsinnigen Worte: l'cher-n'schalla (l'cehr - Gnade, -n'schalla - so Gott will).


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damit wir sehen, was darin ist." Der Agelith ließ die Kiste an das Ufer heranziehen. Sie wurde geöffnet. Der Agelith und seine Frau sahen Hassan. Hassan war aber schöner als irgendein Mann auf dieser Welt. Sie erstaunten.

Der Agelith fragte Hassan: "Aber, mein Sohn, wie kommt es, daß du, ein so schöner Jüngling, in dieser Kiste mit diesem Reichtum auf dem Meere ausgesetzt worden bist ?" Hassan sagte: "Mein Vater hat mich in der Kiste in das Meer werfen lassen, weil ich nicht sprach und nicht hörte." Der Agelith sagte: "Weshalb sprachst und hörtest du denn nicht?" Hassan sagte: "Ich hatte einen sehr schönen Traum." Der Agelith sagte: "So erzähle mir doch deinen Traum." Der Agelith sagte nicht l'cherkan. Hassan hörte und sprach nicht mehr. Der Agelith drang in Hassan und sagte: "So sprich und erzähle doch deinen Traum." Hassan aber sprach und hörte nicht mehr, der Agelith konnte in ihn dringen, so sehr er wollte. Hassan blieb von da an stumm und taub. Da wurde der Agelith zuletzt zornig. Er ließ Hassan wieder in die Kiste zu seinen Schätzen legen und die Kiste in das Meer werfen.

Die Kiste schwamm wieder sechs Monate auf dem Meere umher. Dann wurde sie gegen das Land geschwemmt, wo die Stadt des Vaters Tithiri-luagurs lag.

Tithiri-luagur war nicht die richtige Tochter dieses Agelith. Sie war geschaffen von Gott (ichalkeized [hat geschaffen]arbäi [Gott]). Gott hatte sie in die Hände des Agelith gelegt (uachdeth [ganz allein] ithersizid [hat niedergelegt] thegfiiss [unter Hände] mbäbäs [des Vaters]). Der Agelith hatte sie in dem obersten Tarorfiz seines Hauses untergebracht, und von da aus konnte Tithiri-luagur zum Meere hinabschauen.

Tithiri-luagur schaute einmal von ihrem Fenster aus auf das Meer hinab. Da sah sie nicht weit vom Ufer die Kiste schwimmen. Tithiriluagur rief ihren Vater und sagte zu ihm: "Sieh dort draußen auf dem Meere die schöne Kiste, schwimmen. Sicherlich ist in der Versammlung der Thimhaschischt (das sind Hanfraucher, auch wohl buaretsch [junge Leute] oder g'ascheschin [schöne Leute]genannt; das ist eine Vereinigung von jungen Leuten, die sich durch Hanfrauchen zu allerhand ungewöhnlichen Phantasievorstellungen und übergewöhnlichen körperlichen Leistungen aufpeitschen) ein junger Mann, 'der stark genug ist, dort hinauszuschwimmen und die Kiste ans Ufer zu bringen."Der Agelith sagte: "Vielleicht finden wir einen solchen Mann im Thimhäschischt."



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Der Agelith sandte zu der Versammlung der Thimhaschischt und ließ fragen: "Ist unter euch einer, der die Kiste, die dort draußen schwimmt, hereinholen kann?" Es war sogleich einer der jungen Leute hierzu bereit. Er kam heraus, sprang in das Meer und schwamm bis zu der Kiste. Er brachte die Kiste an das Ufer. Der Agelith ließ die Kiste in seine Kammer bringen. Er öffnete sie. Er trat zurück. Die Schönheit Hassans erschreckte ihn. Der Agelith fragte: "Wie kommt es, daß ein so schöner Jüngling, wie du, in eine Kiste mit solchen Reichtümern gelegt und in das Meer geworfen ist?" Hassan sagte: "Mein Vater hat mich in der Kiste in das Meer werfen lassen, weil ich nicht sprach und nicht hörte." Der Agelith fragte: "Aber weshalb hast du denn mit deinem Vater nicht sprechen und auf ihn nicht hören wollen?" Hassan sagte: "Ich hatte einen sehr schönen Traum." Dann schwieg Hassan. Der Agelith wurde ungeduldig und sagte: "So erzähle mir doch deinen Traum, oder willst du vor mir nun auch nicht mehr sprechen ?" Der Agelith sagte nicht l'cherkan. Hassan hörte und sprach nicht mehr. Der Agelith wurde nun zornig und sagte: "Ich sehe, dein Vater hat ganz recht getan, indem er dich in das Meer werfen ließ. Du bist ein verstockter Bursche. Du bist ein trotziger Mensch. Dein Vater war aber noch zu gut zu dir. Was will ein tauber und stummer Mensch mit all den Edelsteinen und dem Gold! Mach', daß du fortkommst!"

Der Agelith, der ein habgieriger Mensch war, jagte Hassan ohne allen Besitztum fort und behielt das Gold und die Edelsteine, die in der Kiste lagen. Hassan brauchte aber diese Schätze nicht. Denn, wenn er die Erde anfaßte und wünschte, sie zu Gold zu machen, so war die Erde da, wo er sie berührte, reines Gold. Hassan verließ also die Stadt des Vaters der Tithiri-luagur und wanderte weiter, bis er an einen nächsten Ort kam.

Hassan kam an das Haus zweier armer Leute. Die Frau verdiente ein wenig, indem sie täglich ausging, Holz zu sammeln. Der Mann setzte Vorüberziehenden Tee vor und ließ sich dies bezahlen. Hassan kam zu dem Alten und ließ sich Tee geben. Als er ihn getrunken hatte, nahm er eine Handvoll Erde auf. Die Erde wurde Gold. Er legte das Gold in die Tasse, reichte sie dem Teewirt und sagte: "Nimm dies." Der Teewirt war ein ehrlicher, alter Mann. Er wollte das Gold nicht nehmen. Hassan ließ es ihm aber. Hassan blieb bei dem Tee-. wirt sieben Jahre.

Eines Tages hörte Hassan, daß die Gäste sich über Tithiri-luagur unterhielten. Er fragte sie: "Wer ist Tithiri-luagur, und wo lebt sie ?"



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Die Gäste sagten: "Tithiri-luagur ist von Gott als das schönste Mädchen der Welt geschaffen. Sie lebt als die Tochter eines Vaters, der die benachbarte Stadt an dem Meere beherrscht. Tithiri-luagur ist jetzt unglücklich."Hassan fragte: "Was fehlt dieser Tithiri-luagur?" Die Gäste sagten: "Vor sieben Jahren ließ ihr Vater aus dem Meere eine Kiste auffischen. In der Kiste fand er den schönsten Jüngling der Welt. Der Agelith war auf die Schätze, die der Jüngling in der Kiste hatte, gierig und ließ ihn verjagen. Damals sah Tithiri-luagur vom Tarorfiz den schönen Jüngling, und seitdem ist sie stumm. Sie spricht nicht mehr und hört nicht mehr."

Hassan nahm von dem Teewirt Abschied. Der Teewirt sagte: "Geh nicht so von hier fort, Hassan! Seitdem du zu mir kamst, habe ich einen Sack mit Gold eingenommen. Früher war ich arm; nun bin ich reich. Gehe also nicht ohne alles von mir fort, sondern nimm die Hälfte des Goldes mit dir." Hassan sagte: "Ich danke dir, mein Vater; aber ich brauche es nicht." Hassan nahm Abschied und ging fort.

Hassan kehrte in die Stadt, in der der Vater Tithiri-luagurs Agelith war, zurück. Er mietete sich bei einem Kaffeewirt ein Zimmer und verbrachte seine Tage unter den Gästen. Seitdem Hassan nun im Hause war, kamen aber täglich mehr Gäste, nur um diesen schönen Jüngling zu sehen. Bei diesem Kaffeewirt pflegte nun die Negerin Tithiri-luagurs ihre Holzkohle (thirgin) zu holen.

Hassan saß eines Tages am Morgen allein im Kaffee. Die Negerin Tithiri-luagurs kam, um ihre Holzkohle zu holen. Die Negerin sah Hassan. Sie war so erschrocken über die Schönheit Hassans, daß sie an der Tür stumm stehenblieb. Hassan sagte zu der Negerin: "Komm her und trinke mit mir eine Tasse Tee." Die Negerin setzte sich zu Hassan. Hassan schenkte der Negerin ein Handvoll Gold. Die Negerin lief voller Erstaunen nach Hause.

Die Negerin lief zu Tithiri-luagur und sagte zu ihr: "Tithiri-luagur, wenn du den Mann sehen würdest, der bei dem Kaffeewirt sitzt, so würdest du wieder sprechen. Komm morgen früh, wenn noch niemand dort ist, mit mir zu dem Kaffeewirt. Kleide dich in die Kleider deines Vaters, so wird dich niemand erkennen."Am andern Morgen stand Tithiri-luagur ganz früh auf. Sie nahm die Kleider ihres Vaters um sich. Tithiri-luagur ging mit der Negerin aus dem Hause.

Die Negerin führte Tithiri-luagur in das Haus des Kaffeewirtes. Hassan saß allein. Hassan blickte auf. Hassan sah Tithiri-luagur.



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Er erschrak. Tithiri-luagur sah Hassan. Tithiri-luagur erschrak. Hassan sagte: "Du bist meine Tithiri-luagur!"Tithiri-luagur sagte: "Du bist mein Hassan."

Tithiri-luagur sprach wieder. Sie sprach aber nur mit Hassan und ihrer Negerin. Als Tithiri-luagur nach Hause kam, sagte sie zu ihrer Negerin: "Gehe zu meinem Vater und sage ihm, daß er, wenn er mich wieder sprechen machen will, in der Stadt und überall ausrufen lassen soll, er wolle mich dem zur Frau geben, der es verstünde, mich wieder zum Sprechen zu bringen." Die Negerin ging zum Agelith. Sie sagte dem Agelith: "Ich glaube, deine Tochter ist wieder zum Sprechen zu bringen." Der Agelith sagte: "Wie meinst du das?" Die Negerin sagte: "Laß doch in der Stadt und überall ausrufen, du wollest Tithiri-luagur dem zur Frau geben, der sie wieder zum Sprechen bringen würde." Der Agelith war sogleich einverstanden.

Der Agelith ließ überall ausrufen, wer Tithiri-luagur zum Sprechen zu bringen vermöge, der solle sie zur Frau haben. Wer es aber versuche und keinen Erfolg habe, dem würde er den Kopf abschlagen lassen. Es kamen darauf viele Leute, die ließen sich vor Tithiriluagur führen und versuchten es auf alle Weise, Tithiri-luagur zum Sprechen zu bringen. Es gelang aber keinem, und so ließ der Agelith ihnen allen den Kopf abschlagen.

Hassan hörte, was der Agelith hatte ausrufen lassen. Hassan sagte sich: "Ich brauche hierbei meinen Kopf nicht wie die andern alle zu verlieren: denn ich weiß ja seit meinem Traum, daß ich Tithiriluagur heiraten werde." Hassan machte sich auf den Weg und kam zu dem Agelith. Der Agelith sah ihn und erschrak über seine Schönheit. Hassan sagte: "Ich bin gekommen, Tithiri-luagur zum Sprechen zu bewegen und sie zu heiraten." Der Agelith sagte: "Wie soll ich diesen schönen Kopf abschlagen?" Hassan sagte: "Mache dir hierüber keine Sorge; laß mich zu Tithiri-luagur führen."

Hassan wurde in die Kammer Tithiri-luagurs geführt. Bei Tithiri-luagur saßen zwei junge Mädchen in der Kammer, die deren Gespielinnen waren. Früher sprachen sie viel mit Tithiri-luagur. Seitdem die Tochter des Agelith aber so krank geworden war, saßen beide beieinander und sprachen nur unter sich. Als Hassan in die Kammer trat und die beiden Mädchen ihn sahen, sprangen sie erschrocken über seine Schönheit auf und riefen: "Du armer schöner Mann! Warum bist du nun nur dazu geboren, daß dir der Kopf abgeschlagen wird!" Hassan lachte und sagte: "Nun, ich werde den



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Kopf nicht verlieren. Denn diese Tochter des Agelith wird meine Frau. Dieses werdet ihr sogleich sehen. Laßt euch erzählen. Ich ging einmal durch ein wildes Land und fand an meinem Wege eine Decke (thatharwith). Soweit ich sehen konnte, war kein Mensch zu sehen. Ich sah, daß die Decke ganz allein lag und daß ich sie auch allein gefunden hatte. Ich nahm also die Decke auf und ging mit ihr weiter. Nach langer Zeit kamen mir drei Menschen entgegen; die stürzten auf mich zu und schrien: Diese Decke gehört uns; wir haben sie zuerst gefunden. Wem gehört nun die Decke; ich war im Zweifel."

Als Hassan so weit gesprochen hatte, fuhr Tithiri-luagur auf und sagte: "Aber Hassan, wie konntest du da im Zweifel sein! Dir gehört die Decke, und ich gehöre dir ebenfalls, denn du hast mich auch gefunden." Tithiri-luagur sprang auf. Hassan eilte auf Tithiri-luagur zu; beide umarmten sich.

Tithiri-luagur führte Hassan zu ihrem Vater und sagte: "Dieser Mann hier hat mich zum Sprechen gebracht. Ihn will ich heiraten." Der Agelith sagte: "Hassan, ich will dir meine Tochter zur Frau geben. Ich werde euch hier nebenan ein Haus bauen, und darin sollt ihr wohnen." Hassan sagte: "Ich will meine Frau mit mir in das Haus meines Vaters nehmen. Ich bin auch der Sohn eines Agelith." Der Agelith sagte: "Weshalb bist du von deinem Vater fortgegangen!" Hassan sagte: "Ich hatte einen Traum." Der Agelith sagte: "Welchen Traum hattest du? So sprich doch!" Der Agelith sprach nicht I'cherkan. Hassan verstummte und sprach nicht mehr. Da wurde der Agelith zornig und rief: "Ich sehe, du bist ein verstockter Bursche. Dein Vater wird recht gehabt haben, als er dich fortjagte. Und einen solchen Burschen soll ich Tithiri-luagur anvertrauen? Und du willst sie gar mit dir in ein anderes Land nehmen, das ich gar nicht kenne? Mach, daß du fortkommst." Der Agelith ließ Hassan aus dem Hause jagen.

Tithiri-luagur weinte. Tithiri-luagur ließ eine alte Frau kommen und sagte zu ihr: "Gehe hinter Hassan her. Sage ihm, daß ich ohne ihn nicht leben kann. Frage ihn, warum er die Sprache meines Vaters nicht beantwortet. Laufe schnell und sieh, was du machen kannst; ich werde dich reich belohnen." Die alte Frau sagte: "Ich eile."

Die alte Frau nahm ihren Stock und lief hinter Hassan her. Die alte Frau holte Hassan ein und sagte zu ihm: "Ich grüße dich, Hassan." Hassan sagte: "Ich danke dir, meine Mutter." Die alte Frau



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sagte: "Mich sendet Tithiri-luagur. Tithiri-luagur leidet schwer am Herzen. Tithiri-luagur wird zweifellos sterben, wenn sie dich nicht zum Mann bekommt. Habe also Geduld. Laufe nicht so von dannen." Hassan sagte: "Tithiri-luagur braucht nichts zu fürchten. Tithiriluagur wird zweifelsohne meine Frau werden. Ich hatte einen Traum." Hassan schwieg.

Die Alte rief: "l'cherkan!"(Dieser Satz heißt wörtlich: "thinäjeth [sie hat gesagt] thel'cherkan [Glück] nitzan inäjes [sagt]: ohimmi theth'alis Ras'bäi"[sie solle geliebt werden von Gott].) Hassan antwortete: "Möge Gott dich lieben! Jetzt, wo du mir den Segen gewünscht hast, kann ich dir den Traum erzählen. Im Traume sah ich im Hause meines Vaters einmal Tithiri-luagur. Sie sagte zu mir: Ich werde deine Frau werden; kein anderer Mann wird mich heiraten. Versprich mir aber, daß du deinen Traum niemandem erzählen wirst, der dich hierzu nicht auffordert mit dem Worte l'cherkan. Dies versprich mir. Ich versprach es Tithiri-luagur. Am andern Tage fragte mein Vater mich nach meinem Traum. Er sagte aber das Wort l'cherkan nicht. Ich verstummte. Er ließ mich in eine Kiste mit Gold und Edelsteinen legen und in das Meer werfen. Ich kam in andere Länder. Ich wurde nach meinem Traum gefragt. Niemand aber sprach das Wort l'cherkan. Ich wurde verstoßen und kam in das Elend. Nun endlich war ich Tithiri-luagur zur Ehe zugesagt. Da hat ihr Vater mich wieder beschimpft und mich von dannen gewiesen. Der Agelith hat aber auch gesagt, er wolle mir zwar Tithiri-luagur zur Frau geben, er wolle sie aber nicht mit in mein Land ziehen lassen. Jetzt gehe ich aber hin und suche meine Kräfte. Ich werde wiederkommen und den Vater Tithiri-luagur zwingen, mir seine Tochter zur Ehe und mit in das Land meines Vaters zu geben. Sage das Tithiri-luagur. Sage dies dem Vater Tithiri-luagurs." Hassan nahm von der alten Frau Abschied und wanderte fort.

Die Alte ging zurück zu Tithiri-luagur und erzählte ihr alles, was Hassan ihr gesagt hatte. Die alte Frau sagte: "Weine nicht. Ich habe diesen Mann gesehen und gehört. Ich bin eine alte Frau und kenne die Menschen. Dieser Hassan ist kein Mensch wie ich und der Agelith. Du wirst mit ihm glücklich werden." Tithiri-luagur hörte auf zu weinen. Die alte Frau ging zu dem Agelith, erzählte ihm alles, was Hassan zu ihr gesagt hatte und sagte: "Dieser Hassan, mein Agelith, ist nicht ein Mensch wie du und ich es sind. Er ist nicht ein störrischer Mensch, wie du ihm gesagt hast. Wenn er wiederkommt, füge dich seinem Willen. Denn er vermag mehr als du, und du



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wirst im Streite unterliegen. Deshalb rate ich dir, ihm seinen Willen zu lassen." Der Agelith wurde zornig und sagte: "Soll ich dich fortjagen lassen, wie diesen Burschen?" Die alte Frau sagte: "Dieser Hassan ist ein Mensch ohne alles Böse, und ich bin eine schwache, alte Frau. Für den Bösen ist es leicht, mit beiden sich abzufinden." Die alte Frau ging. Der Agelith wagte es nicht, ihr etwas zu tun. Von, dem Tage an aber fürchtete er sich vor Hassan.

Hassan wanderte inzwischen weit fort. Er kam zu zwei Negern, die mühten sich seit zwölf Jahren ab, einen großen Stein aufzurichten. Hassan blieb stehen und sagte: "Was macht ihr da ?" Die zwei Neger sagten: "Wir wollen den Stein aufrichten. Wir versuchen es seit zwölf Jahren. Es gelingt uns aber nicht." Hassan lachte, trat heran und richtete den Stein mit einer Hand auf. Die beiden Neger erstaunten. Die Neger fielen vor Hassan nieder und sagten: "Sei du unser Herr. Wenn du unsere Hilfe je gebrauchst, so nimm eine Locke von unsern Haaren und verbrenne sie. Wir werden dann sogleich zur Stelle sein." Die beiden Neger schnitten sich einige Locken ihrer Haare ab. Hassan dankte ihnen und steckte die Haare zu sich.

Hassan wanderte weiter. Er kam zu einem Neger, der war riesenhaft groß. Seine Oberlippe reichte bis zu den Augen. Seine Unterlippe bedeckte die Brust. Der Neger saß am Wege, lachte, als er Hassan vorbeikommen sah und sagte: "Wo gehst du denn hin, du kleiner Mann!" Hassan sagte: "Du glaubst stärker zu sein als ich?" Der Neger lachte und sagte: "Ein wenig größer als eine Bohne bist du ja." Hassan sagte: "Neger essen gerne Bohnen; komm, iß mich!" Der Neger wurde zornig. Er sprang auf und wollte Hassan schlagen. Hassan packte ihn aber und warf ihn in die Luft. Der Neger flog so hoch wie ein Berg ist. Dann stürzte er vor Hassan auf die Erde. Der Neger blieb liegen vor Hassan und sagte: "Ich bitte dich! Sei du mein Herr. Du bist stärker als alle andern Männer der Welt. Ich will dir überallhin folgen." Hassan sagte: "So komm mit mir."

Hassan sagte bei sich: "Mit diesem Neger werde ich viel ausrichten können. Deshalb will ich zurückkehren und den Kampf gegen den Vater meiner Tithiri-luagur beginnen. Kommt es zum Ärgsten, so kann ich immer die andern beiden Neger herbeirufen." Hassan machte sich also auf den Rückweg. Der riesenhafte Neger folgte ihm.

Hassan kam mit dem Neger in einen Ort. Er gab dem Neger zehn Goldstücke und sagte: "Kaufe du hierfür etwas zu essen." Dann ging Hassan in das Haus. Der Neger ging aus und kaufte sich für zehn Goldstücke Brot. Das aß er. Der Neger sah einen Schlächter



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der trieb zwei große Ochsen vor sich her. Der Neger fragte den Schlächter: "Was sollen diese zwei Stücke Fleisch kosten?" Der Schlächter sagte: "Was sagst du? Stücke Fleisch. Das sind zwei schöne große Ochsen, und sie kosten hundert Goldstücke."

Der Neger nahm den einen Ochsen in die Höhe, wog ihn in der Hand und warf ihn dann über die linke Schulter. Er nahm den andern Ochsen auf, wog ihn in der Hand und warf ihn dann über die andre Schulter. Der Schlächter stand still und rief dann zornig: "Was machst du mit meinen Ochsen ?" Der Neger sagte: "Geh, Kleiner, bitte meinen Herrn, er wird dir dies Fleisch bezahlen." Der Neger ging mit den zwei Ochsen von dannen. Der Schlächter lief schimpfend hinterher.

Der Schlächter schrie: "Das ist zuviel für euch! Das könnt ihr ja gar nicht essen!" Der Neger sagte: "Was? Das soll zu viel sein? Der Neger nahm den einen Ochsen von der Schulter und verschlang ihn. Er sagte zum Schlächter: "Das ist für uns noch nicht einmal eine gute Mahlzeit." Der Schlächter schimpfte weiter. Der Neger wandte sich wieder um und sagte: "Schlächter, nun höre auf, oder du wirst auch zu einem Stück Fleisch."

Der Neger ging weiter. Der Schlächter war eine Weile still, dann begann er wieder zu schimpfen. Da wandte der Neger sich um, packte den Schlächter, schlug ihm erst den Kopf ab und verschlang ihn dann mit Haut und Knochen. Als das Volk das sah, begann er zu schreien und zu schelten. Nun aber wurde der Neger zornig. Er begann den umstehenden Leuten die Köpfe wie Gras abzuschlagen. (Wörtlich: äigidsen [schlagen] digthen [ihnen] äm'l [wie] l'hahschisch [Kraut].) Es entstand ein großes Geschrei. Hassan hörte es.

Hassan kam aus dem Hause und fragte: "Was gibt es denn?" Der Neger sagte: "Diese Leute haben noch nie einen Menschen gesehen, der Hunger hat." Der Agelith kam zu Hassan und sagte: "Wir bitten dich! Bringe diesen Neger fort. Er zerstört noch das ganze Dorf." Hassan rief den Neger in das Haus und schalt ihn. Der Neger sagte: "Ich will ja ruhig sein. Aber diese Menschen hier sind auch zu geizig. Keiner weiß einen guten Hunger zu stillen. Ich glaube, die Leute hier wissen gar nicht, was Hunger ist."

Am andern Tage wanderte Hassan mit dem Neger weiter. Als er abends in den andern Ort kam, ließ er dem Neger sieben Hammel, sieben Schalen mit Kuskus und sieben Ziegenhautsäcke mit Wasser vorsetzen. Nachdem der Neger das alles gegessen hatte, sperrte er ihn in eine Kammer und schloß sie hinter ihm ab. Hassan war aber kaum



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eingeschlafen, da klopfte der Neger hastig an Hassans Tür. Hassan fuhr aus dem Schlafe auf und fragte: "Was gibt es denn?" Der Neger schrie: "O Hassan, mein Herr, der Hunger plagt mich so, daß ich fürchte, den morgigen Tag nicht mehr zu erleben." Hassan wurde böse und sagte: "Schweige und warte bis morgen; dann wirst du wieder etwas zu essen bekommen."

Am andern Tage machte Hassan sich mit seinem Neger wieder auf den Weg, und an diesem Tage kam er im Orte des Vaters seiner Tithiri-luagur an. Die Leute des Agelith kamen ihm entgegen und kämpften gegen Hassan und den Neger. Der Neger schlug so viele tot, daß er bis zu den Knien im Blut watete. Der Agelith sandte aber immer mehr Leute, und als Hassan schon ganz nahe dem Hause des Agelith war, fiel der Neger unter den Hieben der Hunderte von Säbeln, und auch Hassan empfing eine Wunde, die vom Oberschenkel bis zum Bauch reichte.

Hassan ging zurück in sein Quartier. Er zog die Locke der zwei Neger, denen er den Stein aufgerichtet hatte, hervor und verbrannte sie. Sogleich standen die beiden Neger vor ihm. Der eine Neger sagte: "Was willst du, daß wir tun?" Der andere Neger sagte: "Ich sehe, du bist verwundet." Der Neger öffnete seinen Mund und leckte die Wunde Hassans. Sogleich war die Wunde geheilt. Hassan sagte: "Ich danke euch. Morgen früh wollen wir die Arbeit beenden."

Die beiden Neger sprachen am andern Morgen zusammen und sagten: "Der eine von uns beiden wird von dieser, der andere von der entgegengesetzten Seite der Stadt beginnen." Sie wollten sich dann in der Mitte treffen. Die beiden Neger begannen ihre Arbeit. Jeder von beiden vernichtete und fraß auf seiner Seite, was ihm entgegenkam. Als sie den letzten Mann packten, teilten sie ihn sich in zwei Hälften und jeder verschlang dann die ihm zukommende.

Der Vater der Tithiri-luagur erschrak. Er sah, daß für ihn keine Hoffnung auf Rettung war. Er ließ Hassan sagen, daß er mit allem einverstanden sei. Hassan kam in das Haus. Der Agelith gab Hassan seine Tochter Tithiri-luagur zur Frau. Der Agelith veranstaltete ein Fest von vierzehn Tagen. An diesem Feste nahmen aber nur Frauen teil, denn alle Männer waren von den drei Negern getötet worden. Nachdem dies Fest vorbei war, nahmen Hassan und Tithiri-luagur von dem Agelith Abschied und machten sich auf den Heimweg zu der Stadt des Vaters Hassans.



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Als seinerzeit der Vater seinem Sohne so zürnte, daß er Hassan ins Meer werfen zu lassen beschloß, beauftragte er hiermit seinen Usir. Er sagte aber seinem Usir, daß er vor dem letzten Abschied Hassan noch einmal fragen solle, ob er seine Verstocktheit bereue. Erst wenn Hassan im letzten Augenblick bei seiner Verstocktheit bleiben sollte, sollte der Usir die Kiste in das Wasser werfen. Der Usir hatte es nun mit der Ausführung seines Auftrages so eilig gehabt, daß er vergaß, Hassan noch einmal zu fragen, ob er seine Verstocktheit nicht bereue. Der Agelith war aber ein sehr genauer Mann, und als er den zurückkehrenden Mann fragte, wie es mit der letzten Frage an Hassan stünde und als der Usir zugab, daß er die letzte Frage versäumt habe, da ward der Agelith zornig und wollte nun auch den Usir töten. Der Usir aber floh.

Der Usir floh in den fernsten Ort des Landes und versteckte sich da als ein armer Arbeiter. Nachdem Hassan nun aber dem Lande fern blieb, kam über das ganze Land eine große Not. Kein Baum blühte mehr und trug Früchte. Kein Tier hatte Junge. Kein Kind ward mehr geboren. Das war in allen Teilen des Landes des Vaters Hassans so. Um die Stadt selbst wuchs die Mauer, die sieben Tore schlossen sich, und niemand konnte hinein oder heraus. Zwölf Jahre war Hassan im Auslande. Während der zwölf Jahre währte dieses große Elend.

Der erste Mann, den Hassan nun bei der Rückkehr in das Land seines Vaters wiedersah, war der Usir, der ihn damals auf Befehl seines Vaters ins Meer geworfen hatte. Der Usir war ein gewöhnlicher Arbeiter geworden, ganz mager, ganz arm, so daß er nur zwei Stückchen Stoff, eines hinten und eines vorne trug. Hassan erkannte ihn. Er rief ihn heran. Er gab ihm Essen, er ließ ihn baden, er kleidete ihn und gab ihm vier Hände voll Gold. Er sagte ihm: "Usir, erkennst du mich nicht ?" Der Usir sagte: "Nein, ich weiß nicht, wer du bist, wenn ich auch deine große Güte erkenne." Hassan sagte: "Ich bin Hassan, der Sohn deines Herrn." Da fiel der Usir voll Scham und Dankbarkeit auf die Erde und weinte.

Hassan wanderte mit Tithiri-luagur bis zum Flusse. Da ließ er seine jung verheiratete Frau (eine neu verheiratete, verschleierte Frau nennt man Thehajib; eine junge Frau ist tithlith, zum Schmuck der jungen Frau gehören: thaatähbs, das silberne Stirndiadem; agut-hehäriä, das Stirntuch aus Seide [Seide =lehäriäj; amendie =Schleier, rafuthmfth = Gesicht: der Gesichtsschleier. — Der Volkssage nach erfolgt die Verschleierung der ersten Tage wie



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in Nupe nur, um Chtaplaräith nicht anzulocken, der jung verheiratete Frauen gern stiehlt) im Schutze seiner Leute zurück. Er ging gegen Nacht voraus zur Stadt seines Vaters. Da sah er, daß die Mauer um die Stadt gewachsen und die Tore geschlossen waren, so daß niemand hinein und heraus konnte. Als Hassan das sah, kehrte er sogleich zurück, um noch vor völliger Dunkelheit wieder bei Tithiriluagur zu sein.

An diesem Tage ereignete sich nun ein großes Unglück. Ein Agelith der Aldjenu hatte eine Tochter mit Namen Hajads ei Muds. Sie sollte gerade heute mit dem Sohn eines andern Agelith der Aldjenu verheiratet werden. Dieser Sohn eines Aldjenu-Agelith starb aber gerade in dem Augenblick, als Hajads ei Muds, die Schönste aller Frauen, sein Haus betrat, um mit ihm verehelicht zu werden. Der Vater des gestorbenen Burschen erschrak sehr, denn er fürchtete den Zorn und die Rache des Vaters der Hajads ei Muds.

Der Aldjenu-Agelith, dessen Sohn gestorben war, rief deshalb sogleich seine besten Leute und sagte zu ihnen: "Macht euch eilends auf den Weg und sucht den schönsten Jüngling, den ihr findet, an Stelle meines gestorbenen Sohnes herbei, so daß Hajads ei Muds ihn hier findet. Eilt euch und bringt den Schönsten. Denn mein Sohn war schön, und nur an einem ungewöhnlich schönen Jüngling kann Hajads ei Muds ihre Freude haben." Die Aldjenu machten sich sogleich auf den Weg, und als Hassan ganz nahe dem Lager seiner Tithiri-luagur war, fielen sie über Hassan her und nahmen ihn mit sich.

Unterwegs zum Hause ihres Herrn begegneten sie aber dem Oberherrn aller Aidjenu. Der Oberherr fragte: "Was tragt ihr da?" Die Aldjenu sagten: "Der Sohn unseres Agelith ist plötzlich heute, wo er mit Hajads ei Muds verheiratet werden sollte, gestorben. Nun betritt Hajads ei Muds gerade das Haus, und ihr Vater wird sicher zornig werden, wenn Hajads ei Muds ihren Gatten nicht findet. So hat uns denn unser Herr befohlen, einen Mann von ungewöhnlicher Schönheit zu suchen und zu bringen. Denn der Sohn unseres Herrn war sehr schön." Der Oberherr der Aldjenu trat heran und betrachtete Hassan. Er erschrak, als er ihn sah und sagte: "Wirklich, dieses ist der schönste Mann, den ich irgendwo und irgendwann sah. Ihr dürft diesen Mann nicht für lange fortnehmen. Ihr könnt ihn heute nacht zu Hajads ei Muds bringen. Morgen früh müßt ihr ihn aber wieder dahin tragen, wo ihr ihn genommen habt." Die Aldjenu versprachen es und trugen Hassan weiter.



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Als Hassan erwachte, lag er auf einem schönen Lager. Als er die Augen aufschlug, öffnete sich die Tür und Hajads ei Muds betrat das Zimmer. Hajads ei Muds sah Hassan und schrie auf. Hassan sah Hajads ei Muds und schrie auf. Hajads ei Muds kam auf Hassan zu und sagte: "Gibt es solche Schönheit? Wenn mein Herz nicht so klopfte, daß ich kaum sprechen kann, würde ich glauben, ich läge im Schlafe und träumte. Oh, welche Gnade, daß ich dich berühren darf." Hajads ei (oder il) Muds trat auf ihn zu. Hassan begann vor Glück zu weinen, so daß die Tränen aus seinen Augen rollten. Wo diese Tränen aber auf die Erde fielen, wurden sie zu Diamanten und zuletzt stand Hajads ei Muds auf dem Boden zwischen den Diamanten, wie der Mond am Himmel zwischen den Sternen. Hassan umarmte Hajads ei Muds. In der Nacht schenkte Hassan seinen Fingerring mit seinem Namen Hajads ei Muds. Hajads ei Muds aber schenkte ihren Ring mit ihrem Namen Hassan. Als es Morgen wurde, kamen die Aldjenu, hoben Hassan auf und trugen ihn in sein Lager zu Tithiri-luagur.

Von dem Tag an war Hassan stumm.

Von dem Tag an war Hajads ei Muds stumm.

Am andern Tage brach Hassan mit Tithiri-luagur und den beiden Knaben, die sie ihm während der langen Reise geschenkt, auf und kam zu der Stadt seines Vaters. Sobald er zu der Stadt kam, öffneten sich die Tore von selbst, die Tiere bekamen Junge, die Frauen brachten Kinder zur Welt und alle Bäume blühten. Der Agelith kam seinem Sohne Hassan entgegen. Der Agelith sah, daß sein Sohn stumm war. Der Ageiith seufzte und sagte: "O mein Sohn Hassan, nun habe ich dich wieder. Du aber bist stumm!" Der Vater war sehr betrübt.

Am siebenten Tage machte Hassan sich auf den Weg, um Hajads ei Muds zu suchen. Er wanderte lange umher. Er zeigte allen Leuten den Ring mit dem Namen der Hajads ei Muds. Die Leute schüttelten den Kopf und gaben den Ring zurück. Er wanderte lange und weit, bis er eines Tages Leute traf, die den Namen auf dem Ringe lasen und sagten: "Wenn du diesen Weg dort gehst, wirst du richtig hinkommen." Hassan wanderte und kam in die Stadt, in der Hajads ei Muds im Hause des Agelith, ihres Vaters, wohnte.

Hassan nahm in der Stadt ein Zimmer. Er suchte eine alte Frau auf. Er gab ihr vier Hände voll Gold und zeigte ihr den Ring mit dem Namen Hajads ei Muds. Die alte Frau sagte: "Ich verstehe dich! Ich soll dich in das Haus Hajads ei Muds bringen." Hassan nickte mit dem Kopfe. Die Alte sagte: "Ich glaube, das kann ich machen.



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Leih mir den Ring." Hasan gab der alten Frau den Ring mit dem Namen der Hajads ei Muds.

Die alte Frau ging in das Haus des Agelith und in die Kammer der Hajads ei Muds, die still und stumm und traurig auf ihrem Lager lag. Die alte Frau reichte Hajads ei Muds den Ring. Hajads ei Muds sah ihn, nahm ihn der Alten fort, setzte ihn auf den Finger und konnte sogleich sprechen. Hajads ei Muds sagte: "Sogleich bringe mir Hassan hierher oder ich töte dich."

Die Alte eilte fort. Sie machte einen großen Korb (thakofuths); mit dem ging sie zu Hassan und sagte: "Lege dich in diesen Korb, ich werde einige Stoffe über dich decken und dich so in die Kammer Hajads ei Muds bringen. Hajads ei Muds will dich sogleich sehen." Hassan legte sich in den Korb. Die Alte brachte den Korb in das Haus des Agelith und in die Kammer der Hajads ei Muds. Hassan sprang heraus. Hassan sah Hajads ei Muds. Hajads ei Muds nahm Hassans Ring von ihrem Finger und steckte ihn Hassan an die Hand. Hassan sagte: "Nun werden wir nicht mehr auseinandergehen!" Hassan schenkte der alten Frau hundert Hände voll Gold und schickte sie mit dem leeren Korb wieder fort.

Nach einigen Tagen sagte Hassan zu Hajads ei Muds: "Nun werde ich zu deinem Vater gehen und ihm sagen, daß ich dich heiraten will." Hajads ei Muds sagte: "Gut denn, gehe zu meinem Vater und fordere mich zur Frau. Mein Vater wird dir sagen: ,Ich habe keine Tochter!' Mein Vater wird dir diese Antwort dreimal geben. Bestehe aber darauf. Dann wird mein Vater sagen: ,Wenn du weißt, daß ich eine Tochter habe, so zeige mir ein Zeichen von ihr.' Dann zeige ihm diesen meinen Ring mit meinem Namen."

Hassan nahm Abschied von Hajads ei Muds. Er ging zu dem Vater Hajads ei Muds und sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter!" Hassan sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter." Hassan sagte: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter." Hassan sagte: "Du hast doch eine Tochter und ich bitte dich, sie mir zur Frau zu geben." Der Ageiith sagte: "Wenn du so genau weißt, daß ich eine Tochter habe, so zeige mir ein Zeichen von ihr." Hassan zeigte dem Agelith den Ring und sagte: "Hier ist der Ring mit dem Namen deiner Tochter."

Der Agelith sagte: "Hiergegen kann ich nichts sagen. Ich will dir also meine Tochter zur Frau geben. Vorher zeige mir aber, was du



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kannst und ob du würdig bist, der Gatte meiner Tochter zu werden. Ich werde dich in eine Grube werfen, um dich einen Haufen Holz werfen und das Holz anzünden lassen. Wenn du mit dem Leben davon kommst, wie dir dies auch immer gelingen mag, sollst du meine Tochter zur Frau haben." Der Agelith rief seine Leute. Der Agelith ließ eine Grube graben und um ihn Holz aufschichten. Er sagte: "Morgen früh zündet das Holz an. Wir wollen sehen, ob Hassan dann noch meine Tochter heiraten will."

Inzwischen saßen die beiden Knaben, die Tithiri-luagur Hassan geschenkt hatte und die Hassan und Hussein hießen, bei ihrem Großvater, dem Agelith. Das Essen wurde aufgetragen. Der Großvater sagte zu den Knaben: "Nun esst!" Da begannen Hassan und Hussein zu weinen. Der Agelith sagte: "Meine Knaben, so weint nicht und esst." Die Knaben sagten aber: "Wie können wir hier essen und trinken, wenn unser Vater Hassan soeben in eine Grube geworfen, mit Holz bedeckt wird und morgen früh verbrannt werden soll!"

Der Agelith erschrak. Er sagte: "Ihr habt recht. Was können wir da aber tun?" Hassan und Hussein sagten: "Laß uns deine beiden Pferde, die so schnell sind wie der Blitz, besteigen, daß wir hinreiten und unserm Vater helfen." Der Agelith sagte: "Werdet ihr hierzu imstande sein?" Hassan und Hussein sagten: "Ja, wir werden es können. Wir verdanken der Güte unseres Vaters so viel Kraft, daß wir alles vermögen, was ihn retten kann." Der Agelith sagte: "Dann bin ich damit einverstanden."

Hassan und Hussein bestiegen die Pferde, die so schnell waren, wie der Blitz. Hassan und Hussein sagten: "Bringt uns geschwind dahin, wo unser Vater Hassan ist." Die Pferde sagten: "Wie schnell soll es sein?" Hassan und Hussein sagten: "So geschwind wie möglich." Die Pferde sagten: "So schließt die Augen!" Hassan und Hussein schlossen die Augen. Die Pferde sagten: "Öffnet die Augen!" Hassan und Hussein öffneten die Augen. Ihre Pferde standen vor dem Holzstoß.

Hassan und Hussein riefen: "Unser Hassan!" Als sie das sagten, ging es wie ein Wetterbruch (thruthigenaith) über das Land. Hassan rief aber unter dem Holz hervor: "Ich liege unter dem Holz, meine Söhne!" Hassan und Hussein ritten auf den Holzstoß zu. Ihre Pferde warfen mit den Hufen alles Holz auseinander. Hassan stieg aus der Grube empor.

Die Menschen standen in einem großen Kreise umher. Hassan und



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Hussein nahmen ihren Vater Hassan in die Mitte. Sie ritten auf die Menschen zu. Die Pferde zertraten alle zwischen ihren Hufen, die sich in den Weg stellten. Hassan und Hussein ritten mit ihren Pferden zwischen den Menschen einen breiten Weg frei. Der Weg führte zum Hause des Agelith. Alle Menschen flohen zur Seite.

Hassan ging in das Haus des Agelith. Der Ageiith erschrak. Hassan sagte: "Du sagtest mir, daß ich deine Tochter zur Frau haben solle, wenn ich der Grube und dem Holzfeuer entginge. Hier bin ich. Nun gib mir deine Tochter!" Der Agelith sagte: "So nimm meine Tochter." Hassan ging in die Kammer und führte Hajads ei Muds herab. Er nahm sie auf das eine Pferd, das so schnell war, wie der Blitz. Hassan und Hussein stiegen auf das andere Pferd, das so schnell war, wie der Blitz.

Sie ritten heim.


49. Der verstorbene Sohn (Auszug)

Ein Mann heiratet. Seine Frau schenkt ihm einen Sohn. Die Frau stirbt. Der Witwer ist nun mit dem kleinen Jungen allein. Der Mann will wieder heiraten. In jedem Hause nun, in dem er um eine Tochter zur Ehe vorspricht, fragt man ihn: "Hast du ein Kind?' Er muß dies bejahen. Darauf schlägt ihm dann jeder Vater seine Tochter aus. Der Witwer kann also wegen des Kindes seiner ersten Frau nicht heiraten. Der gute Witwer wird dadurch ganz niedergeschlagen.

Eines Tages beschließt er: "Ich will lügen und sagen, ich hätte kein Kind!" Er geht nun zu einem andern Familienvater und sagt: "Gib mir deine Tochter zur Frau." Der Vater sagt: "Hast du auch kein Kind?" Der Witwer sagt: "Nein, ich habe kein Kind." Der Vater der Tochter sagt: "Gut, so gebe ich dir meine Tochter zur Frau." Es wird also ein großes Fest veranstaltet. Der Witwer heiratet und nimmt dann seine junge Frau mit nach Hause. Der Witwer hat bei der Einführung der jungen Frau zunächst seinen Sohn versteckt.

Eines Tages, bald nach der Ehe, ist der junge Ehemann aber einmal abwesend; da sieht die junge Frau den Sohn. Sie fragt sogleich: "Wem gehört das Kind ?" Die Leute sagen: "Es ist das Kind deines Mannes und seiner ersten Frau, die gestorben ist." Die junge Frau



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beginnt zu weinen. Als der junge Ehemann nach Hause kommt, findet er seine Frau weinend vor. Er fragt: "Was hast du?" Die junge Frau sagt: "Du hast meinen Eltern gesagt, du hättest kein Kind. Und nun hast du hier den Knaben. Du hast gelogen." Die Frau weint ununterbrochen. Der Mann sagt: "Was soll ich machen ?" Die junge Frau sagt: "Du mußt das Kind töten." Der Mann will erst nicht. Endlich geht er doch darauf ein und sagt zu. Der Mann will sein eigenes Kind töten. Der Knabe aber läuft weg.

Der Knabe kommt zu einem guten Manne (amrar-vetz oder -betz); der nimmt ihn auf und unterrichtet ihn ein Jahr lang. Der Vater ist nun aber wütend, daß sein Sohn ihm entronnen ist. Die junge Frau unterhält seinen Zorn. Er sucht und sucht nach seinem Sohn und findet endlich heraus, daß er bei dem guten Manne Unterschlupf gefunden hat. Der Vater kommt zu ihm und sagt: "Dies ist mein Sohn; ich habe ihn erzeugt und ernährt und will ihn weiter ernähren. Gib mir mein Kind heraus." Der gute Mann sagt: "Du hast deinem Sohn Essen gegeben. Du wolltest ihn aber dann töten. Ich schwöre dir, daß ich deinen Sohn schützen will." Gleichzeitig gibt der gute Mann dem Burschen einen Wink (ein Zeichen geben heißt chemith), daß er fliehen soll. Der Junge flieht also.

Der fliehende Bursche kommt nun zu einem Fischer, der jeden Tag so viel Fische fängt, daß er dafür zwei Kupferstücke einlösen und damit sich und seine Frau ernähren kann. Der Bursche folgt dem Fischer zum Fischfang, arbeitet für ihn und erangelt eines Tages ein Kästchen. In dem Kästchen findet er beim Öffnen ein wunderschönes Mädchen, die Tochter des Agelith der Ledjenun (oder Aldjenun). Sie hat an ihrem Finger einen Ring, den braucht man nur herumzudrehen, und gleich geht jeder Wunsch in Erfüllung. Das Mädchen wird die Frau des Burschen, und der wird nun, da sie alles erreichen können, was sie wollen, steinreich.

Der Vater des Burschen hört von dem ungeheuren Glück seines Sohnes. Er kommt und wohnt bei dem Fischer und seinem Sohn und nimmt so teil an dessen Wohlhabenheit. Eines Tages will der Bursche eine längere Reise antreten und läßt seine junge Frau unter dem Schutze seines Vaters und des Fischers zurück. Kaum ist er aber fort, so kommt der Agelith der Aldjenun (agelith-ledjenun) und kauft dem Vater und dem Fischer seine Tochter ab.

Der Bursche kommt heim und findet seine junge Frau nicht mehr vor. Er ruft: "Wo ist meine Frau?" Der Vater sagt: "Deine Frau ist zu ihrem Vater zurückgegangen; der hat sie gerufen." Der



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Bursche ist tieftraurig. Er sagt zu seinem Vater: "Ich werde fortgehen, um meine Frau zu suchen. Du und der Fischer, ihr mögt meinen Reichtum als euer Eigentum behalten."Dann bricht der Bursche auf, seine Frau zu suchen.

Der Bursche reist nun als Kuchenverkäufer weit fort. Er kommt auch in das Land und an den Ort des Agelith der Aldjenun. Der Agelith der Aldjenun hat sieben Töchter, darunter die junge Frau des Burschen. Die sieben Töchter kaufen alle Tage Kuchen bei dem Burschen; auch seine junge Frau. Da bäckt er eines Tages seinen Ring in einen Kuchen und spielt ihn beim Kaufe seiner jungen Frau in die Hände. Die junge Frau findet den Ring. Sie kehrt zurück und sagt zu dem kuchenbackenden Burschen: "Du bist mein Mann. Was machen wir nun?" Der Bursche sagt: "Ich bin hierhergekommen. Mach du nun einen Plan, wie wir wieder von hier fort und in mein Land kommen." Die junge Frau sagt: "Es gibt keinen andern Weg; du mußt zu meinem Vater gehen und ihm freimütig (chubäla) sagen: ,Ich will deine Tochter heiraten!'." Der Bursche ist einverstanden.

Der Bursche kommt zum Agelith der Aldjenu und fordert dessen Tochter zur Frau. Der Agelith sagt: "Ich habe einen Gegner mit viel Kriegsvolk. Wenn du den vernichtest, so gebe ich dir meine Tochter zur Frau." Die Tochter des Agelith gibt dem Burschen (ihrem Manne) nun eine besondere Flöte (thäguats) mit auf den Weg, und der Bursche zieht aus zum Kampfe.

Der Bursche vernichtet im Kampfe fast die ganze Bevölkerung (imthdar) des Feindes und kommt kämpfend bis an die Burg des feindlichen Agelith. Dessen bildschöne Tochter sieht eines Tages zum Fenster herab auf den kämpfenden Burschen, bewundert ihn, ist aber so beunruhigt über das Schicksal ihrer Familie, daß sie sagt: "Das ist ein schrecklicher Krieger. Man muß ihn vernichten. Im Kampfe ist es nicht möglich. Es geht nur mit Frauenlist." Sie ruft ihre sechs Schwestern herbei. Die sieben Schwestern ziehen zur Burg hinaus. Sie machen eine berückende Musik (l'chäsa). Die schöne Schwester tanzt.

Der kämpfende Bursche sieht das Bild des schönen Tanzes. Er hört die berauschende Musik. Er hält inne mit Kämpfen. Er gibt sich ganz dem Sehen und Hören hin. Zuletzt wird er von der Musik so betört, daß er auch zu tanzen beginnt. Er tanzt, bis er halb bewußtlos in einen Brunnen fällt. Im Brunnen liegt er eine Zeitlang.

Wie der Bursche wieder zu sich kommt, findet er bei einem zufälligen



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Griff in seine Tasche die Flöte, die ihm seine junge Frau mitgegeben hat. Er zieht sie heraus und beginnt zu blasen. Die Töne der Flöte haben eine schwer betörende Wirkung. Die Tochter des Agelith, die vorher schon Bewunderung für den kämpfenden Burschen hatte, ihn aber vernichten wollte, weil sie ihre Familie retten wollte, hört diese Flötentöne. Sofort verfällt sie in eine brennende Liebe für den Burschen, kommt herbei und fragt den Burschen: "Wie kann ich dich wieder retten?" Der Bursche sagt: "Laßt nur mein Pferd frei, das ihr in eure Burg gebracht habt." Das schöne Agelithtöchterlein kehrt heim, bindet das eingefangene Pferd frei und dieses rennt, sowie es die Flötentöne hört, zu dem Brunnen, in dem sein Herr, der Bursche, gefallen ist.

Das Pferd beginnt am Brunnen zu weinen. Das Pferd weint so, daß das Wasser im Brunnen steigt. Das Tränenwasser des Pferdes trägt den Burschen aus dem Brunnen heraus. Der Bursche nimmt das schöne Agelithtöchterlein auf sein Pferd und reitet mit ihm zu dem Lande des Vaters seiner ersten Frau, nimmt diese dort auch noch mit herauf und kehrt mit seinen beiden jungen Frauen heim.


50. Die Fischjungfrau

Ein Agelith hatte einen Sohn, der hieß Akkarui (Kopf) — Buthluva (dessen Gedanken unruhig sind, theluva [unruhige]). Der Vater liebte ihn sehr. Akkarui-Buthluva war ein starker und tapferer (ithad resp. thätha) Bursche, der alle Tage auf die Jagd ging. Der Bursche wuchs heran. Eines Tages kam er zu seinem Vater und sagte: "Mein Vater, erlaube mir eine Wanderung zu machen." Der Agelith sagte: "Mein Sohn, du bist noch zu jung. Hier herum ist es schön. Weiter fort gibt es dann nur noch Kraut und Wald. Warte, bis du älter bist, dann wirst du selbst sehen, daß es hier am besten ist." Der Bursche sagte: "Mein Vater, laß mich gehen."

Nachdem der Bursche seinen Vater lange gebeten hatte, gab er endlich seine Zustimmung. Der Bursche rüstete sich, nahm Essen mit sich, kam zu seinem Vater, nahm von ihm Abschied und sagte: "Mein Vater, ich schwöre dir, daß ich nicht eher zurückkommen werde, ehe ich nicht eine gute Frau gefunden habe." Dann wanderte der Bursche fort.

Der Bursche wanderte weit weg. Er kam in ein wildes Land. Er



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aß alle seine Vorräte auf und hatte nur noch eine Dattel. Nachdem er ein halbes Jahr gewandert war, kam er an eine Kreuzung des Weges. Auf der Kreuzung saß ein alter Mann. Der Bursche fragte den alten Mann: "Wohin führt dieser Weg und wohin führt jener Weg ?" Der alte Mann sagte: "Der Weg nach dieser Seite führt zu den sieben Meeren; der Weg nach jener Seite führt zu den wilden Tieren; ich rate dir, kehre auf dem Wege, den du gekommen bist, wieder zurück; der führt dich wieder heim." Der Bursche sagte: "Den Weg, den ich gekommen bin, will ich nicht wieder zurückkehren. Ich werde den Weg nach dem Meere zu einschlagen."

Der Bursche wanderte also auf dem Wege dem Meere zu. Am Meere angelangt, machte er aus seinen Kleidern einen Gürtel, warf ihn vor sich hinein und sprang hinterher. Der Gürtel trug ihn, und so trug ihn das Meer mit seinen Wellen weit fort, bis er in einen Hafen nahe einem großen Orte wieder an das Ufer getrieben wurde. Als er sich am Ufer umsah, fand er, daß neben ihm vorher schon eine Kiste ans Ufer getrieben war. Er öffnete sie und fand, daß sie mit Gold gefüllt war.

Der Bursche packte seine Kiste auf und ging in den Ort. Er suchte in dem Orte einen Kaffeewirt auf und mietete bei diesem ein Zimmer. Das Haus des Kaffeewirtes lag aber gerade gegenüber dem Hause des' Agelith, der eine wunderschöne Tochter hatte. Diese Tochter war schön wie der Mond (ajur; Sonne =etäisch). Diese hatte die Eigenart, daß sie immer einen Monat lang schlief und einen Monat lang wachte. Ihr Vater wußte aber, daß die Tochter ihre Zeit so lange in dieser Weise verbringen würde, bis sie heiratete; dann erst würde sie wie andere Menschen tagsüber wachen und nachts schlafen.

Eines Tages nun sah die Tochter des Agelith zum Fenster heraus. Sie sah Akkarui-Buthluva zum Bade gehen. Das Mädchen erschrak und sagte bei sich: "Dieser Mann ist so schön wie ein Stern. Diesen Mann will ich heiraten." Das Mädchen ließ ein Weizenkorn fallen. Der Bursche sah es. Er sah empor. Er sah das Mädchen und sagte bei sich: "Dieses Mädchen ist schön wie der Mond; dieses Mädchen muß ich heiraten." Der Bursche hob das Weizenkorn auf und steckte es in den Mund.

Die Tochter des Agelith rief ihre Negerin und sagte: "Gehe morgen sogleich zu dem jungen Manne, der bei dem Kaffeewirt wohnt und sage ihm, die Tochter des Agelith wolle ihn sprechen." Die Negerin machte sich auf den Weg. Inzwischen kam der Bursche wieder an



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dem Hause des Agelith vorbei. Er sah die Tochter des Agelith am Fenster. Er nahm das Weizenkorn aus dem Mund und zeigte es ihr. r zeigte ihr, daß er das Weizenkorn nicht gegessen habe. Er sagte damit: "Ich habe das Weizenkorn nicht verschluckt, sondern trage es in mir; so sind dein Herz (ul) und mein Herz zusammen." Die Tochter des Agelith verstand ihn.

Die Negerin kam inzwischen über den Markt. Sie rief hinter dem burschen her. Der Bursche hörte nicht. Die Negerin rief wieder und Sagte, als sie dicht bei ihm war: "Ich muß mit dir sprechen." Der bursche fuhr auf. Er dachte an die schöne Tochter des Agelith. Er ärgerte sich über die Negerin. Er gab ihr eine Ohrfeige, daß sie zitterte. Die Negerin sagte: "Weshalb schlägst du mich, wo ich dir Nachricht von der schönen Tochter des Agelith bringe ?" Der Bursche erschrak nun auch und sagte: "Das wußte ich nicht. Komm mit mir." Der Bursche nahm die Negerin mit in seine Kammer, öffnete Seine Kiste und schenkte ihr eine Hand voll Gold. Die Negerin lief zurück zu ihrer Herrin und sagte: "Das Weizenkorn sagt: ,Mein Herz ist dein Herz. Ich werde dich heiraten."

Am andern Tage sandte die Tochter des Agelith ihrem Vater eine Granatfrucht (Plur. thermanin; Sing.: tharment); die war auf einer Seite noch gut, aber auf der andern schon eingetrocknet. Der Vater betrachtete die Frucht. Er wußte nicht, was das bedeuten solle. Er rief einen Amrar asemeni und fragte ihn. Der Amrar asemeni sagte: "Deine Tochter will mit der halbreifen, halbüberreifen Frucht sagen, daß es für sie Zeit sei, zu heiraten." Der Agelith ließ seine Tochter rufen. Er sagte zu seiner Tochter: "Du willst heiraten?" Die Tochter sagte: "Ja, ich möchte heiraten." Der Agelith sagte: "Meine Tochter, du weißt, was ich geschworen habe. Ich habe geschworen, dich nur dem zur Ehe zu geben, der mir hundert Sack Bohnen von den Juden jenseits des Meeres bringen würde. So schwor ich, und so werde ich es halten."

Die Tochter ging. Sie rief ihre Negerin und sagte: "Geh hinüber und sage zu dem Burschen im Kaffeehaus, mein Vater bestände darauf, mich nur dem zur Frau geben zu wollen, der ihm hundert Sack Bohnen von dem Juden jenseits des Meeres bringen würde." Die Negerin ging. Sie sprach mit dem Burschen. Der Bursche ward traurig.

Akkarui Buthluva ging an das Meer. Er ging am Meere hin und überlegte, wie er wohl in das Land des Juden jenseits des Meeres kommen könne, denn damals gab es noch keine Schiffe. Es fiel ihm



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nichts ein. Er wurde schwer betrübt und setzte sich am Meere nieder. Er blieb am Ufer liegen, bis es Nacht wurde. In der Nacht kam die Tochter des Agelith der Jjenuen (Aledjeni der Sudaner) neben dem Burschen aus dem Wasser. Sie sah die Schönheit Akkarui Buthluvas und setzte sich neben ihn auf das Ufer.

Die Tochter des Agelith der Jjenuen sagte zu Akkarui Buthluva: "Was fehlt dir?" Der Bursche war aber so traurig, daß er auf die Frage nicht hörte und nicht antwortete. Die Tochter des Agelith der Jjenuen fragte zum zweiten Male: "Akkarui Buthluva, was fehlt dir?" Sie wiederholte die Frage zum dritten Male. Der Bursche antwortete nicht.

Die Tochter des Agelith der Jjenuen sagte endlich: "Akkarui Buthluva, ich schwöre dir, daß ich dir jeden Wunsch erfüllen werde, wenn du mir versprichst, mich nachher zu deiner Frau zu machen." Akkarui Buthluva wandte den Kopf zur Seite. Er sah, daß das Mädchen sehr schön war. Er sagte: "Der Agelith dieser Stadt will mir seine Tochter nur dann zur Frau geben, wenn ich ihm hundert Sack Bohnen des Juden jenseits des Meeres bringe. Wenn du mir behilflich bist, diese hundert Sack Bohnen von dem Juden jenseits des Meeres zu bringen, so werde ich dich zu meiner Frau machen. Das schwöre ich dir!"

Das Jjenuen-Mädchen sagte: "Ich werde dich zu dem Juden hinüberbringen. Steige auf meinen Rücken." Akkarui Buthluva stieg auf den Rücken des Jjenuen-Mädchens. Das Mädchen sagte: "Schließe die Augen." Akkarui Buthluva schloß die Augen. Nach einiger Zeit sagte das Mädchen: "Nun öffne die Augen wieder." Akkarui Buthluva öffnete die Augen und sah, daß er sich im Lande des Juden jenseits des Meeres befand.

Akkarui Buthluva ging mit dem schönen Mädchen in die Stadt des Juden. Er heiratete das schöne Mädchen. Er blieb mit ihr dort zwei Jahre und sie schenkte ihm zwei Knaben. Er war mit seiner jungen Frau sehr glücklich. Aber die Säcke mit den Bohnen wußte er zunächst nicht zu gewinnen. Der Jude bewachte diese Bohnen sehr ängstlich. Tagsüber blickte er selbst überall nach dem Rechten. Nachts über aber ging eine Katze umher, die trug ein Licht und huschte überall hin. Die Katze ließ das Licht nicht hinfallen und ausgehen. Auch wenn eine Ratte vorbeilief, kümmerte sie dies nicht. So konnte der Jude ruhig und unbesorgt schlafen.

Der Jude konnte sich auf seine Katze so bestimmt verlassen, daß er im ganzen Lande hatte ausrufen lassen: "Wem es gelingt, meine



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tatze zu bewegen, ihr Licht fallen zu lassen, dem gebe ich alle meine Schätze. Wer es aber versucht und in einer Nacht nicht erreicht, den lasse ich töten und alles, was er besitzt, fällt mir zu." Viele Leute hatten es versucht. Aber niemand hatte es vermocht, die Katze in einer Nacht dazu zu bringen, ihr Licht fallen zu lassen. Sie hatten alle ihr Leben eingebüßt und ihre Besitztümer dem Juden geben müssen, der so der Herr über alle Menschen in diesem Lande geworden war und dem alles Land und alle Schätze des Landes gehörten.

Eines Tages sagte Akkarui Buthluva zu seiner jungen Frau: "Ich muß daran denken, die hundert Säcke Bohnen von dem Juden zu erhalten." Die junge Frau sagte: "Es ist wahr. Gehe also zu dem Juden und wette mit ihm, daß es dir in einer Nacht gelingen würde, die Katze zu bewegen, das Licht fallen zu lassen. Setze du deinerseits deinen Kopf zum Pfande. Verlierst du, möge er dich töten. Bedinge dir aber aus, daß, wenn du gewinnst, du von ihm nehmen kannst, was du willst."

Akkarui Buthluva ging zum Juden. Er sagte zu dem Juden: "Ich will mit dir wetten, daß es mir gelingt, deine Katze in einer Nacht zu bewegen, ihr Licht fallen zu lassen. Wenn es mir nicht gelingt, kannst du mich töten. Wenn es mir aber gelingt, werde ich von dir nehmen, was ich will." Der Jude sagte: "Die Wette ist mir recht. Du wirst sie, wie alle andern, verlieren; aber du hast eine junge, sehr schöne Frau, die werde ich so erhalten."

Als es Abend war, ging der Jude in sein Zimmer und legte sich nieder zum Schlafen. Im Vorzimmer saß die Katze und hielt ihr Licht. Um die Katze aber hockten die Zeugen nieder, die sich versammelt hatten, um zu sehen, wie die Sache diesmal wieder ablaufen würde. Akkarui Buthluva kam aber nicht in die Kammer, in der die Katze mit ihrem Licht war. Akkarui Buthluva stieg auf das Dach des Hauses, machte oben in die Decke ein Loch und ließ von dort aus eine an einen Strick angebundene Ratte (arrartha; Plur. irrathäjui; Katze =amschisch; Plur. imschäsch; Licht =thäschemath; Plur. thäschemahin) herab. Die zappelnde Ratte hielt er gerade der Katze vor den Kopf und den Mund.

Die Katze sah die Ratte. Die Katze roch die Ratte. Die Katze blieb unbeweglich sitzen. Um Mitternacht begann Akkarui Buthluva die Ratte am Strick ein wenig zappeln zu lassen. Die Katze blinzelte. Als es gegen morgen war, begann Akkarui Buthluva die Ratte an dem Strick allmählich in die Höhe zu ziehen. Die Katze verlor den



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Geruch der Ratte ein wenig aus der Nase. Als die Ratte immer weiter weggezogen wurde, ließ sie plötzlich das Licht fallen, sprang in die Höhe und packte die Ratte. Das Licht verlosch.

Die Zeugen liefen sogleich zu dem Juden, weckten ihn und sagten "Die Katze hat das Licht fallen lassen. Das Licht ist ausgegangen; der Bursche Akkarui Buthluva hat die Wette gewonnen."Der Jude sprang entsetzt auf. Er lief herzu und sagte zu Akkarui Buthluva. "Du hast gewonnen. Nun suche dir aus meinen Reichtümern aus, was dir gefällt." Akkarui Buthluva sagte: "Du irrst dich, Jude! Ich will nicht nur alle deine Reichtümer; ich will auch dich selbst. DU hast unbarmherzig alle töten lassen. Nun werde ich dich töten lassen." Der Jude schrie und heulte. Die Leute aber liefen in der Stadt umher und riefen jubelnd: "Der Jude ist der Sklave Akkarui Buthluvas geworden. Akkarui Buthluva wird den Juden töten lassen. Akkarui Buthluva ist der Herr aller Lande und aller Schätze."

Akkarui Buthluva ließ den Juden töten. Er ließ dann hundert Säcke mit Bohnen an das Meer bringen. Er ging mit seiner jungen Frau und seinen zwei Knaben an das Meer. Die junge Frau rief Bretter herbei. Die Bretter kamen. Akkarui Buthluva stieg darauf. Er lud die hundert Sack Bohnen auf die Bretter. Die junge Frau nahm Abschied und sprang mit den beiden Knaben in das Wasser. Die Wellen des Meeres trugen Akkarui Buthluva und die hundert Sack Bohnen vom Lande des Juden weg. Akkarui Buthluva sah seine junge Frau und seine beiden Knaben nicht mehr.

Akkarui Buthluva kam auf den Brettern mit den hundert Sack Bohnen in das Land des Agelith, dessen Tochter so schön war, wie der Mond. Er ließ die hundert Sack Bohnen aus dem Lande des Juden dem Agelith bringen. Der Agelith gab dem Akkarui Buthluva seine Tochter zur Frau. Akkarui Buthluva war mit seiner Frau eine Woche lang verheiratet, da ertrug er die Sehnsucht nach seiner ersten Frau und seinen beiden Knaben nicht mehr. Als es Abend war, ging er an das Ufer und rief: "Meine Frau, komme mit unsern Kindern zurück! Meine Frau, ich halte es aus Sehnsucht nach dir nicht mehr aus! Meine Frau, wenn du bis Mitternacht nicht zurückgekommen bist, werde ich mich in das Meer stürzen." Akkarui Buthluva stand bis Mitternacht am Meere und wartete. Seine Frau kam nicht.

Als seine Frau bis Mitternacht nicht gekommen war, sprang er das Meer. Die Wellen des Meeres trugen Akkarui Buthluva fort. Sie führten ihn sechs Monate lang umher. Sie trugen ihn an das Ufer seiner jungen Frau zurück. Akkarui Buthluva sprang aber wieder.



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in das Meer. Die Wellen trugen ihn wieder sechs Monate lang umher. Sie trugen ihn dann an das Ufer, wo die Stadt seines Vaters lag. Akkarui Buthluva sprang aber wieder in das Meer.

Die Tochter des Agelith der Jjenuen, die erste Frau Akkarui Buthluvas sagte: "Dieser Akkarui Buthluva liebt mich wirklich. Er läßt nicht von mir." Die Tochter des Agelith der Jjenuen trug Akkarui Euthluva und seine beiden Knaben an das Ufer. Akkarui Buthluva war glücklich.

Seine Frau fragte ihn: "Hast du noch eine Frau?" Akkarui Buthluva sagte: "Ja, ich habe noch eine Frau, ich will mich aber von ihr trennen. Ich will nur mit dir und unsern Kindern zusammen sein." Seine Frau sagte: "Tue das nicht, denn es ist eine gute Frau. Wir wollen sie mit uns nehmen." Die Tochter des Agelith der Jjenuen trug Akkarui Buthluva, die junge Frau, die so schön war, wie der Mond, und die beiden Knaben in das Land, in dem vorher der Jude gelebt hatte. Dort wurde Akkarui Buthluva der Agelith des Landes und lebte sehr glücklich.


51. Die einhundertundeinmal Schöne

E in Knabe war seit seiner Geburt in einen Tarorfiz eingeschlossen, dessen Fenster nie geöffnet wurden. Der Knabe war der Sohn eines Agelith. Der Agelith hatte seinen Sohn lieb und wollte nicht, daß er in der Welt umkomme. Der Sohn empfing sein Essen und alles in dem Tarorfiz und kannte die Natur nicht.

Der Knabe war schon herangewachsen und ein Jüngling, da brachte ihm eine Negerin wie immer das Essen auf den Tarorfiz. Die Negerin hatte aber in ihre Brusttasche einen Knochen gesteckt, an dem noch Fleisch war. Sie setzte das Essen für den Jüngling hin, bückte sich dabei und ließ den Knochen mit dem Fleisch daran aus der Brusttasche fallen. Der Jüngling hob den Knochen auf und sagte: "Es ist gutes Fleisch daran." Die Negerin sagte: "Das Fleisch ist gut. Das Mark in dem Knochen ist noch besser." Der Jüngling aß das Fleisch und schlug den Knochen, um ihn zu zerbrechen, gegen das Fenster. Das Fenster sprang auf, und der Jüngling sah zum erstenmal den Himmel und den Platz vor dem Hause und auf dem Platze spielende Burschen. Der Jüngling sah hinaus. Dann begehrte er den Vater zu sprechen. Der Jüngling sagte: "Mein Vater, ich werde es dir nie verzeihen. Sieh, wie schön es dort draußen ist!



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Ich bin schon ein Jüngling (illemthi: junger Mann) und habe die Natur noch nicht gesehen." Der Vater sagte: "Mein Sohn, du befindest dich hier besser. Du tust besser, immer hier zu bleiben."Der Jüngling sagte: "Mein Vater, nun habe ich die Natur gesehen. Wenn ich hierbleiben muß, werde ich sterben." Der Vater mußte endlich dem Wunsche des Jünglings nachgeben.

Am andern Tage kam der Jüngling zum erstenmal aus dem Hause. Der Vater gab ihm ein Pferd. Der Jüngling ritt vom Morgen bis zum Abend auf dem Pferd. Als er abends mit dem Pferde heimkam, war das Pferd so müde, daß es starb. Der Agelith gab dem Jüngling am andern Tage ein andres Pferd. Es war am Abend tot. In sechs Tagen ritt der Sohn sechs Pferde des Agelith zu Tode. Am siebenten Tage gab der Vater ihm ein Pferd, das am gleichen Tage mit dem Jüngling geboren war.

Am andern Tage ritt der Jüngling auf dem Pferde aus, das am gleichen Tage mit ihm geboren war. Der Jüngling ritt den ganzen Tag über auf dem Pferd. Abends ritt er heim und war müde. Er kam an einem Brunnen vorbei. Am Brunnen füllte eine alte Frau ihren Ziegenhautsack. Der Jüngling wollte sein Pferd trinken lassen und sagte (barsch) zu der Frau: "Laß mein Pferd trinken! Geh zur Seite!" Die Alte sagte: "Man sollte meinen, du hättest Mija-dsinusin (wörtlich: einhundert - Schönheit - und ein; soll heißen: die hundertundeinmal Schöne) geheiratet." Der Jüngling merkte sich, was die Alte gesagt hatte und ritt nach Hause.

Er kam heim und bat seinen Vater, ihm die Reise zu dem Lande der Mija-dsin-usin zu erlauben. Der Vater gewährte ihm nach langen Bedenken die Bitte und gab ihm viel Gold, einen Neger und das Pferd Imthura -thathu -imgura -dorbarak (wörtlich: Vorderfüße Wind, Hinterfüße Blitz), dessen Vorderfüsse schnell wie der Wind und dessen Hinterfüße schnell wie der Blitz waren, mit. Der Jüngling begann am andern Tage seine Wanderung.

Nach einer langen Reise kam der Jüngling in die Stadt, in der der Vater Mija-dsin-usins als Agelith herrschte. Der Jüngling ritt bei einer Frau, die mit ihrer Tochter am Eingange der Stadt wohnte, vor und sagte: "Kannst du mich, meinen Neger und mein Pferd beherbergen?" Die Frau sagte: "Ich kann es nicht. Sieh, meine Tochter ist soeben geschieden und wohnt bei mir. Wenn du jetzt bei mir bleibst, wird niemand meine Tochter wieder heiraten wollen." Der Bursche bot der Frau viel Gold, so daß sie ihn endlich aufnahm. Der Neger brachte das Pferd des Jünglings unter. Die Frau machte



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ein gutes Essen. Der Jüngling aß. Nach dem Essen sagte der Jüngling zu der Frau: "Mutter, kennst du nicht das Haus der Mija-dsinusin ?" Die Frau sagte: "Mein Sohn, es ist sehr teuer, in dieser Stadt diesen Namen auszusprechen. Der Vater des Mädchens ist der Agelith der Stadt und läßt jedem den Kopf abschlagen, der den Namen ausspricht." Der Jüngling sagte: "Meine Mutter, ich möchte ja nur wissen, wo das Haus steht. Zeige es mir und ich gebe dir viel Gold." Die alte Frau sagte: "Folge mir morgen und du wirst es sehen."

Am andern Tage ging die Frau mit einem Korb und einem Stock durch die Stadt und bettelte. Der Jüngling folgte ihr. Vor einem Hause stolperte die Frau und fiel hin. Dann erhob sie sich wieder und kam nach Hause. Die Frau fragte den Jüngling: "Hast du gesehen, wo ich hinfiel?" Der Jüngling sagte: "Ja, das sah ich." Die Frau sagte: "Das war das Haus, nach dem du fragtest."

Der Jüngling fragte die Frau: "Kannst du mir eine sehr schlaue Frau in dieser Stadt sagen ?" Die Frau sagte: "Hier ist ein jüdischer Silberschmied in der Stadt. Dessen Frau ist die Schlaueste der Stadt. Bei dem Juden verkehren viele Leute." Der Bursche sagte: "Das wird der rechte Verkehr für mich sein."Gegen Abend ging der Jüngling in den Laden des Silberschmieds. Er setzte sich da in eine Ecke. Eine Menge Menschen kamen, erzählten, unterhielten sich und gingen. Der Jüngling sprach nicht mit den andern. Als es aber Abend war, erhob er sich, legte einen Beutel mit fünfhundert Duro auf den Tisch des Juden und ging.

Am andern Tage kam der Jüngling wieder in den Laden des jüdischen Silberschmieds, setzte sich ohne zu sprechen in seine Ecke und legte, als er abends ging, seinen Beutel mit fünfhundert Duro auf den Tisch. Und in der gleichen Weise kam und ging der Jüngling mehrere Tage hintereinander im Laden des jüdischen Silberschmieds aus und ein. Eines Tages sagte der Jude zu seiner Frau: "Jeden Tag kommt ein Jüngling zu mir, setzt sich in eine Ecke und spricht nicht. Wenn er aber geht, so läßt er mir stets einen Beutel mit fünfhundert Duro zurück." Die Frau sagte: "Wenn er morgen wiederkommt, so lade ihn zum Abendessen ein." Am andern Tage kam der Jüngling wieder, setzte sich still und ohne ein Wort zu sagen in eine Ecke und legte, als er ging, einen Beutel mit fünfhundert Duro auf den Tisch des Juden nieder. Der Jüngling wollte gehen. Der Jude sagte: "Bleibe, und iß bei mir heute zu Abend." Der Jüngling blieb. Der Jude führte ihn in seine Wohnung und lud ihn ein, am Essen teilzunehmen. Nach dem Essen fragte die Frau des Juden den Jüngling: "Was führt dich



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in diese Stadt, und weshalb gibst du meinem Mann jeden Tag fünf.. hundert Duro, ohne zu sagen für welchen Zweck?"

Der Jüngling sagte: "Ich möchte gern in das Haus der Mija-dsjn-usin gelangen." Der Jude sagte: "Hättest du mein rechtes Auge verlangt, das hätte ich dir gegeben. Aber das, was du verlangst, ist zu schwierig." Die Frau des Juden sagte: "Weshalb ist es zu schwierig? Es ist gar nicht schwer. Macht eine lange Kiste, in der der Jüngling Platz hat. Darauf stellt eine Gazelle aus Silber und Gold dar. (Eine solche Einrichtung heißt: Thithertirth-elphthaz.) Laßt das in der Stadt herumtragen und für tausend Goldstücke ausbieten. Niemand wird es kaufen können, außer dem reichen Agelith. So kommt der Jüngling in das Haus!"

Am andern Tage stellte der Jude die Kiste mit der Antilope aus Gold und Silber her. Der Jüngling legte sich hinein. Die Kiste wurde in der Stadt umhergetragen. Die Kiste mit der Antilope wurde ausgeboten. Keiner konnte sie kaufen. Der Agelith hörte davon. Er ließ sie bringen. Er besah sie. Er kaufte sie für tausend Duro. Die Kiste mit dem Jüngling stand nun im Hause des Agelith.

Eine Negerin brachte der Mija-dsin-usin jeden Tag das Essen in das Zimmer unter der Erde. (Der Name solchen Raumes ist Thtuthmuth.) Die Negerin brachte an diesem Tage der Mija-dsin-usin das Essen. Das Mädchen lag auf ihrem Lager. Am Fußende des Lagers stand eine silberne Lampe, am Kopfende eine goldene Lampe. Mijadsin-usin schlief. Als die Negerin mit dem Essen hereintrat, wachte Mija-dsin-usin auf und sagte: "Was gibt es Neues im Hause?" Die Negerin sagte: "Dein Vater hat Thithertirth-elphthaz gekauft.' Mija-dsin-usin sagte: "Ihr erlebt alle Tage etwas. Mein Vater kann alle Tage in die Stadt gehen und die Natur sehen. Ich aber bin seit meiner Kindheit im Thtuthmuth eingeschlossen und sehe nichts als die goldne Lampe oben und die silberne Lampe unten an meinem Lager." Mija-dsin-usin weinte. Die Negerin ging zu dem Agelith und sagte ihm: "Deine Tochter weint, weil sie nichts von der Welt sieht. Ich habe ihr gesagt, daß du Thithertirth-elphthaz gekauft hast." Der Agelith sagte: "Stellt Thithertirth-elphthaz in die Kammer meiner Tochter. Es wird sie freuen."

Die Leute brachten Thithertirth-elphthaz in das Zimmer Mijadsin-usins. Mija-dsin-usin freute sich darüber. Sie freute sich den Tag über. Als es Abend wurde, schlief sie ein. Die Negerin brachte das Essen. Mija-dsin-usin schlief. Als die Negerin gegangen war, kam der Jüngling aus der Kiste hervor, aß ein wenig von dem Essen



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des schönen Mädchens und stellte die goldne Lampe an das Fußende Und die silberne an das Kopfende des Lagers. Dann legte er sich Wieder in die Kiste. Nach einiger Zeit erwachte Mija-dsin-usin und Wollte essen. Sie sah, daß jemand von ihrem Essen genossen hatte. Sie sah, daß die silberne Lampe am Kopfende und die goldne am Fußende ihres Bettes standen. Sie lief zu ihrer Mutter und erzählte ihr, was sich ereignet hatte. Die Mutter sagte: "Morgen bringe ich dir das Essen selbst." Am andern Tage brachte die Mutter das Essen. Als sie in das Zimmer kam, fand sie Mija-dsin-usin eingeschlafen. Sie ließ Mija-dsin-usin schlafend zurück.

Als Mija-dsin-usin erwachte, fand sie, daß wieder jemand von ihrem Essen gegessen und ihre goldne und silberne Lampe umgewechselt hatte. Mija-dsin-usin betrachtete den Thithertirth-elphthaz von allen Seiten und sagte nichts. Am nächsten Abend legte sie sich auf das Lager und schloß die Augen; sie schlief aber nicht. Sie wachte und sah, wie der Jüngling vorsichtig aus der Kiste stieg, ein wenig von ihrem Essen genoß, die goldne Lampe vom Kopfende nahm und an das Fußende stellte und die silberne vom Fußende nahm und an das Kopfende stellen wollte. Da sprang aber Mija-dsin-usin auf und hielt den Jüngling fest und sprach: "Wer bist du und was willst du?" Der Jüngling sagte: "Wie du die Tochter eines Agelith bist, so bin ich der Sohn eines Agelith. Ich bin gekommen, dich zu sehen und zu heiraten."Mija-dsin-usin war über die Maßen glücklich. Sie aß mit dem Jüngling zusammen und plauderte mit ihm. Der Jüngling schlüpfte nur in die Kiste, wenn die Negerin kam.

Sieben Tage weilte der Jüngling bei Mija-dsin-usin. Dann sagte er: "Ich habe hier meinen Neger und mein Pferd im Orte. Ich will mich nach beiden umsehen und dann zu deinem Vater gehen und ihn bitten, daß er dich mir zur Frau gibt." Mija-dsin-usin sagte: "Wie willst du aber wieder aus dem unterirdischen Raum herauskommen, ohne daß es jemand merkt?" Der Jüngling sagte: "Ich will vom Thithertirth-elphthdz einen Fuß abbrechen. Ich lege mich wieder in die Kiste. Du weinst und läßt deinen Vater bitten, daß er die Kiste zum Silberschmied schickt und wieder herstellen läßt."

Der Jüngling legte sich in die Kiste. Mija-dsin-usin weinte als die Negerin kam und sagte: "Thithertirth-elphtház hat einen Fuß verloren. Kann man das wieder herstellen ?" Die Negerin lief zum Agelith und sagte: "Deine Tochter weint; sie hat Thithertirth-elphthdz liebgewonnen und nun ist ein Fuß abgebrochen. Kann man das wiederherstellen?" Der Agelith sagte: "Meine Tochter Mija-dsinusin



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soll deswegen nicht weinen. Schickt Thithertirth-elphthaz wieder zu dem jüdischen Silberschmied, der soll das Zerbrochene wieder ganz machen."

Die Leute kamen, holten Thithertirth-elphtház und brachten es zum jüdischen Silberschmied. Bei dem Silberschmied stieg der Jüngling aus dem Kasten und ging zu der Frau, bei der er sein Pferd und seinen Neger zurückgelassen hatte. Er bestieg sein Pferd und ritt an das Haus des Agelith. Er ging in das Haus des Agelith hinein. Der Agelith saß auf einer Matte (thagathilt). Der Agelith stand auf, um den schönen Jüngling zu begrüßen.

Der Jüngling nahm neben dem Agelith auf der Matte Platz. Der Jüngling sagte: "Ich bin gekommen, dich um deine Tochter zu bitten. Ich will sie heiraten." Der Agelith sagte: "Ich habe keine Tochter." Der Jüngling stand auf und sagte: "Du hast eine Tochter; sie heißt Mija-dsin-usin. Wenn du aber deine Tochter nicht geben willst, so wisse, ich bin Agelith wie du und gehe dann in Unfrieden." Der Agelith sagte: "Wo ist denn meine Tochter ?" Der Bursche sagte: "Mija-dsin-usin lebt im Thtuthmuth unter der Matte, auf der du sitzt." Der Agelith sagte: "Siehe dort die zwei Säcke voll Eisen. Wenn du sie heben und rückwärts über deine Schulter werfen kannst, will ich dir meine Tochter zur Frau geben." Der Jüngling nahm die beiden Säcke voll Eisen hoch und warf sie über seine Schulter.

Der Agelith sagte: "Ich sehe, daß du ein starker Mann bist. Dort drüben liegt eine Stadt. Da wohnt mein Feind. Bekämpfe und töte ihn, und ich will dir meine Tochter zur Frau geben." Der Jüngling sagte: "Das will ich tun." Er ging. Er rief seinen Neger. Er ritt zu dem Ort des feindlichen Agelith. Er ließ ihn zum Kampfe herausg rufen. Er bekämpfte und tötete ihn. Er zerstörte den feindlichen Ort und kehrte zurück.

Darauf gab ihm der Agelith seine Tochter Mija-dsin-usin zur Frau. Er feierte ein großes Fest. Nach dem Feste bat der Jüngling den Agelith, mit seiner Frau in seinen Ort zurückkehren zu dürfen. Der Agelith sagte: "Dein Wunsch ist berechtigt, ich werde euch begleiten." Der Jüngling kehrte mit seiner jungen Frau und seinem Schwiegervater heim. Der Schwiegervater blieb sieben Tage bei ihm.

Nach sieben Tagen sagte der Schwiegervater zu dem jungen Age.. lith: "Ich will nun heimkehren; leihe mir ein Pferd!" Der junge Agelith sagte: "Wir haben mehrere gute Pferde; wähle dir eines aus." Der Schwiegervater sagte: "Ich möchte nur auf einem Pferd reiten. Leihe mir das Pferd Imthura-thathu-imgura-derbarak!"Der



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junge Agelith ließ es bringen. Der Schwiegervater bestieg das Pferd, dessen Vorderbeine so schnell wie der Wind und dessen Hinterbeine So schnell wie der Blitz waren. Er nahm von seinem Schwiegersohne Abschied. Er rief Mija-dsin-usin heran und sagte: "Reiche mir noch einmal zum Abschied die Hand!" Mija-dsin-usin trat heran. Ihr Vater ergriff ihre Hand und sagte: "Meine Tochter Mija-dsin-usin, sei deinem Gatten stets eine gute Frau und bleibe mir noch mehr eine gute Tochter." Dann riß der Vater seine Tochter Mija-dsin-usin schnell auf das Pferd, dessen Vorderbeine schnell wie der Wind und dessen Hinterbeine schnell wie der Blitz waren und ritt mit seiner Tochter davon. Alle Leute schrien. Es gab aber nirgends ein Pferd, das so schnell wie Imthura-thathu-imgura-derbarak war, und so konnte man den Agelith und seine Tochter nicht wieder einholen.



***
Der junge Agelith war so traurig, daß er sich nicht mehr die Haare und den Bart scheren ließ. Er dachte an nichts, als an Mijadsin-usin und sprach mit keinem Menschen. Er sprach mit niemand und hatte an nichts mehr Freude.

Eines Tages ließ er sich aber ein Pferd bringen. Er nahm sein Schwert um und zog aus, um Mija-dsin-usin zurückzuerobern. Der junge Agelith ritt von dannen. Er ritt weit fort. Eines Tages kam er an eine weite Steppe. Er stieg ab und band sein Pferd an. Er sah um sich. Er sah auf der Steppe zwei Tauben (ithbirren; Sing. ithbirth). Er sah einen Hirten. Der Jüngling fragte den Hirten: "Was hütest du denn hier ?" Der Hirte sagte: "Ich hüte die beiden Tauben." Der Jüngling sprang auf die eine Taube zu und haschte sie. Er ergriff sie. So wie er sie ergriffen hatte, hatte er Mija-dsin-usin und seinen Schmerz (lechara[ch]; Trauer =lichelar) vergessen.

Der junge Agelith kehrte fröhlich nach Hause zurück.



52. Lachia und Delesim

Ein Agelith, der der Herr aller andern Ageliths war, hatte einen einzigen Sohn, den hatte er Lachia genannt. Er war der reichste aller Ageliths und hatte unter anderm in dem Garten seiner Fruchtbäume sieben Thaserapht (künstliche Silos, Erdställe, künstlich ausgebaute Kellerräume) voll Gold. Dieses Gold besah er von Zeit zu Zeit. Er hatte Wächter über diesen Garten gesetzt, die sollten



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auch sehen, daß die Goldgruben unangetastet blieben, denn das Gold war das Mittel seiner Macht.

Eines Tages bemerkte nun der Agelith, daß das Gold in den Gruben abnahm. Er rief seinen Sohn herbei, der gerade erwachsen war und sagte zu ihm: "Mein Sohn Lachia, komm mit mir." Er führte den Sohn in den Garten, zeigte ihm die Goldgruben und sagte zu ihm: "Mein Sohn Lachia, das ist das Gold, mit dem ich die andern Ageliths beherrsche. Seit einiger Zeit bemerke ich, daß der Inhalt abnimmt. Ich traue meinen Wächtern nicht. Deshalb sollst du von heute an der Herr über diesen Garten, alles, was er an Früchten hervorbringt und was er in seiner Erde birgt, sein. Wache du selbst über ihn und denke daran, daß ich dir den Namen Lachia gegeben habe, damit ich mich nämlich niemals deiner zu schämen brauche." Lachia sagte: "Mein Vater, ich werde meinen Namen ehrlich machen." Von nun ab blieb Lachia in dem Garten.

Lachia wohnte in dem Garten und wachte darüber, daß niemand die sieben Goldgruben jemals betrat. Wenn aber Leute kamen und um Früchte für sich als Arme oder für ihre Kranken baten, so gab er ihnen dann mit vollen Händen, und wenn sie dafür etwas bezahlen wollten, so wies er die Bezahlung zurück und sagte: "Mein Vater hat mich zum Herren des Gartens gemacht, er hat mir aber auch den Namen Lachia gegeben, damit ich die Ehre wahre, und schämen müßte ich mich, wenn ich für meinen Vater und mich, die wir so reich sind, etwas dafür nehmen würde, wenn Ärmere uns um einige Früchte aus dem Garten bitten. Ich will meinen Namen ehrlich machen." So verschenkte er denn ein Jahr lang von den Früchten fort, ohne jemals dafür Bezahlung zu nehmen.

Eines Tages war der Vater Lachias bei einem andern Agelith eingeladen und speiste bei diesem mit noch einem dritten Agelith. Nach dem Essen sprachen die drei Agelith über ihre Schätze. Der eine rühmte sich. Der zweite Agelith rühmte sich. Der große Agelith, der Vater Lachias, sagte: "Ich habe daheim mein gutes Gold. Dann habe ich in meinem Garten noch sieben Thaserapht mit Gold, die sich jährlich vermehren, da mein Garten reiche Früchte trägt und ich bei meinen sonstigen Einnahmen den Erlös noch sparen kann." Die andern beiden Ageliths waren sehr erstaunt, solche Worte ZU hören und fragten: "Können wir den Garten und die sieben Thaserapht einmal sehen?" Der Vater Lachias sagte: "Kommt mit mir und seht euch alles an. Der Garten ist in besten Händen, denn mein Sohn Lachia wacht über ihn."



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Alle drei Agelith kamen in den Garten. Der große Agelith begrüßte seinen Sohn Lachia und sagte: "Zeige uns, was du in diesem Jahre an Gold eingenommen hast." Lachia sagte: "Was ich an Gold eingenommen habe? Was soll ich an Gold eingenommen haben? Ich habe gesorgt, daß aus den sieben Goldgruben nichts fortkam. Aber wie soll ich denn Gold eingenommen haben?"Der Vater sagte: "Der Garten trägt doch viele Früchte. Du kannst doch die Früchte nicht alle allein gegessen, wirst sie ja wohl auch nicht haben verfaulen lassen. Du mußt die Früchte doch also verkauft und dafür viel eingenommen haben."

Lachia sagte: "Du hast sehr recht, mein Vater, der Garten hatte viele und reichlich Früchte getragen. Ich habe sie auch weder allein gegessen noch verfaulen lassen. Ich habe sie aber nicht verkauft, sondern an Arme und kranke Leute verteilt. Wir sind so reich, daß ich mich geschämt hätte, von diesen Geld dafür zu nehmen. Ich habe das getan, was du von mir verlangt hast. Ich habe meinen Namen ehrlich gemacht. Wenn du es anders gedacht hast, mein Vater, dann hast du mir einen Namen gegeben, der zu teuer ist." Der Vater sagte: "Wenn du so stolz bist, mein Sohn, so sollst du diesen Garten, mit dem was darin ist, als Erbteil erhalten. Mache damit was du willst, mehr gebe ich dir nicht."

Die drei Agelith gingen. Der große Agelith ritt seinen Weg. Die andern beiden nahmen ihren Weg und sprachen untereinander. Der eine sagte: "Hast du den Streit zwischen dem Vater und dem Sohne gehört?" Der andere sagte: "Ich habe ihn gehört. Der Sohn ist augenscheinlich ein Verschwender und der Vater wird nichts mehr an ihn wenden." Der eine sagte: "So ist es, und die sieben Thaserapht mit Gold werden auch schon leer sein." Der andere sagte: "So ist es. Mit dem Burschen wird es sicher ein schlimmes Ende nehmen. Ich würde ihm jedenfalls, wenn er sie haben wollte, meine Tochter nicht zur Frau geben."

Lachia sagte inzwischen bei sich: "Mein Vater hat über mich und mein Besitztum entschieden. Nun werde ich einmal sehen, was daran ist." Lachia ging in den Garten und öffnete die Thaserapht; einen nach dem andern. Er sah, daß sie von oben bis unten gefüllt mit Gold waren. Er betrachtete alles und ging dann wieder in den Garten. Er ließ nun Leute kommen und sich mitten im Garten ein großes Haus bauen, das wurde so groß und prächtig, wie damals überhaupt noch niemand ein Haus gebaut und eingerichtet hatte. Lachia warb sich gute Leute an und wurde bald im ganzen Lande ein angesehener Mann.



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Der eine der beiden Agelith, die dem Streit zwischen dem Vater und dem Sohne zugehört hatten, hatte daheim eine Tochter, die hieß Schumischa (Aprikose; ganzer Name Schumischa-bel-hetal = aussieht wie Aprikose), die war so schön wie die Sonne. Als ihr Vater nach Hause kam, erzählte er ihr: "Der große Agelith hat einen einzigen Sohn, der heißt Lachia. Er ist ein sehr schöner Bursche; sein Vater hat ihn über seinen Garten und seine Goldgruben gesetzt. Lachia hat aber so viele Wohltaten den Menschen erwiesen, daß von allem nichts mehr übrig ist, und nun hat der Vater ihm den Garten geschenkt und sonst enterbt." Schumischa-bel-hetal hörte das.

Dann ging Schumischa in ihre Kammer und befragte das Orakel (agethän; Orakelfrager = igethellen; das Orakel selbst = tigethin). Da erkannte sie, daß dieser Lachia ihr zukünftiger Gatte sei. Schumischa sagte: "Ich muß meinen zukünftigen Gatten sehen. Wie kann ich dies erreichen, ohne daß Lachia mich erkennt. Ich werde mit dem Gärtner zusammen zu Lachia reiten." Der Gärtner war nämlich Schumischa so ähnlich, als wenn beide den gleichen Vater und die gleiche Mutter gehabt hätten.

Schumischa ging zu ihrem Vater und sagte: "Ich bitte dich, laß mich einmal für einige Tage die Welt betrachten. Ich will, damit mir nichts geschieht, als Mann verkleidet reiten. Der Gärtnerbursche, der mir so ähnlich ist, soll dann als mein Bruder gelten und wird mich beschützen. Gib uns bitte zwei graue (azigthau; NB. die Leute übersetzen merkwürdigerweise dies Wort im Französischen durchweg mit grün) Pferde, zwei gleichfarbige Kleider, sieben Neger, sieben Kamele und reichlich Gold." Der Vater war damit einverstanden. Schumischa und der Gärtnerbursche zogen beide gleiche Kleider an, bestiegen gleichfarbige Pferde und ritten vor dein Zuge her. Schumischa schlug, als sie aus der Sicht des Hauses ihres Vaters war, den Weg auf den Garten Lachias zu ein.

Eines Tages sah Lachia von seinem Hause aus in der Ferne Staub aufsteigen. Es war der Staub von Reitern. Lachia rief seine Leute zusammen und sagte: "Ich weiß nicht, ob mein Vater nicht im Zorne über mich Feinde gegen mich aufgehetzt hat. Jedenfalls sollt ihr diesen Reitern dort entgegenreiten. Wenn die Staubwolke dann anhält, dann weiß ich, daß ihr im Kampfe liegt und ich komme euch sogleich zur Hilfe. Kommt die Staubwolke aber ungestört immer näher, so ersehe ich daraus, daß es Freunde sind, die da kommen und werde sie im Hause empfangen."

Die Diener Lachias kamen dem Zuge Schumischas entgegen. Die



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Diener fragten: "Wie kommt ihr ?" Die Leute Schumischas sagten: ,Wir kommen als sich Einladende." Die Diener Lachias sagten: ,Seid uns willkommen." Sie ritten zusammen auf das große Haus zu. Lachia sah die Staubwolke ungestört näher kommen. Er sagte: ,Rüstet euch, es kommen Freunde." Er bestieg ein Pferd. Er ließ die Musik spielen. Er ritt dem Zuge entgegen. Er sah die als Mann verkleidete Schumischa. Er erstaunte über ihre Schönheit. Schunischa sah Lachia. Sie erstaunte über Lachias Schönheit.

Schumischa sah die Schönheit des Hauses. Sie sah die Schönheit, die Stärke und die Güte Lachias. Sie begrüßte Lachia im Herzen und liebte ihn. Schumischa getraute sich nicht, sich Lachia zu offenbaren. Sie ging mit Lachia durch den Garten und sah alle Schönheit. Schumischa aß mit Lachia zur Nacht. Sie getraute sich aber nicht, sich Laehia zu offenbaren. Sie wollte Laehia das Gold bringen, das sie auf ihren Kamelen hatte. Wie erstaunte sie, daß er noch viel mehr Gold hatte. Und sie getraute sich noch weniger, sich Lachia zu offenbaren. Sie schlief im Hause Lachias. Sie erwachte am Morgen und sagte: "Wenn ich Lachia sage, daß ich nicht ein Mann, sondern Schumischa-bel-hetal bin, wird er mich umarmen und ich werde mich nicht wieder von ihm losreißen können. Ich werde dann bei ihm bleiben und glücklich sein. Aber nur kurze Zeit. Denn bald wird mein Vater kommen und wird uns beide töten. Nein, ich darf mich Lachia nicht offenbaren. Ich werde ihm nur nach der Klugheit der Frauen eine Nachricht hinterlassen."

Schumischa schnitt sich ein Stück aus ihrem Schuh. Schumischa schrieb Zeichen auf das Leder und sagte damit: "Ich bin die, die du heiraten wirst. Ich erwarte dich innerhalb eines Jahres. Wenn du aber in dieser Zeit nicht kommst, wird mein Vater mich zwingen, einen andern Mann zu heiraten. Einen Tag später als ein Jahr, und mein Vater wird mich vergeben haben." Das zeichnete Schumischa auf das Schuhleder und legte es mitten auf den Boden der Kammer, in der sie schlief. Dann nahm sie ganz früh eiligen Abschied und ritt von dannen.

Schumischa kam zu ihrem Vater zurück. Schumischa sagte zu ihrem Vater: "Mein Vater, gewähre mir ein Jahr lang, einen Mann nach meinem Wunsche zu wählen. Wenn ich in diesem Jahr nicht einen solchen Mann finde, so will ich den zum Manne nehmen, den du mir verschreibst." Der Vater sagte dies Schumischa zu.

Als Schumischa das Haus Lachias verlassen hatte, kam ein Diener Lachias in Schumischas Kammer. Er fand das Stück Leder, steckte



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es in das Holz der Wand, um es nachher Lachia zu geben, weil er sah, daß Zeichen darauf waren. Er vergaß es aber über andern Dingen, und die Zeichen Schumischas blieben unbeachtet in der Holzwand der Kammer.

Inzwischen hatten die Leute gehört, daß Schumischa sich im kommenden Jahre einen Gatten erwählen wollte. Es kamen von allen Seiten Söhne der Agelith und warben um die Hand Schumischas. Auch Laehia hörte es, aber er sagte bei sich: "Seitdem der schöne Jüngling bei mir zu Gaste war, habe ich kein Herz mehr für Frauen. Möchte doch der Jüngling wiederkommen und als mein Bruder bei mir wohnen bleiben. Dann würde mich das mehr erfreuen, als eine schöne Frau. Es wird genug Agelithsöhne geben, die um Schumischa werben und ihr gefallen. Ich bleibe daheim." So blieb Lachia in seinem Hause und vergeblich blickte Schumischa sich um, ob sie unter den Bewerbern nicht endlich Lachia finden würde.

Schumischa saß mit dem Apfel in der Hand an ihrem Fenster und blickte auf die kommenden und gehenden Agelithsöhne herab. Sie warf aber keinem den Apfel zu. Als das Jahr sich dem Ende näherte, war der Vater Schumischas ärgerlich und sagte: "Meine Tochter Schumischa, du machst uns lächerlich. Du hast gesagt, du wolltest deinen Gatten in einem Jahre auswählen. Nun sind alle Söhne der Agelith gekommen und warten auf deine Entscheidung. Wenn du dich nicht in wenigen Tagen entschließt, werde ich dir den als Gatten bestimmen, der mir geeignet erscheint." Schumischa sagte: "Du hast recht, mein Vater, es ist meine eigne Schuld."

Der Sohn eines Agelith hatte Schumischa gesehen. Er ging zu seinem Vater und sagte: "Dieses Mädchen muß ich gewinnen. Mein Vater tu, was du tun kannst. Geh zu Schumischas Vater und biete ihm, was er verlangt. Und wenn Schumischa und ihr Vater nicht im Guten zustimmen, so sage, daß wir es mit Gewalt versuchen wollen." Der Vater sah, daß sein Sohn aus Sehnsucht nach Schumischa schon ganz krank war. Er sagte: "Mein Sohn, was ich machen kann, werde ich machen."

Der Agelith kam zu dem Vater Schumischas und sagte: "Was ver.. langst du, daß geschehe, damit mein Sohn deine Tochter Schumischa heiraten kann?" Der Vater Schumischas sagte: "Nachdem einige Zeit verstrichen ist, werde ich sie dem zur Frau geben, der Schu. mischa mit Gold aufwiegt." Der andere Agelith sagte: "Was du für deine Tochter Schumischa verlangst, ist nicht so entscheidend. Ich will dir nur sagen, daß ich deine Tochter für meinen Sohn fordere.



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Ob wir sie nun mit Gewalt oder mit Gold gewinnen, das ist uns gleichgültig. Das lange Hinausschieben ist nicht gut."

Der Vater Schumischas erschrak; er sagte zu dem Agelith: "Schumischa hat sich eine Bedenkzeit von einem Jahre ausbedungen. In zwanzig Tagen wird diese Frist abgelaufen sein. Dann soll dein Sohn meine Tochter zur Frau haben. Ich verspreche es dir." Der andere Agelith sagte: "Hieran werde ich mich halten." Er ging zu seinem Sohne und sagte diesem, was er mit Schumischas Vater besprochen habe.

Inzwischen verging die Zeit. Die letzten zwanzig Tage verstrichen auch. Bis auf einen. Ein Tag fehlte noch, dann war das Jahr verstrichen, an dem Schumischa ihr Zeichen auf das Schuhleder geschrieben und in ihrer Kammer bei Lachia niedergelegt hatte. Lachia sagte zu seinem Diener: "Morgen wird ein Jahr verstrichen sein, daß der schöne Jüngling von uns Abschied nahm. Es ist eigenartig, daß er nie wieder eine Nachricht gesandt hat."

Dem Diener fiel das Schuhleder ein, das er damals in Schumischas Kammer gefunden und wegen der darauf gezeichneten Striche in das Holz der Wand gesteckt hatte. Der Diener sagte: "Vielleicht bedeuten die Zeichen auf einem Stück Leder, das ich in der Kammer fand, etwas." Lachia sagte: "Was für Zeichen? Schnell, zeige sie mir." Der Diener ging und brachte dies Lederstück herbei. Lachia sah das Leder. Laehia betrachtete das Leder einige Zeit. Lachia sagte: "Also war dies doch ein Mädchen und deshalb bleiben mir alle Mädchen gleich. Dies war also Schumischa, die sich bis morgen Bedenkzeit ausbat. Es ist noch ein Tag Zeit. Wenn ich aber einen Tag zu spät komme, so werde ich dem Mann, dem sie der Vater gab, den Krieg erklären."

Lachia ließ die Pferde aus dem Stall bringen. Lachia lud vier Kamele voll Gold. Lachia rief seine Diener, gürtete das Schwert um, bestieg sein Pferd und ritt von dannen, um Schumischa zur Gattin zu gewinnen.

Lachia war schon ein gutes Stück weit mit seinem Zuge geritten, da traf er in einer Ortschaft viele Menschen beieinander und in deren Mitte einen Mann, der war sehr schön, aber er war mit Stricken gebunden. Das war Delesim, den ein harter Agelith töten lassen wollte, weil er sich vor Delesims Stärke fürchtete. Lachia sah die Männer mit Messern und Schwertern herbeikommen, um sich auf den schönen Delesim zu stürzen.

Lachia fragte: "Weshalb wollt ihr diesen Mann töten ?" Die Leute



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sagten: "Was dieser Mann getan hat, hat noch nie ein Mann vorher getan." Lachia fragte: "Was hat er denn getan ?" Die Leute sagten: "Dieser Delesim hat den Agelith vor allem Volke einen goldgierigen, rachsüchtigen und furchtsamen Feigling genannt. Deshalb soll er getötet werden." Laehia fragte Delesim: "Weshalb hast du das zu dem Agelith gesagt?" Delesim sagte: "Weil es die Wahrheit ist."

Laehia sagte: "Dieser Delesim soll nicht getötet werden, wenn er die Wahrheit gesprochen hat. Geht schnell hin zu dem Agelith und sagt ihm: Lachia hat die Stricke durchschnitten, mit denen du Delesim gefesselt hast. Lachia will nicht, daß du Delesim tötest. Wenn du von Lachia Gold nehmen willst, so wird er dir das Gewicht Delesims in Gold geben. Willst du dies aber nicht, so beginne mit Laehia den Krieg." Lachia schnitt die Stricke durch, mit denen Delesim gebunden war.

Die Leute gingen zu dem Agelith und sagten zu ihm: "Wir wollten Delesim nach deinem Befehl töten. Da kam Lachia und schnitt die Stricke durch, mit denen er gebunden ist. Lachia sagte, er wolle nicht, daß Delesim getötet werde. Lachia will dir das Gewicht des Delesim in Gold geben, oder mit dir um Delesim Krieg führen. Sage nun, wie du entscheidest." Der Agelith erschrak und sagte: ,Nehmt das Gewicht in Gold und laßt Delesim ziehen." Die Leute kamen zurück. Sie berichteten. Lachia ließ das Gewicht Delesims wiegen. Er nahm so viel Gold von seinen Kamelen, als dieses Gewicht betrug und gab es den Leuten des Agelith. Dann ritt Lachia mit Delesim und seinen Leuten weiter.

Sie waren ein Stück weit geritten, da sagte Delesim: "Dies dort ist mein Haus."Lachia sagte: "So hast du noch Vater und Mutter?" Delesim sagte: "Ja, ich habe noch Vater und Mutter."Laehia sagte: "So kehre heim!" Delesim nahm Abschied und ritt in das Haus. Seine Eltern begrüßten ihn und sagten: "Du bist nicht getötet?" Delesim sagte: "Nein, ich bin nicht getötet, weil mich ein großer und starker Mann um Gold oder Krieg von unserm geizigen und feigen Agelith abgefordert hat. Der hat mich ihm gegeben." Der Vater sagte: "Wir müssen ihm danken. Schnell, reite ihm nach und bitte ihn, in unser Haus zu kommen."

Delesim bestieg wieder sein Pferd und ritt hinter Laehia her. Er erreichte Laehia und sagte: "Mein Vater bittet dich, bei ihm einzutreten, damit er dir danken kann." Lachia sagte: "Wenn ich damit ein Bedürfnis des Herzens deines Vaters erfülle, so will ich es



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tun." Delesim sagte: "Ich bitte dich darum."Laehia kehrte zurück. Der Vater Delesims kam ihm entgegen. Er begrüßte Lachia.

Der Vater Delesims hatte einen Hammel geschlachtet. Es wurde ein Abendessen bereitet. Der Vater Delesims sagte: "Bleibe zur Nacht." Lachia sagte: "Ich muß schnell in die Stadt Schumischas. Ich muß dort ankommen, ehe sie ihren Gatten heiratet." Der Vater Delesims sagte: "So reite! Mein Sohn Delesim wird dir den Weg zeigen." Der Vater Delesims sagte zu seinem Sohne: "Mein Sohn, du reitest natürlich mit Lachia und du schützest Lachia. Denn du verdankst ihm das Leben mehr als mir. Merkt euch aber eine Sache: Ihr dürft nicht übernachten neben einem See (amereisch) zwischen zwei Flußarmen oder auf einem Hügel." Laehia und Delesim nahmen Abschied und ritten mit den Leuten fort.

Als es Nacht war, kamen sie an einen See. Lachia sagte: "Hier wollen wir übernachten." Delesim sagte: "Mein Vater hat uns davor gewarnt, an einem See zu übernachten." Laehia sagte: "Ich bin müde. Wir wollen hier übernachten." Die Leute schlugen die Hütten auf. Lachia und Delesim aßen zu Abend. Laehia legte sich auf sein Lager und schlief ein.

Delesim wachte. Als es Mitternacht war, kam Lephaa, der Drache. Der Drache kam an die Zelte heran und spie sein Feuer aus. Das Feuer brannte durch die Hütte und ergriff das Kleid Lachias. Delesim trat aber das Feuer aus, sprang aus dem Zelte und schlug mit einem Schlage den Kopf des Drachens ab. Den Kopf steckte er in seine Tasche. Delesim sagte bei sich: "Wenn Lachia morgen früh erwacht, könnte er bei dem Anblick der Leiche des Drachen erschrecken." Er nahm die Hütte, in der Laehia schlief und trug sie ein Stück weiter fort in die Ebene.

Am andern Morgen erwachte Lachia, trat aus der Hütte und sagte: "Wir haben doch gestern abend unsere Hütte am Ufer des Sees aufgeschlagen gehabt." Delesim sagte: "Du warst gestern abend sehr müde."Lachia sah die verbrannten Stellen seiner Kleider und sagte: "Wie kommt es, daß mein Kleid verbrannt ist?" Delesim sagte: "Vielleicht bist du im Schlafe dem Feuer zu nahe gekommen."

Lachia, Delesim und ihre Leute zogen den Tag über weiter. Als es Abend war, kamen sie auf ein Landstück, das lag zwischen zwei Flüssen. Lachia sagte: "Hier wollen wir unsere Hütte aufschlagen." Delesim sagte: "Mein Vater hat uns gewarnt, wir möchten nicht auf einem Landstück zwischen zwei Flüssen übernachten."Laehia sagte: "Dein Vater hat uns auch gewarnt, wir sollen nicht an einem See



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übernachten. Wir haben es gestern doch getan. Wer hat uns da nun getötet?" Delesim sagte: "Es hat uns niemand getötet." Lachia sagte: "Dann wollen wir hier unsere Hütte aufbauen. Ich bin müde. Wir wollen hier schlafen." Darauf wurde das Lager aufgeschlagen. Lachia legte sich in die Hütte und schlief ein.

Delesim schlief nicht. Delesim wachte. Als es Mitternacht war, begannen die Flüsse zu steigen. Sie stiegen so hoch, daß das Wasser in die Hütte lief und Lachias Kleid anfeuchtete. Das Wasser stieg weiter. Da ergriff Delesim die Hütte und Lachia und alle Sachen und trug sie über den einen Fluß in das Land hinein.

Am andern Morgen erwachte Laehia, trat aus der Hütte und sagte: "Wir haben doch gestern die Hütte zwischen zwei Flüssen aufgeschlagen ?" Delesim sagte: "Du warst gestern abend sehr müde." Lachia sah, daß sein Kleid naß war und sagte: "Wie kommt es, daß mein Kleid naß ist ?" Delesim sagte: "Vielleicht hat der Fluß uns weitergetragen als wir schliefen."

Sie brachen auf. Lachia, Delesim und die Leute wanderten den ganzen Tag. Als es Abend war, kamen sie an einen Hügel. Lachia sagte: "Auf diesem Hügel wollen wir übernachten." Delesim sagte: "Mein Vater hat uns davor gewarnt, auf einem Hügel zu übernachten." Lachia sagte: "Wir haben vorgestern an einem See und gestern zwischen zwei Flüssen übernachtet. Was hat es uns getan?" Delesim sagte: "Es hat uns nichts getan." Lachia sagte: "Dann wollen wir heute ruhig auf einem Hügel übernachten. Ich bin müde." Darauf schlugen die Leute die Hütte auf einem Hügel auf. Lachia legte sich auf sein Lager und schlief ein.

Delesim aber wachte. Als es Mitternacht war, kam ein Löwe auf den Hügel zu. Der Löwe war sehr hungrig. Der Löwe brüllte. Er brüllte, daß die Erde erbebte und die Hütte hochgeworfen wurde. Die Maulesel rissen sich los und rannten umher. Delesim wußte nicht, ob er die Maulesel bändigen oder die Hütte festhalten sollte. Er sprang aus dem Lager. Er zog sein Schwert, er lief auf den Löwen zu und schlug ihm den Kopf ab. Den Kopf des Löwen steckte er in seine Tasche. Dann machte er eine Grube und warf den Leib des Löwen hinein. Den Leib deckte er mit frischer Erde zu.

Am andern Morgen erwachte Lachia. Er trat aus der Hütte. Er sah die frische Erde und fragte: "Wie kommt diese frische Erde hierher. Ich habe sie gestern abend nicht gesehen."Delesim sagte: "Vielleicht hat in der Nacht hier ein Hund gescharrt."

Lachia und Delesim und ihre Leute brachen auf. Sie wanderten



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den ganzen Tag. Gegen Abend kamen sie zu der Stadt, in der der Vater Schumischas Agelith war. Sie fanden vor den Toren der Stadt einige leere Hütten. Sie stiegen ab und bereiteten in den Hütten ihr Lager. Die Leute liefen überall umher und waren sehr emsig. Delesim ging unter die Leute und fragte: "Was geht hier vor?" Die Leute sagten: "Schumischa-bel-hetal, die Tochter unseres Agelith, soll morgen abend heiraten. Es wird heute alles zum Fest vorbereitet."

Delesim sagte am andern Morgen: "Zeigt mir das Haus des Agelith!" Die Leute führten Delesim vor das Haus des Agelith und sagten: "Dies ist das Haus. Hier wohnt der Agelith mit seiner Tochter Schumischa. Dieser Neger bewacht das Haus." Vor dem Hause stand ein großer Neger, dessen eine Lippe hing bis auf die Brust herab, während er die andere über den Kopf auf den Rücken schlagen konnte. Delesim sagte zu dem Neger: "Laß mich vorbei, ich will zu Schumischa." Der Neger brüllte vor Zorn. Er sagte: "Du wagst es, mich, der ich der Stärkste bin, zu beleidigen ?" Der Neger zog sein Schwert. Er hatte die Kraft von neunundneunzig Männern. Delesim kämpfte mit ihm, bis es Nacht war. Alle Leute im Orte versteckten sich. Der Agelith und sein Schwiegersohn versteckten sich. Schumischa blickte zum Fenster hinaus und sagte: "Sicher ist dieser von Lachia gesandt." Als es Nacht war, hatte Delesim dem Neger die Unterlippe abgeschlagen. Kein Mensch dachte daran, die Hochzeit Schumischas zu begehen. Alle Leute hielten sich versteckt. Der Agelith sagte: "Wir werden die Hochzeit Schumischas um einen Tag verschieben müssen." Der Schwiegersohn sagte: "Es geht nicht anders."

Abends kam Delesim in die Hütte Lachias. Laehia sagte: "Was gibt es neues, mein Delesim ?" Delesim sagte: "Die Hochzeit Schumischas wird um einen Tag verschoben werden. Das ist alles. Ich werde morgen aber wieder in die Stadt gehen und nach dem Rechten sehen." Am andern Morgen ging Delesim wieder in die Stadt. Der Agelith hatte eine Frau in der Straße aufgestellt, die galt als das stärkste Geschöpf der Erde. Als die Frau Delesim kommen sah, stürzte sie auf ihn zu, um mit ihm zu kämpfen. Delesim schlug ihr aber eine Brust ab. Alle Leute erschraken. Alle Leute schrien. Der Agelith sagte: "Ich muß das Fest der Hochzeit Schumischas um noch einen Tag verschieben." Der Schwiegersohn sagte: "Ich sehe, es geht nicht anders."

Delesim ging inzwischen zu einem Juden und sagte: "Welches ist



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der beste Eingang in das Haus des Agelith ?" Der Jude (usäj oder uthäj; plur. uthajen) zeigte ihn und sagte: "An dieser Stelle hat der Agelith nur Neger als Wächter." Darauf kaufte sich Delesim eine großen Korb mit Bohnen und Kichererbsen (l'härnmäs), ging umher und rief: "Wer kauft Bohnen und Kichererbsen? Wer kauft Bohnen und Kichererbsen ?" Erging an dem Eingang des Agelithhauses, an dem die Neger Wache hielten, vorbei und rief: "Wer kauft Bohnen und Kichererbsen?" Sofort kamen die Neger herbeigelaufen (denn Bohnen und Kichererbsen sind die Lieblingsspeise der Neger) und riefen: "Komm hierher!" Delesim sagte: "Ihr sollt haber" Aber ihr seid wohl arme Kerle. Denn als Wächter des Agelith gewinnt ihr nicht so viel. Also nehmt nur alles. Ich schenke euch diesen ganzen Korb voll."

Die Neger aßen sogleich den ganzen Korb leer und wurden so satt, daß sie einschliefen. Darauf nahm Delesim den Schlafenden die Schlüssel ab und ging in das Haus des Agelith, öffnete die Tür zum Tarorfiz und trat in die Kammer Schumischas. Schumischa sagte: "Wer bist du? Wie bist du hierher gekommen?" Delesim sagte: "Ich bin der Diener Lachias und komme in seinem Auftrage." Schumisdha sagte: "Also ist Lachia gekommen? Was willst du nun von mir ?"Delesim sagte: "Ich will dich nur fragen, wann du von hier fort zu Lachia gehen willst." Schumischa sagte: "Ich möchte sogleich von hier fort und zu Lachia gehen; aber wie sollte das möglich sein ?" Delesim sagte: "Es ist möglich. Die Wächter an diesem Eingang des Hauses sind eingeschlafen. Nimm du nun meine Kleider und gehe getrost heraus. In der Hütte vor den Toren der Stadt triffst du Lachia. Ich werde inzwischen deine Kleider anziehen und an deiner Stelle hierbleiben."Schumischa nahm sogleich die Kleider Delesims. Sie nahm von Delesim Abschied und ging aus dem Hause ihres Vaters. Delesim aber blieb in den Kleidern Schumischas im Hause.

Am andern Tage veranstaltete der Agelith das Fest der Hochzeit seiner Tochter Schumischa. Delesim ward als Schumischa auf ein Pferd gesetzt und im Zuge des Sohnes des Agelith mit fortgeführt. Als der Zug eine Strecke weit vor der Stadt angelangt war, sprang Delesim auf seinem Pferd auf, warf die Kleider Schumischas beiseite und rief: "Seht, dieser angebliche Agelith führt einen Mann als Braut heim, während Schumischa, die wahre Braut mit dem wahren Agelith schon lange weggeritten ist!" Die Leute stürzten sich voll Zorn auf Delesim und wollten ihn auf der Stelle töten. Delesim sagte: "Wißt ihr denn, ob ich euch getäuscht habe? Wißt ihr denn,



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Ob es nicht vielleicht Schumischas Vater, der Agelith war, der mich an die Stelle der Braut gesetzt hat, um den Bräutigam zu täuschen?" bie Leute sagten: "Das ist schon möglich. Du aber hast dies mitgetan." Sie stürzten sich auf ihn, rissen Delesim vom Pferde, stachen ihm die Augen aus und warfen ihn in eine Erdgrube.

Lachia war mit seiner jungen Frau Schumischa nicht nach Hause gereist. Lachia und Schumischa sagten: "Wir werden in der Gegend bleiben und auf Delesim warten. Wir können ohne Delesim nicht nach Hause reiten." Sie zogen bis zum Rande eines Waldes und Schlugen ein Dorf auf. Sie nahmen da alle Kranken und Armen des Landes auf und pflegten sie. Sie sagten: "Vielleicht bedarf Delesim eines Tages unserer Guttat, und dann soll er sie schnell finden." bald wußten alle Leute im Lande, daß am Walde ein sehr schöner Mann mit seiner sehr schönen Frau ein Dorf aufgeschlagen hatte, in dem den Menschen nur Gutes getan wurde. Nach einem Jahre Ward Schumischa Mutter eines kleinen Knaben.

Delesim kroch blind aus seinem Loche. Er kroch an dem Wege hin, So gut er konnte. Delesim bettelte am Wege. Einige Vorübergehende gaben ihm etwas. Viele nicht. Delesim schlief unter den Bäumen und lebte von den kleinen Gaben der reisenden Leute. Delesim wurde immer kränker und schwächer. Er magerte ab und verlor seine ganze Kraft. Er ward nach einem Jahr so elend, daß er kaum noch die Kraft hatte, zu sprechen. Die Leute sahen ihn nicht mehr, und so lebte er nur noch von Kräutern.

Eines Tages kam ein Zug von Kaufleuten an der Stelle vorbei, an der Delesim im Graben lag und bettelte. Delesim hörte die Schritte ihrer Tiere. Delesim rief sie an. Seine Stimme klang aber heiser und nicht mehr wie die Stimme eines Menschen. Der eine von ihnen rief: "Kommt schnell, das war das Knurren eines Löwen." Sechs von den Kaufleuten ritten so schnell wie möglich von dannen.

Der siebente Kaufmann aber sagte: "Das kann nicht das Knurren eines Löwen gewesen sein." Er ritt an den Graben am Wege. Er fand Delesim. Er stieg ab und betrachtete Delesim und sah, daß es ein blinder und kranker Mann war, der nicht mehr weit vom Sterben war. Er fragte: "Wer bist du ?" Delesim sagte: "Ich bin ein Mensch wie du." Der Kaufmann sagte: "Du bist aber krank, ich weiß hier in der Gegend einen Mann, der mit seiner Frau nichts anderes tut, als Kranke und Arme versorgen. Ich werde dich zu ihm bringen.' Der Kaufmann setzte Delesim auf seinen Esel und brachte ihn in das Dorf Lachias am Waldrande.



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Der Kaufmann brachte Delesim in das Haus der Kranken. Schumischa sah ihn. Schumischa sah, daß es Delesim war. Schumischa sah, daß Delesim krank war. Schumischa wandte sich ab und weinte. Schumischa kam zurück zu Delesim und fragte: "Wie bist du um deine Augen gekommen?" Delesim sagte: "Ich habe als Diener meines Herrn die Stelle einer Frau eingenommen, damit diese zu meinem Herrn gehen und ihn glücklich machen konnte. Der junge Ehemann der Frau hat mir dann die Augen ausstechen lassen. Ich hoffe nur, daß mein Herr glücklich geworden ist." Schumischa weinte über Delesim und sagte: "Ja, das ist er."

Lachia und Schumischa nahmen von allen Armen und Kranken Abschied. Sie ließen ihnen viel Gold da, so daß sie keine Sorge mehr hatten und zogen dann mit Delesim, ihrem Kinde und ihren Dienern nach Hause. Sie wanderten durch den Wald. Eines Tages lagerten sie unter einem Baume. Schumischa und Delesim schliefen. Lachia hatte die Wache.

Lachia hatte die Wache. Lachia saß unter dem Baume. In den Zweigen des Baumes sprachen zwei Vögel miteinander. Der eine Vogel sagte: "Dort unten liegt nun der Delesim. Der hat für Lachia alles getan. Aber Lachia ist undankbar." Der andere Vogel sagte: "Was sollte Lachia denn tun ?" Der erste Vogel sagte: "Wenn Lachia seinen kleinen Sohn tötet und dann mit dem Blute seines Sohnes Delesims Augen bestreicht, so würde Delesim wieder das Augenlicht gewinnen und würde besser sehen als vorher."

Lachia hörte die Vögel sprechen. Lachia verstand die Vögel. Er sprang auf. Er ging in die Hütte. Er nahm seinen kleinen Sohn aus der Wiege und schnitt ihm den Hals durch. Er trat an das Bett Delesims. Er träufelte das Blut seines kleinen Sohnes auf seine Augen. Dann trug er das tote Kind zurück in die Wiege.

Delesim erwachte. Delesim wandte den Kopf nach rechts und nach links. Delesim rief: "Laehia, ich sehe wieder!" Laehia sagte: "Wo sind denn die Maulesel ?" Delesim sagte: "Sie stehen dort. Und da ist ein Baum und dort ein Hund. Ich sehe. Ich sehe besser als früher!" Lachia sagte: "Dann ist es also gelungen, und wir können nach Hause reiten."

Lachia bestieg mit dem in ein Tuch geschlagenen toten Kinde sein Pferd. Sie ritten. Nach einiger Zeit sagte Schumischa: "Gib mir das Kind; ich will es nähren." Lachia sagte: "Warte noch, es ist noch nicht die Zeit." Nach einiger Zeit kam Delesim und sagte zu Lachia: "Laß mich euren kleinen Sohn sehen." Lachia sagte: "Warte



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noch, unser kleiner Sohn schläft noch." Sie kamen an einer Quelle vorbei. Als Lachia an der Quelle vorbeiritt, hörte er das Kind in seitien Armen weinen. Er schlug das Tuch auseinander. Das Kind lag lebend darin. Da aber, wo am Halse der Schnitt ausgeführt war, verlief eine feine Goldkette.

Sie blieben an der Quelle und nahmen an der Quelle ihr Essen ein. Nach dem Essen pflanzten sie auf dem Hügel neben der Quelle einen Knochen und schworen einander: "Der Hügel soll jeden, der den andern vergißt, erinnern." (Wörtlich: thesusak [Hügel] um [derselbe] itsun [vergessen] uwaijed [der andere] adi muchthi [sich erinnern].) Danach kehrten sie heim und lebten in dem schönen Hause des Lachia.

Nach einiger Zeit kam der alte Agelith, der Vater Schumischas, zu Lachia, um seine Tochter zu besuchen. Delesim sagte zu Lachia: "Sei zu deinem Vater in jeder Weise freundlich. Leihe ihm auch jedes Pferd. Nur dein eigenes Pferd laß ihn nie besteigen!" — Der Vater Schumischas war lange Zeit zu Besuch bei Lachia. Eines Morgens aber, als Delesim abwesend war, nahm er von Lachia Abschied und sagte: "Ich will nun wieder heimkehren. Leihe mir bitte ein Pferd." Lachia sagte: "Wähle dir, welches Pferd du willst." Der Vater Schumischas wählte Lachias eigenes Pferd.

Der alte Agelith bestieg das Pferd. Er nahm von Lachia Abschied. Er sagte: "Schumischa, gib mir noch einmal die Hand." Schumischa sagte: "Wir haben uns vorher schon die Hand gegeben." Lachia sagte: "Schumischa, dies ist dein Vater, du wirst doch deinem Vater zum Abschied nicht die Hand verweigern!" Lachia drängte seine Frau Schumischa an ihren Vater heran. Der Vater ergriff die Hand Schumischas und sagte: "Meine Tochter, sei deinem Gatten stets eine gute Frau, vergiß aber nicht, daß dein Vater das erste Recht an dich hat." Dann riß der alte Agelith seine Tochter auf sein Pferd, nahm sie vor sich auf den Sattel und jagte mit ihr fort, so schnell das Pferd nur laufen konnte.

Das Pferd war aber das schnellste im Lande, und keines kam ihm an Kraft und Schnelligkeit gleich. Lachia konnte ihn nicht einholen. Der alte Agelith brachte Schumischa in das Haus des Sohnes jenes Agelith, der ihm einst gedroht hatte, daß er Schumischa mit Gold oder Gewalt für seinen Sohn als Frau haben wolle. In dem Hause wurde Schumischa eingesperrt. Sie weinte Tag und Nacht und weigerte sich, irgendeinen Mann zu sehen.

Delesim kam zu Lachia zurück. Delesim sah Laehia traurig und



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allein sitzen. Delesim fragte: "Wo ist Schumischa ?" Lachia sagte: "Ihr Vater hat sie mir wieder geraubt. Nur unser kleiner Sohn ist mir geblieben." Delesim ging zum Hügel neben der Quelle, auf den sie den Knochen gepflanzt hatten. Delesim sah, daß der Knochen grüne Blätter trug. Er pflückte von den Blättern des Knochenstrauches. Delesim kehrte zurück und sagte zu Laehia: "Sei nicht traurig. Schumischa ist dir treu geblieben. Ich werde dir Schumischa wiederbringen."

Delesim legte sich ein Kleid von Gold an. Darüber zog er das Gewand eines schmutzigen Bettlers. In solchem erbärmlichen Aufzug kam er in die Stadt des Agelith, in dessen Haus Schumischa eingeschlossen war, um sich auf die Ehe mit dem Sohne des Agelith vorzubereiten. Delesim ging zu einer alten Frau, die sich ihren Unterhalt mit Buttern verdiente. Er sagte: "Ich will in deinem Dienste arbeiten." Die alte Frau sagte: "Zeige, was du kannst!" Sie reichte ihm einen Ledersack voll Milch und einen leeren Kürbis. Delesim warf in den leeren Kürbis ein klein wenig von den Blättern des Knochenstrauches herein; sogleich war der ganze Kürbis voller Butter.

Die alte Frau war so betroffen, daß sie sogleich in allen Häusern der Nachbarschaft herumlief und von dem Manne erzählte, der so gut buttern kann. Der Agelith hörte nach acht Tagen auch von dem Manne und ließ ihn rufen, daß er im Hause der Frauen das Buttern übernehme. Der Agelith sah es selbst und sandte ihn in das Haus seines Sohnes, daß dieser es auch sehe, mit welcher Geschwindigkeit dieser Mann große Mengen von Butter herstellen könne. Delesim blieb in dem Hause und machte da seine Butter. Einmal hörte er, daß nebenan Schumischa war. Da sang er während des Butterns: "Der Hügel soll jeden, der den andern vergißt, erinnern! Der Hügel soll jeden, der den andern vergißt, erinnern!"

Schumischa hörte den Gesang. Sie verstand den Gesang. Sie hörte, daß es die Worte des Schwures waren, den Lachia, sie und Delesim auf dem Hügel neben dem gepflanzten Knochen ausgesprochen hat.. ten. Schumischa kam in den Raum, in dem Delesim butterte. Schumischa sah den zerlumpten Mann. Sie sagte: "Was singst du da ?" Delesim sagte: "Es ist irgendein Lied." Schumischa sagtet "Woher kennst du das Lied?" Delesim sagte: "Ich weiß es nicht." Schumischa sagte: "Du lügst. Es gibt nur drei Menschen, die den Schwur kennen." Delesim sagte: "Nun, Lachia bin ich nicht." Schumischa rief: "Du bist Delesim. — Delesim hilf mir! Delesim



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sage mir: Wie kann ich wieder hier fort zu Lachia kommen?!"

Delesim sagte: "Falle vor den andern Leuten hin, Schumischa! Sei krank. Laß dich von einem Adjenu (böser Geist) besessen sein. Laß dich von keinem Arzt heilen. Laß den Adjenu (oder Aldjenu?) aus dir sprechen: ,Nur der Buttermann kann mich heilen. Ich will mit dem Buttermann auf dem besten Pferde ausreiten. Dann will ich Schumischa verlassen.' Sprich so und überlaß dann alles andre mir!" Schumischa sagte: "So werde ich es tun." Schumischa verließ Delesim.

Als es Abend war, saßen die Frauen beisammen. Schumischa erhob sich. Sie ließ sich fallen. Sie schrie. Alle Frauen kamen zusammen und wollten sie beruhigen. Schumischa schlug um sich. Schumischa schrie und schrie. Die Frauen sandten sogleich nach einem Arzte. Der Arzt kam. Der Arzt wollte an Schumischa herantreten. Schumischa schlug ihn und schrie: "Du Narr, was weißt du mit einem Aldjenu anzufangen." Der Arzt wich zurück. Der Arzt sagte: "Hier kann ich nichts machen." Der Arzt ging.

Der Agelith kam. Der Agelith sagte: "Was ist hier zu tun?" Die Frauen sagten: "Schumischa ist von einem Aldjenu befallen; so lange der Aldjenu nicht selbst sagt, was mit ihm ist, so lange kann man ihr nicht helfen." Schumischa schrie: "Gewiß könnt ihr helfen! Ihr Törichten! Laßt Schumischa mit dem Buttermanne auf dem besten Pferde des Agelith einmal ausreiten, so werde ich Schumischa verlassen." Der Agelith sagte: "Sogleich sattelt das Pferd, das neulich Schumischas Vater von Lachia mitbrachte. Ruft den Buttermann." Der Buttermann kam und sagte: "Was, ich alter Mann soll mit der Frau des Agelith auf diesem Pferde ausreiten ?" Der Agelith sagte: "Tue es, ich werde es dir reichlich bezahlen." Der Buttermann schüttelte den Kopf und sagte: "So zeigt mir wenigstens, wie ich auf ein solches Pferd heraufkomme. Wie ich wieder herunterkomme, wird mir wohl das Pferd zeigen. Ich hoffe nur, daß Schumischa dabei keinen Schaden nimmt."

Die Leute des Agelith halfen dem Buttermann auf das Pferd. Sie sagten ihm: "Halte die Zügel so, halte die Füße so; dies ist kein Maulesel; sondern es ist ein Pferd." Der Buttermann sagte: "Macht man es so ?" Die Leute lachten und sagten: "Nein, wenn man es so macht, geht das Pferd durch. Mache es so!" Dann hoben die Leute Schumischa auf das Pferd. Der Buttermann sagte: "So, nun geht zur Seite." Die Leute traten zur Seite.



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Delesim hob sich im Sattel; er zog das alte Bettlerkleid ab und warf es den Leuten zu. Delesim saß da in seinen goldnen Kleidern. Er rief: "Grüßt den Vater Schumischas!" Er drückte dem Pferd die Knie in den Leib und jagte mit Schumischa heimwärts in das Haus Lachias.


53. Der starke Jäger

I n alter Zeit hatte ein Amin einmal drei Söhne. Damals waren die Amin große Herren, die im Dorfe alle Gewalt hatten und deren Söhne, um ihrem Vater gleich zu werden, weit hinaus in das Land zogen, erst auf die Jagd, dann in den Krieg. Die drei Söhne des Amin waren alle drei annähernd gleich alt, und es war um die Zeit, da die Väter den Söhnen die Genehmigung gaben, zur Jagd zu gehen.

Eines Tages war der älteste Sohn des Amin alt genug, um allein ausreiten zu dürfen. Er kam also eines Tages zu seinem Vater und sagte: "Vater, ich bitte dich, mir ein Pferd und die Erlaubnis zu jagen zu erteilen." Der Vater sagte: "Ich will dir beides geben, aber achte sehr wohl auf das, was ich dir sage." Darauf erklärte der Vater seinem Sohne, in welchen Gebieten er jagen dürfe und in welchen nicht. Er wiederholte ihm alles mehrmals und ließ ihn dann mit seinem Pferde davonreiten.

Der älteste Sohn zog also hinaus und hielt sich zunächst streng an das, was sein Vater ihm gesagt hatte, d. h. er mied die Gebiete, deren Betreten ihm verboten war. Eines Tages hatte er einen Hasen getroffen, der lief noch ein Stück und sprang dann mit der letzten Kraft über die dem Burschen bezeichnete Grenze, um dort sogleich zu verenden. Der Bursche hatte große Lust, die Grenze zu überschreiten und das verbotene Gebiet zu betreten, um die Jagdbeute zu retten, er bezähmte sich aber und kehrte traurig nach Hause zurück.

Einige Tage darauf begegnete ihm genau das gleiche. Er bezwang sich wiederum, wenn es ihm auch schwer wurde, und kehrte ärgerlich nach Hause zurück. Als ihm aber genau das gleiche wenige Tage später zum dritten Male begegnete, ritt er über die Grenze. Er stieg ab und wollte den anscheinend toten Hasen aufheben, da sprang dieser auf und rannte, eine starke Schweißspur hinter sich lassend, von dannen. Der Bursche aber sprang im Jagdeifer auf sein Pferd und setzte, immer auf dem verbotenen Gebiet, hinter dem flüchtigen Wild her.

Ohne daß er es merkte, kam der Bursche von dem ihm bekannten



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Gebiete weit ab, so daß, als die Dunkelheit eintrat, er nicht wußte, wo er sich befand. Er irrte einige Zeit umher, dann sah er Rauch aufsteigen, und als er darauf zuritt, sah er wenig später ein Haus vor Sich liegen. Er stieg am Hause ab. In dem Hause lebte ein Mann mit seiner Tochter. Sie nahmen den Burschen freundlich auf, stellten sein Pferd in den Schuppen und luden ihn zum Essen und Nachtlager ein. Der Bursche nahm alles an. Nachher wurde ihm zwischen dem Lager des Vaters und dem der Tochter eine Stätte zum Schlafen bereitet. Alle drei legten sich nieder.

Am andern Morgen erhoben sich der Vater und die Tochter und blickten nach der Schlafstätte ihres Gastes. Wie erstaunten sie aber, als dieser mit abgeschnittenem Kopfe tot dalag? Erst erschraken Sie. Dann nahmen sie den Toten und legten ihn draußen in einen Schuppen.

Drei Monate später kam der zweite Sohn des Amin zu seinem Vater und bat ihn ebenfalls um ein Pferd und um die Erlaubnis zu jagen. Der Bursche war in dem gehörigen Alter, so konnte er es ihm nicht gut abschlagen. Er erteilte ihm die erbetene Erlaubnis, schenkte ihm das Pferd und setzte ihm dann eingehend auseinander, welche Gebiete ihm in Zukunft zur Jagd freiständen und welche er nicht betreten dürfe. Er wiederholte die Auseinandersetzung und schloß mit der Ermahnung: "Vergiß dieses alles nicht, mein Sohn, sondern präge dir alles ein. Denke daran, daß dies zu wissen und genau dem zu folgen sehr notwendig ist. Vergegenwärtige dir stets, wenn du auf die Jagd ausreitest, daß dein Bruder eines Tages zur Jagd ausgeritten und nicht wiedergekommen ist, weil er eben sicherlich meinen Ermahnungen nicht gefolgt ist." Der zweite Sohn versprach dem Amin, allen seinen Anordnungen genau Folge leisten zu wollen, bedankte sich und nahm sich beim Weggehen vor, stets gehorsam und vorsichtig die Gebote innezuhalten.

Eine Zeitlang ging alles sehr gut. Auch er bezwang sich das erstemal leicht, als der Hase jenseits der Grenze verendete. Auch er ertrug das gleiche das zweitemal ebenmütig. Aber auch er erlag der Versuchung, als er das drittemal dasselbe erlebte. Auch er ritt über die Grenze des Erlaubten. Auch er verritt sich, auch er sah den Rauch, auch er stieg ab und betrat das Haus, in dem der Vater und seine Tochter ihm entgegenkamen, ihm aber weit weniger bereitwillig als dem älteren Bruder Abendessen und Lager anboten. Auch dem zweiten wurde die Lagerstatt zwischen Vater und Tochter bereitet, auf der er dann bald in einen festen Schlaf verfiel.



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Am andern Morgen erwachten Vater und Tochter, blickten zu dein Lager ihres Gastes hinüber und erschraken nicht wenig, als sie diesen wieder mit abgeschlagenem Kopfe tot daliegen sahen. Nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatten, nahmen sie den Leichnam auf und trugen ihn in den Schuppen, wo sie ihn neben den des älteren Bruders legten.

Drei Monate später kam auch der dritte Sohn des Amin zu seinem Vater und bat ihn um ein Pferd und um die Erlaubnis, auf die Jagd zu gehen. Der Vater schüttelte bedenklich den Kopf und sagte: ,Mein Sohn, steh von diesem Wunsche ab." Der jüngste Sohn sagte: ,Mein Vater, ich bitte dich, meinem Wunsche Folge zu leisten, denn siehe, ich bin in dem Alter, in dem andre junge Leute zu solchem Behufe auch die Genehmigung hierzu erhalten." Der Vater sagte: ,Denke daran, daß deine beiden ältern Brüder auf die Jagd gingen Lind nicht wieder zurückkehrten. Denke daran, daß ich nun außer dir keinen Sohn mehr habe."

Der jüngste Sohn sagte: "Mein Vater, ich glaube, ich bin stark und Klug genug, um ernsten Aufgaben gewachsen zu sein. Bedenke, daß ich beim Spiele als Bursche schon als der Gewandteste galt. Bedenke, mein Vater, daß ich einmal beginnen muß, meine Stärke zu üben, und daß das Spiel der Jugend für mich kindisch wird, weil ich ihm entwachse. Bedenke, mein Vater, daß die Welt voll ist von abenteuern und großen und ganz großen Aufgaben, und daß die Pflicht der Starken ist, den Schwächeren mit Mut, mit Kraft und Klugheit Beispiele zu geben." Der Vater sagte: "Es ist wahr, daß du ein tüchtiger Bursche bist. Es ist wahr, daß du auch deinen Altersgenossen so überlegen bist, daß, wenn ich selbst an irgendwelche Kämpfe und Abenteuer denke, mir ein solches gegen einen Burschen deiner Art unangenehm sein würde. Also will ich deinen Wunsch gewähren und dir Pferd und Erlaubnis zur Jagd geben. Achte aber auf folgendes."

Danach setzte der Vater auch seinem dritten Sohn auseinander, welche Gebiete er betreten dürfe, welche nicht. Hierauf antwortete der Sohn aber nicht. Er nickte nur mit dem Kopfe und ging hinaus. Er sagte: "Verstanden habe ich alles."

Der Jüngste bestieg das Pferd und ritt von dannen. Nun hatte es nicht geregnet, seitdem der zweite Sohn des Amin seinen letzten Jagdausflug angetreten hatte. Also konnte man noch sehr gut alle Spuren erkennen. Der junge Jäger sagte zu sich: "Ich möchte doch wissen, bei welchem Abenteuer meine ältern Brüder umgekommen



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sind. Vielleicht kann ich die Spur meines zweiten Bruders noch verfolgen." Er hielt scharf Ausschau und kam nach einigen Stunden auch dahin, wo der Bruder an der Grenze des verbotenen Gebietes erst zögernd einmal das Pferd gewendet hatte, dann doch hinübergeritten, beim anscheinend toten Hasen abgestiegen und im Galopp hinter den Wiederauflebenden hergesetzt war. Sowie sich der jüngste Jäger aber der Stelle näherte, sah er auch schon eine Gazelle aufspringen, die genau auf der Spur des brüderlichen Pferdes fortrannte.

Der junge Jäger drückte sogleich dem Pferde die Sporen in die Seiten und galoppierte hinter der Gazelle her. Nach einiger Zeit wendete die Gazelle den Kopf und schaute sich um, als wenn sie sich davon überzeugen wolle, daß der Jäger ihr auch folge. Der junge Jäger sagte: "Oho, ich glaube, die Gazelle will mir den Todesweg meines Bruders noch schneller zeigen, denn sie bleibt immer in der Spur seines Pferdes." Nach einiger Zeit kamen die Gazelle und der junge Jäger dem Hause nahe, in dem der Vater und seine Tochter wohnten. Die Gazelle sprang über den Zaun und war dann fort. Der junge Jäger hielt mit seinem Pferde vor dem Hause. Er stieg ab. Er ging hinein.

Der Mann und seine Tochter kamen heraus. Der Mann sagte: "Ich kann dir leider nicht viel Gutes bieten. Ich meine es gut mit dir, wenn ich dir rate, weiter zu reiten." Der Jäger sprang vom Pferde und sagte: "Ich bin nicht auf die Jagd gegangen, um Gutes zugewinnen. Ich bin auf die Jagd geritten, um etwas zu erleben. Wenn du mir also trotz allem, was hier vorkommen kann, ein Abendessen und ein Lager bis morgen früh gewähren willst, so mag nachher kommen, was da will." Der Vater sagte: "Wenn du es nicht anders haben willst, so nimm das, was es in meinem Hause gibt, als gern geboten hin. Meine Tochter und ich werden dir nichts Böses tun." Der Jäger bedankte sich und sagte: "So richtet nur alles her, ich will bis zum Abendessen noch einen Weg in die Runde machen." Dann ging er hinaus und in einem weiten Kreise herum. Er betrachtete emsig den Boden und sagte heimkehrend zu sich: "Die Spur meiner Brüder führt in dieses Haus hinein, nicht aber wieder heraus. Sie sind also in diesem Hause umgekommen."

Danach kehrte der Jäger zurück, nahm mit dem Vater das Abendessen ein und ließ sich das Lager zwischen dem Vater und der Tochter anweisen. Ehe er sich aber niederlegte, schaute er zum Fenster, das zu seinem Haupte war, hinaus und sah, daß da ein Baum stand,



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dessen Äste er vom Fenster aus leicht erreichen konnte. Er legte sich vorderhand nieder, sowie aber Vater und Tochter eingeschlafen waren, ergriff er seinen Säbel und stieg zum Fenster hinaus auf den Baum.

Er saß schon einige Stunden auf dem Baum, da bemerkte er genau zur Mitternachtszeit, daß ein Ungeheuer durch das Dunkel leise auf das Haus zutappte (Luasch, plur. Leauhausch), gerade von der Seite her, an der er auf seinem Baume saß. Der Jäger sagte bei sich: "Dieses ist also das erste Abenteuer."

Der Luasch kam immer näher. Als er gerade unter dem Baume war, sprang der Bursche herab und schlug ihm eine schwere Wunde, so daß er strauchelte, dann aber von dannen tappte. Der Bursche tastete auf dem Boden hin und bemerkte, daß das Ungeheuer eine starke Blutlache hinterlassen hatte. Der Jäger sagte: "An dieser Blutspur werde ich morgen schon seinen Weg wiederfinden." Befriedigt stieg er hierauf wieder auf seinen Baum, vom Baum durch das Fenster in das Haus und legte sich auf seinem Lager zwischen Vater und Tochter nieder.

Der Jäger schlief sehr schnell ein und wachte nicht eher auf, als bis der Vater und die Tochter ihn durch ihre erstaunten Ausrufe weckten. Der Jäger hob den Kopf und fragte: "Was gibt es denn?" Der Vater sagte: "Du hast großes Glück gehabt, daß du noch lebst. Schon zweimal sind vor dir Fremde hier angekommen und hier zur Ruhe gegangen, und beide Male fanden wir sie am andern Morgen mit abgeschlagenem Kopfe auf ihrem Lager." Der Jäger sagte: "Es ist auch in dieser Nacht ein Luasch gekommen, der es auf mich abgesehen hatte, ich habe ihm aber die Lust zum Kopfabschneiden genommen; nachher werde ich mich auf die Suche nach seiner Spur begeben. Zunächst zeigt mir aber die beiden Fremden, die hier enthauptet sind."

Der Vater führte den Jäger in den Schuppen, in dem die Toten lagen. Der Jäger sagte: "Ja, es sind meine Brüder." Danach begrub er sie. —Der Vater führte den Jäger in den Stall, in dem neben dem des Jägers zwei Pferde standen und sagte: "Ich habe beide Pferde die Zeit durchgefüttert." Der Jäger sagte: "Ja, es sind die Pferde meiner Brüder. Behalte sie als Dank für deine Fürsorge und als Entgelt für deinen Schrecken."

Danach bestieg der Jäger sein Pferd, nahm Abschied von Vater und Tochter, zeigte ihnen die Blutlache und Spur, die das Ungeheuer hinterlassen hatte und machte sich auf zur Verfolgung.



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Sieben Monate verfolgte der Jäger die Spur des Luasch, ohne das Ungeheuer je zu erreichen. Nach sieben Monaten aber verlor er die Spur in der Sahara und vermochte sie trotz emsigen Suchens nicht Wiederzufinden. Er irrte in der Sahara umher, bis er endlich in der Ferne ein Licht sah, das hell leuchtete, aber so weit entfernt war, daß es nicht größer als ein Stern erschien. Der Jäger merkte sich genau die Richtung und ritt mit dem ersten Morgengrauen darauf zu. Gegen Mittag kam er zu einem sehr großen Gehöft, das hatte mehrere Stockwerke, stand aber ganz allein in der Wüste da. Es War kein Mensch zu sehen.

Der Jäger stieg ab, nahm sein Gepäck vom Pferde und setzte sich vor dem verschlossenen Hause auf eine Matte nieder. Nach einiget Zeit blickte er auf und sah, daß aus einem Fenster des oberen Stockwerkes ein Mädchen herabblickte. Er sah das Mädchen und war so erschrocken über seine Schönheit, daß er fast vergaß, seinen Gruß zu entbieten. Das schöne Mädchen sagte: "Fliehe, so schnell du kannst, denn ich habe vierzig Brüder, die augenblicklich im Kampfe auswärts sind, die dich aber unbedingt töten werden, wenn sie, heimkehrend, dich hier in der Gegend treffen." Der Jäger erhob sich und sagte: "Schönes Mädchen, verlange von mir, was du von einem Manne verlangen kannst. Verlange nur nicht, daß ich fliehe. Denn das ist ein Handwerk, das ich nicht gelernt habe. Viel lieber wäre es mir, wenn du mich auffordertest, gegen die vierzig Männer zu kämpfen, um dich so gewinnen zu können."

Das Mädchen lachte über das ganze Gesicht und sagte: "So komm zu mir herauf und unterhalte dich mit mir." Der Jäger brachte sein Pferd in den Hof, band es im hinteren Winkel an und stieg zu dem Mädchen hinauf. Das Mädchen sagte: "Komm, wir wollen die Karten werfen, um unser Schicksal zu lesen." Der Jäger und das Mädchen warfen die Karten. Sie warfen sie einmal. Da fand sich, daß sie füreinander zur Ehe bestimmt waren. Das Mädchen griff die Karten zusammen und warf sie nochmals. Da fand sich wieder, daß sie füreinander zur Ehe bestimmt waren. Sie warfen sie zum dritten Male, und wieder zeigte es sich, daß sie füreinander bestimmt waren. Das Mädchen sagte: "Nun sind wir also doch füreinander bestimmt und du magst hier bleiben. Bis meine Brüder wiederkommen und ich sie zur Zustimmung bewogen habe, halte dich aber versteckt, denn ich möchte nicht, daß mein Gatte mit meinen Brüdern kämpft."

Als es Abend war, kamen die vierzig Brüder heim. Als der Jüngste



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das Haus betrat, sagte er: "Ich wittere fremdes Fleisch. Es muß ein fremder Mensch da sein." Der Älteste der vierzig Brüder sagte aber: "Mein jüngster Bruder, wie soll wohl ein fremder Mensch in ein Haus kommen, das von vierzig Männern bewacht ist, die gefürchtet sind wie wir." Darauf lachten die andern achtunddreißig, und der Jüngste beruhigte sich.

Nun gewannen die vierzig Brüder sonst ihr Licht dadurch, daß die Schwester ihren kleinen Finger durch die Decke in den Raum steckte, in dem sie weilten. Und dies Licht war es auch gewesen, das der Jäger am vorhergehenden Abend in der Ferne wie einen Stern hell leuchten gesehen hatte. An diesem Tage kam aber die alte Negerin, die die Geschwister als Sklavin bediente und erklärte den Brüdern, daß sie heute im Dunkeln essen müssten, da ihre Schwester heute krank sei und somit ihren kleinen Finger nicht durch die Zimmerdecke strecken könne. Die vierzig Brüder sagten: "So werden wir eben heute im Dunkeln essen, es wird ja wohl jeder einen Löffel und ein Stück Fleisch vorfinden." Die alte Negerin sagte: "Ich werde gleich alles hereinbringen und wohl darauf achten, daß von jedem vierzig sind."

Die alte Negerin ging hinaus und kam gleich darauf mit einer riesigen Schale voll Kuskus herein, auf der vierzig Löffel und vierzig Stück Fleisch lagen. Mit ihr zugleich betrat der Jäger das Zimmer, und da es vollkommen dunkel war, bemerkte es niemand. Die Alte stellte die Schüssel hin und sagte: "Nun langt zu." Die vierzig Brüder lagerten sich um die Schüssel. Der Jäger lagerte mitten zwischen ihnen, und da es ganz dunkel war, so bemerkte es niemand. Jeder der Brüder griff sogleich nach einem Löffel und einem Stück Fleisch, ebenso der Jäger, und da es ganz dunkel war, bemerkte es niemand, bis der letzte Bruder sagte: "Ich habe keinen Löffel und kein Fleisch." Der älteste Bruder sagte: "So hat entweder einer von zwei Löffel und zwei Stücke Fleisch oder die alte Negerin hat sieh heute verzählt. Wenn einer zwei von einem hat, so soll er es sagen» Darauf sagte jeder einzelne: "Ich habe nur einen Löffel und ein Stück Fleisch." Der Älteste sagte: "Dann hat sich also die alte Negerin verzählt. Die alte Negerin kam und sagte: "Was sagt ihr? ich soll mich verzählt haben? Wieviel Jahre lang bringe ich euch kus- kus, Löffel und Fleischstücke! Und habe ich mich etwa je verzählt? Legt gleich alle Löffel und Fleischstücke wieder zusammen und Zählt sie noch einmal."

Alle neununddreißig und der Jäger legten ihre Löffel und das



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Fleischstück wieder hin; der Älteste zählte. Er sagte: "Es sind vierzig Von jedem. Ich habe mich nun selbst überzeugt. Es muß also in der Dunkelheit ein Löffel und ein Fleischstück übersehen worden sein. Langt jetzt wieder zu!" Wiederum griff jeder der Vierzig und auch der Jäger nach einem Löffel und einem Stück Fleisch, und wieder meldete sich einer der vierzig Brüder und sagte: "Diesmal habe ich keinen Löffel und kein Fleischstück erhalten." Wiederum wurde alles zusammengelegt, gezählt, richtig befunden und wieder aufgenommen. Und wiederum hatte einer der Brüder weder Löffel noch Fleischstück erhalten.

Da sagte der älteste Bruder: "So ist denn doch möglich, daß unser jüngster Bruder recht hatte, als er beim Eintritt behauptete, einen fremden Mann zu wittern. Wenn das so ist und wenn wirklich ein fremder Mann unter uns ist, so schwöre ich bei Gott, es soll ihm nichts geschehen, wenn er sich sogleich meldet." Der Jäger sprang auf. Der Jäger sagte: "Ihr habt recht! Ich bin unter euch, früher ein Fremder, in Zukunft aber euer Bruder und Schwager." Als er diese Worte gesprochen hatte, öffnete sich die Tür und eine ungeheure Lichtfülle strömte herein, als träte die Sonne selbst in das Zimmer. Denn die Schwester der Brüder war es, deren kleiner Finger ihnen sonst schon reichlich Licht bot, die nun aber hell strahlend unter sie trat und sagte: "Mein ältester Bruder, ich danke dir, daß du so geschworen hast. Diesen jungen Jäger habe ich zu meinem Gemahl auserwählt, nachdem ich gesehen habe, daß er euer würdig ist. Ich bitte euch nun, ihn auch als Bruder unter euch aufzunehmen."

Die vierzig Brüder betrachteten den Jäger und gaben ihre Zustimmung. Es wurde sogleich ein großes Fest veranstaltet und die Hochzeit gefeiert. Alle saßen vergnügt zusammen, bis der Älteste der Vierzig sagte: "Nun ist es aber genug der Unterhaltung. Vergeßt ihr, meine Brüder, nicht, daß morgen früh unsrer wieder der tägliche Kampf harrt, und daß wir ausgeschlafen und frisch sein müssen, um ihn wacker fechten zu können." Der Jäger sagte: "Erzählt mir, der ich doch nun euer Bruder bin, was ihr für einen täglichen Kampf habt."

Der älteste Bruder sagte: "In unserer Nachbarschaft herrscht ein mächtiger Fürst (Sultan) über eine große Stadt, in der vierzig sehr schöne Mädchen sind, die wir zu Frauen begehren. Es herrscht aber zwischen uns und diesem Fürsten schon seit der Zeit unserer Väter Krieg, und somit können wir unsere Frauen nur gewinnen, wenn wir im Kriege mit den Vätern und Brüdern siegen. Wir ziehen also



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täglich zum Kampfe mit diesen Leuten aus. Jene sind so stark und zahlreich, so daß es noch niemals zu einer Entscheidung zwischen ihnen und uns gekommen ist." Der Jäger sagte: "Ihr habt mir heute eure Schwester zur Frau gegeben, erlaubt mir, daß ich morgen allein gegen jenen Sultan und seine Leute zu Felde ziehe, auf daß ihr so einmal einen Tag ruhen könnt." Die Brüder lachten und sagten: "Was willst du allein gegen jene ausrichten, die wir vierzig nicht zu schlagen vermögen!" Der Jäger bat: "Erlaubt es mir! Schlagt eurem neuen Bruder nicht die erste Bitte ab!"

Die vierzig Brüder wollten es abermals abschlagen. Die Schwester hatte aber ihren Gatten lange von der Seite angesehen und sagte nun: "Haltet ein! Schlagt meinem Gatten diesen Wunsch nicht ab. Laßt ihn morgen allein zum Kampf gegen den Sultan und seine Leute ausziehen!" Darauf lehnten die Brüder sich nicht mehr gegen den Wunsch ihres Schwagers auf. Es war spät in der Nacht, als alle ihr Lager aufsuchten.

Ehe noch die vierzig Brüder und ihre Schwester am andern Morgen erwachten, hatte der Jäger sich schon erhoben, sein Pferd bestiegen und den Weg in der Richtung auf die Stadt des Fürsten eingeschlagen. Es währte auch nicht allzulange, da sah er die Mahalla (den Kriegshaufen) auf sich zukommen. Die Leute des Fürsten wollten nicht mit dem einzelnen Mann kämpfen. Der Jäger rief ihnen zu, dann sollten sie doch einzeln hervortreten und sich mit ihm messen. Damit war der Fürst einverstanden. Er rief einen der stärksten seiner Leute auf, daß er sich mit dem Jäger versuche. Die Gegner hoben die Säbel, ritten gegeneinander an, und der Jäger schlug den Mann des Fürsten nieder. Der Fürst rief einen zweiten unter seinen Leuten hervor, der als noch stärker galt, aber auch der erlag sogleich dem Säbelhieb des Jägers.

Auf diese Weise kämpfte der Jäger gegen den ganzen Haufen und schlug einen nach dem andern, bis zuletzt nur noch der Fürst selbst übrig blieb. Er ritt als letzter an, vermochte wohl einige Säbelhiebe mit dem Jäger zu wechseln, sah aber, daß der andere ihm überlegen war. Er sagte: "Mein tapferer Gegner, komm morgen wieder hierher, dann wollen wir den Kampf zu Ende führen." Der Jäger war einverstanden. Beide wendeten ihre Pferde und ritten heim.

Die vierzig Brüder waren erstaunt, als sie den Schwager wohl. behalten wieder ankommen sahen, denn im Innern waren sie überzeugt,



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daß er bei dem Kampfe das Leben verlieren würde. Sie fragten ihn, was er ausgerichtet habe. Er antwortete: "Wie soll ich gleich am ersten Tage etwas Nennenswertes erreichen, wenn ihr zu Vierzig schon jahrelang ohne wesentlichen Erfolg kämpft? Aber laßt mich die angefangene Arbeit nur noch einen Tag fortsetzen und ich hoffe, euch schon einen kleinen Erfolg aufweisen zu können."

Inzwischen kehrte der Fürst bekümmert in seine Stadt zurück. Er hatte nicht nur seine besten, sondern fast alle seine Kämpfer verloren und sah bei der großen Kraft und Gewandtheit des Jägers für morgen einem sehr schlimmen Ende entgegen. In seiner Bedrängnis ritt er sogleich nach seiner Rückkehr in die Stadt zu einem Amrár (alter) asemeni (Rat), einem bekannten Ratgeber und erzählte ihm alles, was sich heute ereignet hatte. Zuletzt sagte er: "Was soll ich nun tun, um meine Stadt vor dem Mann zu retten, der alle meine Leute erschlagen hat und dem ich allein, wenn er bei frischen Kräften ist, sicher nicht gewachsen bin ?"Der alte Ratgeber sagte: "Wann habt ihr die Fortsetzung des Kampfes verabredet ?" Der Fürst sagte: "Wir wollen morgen um die gleiche Zeit auf dem gleichen Platze kämpfen." Der Ratgeber sagte: "So sende vor dir her die vierzig schönen Mädchen der Stadt, jedes auf einer Stute, jedes mit zwei Gefäßen voll Lachmár (ein Likör aus Wein und Zitronen, der früher hier vielfach hergestellt wurde). Die schönen Mädchen sollen den Jäger begrüßen und ihm zu trinken anbieten. Wenn er dann den Verstand verloren hat, kannst du ihn leicht überwinden, zumal sein Hengst unter den vierzig Stuten unruhig sein wird." Der Fürst bedankte sich für den Rat und richtete alles dem Vorschlage gemäß ein.

Am anderen Morgen war der junge Jäger schon vor allen anderen auf und ritt dem Kampfplatz entgegen. Wie erstaunte er aber, als er statt des Fürsten und kampfbereiten Männern die vierzig schönen Mädchen sah, die ihn freundlich begrüßten und ihm aufmunternd den Lachmár entgegenreichten. Der junge Jäger lachte und sagte: "Dies ist wirklich ein Land der Abenteuer. Ihr seid sicherlich die stärksten Kämpfer des Fürsten." Danach nahm er von dem starken Lach-. mär und trank ihn und trank zu viel und lachte mit den Mädchen, so daß er auf dem Pferde unsicher saß. Sein Pferd aber war erregt durch die Anwesenheit so vieler Stuten, es stieg, sprang zur Seite, und der Jäger fiel zu Boden.

Bis dahin hatte der Fürst sich hinter den vierzig Mädchen versteckt gehalten. Jetzt kam er hervor, schlang einige Stricke um den taumelnden Jäger und machte ihn so zu seinem Gefangenen. Den



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Gefangenen band er dann auf ein Pferd und führte ihn in seine Stadt. In seiner Stadt ließ er ihn ins Gefängnis werfen, das lag tief unter der Erde. Das Pferd des gefangenen Jägers stellte er in seinen Stall, und seinen Säbel hängte er in seiner Kammer auf.

Befriedigt begab sich der Fürst in sein Haus und legte sich nieder. Er lag jedoch noch nicht lange, als er einen starken Gesang hörte. Sogleich sandte der Fürst einen alten Sklaven, der nachsehen sollte, wer der eigenartige starke Sänger sei. Der Bote ging, kam wieder und sagte: "Da ich wußte, daß alle erwachsenen Männer erschlagen sind, sah ich nach im Gefängnis und fand, daß es dein unter der Erde liegender Gefangener ist, der so stark singt."

Den Gesang hörte aber nicht nur der Fürst. Dieser Fürst hatte eine sehr schöne Tochter, die war seit ihrer Geburt in einer Kammer eingeschlossen und hatte noch nicht die Natur und den Himmel gesehen. Dieses Fürstenkind hörte den Gesang. Sie rief ihre Sklavin und fragte: "Sage mir, wer dort draußen so stark singt."Die Sklavin sagte: "Ich höre es auch, ich kann dir aber nicht sagen, wer es ist, denn auch ich habe noch nicht so singen gehört. Wenn du wünschst, will ich sehen, wer es ist; ich werde aber sogleich hingehen und sehen, ob ich finden kann, wer dort singt."

Die Sklavin ging. Sie durchstreifte die ganze Stadt. Sie fand nirgends den Sänger. Sie hörte ihn überall, aber sie konnte ihn nicht finden. Die alte Sklavin kam zu dem Fürstenkind zurück und sagte: "Ich habe in allen Häusern der Stadt nachgesehen, aber ich habe den Sänger nirgends gefunden, wenngleich ich ihn auch überall gehört habe." Die Tochter des Fürsten dachte nach und sagte: "Hast du auch unter der Erde nachgesehen? Ich weiß, mein Vater hat unter der Erde ein Gefängnis, vielleicht ist der Sänger ein Gefangener. Sieh, du Alte, ob du ihn findest. Suche und finde ihn! Ein Mann, der so herrlich singen kann, ist vielleicht auch imstande, mir trotz meines Vaters den Anblick von Himmel und Natur zu verschaffen." Die Alte sagte: "Du weißt, ich werde tun, was ich zu tun imstande bin." Die Alte ging.

Die alte Sklavin kam zu dem Gefängnis unter der Erde. Sie hörte, daß der Gesang aus dem Gefängnis unter der Erde kam. Die alte Sklavin stieg hinab. Sie hob den Verschluß über dem Gefängnis auf und sah den Gefangenen auf dem Boden der Grube liegen. Als der Jäger die Alte sah, brach er seinen Gesang ab. Die alte Sklavin fragte aber den Jäger: "Sage mir, wirst du singen, wenn ich dir aus deinem Gefängnis helfe? Sage mir, kennst du einen S'h(ö)ur-(Zauber-)



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Gesang, der Mauern stürzen läßt und den Verschlossenen die Natur und den Himmel zeigt?" Der Jäger sagte: "Ich bin wohl unterrichtet. Ich kenne solchen Shourgesang. Ich bin gern bereit, ihn zu singen, wenn du mich aus dieser Grube heraufziehst."

Die alte Sklavin lief fort und holte ein starkes Seil. Sie ließ das Seil hinab und band es oben an. Sie warf dem Gefangenen ein Messer hinab, damit schnitt er seine Fesseln durch und kletterte an dem Stricke empor. Der Jäger setzte sich auf den Rand des Gefängnisschachtes. Er begann ein zorniges Zauberlied zu singen. Er zitterte vor Zorn und sang. Darauf begannen allerorts in der Stadt die Mauern zu stürzen und die Menschen in Ohnmacht zu sinken. Auch der Fürst fiel in Ohnmacht. Aber das Haus, in dem die Tochter des Fürsten eingeschlossen war, sank nicht um, und die Tochter des Fürsten erschrak nicht. Als der Gesang geendet hatte, sagte sie zu ihrer alten Sklavin: "Schnell, bringe mir den Sänger herauf. Schließe aber den Schacht so, wie er vorher geschlossen war."

Die alte Sklavin ging hin und sagte zu dem Jäger: "Die Tochter des Fürsten möchte dich sehen und will dich verstecken. Laß uns aber vorher den Gefängnisschacht schließen, damit niemand dein Entweichen merkt." Sie verschlossen den Schacht, und der Jäger trat so stark darauf, daß nur ein sehr starker Mann imstande gewesen wäre, ihn zu öffnen. Die alte Sklavin zeigte dem Jäger den Weg zu ihrer Herrin. Es lag aber alle Welt in Ohnmacht, so daß niemand sie sah. Nach einiger Zeit kamen die Leute zu sich. Der Fürst sagte zu seinem Sklaven: "Dieser Gefangene ist fürchterlich. Geh hin und sieh, ob der Verschluß fest auf dem Schacht liegt und wälze mit andern zusammen noch Steine darauf." Die Sklaven gingen hin und sahen nach dem Schachtverschluß. Sie vermochten ihn nicht zu heben. Da versuchten sie es auch nicht erst lange, wälzten noch einige Steine darauf und gingen zum Fürsten zurück. Sie sagten zum Fürsten: "Der Verschluß liegt fest auf dem Schacht. Wir haben, wie du es befohlen hast, noch einige Steine darauf gewälzt. Man hört jedoch nichts mehr von dem Gefangenen, und wir glauben, daß er vor Zorn mit seinem Gesange gestorben ist." Über solche Nachricht war der Fürst sehr zufrieden.

Die alte Sklavin führte den Jäger hinauf zu ihrer Herrin. Die Tochter des Fürsten sagte: "Setze dich nieder, wir wollen die Karten schlagen und sehen, welches unser Schicksal ist." Das Fürstenkind warf die Karten. Da ersahen sie, daß die Tochter des Fürsten zui zweiten Frau des Jägers bestimmt war. Das Mädchen faßte die Karten



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nochmals zusammen und warf sie zum zweiten Male. Darauf sahen sie zum zweiten Male, daß die Tochter des Fürsten zur zweiten Frau des Jägers bestimmt war. Der Jäger ergriff die Karten, faßte sie zusammen und warf sie nochmals. Da erkannten sie zum dritten Male, daß die Tochter des Fürsten zur zweiten Gattin des Jägers bestimmt war. Die Tochter des Fürsten sagte zum Jäger: "So bleibe bei mir als mein Gatte. Ich werde dich versteckt halten, bis wir ein Mittel finden, mir die Natur und den Himmel zu erschließen." So blieb der Jäger bei dem Fürstenkind. Der Jäger und die Tochter des Fürsten ersannen einen Plan zur Flucht.

Eines Tages kam die alte Sklavin zum Fürsten und sagte: "Seit einigen Tagen hat deine Tochter nicht mehr gegessen, so daß sie ganz schwach ist. Seit einigen Tagen weint sie zu jeder Stunde, so daß sie ganz abgehärmt ist. Wenn es noch einige Zeit so fortgeht, wird deine Tochter sterben." Der Fürst sagte: "Geh zurück und sage meiner Tochter, ich ließe sie fragen, welches der Grund ihrer Traurigkeit sei." Die alte Sklavin ging. Nach einiger Zeit kam sie zum Fürsten zurück und sagte: "Ich habe in deinem Auftrage mit deiner Tochter gesprochen." Der Fürst sagte: "Was hat meine Tochter als Grund ihrer Traurigkeit angegeben ?" Die alte Sklavin sagte: "Deine Tochter läßt dir sagen, du hättest sie eingeschlossen gehalten von ihrer Geburt an bis heute. Alle ihre Gespielinnen dürfen frei umhergehen. Sie aber hat noch niemals die Natur und den Himmel gesehen. Sie sehnt sich danach so, daß sie glaubt, sterben zu müssen. Sie bittet dich, ihr einmal zu gestatten, in einer der Tochter eines Fürsten würdigen Art auszureiten." Der Fürst sagte: "In welcher Weise wünscht meine Tochter auszureiten ?" Die alte Sklavin sagte: "Deine Tochter bittet dich, ihr ein gutes Pferd zu geben. Sie bittet dich, ihr die vierzig schönen Mädchen der Stadt auf ihren Pferden mitzugeben. Sie bittet dich, ihrem Diener zu erlauben, auf dem Pferd und mit dem Säbel des fremden Mannes, den du neulich gefangen nahmst und der unten im Gefängnis starb, mitzureiten, damit jeder. mann so die Zeichen deines Triumphes, des Erfolges ihres Vaters, sieht." Der Fürst sagte: "Was wird geschehen, wenn ich meinet Tochter den Wunsch abschlage ?" Die alte Sklavin sagte: "So wird deine Tochter sicher aus Sehnsucht nach der Natur und dem Himmel sterben." Der Fürst sagte: "Wenn es sich so verhält, will ich den Wunsch meiner Tochter erfüllen."

Die alte Sklavin ging. Der Fürst gab alle Anordnungen. Das Pferd des Jägers und dessen Säbel wurden zum Hause der Fürstentochter



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gebracht. Die vierzig schönen Mädchen kamen auf ihren Pferden. Ein Sklave des Fürsten brachte eine herrliche Stute für das Fürstenkind. Die Fürstentochter kam herab. Sie bestieg das Pferd. Der Jäger stand als Diener neben ihr und half ihr. Der Jäger nahm den Säbel, der sein eigner war und bestieg das Pferd, das sein eignes war.

Die vierzig schönen Mädchen ritten voran. Das Fürstenkind folgte ihnen. Hinter ihr kam in gehöriger Entfernung der Jäger in der Kleidung eines Dieners. Der Fürst selbst kam angeritten. Er ritt neben seiner Tochter. Er fragte seine Tochter: "Bist du nun zufrieden ?" Die Tochter sagte: "Mein Vater, es ist alles unendlich schön, was du mir bislang vorenthalten hast. Es ist der schönste Tag meines Lebens." Der Fürst sagte: "Und hast du denn auch deinen Diener mit dem Pferd und dem Säbel des toten Gefangenen?" Die Tochter wies rückwärts und sagte: "Er reitet hinter uns." Der Fürst sagte: "Wenn dir das Reiten das erstemal nach deiner Krankheit zuviel wird, so kehre ja um, ehe du zu schwach wirst."Die Tochter sagte: "Laß mich mit den Mädchen nur noch etwas ins Freie vor die Tore der Stadt, damit ich auch diesen Anblick genieße." Der Fürst sagte: "Am Tore will ich euch an mir vorüberreiten lassen und selbst zurückkehren." Der Fürst ritt voraus.

Vor dem Tore hielt der Fürst. Die vierzig schönen Mädchen ritten grüßend an ihm vorüber. Seine Tochter ritt grüßend an ihm vorüber. Der Diener ritt grüßend an ihm vorüber. Der Zug ritt in die Wüste hinein. Der Fürst sah ihm nach. Nachdem der Jäger einige Schritte weit geritten war, wendete er sein Pferd und kehrte zum Fürsten zurück. Er hielt vor dem Fürsten. Er riß sein Dienerkleid herab und warf es dem Fürsten zu. Er sagte: "Es ziemt sich nicht, daß dein Schwiegersohn, der Sohn der einzigen Tochter eines Fürsten, am Tage des Ausrittes mit den vierzig schönsten Mädchen der Stadt ein Dienerkleid trägt." Der Fürst sagte: "Was soll das?" Der Jäger sagte: "Das soll heißen, daß dies der Hochzeitszug deiner Tochter ist, die sich heute mit deinem Gefangenen verheiratet. Wenn du aber damit nicht einverstanden bist, so kennst du ja meinen Säbel! Du hast ihn mir selbst gesandt. Die vierzig Mädchen führe ich aber ihren Gatten zu, und wenn du glaubst, mich hindern zu können, so tue es. Dein Schwiegersohn grüßt dich."

Damit ritt der Jäger hinter der Tochter des Fürsten und hinter den vierzig Mädchen her. Er setzte sich mit seiner Gattin an die Spitze des Zuges und führte ihn dem Hause seiner vierzig Schwäger zu.



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Der Jäger kam mit seiner zweiten Frau am Hause seiner Schwäger an. Das Haus lag mit geschlossenen Läden still da. Alle vierzig Schwäger trauerten. Als am Abend des zweiten Kampftages der Jäger nicht heimgekommen war, gerieten die vierzig Brüder in große Traurigkeit und sagten: "Unser Schwager ist getötet." Die Schwester sagte: "Ich glaube nicht, daß mein Gatte getötet ist."Die Schwäger blieben dabei. Sie ritten am folgenden Morgen aus, um mit dem Fürsten und seinen Leuten zu kämpfen. Aber es kam niemand zum Kampfe. Erstaunt kehrten sie heim. Die Schwester sagte: "Ich glaube nicht, daß mein Gatte getötet ist."Die Schwäger blieben dabei. Sie ritten jeden Morgen hinaus, um mit dem Fürsten und seinen Leuten zu kämpfen. Aber außer ihnen erschien niemand auf dem Kampfplatz. Da wurden sie noch trauriger, denn der alten Vereinbarung nach durfte keine Partei, die nicht besiegt war, das Gebiet der andern betreten. Und so glaubten die vierzig Brüder denn, daß sie nicht nur ihren Schwager, sondern auch die Möglichkeit, die vierzig Gattinnen zu gewinnen, verloren hätten. Sie schlossen also die Fensterläden und wurden alle Tage trauriger. Sie wurden so traurig, daß auch die Schwester mit ihrem festen Glauben an einen glücklichen Ausgang sie nicht mehr aufzuheitern vermochte.

Der Jäger kam mit den einundvierzig Frauen vor das Haus. Er schlug mit dem Säbel gegen die Tür. Die alte Negerin kam heraus und schlug die Hände zusammen. Die Schwester der Brüder schaute oben zum Fenster heraus und lachte. Die vierzig Brüder traten einer nach dem andern heraus, sahen die vierzig schönen Mädchen und neben sich die Augen. Der Jäger sagte: "Glaubt mir nur, ihr träumt nicht. Hier habe ich euch jedem die gewünschte Gattin, mir aber eine zweite Frau mitgebracht."

Sie veranstalteten ein großes Fest.



***
Drei Tage später schlug die erste Frau des Jägers die Karten. Sie schüttelte den Kopf. Sie legte sie zusammen und schlug sie noch zweimal. Sie ging darauf zu ihrem Gatten und sagte: "Mein Gatte, ich muß dir eine Bitte vortragen!" Der Jäger sagte: "Sage mir, was es ist." Die erste Frau sagte: "Geh auf die Jagd und erlege mir ein Federwild." Der Jäger sagte: "Weiter hast du nichts?" Die erste Frau sagte: "Weiter ist es nichts. Es ist aber ein große Bitte."Det Jäger ging hinunter, bestieg sein Pferd und ritt in die Wüste hinaus zur Jagd auf Federwild. Er ritt sehr weit, ohne etwas zu sehen. Ei


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blickte nach einer Spur von Wild irgendwelcher Art. Da sah er mit einem Male die Spur des Ungeheuers, des Luasch, die er verloren hatte, ehe er zum Hause der vierzig Brüder kam. Er verfolgte die Spur eine kurze Strecke, prägte sich die Stelle ein und kehrte eilig zurück.

Der Jäger trat zu seiner ersten Frau und sagte: "Bereite mir sogleich Speise für eine lange Wanderschaft. Ich will alsbald aufbrechen und weiß nicht, ob ich in einem Monat, in einem Jahr oder nach zwei Jahren zurückkehre." Die erste Frau nickte mit dem Kopfe und sagte: "Ich weiß es." Dann gab sie der Negerin den Auftrag, die Wegzehrung zu bereiten. Sie selbst aber schlug noch einmal die Karten, betrachtete sie eingehend und legte sie dann wieder fort. Der Jäger rüstete sich inzwischen. Er packte die Nahrung, seine Matte, seine Waffen und untersuchte das Geschirr seines Pferdes. Dann kehrte er zurück zu seiner ersten Gattin. Seine Gattin sagte: "Ich weiß, daß du vielleicht nach einem Monat, vielleicht erst nach einem, vielleicht erst nach zwei Jahren zurückkehren wirst. So laß mir denn ein Zeichen zurück, an dem ich immer erkennen kann, ob es dir wohl oder übel ergeht." Der Jäger nahm drei Blumen und gab sie seiner Gattin. Er sagte: "Solange die Blumen frisch sind, befinde ich mich wohl, wenn sie zu welken anfangen, geht es mir schlecht. Wenn die Blätter abfallen, bin ich tot." Die erste Gattin nahm die drei Blumen an sich und sagte: "Es ist gut." Der Jäger aber nahm Abschied und ritt von dannen.

Bald war der Jäger wieder auf der Spur des Ungeheuers. Sechs Monate lang, einen Tag nach dem andern, folgte der Jäger der Spur des Luasch. Sechs Monate lang sah er nichts als die Wüste (S'hära). Am ersten Tage des siebenten Monats langte er aber nahe einem Gehöft an, auf das er sogleich zuritt, da die Spur des Ungeheuers darauf zuführte. Am Gehöfttor angelangt, sprang er vom Pferde. Er führte sein Tier hinein und suchte den Stall auf. Im Stall stand ein sechsfüßiges Pferd. Der Jäger band sein Pferd neben dem sechsfüßigen fest. Dann sah er sich im Hofe nach einem Bewohner um, konnte aber nichts finden als eine Leiter, die zu einem obern Stockwerk hinaufführte. Der Jäger stieg hinauf und trat, da die Tür offen war, in die Kammer hinein. Er blickte in derselben umher und gewahrte sogleich, daß darin auf der einen Seite der fürchterliche Luasch lag, den er so lange gesucht hatte, der Luasch, der seine zwei Brüder getötet hatte, der Luasch, dessen Spur er in der Nähe des Hauses seiner ersten Frau verloren hatte.



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Aber das Ungeheuer schlief. Der Jäger sagte: "Gut; dann werde ich auch erst schlafen." Er legte sich also auf der andern Seite der Kammer auf eine Matte und schlief gleich ein. Nach einiger Zeit erwachte das Ungeheuer. Es erhob sich und entdeckte den schlafenden Jäger. Das Ungeheuer wollte sich auf ihn stürzen, um ihn zu verschlingen. Es hielt aber inne und sagte bei sich: "Als der Fremde herein kam und mich schlafend fand, hat er mich weder geweckt noch mir irgendein Leid angetan. Ich werde nicht anders wie der Fremde handeln." Darauf verließ das Ungeheuer die Kammer und stieg die Leiter hinunter.

Unten blickte das Ungeheuer in den Stall. Da stand neben seinem sechsfüßigen Pferde ein fremdes. Das Ungeheuer erstaunte und sagte: "Das muß das Pferd sein, das den Fremden, der jetzt oben schläft, hierher getragen hat." Dann geriet das Ungeheuer in Zorn und schrie: "Der Mann, der so furchtlos sein Pferd neben dem meinen im Staue anbindet, der hat Mut, der wünscht den Kampf, den kann ich wecken." Das Ungeheuer stürzte die Leiter wieder hinauf und wollte sich auf den Jäger stürzen. Der war aber inzwischen aufgewacht und erhob sich.

Das Ungeheuer fragte brüllend: "Welcher Wind hat dich hierher getragen?" Der Jäger antwortete: "Mein Pferd und meine Waffen haben mich hierher getragen." Das Ungeheuer sagte: "Wollen wir uns mit der Faust oder mit dem Säbel schlagen?" Der Jäger sagte: "Wir wollen uns mit dem Säbel schlagen. Ich bin bereit, sogleich mit hinunter zu kommen und den Kampf zu beginnen, denn ich habe vorzüglich geschlafen."

Der Jäger und das Ungeheuer stiegen die Leiter hinunter. Beide bestiegen ihre Pferde und ritten ein wenig vom Gehöft fort in die Sahara. Der Jäger sagte: "Schlag du zuerst!" Sie schlugen sich. Die Hufe der Pferde rissen Felsblöcke aus der Erde. Die Schläge der Säbel erzeugten Blitze, die ringsum die letzten Grashalme verbrannten. Einen Tag lang schlugen sie sich so. Sie hörten am Abend nicht auf. Den zweiten Tag lang schlugen sie sich so, eine zweite Nacht hindurch, den dritten, vierten, fünften Tag lang. Sie hörten mit dem Kampfe nicht auf vor dem Mittag des siebenten Tages. Da hatten die Pferde mit den Hufen rings herum Täler und Berge aufgewühlt und die Blitze der Säbelhiebe alles Gestein in der Runde schwarz gefärbt.

Das Ungeheuer wandte sein Pferd und sagte: "In dieser Weise können wir noch acht Tage fortfahren und werden doch nicht Wissen,



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wer der Stärkere ist." Der Jäger sagte: "Du hast recht! Wir Wollen es anders versuchen. Ich schlage es so vor. Einer von uns beiden reitet eine Stunde weit fort, wendet sein Pferd und jagt auf den andern zu. Wenn er in voller Wucht am andern vorbeireitet, muß er mit einem Griff diesen am Nacken packen und ihn in vollem Galopp aus dem Sattel heben. Wem es gelingt, den andern so vom Pferd zu bringen, der soll als Sieger gelten, dem soll sich der andere in Zukunft unterwerfen." Das Ungeheuer sagte: "Es ist mir recht so!" Der Jäger sagte: "Wer reitet zunächst an ?" Das Ungeheuer sagte: "Der Mann mit dem sechsfüßigen Pferd."

Das Ungeheuer ritt also eine Stunde weit von dannen, wendete dann sein Pferd und jagte im schnellsten Galopp auf den Jäger zu. Als es dicht beim Jäger war, streckte es die Hand aus; als es am Jäger vorbeischoß, packte er jenen am Nacken, um ihn herunter zu reißen. Der Jäger saß aber fest wie ein Berg, und als das Ungeheuer sich am Halse des Jägers fest anklammerte, brachte es damit nur sein eignes Pferd zum Stehen.

Der Jäger sagte: "Nun bin ich an der Reihe!" Der Jäger ritt von dannen. Er ritt eine Stunde weit. Dann wandte er sein Pferd und galoppierte zurück auf das Ungeheuer zu. Er beugte sich auf dem Pferde etwas vor. Er hob den Arm nicht früher, als bis er gerade neben dem Ungeheuer vorbeischoß, dann aber packte er auch dessen Nacken, hob es hoch in die Luft, wirbelte es einmal herum, drückte es unter den Arm und sagte: "Wer hat den andern besiegt?" Das Ungeheuer sagte: "Der Mann die Frau."

Der Jäger hielt sein Pferd an. Er setzte das Ungeheuer auf die Erde und sagte: "Was sagst du?" Das Ungeheuer sagte: "Ich bin eine Frau." Der Jäger sagte: "Du bist behaart." Das Ungeheuer trat heran, drückte des Jägers Hand auf sein Herz und sagte: "Bin ich keine Frau?" Da wurde der Jäger zornig und rief: "Schande über mich, ich, der ich eine ganze Mahalla (Kriegsmacht) zu besiegen imstande bin, ich -ich -kämpfe mit einer Frau! Kämpfe mit ihr eine Woche lang. Fluch und Schande über mich!" Das Ungeheuer sagte: "Gräme dich nicht! Sei nicht ungerecht gegen dich. Bedenke, daß ich in dieser Gestalt drei Länder verwüstet und die Männer dreier großer Länder getötet habe, ohne je einen zu finden, der mir hätte Widerstand leisten können. Aber komm nun mit zu mir hinauf, wir wollen gemeinsam von der Arbeit dieser sieben Tage ausruhen."

Der Jäger folgte dem Ungeheuer. Sie banden ihre Pferde unten im Stall an. Sie gingen oben hinauf in ihr Zimmer. Das Ungeheuer



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sagte: "Nun sollst du alles erfahren. Wir wollen erst die Karten schlagen und nach unserm Schicksal sehen. Das Ungeheuer schlug die Karten und sagte: "Sieh selbst!" Der Jäger sah, daß das Ungeheuer bestimmt war, seine dritte Frau zu werden. Der Jäger sprang auf. Er rief entsetzt: "Was, dich soll ich heiraten, dich Ungeheuer?" Das Ungeheuer raffte die Karten zusammen, reichte sie ihm und sagte: "Schlage sie selbst!" Der Jäger nahm die Karten. Der Jäger legte sie. Er sagte: "Es ist wahr!" Der Jäger rief: "Was, dich soll ich heiraten, die du meine beiden Brüder getötet hast?" Das Ungeheuer sagte: "Deine Brüder mußte ich töten. Wie sollte ich, die ich euer Land erst betreten darf, nachdem ich Frau geworden sein werde, dich sonst auf meine Spur bringen? Nur dadurch konnte ich dich zwingen, meiner Spur zu folgen und mit mir zu kämpfen. Ohne den Kampf mit dir wäre der Fluch, der auf mir ruht, nie von mir gewichen, und ich hätte nie wieder meine eigentliche Gestalt zurückgewinnen können. Also schlage die Karten noch einmal und erstaune über nichts, was du dann sehen wirst." Der Jäger griff nochmals die Karten, er warf sie, er sah wieder, daß das Ungeheuer ihm zur Frau bestimmt war, aber gleichzeitig breitete sich ein helles Licht im Zimmer aus. Der Jäger blickte auf. Das Ungeheuer stand als eine leuchtend und unvergleichlich schöne Frau vor ihm. Die schöne Frau kniete vor ihm nieder, küßte seine Hand und sagte: "Ich danke dir, daß du mir meine wahre Gestalt wiedergegeben hast, indem du mich überwandest. Ich danke dir und werde dir immer danken."

Der Jäger blickte voller Erstaunen auf seine dritte Frau. Am gleichen Tage noch veranstalteten sie die Hochzeit.

Sie waren seit drei Tagen miteinander verheiratet, da sagte die junge Frau zu ihrem Gatten: "Ich bitte dich, geh auf die Jagd und erlege mir ein Wildbret." Der Jäger sagte: "Ich kann dich nicht verlassen. Wenn ich mich nur eine kurze Strecke weit entfernen würde, würde mich die Sehnsucht packen und mich nach dir zurückziehen." Die junge Frau sagte: "So will ich dir ein Bild von mir mitgeben. Wenn dich die Sehnsucht packt, so zieh es heraus und betrachte es. Dann wird deine Sehnsucht befriedigt sein. Denn jeder, der dies Bild sieht, glaubt, mich lebendig vor sich zu haben." Die junge Frau brachte das Bild herbei. Der Jäger betrachtete es. Der Jäger sagte: "Jetzt besitze ich dich in der Tat zweifach."

Mit dem Bilde im Kleide begab sich der Jäger auf die Jagd. Er ritt



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eine Weile dahin, dann überkam ihn die Sehnsucht nach seiner dritten Frau. Er zog das Bild heraus, betrachtete es eine lange Zeit und steckte es dann wieder fort. Er ritt ein Stück weiter, verfiel abermals in Sehnsucht nach seiner Frau und zog das Bild heraus. Nachdem er es wieder eine lange Zeit betrachtet hatte, tat er es in seine Kleider. Abermals ritt er ein Stück. Als er jedoch wieder von der Sehnsucht gepackt wurde und wiederum das Bild hervorzog, kam ein Windstoß, riß das Blatt mit dem Bilde ihm aus der Hand und trug es hoch oben in der Luft fort.

Der Jäger erschrak. Er behielt das herumflatternde Bild im Auge. Er gab seinem Pferde die Sporen und jagte hinter ihm her. Eine lange Zeit sah er es im Zickzackzug, bald hier, bald dort flattern, dann kam aber ein stärkerer Wind und trug es schnell aus der Gesichtsweite fort. Der Jäger suchte noch eine Weile nach dem Bilde, dann machte er sich traurig auf den Heimweg. Er kam zurück. Er begrüßte seine dritte Frau und sagte sogleich: "Ich bin sehr traurig, denn der Wind hat das Bild weggenommen, das dir so ähnlich war." Die dritte Frau erschrak und sagte: "Dieses wird ein großes Unglück geben. Nun es aber geschehen ist, wollen wir uns nicht weiter der Trauer hingeben, sondern unser Glück genießen."

Das Blatt mit dem Bilde der dritten Frau flog weit fort und fiel zuletzt einem Hirten gerade vor die Füße. Der Hirt nahm das Bild auf und betrachtete es. Er sah das Bild und sagte: "Eine schöne Frau ist mir durch die Luft zugeflogen. Sie ist aber zu schön für mich. Ich werde sie meinem Herrn bringen, daß der sie heirate. Es ist nicht eine Frau für einen armen Hirten. Es ist eine Frau für einen reichen Dorfherrn." Das Bild war nämlich so gemalt, daß jeder, der es nicht wußte, glauben mußte, er habe eine lebende Frau vor sich.

Der Hirt verbarg das Bild sorgfältig in seinem Kleide. Dann trieb er schnell die Herde heim. Als er so früh am Tage schon mit der Herde von der Weide zurückkam und der Dorfherr ihn sah, rief er ihm zornig zu: "Weshalb bringst du mir meine Herde so früh schon zurück? Wie kommst du dazu?" Der Hirt sagte: "Es ist mir durch die Luft eine Frau zugeflogen, die ist zu gut für mich. Sie ist so schön, daß sie würdig ist, deine, des Dorfherrn, Gattin zu werden. Deshalb habe ich sie dir sogleich hierher gebracht." Der Dorfherr erstaunte. Der Schäfer zog aber das Bild aus der Tasche und gab es dem Dorfherrn. Der Dorfherr nahm das Bild und betrachtete es eine lange Zeit. Der Dorfherr betrachtete das Bild und sagte kein Wort. Der Dorfherr stand und betrachtete das Bild.



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Nach einiger Zeit entfernte sich der Dorfherr schweigend und immer das Bild betrachtend. Er ging in die hinterste Kammer seines Gehöftes, schloß hinter sich die Tür, stellte das Bild auf eine Bank und hockte sich davor nieder. Er wandte keinen Blick von dem Bilde und wartete darauf, daß das Bild den Mund öffnen und sprechen würde. Denn auch er glaubte, daß das Bild ein lebendiger Mensch sei. Über dieses Bild vergaß der Dorfherr Essen, Trinken und Schlafen. Tagaus, tagein hockte er vor dem Bilde und wartete darauf, daß es anfange zu sprechen.

Niemand im Dorfe wußte, wo der Dorfherr hingegangen und was ihm zugestoßen war, denn der Schäfer hatte seine Herde wieder auf die Weide getrieben. Nach einiger Zeit suchten die Frauen, die das Essen bereitet hatten, den Dorfherrn. Sie suchten ihn. Sie fanden ihn nicht. Es kamen Leute, die mit dem Dorfherrn wichtige Sachen verhandeln wollten. Sie suchten ihn. Sie fanden ihn nicht. Es kamen viele Leute in allerhand Angelegenheiten. Sie suchten alle den Dorfherrn. Aber niemand fand ihn. Das ganze große Dorf war in Aufregung darüber, daß der Dorfherr verschwunden war. Zehn Tage lang suchte man den Dorfherrn, ohne ihn zu finden.

Im Dorfe war eine überaus schlaue, alte Frau; die war verschlagen und vertraut mit allen Schlichen. Als sie hörte, daß man den Dorfherrn nicht finden könne, machte sie sich insgeheim auf den Weg und schaute von außen durch alle Ritzen der Kammern. So gewahrte sie denn in der hintersten Kammer den Dorfherrn und sah ihn, wie er vor dem Bilde hockte und es ununterbrochen anstarrte. Sie ging zu den angesehenen Männern des Dorfes und sagte: "Was gebt ihr mir, wenn ich euren Dorfherrn auffinde und wieder unter euch bringe?" Die Männer boten eine große Summe. Die Alte sagte: "Das genügt mir nicht." Die Männer boten noch mehr. Sie sagte: "Für diese Summe will ich es tun, denn die Sache kann mich alle Knochen kosten. Schwört mir, daß ihr mir diese Summe zahlen wollt." Die angesehenen Männer schworen es. Die alte Frau kehrte zum Gehöft des Dorfherrn zurück.

Bis zur hintersten Kammer ging die alte Frau; dort klopfte sie. Der Dorfherr starrte auf das Bild und antwortete nicht. Die Alte klopfte stärker. Der Dorfherr antwortete nicht. Die Alte rief: "Laß mich herein." Der Dorfherr antwortete nicht. Vorsichtig öffnete die alte Frau die Tür. Der Dorfherr beachtete es gar nicht. Die alte Frau sprach den Dorfherrn an. Der Dorfherr beachtete es gar nicht. Da



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ging die alte Frau und stellte sich zwischen den Dorfherrn und das Bild, so daß er es nicht mehr sehen konnte.

Der Dorfherr herrschte die alte Frau zornig an. Der Dorfherr sagte: "Geh weg und störe die schöne Frau nicht, sie wollte soeben den Mund öffnen und sprechen." Die alte Frau sagte: "Vergib mir, aber du irrst dich. Dies ist kein lebender Mensch, es ist nur ein Blatt Papier, auf dessen einer Seite eine sehr schöne Frau abgemalt ist. Das Bild der schönen Frau lebt nicht. Es ist aber nach dem Leben gemalt. Die schöne Frau selbst lebt aber. Und wenn du nicht leben kannst, ohne sie sprechen zu hören oder gar zu besitzen, so will ich sie herschaffen. Dies ist jedoch sehr schwer, denn es ist die Frau eines andern Mannes und zwar eines sehr starken Jägers, so daß mich der Versuch die Gesundheit meiner Glieder kosten kann. Zahlst du mir jedoch eine sehr hohe Summe, so will ich mich anheischig machen, die Frau herbeizuschaffen. —Sieh aber selbst, daß dieses hier nur ein Bild ist." Die Alte trat zur Seite und wendete das Blatt um, so daß der Dorfherr statt des Bildes nur ein Papierblatt sah.

Der Dorfherr rieb sich die Augen und nahm Vernunft an. Er sagte: "Welche Summe verlangst du von mir, wenn es dir gelingt, die Frau hierher zu bringen?" Die alte Frau nannte die Summe und fügte hinzu: "Dazu mußt du mir aber noch zwanzig bewaffnete Männer geben, die meinen Befehlen untergeordnet sind." Der Dorfherr war damit einverstanden. Er verschloß das Bild in eine Truhe und trat wieder unter seine Leute, von denen er freudig begrüßt wurde.

Die alte Frau machte sich mit den zwanzig bewaffneten Leuten auf den Weg. Sie wanderte mit ihrer Begleitung weit fort, bis sie eines Tages in der Nähe des Gehöftes war, in dem der Jäger mit seiner dritten Frau wohnte. Die alte Frau versteckte die zwanzig Mann in der Nähe, verabredete ein Zeichen, auf das hin sie in das Gehöft einrücken sollten und machte sich dann in der Kleidung einer alten Bettlerin zu dem Besuche fertig. Sie kam an das Gehöft. Sie bemerkte, daß der Jäger ausgeritten war. Sie rückte ein Bündel Stroh unter das Fenster der Kammer, in der die dritte Frau des Jägers weilte.

Die alte Frau stieg als Bettlerin die Leiter hinauf zu der schönen jungen Frau. Kaum erblickte die aber die Alte, so packte sie sie auch schon und warf sie zum Fenster hinaus. Die Alle fiel unten auf das Stroh, so daß ihr nichts geschah, schleuderte das Stroh aber schnell zur Seite und stellte sich bewußtlos. Nach einiger Zeit kam der Jäger heim. Er sah die alte Frau liegen. Er hob sie auf und trug sie



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hinauf in die Kammer. Er legte sie auf sein Bett und sagte zu seiner Frau: "Diese alte Bettlerin fand ich unter deinem Fenster. Sie wird halb verhungert sein. Wir wollen sie pflegen." Die dritte Frau sagte: "Diese Alte da ist nicht halb verhungert, sondern wird im schlimmsten Falle einige Knochen gebrochen haben, denn ich selbst habe sie aus dem Fenster geworfen. Es ist eine schlimme Person, die nur unser Unglück will, und die uns sicher Unglück bringen wird, wenn wir sie beherbergen."

Der Jäger sagte: "Du hast Unrecht getan, die alte Bettlerin so schlecht zu behandeln. Was soll eine solche alte Frau uns für Unglück zufügen können. Wir wollen die alte Frau pflegen."Die schöne Frau sagte: "Wenn du es verlangst, muß ich dir gehorchen. Jetzt sehe ich selbst noch klar in der Sache. Nachher aber wird die auch mich rühren und meine Zweifel zerstreuen und dann werde ich nicht mehr stark genug bleiben, das Unheil abzuwenden. Ich bitte dich, laß uns die Alte wegbringen." Der Jäger sagte: "Nein, wir können sie nicht wegbringen. Du hast ihr Unheil bereitet, nun müssen wir sie pflegen." Die junge Frau seufzte und sagte: "Wir wollen verfahren, wie du es verlangst."

Die alte Frau blieb im Walde. Die alte Frau wurde von der jungen, schönen Frau gepflegt. Die alte Frau fand für die junge Frau schöne Worte. Die alte Frau unterhielt die junge, wenn der Jäger abwesend war. Sie erzählte aus ihrem eigenen Leben und daß sie selbst einst schön und jung gewesen sei, dann aber viel Unglück erlebt habe. Sie sagte nicht, daß sie mehr Schlechtigkeiten begangen habe, als sonst irgendein Mensch, und daß sie geldgierig war, wie nur je eine Frau solcher Art. Sie erlog aber, wie sie hier und da den Menschen Gutes erwiesen habe, ohne je einen Lohn zu verdienen und wie sie jeden Pfennig, den sie durch die Menschen gewinne, mit andern armen Leuten teile.

Eines Tages war der Jäger wieder abwesend. Die junge Frau saß am Lager der Alten. Die Alte legte die Hand auf den Leib der jungen und weinte. Die junge Frau fragte: "Weshalb legst du deine Hand auf meinen Leib? Weshalb weinst du ?" Die Alte sagte: "Ich denke daran, daß du eines Tages Mutter werden und dann vielleicht ganz allein hier in der Wüste sein wirst." Die junge Frau sagte: "Ich habe einen starken, jungen Gatten, der mir immer zur Seite stehen wird." Die alte Frau sagte: "Auch dein Mann kann einmal getötet werden, er kann leichter getötet werden als ein andrer, denn er liebt die Abenteuer." Die junge Frau sagte: "Mein Mann kann nicht getötet



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werden, denn sein Leben ist mit einem Zaubergeheimnis verbunden. Die Alte sagte: "Das behaupten viele solcher jungen Leute. Sie glauben es auch. Aber man muß solche Zaubergeheimnisse kennen, um sie abmessen und schätzen zu können." Die junge schöne Frau sagte: "Was mein Mann sagt, ist wahr." Die alte Frau sagte: "Alle jungen Frauen sagen: ,Was mein Mann sagt, ist wahr.' Aber wenn es darauf ankommt, den eignen Mann zu schützen, dann wissen sie sich nicht zu helfen, weil sie beizeiten nicht gefragt haben, wie man dies macht, und weil sie sich von uns alten Frauen nicht beizeiten darüber haben belehren lassen, wie sie die Geheimnisse schützen können."

Die junge Frau dachte nach. Die junge Frau vergaß die Worte der alten Frau nicht mehr. Die junge schöne Frau sagte bei sich: "Es ist wahr, ich muß das Lebensgeheimnis meines Gatten kennenlernen, um ihn schützen zu können." Eines Nachts sprachen der Jäger und seine junge Frau miteinander. Die junge Frau sagte: "Ich habe bei deiner Freude an Ritt, Jagd und Kampf doch viel Sorge, daß du mir eines Tages sterben könntest." Der Jäger lachte und sagte: "Mein Leben beruht in einem Geheimnis, das niemand kennt, und deshalb kann mich auch niemand töten." Die junge Frau sagte: "So sage es mir, daß meine Sorge schwindet." Der junge Jäger sagte: "Nur wenn mir ein Haar aus dem Wirbel des Hinterkopfes ausgerissen wird, kann ich wirklich sterben."

Die junge Frau dachte viel darüber nach. Die junge Frau sagte: "Ich will einmal mit der Alten darüber sprechen, wie man dies Lebensgeheimnis schützen kann. Ich werde ihr nicht sagen, daß es das Lebensgeheimnis meines Gatten ist." Die junge Frau saß einmal wieder allein am Lager der alten Frau. Sie sagte: "Wie kann man einen Mann schützen, dessen Leben daran hängt, daß ihm niemals jemand ein Haar aus dem Wirbel des Hinterkopfes abreißt." Die alte Frau sagte: "Ich werde darüber nachdenken, und ich werde du in einigen Tagen Bescheid geben. Ich glaube aber, ein solcher Mensch ist so geschützt, daß ihm niemand etwas anhaben kann: denn das errät niemand." Darauf ward die junge Frau ruhig.

In der kommenden Nacht erhob sich die Alte ganz leise von ihren Lager. Sie schlich zum Lager der jungen, schönen Frau und über. zeugte sich, daß diese fest schlief. Dann schlich sie zum Lager des Jägers und sah, daß dieser auch fest schlief. Er lag aber auf dei Seite und hatte ihr den Rücken zugedreht. Da ergriff sie eines seiner Haare am Wirbel des Hinterkopfes und riß es aus. Sie zitterte abei



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doch vor Furcht, und so kam es, daß sie das Haar nur zur Hälfte abriß, sie ließ es fallen und lief hinweg.

Sowie das Haar des Jägers abgerissen war, verfiel er, wie er lag, in eine schwere Ohnmacht. Er hatte große Schmerzen, konnte sich weder rühren noch bewegen. Er starb jedoch nicht, denn das Haar war nur zur Hälfte abgerissen. Inzwischen eilte die alte Frau aus dem Hause und gab das Zeichen, auf das hin die bewaffneten zwanzig Männer aus ihrem Versteck herbeieilten. Sie führte die zwanzig Männer in die Kammer, in der die schlafende junge Frau und der ohnmächtige Jäger lagen. Sie fesselten die schlafende Frau und schleppten sie trotz ihres Widerstandes herunter. Die alte Frau ließ das sechsfüßige Pferd der jungen Frau und das Pferd des Jägers aus dem Stall nehmen und zog mit ihren Leuten und mit ihrer Beute heim zu dem Dorfherrn.

Die alte Frau führte dem Dorfherrn ihre Beute vor und sagte: "Hier hast du, wonach du dich so sehntest. Zahle mir nun meinen Lohn. Die schöne Frau und das sechsfüßige Pferd sind zunächst noch etwas wild, das wird sich aber legen, so wie sie sich ein wenig beruhigt haben." Der Dorfherr war sehr glücklich über den Erfolg. Er zahlte der alten Frau ihren Lohn aus. Dann jedoch brachte er die junge Frau in die hinterste Kammer, in der auch das Bild verschlossen war, schloß die Tür hinter der Widerstrebenden ab und stellte die beiden Pferde in seinen Stall.

Nach einiger Zeit sandte er eine Magd mit Essen in die Kammer der gefesselten Frau und einen Burschen mit Futter in den Stall zu den beiden Pferden. Die junge Frau hatte sich in ihrem Zorn sogleich in eine Teriel verwandelt. Als die Magd mit dem Essen in ihre Kammer trat, verschluckte sie das Essen und die Magd gleichzeitig, und als der Bursche mit dem Futter in den Stall zu dem sechsfüßigen Pferde trat, verschluckte das Pferd das Futter mit dem Burschen gleichzeitig. Das erschreckte alle Leute im Dorfe und den Dorfherrn auch. Niemand wußte, was mit der schrecklichen, schönen Frau und dem entsetzlichen sechsfüßigen Pferde zu tun sei.




***
Die erste Frau des Jägers, die Schwester der vierzig Brüder, blickte jeden Morgen nach den drei Blumen, die der Gatte zurückgelassen hatte. Lange Zeit hindurch waren sie frisch und farbig. Eines Tages begannen sie aber zu welken. Die erste Frau des Jägers verwandte nun keinen Blick mehr von den drei Blumen. Sie sah, daß die Blätter der Blüten welk waren, daß sie aber nicht abfielen. Die Schwester


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ging zu der alten Sklavin und sagte: "Bereite mir Essen, ich will eine Wanderung antreten. Mein Mann ist schwach und krank. Er ist aber nicht todeswund, und so will ich zu ihm wandern und ihm beistehen." Die alte Negersklavin bereitete Essen. Die erste Frau rüstete ihr Pferd, legte Männerkleider an und nahm eine Büchse mit Henna (henni, rote Farbe), eine Schere (thimksi[n]) und Kamm (timschat) mit und begab sich auf die Wanderschaft. Die erste Frau wanderte sehr lange und sehr weit. Sie trug stets die drei Blüten bei sich, die der Gatte ihr zurückgelassen hatte. Sie betrachtete sie jeden Morgen und jeden Abend und fand stets, daß die Blätter im Zustande des Verwelkens blieben, ohne daß sie abfielen.

Eines Tages langte die erste Frau beim Gehöft der dritten Frau ihres Gatten an. Sie stieg ab und ging hinauf in die Kammer. Da lag der junge Jäger voller Schmerzen, aber in vollkommener Ohnmacht, unfähig sich zu bewegen oder sich zu regen. Die erste Frau kniete sogleich am Lager ihres Gatten nieder. Sie beschaute ihn sehr genau. Sie betrachtete seinen Kopf und seine Haare. Sie bemerkte, daß ein Haar am Wirbel des Hinterkopfes abgerissen war und nahe dabei lag. Sie betrachtete es genau und erkannte, daß es gewaltsam abgerissen war. Nun nahm sie ihre Schere hervor und schnitt sämtliche andern Haare genau so weit ab, wie jenes abgerissen war. Alsdann nahm sie die Büchse mit der roten Farbe und rieb die Kopfhaare damit ein, goß Öl darüber, und zum Schluß kämmte sie den Kopf lange und sorgfältig.

Die erste Frau richtete sich im Hause ein. Jeden Tag behandelte sie die Kopfhaare ihres Gatten mit Henna, Öl und Kämmen. Sie war dabei so sorgfältig, daß sie auf jedes einzelne Haar achtete, damit keines weniger gefärbt, geölt und gekämmt wurde als das andre. Als sie am sechsten Tage am Morgen den ersten Blick auf die drei halbwelken Blüten warf, erkannte sie, daß sie begannen, sich zu erholen, und als sie zum Lager des kranken Gatten trat, sah sie, daß seine Haare zu wachsen begannen. Da fuhr sie dann mit doppelter Sorgfalt mit dem begonnenen Werke fort.

Die Haare begannen ganz langsam zu wachsen. Die erste Frau flößte ihrem Gatten jeden Tag ein wenig Nahrung ein. Eines Tages erwachte er aus seiner Ohnmacht, er wandte seinen Kopf um. Er erkannte aber nicht, daß es seine erste Frau war, die neben ihm kniete. Die erste Frau kämmte ihn täglich, die Haare wuchsen. Als er wieder eines Morgens erwachte, erkannte er seine erste Frau und sagte:



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"Also du bist gekommen!" Er weinte. Die Haare wuchsen. Der Ja.. ger erholte sich schnell.

Eines Tages sagte der Jäger zu seiner ersten Frau: "Ich glaube, ich bin genesen und stark wie früher." Die erste Frau sagte: "Wie stark warst du früher ?" Er sagte: "Ich konnte acht Doppellasten über den Kopf heben." Die erste Frau trug acht Doppellasten herbei und sagte: "Nun versuche es!" Er hob die acht Doppellasten, konnte sie aber nur bis zur Höhe des Knies bringen. Die erste Frau sagte: "Du bist noch nicht genesen", und sie setzte ihre Pflege fort. — Einige Tage später sagte er: "Ich glaube, ich bin genesen und stark wie früher." Die erste Frau sagte: "Wie stark warst du früher?" Er sagte: "Ich konnte sechzehn Doppellasten über den Kopf heben." Die erste Frau trug sechzehn Doppellasten herbei und sagte: "Nun versuche es!" Er hob die sechzehn Doppellasten, konnte sie aber nur bis zur Höhe der Brust bringen. Die erste Frau sagte: "Du bist noch nicht genesen", und sie setzte ihre Pflege fort. —Einige Tage später sagte er abermals: "Ich glaube, ich bin genesen und stark wie früher." Die erste Frau sagte: "Wie stark warst du früher ?" Er sagte: "Ich konnte vierundzwanzig Doppellasten über den Kopf heben." Die erste Frau trug vierundzwanzig Doppellasten herbei und sagte: "Nun versuche es!" Er hob die vierundzwanzig Doppellasten bis über den Kopf!" Die erste Frau sagte: "Jetzt bist du stark wie früher. Deine Haare sind auch so lang gewachsen, daß sie bis zu den Füßen herunterreichen. Jetzt geh hin und ordne deine Angelegenheiten." Dann ging die erste Frau hinunter, bestieg ihr Pferd und ritt wieder heim.

Der Jäger suchte nun nach seiner Gattin, fand sie aber nirgends in der Gegend. Er suchte die Pferde, fand sie aber nicht im Gehöft, wohl aber sah er, daß die Spur des sechsfüßigen Pferdes weit hinausführte. Darauf legte er das Kleid eines heiligen Wanderers an und ging hinter der Spur des sechsfüßigen Pferdes her. Er hatte eine Trommel genommen und sang dazu. Nachdem er weit gewandert war führte ihn die Spur in das Dorf des Dorfherrn. Er ging auf den Männerversammlungsplatz, setzte sich dahin, schlug die Trommel und sang heilige Lieder.

Als er eine Pause machte, fragten ihn die Männer auf dem Versammlungsplatze: "Was bist du und was ist dein spezieller Beruf.' Der verkleidete Jäger sagte: "Ich bin ein Prophet (= 'suhaba) und kann im besonderen gut kranke Pferde heilen." Die Männer sagten: "Da kannst du hier deine Kunst zeigen." Sie führten ihn zu denn



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Dorfherrn und sagten dem, was der Suhaba für eine spezielle Befähigung habe. Der Dorfherr sagte: "Komm, Suhaba, und sieh ein ganz besonderes Pferd, das sehr krank ist." Er zeigte ihm das sechsbeinige Pferd der dritten Frau des Jägers. Der verkleidete Jäger fragte: "Was fehlt dem Pferde?" Der Dorfherr sagte: "Das Pferd frißt Knaben." Der verkleidete Jäger sagte: "Das ist nicht möglich! Diese Krankheit ist sehr schwer zu heilen." Der Dorfherr sagte: "Sie ist aber zu heilen." Der verkleidete Jäger sagte: "Ja, es ist nicht unmöglich."Der Dorf herr zog plötzlich seinen Säbel und sagte: "Sogleich heilst du mein Pferd, oder ich schlage dir den Kopf ab." Der verkleidete Jäger tat, als ob er über diese Drohung erschrak, trat dann aber zu dem Pferde und flüsterte ihm ins Ohr: "Ich bin es, der Gatte deiner Herrin. Ich werde euch frei machen. Sei zahm!" Hierauf nickte das Pferd mit dem Kopfe und rieb ihn dann an seiner Schulter. Alles erstaunte. Der verkleidete Jäger sagte: "Ihr könnt dem Pferde jetzt ohne Furcht Essen bringen. Es ist geheilt und wird niemand mehr verschlingen." Ein Bursche brachte auf Befehl des Dorfherrn Futter. Das Pferd nahm das Futter und tat dem Burschen nichts. Da waren allen Umstehenden noch viel mehr erstaunt und priesen den Suhaba.

Insgeheim trat aber einer der Leute zu dem Dorfherrn und fragte ihn: "Sollte dieser Bursche nicht auch imstande sein, die Menschen verschlingende, schöne Frau zu heilen, die du in deiner Kammer eingeschlossen hältst?" Der Dorfherr sagte: "Wahrhaftig, du hast recht!" Und er wandte sich wieder zu dem verkleideten Jäger und sagte: "Könntest du vielleicht auch eine Frau heilen, die ähnlich krank ist, nämlich die Gewohnheit hat, mit dem Essen zusammen die Zutragmägde zu verschlingen?" Der verkleidete Jäger sagte: "Es gibt Suhabas, die das recht gut verstehen. Ich habe es mir auch einige Male erklären lassen; aber jeder Suhaba hat seine Besonderheiten, und meine sind die Pferde und nicht die Frauen." Da erhob der Dorfherr seinen Säbel und sagte: "Suhaba, entweder du heilst meine Frau, oder ich schlage dir den Kopf ab."Darauf brachte man den verkleideten Jäger zu der äußersten Kammer, in der die schön€ Frau eingeschlossen war, öffnete ein wenig, stieß ihn hinein und verschloß sie wieder.

Die dritte Frau erkannte ihren Gatten. Sie kam ihm entgegen. Si sagte: "Also bist du doch noch am Leben geblieben und hast der Weg zu mir gefunden. Ich bin hier dein geblieben und habe das erreicht, indem ich mich jedesmal, wenn sich jemand näherte, in eine



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Teriel verwandelte und ihn verschlang. So kam der Dorfherr nicht dazu, mich zu heiraten. Du hast nun selbst erfahren, daß ich recht hatte, indem ich jenes alte Weib zum Fenster hinauswarf." Der Jäger sagte: "Du hattest recht. Nun wollen wir uns aber des Wiederfindens freuen und überlegen, wie wir herauskommen." Die schöne Frau sagte: "Das hat keine Eile. Die Dorfleute schicken mir durch jenen Fensterspalt täglich so viel Essen herein, daß wir uns beide damit sättigen können. Sie haben aber solche Angst vor mir, daß keiner hereinkommen wird, um nach dir zu sehen."

Einen Monat blieb der Jäger ungestört in der Kammer bei seiner Frau. Im Laufe dieses Monats fanden sie das Bild in der Truhe und nahmen es an sich. Die Leute glaubten aber alle, der Suhaba sei von der wilden Frau verschlungen worden. Nach einem Monat öffnete der verkleidete Jäger die Kammer, trat hinaus und schloß sie hinter sich wieder. Alle Leute kamen zusammen und staunten ihn an. Der Dorf herr fragte: "Was hast du den Monat lang in der Kammer gemacht." Der verkleidete Jäger sagte: "Ich habe für die Besserung der unglücklichen Frau gebetet." Der Dorfherr sagte: "Hast du etwas erreicht ?" Der verkleidete Jäger sagte: "Gerade heute ist die Besserung eingetreten, gerade heute hat sie angefangen zu sprechen." Der Dorfherr wurde sehr erregt und fragte: "Was hat sie denn gesprochen?" Der verkleidete Jäger sagte: "Sie hat erst gemeint, du wolltest ihr die Schande antun, sie ohne (das übliche) Fest zu heiraten. Der Gedanke an die Schande hat sie krank gemacht. An sich ist sie jetzt aber zur Ehe mit dir bereit, wenn du ihr das Fest nach der Art ihrer Heimat bereiten willst." Der Dorfherr sagte: "Wie ist das ?" Der verkleidete Jäger sagte: "Bei ihrer Familie ist es Sitte, daß am Festtage die Braut auf ihrem eignen Pferde mit zwanzig Mädchen auf Pferden herumreitet. Sie bittet dich ferner, mich mitreiten zu lassen, damit ich, wenn die Traurigkeit sie wieder überfallen sollte, über ihr beten kann." Der Dorfherr war erfreut über diese Nachricht und bereitete sogleich alles zum Feste vor.

Am andern Tage ritten zwanzig Mädchen im Zuge voraus. Danach folgte die schöne, junge Frau auf ihrem sechsfüßigen Pferde, auf der einen Seite der verkleidete Jäger auf seinem Pferde und auf der andern der Dorfherr. Die junge, schöne Frau war erst still, dann wurde sie fröhlich. Sie sagte zum Dorfherrn: "In meinem Dorfe ist es Sitte, daß die Braut am Festtage mit einem Mann um die Wette reitet. Ich möchte mit dem Suhaba um die Wette reiten." Der verkleidete Jäger sagte: "Ich bin ein Suhaba und kann mich kaum auf



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dem Pferde halten. Wie soll ich gar wettreiten!" Der Dorfherr sagte: "Du versuchst es, oder ich schlage dir den Kopf ab." Der verkleidete Jäger tat, als versuche er und ritt mit der jungen, schönen Frau an. Dann ließ er sich herunterfallen. Die junge, schöne Frau wandte sich Um, lachte und kam zurück. Sie versuchten es noch einmal. Wieder ließ der verkleidete Jäger sich vom Pferde fallen und wieder kam die vorausgeschossene junge Frau zurück. Sie lachte und verlangte, der Suhaba müsse es noch einmal versuchen. Der verkleidete Jäger und Seine Frau ritten an. Diesmal preßte der Jäger die Sporen dem Pferde in die Weichen. Er riß die Gandura des Suhaba vom Leibe, warf sie dem erstaunten Dorfherrn zu und rief: "Den Suhaba behalte hier. Meine Frau nehme ich mit. Nun sieh, wie du sie wieder bekommst."

Während er sich umwandte und dem Dorfherrn etwas zurief, merkte er nicht, daß eine alte Frau des Weges kam. Er ritt sie um. Sein Pferd zertrat ihr mit den Hufen den Kopf. Die junge Frau aber lachte und sagte: "Jetzt hast du die totgeritten, die ich nur zum Fenster hinausgeworfen habe!"

Nachdem der Jäger mit seiner jungen, schönen Frau ein Stück weit geritten war, hielt er das Pferd an und sagte: "Wohin reiten wir?" Seine Frau sagte: "Wir reiten dahin, wo deine erste Frau mit ihren Brüdern und deiner zweiten Frau sind." Der Jäger war einverstanden. Sie ritten lange Zeit dahin. Sie langten an. Die Freude der vierzig Brüder war groß, als sie den Jäger wiedersahen. Sie wurden aber traurig, als der Jäger eines Tages sagte: "Ich bin nun lange herumgezogen. Ich sehne mich danach, meine Mutter und meinen Vater wiederzusehen. Erlaubt mir, daß ich mit eurer Schwester und mit meinen andern Frauen heimkehre." Zögernd stimmten sie zu.

Eines Tages begann der Jäger den Heimritt. Er hatte für reichlichen Vorrat gesorgt und jedes Pferd war gut bepackt. Er ritt voraus. Die drei Frauen ritten hinterher. Sie ritten einen Weg zwischen den Bergen hin und kamen eines Tages an eine Stadt, in der herrschte große Trauer. Vor den Toren der Stadt saß nämlich ein Neger mit Namen Samsam-bel-chamcham, der wollte durchaus Amin der Ortschaft werden. Der Neger hatte zwei riesige Ochsen, von denen immer einer schlief und der andre umherhorchte, so daß man ihm auch im Schlafe nichts anhaben konnte. Er war aber sehr stark und hatte eine riesige Debus, die er von Zeit zu Zeit in die Luft warf, Fiel die Keule danach herab, so schlug sie ein Haus ein. Das machte die Bewohner des Ortes sehr traurig.



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Als der Neger den Jäger vorbeireiten sah, schrie er ihn an und fragte: "Weshalb gehst du auf meinem Weg!" Dabei schüttelte er seine Debus wütend mit beiden Händen. Der Jäger fragte: "In welcher Weise handhabst du deine Keule?" Der Neger sagte: "Sie jst so schwer, daß man dazu zwei Hände braucht." Da nahm sie ihm der Jäger spielend mit zwei Fingern aus der Hand und warf sie ihm lachend vor die Füße. Der Neger war wütend und wollte sich auf den Jäger stürzen. Der packte ihn aber mit der Hand, schwang ihn in der Luft und drückte ihm die Kehle zu. Der Neger erschrak. Der Neger, der noch nie besiegt war, geriet in Verzweiflung. Samsam-bel-chamcham rief: "Dir, dem größten Jäger, will ich bis an meinen Tod als Sklave dienen." Der Jäger ließ ihn los und sagte: "So bewache die Frauen und geh hinter ihnen her." Er ritt durch den Ort. Die Leute des Ortes waren glücklich, als sie hörten, daß der Neger von denn Jäger besiegt war. Sie baten ihn, ihr Oberhaupt zu werden. Der Jäger entgegnete jedoch: "Ich muß zu meiner Mutter und meinem Vater!"

Der Jäger kam heim. Die Mutter des Jägers war gestorben. Der Vater sah den Jäger, er sah seine schönen Frauen. Der Vater des Jägers ergrimmte, daß sein Sohn so unsagbar schöne Frauen hatte. Er beschloß, seinen Sohn töten zu lassen und dessen Frauen an sich zu reißen. Im Orte des Vaters war ein Jude, von dem man wußte, daß er gegen Bezahlung alles tat, was man von ihm verlangte. Der Amin ließ den Juden zu sich kommen und sagte: "Entweder du tötest meinen Sohn und bringst mir als Beweis dafür seine Kleider, dann werde ich dich reich belohnen, oder ich lasse dich töten, denn du hast genug Schlechtes getan."

Der Jude kam zu dem Jäger und sagte: "Ich lade dich ein, mit mir zur Jagd zu kommen. Du nimmst das Getränk mit, ich das Essen. Wo wir hingehen, können aber keine Pferde gehen." Der Jäger war einverstanden. Er rüstete eine große Kürbisfiasche mit Wasser. Der Jude bereitete salzige Speise. Insgeheim nahm er aber noch eine Flasche mit Wasser und ungesalzene Speise zu sich. Als sie ein Stück weit in die Wüste gegangen waren, stach der Jude ein Loch in die Kalabasse des Jägers. Das Wasser lief aus. Als der Jäger hungrig war, gab er ihm von der gesalzenen Speise, aß aber selbst von der ungesalzenen. Der Jäger wollte trinken. Er sah, daß sein Kürbis ausgelaufen war. Der Jude sah es auch. Der Jude schrie: "Sieh, ich habe versprochen, Essen mitzunehmen und tat es." Da sagte der Jäger nichts und ging stumm in die Wüste weiter. Die salzige Speise



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verursachte Schmerzen und Qualen. Der Jude sagte: "Morgen kommen wir an gutes Wasser." Der Jäger schlief nicht, so durstete ihn. Am zweiten Tage aß er nochmals vom Gesalzenen. Am dritten Tage mittags sagte der Jäger zum Juden: "Jude, ich weiß, du hast immer alles, wenn du verdienen kannst. Was willst du für drei Schluck Wasser?" Der Jude sagte: "Für den ersten Schluck will ich dein eines Auge, für den zweiten das andere, für den dritten deine Kleider." Der Jäger war so durstig, daß er zustimmte. Der Jude stach ihm die Augen aus und nahm die Kleider. Er reichte dem Jäger drei Schluck Wasser und eilte nach Hause.

Der Jäger blieb am Fuße eines Baumes blind, nackt und immer noch durstig liegen. Als es Abend war, kam der Adlervater aus dem Osten und setzte sich auf diesen Baum. Es kamen die Söhne des Adlers aus dem Westen und setzten sich auf den Baum. Der alte Adler war ganz nackt vor Alter, und die Jungen deckten ihn sonst mit ihren Flügeln zu. Heute taten es die jungen Adler nicht. Der alte Adler sagte: "Sonst decktet ihr doch eure Flügel über mich. Heute, wo es so kalt ist, tut ihr es nicht. Ich werde vor Frost sterben." Die jungen Adler sagten: "Es gibt keine Treue mehr unter Väter und Söhnen!" Der alte Adler fragte: "Wieso das?" Die jungen Adler sagten: "Sieh, dort unten liegt der starke Jäger. Der eigne Vater hat ihm durch einen Juden die Augen ausstechen und die Kleider rauben lassen, damit er seine Frauen besitzen kann. Nun liegt der Jäger und verdurstet." Der alte Adler sagte: "Das ist sehr schlimm. Aber der Jäger braucht sich nur aufzurichten, von den Blättern des Baumes zu pflücken und sie zu kauen, so wird sein Durst vergehen. Er braucht die gekauten Blätter nur zu bespeien und auf die Augen zu legen, so wird er wieder sehen." Der Jäger hörte dies. Er richtete sich auf. Er ergriff einige der Baumblätter und kaute sie; da verging sein Durst. Er nahm einige der gekauten Blätter, spie darauf und legte sie auf die Augen; da konnte er wieder sehen. Der Jäger dankte dem Adler und ging. Die jungen Adler aber deckten den Vater zu.

Der Jäger kam völlig entblößt im Heimatdorfe an. Er versteckte sich in den Büschen des Brunnens. Es kam eine alte Frau. Der Jäger trat aus dem Busch heraus: "Ein völlig Entblößter bittet dich darum, ihm ein Stück Kleid zu leihen, damit er in den Heimatsort gehen kann." Die Alte sagte: "Es gibt kein Guttun mehr! Da haben wir einen Amin im Dorfe, der hat seinen eignen Sohn durch einen Juden totschlagen lassen, damit er ihm hernach seine Frauen wegnehme.



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Der Jäger hat aber einen Neger hinterlassen, der wacht über die Sicherheit der Frauen. Er sitzt am Gehöftseingang und schlägt jeden tot, der hinein will. Der Amin sandte schon ganze Mahallas (Kriegshaufen) gegen den Neger. Aber der schlägt alles. Dabei verliert der Ort in dem ungerechten Kampfe seine besten Männer. Der Amin zwingt alle gegen den Neger zu kämpfen. Gestern hat der Neger so meinen ältesten Sohn getötet, heute meinen zweiten und morgen soll ich meinen dritten senden. Und da soll man noch seine Kleider aus Guttat an fremde Leute verschenken ?"

Der Jäger sagte: "Frau, leiht mir heute eine Gandura und gebt mir daheim den Anzug eines Eurer Söhne, so will ich morgen an Stelle Eures dritten Sohnes in den Kampf gegen den Neger ziehen." Die Frau sagte: "Schwöre, daß du morgen für meinen Sohn eintrittst." Der Jäger schwor. Die Frau gab ihm ein Kleid.

Am andern Morgen näherten sich die Leute des Amin wieder dein Gehöft des Jägers, um gegen den Neger zu kämpfen. Die dritte Frau des Jägers stand am Hause hinter dem Neger. Mit einem Male erbebte der Neger. Die dritte Frau sagte: "Zitterst du? Fürchtest du dich heute, so will ich für dich kämpfen." Der Neger sagte: "Ich fürchte mich nicht, ich wittere nur meinen Herrn, deinen Gatten. Er muß verkleidet unter den Leuten des Amin sein." Die dritte Frau sagte: "Das ist schnell aufgeklärt. Nimm diese Orange. Wirf sie in die Reihen der Leute dort. Fängt sie einer, der sie ißt, so ist mein Gatte, dein Herr, nicht darunter, fängt sie einer, der sie erst zur Nase führt und dann in die Tasche steckt, so ist er es." Der Neger warf die Orange. Ein Mann griff aus dem Haufen hoch in die Luft, fing sie, roch daran und schob sie in die Tasche. Die dritte Frau eilte in das Haus und rief voll Freude den andern zu: "Mein Gatte lebt. Unser Gatte kehrt zurück." Die erste Frau sagte: "Ich weiß es."

Der Neger sagte zu einem Sklaven: "Fülle mir schnell einen Sack mit Ochsenblut und drücke ihn mir unter den linken Arm." Der Sklave tat es. Der Haufe des Amin kam heran. Allen voran sprang ein großer Mann. Der große Mann sprang vor den anderen her. Er langte als erster bei dem Neger an und schrie laut: "Wollen wir für den Amin oder für seinen Sohn fechten?" Der Neger sagte leise: "Stich du mir mit dem Säbel unter den linken Arm. Ich habe da einen Blutsack. So kannst du mich besiegen, Herr!" Der fremde Mann stach den Neger unter den Arm. Der gefüllte Blutsack entleerte sich. Blutüberströmt stürzte der Neger zu Boden. Alle Leute schrien: "Der fremde Mann hat den Neger besiegt." Die Leute wollten sich vordrängen.



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Der fremde Mann erhob aber den Arm und sagte: "Ich bin der Sieger. Niemand kommt zu mir als der Amin."

Der Amin trat heran und sagte: "Was willst du? Wer bist du?" Der fremde Mann schob die Verkleidung des Gesichtes beiseite. Der Amin blickte ihn an. Er verhüllte selbst seinen Kopf und starb.



54. Die kostbaren Eier

Ein Mann ging alle Tage in den Wald, um Holz zu schlagen. Er war verheiratet und hatte zwei Söhne und eine alte Dienerin im Hause, aber Ackerland hatte er nicht, und um das Brot für sich und seine Kinder zu verdienen, ging er alle Tage in den Wald, schlug Holz, trug es in die Stadt und verkaufte es.

Eines Tages war der Holzhauer, wie immer, im Walde; er hatte seine Last Holz geschlagen und zusammengebunden. Er ruhte noch einen Augenblick aus und hatte sich auf seine Last gesetzt, da sah er nahe vor sich ein Nest und in dem Nest ein Ei von eigenartiger Farbe. Der Holzhauer nahm das Ei aus dem Nest und steckte es in seine Kleider. Er sagte: "Vielleicht gibt mir einer im Orte dafür dasselbe wie für ein Hühnerei." Er schulterte danach seine Last und trug sie in den Ort, in dem er sein Holz gewöhnlich verkaufte.

Ehe er in der Ortschaft anlangte, setzte er sich noch einmal am Wege nieder, um auszuruhen. Dabei fiel ihm das Ei ein, das er heute morgen im Neste beim Holzschlagen gefunden hatte. Der Holzhauer betrachtete noch das Ei, als ein Jude vorbeikam, der das Ei in der Hand des Mannes sogleich sah. Der Jude trat heran und sagte: "Darf ich einmal das Ei sehen?" Der Holzhauer gab es ihm. Der Jude nahm es und betrachtete es. Der Holzhauer sagte: "Es ist ein frisches und sehr schönes Ei." Der Holzhauer lobte es, weil er glaubte, dadurch zu erreichen, daß der Jude ihm dafür vielleicht so viel zahlen würde wie für ein Hühnerei, wenn es auch kein Hühnerei war. Der Jude sagte: "So weißt du also, daß es ein ungewöhnlich schönes Ei ist." Der Holzhauer sagte: "Gewiß sehe ich es und ich verkaufe es auch nur, wenn du dafür einen guten Eierpreis zahlst." Der Holzhauer dachte: "Der Mann weiß also, was das Ei wert ist."Der Jude sagte: "Ich biete dir dafür fünfundzwanzig Goldstücke." Der Holzhauer dachte, der andere wolle sich über ihn lustig machen und sagte: "Laß das und sage mir den wahren Preis, den du zahlen willst." Der Jude dachte, der Holzhauer verlange noch



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mehr und sagte: "Ich will dir dreißig Goldstücke geben." Der Holzhauer, der noch immer meinte, jener scherze, hob seine Holzlast auf und sagte: "Ich habe keine Zeit, lange zu reden. Zahle einen guten Preis oder gib das Ei!" Der Jude sagte schnell: "Ich biete dir fünfzig Goldstücke, soviel habe ich bei mir!" Der Holzhauer sagte: "Nun, so halte dein Wort und zahle die fünfzig Goldstücke oder laß mich weitergehen." Der Jude griff darauf in die Tasche und zählte dem Holzhauer die fünfzig Goldstücke vor. Der Holzhauer gab das Ei, nahm die Goldstücke, steckte sie in die Tasche und ging kopfschüttelnd in den Ort, um sein Holz zu verkaufen.

Der Holzhauer wußte nicht, was er von der Sache denken sollte und sagte an diesem Tage, als er heimkam, auch noch nichts davon seiner Frau. Er versteckte die Goldstücke und ging am andern Morgen wie gewöhnlich in den Wald, um sein Holz zuschlagen. Dann kam er an der Stelle vorbei, an der er gestern gesessen hatte, schaute wieder in das Vogelnest, und er fand abermals ein Ei darin. Der Holzhauer nahm es heraus und sagte: "Wenn der Jude für das erste Ei fünfzig Goldstücke bezahlt hat, bezahlt er für das zweite vielleicht ebensoviel." Und richtig, als er an den Ort kam, traf er wieder den Juden, und der gab ihm ohne langes Hin- und Herreden wieder fünfzig Goldstücke. Auch an diesem Tage behielt der Holzhauer die Geschichte für sich. Als er aber am dritten Tage im Walde abermals im gleichen Neste ein gleiches Ei fand und der Jude ihm wiederum fünfzig Goldstücke auszahlte, da konnte er sein Geheimnis nicht mehr bei sich behalten.

Er erzählte in der Nacht seiner Frau: "Ich habe hundertundfünfzig Goldstücke verdient, wir sind nun wohlhabende Leute!" Die Frau fuhr auf und sagte: "Mann, du hast sicherlich eines unsrer Kinder verkauft." Der Holzhauer versicherte hoch und teuer, daß das nicht der Fall sei und erzählte dann, wie er mit Hilfe der Eier, die er an drei aufeinanderfolgenden Tagen in dem Neste gefunden habe, zu dem Reichtum gekommen sei. Als die Frau alles gehört hatte, sagte sie: "Ich werde dich morgen früh zu dem Neste begleiten, damit ich die Eier selbst kennen lerne." Der Holzhauer führte sie hin. Es lag wieder ein Ei drin. Die Frau sagte: "Nimm heute das Ei nicht heraus. Wir wollen es liegen lassen. Morgen wollen wir aber ganz früh eine Vogelfalle (Tachelat oder Taghelad) aufstellen und wollen uns den Vogel fangen. Wir werden ihn in einen Käfig setzen, und dann soll er uns seine Eier täglich in das Nest legen. Du kannst sie dem Juden verkaufen, und wir erzielen so eine regelmäßige



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Einnahme." Der Holzhauer fand diesen Vorschlag ausgezeichnet Und stellte die Falle am andern Tage ganz früh auf.

Der Holzhauer fing den Vogel. Die Frau setzte ihn in einen Käfig mit einem Nest, und der Mann nahm das Ei, das der Vogel täglich legte und verkaufte es regelmäßig, Ei für Ei zum Preise von fünfzig Goldstücken an den Juden. Der Jude überlegte sich mittlerweile, wie er wohl in den Besitz dieses Vogels kommen könne. Nachdem der Holzhauer ihm eines Tages erzählt hatte, daß er die Eier nicht mehr im Neste suche, sondern den Vogel jetzt bei sich im Hause habe, sagte der Jude zu sich selbst: "Dieser dumme Holzhauer weiß nicht, daß der Kopf und das Herz dieses Vogels dem, der sie beide genießt, die größte Klugheit und den größten Reichtum verschaffen, den es gibt. Ich werde den dummen Holzhauer wegschaffen und seine Frau heiraten. Ich werde den Holzhauer nach einem Orte schaffen, wo er sicher für sein Leben festgehalten wird, und von der Frau, sobald ich sie geheiratet habe, verlangen, daß sie mir den Vogel schlachtet und zum Essen vorsetzt."

Eines Tages sagte der Jude zu dem Holzhauer: "Höre, mein Freund, du bist nun durch mein Gold und den Verkauf der Eier so wohlhabend geworden, wie ich es selbst bin. In meinem Geschäft fehlt mir ein tüchtiger Teilhaber, der den Handel über die See betreibt, damit das Geschäft noch mehr abwirft. Deshalb bin ich bereit, dich zu meinem Teilhaber zu machen und mit dir in Zukunft allen Nutzen, den mein Geschäft abwirft, zu teilen." Der Holzhauer sprach daheim mit seiner Frau darüber, und seine Frau erklärte sich freudig einverstanden, da sie auf diese Weise die Frau eines angesehenen Kaufmanns wurde.

Der Holzhauer wurde also der Geschäftsteilnehmer des Juden. Nachdem er nun in die Art und das Wesen des Handels eingeführt war, übergab der Jude ihm eines Tages eine gewisse Masse von Ware und sagte: "Hiermit reise an das Meer. Schiffe dich mit den Waren ein und fahre nach dem gegenüberliegenden Ufer. Dort ist eine Stadt, deren Bewohner sehr reich und deren Fürst sehr gierig auf neue Waren ist. Zeige die Waren dem Fürsten, und du wirst ein ausgezeichnetes Geschäft machen." Der Holzhauer machte sich mit seinen Waren auf den Weg. Er reiste an das Meer, bestieg ein Schiff und kam wohlbehalten in der reichen Stadt mit dem gierigen Fürsten an. Er legte diesem auch alsbald seine Waren vor. Dieser Fürst war aber wirklich gierig nach neuen Sachen, so gierig, daß er sogleich beschloß, die Waren des Holzhauers zu behalten, ohne zu bezahlen.



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Der Fürst fuhr den Holzhauer also hart an und fragte ihn nach seiner Erlaubnis freien Handels. Der Holzhauer sagte, daß er nicht wisse, was eine solche Erlaubnis bedeute und fragte, ob er nicht überall die Freiheit habe, Handel zu treiben. Der Fürst sagte: "Das will ich dir gleich beweisen." Dann befahl der gierige Fürst seiner' Leuten, den Holzhauer gefangenzunehmen und zur Strafe arbeiten zu lassen. Der Holzhauer wurde nun in einen Wald geführt. Es wurde ihm gesagt, daß er den Wald zu fällen und an Stelle der umgeschlagenen neue Bäume zu pflanzen habe. Wenn diese neu gepflanzten Bäume Früchte trügen, dürfe er das Land wieder verlassen. —

Der Holzhauer war abgereist, und als die Zeit, die für seine Rückkehr festgesetzt war, verstrichen war, fragte die Frau oftmals den Juden, ob er nichts von seinem Geschäftsteilhaber, ihrem Manne, gehört habe. Der Jude sagte stets, er wisse von nichts. Als aber die Zeit lange verstrichen war, sagte er, nach allem, was er von Geschäftsfreunden gehört habe, sei der Mann doch wohl mit dem Schiffe untergegangen. Wieder einige Zeit später kam er von selbst zu der Frau und sagte, heute habe er einen Mann gesprochen, der der einzig Überlebende von jener Schiffsbesatzung sei, mit der der Holzhauer ausgefahren sei, und der habe den Holzhauer untergehen sehen. Die Frau weinte darauf eine Zeitlang; da sie sich aber allmählich schon an den Gedanken, den Gatten verloren zu haben, gewöhnt hatte, so beruhigte sie sich bald, und nun machte der Jude ihr den Vorschlag, seine Frau zu werden. Die Frau war durch den Gedanken, die Gattin eines so reichen und angesehenen Kaufmanns zu werden, sehr geschmeichelt. Sie erklärte sich damit einverstanden. Der Jude sagte ihr dann, daß sie am Hochzeitstage den Vogel essen wollten, den der Holzhauer als Andenken hinterlassen hatte. Auch hierzu war die Frau des Holzhauers bereit, bat den Juden aber, ihren beiden Söhnen, die inzwischen zu Burschen herangewachsen waren, davon nichts zu sagen, ehe die Ehe nicht abgeschlossen sei.

Als der Tag, den der Jude und die Frau des Holzhackers zu ihrer Verehelichung festgesetzt hatten, gekommen war, gab die Frau der Dienerin den Auftrag, den Vogel, der im Käfig gehalten wurde, zu schlachten und zum Abend zu bereiten. Dann ging die Frau selbst in den Ort und versprach, am Abend wiederkommen zu wollen. Als es Nachmittag war, kamen die beiden Söhne des Holzhackers vom Acker nach Hause. Sie fragten die Dienerin, was sie zum Abendessen bereite. Die Dienerin sagte: "Ich habe den Auftrag, zum Abendessen



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den Vogel zu kochen, den euer Vater seinerzeit in den Käfig gesetzt hat." Der ältere Bruder sagte: "Ich werde gleich einmal sehen, wie er schmeckt." Er öffnete den Kochtopf, griff das erste Stück heraus, das ihm zwischen die Finger kam. Das war aber der Kopf des Vogels. Der Altere verzehrte also den Kopf des Vogels. Der Jüngere, der aber hinter seinem Bruder nicht zurückstehen wollte, griff auch in den Topf und nahm das erste beste Stück heraus, das ihm zwischen die Finger kam. Es war das Herz des Vogels. Der Jüngere schluckte also das Herz des Vogels hinunter.

Kaum hatte der ältere Bruder den Kopf des Vogels genossen, so wurde er auch gleich von der außerordentlichen Klugheit ergriffen, die der Genuß mit sich brachte. Er sagte zu seinem jüngeren Bruder: "Daß unsre Mutter heute diesen Vogel hat schlachten lassen, muß eine besondere Bewandtnis haben. Komm, mein Bruder, wir wollen sehen, ob wir diese Sache nicht erkennen können." Die beiden Brüder gingen hinaus. Sie waren noch nicht weit gegangen, so sahen sie den Juden kommen, der ein festliches Kleid anhatte. Da erkannte der ältere Bruder in seiner Klugheit sofort, was seine Mutter vorhatte und sagte zu seinem Bruder: "Unsere Mutter will heute den Juden heiraten, und der Vogel, den die Dienerin drinnen kocht, ist der Hochzeitsschmaus. Ich will nun nicht mehr daheim bleiben, sondern werde, so wie ich bin, in die Welt hinausziehen und einen Platz suchen." Der jüngere Bruder sagte: "Dann bleibe ich auch nicht mehr daheim und gehe mit dir fort." —So verließen die beiden Söhne das Haus, weil ihre Mutter den Juden heiratete.

Der Jude war aber nur gekommen, um zu sehen, ob der Vogel auch bereitet würde. Er trat hinein und fragte die Dienerin, ob der Vogel geschlachtet und gekocht würde. Die Dienerin sagte: "Er kocht schon dort im Topf." Der Jude sagte: "So sorge nur dafür, daß ich heute abend auch Kopf und Herz finde, denn diese beiden Teile esse ich besonders gern." Der Jude ging wieder. Die Dienerin bekam jedoch einen Schreck, denn den Kopf und das Herz hatten soeben die beiden Söhne der Frau gegessen. Sie wagte das aber nicht zu sagen. Als der Jude fort war, lief sie schnell hin, tötete eine alte Henne, schnitt ihr den Kopf vom Hals und das Herz aus dem Leib und warf beides in den Suppentopf.

Am Abend kamen der Jude und die Frau des Holzhauers nach Hause, und nachdem die Dienerin das Essen gebracht und die Kammer verlassen hatte, aßen die beiden das Hochzeitsmahl, wobei der Jude wohl darauf bedacht war, den Kopf und das Herz herauszufischen



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und zu sich zu nehmen. Nachher legte er sich schlafen, um die Wirkung des Genusses möglichst bald wahrzunehmen. Denn wer den Kopf des Vogels genoß, der wurde außerordentlich klug, und wer das Herz zu sich nahm, der fand jeden Morgen auf seinem Kopfkissen unter dem Ohr, auf dem er gelegen hatte, fünfzig Goldstücke.

Es war noch nicht Tag, da zündete der Jude Licht an und schaute auf das Kopfkissen. Er konnte die fünfzig Goldstücke nicht finden. Er sagte: "Es ist wohl noch zu früh", legte sich nochmals hin und versuchte mit aller Gewalt nochmals einzuschlafen. Er mußte aber ununterbrochen an die fünfzig Goldstücke denken, die er auf dem Kopfkissen finden mußte und konnte dem nicht widerstehen, immer noch einmal hinzufassen. Aber immer vergeblich.

Als es heller Tag war, erhob sich der Jude von seinem Lager und sagte: "Von den fünfzig Goldstücken kann ich nichts merken und von der größern Klugheit auch nichts."



***
Die beiden Söhne des Holzhauers gingen erst ein weites Stück gemeinsam von dannen. Dann kamen sie an einen Fluß, an dessem Ufer zwei Boote lagen. Sie stiegen jeder in ein Boot und stießen vom Ufer ab. In der Mitte war aber eine starke Strömung, und außerdem war der Fluß im Steigen begriffen, so daß die Burschen die Macht über die Boote verloren und von dannen getrieben wurden. Die Strömung führte die Burschen ein weites Stück flußab und trennte dann die beiden Boote, so daß der eine Bruder an das westliche, der andre an das östliche angetrieben wurde. Beide Boote strandeten, und die Brüder stiegen ans Land. Sie riefen sich, jeder dem andern zum entgegengesetzten Ufer, Lebewohl zu und wanderten dann, der eine nach Westen, der andre nach Osten.

(NB. Ein Erzähler behauptet, jeder der Burschen hätte vor der Trennung an seinem Ufer einen Feigenbaum gepflanzt, an dessen Blühen oder Welken der andre sein Wohlergehen oder Leiden erkennen könne; da dieses Motiv aber an dieser Stelle sinnlos erscheint, nämlich im Laufe der ganzen Erzählung nicht wieder erwähnt wird, so ist wohl anzunehmen, daß der Repetitor III, mit dem die Erzählung in Alger genau durchgegangen wurde, recht hat, wenn er sagt, das gehöre nicht in diese Geschichte.)

Der Ältere, der infolge des Genusses des Vogelkopfes von einer großen Klugheit beseelt war, wandte sich dem Hauptort des Landes zu. In diesem Orte war gerade der Amin gestorben, und nun wollte



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jeder der Einwohner gern selbst Amin werden. Die Leute konnten sich nicht einigen und beschlossen, den ersten klugen Fremden, der den Ort betreten würde, nicht aber einen Eingebornen, zum Amin zu erwählen. Der ältere Bruder kam grade nach diesem Beschlusse in den Ort. Schon nach wenigen Fragen und Antworten hatte er die schwierigsten Streitfragen, die die Leute untereinander entzweiten, geregelt, und nun wurde er sehr schnell zum Amin ernannt. Es dauerte nicht lange, so war der Ruf seiner Weisheit weit und breit im Lande bekannt geworden, und alle, die sich in ihren eignen Orten nicht Rat zu schaffen vermochten, wanderten zu ihm und waren sicher, keinen unnötigen Weg zu unternehmen.

Der jüngere der beiden Brüder hatte nun zwar das Herz des Vogels gegessen und hatte infolgedessen die Eigenschaft, jeden Tag unter seinen Ohren auf dem Kopfkissen fünfzig Goldstücke liegen zu lassen. Er wußte das aber nicht und ließ sie deshalb stets liegen. Es war daher ganz natürlich, daß die wenigen Münzen, die er beim Verlassen des Hauses noch in der Tasche gehabt hatte, bald verbraucht waren und daß er, da er keine Arbeit gefunden hatte, eines Tages nicht einmal mehr so viel hatte, um sich einen Kaffee zu kaufen.

In seiner Not ging er denn zu einem Lederarbeiter und bat ihn darum, ihm ein freies Nachtlager zu gewähren. Der Lederarbeiter, der selbst kein reicher Mann war, sagte es zu, und der Bursche legte sich auf das ihm gebotene Lager nieder, schlief gut, stand am andern Tage früh auf und überlegte, noch vor der Tür sitzend, wie er sich wohl eine Arbeit verschaffen könne, die ihn ernähre. Der Lederarbeiter war inzwischen in die Kammer gegangen, in der der Bursche geschlafen hatte, und wie sein Auge nach irgendeiner verlorenen Sache suchend umherglitt, fiel sein Blick auf das Kopfkissen, auf dem das Ohr des Burschen geruht hatte. Der Lederarbeiter sah sogleich die fünfzig Goldstücke, nahm sie auf, ging zurück in das Haus, wo der Bursche noch saß und fragte ihn: "Hast du mir nicht gestern gesagt, du habest nicht einmal mehr Geld genug, dir einen Kaffee zu kaufen und bätest mich deshalb um ein Nachtlager?" Der Bursche sagte: "So ist es." Der Lederarbeiter sagte: "Zeige doch einmal deine Taschen!" Der Bursche lachte und sagte: "Hier, schau' selbst hinein!" Der Lederarbeiter schüttelte den Kopf.

Der Lederarbeiter sagte: "Mein Bursche, du scheinst mir ein herlicher und ordentlicher Mensch zu sein. Bleibe also noch einen Tag bei mir zu Gaste. Du sollst dein Essen und dein Lager haben." Der Bursche war sehr zufrieden damit. Er blieb den Tag über bei dem



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Lederarbeiter, aß mit ihm und streckte sich dann auf dem ihm angebotenen Lager aus. Am andern Morgen saß er wieder traurig vor dem Hause des Lederarbeiters, der seinerseits, sowie jener die Kammer verlassen hatte, das Lager des Burschen beaugenscheinigte, wieder die fünfzig Goldstücke fand und an sich nahm. Der Lederarbeiter sagte nun aber bei sich: "Dies muß allerdings eine sehr merkwürdige Sache sein, von der der Bursche selbst nichts weiß, denn ich habe ihn gestern untersucht und fand nichts bei ihm. Er ist ohne Gold zur Ruhe gegangen, und ich selbst habe hinter ihm die Kammer abgeschlossen. Er sitzt traurig draußen, weil er nichts hat, und hat über Nacht, ohne es zu wissen, wieder fünfzig Goldstücke aus den Ohren geboren. Der Junge weiß also selbst nicht, wie reich er ist. Ich werde es noch einige Tage mitansehen."

Der Lederarbeiter ging hinaus zudem Burschen und sagte: "Wenn bir noch nichts eingefallen ist, so bleibe noch einen oder zwei Tage dei mir. Es soll mir auf das Essen und das Lager nicht ankommen." Der Bursche blieb noch einen Tag. Als er am andern Tage sein Lager verlassen hatte, ging der Lederarbeiter hinein und holte die fünfzig Goldstücke vom Kopfkissen und ebenso am vierten Tage. An diesem Morgen sagte aber der Bursche: "Ich kann nun keinen Tag mehr bei dir bleiben. Du bist selbst nicht wohlhabend, und ich kann sicher irgendwo Arbeit finden."

Der Lederarbeiter sagte: "Sage mir doch einmal, mein Bursche, weißt du denn wirklich nicht, daß du ein reicher Mann bist?" Der Bursche lachte und sagte: "Was meinst du? Ich soll ein reicher Bursche sein ?" Der Lederarbeiter sagte: "Gewiß bist du das!" Und dann holte er die zweihundert Goldstücke herbei, die der Bursche im Verlaufe der vier Tage auf dem Kopfkissen verloren hatte und sagte: "Dies hast du in vier Tagen unter deinem Kopfe liegen gelassen. Bleibe noch eine Nacht hier oder schlafe auch an einem andern Orte, greife aber, wenn du erwachst, unter deinen Kopf, und du wirst sicherlich jeden Morgen unter deinem Ohr fünfzig Goldstücke finden." Der Bursche sagte bei sich: "Dies muß die Folge des Genusses des Vogelherzens sein." Der Bursche sagte zu dem Lederarbeiter: "Ich danke dir, daß du mich auf dieses aufmerksam gemacht hast. Die zweihundert Goldstücke schenke ich dir. Miete mir jetzt einige Zimmer und bewahre mir, solange ich in dieser Stadt wohne, deine Freundschaft."

Der Bursche wohnte noch eine Nacht bei dem Lederarbeiter. Als er beim Erwachen am andern Tage unter sein Ohr griff, fand er auf



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dem Kopfkissen die fünfzig Goldstücke. Dann bezog er eine eigne Wohnung und machte es sich in dem Orte so behaglich, wie es ihm seine Wohlhabenheit erlaubte. Er kaufte sich außerdem einige Leder-Säcke und füllte diese allmählich mit dem vielen Golde, das er täglich auf seinem Kopfkissen fand und von dem er nur den geringsten 11 eil gebrauchte.




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In dieser Stadt wohnte ein sehr schönes Mädchen, das hieß Motherob-Aliph. Dieses Mädchen war so berühmt durch seine Schönheit, daß die Männer sich um die Erlaubnis drängten, sie einmal Sehen zu dürfen. Ihr Vater hatte deshalb bestimmt, daß jeder, der Seine Tochter sehen wollte, jedesmal hundert Goldstücke dafür bezahlen müsse, so daß nur noch wenige, sehr Wohlhabende diesen Genuß gewinnen konnten. Eines Tages hörte der Bursche von der Schönheit Motherob-Aliphs und sagte bei sich: "Vielleicht ist das eine geeignete Frau für mich." Er sandte also dem Vater die bestimmten hundert Goldstücke und durfte sie dann auch an ihrem F'enster sehen.

Nachdem der Bursche Motherob-Aliph einmal gesehen hatte, konnte er nicht mehr schlafen. Am andern Tage sandte er dem Vater des schönen Mädchens abermals hundert Goldstücke, durfte sie wieder einmal sehen, sandte die Gabe nochmals und genoß den Anblick noch ein drittes Mal. Nachdem der Vater Motherob-Aliphs viermal hundert Goldstücke erhalten hatte und das Mädchen den Burschen viermal vorübergehen gesehen hatte, sagte sich Motherob-Aliph: "Dieser junge Mensch ist nicht nur hübsch, sondern er muß auch sehr wohlhabend sein, sonst könnte er nicht soviel Geld ausgeben. Ich werde ihn einmal zum Essen einladen und ihn fragen, wo er so viel Geld hernimmt, um meinen Anblick so oft erkaufen zu können." Motherob-Aliph lud den Burschen zum Abendessen ein.

Der Bursche war sehr glücklich darüber, daß er von diesem schönsten Mädchen der Stadt so bevorzugt wurde. Er kam und wurde ausgezeichnet bewirtet. Das schöne Mädchen war sehr freundlich zu ihm und sprach ihm beim Trinken zu. Sie setzte ihm sehr guten Wein vor, und als er von all dem Wein und Schönheit schon ein wenig berauscht war, sagte sie: "So erzähle mir doch, mein Bursche, wo du den ungeheuern Reichtum hernimmst, über den du verfügst. Wenn du mir erklären kannst, daß dieser Reichtum nicht eines Tages einmal plötzlich versiegt, will ich bereit sein, dich zum Gatten zu nehmen."



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Der Bursche lachte und sagte: "Wenn ich morgens vom Schlaf erwache, so finde ich stets unter dem Ohr auf dem Kopfkissen fünfzig Goldstücke." Das schöne Mädchen sagte: "Wenn du mich zur Gattin gewinnen willst, mußt du mir erklären, wie du diese Gabe erworben hast. Oder bin ich nicht schön genug, um deine Gattin zu werden?" Der Bursche sagte: "Gewiß möchte ich dich gerne zur Gattin gewinnen und will es dir deshalb auch sagen. Ich habe einmal das Herz eines merkwürdigen Vogels gegessen. Das habe ich noch im Leibe, und dieses Herz verleiht mir täglich die fünfzig Goldstücke. Willst du nun meine Gattin werden?" Das schöne Mädchen sagte: "Wenn ich mich überzeugt habe, daß dir diese Eigenschaft bis morgen früh nicht abhanden gekommen ist, werde ich deine Gattin werden."

Motherob-Aliph hieß darauf die Sklaven noch mehr Wein bringen. Sie mischte, ohne daß der Bursche es in der Trunkenheit merkte, ein starkes Mittel in den Wein, so daß er bald darauf einschlief und im Schlafe krank wurde. Er wurde sehr krank und mußte sich infolge des Mittels übergeben. Er spie das Vogelherz aus. Motherob-Aliph ergriff es sofort, übergoß es mit Wasser und schluckte es selbst hinunter. Dann rief sie ihre Sklaven und ließ den Burschen aus dem Hause tragen. Nun legte sich Motherob-Aliph selbst nieder. Als sie am andern Morgen erwachte, fand sie unter ihrem Ohr auf dem Kopfkissen fünfzig Goldstücke.

Als aber der Bursche am andern Morgen erwachte und wie immer unter seinen Kopf griff, fand er die fünfzig Goldstücke nicht wie sonst. Er überlegte sich alles, und es fiel ihm allmählich ein, daß er gestern abend bei Motherob-Aliph sehr betrunken gewesen sei. Er sagte bei sich: "Motherob-Aliph hat mir das Vogelherz aus dem Leibe genommen, und ich habe selbst nicht Klugheit genug, um es mir wieder zu verschaffen. Ich werde also zu Amrar asemeni (dem alten Ratgeber) gehen."

Der Bursche ging zu Amrar asemeni und trug diesem die Sache vor. Amrar asemeni sagte: "Du hast sicher recht. Diese Motherob-Aliph hat dir in der Trunkenheit das Vogelherz genommen und wird es sicher schon verschluckt haben. Es gibt aber Machtmittel, mit denen du sie zwingen kannst, dir dein Eigentum wieder zurückzugeben. Mache dich auf die Wanderschaft und gehe in jener Richtung auf das Dorf hinter dem großen Hügel zu. Da wirst du vier Männer treffen, welche sich um den Besitz einer Matte (theigerthilt), eines Stockes und einer Mütze streiten. Wer sich auf die Matte



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setzt, braucht nur zu befehlen, wohin er getragen sein will. Die Matte wird ihn sogleich dahin tragen. Wer dem Stock befiehlt, diesen oder jenen zu schlagen, der wird dies so energisch ausführen, daß der Geschlagene alles verspricht, tut und gibt, was man von ihm verlangt. Wer die Mütze aufsetzt, ist für jedermann unsichtbar. Um den Besitz dieser drei Dinge streiten sich die vier Männer. Wenn du an ihnen vorüberkommst, werden sie dich zum Richter ihrer Teilung ernennen. Laß sie um den Besitz einen Wettlauf anstellen, und wenn sie ein wenig entfernt sind, setze die Mütze auf, nimm den Stock in die Hand und lege dich auf die Matte. Dann wünsche dich zu Motherob-Aliph, und du wirst mit deinem Stock alles aus ihr herausschlagen können, was du nötig hast."Der Bursche bedankte sich für den Rat und machte sich auf die Wanderung.

Wie Amrar asemeni vorausgesagt hatte, kam der Bursche zuletzt an das Dorf, vor dem vier Männer stritten. Der eine sagte: "Drei Stücke unter vier teilen, das geht nicht."Der zweite sagte: "Es ist unrecht, die drei Stücke auseinanderzureißen, nachdem sie immer zusammen gewesen sind." Der dritte sagte: "Nachher kommt es darauf heraus, daß alles der Älteste erhält." Der vierte sagte: "Oder jeder der drei Älteren bekommt ein Stück und ich, der Jüngste, bekomme nichts." Die Männer stritten so laut, daß der Bursche es schon aus der Ferne hörte. Als er ganz nahe herangekommen war, sahen aber auch die Streiter den Burschen, und sie waren sofort alle darin einig, daß er zum Schiedsrichter ernannt werden solle. Alle vier liefen auf ihn zu und bestürmten ihn, zwischen ihnen zu richten.

Der Bursche sagte: "Um was handelt es sich ?" Der Älteste sagte: "Wir haben von unserm Vater nichts geerbt als eine Matte, einen Stock und eine Mütze. Diese drei Stücke waren stets der einzige Besitz unsrer Väter und niemals geteilt. Nun wissen wir vier Brüder nicht, wie die drei Stücke, die zusammen gehören, unter uns vier geteilt werden könnten." Der Bursche fragte: "So ist es also!" Alle vier schrien: "So ist es und wir bitten dich, die Sache zu entscheiden."

Der Bursche sagte: "Legt die drei Stücke hier neben mich. Geht durch das Tal dort unten bis auf die Spitze des nächsten Hügels. Dort tretet nebeneinander und fangt alle gleichzeitig an zu laufen. Kommt auf mich zu. Der Erste, der hier ankommt, nimmt alle drei Stücke auf oder das, was er in der Eile, ohne von dem Nachfolgenden daran gehindert zu werden, ergreifen kann." Die vier Burschen waren einverstanden; sie gingen von dannen; sie waren bald in das Tal hinabgestiegen.



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Der Bursche setzte sich, nachdem die vier Leute fort und nicht mehr zu sehen waren, sogleich auf die Matte, stülpte die Kappe über und ergriff den Stock. Er sagte: "Ich möchte sogleich im Hause der Motherob-Aliph sein!"Im Augenblick war er im Hause der Motherob- Aliph und saß in der Kammer des schönen Mädchens, ohne daß diese ihn sah. Der Bursche schaute dem Mädchen eine Weile zu und sagte bei sich: "Sie sieht mich also wirklich nicht!"

Dann sagte der Bursche zu dem Stock: "Schlag das Mädchen!" Der Stock fuhr wie ein Besessener auf das Mädchen zu und schlug ihm auf dem Rücken herum, so daß es laut anfing zu schreien. Das Mädchen schrie so laut, daß ihr Vater, der in einer Kammer auf der andern Seite des Hofes war, sofort herbeigelaufen kam, um zu fragen, was ihm fehle. Als der Bursche sah, daß der Vater kam, sagte er zu seinem Stock: "Hör auf." Der Stock kehrte in seine Hand zurück.

Der Vater fragte Motherob-Aliph: "Was fehlt dir? Was ist geschehen? Weshalb schreist du so laut?" Das Mädchen sagte: "Es ist eine unerhörte Sache. Es ist niemand in der Kammer, und doch wurde ich eben in einer so starken Weise geschlagen, daß ich nicht anders konnte, als laut schreien. Es hat aufgehört, als du in die Kammer tratest." Der Vater sagte: "Ich glaube, du hast geträumt. Wenn es zu Ende ist, ist es gut." Der Vater ging.

Sowie der Vater aber die Kammer der Motherob-Aliph verlassen hatte, sagte der Bursche zu seinem Stock: "Nun schlage wieder auf das Mädchen, aber noch stärker!" Der Stock sauste sogleich wie der Wind aus der Hand des Burschen und wie der Sturm auf den Rücken des Mädchens. Der Stock wirbelte seine Hiebe so stark, daß das Mädchen schreiend auf ihr Lager fiel und ohne Unterbrechung schrie. Der Vater kehrte sogleich um und kam wieder herbei. Sowie er an der Kammer war, sagte der Bursche zu dem Stock: "Höre auf!" Der Stock hörte auf und kehrte gelassen in die Hand des Burschen zurück. Der Vater betrat die Kammer und fragte: "Was schreist du nun wieder?" Das Mädchen sagte: "Es war wie vorher. Ich wurde stark geschlagen, ohne daß jemand da ist." Der Vater wurde ärgerlich und sagte: "Du willst dich über mich lustig machen. Wenn du wiederum schreist, werde ich nicht wieder hereinkommen!" Der Vater verließ das Zimmer.

Der Vater war kaum aus der Kammer, so sagte der Bursche: "Nun schlage das Mädchen noch einmal!" Der Stock sauste aus der Hand des Burschen und auf den Rücken der Motherob-Aliph, die vor Angst 338



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und Schrecken heulte und rief: "Wer es auch ist, der mir dies antut, ich will gewiß alles tun, was er befiehlt, wenn die Schläge aufhören." Der Bursche sagte: "Stock, höre auf!"Sogleich hörte der Stock auf.

Der Bursche nahm die Kappe ab und Motherob-Aliph erkannte ihn. Motherob-Aliph sagte: "Du bist es? Also du bist es! Ich bin glücklich, dich wieder zu sehen und will gerne deine Frau werden. Ich bitte dich aber, erkläre mir, wie du in diese Kammer gekommen bist, ohne daß ich dich sehen kann und wie du den Stock gehandhabt hast, ohne daß du selbst ein Geräusch machtest." Der Bursche sagte: "Du siehst hier die Matte. Wenn ich mich auf die Matte setze, habe ich es nur nötig, mich irgendwohin zu wünschen, und ich werde sogleich dorthin getragen. Wenn ich die Kappe aufsetze, sieht mich kein Mensch. Wenn ich dem Stock sage, er solle irgend jemand schlagen, so schlägt er, so lange ich es will, ohne Aufhören."

Motherob-Aliph sagte: "Das glaube ich nicht. Wenn du aber wirklich im Besitze so kostbarer Dinge bist, will ich dich sogleich heiraten." Der Bursche sagte: "Hier setze dich auf die Matte und setze die Mütze auf. Versuche es mit deinem Vater!" Motherob-Aliph sagte: "Ja, ich will meinem Vater sogleich einen Besuch abstatten, dabei versuchen, ob es wahr ist, was du gesagt und dann zurückkehren." Motherob-Aliph setzte sich auf die Matte. Der Bursche stülpte ihr die Mütze auf.

Motherob-Aliph sagte: "Trage mich hinüber in die Kammer meines Vaters."Sogleich war das Mädchen in der Kammer ihres Vaters, der soeben dabei war, das Gold zu zählen, das er durch den Verkauf des Anblickes seiner Tochter verdient hatte. Motherob-Aliph sah ihm eine Zeitlang zu. Dann schlug sie ihm, als er gerade einen Griff in die Goldstücke getan hatte, auf die Hand, so daß der Vater erschrocken die Hand zurückzog und die Goldstücke fallen ließ. Der Vater sah sich überall um und sagte dann: "Meine Tochter Motherob-Aliph hat recht. Es schlägt hier irgend jemand im Hause, den wir nicht sehen können." Der Vater packte ängstlich sein Gold fort. Motherob-Aliph sagte zur Matte: "Trage mich zum Burschen zurück."

Die Matte trug Motherob-Aliph sogleich in ihre Kammer zurück, in der der Bursche mit dem Stock in der Hand auf sie wartete. Das Mädchen nahm die Kappe vom Kopf und sagte zu dem Burschen: "Ich habe es versucht. Ich habe soeben meinem Vater einen Besuch auf der Matte und mit der Kappe auf dem Kopf abgestattet und habe ihm das Gold aus der Hand geschlagen, ohne daß er es merkte.



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Also mit der Matte und der Mütze hast du mir zweifellos die Wahrheit gesagt. Wie aber hast du nun die Schläge auf mich niedergeschlagen? Kann ich das nicht auch einmal versuchen? Ich würde schon lange einmal einen meiner Sklaven verhauen haben, kann es aber nicht wagen, da er sich an mir rächen würde. An dem Sklaven aber könnte ich nun einmal den Stock versuchen." Der Bursche sagte: "Nimm den Stock und versuche es."Motherob Aliph nahm ihn.

Motherob-Aliph stand noch auf der Matte. Sie hielt die Kappe in der einen Hand und ergriff den Stock nun mit der andern. Motherob-Aliph stülpte die Kappe über, setzte sich gemächlich auf die Matte und sagte gelassen zu dem Stock: "Nun haue auf den Burschen so lange, bis er aus dem Hause ist." Der Stock hieb auf den Burschen. Der Bursche rannte zur Tür. Er sprang durch die Tür auf den Hof. Motherob-Aliph rief ihre Sklaven. Sie sagte zu den Sklaven: "Schlagt den Burschen, der sich da auf dem Hofe herumtreibt und jagt ihn aus dem Gehöft. Behandelt ihn so, daß er es nie wieder wagt, in meine Nähe zu kommen."

Die Sklaven taten wie ihnen befohlen war. Sie schlugen und mißhandelten den Burschen und warfen ihn dann aus dem Hause heraus. Der Bursche kam in einem schlimmen Zustande in seiner Wohnung an.

Der Bursche sagte bei sich: "Ich bin allein nicht klug genug, um mit diesem Mädchen fertig zu werden. Ich muß mir bei Amrar asemeni wieder einen Rat holen." Der Bursche ging zu Amrar asemeni und trug dem die Sache vor. Amrar asemeni lachte und sagte: "Ich wußte es, daß dies nicht leicht für dich sein würde. Du hast dabei eine schlechte Erfahrung gemacht. Nun gibt es aber erfreulicherweise noch eine Möglichkeit für dich, dieser Motherob-Aliph die wertvollen Sachen, die sie dir geraubt hat, wieder abzunehmen und sie zu zwingen, ihr Versprechen einzulösen und deine Frau zu werden. — Wenn du ununterbrochen in jener Richtung fortgehst, so kommst du an einen Berg, auf dessen Spitze ein Fels steht, neben dem ein Feigenbaum wächst. Nun ist es jetzt ja durchaus nicht die Zeit der reifen Feigen. Dieser Baum an dem Felsen trägt aber zwei reife Feigen, eine schwarze und eine weiße. Pflücke diese Feigen und kehre mit ihnen in die Stadt zurück. Gehe mit den Feigen auf einem Teller in die Straße, in der Motherob-Aliph wohnt und rufe aus, daß du, trotzdem es nicht an der Zeit ist, Feigen zu verkaufen hast. Motherob-Aliph wird an das Fenster kommen und dir eine Feige abkaufen wollen. Du gibst ihr die weiße, und sie wird sie



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sogleich verschlucken. Es werden Motherob-Aliph nun zwei Hörner wachsen, so daß sie den Kopf nicht wieder in die Kammer zurückziehen kann, und sie wird sogleich Übelkeit empfinden und das Herz ausspeien. Nimm dieses zunächst und sage ihr beim Abschied, wenn sie dir sonst noch etwas zu geben oder zu sagen habe, solle sie zu dir senden." Der Bursche dankte dem Alten für seinen Rat und machte sich auf den Weg.

Der Bursche ging in der angegebenen Richtung von dannen und kam nach einer langen Wanderung auch zum Schluß an den Berg mit dem Felsen und dem Feigenbaum. Wie Amrar asemeni es vorhergesagt hatte, trug der Baum, trotzdem es gar nicht die Jahreszeit hierzu war, zwei reife Früchte, eine schwarze und eine weiße, Der Bursche pflückte sie und kehrte in seine Ortschaft zurück. Er legte beide Früchte auf einen Teller und ging in die Straße, in der Motherob-Aliph wohnte und auch gerade zum Fenster hinaussah.

Der Bursche trat in die Straße ein und schrie laut: "Reife Feigen außer der Zeit! Wer kauft reife Feigen außer der Zeit! Reife Feigen außer der Zeit!" Motherob-Aliph verspürte ein großes Verlangen nach reifen Feigen und rief den Burschen heran. Motherob-Aliph beugte sich weit aus dem Fenster und sagte: "Verkaufe mir eine der Feigen." Der Bursche sagte: "Beuge dich noch ein wenig weiter herab. Ich will dir eine schöne Feige geben." Motherob-Aliph beugte sich weit herab. Der Bursche reichte ihr die weiße Feige und Motherob-Aliph führte sie sogleich zum Munde.

Kaum hatte Motherob-Aliph die Feige gegessen, so wuchsen ihr rechts und links mächtige gewundene Hörner. Motherob-Aliph fühlte augenblicklich starke Leibschmerzen und wollte den Kopf in das Zimmer zurückziehen. Sie rannte mit den schweren, langen, gewundenen Hörnern von außen gegen die das Fenster einrahmenden Mauern. Sie wandte und drehte den Kopf. Sie konnte es machen, wie sie wollte. Sie war nicht imstande, den Kopf mit den Hörnern wieder in das Zimmer zurückzuziehen.

Motherob-Aliph empfand die inneren Schmerzen immer stärker und stärker und mußte zuletzt, um sich von den schlimmsten Qualen zu befreien, zum Fenster hinausspeien, dabei spie sie das Herz aus. Der Bursche stand immer noch unter dem Fenster der Motherob-Aliph und sah ihren Bemühungen, den mit Hörnern beschwerten Kopf in das Haus hineinzuziehen, mit Vergnügen zu. Er sah ihr wachsendes Unbehagen, und als sie das Herz ausspie, fing er es schnell auf, um sich so die Quelle seines Reichtums zu sichern. Der



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Bursche sagte dann zu Motherob-Aliph: "Wenn du sonst irgend etwas mir zu geben hast, so sende zu mir!" Dann ging er von dannen.

Motherob-Aliph versuchte inzwischen immer noch vergeblich, den Kopf wieder in ihr Zimmer zu ziehen. Die Hörner waren so mächtig, daß es nicht möglich war. Zuletzt kam der Vater dazu und sah den Zustand. Er schrie vor Schrecken auf. Er sah die mächtigen gewundenen Hörner und sagte: "Dir kann nicht anders geholfen werden, als daß ein Holzschnitzer kommt und das Horn an den Wurzeln durchschneidet. Ich werde hinlaufen und einen Holzschnitzer rufen." Der Vater ging hin. Er suchte einen Holzschnitzer auf. Inzwischen sammelten sich alle Leute auf der Straße und alle Bewohner des Ortes konnten nun die schöne Motherob-Aliph sehen, auch ohne hundert Goldstücke zahlen zu müssen. Auch kamen allein schon deswegen so viel Leute angelaufen, weil noch nie jemand einen Menschen mit Hörnern gesehen hatte. So strömte denn das ganze Volk des Ortes nach der Straße, in der Motherob-Aliph zum Fenster heraussah, und da es gerade an einem Markttage war, so kamen zu den Einheimischen auch noch viele Fremde.

Der Vater kam mittlerweile mit dem Holzschnitzer an. Der Holzschnitzer ließ eine Leiter bringen, stieg hinauf und begann eines der Hörner an der Wurzel abzuschneiden. Der Holzschnitzer fand aber, daß er noch nie in seinem Leben ein so hartes Horn zur Bearbeitung erhalten hatte, denn alle seine Messer wurden stumpf und doch bekam er kaum eine schmale Rinne in dem Horn zustande. Am Abend kam er nicht weiter mit der Arbeit und sagte zu dem Vater Motherob-Aliphs: "In dieser Nacht wird deine Tochter in dieser Stellung noch verweilen müssen, dann kann ich morgen sehen, ob ich wenigstens eines der Hörner abbekomme." Der Holzschnitzer ging. Motherob-Aliph blieb die ganze Nacht über mit aus dem Fenster gebogenen Kopfe stehen, ohne sich rühren zu können. Der Bursche ging zur gewohnten Stunde schlafen, nachdem er noch das Vogelherz verschluckt hatte.

Als der Bursche am andern Morgen erwachte und unter sein Ohr auf das Kopfkissen griff, fand er wie früher fünfzig Goldstücke. Als der Holzschnitzer am andern Morgen zu Motherob-Aliph kam, um mit frisch geschärften Messern seine Arbeit fortzusetzen, sah er zu seinem Erstaunen, daß über Nacht die Rinne, die er gestern mit Mühe und Not geschnitten hatte, wieder zugewachsen war. Trotzdem ging er an die Arbeit, schnitzte den ganzen Tag, so daß alle seine



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Instrumente stumpf, im Hornschnitt aber gegen gestern ein kleiner Fortschritt zu bemerken war.

Der Holzschnitzer ging am zweiten Abend nach Hause. Motherob-Aliph blieb über Nacht abermals mit zum Fenster herausgebeugtem Kopf stehen, und als der Schnitzer am dritten Morgen wiederkam, war die gestern mühsam hergestellte Rinne wieder zugewachsen. Da sagte der Holzschnitzer zu dem Vater Motherob-Aliphs: "Das ist keine Arbeit, die ich ausführen kann. Ich habe noch keinen Menschen gesehen, dem so plötzlich Hörner gewachsen sind, und auch noch keine Hörner, die so schwer zu bearbeiten gewesen wären. Der dem Mädchen die Hörner beigebracht hat, der kann sie ihr vielleicht auch wieder abnehmen. Ich kann es nicht. Es ist keine Arbeit für einen Holzschnitzer." Der Holzschnitzer nahm sein Messer und ging wieder von dannen, und Motherob-Aliph mußte mit dem zum Fenster herausgesteckten Kopfe dastehen, ohne sich rühren zu können, wie am ersten Tage.

Da fiel Motherob-Aliph ein, daß der Bursche, nachdem sie das Vogelherz ausgespien hatte, beim Weggehen gesagt hatte: "Wenn du sonst irgendetwas mir zugeben hast, so sende zu mir!"Motherob-Aliph sagte zu ihrem Vater: "Mein Vater, hinter meinem Ruhelager befindet sich eine alte Matte, eine alte Mütze und ein alter Stock. Nimm diese drei Dinge, binde sie zusammen und trage sie zu dem Burschen, der dir seinerzeit vierhundert Goldstücke gezahlt hat, mich sehen zu dürfen. Dieser Bursche kann mir vielleicht in meiner Not helfen. Bring ihm also die drei alten Gegenstände und sage ihm, hier sei das, was ihm gehöre, und er solle mich von den Hörnern befreien."

Der Vater folgte der Aufforderung seiner Tochter. Er wunderte sich zwar sehr darüber, was ein so wohlhabender Bursche wie jener, der viermal für den Anblick seiner Tochter hundert Goldstücke bezahlen konnte, mit dem alten Stock, der alten Mütze und der alten Matte sollte; er nahm aber die drei bezeichneten Gegenstände und ging damit zu dem Burschen. Er trat bei ihm ein, legte Matte, Mütze und Stock vor ihm nieder und sagte: "Motherob-Aliph, meine Tochter, sendet dir diese drei Gegenstände und läßt dir sagen, das sei das, was dir gehöre. Meine Tochter bittet dich ferner darum, du möchtest sie von ihren Hörnern befreien." Der Bursche sah, daß Motherob-Aliph ihm die Matte, die jeden trug, wohin er wollte, die Mütze, die jeden unsichtbar machte und der Stock, der auf Befehl jeden verprügelte, zurücksandte und war seht



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zufrieden. Er sagte aber bei sich: "Ich habe erfahren, daß ich allein nicht klug genug bin. Deshalb will ich lieber erst den Amrar asemeni fragen, was er mir zu tun rät." Der Bursche sagte zu dem Vater Motherob-Aliphs: "Ich danke deiner Tochter, daß sie mir das, was mir gehört, wieder zurücksendet. Ob ich ihr die Hörner abnehme, will ich mir noch überlegen. Komme du aber heute mittag wieder zu mir, dann werde ich dir Antwort geben." Der Vater Motherob-Aliphs ging.

Der Bursche eilte sogleich zu Amrar asemeni und sagte zu ihm: "Ich danke dir für die guten Ratschläge, die du mir erteilt hast. Motherob-Aliph hat die starken gewundenen Hörner. Sie hat mir das Vogelherz zurückgegeben. Seit drei Tagen kann sie den Kopf nicht in die Kammer zurückziehen und hat mir heute morgen die Matte, die Mütze und den Stock wieder gesandt. Jetzt möchte sie von mir von den Hörnern befreit sein. Soll ich ihr nun die schwarze Feige zu essen geben?"

Amrar asemeni sagte: "Damit das schöne Mädchen dich nicht wieder überlistet und wieder deine kostbaren Dinge raubt, mußt du sie heiraten. Ist Motherob-Aliph erst deine Frau, so brauchst du dich vor ihrer List nicht mehr zu fürchten, vorausgesetzt, daß du vollkommene Macht über sie gewinnst. Die Macht über Motherob-Aliph aber kannst du nur gewinnen, wenn du ein gewisses Mauleselkopfgebiß besitzt, welches sich in den Händen des Vaters der Motherob-Aliph befindet. Wenn du Motherob-Aliph dieses Mauleselkopfgebiß anlegst, so wird sie sogleich in einen sehr schönen Maulesel verwandelt und niemand kann sie dir rauben, wenn du etwa mit ihr auf der Wanderschaft bist. Fordere also von dem Vater der Motherob-Aliph, wenn er wieder zu dir kommt, die Motherob-Aliph zur Frau. Sage ihm, er solle dir als Beweis, daß er zustimmt, das alte Mauleselkopfgebiß bringen. Der Vater des Mädchens wird dich sogleich verstehen und wird dir das Kopfgeschirr bringen. Erst dann gib Motherob-Aliph die schwarze Feige und ziehe mit ihr in ein andres Land." Der Bursche dankte Amrar asemeni für seinen Ratschlag und ging wieder nach Hause.

Zur festgesetzten Zeit kam der Vater Motherob-Aliphs und fragte den Burschen, ob er sich entschlossen habe, seine schöne Tochter von den Hörnern und aus der Stellung, in der sie sich seit drei Tagen befinde, zu befreien. Der Bursche sagte: "Ich will es tun, wenn du mir deine Tochter zur Frau geben willst und mir das aushändigen willst, was mir ihren unbestrittenen Besitz sichert."Der Vater sagte:



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"Ich will dir Motherob-Aliph, meine Tochter, gern zur Frau geben, aber wie soll ich dir ihren unbestrittenen Besitz sichern?" Der Bursche sagte: "So gib mir nur das alte Mauleselkopfgeschirr. Das genügt mir." Der Vater des Mädchens sagte: "Ich sehe, du weißt in der Sache gut Bescheid. Ich will dir also das Kopfgeschirr bringen, wenn du mir schwörst, nachher meine Tochter zu befreien." Der Bursche sagte: "Ich schwöre es dir zu." Der Vater lief von dannen. Er kam nach einiger Zeit wieder und brachte ein altes Mauleselkopfgestell. Der Bursche bändigte ihm die schwarze Feige aus und sagte: "Laß das deine Tochter genießen und dann bring sie zu mir." Der Vater ging. Motherob-Aliph aß die schwarze Feige. Sogleich waren die Hörner wieder fort. Sie konnte den Kopf in das Zimmer zurückziehen und sagte zu ihrem Vater: "Bringe mich zu meinem zukünftigen Gatten."

Der Vater ging mit seiner Tochter zum Burschen und sagte: "Hier ist meine Tochter. Du willst mit ihr in ein anderes Land ziehen. Nun merke dir eines: Meine Tochter ist so schön, daß alle Männer, die sie sehen, augenblicklich wünschen, sie zu besitzen; hüte dich also davor, sie je in dieser Gestalt auf dem Wege zu zeigen. Wenn du wanderst, lege ihr stets das Mauleselgeschirr über den Kopf. Dann wird sie sogleich eine starke Mauleselin. Setze dich auf sie und reite sie. Sobald du irgendwo rastest oder an deinem Reiseziel angekommen bist, nimm das Geschirr ab und du hast wieder deine Frau." Der Bursche dankte dem Vater für seine Ratschläge, veranstaltete ein großes Hochzeitsfest und machte sich wenige Tage später mit seiner jungen schönen Frau auf die Wanderschaft.

Der Bursche hatte sich die Worte Amrar asemenis und seines Schwiegervaters gut eingeprägt. So oft er seinen Rastplatz verließ, legte er seiner Frau die Mauleselzügel an, und sie verwandelte sich in ein starkes Reittier, das er bis zur Ankunft an seinem nächsten Bestimmungsort ritt, und dann erst wieder, wenn er sich vor den neugierigen Augen der Menschen geschützt sah, durch Abnahme des Zügels zu einer menschlichen Gestalt umwandelte.

Eines Tages nun kam er in eine Ortschaft, in der er bei einem sehr habsüchtigen Manne abstieg. Er stellte seinen Maulesel in dessen Stall und wartete, daß der Geschäftsinhaber die Kammer, die er dem Burschen für diese Nacht vermietet hatte, verlassen würde. Der Mann ging aber immer um den schönen Maulesel herum und sagte zuletzt: "Den Maulesel will ich dir abkaufen." Der Bursche sagte: "Der Maulesel ist mir nicht verkäuflich. Laß also den Handel und



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entferne dich, denn ich will mich zum Schlafen niederlegen." Der Mann suchte nun einen Grund zum Streit mit dem Burschen, in dessen Verlauf er hoffte, des Maulesels habhaft zu werden. Der Mann sagte also: "So nimm dem Tier das Kopf geschirr ab, damit es fressen kann." Der Bursche sagte: "Laß mich das machen, wann und wie ich es will; das geht dich nichts an." Der Mann sagte: "Es geht mich wohl etwas an, denn es ist mein Stall, in dem der Maulesel untergebracht ist." Sie stritten eine lange Zeit hin und her, und die Dorfbewohner, die mit Vergnügen dem Streit mit dem Fremden zusahen, auch in der Hoffnung, daß der schöne Maulesel ihrem Dorfe erhalten bleiben möchte, waren darüber sehr erfreut.

Der Bursche wollte nun mit seinem Maulesel endlich weiterziehen und den habsüchtigen Mann verlassen und zog das Tier aus dem Staue. Da stellte der Mann sich ihnen aber in den Weg und sagte: "Da du für heute das Haus von mir gemietet hast, um darin zu wohnen, verlange ich auch, daß du es tust. Morgen werde ich dann mit dir bis in den nächsten Ort gehen, in dem ein überaus kluger Amin lebt, und da werde ich schon sehen, ob ich recht hatte oder nicht." Die Dorfbewohner schrien alle: "So ist es recht. Das soll die Entscheidung sein." Der habsüchtige Mann ging nun, schloß aber von außen die Tür ab, so daß der Bursche mit dem schönen Maulesel nicht entweichen konnte. Der Bursche sagte aber zu seinem Maulesel: "O Motherob-Aliph! Warum habe ich nun niemand, der mir raten kann! Warum habe ich von dem Vogel, den mein Vater fing, nur die Gabe, Gold zu gewinnen, nicht aber Klugheit gewonnen!"

Am andern Tage kamen die Dorfbewohner in großer Menge und begleiteten den Burschen und seinen schönen Maulesel zudem Amin, der weit und breit durch seine große Klugheit bekannt geworden war.




***
Um diese Zeit hatte der Holzhauer, der Vater der beiden Söhne, die Strafarbeit, die der gierige Fürst ihm in dem fernen Lande auferlegt hatte, beendet. Er hatte den Wald gerodet und neu angepflanzt. Die neu gepflanzten Bäume trugen Früchte, und somit wurde er aus der Gefangenschaft entlassen und konnte heimkehren. Er fuhr über das Meer, wanderte über die Berge in seine Heimat und kam an sein Haus. Es war das Haus, das er früher mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen sowie der Dienerin bewohnt hatte.

Vor dem Hause des Holzhauers stand der Jude. Als der Holzhauer



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in das Haus treten wollte, stellte sich der Jude davor und sagte: "Das ist nicht dein Haus, sondern es ist mein Haus!" Der Holzhauer Sagte: "In dem Haus sind meine Frau, meine Söhne und meine Dienerin. Laß mich in mein Haus." Der Jude sagte: "Das ist nicht Wahr. In dem Hause lebe ich mit meiner Frau und meiner Dienerin." Der Holzhauer und der Jude stritten sich. Sie schrien so laut, daß die Frau des Juden, die früher die Frau des Holzhauers gewesen War, zur Tür herauskam, um zu sehen, was es gäbe.

Der Holzhauer sah seine Frau und rief dem Juden zu: "Fort, du betrüger! Laß mich zu meiner Frau, die dort steht!" Die Frau erschrak, denn sie sah nun, daß ihr erster Mann noch lebte, daß sie also eine strafbare Ehe eingegangen war. Die Frau sagte: "Was will der Mann?" Der Jude sagte: "Dieser Mann behauptet, dein Ehemann zu sein. Weißt du etwas davon? Eine Frau kann doch nicht mit zwei Männern verheiratet sein; ist dieser nun dein Gatte oder bin ich dein Gatte ?" Die Frau sagte: "Du bist mein Gatte." Die Frau hatte aber große Furcht und sagte weiter: "Früher bin ich überhaupt nicht verheiratet gewesen." Der Holzhauer sah nun, daß Seine Frau ihn betrog und rief: "Ganz schlechte Betrüger und Diebe seid ihr!"

Der Jude und die Frau und der Holzhauer schimpften so laut aufeinander, daß die Dienerin es drinnen hörte und herauskam, um zu sehen, was es gäbe. Als der Holzhauer seine alte Dienerin sah, rief er: "Diese da ist aber meine Dienerin, die ihr mir auch genommen habt." Der Jude schrie: "Es ist meine Dienerin." Der Holzhauer sagte: "Du alte Dienerin, sage du selbst, ob ich dein früherer Herr und der Mann dieser Frau dort bin oder nicht?" Die Dienerin sagte: "Ich weiß allerdings, daß deine Frau früher auch verheiratet war, ich erkenne dich aber nicht wieder, da meine Augen schlechter geworden sind und du wohl gealtert bist." Der Holzhauer sagte: "Nun habt ihr schon eine Lüge. Frau, du sagst, daß du früher nicht verheiratet gewesen bist; diese Dienerin wird das aber auch vor dem Richter widerlegen. Komm, Jude, da du mich um alles, was ich besaß, gebracht hast, komm mit mir zu dem weisen Amin, der dort in der Gegend alles so klug entscheidet. Der Amin wird entscheiden."

Am andern Tage brachen der Holzhauer mit dem Juden, seiner Frau und seiner alten Dienerin auf und schlugen den Weg zu dem weisen Amin ein. Sie gingen zusammen einen Tag lang. Abends trafen sie an einem alleinstehenden Gehöft ein. Der Jude erhielt als wohlhabender Mann für sich, seine Frau und seine Dienerin eine



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Kammer. Der Holzhauer, der kein Geld hatte, mußte froh sein, daß man ihm erlaubte, auf einem Heuschober zu übernachten. Die junge Frau des Hauses, die gerade guter Hoffnung war, kam nun, als es dunkel war, noch einmal in den Heuschober, denn sie wollte sich da mit ihrem Liebhaber treffen. Sie wußte nicht, daß der Holzhauer im Heu lag. Der Holzhauer fuhr auf, als die junge Frau am Heu zog. Die junge Frau schrie und erschrak so, daß eine Fehlgeburt eintrat.

Der Mann des Gehöfts kam, als er das hörte, in den Heuschober. Er schrie den Holzhauer an und sagte: "Was hast du getan! Ich habe dir erlaubt, hier im Heuschober zu übernachten und du tötest mir mein Kind! Ersetze mir mein Kind. Ich werde morgen mit dir zu dem weisen Amin gehen und werde mit dir dort streiten. Du sollst mein Kind mir ersetzen!"

Am andern Tage gingen also der Holzhauer, der Jude, die Frau des Juden, die Dienerin, der Kindsvater und die Kindsmutter zusammen den gleichen Weg in der Richtung auf das Dorf des weisen Amin. Sie waren ein gutes Stück gekommen, da lief ihnen ein Mann entgegen, der schrie: "Kommt schnell alle zusammen! Kommt und helft mir! Mein Esel ist mir in den Schlamm geraten und sinkt immer tiefer! Helft mir doch, meinen Esel wieder aus dem Schlamm zu ziehen!"

Da liefen denn der Holzhauer und der Jude, die Frau des Juden, die Dienerin, der Kindsvater und die Kindsmutter dahin, wo der Esel im Schlamm steckte. Der Holzhauer zog den Esel am Schwanz, die andern an den Beinen. Da der Holzhauer am stärksten war, gelang es ihm, den Esel hinten emporzuziehen, worauf denn auch die Beine hochkamen. Beim letzten Ruck war der Esel gerettet, der starke Holzhauer hatte ihm aber den Schwanz ausgerissen. Der Eselbesitzer schrie, als er das sah, voller Wut: "Was, du reißt hier meinem Esel den Schwanz aus? Ist das mein Esel oder dein Esel? Ich werde dich zu dem weisen Amin führen und der soll dann entscheiden, ob du mir den Esel zu ersetzen hast oder nicht."

So zogen denn der Holzhauer, der Jude, die Frau des Juden, die Dienerin, der Kindsvater, die Kindsmutter, der Eselbesitzer und der Esel mit abgerissenem Schwanz gemeinsam auf dem Wege zu dem weisen Amin dahin. Der Holzhauer sagte aber: "Nun habe ich schon drei Sachen zu verfechten und drei Parteien gegen mich. Wie soll der weiseste Richter da nun wohl gerecht zu meinen Gunsten entscheiden! Es ist das beste, ich nehme mir vorher das Leben!" Wie sie nun den Hügel hinauf zu dem weisen Amin gingen, kamen sie an einen 48



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Felsenvorsprung, der sich jäh erhob, vorbei. Der Holzhauer sprang den Felsenvorsprung herab. Unten im Tale nun saß gerade ein Greis, dessen sieben Söhne um ihn versammelt waren und von ihm die Auszahlung ihres Erbteils noch zu seinen Lebzeiten verlangten. In diese Versammlung hinab stürzte der Holzhauer und zwar gerade auf den Greis, mitten zwischen die hadernden sieben Söhne Der Greis brach unter dem Aufschlag des Holzhauers sterbend zusammen und verschied sofort. Der Holzhauer aber blieb unverletzt.

Die sieben Söhne des Greises sahen, daß ihr Vater endlich tot war, wie sie es sich der Erbschaftsverteilung wegen schon lange gewünscht hatten. Als der Holzhauer sich nun aber wohlbehalten erhob, schrien sie ihn an und sagten: "Wie kannst du unsern alten teuern Vater so töten? Glaubst du etwa, daß uns unser Vater nichts wert ist? Was er uns wert ist, sollst du uns bezahlen! Komm nur mit uns zu dem weisen Amin, der wird schon wissen, was recht ist."

Dann setzten der Holzhauer, der Jude, die Frau des Juden, die Dienerin, der Kindsvater, die Kindsmutter, der Eselbesitzer, der Esel und die sieben Söhne des Greises gemeinsam den Weg zum Amin fort. Der Holzhauer sagte aber bei sich: "Nun habe ich vier Sachen zu verfechten und sieben Parteien gegen mich! Wie soll ein Richter so gerecht sein können, mir in allem Recht zu geben. Es hilft nichts. Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen."




***
D er älteste Sohn des Holzhauers genoß, je länger die Zeit hinging, desto mehr Ansehen, und der Ruf seiner Weisheit verbreitete sich mehr und mehr. Es verging kein Tag, an dem aus der Ferne nicht Leute zu ihm kamen, um seine weise Entscheidung in schwierigen Fällen anzurufen.

Eines Morgens rief er nach dem Aufstehen seinen Diener und fragte: "Was habe ich heute morgen zu erledigen?" Der Diener sagte: "Es ist ein junger Mann da, der angeklagt ist, in unangemessener Weise seinen Maulesel in dem Staue eines andern behandelt zu haben, so daß er die ganze Bewohnerschaft des Ortes in Aufregung versetzt hat. Alle Leute sind mitgekommen, sich über den Schinder zu beklagen, der ein so schönes Tier nicht verdient. Die Leute bitten, daß man ihm das schöne Tier abnimmt, da er es nicht verdiene. Sie wollen sich verpflichten, das Tier in ihrem Ort zu pflegen." Der weise Amin sagte: "Was habe ich sonst noch zu erledigen?" Der Diener sagte: "Dann ist noch ein großer Verbrecher hierher geschleppt, der ist von vier Parteien angeklagt. Er hat einem Juden Frau und Hof



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abschwindeln wollen; er hat ein Kind getötet, er hat gewalttätig einem Esel den Schwanz ausgerissen und endlich einen von seiner Familie hoch verehrten Greis getötet, indem er von einem Felsen aus auf ihn herabgesprungen ist und ihm das Genick gebrochen hat. Es muß ein ganz schlimmer Mann sein." Der weise Amin sagte: "Bringe mir erst einmal den jungen Mann mit seinem Maulesel und die übelgesinnten Dorfbewohner herein!"

Der Diener brachte den jüngeren Bruder mit dem schönen Maulesel und den habgierigen Mann mit den Dorfbewohnern herein. Als der weise Amin den jüngern Bruder sah, wußte er sogleich, daß das sein Bruder sei; der aber erkannte den Amin nicht. Der habgierige Mann trug dem weisen Amin die ganze Sache vor. Als der habgierige Mann geendet hatte, fragte der weise Amin die mitgekommenen Dorfbewohner: "Weshalb seid ihr mitgekommen?"Die Dorfbewohner sagten: "Wir wollten dich bitten, daß, wenn du dem Burschen da als Entgelt für sein unhöfliches Benehmen und als Strafe für seine schlechte Behandlung des Maulesels sein Tier wegnehmen willst, es unserem Dorfe zur Pflege übergeben möchtest." Der weise Amin sagte: "Ist keiner von euch auf einem eigenen Maulesel gekommen ?" Die Leute sagten: "Wir sind alle auf Mauleseln hierher geritten." Der Amin sagte: "So will ich auf den Hof kommen und mir eure Tiere ansehen."

Der weise Amin ging auf den Hof. Auf dem Hofe standen etwa hundert Maulesel. Der weise Amin sagte: "Nun führt eure Tiere einer nach dem andern an dem Maulesel des jungen Mannes hier vorüber." Die Leute taten es. Es war kein Maulesel so schön, wie der des jungen Mannes. Die sämtlichen Maulesel der Dorfbewohner waren aber auch nicht annähernd so gut gepflegt wie der Maulesel des jüngeren Bruders. Dem einen war ein Auge verletzt, der zweite hinkte, der dritte war nicht geschoren. Die meisten hatten blutige Stellen auf dem Rücken usw. Der Maulesel aber, auf dem der Habgierige gekommen war, hinkte, hatte nur ein Auge, blutete auf dem Rücken und war ganz dünn. Der Amin betrachtete die sämtlichen Maulesel, wandte sich dann an die Dorfbewohner und sagte: "Ich nehme euern Vorschlag, daß dem, der die schlechte Behandlung des Maulesels zu verantworten hat, eine Buße auferlegt wird, an. Ich habe euch doch richtig verstanden?" Die Dorfbewohner sagten: "Ja, du hast richtig verstanden?"

Der weise Amin sagte: "Vergleicht nun die Tiere untereinander. Eure Tiere sind sämtlich in einem schlechten, das des jungen Burschen



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ist aber in einem guten Zustand. Ihr seid demgemäß im Unrecht, der Bursche aber im Recht. Ihr habt ihn gekränkt, ihr werdet ihm also eine Buße geben. Je schlechter eure Tiere sind, desto höher wird die Buße sein. Von dir, Bursche, möchte ich nun wissen, wie du es erreichst, daß dein Maulesel in so gutem Zustande ist. Du brauchst es nicht vor allen Leuten zu sagen, komme mit in meine Kammer und bringe dein Tier auch mit, du kannst mir dort sagen, warum du dich weigerst, das Kopfgeschirr abzunehmen." Der Bursche erschrak. Der weise Amin ging aber voran, und er folgte ihm mit dem Maulesel.

Als sie in der Kammer waren, schloß der weise Amin hinter sich die Türe ab, zog den jüngeren Bruder an sich und sagte: "Kennst du mich denn nicht? Ich bin dein älterer Bruder." Da sah auch der Jüngere, wen er vor sich hatte und er sagte: "Ach! was bin ich dankbar, daß ich dich als Weisen wiedergefunden habe, denn ich habe mit dem Herz des Vogels zwar vielen Reichtum aber keine Klugheit gewonnen." Danach erzählte er seine Erlebnisse, nahm dem Maulesel das Kopfgeschirr ab und zeigte dem Bruder seine Frau. Der Bruder begrüßte sie herzlich, brachte sie hinüber zu seinen eigenen Frauen und sagte zu dem jüngeren Bruder: "Komm mit, draußen habe ich eine sehr wichtige Sache zu erledigen."

Der weise Amin setzte sich auf seinen Platz und der jüngere Bruder neben ihn. Dann führte der Diener den Holzhauer, den Juden, die Frau des Juden, die alte Dienerin, den Kindsvater, die Kindsmutter, den Eselbesitzer, den Esel und die sieben Söhne des verstorbenen Greises herein. Der Holzhauer hatte große Furcht und sagte sich immerfort: "Ich habe vier Sachen zu verfechten und vier Parteien gegen mich. Der weiseste Richter kann nicht für mich stimmen. Ich werde den Rest meines Lebens im Gefängnis verbringen." Der weise Amin beugte sich aber zu seinem Bruder nieder und sagte ihm ins Ohr: "Sieh, das ist unser Vater, unsre Mutter, die alte Dienerin und der Jude." Der jüngere sagte: "Du hast recht, sie sind es." Aber weder Vater noch Mutter erkannten ihre Söhne, die inzwischen älter geworden waren.

Die sieben Männer beklagten sich darüber, daß der Holzhauer ihnen den Vater erschlagen habe. Der weise Amin fragte sie: "Worüber spracht ihr, als das Unglück geschah? Es muß eine besondere Unterhaltung gewesen sein, denn einmal spricht man das Übliche daheim im Gehöft, und dann wäre es sonst auch kaum möglich gewesen, daß der Vater mitten zwischen euch gesessen hätte und



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ihr alle Sieben um ihn standet. Also wovon spracht ihr ?" Die sieben Männer wurden verlegen und sagten: "Wir forderten von ihm unser Erbteil, da es nicht abzusehen sei, wie lange er noch leben würde." Der Amin sagte: "Ihr seid schlechte Söhne, die ihr nicht einmal den Tod des Vaters abwarten könnt; zur Strafe dafür werdet ihr diesem Holzhauer, der euch in euerm Sinn auch noch von einer Last befreit hat, eine Buße zahlen. Geht aber noch nicht, sondern bleibt!"

Der Eselbesitzer beschwerte sich darüber, daß der Holzhauer seinem Tiere den Schwanz ausgerissen hatte. Der weise Amin fragte: "Ist das Leben des Esels mehr wert oder ist der Schwanz des Esels mehr wert ?" Der Eselbesitzer sagte: "Das Leben des Esels ist mehr wert." Der weise Amin sagte: "So bist du dem Holzhauer immer noch mehr schuldig, denn der Holzhauer hat das Leben des Esels gerettet. Du zahlst ihm also eine Buße. Geh aber noch nicht, sondern bleibe!"

Der Kindsvater brachte seine Klage vor, daß der Holzhauer sein Kind getötet habe. Der weise Amin ließ die Kindsmutter vortreten und sagte zu ihr: "Schwöre mir, daß du die Wahrheit sagen willst." Die Kindsmutter schwor. Der Amin fragte: "Was wolltest du nachts noch am Heuschober, da die Ziegen doch am Abend schon Futter bekommen hatten ?" Die Frau wurde verlegen. Die Frau sagte endlich: "Ich wollte mich da mit einem Liebhaber treffen." Der weise Amin sagte zum Kindsvater: "Das Kind war offenbar nicht deines. Also hast du kein Recht zur Klage. Du zahlst dem Holzhauer eine Buße aus Dankbarkeit dafür, daß er die Liebhaberschaft deiner Frau ans Tageslicht gebracht hat. Geh aber nicht. Ich habe noch an euch alle, mit denen ich bisher gesprochen habe, eine Frage zu richten. Sagt mir doch, seid ihr alle selbst auf den Gedanken gekommen, jeder einzelne in seinem Fall, den Holzhauer zu verklagen?"

Die sieben Söhne sagten: "Nein, der Jude trat hinter uns und flüsterte uns zu, wir sollten mitkommen und Klage führen."

Der Eselbesitzer sagte: "Nein, der Jude trat zu mir und flüsterte mir zu, ich solle mitkommen und Klage führen."

Der Kindsvater sagte: "Nein, der Jude kam nachts noch zu mir und sagte mir, ich solle mit ihm kommen und auch über den Hole.. hauer Klage führen."

Der weise Amin sagte: "Es ist gut. Ich weiß genug. Zahlt alle eure Buße und geht, wenn ihr es eilig habt. Wenn ihr aber sehen wollt, welcher Art die Klage des Juden ist, so bleibt hier!" Darauf blieben



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alle. Der weise Amin wandte sich nun an den Juden und sagte: "Erkläre du mir genau und kurz den Grund deiner Klage."

Der Jude sagte: "Dieser fremde Mann, den ich früher nicht kannte, wollte in mein Haus eindringen und behauptete, mein Gehöft gehöre ihm und meine Frau sei die seine." Der weise Amin fragte seine Mutter: "Was sagst du hierzu?" Die Mutter sagte: "Ich war vorher nie verheiratet und kenne den Mann nicht. Ich bin die Frau des Juden." Der weise Amin fragte die alte Dienerin: "Was sagst du hierzu?" Die alte Dienerin sagte: "Die Frau war früher schon einmal verheiratet. Ich erkenne den Mann aber nicht, weil meine Augen von Alter schwach wurden und weil er gealtert ist."

Der weise Amin sagte zum Juden: "Es ist lange her, da hast du täglich einmal einem Holzhauer ein Ei immer für fünfzig Goldstücke abgekauft. Der Holzhauer fand die Eier erst im Walde in einem Nest, bis seine Frau ihm eines Tages den Rat gab, den Vogel zu fangen und in einen Käfig zu setzen. Du kanntest den Wert des Vogels und brachtest den Holzhauer als Kaufmann über das Meer. Dann heiratetest du seine Frau und verlangtest als Hochzeitsmahl den Vogel, der die Eier legte. Es lag dir daran, den Kopf und das Herz des Vogels zu genießen, weil dieser Kopf und das Herz besondere Klugheit und Reichtum verleihen. Erinnerst du dich an alles dieses, Jude?" Der Jude sagte: "Ich weiß davon nichts."

Der weise Ami rief seine Mutter heran, streifte den Arm hoch und sagte: "Du hattest mit dem Holzhauer zwei Söhne, die an dem Tage, als du den Juden heiratetest und du den eierlegenden Vogel tötetest, fortliefen. Sieh hierher!" Der weise Amin hatte an der Schulter ein Muttermal. Die Frau sank weinend nieder und sagte: "Alles, was du sagst, ist die Wahrheit, die reine Wahrheit! Und du bist mein ältester Sohn." Der weise Amin sagte: "Du erkennst also diesen Mann als deinen ersten Gatten ?" Die Frau sagte: "Ja, er ist es."

Der weise Amin sagte: "Jude, du hast den Holzhauer in Lebensgefahr über das Meer gebracht. Du hast ihm die Quelle seines Reichtums gestohlen. Du hast ihm seine Frau genommen, du hast seine beiden Kinder, die hier vor dir sitzen, aus dem Hause gejagt, du hast die Leute gegen ihn aufgewiegelt, daß sie ihn mit ihren Klagen ins Gefängnis brächten. jude, du wirst hierfür mit dem Leben bezahlen und alles was dein war, gehört von nun ab dem Holzhauer. Bringt den Juden fort!"

Die Leute brachten den Juden fort und töteten ihn. Der weise



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Amin begrüßte seinen Vater und hieß ihn, sich neben ihn setzen. Dann sagte der weise Amin:

"Mutter, der Vater und seine zwei Söhne sind wieder vereinigt. Mein jüngerer Bruder und ich werden uns nicht mehr trennen. Unser Vater wird das Besitztum des Juden übernehmen. Die alte Dienerin wird bei ihm bleiben. Du hast unrecht gehandelt, aber mir, deinem Sohne, steht es nicht zu, über dich zu urteilen. Das mag dein Mann tun."



VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

(Originalzeichnungen von Kabylen)

1. DER VERFOLGTE JÜNGLING '7

II. DER TAPFERE RECKE VERFOLGT DIE SIEBENKÖPFIGE HYDRA UND BEFREIT DAS SCHÖNE MÄDCHEN . 65

III. ÄLTESTE DER TÖCHTER MIT AGELITH UND WIDDER 129

IV. EINE THIMHASCHISGELT-(HANFRAUCHER) GESELLSCHAFT 225