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INHALT
DAS UNGEHEUERLICHE (Einleitung) 1
1 Der Amazonenkampf. 3
2. Die undankbare Frau 11
3. Die Odyssade 24
4. Die Wuarssentochter 30
5. Die Diebe und die Wuarssen 48
6. M'hammed Asserdun bei den Wuarssen 52
7. Der Wuarssentöter 66
8. Der Drachenkampf (1. Form) 71
9. Der Drachenkampf (2. Form) 79
10. Die verheirateten Schwestern 90
11. Chtaphleräith 104
12. Das Leben im Ei 111
13. Die Schatzhöhle der Wuarssen 115
14. Der singende Vogel (Tir Lemechcheni) 121
15. Die sieben Schwestern 145
16. Brunnenfahrt 156
17. M'hamd Laschäischis Brautwerbung 165
18. Die Taubenfrauen (i. Form) 171
19. Die Taubenfrauen (gekürzt) 177
20. Die Grabwache 183
21. Die Flucht vor Wuarssen und Teriel 196
22. Waldschrecken 202
23. Die Tapfere 204
24. Weizenkorn und Teriel 206
25. Tamaschahut Bischr "Die Erzählung Fingernagels" 210
26. M'chetisch und die Teriel 216
27. Die Elternlose 227
28. Die sieben Schwestern 229
29. Der Kluge und der Dumme 234
30. Die Erdnüsse der Teriel 244
31. Nuja, die Tochter der Teriel 251
32. Die Lebenslampen der Teriel 263
33. Der Sohn der Teriel 281
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN
(Kabylenzeichnungen)
1. DER SCHLUSS DES AMAZONENKAMPFES 8
II. DAS KLEINE WEIZENKORN hat statt seiner den Stein an den Baum gehängt, zu dem die Flammen hochlecken 208
III. DAS HAUS DER SIEBEN TÖCHTER, in das die Teriel eindringen will 232


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VOLKSMÄRCHEN DER KABYLEN

II. BAND

DAS UNGEHEUERLICHE

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS 1922

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE MIT 3 BILDERTAFELN (KABYLENZEICHNUNGEN)

ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG IN FREMDE SPRACHEN VORBEHALTEN 1 COPY-RIGHT 1922 BY EUGEN DIEDERICHS VERLAG IN JENA



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Das Ungeheuerliche

Das Grauenvolle reizt die Kabylen, nimmt aber nur selten in ihren Volksdichtungen bedeutsame Formen an. Es sind vielmehr das Ungeheuerliche und das Fabelhafte, das sich zu märchenhaften Bildungen verdichtet. Das Ungeheuerliche (vorliegender Bd. II) überwiegt nun aber so stark im Volksinteresse, daß es wohl berechtigt ist, seine Aufschlüsse den Ergüssen des eigentlich Fabelhaften (Bd. III) voranzustellen.

Nicht etwa, als ob es an Grauenvollem mangelte. In Bd. 1 Nr. 24 S. 109 konnte ich schon einiges von den Schrecknissen berichten. Derartiges gibt es vielerlei. Da sind vor allem die "Zurückkehrenden" (thahaurith; Plural: tihaurihen; in anderem Dialekt: tharuhauith; Plural: thiruhainen), die als gespenstische Schatten den Menschen bedrängen. Dann gibt es die Tiuchilin (Sing.: teauchilt), das sind Frauen, die am Freitag nacht unsichtbar die Dörfer durchziehen, die stets unsichtbar bleiben, die angeblich nur Gutes tun, deren gespenstisches Wesen aber dennoch gefürchtet wird. Ferner ist da Imsisen (Plural: imsislien), ein mauleselartiges Wesen, das umherläuft, eine Art Glocke am Hals hat und diese schellend erklingen läßt; wenn Imsisen einem Menschen begegnet, so nimmt er ihn auf den Rücken und läuft mit ihm davon. Dann wiederum taucht hier und da eine Rauch- oder Wirbelsäule auf, die wie eine Wolke durch den Wald zieht und die Menschen vernichtet. — Dagegen konnte ich von den Subachen, die in Westafrika und in den Ländern südlich der westlichen Sahara eine so große Rolle spielen, nichts finden, und die Irrlichter (assassen luali; Sing.: lulia) sind nur harmlose Erscheinungen.

Dem Grauenvollen gegenüber das Ungeheuerliche! Für alle Arten Ungeheuer gibt es nur einen Ausdruck: luachsch; Plural: leuhausch. Es ist ungemein bezeichnend, daß Löwen und Leoparden für die Kabylen ganz ebenso "Luasch" sind wie die Riesen und die Hexen. Die alten Kabylen fürchteten Riesen, Hexen, Leoparden und Löwen offenbar als gleiche Erscheinungen. Aber ein Grauen vor ihnen gab es nicht. Die Ungeheuer waren dem Mutigen überwindbar, was auf die gespenstischen Erscheinungen nicht zutrifft. Ihrer konnte man sich nur mit Hilfe magischer Mittel erwehren. Ihnen gegenüber spielte der Mut keine Rolle.

Von den nicht der natürlichen Umwelt angehörigen Ungeheuern gab es keine große Auswahl: Riesen, Hexen und Drachen. Die Riesen (wuarssen oder awartheniu; Plural: iwarsnieuen oder iwarthuniän) sind die gleichen plumpen Wesen wie bei uns. Sie sind kannibalisch, aber auch dumm-gutmütig und durchaus phantasielos. Ganz anders der Charakter der Hexen (Sing.: teriel oder tzeriel; Plural:



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teriulat oder tzeriel). Diese sind bösartig, gerissen, rachsüchtig, hinterhältig. Sie repräsentieren den Frauentypus, den der Kabyle als Setut (Bd. 1 5. 40) bezeichnet. Sie sind Aliverschlinger und nachts, wenn sie schlafen, erklingen aus ihrem Bauch die Stimmen von Fröschen, Löwen und anderen Tieren. Merkwürdig ist es, daß eine ganze Reihe von Abenteuern erzählt werden, die von einem Zusammentreffen mit Teriel berichten und als wahre Geschehnisse gelten. Zum dritten endlich gehört die siebenköpfige Schlange, der Drache leph'ha oder lapha in die gleiche Sippe. Im Bd. III (S. 294 Nr. 53 Jäger) werden wir aber sehen, daß auch ein schönes Mädchen sich in ein Luasch, ein Ungeheuer verwandeln kann.

Die Erzählungen, in denen diese Ungeheuer die große Rolle spielen, nehmen bei den Kabylen etwa ein Drittel im ganzen Bereich der ursprünglich eigenen, wie der später von anderer Seite zugeflossenen Volksdichtung ein. So war es ganz selbstverständlich, daß wir uns oft über die Riesen und Hexen und auch über ihr Heimatland unterhielten. Als ich in Tirual nun die ersten Nachrichten über die auch aus dem Lande der Riesen stammenden Taubenfrauen erhielt, wurde mir zum erstenmal ganz spontan die Mitteilung zuteil, daß die Wuarssen am Himmel lebten: "bei den Sternen" (sie sagten aber nicht, daß es die Sterne wären). Dann kam auch zum ersten Male, ferner bei einer zweiten Erzählung der Grabwache (Nr. 75) heraus, daß die Helden dieser Erzählungen ihre Abenteuer am Himmel erleben - sicherlich ein wichtiger Ausspruch für Jünger der vergleichenden Mythologie.

Die Erzählungen von den Kämpfen und Abenteuern mit Riesen und Hexen zeigen eine große Mannigfaltigkeit. Alte liebe Geschichten, wie die von Amor und Psyche, von Polyphem, den Schwanenjungfrauen, den Amazonen usw. treten in neuen echt kabylischen Versionen zutage, und zwar - was mir sehr bedeutsam erscheint - nicht als von Fremden entlehntes Gut, sondern als genetisch mit der ganzen Fabulei Verwachsenes.



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1. Der Amazonenkampf

Man spricht aus alter Zeit von einem Mann, der war sehr reich, aber er hatte keinen Sohn. Er heiratete eine erste Frau und erhielt drei Töchter von ihr. Er heiratete eine zweite Frau und erhielt wiederum drei Töchter von ihr. Er heiratete eine dritte Frau und erhielt eine Tochter. Er hatte so sieben Töchter. Es waren sieben Mädchen von großer Schönheit, aber noch größerer Stärke. Der Mann war darüber, daß er keinen Sohn hatte, sehr traurig. Er heiratete, als seine Töchter schon heranwuchsen, eine vierte Frau.

Die älteste Schwester nahm ein Schwert und sagte zu ihren Schwestern: "Kommt, wir wollen auf das Feld reiten und miteinander uns im Schwertkampf üben. Wir sind stark. Wir wollen den Kampf üben, bis wir stärker sind, als die Männer. Sechs von den Schwestern schlossen sich dem Vorschlage an. Die Jüngste aber sagte: "Ich bin stark genug mit meinen andern Mitteln. Wenn ich ein Büschel meiner Haare verbrenne, so erhalte ich alle Kunst und Kraft, die ich nötig habe. Ich habe die Kunst, mit dem Schwerte zu kämpfen, nicht nötig." Die Jüngste beteiligte sich nicht an den Kämpfen der sechs Schwestern. Die sechs andern wurden aber so stark und geschickt, daß jede einzelne von ihnen imstande war, dem Haufen eines Dorfhäuptlings zu widerstehen und ihn zu überwinden. Die sieben Schwestern aber lebten nur für sich und mit Frauen und Mädchen zusammen. Sie wollten mit keinem Mann etwas zu tun haben.

Eines Tages gebar die vierte Frau dem Vater einen kleinen Sohn. Es wurde ein großes Fest gefeiert. Die älteste Schwester sagte aber zu den andern fünf Schwestern, die mit ihr das Schwertfechten geübt hatten: "Wir wollen für unseren Bruder eine Frau erkämpfen. Am gleichen Tage mit ihm ist die Schwester des Wuarssen geboren, die ein überaus schönes und starkes Mädchen sein soll. Die Wuarssen verteidigen diese kleine Schwester mit aller Tapferkeit. Schon vierzehn Agelith haben ihr Leben und ihre Mannschaft im Kampfe mit den Wuarssen eingebüßt, und jetzt kämpfen nur noch wenige Söhne der Agelith gegen die Wuarssen. Kommt Schwestern, wir wollen uns die Kleider der Männer anziehen, unsere Pferde besteigen, die Schwerter ergreifen und gegen die Wuarssen kämpfen." Die fünf Schwestern waren einverstanden.

Die älteste Schwester ging zum Vater und bat ihn: "Mein Vater, erlaube mir und meinen fünf Schwestern auf die Reise zu gehen."



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Der Vater sagte: "So wartet doch, bis euer Bruder herangewachsen ist. Dann werdet ihr männlichen Schutz haben. Wenn ihr solange warten wollt, will ich es gerne erlauben." Die älteste Schwester sagte: "Mein Vater, erlaube es uns; wir werden uns als Männer verkleiden, und kein Mensch wird uns als Mädchen erkennen. Du weißt, wir sind stark; erlaube es uns." Die Mädchen baten lange. Der Vater gab zuletzt nach. Die sechs Mädchen zogen die Kleider von Männern an, steckten einiges Essen zu sich, eine jede bestieg ein Pferd. Sie nahmen von ihrer jüngsten Schwester, den Eltern und dem jungen Bruder Abschied und ritten fort durch das Land des Agelith gegen die Wuarssen.

Die Wuarssen waren weit in das Land der vierzehn Agelith eingedrungen. Die Agelith selbst waren getötet und mit der größeren Zahl ihrer Mannschaft gefallen. Es lebten nur noch sieben Söhne der Agelith, die waren jung, schön und stark. (Der Erzähler weiß nicht, ob dies richtige Brüder waren; er meint, es mögen die Söhne verschiedener Väter, d. h. Fürsten gewesen sein, die nun eine fürstliche Brüderschaft gegründet hatten.) Sie zogen eines Tages wieder gegen die Wuarssen. Der eine der Agelithsöhne war sehr klug. Er brauchte nur auf seine Fingernägel zu sehen und erkannte, was geschah. Der kluge Agelithsohn sah auf seine Fingernägel und sagte: "Brüder, laßt uns schnell und mit aller Kraft die Wuarssen überfallen. Ich sehe, daß unsere zukünftigen Frauen auf dem Wege sind. Nur die Frau unseres jüngsten Bruders ist daheim geblieben." Einer der andern Agelithsöhne sah sich um und sagte: "Ich sehe unsere Frauen nicht." Der erste Agelithsohn sagte: "Komm nur schnell!"

Die sieben Agelithsöhne stürzten sich mit aller Gewalt auf die Wuarssen. Die sechs Schwestern aber teilten sich. Sie wollten die Wuarssen umfassen. Zwei der Schwestern ritten im weiten Bogen herum. Ihre Pferde gingen durch. Die Pferde der zwei Schwestern waren nicht zu halten und führten sie in eine Entfernung, die man sonst in einem Jahre zurücklegt. Die vier anderen Schwestern brachen mit großer Gewalt über die Wuarssen herein und schlugen die Wuarssen. Einigen schlugen sie die Köpfe im Kampfe ab. Die andern waren über die Kraft und Geschicklichkeit der vier als Männer verkleideten Schwestern so entsetzt, daß sie besinnungslos durch den Wald entflohen.

Die vier Schwestern verfolgten die Wuarssen. Die Wuarssen entkamen. Die vier Schwestern kamen aber auf ihrem Wege an das



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Haus, in dem die Wuarssen ihre schöne Schwester unter dem Schutze einer alten Frau, einer Teriel, bewahrten. Die alte Teriel kam heraus, als sie die vier als Männer verkleideten Schwestern kommen hörte. Die Teriel sagte bei sich: "Ich rieche Menschenfleisch" (wörtlich: nphrach thenphrach bennaden, d. h. man ist zufrieden, Fleisch zu riechen). Sie begrüßte die vier als Burschen verkleideten Mädchen und sagte: "Wo wollt ihr eure Pferde anbinden? Soll ich sie dort am Baum anbinden?" Die als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Nein, binde sie dort an den Awaruak" (ein knoblauchartiges Gewächs). Die Teriel sagte "Es ist gut." Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten jede ihrem Pferd in das Ohr: "Wenn dich die alte Frau anrühren will, tritt ihr mit den Füßen auf den Leib. Zertritt ihr mit den Füßen den Kopf!" Dann gingen die vier als Burschen verkleideten Mädchen in das Haus.

Die alte Teriel fragte sie: "Was soll ich euern Pferden zu fressen geben? Sollen sie Gerste oder Weizen haben?" Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Jetzt gib ihnen Kohle und nur am Morgen gib ihnen Korn." Die alte Teriel sagte: "Und was wollt ihr zu essen haben?" Die vier als Burschen verkleideten Mädchen sagten: "Wir haben erst gegessen, zeige uns aber die Quelle. Wir sind durstig und möchten an der Quelle trinken." Die alte Teriel ging voran. Drei der als Burschen verkleideten Schwestern folgten ihr. Die klügste Schwester aber blieb im Hause zurück und sagte: "Ich habe keinen Durst. Ich werde mich gleich hinlegen und schlafen."

Als die alte Teriel mit den drei Schwestern gegangen war, sah die kluge Schwester sich im Hause um. Sie sah in alle Kammern. Sie kam in eine Kammer, die war ganz aus Gold hergestellt. In der Kammer war die schöne junge Schwester der Wuarssen. Die kluge Schwester begrüßte sie und sagte: "Du bist die schöne Schwester der Wuarssen. Wir sind sieben Schwestern. Sechs von ihnen sind wir nun zum Kampf ausgezogen, um die Wuarssen zu besiegen und dich für unseren jungen Bruder, der am gleichen Tage mit dir geboren ist, zu freien. Wir sind deinetwegen gekommen." Die schöne Schwester der Wuarssen sagte: "Dann laß mich nur alles machen. Ich will euch im Kampf gegen meine schlechten Brüder helfen und will euren Bruder heiraten."

Als es Nacht war, kam die alte Teriel mit den drei als Burschen verkleideten Schwestern wieder in das Haus. Die Schwester der Wuarssen hatte in das Essen der Teriel ein Betäubungsmittel gemischt. Die Teriel aß davon. Die Teriel schlief ein. Die Schwester



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der Wuarssen und die vier als Burschen verkleideten Mädchen schlossen die Teriel ein. Dann gingen sie hinaus zu den Pferden. Die Schwester der Wuarssen sagte: "Eure Pferde taugen nichts. Sie sind für die Wuarssen nicht schnell genug. Ich will in den Stall der Pferde der Wuarssen gehen und will von dort Pferde holen, mit denen wir die Wuarssen bekämpfen und töten können." Die Schwester der Wuarssen ging und holte die Pferde. Sie bestieg selber eines und ritt mit den vier als Burschen verkleideten Mädchen noch in der Nacht hinter den Wuarssen her.

Inzwischen waren die zwei anderen Schwestern um die Wuarssen herumgeritten und hatten sie im Rücken angegriffen. Die vier anderen Schwestern griffen mit der schönen Schwester der Wuarssen die Wuarssen von vorne an. Die sieben Söhne des Agelith kämpften auf der Seite. Der Kampf ging hin und her. Bald wurden die Wuarssen zurückgeworfen, bald mußten die sieben Mädchen zurückweichen. Zuweilen hatten die von vorn und hinten angreifenden Mädchen die Wuarssen ganz dicht zusammengedrängt, dann aber gewannen die Wuarssen wieder die Oberhand. So kämpften sie drei Jahre lang.

Eines Tages aber wurde die schöne Wuarssenschwester und die älteste der sechs als Burschen verkleideten Mädchen verwundet. Am gleichen Tage wurde auch der kluge Sohn des Agelith, der von den Fingernägeln ablesen konnte, schwer getroffen und fiel blutend auf die Erde. Er lag fast im Sterben und allein, während seine sechs Brüder weiterkämpften.

Inzwischen sagte die jüngste der sieben Schwestern zu ihrem Bruder: "Mein Bruder, ich weiß, daß der Kampf gegen die Wuarssen nicht gut geht. Von den vierzehn Agelith, die früher mit den Wuarssen kämpften, sind nur noch sieben Söhne am Leben und im Kampfe. Auch von ihnen ist einer schon schwer verwundet und beinahe am Sterben. Die anderen gehen ihrer Verwundung entgegen. Unsere Schwestern haben die schöne Schwester der Wuarssen gefunden und aus dem Hause der Teriel befreit. Die schöne Schwester der Wuarssen kämpft mit unseren Schwestern gegen ihre Brüder. Der Kampf geht hin und her. Bald Siegen unsere Schwestern, die die Wuarssen von zwei Seiten angreifen, bald sind die Wuarssen siegreich und drängen unsere Schwestern zurück. Eine unserer Schwestern ist schon schwer verwundet, und die Schwester der Wuarssen, die du einmal heiraten sollst, ist auch verwundet.



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Es wird Zeit, daß wir dem Kampfe, der schon drei Jahre dauert, ein Ende machen, indem wir unseren Schwestern zu Hilfe kommen. Gürte also dein Schwert und folge mir."

Die jüngste Schwester ging mit ihrem Bruder zu ihrem Vater und ihrer Mutter und sagte: "Mein Vater, meine Mutter! Unsere sechs Schwestern sind im heftigen Kampf mit den Wuarssen. Sie sind jetzt so weit entfernt, daß ich, um zu ihnen zu kommen, vier Jahre gebrauchen werde. Erlaubt mir, daß ich mit meinem jungen Bruder meinen Schwestern zu Hilfe komme. Erlaubt es uns, und ich schwöre euch, daß ich am ersten Abend nach meiner Ankunft die sämtlichen Wuarssen vernichtet haben werde." Der Vater sagte: "Du also, meine jüngste Tochter, die ich mehr liebe als alle andern, willst mit deinem Bruder, meinem einzigen Sohne, auch dorthin gehen?" Die jüngste Tochter sagte: "Soll ich denn meine Schwestern und unsere zukünftigen Gatten im Kampfe mit den Wuarssen sterben lassen?" Der Vater sagte: "So warne ich dich: Übernachtet wenigstens nicht in den Wäldern." Die jüngste Tochter sagte: "Mein Vater, ich schwöre dir bei dem Kopfe deines Großvaters, daß ich beide Wälder mit meinem Bruder durchziehen und kein wildes Tier am Leben lassen will!"

Die jüngste Tochter kleidete sich nun als Bursche. Sie nahm Essen mit. Das Mädchen und der Bruder gürteten die Schwerter um. Sie bestiegen die Pferde; sie ritten davon. Sie ritten, bis sie an den ersten Wald kamen, der acht Tage lang war.

Am Rande des Waldes von acht Tagen sagte das Mädchen zu seinem Bruder: "Ich werde als die ältere zwei Drittel des Waldes übernehmen. Übernimm du ein Drittel. Ich werde dann sehen, wie stark du bist. Wir werden viele Löwen, Panther, Teriel und andere wilde Tiere treffen und wollen sie alle töten." Der Bruder sagte: "Es ist gut." Die Schwester und der Bruder ritten nun in den Wald. Sie kämpften mit allen Tieren. Die Schwester war mit ihrem Teile zuerst fertig. Sie kam aus dem Walde heraus und blickte zurück. Sie sah den jüngeren Bruder ganz dicht umringt von fünfundzwanzig Löwen, Panthern und Teriel nahe dem Ausgange des Waldes. Sie wollte ihrem Bruder zu Hilfe eilen. Der Bruder rief aber: "Laß nur, das mache ich allein." Dann führte er mit seinem Schwert drei Hiebe. Da lagen alle fünfundzwanzig Löwen, Panther und Teriel in viele Stücke zerschlagen tot umher. —Als die jüngste Schwester das sah, sagte sie: "Mein junger Bruder ist stark, ich kann ihm Vertrauen schenken."



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Die jüngste Schwester und ihr junger Bruder kamen an den Wald von einem Jahr (d. h. zu dessen Durchwanderung man ein Jahr braucht). Die jüngste Schwester sagte zu ihrem jungen Bruder: "Da du so stark und tapfer bist, will ich mit dir diese Arbeit teilen, nimm du die eine Hälfte des Waldes (d. h. zur Säuberung von den wilden Tieren), ich werde die andere Hälfte nehmen." Die jüngste Schwester und ihr junger Bruder ritten in den Wald hinein.

In dem Teile des Waldes, den die jüngste Schwester durchritt, befiel alle wilden Tiere die Furcht vor dem als Bursche verkleideten Mädchen. Die Tiere liefen alle fort. Die jüngste Schwester konnte nur wenige Tiere töten. Die meisten liefen zu dem Teile des jungen Bruders hinüber und kämpften mit diesem. So war die jüngste Schwester schon nach einem halben Jahr durch den Wald gekommen und ritt noch ein halbes Jahr auf der anderen Seite weiter. Sie machte dann erst Halt und wartete ein Jahr lang' auf ihren jungen Bruder.

Der junge Bruder kämpfte ein Jahr lang schwer im Wald und war dann erst mit den wilden Tieren fertig geworden. Er kam aus dem Walde und nahm einen falschen Weg. Er kam an einen Fluß. Am Flußufer waren gerade sieben Wassernixen (tirochänien; Sing.: tarochanith) mit einer alten zusammen. Unter den Wassernixen war eine, die war so schön wie die Sonne. Sie war die jüngste unter den Wassernixen, und als sie den jungen Bruder sah, gewann sie ihn sogleich lieb. Die anderen sechs Wassernixen und die Alte sahen das und sagten: "Wir wollen den Burschen fangen und töten. So wie er ein Wort spricht, können wir uns seiner bemächtigen. Veranlasse ihn zu sprechen." Die junge Nixe liebte aber den jungen Bruder und sagte: "Ich werde es nicht tun." Da fielen die Schwestern und die Alte über die jüngste Nixe her, rissen ihr die Kleider vom Leib, schlugen sie und sagten: "Wenn der Bursche sieht, wie wir dich mißhandeln, wird er uns Vorwürfe machen und sprechen, und wir haben ihn!"

Der Bursche sah die schöne junge Nixe und gewann sie lieb. Er sah, wie die Alte und die sechs Schwestern ihr die Kleider vom Leibe rissen und sie schlugen. Er wollte hinzugehen und sagen: "Geht, wie könnt ihr sieben eine einzige schlagen!" Die schöne junge Nixe machte ihm aber ein Zeichen, daß er stehenbleiben und schweigen solle. Er tat es. Er blieb in der Entfernung stehen, sah zu und schwieg. Das Herz tat ihm weh, weil er nicht sprechen sollte, aber die schöne junge Nixe machte ihm ein Zeichen, und so



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Der Schluß des Amazonenkampfes. Oben von links nach rechts: der jüngste Bruder; die jüngste Schwester; eine ältere Schwester und ein Agelithsohn, ziehen gegen das Gehöft (Mitte des Bildes), in welchem das älteste Wuarssenpaar (links) wohnt, das die letzten Wuarssen (unten) beherrscht. (Zu Nr. i) Originalzeichnung eines Kabylen


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blieb er stehen. Er sah ihre ganze Schönheit und konnte nichts als stehen und zusehen. So blieb er ein Jahr lang stehen und rührte sich nicht. Er aß nicht und trank nicht, das Herz schmerzte ihn, aber die jüngste schöne Nixe machte ihm ein Zeichen, und so schwieg er.

Die jüngste kluge Schwester des Burschen hatte inzwischen ein Jahr lang auf ihren Bruder gewartet. Als er nicht kam, riß sie sich einige Haare aus und verbrannte sie, um zu sehen, wo ihr Bruder sei. Sie sah die Richtung und ritt sogleich an den Fluß. Als sie an den Fluß kam und den Bruder stehen sah, rief sie: "Willst du hier verhungern?" Sie zog ihr Schwert und sprengte mit dem Pferde zwischen die sechs Nixen und die Alte. Sie jagte sie auf und tötete sie.

Die befreite jüngste Nixe sprang auf, dankte der jüngsten klugen Schwester und sagte: "Wo gehst du mit deinem Bruder hin?" Die jüngste kluge Schwester sagte: "Ich bin kein Mann; ich bin ein Mädchen wie du und die Jüngste von sieben Schwestern. Meine sechs Schwestern kämpfen seit drei Jahren mit den Wuarssen und sind daran zu unterliegen. Deshalb muß ich eilen ihnen zu helfen, denn ich habe noch ein Jahr Weges vor mir." Die junge Nixe sagte: "Ich will deinen jungen Bruder heiraten. Erlaube mir, daß ich mich auch als Bursche kleide, ein Schwert umbinde, ein Pferd besteige und mich am Kampf gegen die Wuarssen beteilige." Die jüngste kluge Schwester sagte: "Es ist mir sehr recht."

Die jüngste Nixe kleidete sich als Bursche, nahm ein Schwert, bestieg ein Pferd und ritt mit der jüngsten klugen Schwester und dem jungen Bruder in das Land, in dem die anderen Schwestern und die Agelithsöhne mit den Wuarssen kämpften. Sie ritten noch ein Jahr, dann langten sie an.

Die sechs Schwestern und die sieben Söhne der Agelith waren am Ende ihrer Kräfte. Sie waren alle verwundet und bluteten an vielen Stellen. Die Wuarssen glaubten sich schon Sieger und wären es am andern Tage auch gewesen. Als die jüngste Schwester, die Nixe und der Bruder ankamen, sahen sie es. Der Bruder stürzte sich an der Meerseite auf die Wuarssen. Die jüngste Schwester kam von der Landseite. Die Nixe griff in der Mitte an. Der Bruder warf auf seiner Seite alle Wuarssen in das Meer. Die Nixe tötete alle Wuars.. Sen, die ihr gegenüber standen. Vor der jüngsten Schwester fielen alle Wuarssen tot zu Boden.

Im Rücken der Wuarssen standen die Agelithsöhne. Als die



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jüngste Schwester alle Wuarssen vor sich getötet hatte, stieß sie auf die Agelithsöhne. Die jüngste Schwester dachte: "Sind es noch mehr Wuarssen?" Sie zog ihr Schwert wieder und schlug auf die Agelithsöhne ein. Ihr Schwert drang aber nicht in die Kleidung der Agelithsöhne. Die jüngste Schwester sagte: "Was ist dieses? Dies können keine Wuarssen sein!" Sie zog sich ein Büschel Haare aus und verbrannte sie. Da erkannte sie, daß ihre Gegner die Agelithsöhne waren.

Die jüngste Schwester steckte das Schwert ein und sagte: "Haltet Friede, ich bin kein Wuarssen, wie ihr keine Wuarssen seid. Ihr seid unsere zukünftigen Ehegatten. Steckt eure Schwerter ein. Der Krieg mit den Wuarssen ist zu Ende." Die Tarochanith (Nixe) aber sagte: "Meine kluge Schwester, warte noch; der Krieg ist noch nicht ganz zu Ende. Es besteht noch ein Haus, in dem sind der große Wuarssen mit seiner Frau und sieben Haufen (seva l'mhäl) Krieger. Die bewachen dort die Schätze, die in 199 Kammern untergebracht sind. Der große Wuarssen und seine Frau schlafen noch. Wir können sie nur im Schlafe töten. Ich werde euch den Weg zeigen!" Die jüngste Schwester sagte: "Tu dies, wir wollen sogleich alles zu Ende führen."

Die Tarochanith ritt voran. Sie kamen an das Haus. Der große Wuarssen und seine Frau schliefen. Sie schichteten um ihre Kammern Holz an und entzündeten es. Der große Wuarssen und seine Frau verbrannten, ehe sie sich noch wehren konnten. Die Jüngste fand die 199 Schlüssel. Sie öffnete die 199 Häuser und fand sie gefüllt mit allerhand Schätzen.

Dann ritt die jüngste Schwester umher und suchte die Verwundeten auf. Sie verband ihre Wunden, verbrannte Haare und brachte ihnen Speise und Trank. Nach einigen Tagen waren sie alle gesund. Die sieben Söhne der Agelith kamen zu den Schwestern und sagten: "Ihr habt das Land von den Wuarssen befreit. Ohne euch wäre alles vernichtet und die Welt zerschlagen worden. Wir bitten euch, unsere Frauen zu werden und uns zu helfen, die Welt neu aufzurichten."

Die jüngste Schwester sagte: "Wir wollen es tun. Wir haben unserem Bruder die schöne Schwester der Wuarssen gewonnen und die schlimmen Wuarssen getötet. Unsere Arbeit ist fertig. Wir wollen aber erst nach Hause reiten, wollen unsere Eltern begrüßen und die Kleider der Männer ausziehen. Dann werden wir heiraten."



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Die sieben Schwestern ritten mit der schönen Schwester der Wuarssen und der schönen Tarochanith nach Hause. Sie begrüßten ihre Eltern. Dann legten alle neun Mädchen die Kleider der Burschen ab. Die sieben Schwestern heirateten die Söhne der Agelith und ihr junger Bruder die schöne Schwester der Wuarssen und die schöne Tarochanith.


2. Die undankbare Frau

Ein Mann hatte sieben Söhne. Alle sieben Söhne waren verheiratet. Eines Tages wurde der Vater sehr krank. Er rief seine Söhne zu sich und sagte ihnen: "Meine Söhne, ich bin sehr krank; ich kann nur am Leben bleiben, wenn ihr mir die Herzen eurer sieben Frauen zu essen gebt. Wenn ihr mich lieb habt, werdet ihr es tun."

Die sieben Söhne liebten ihren Vater sehr. Sie wußten nicht, daß ihr Vater die Herzen verlangte, weil er auf die Söhne ihrer schönen Frauen wegen eifersüchtig war. Die sieben Söhne sagten: "Wir wollen dir die Herzen unserer jungen Frauen geben."

Der älteste Sohn tötete seine Frau und brachte seinem Vater ihr Herz. In der folgenden Nacht brachte der zweite Sohn dem Vater das Herz seiner Frau. Jeden Tag brachte einer der Söhne dem Vater das Herz seiner Frau. Am siebenten Tage war die Reihe am siebenten Sohne. Der siebente Sohn war der stärkste unter seinen Brüdern. Aber er war schwach am Herzen. Er war verheiratet mit der Tochter seines Vetters. Er hatte seine Frau sehr lieb. Er vermochte nicht seine Frau zu töten. Als es Nacht war, sagte er zu seiner Frau: "Nimm deine Sachen zusammen, wir wollen in den Wald fliehen. Ich kann dich nicht töten." Er brach mit seiner Frau auf und ging mit ihr die ganze Nacht hindurch.

Am Ende der Nacht sah der Bursche in der Ferne einen hellen Punkt, ein Licht. Er sagte zu seiner Frau: "Bleibe du hier zurück. Ich will hingehen und sehen, was dort ist." Die junge Frau blieb zurück. Der Bursche ging auf das Licht zu. Er kam in ein Gehöft, in dem lebten 99 Wuarssen. Die Wuarssen hatten gerade ihr Nachtmahl gekocht. Es waren 99 tote Menschen in einem Kochtopf über dem Feuer. Der Bursche trat in das Zimmer und begrüßte die 99 Wuarssen. Die 99 Wuarssen sagten: "Deinen Gruß erwidern wir nicht. Wir wollen dich und die Erde, über die du gehst, verzehren.



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Was willst du ?" Der Bursche sagte: "Ich will Feuer von euch haben, um mir im Walde etwas zu kochen." Die 99 Wuarssen sagten: "So nimm dir Feuer unter dem Topf hervor. Hebe den Topf auf, oder wir verschlingen dich!" Der Bursche nahm darauf den Topf mit den 99 Leichen hoch und warf ihn zur Seite. Als die Wuarssen das sahen, erschraken sie.

Der Bursche sagte: "Nun kommt ihr gegen mich!" Die 99 Wuarssen kamen auf den Burschen zu, um ihn zu töten und zu verschlingen. Der Bursche ergriff einen nach dem andern, schnitt ihm den Hals durch und warf ihn in den Thetheraft. (Der Thetheraft ist ein Silos, eine Speichergrube im Hause, in der das Korn aufbewahrt wird. Diese Speichergruben sind oft von bedeutender Tiefe.) So tötete er 98 von den Wuarssen. Den 99. aber verwundete er nur am Halse und warf ihn so in den Thetheraft, ohne daß er ganz tot war. Nachdem der Bursche das vollbracht hatte, schloß er das Haus, in dem der Thetheraft war, ab und ging in den Wald zu seiner jungen Frau zurück.

Der Bursche kam zu seiner jungen Frau und sagte zu ihr: "Ich habe dort ein sehr gutes Gehöft für uns gefunden. Komm mit." Der Bursche führte seine junge Frau in das Gehöft der Wuarssen, zeigte ihr alle Kammern und sagte: "Überall kannst du hier hantieren und arbeiten. Nur in jenes Haus dort darfst du nie gehen. Versprich mir, daß du es nie tun willst." Die junge Frau versprach (wörtlich "beschwor") es. Von nun an lebte der junge Bursche mit seiner jungen Frau in dem Gehöft der Wuarssen. Der Bursche ging morgens fort auf die Jagd und kam abends wieder.

Eines Tages war der Bursche wieder auf der Jagd, da kam er an das Haus einer Teriel. Die Teriel stand gerade im Eingangsgelaß des Gehöftes und mahlte Weizen. Sie hatte lange Brüste (thibuschni); die hatte sie, damit sie ihr die Arbeit nicht störten, über die Schulter nach hinten geschlagen, so daß sie auf dem Rücken herunterhingen. Der Bursche schlich von hinten ganz vorsichtig (thelihuf heißt "mit Furcht"; wuhadauhadan heißt "leise") heran. Er ergriff die rechte Brust der Teriel und trank von ihrer Milch. Die Teriel wandte sich um und sah den Menschen. Sie sagte: "Jetzt hast du dich an meiner Brust genährt, jetzt werde ich dich wie meinen Sohn behandeln und dir nur Gutes antun. Komm und iß von meiner Speise."

Die Teriel setzte dem Burschen Essen vor. Sie plauderte mit ihm und sagte: "Nicht wahr, du hast die Tochter deines Vetters geheiratet?



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Nicht wahr, du hast sie vom Tode gerettet, als dein Vater ihr Herz essen wollte?" Der Bursche sagte: "So ist es." Die Teriel sagte: "Trotzdem wird diese Frau dir kein Glück bringen." Der Bursche sagte: "Ich kann es nicht glauben, daß diese Frau mir Unglück bringen wird." Die Teriel sagte: "Du wirst es ja sehen! Komme nur immer zu mir, und wenn du etwas Schweres hast, dann sage es mir!" — Der Bursche ging nun stets, wenn er auf die Jagd ging, bei dem Hause der Teriel vorbei und sprach mit ihr. Seiner Frau sagte er aber hiervon nichts.

Eines Tages, als der Bursche wieder zur Jagd fortgegangen war, ward die Frau des Burschen neugierig, zu erfahren, was wohl in dem Hause, das ihr zu betreten verboten war, sein möchte. Sie ging hin und legte ihr Ohr an die Tür. Sie hörte im Innern Stöhnen. Die Frau öffnete die Tür. Sie kam herein. Sie fand den Wuarssen, der die Wunde am Halse hatte. Die junge Frau sah den riesengroßen Mann und hatte ihre Freude an ihm. Der Wuarssen sagte: "Schwöre mir, daß du deinem Mann nichts sagen willst und ich will dir verraten, wer ich bin." Die junge Frau versprach es. Da erzählte der Wuarssen alles, was sich zugetragen hatte. Die junge Frau hatte aber ihre Freude an dem großen Mann und verband seine Wunden, gab ihm Essen und pflegte ihn. Der Wuarssen aber sagte zu der jungen Frau: "Ich will dich heiraten, wenn du mir helfen willst, deinen Mann zu töten." Die junge Frau beschwor es. Die Frau besuchte den Wuarssen nun jeden Tag, sobald ihr Mann zur Jagd fortgegangen war.

Eines Tages sagte der Wuarssen zu der jungen Fran: "Wenn du nun willst, daß dein Mann getötet wird, so verlange von ihm bei seiner Liebe einige von den wiederbelebenden Äpfeln. (Diese mystischen Äpfel heißen bei den Kabylen sfah' lemadihör.) Diese Äpfel sind nur auf der anderen Seite des Meeres, und noch niemand ist von der Reise nach dem Lande der wiederbelebenden Äpfel lebend wieder zurückgekommen." Die junge Frau sagte: "Das will ich tun."

Als der Bursche abends von der Jagd nach Hause kam, fand er seine junge Frau weinend auf dem Bett. Der Bursche trat heran und sagte: "Was fehlt dir?" Die junge Frau sagte: "Wenn du mich lieb hast, geh hin und bringe mir von den wiederbelebenden Äpfeln." Der Bursche sagte: "Steh auf! Ich werde mich morgen sogleich auf die Reise in das Land machen, in dem die wiederbelebenden Äpfel wachsen."



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Am andern Tage ging der Bursche fort. Er ging zur Teriel und sagte: "Meine Mutter! Meine Frau verlangt von mir, daß ich, wenn ich sie lieb hätte, ihr von den wiederbelebenden Äpfeln bringen sollte." Die Teriel sagte: "Es ist noch niemand von der Reise in das Land, in dem die wiederbelebenden Äpfel wachsen, lebend zurückgekommen. Du siehst, was deine Frau will. Ich habe dir immer gesagt, daß du mit deiner Frau kein Glück erleben würdest. Du wolltest es mir nicht glauben." Der Bursche sagte: "Wie komme ich in das Land, in dem die wiederbelebenden Äpfel wachsen?" Die Teriel sagte: "Wenn du es durchaus willst, gehe also in dieser Richtung. Du wirst die Ochsen finden, denen Fleisch zum Essen vorgelegt ist und Hunde, die die Eßnäpfe voll Stroh haben. Gib den Hunden das Fleisch. Behalte aber davon ein gutes Stück. Den Ochsen gib dann das Stroh. Unter den Ochsen ist ein großer schwarzer Stier. Tritt an ihn um ihn zu besteigen. Der Stier wird darüber so zornig werden, daß er dich mit den Hörnern in die Luft wirft. Er wird dich so hoch schleudern, daß du über die sieben Meere hinweggelangst in das Land, in dem die wiederbelebenden Äpfel wachsen. Pflücke davon, soviel du brauchst. Auf dem Baume hat ein großer Adler sein Nest. Steige mit dem Stück Fleisch in das Nest und gib es seinen Jungen zu fressen. Der Adler wird dich dann nach Hause zurücktragen." Der Bursche dankte der Teriel und machte sich auf die Wanderschaft.

Nachdem er weit gewandert war, kam der Bursche dorthin, wo den Ochsen das Fleisch zum Essen vorgelegt war und die Hunde in den Eßnäpfen Stroh hatten. Der Bursche gab den Hunden das Fleisch, behielt aber ein Stück davon. Den Ochsen gab er dann das Stroh. Danach trat er an den großen schwarzen Stier und tat so, als ob er ihn besteigen wolle. Der Stier ward darüber so zornig, daß er ihn mit den Hörnern in die Luft warf. Er schleuderte den Burschen so hoch, daß er über die sieben Meere flog und gerade bei dem Baume niederfiel, auf dem die wiederbelebenden Äpfel wuchsen. Der Bursche stieg auf den Baum. Erst pflückte er acht von den wiederbelebenden Äpfeln und steckte sie in seine Brusttasche. Dann stieg er noch höher, dahin, wo das Nest des Adlers war und gab den Jungen des Adlers das Fleisch zu fressen. Nach einiger Zeit kam der Adler und sah, daß der Bursche seine Jungen gefüttert hatte. Der Adler sagte: "Ich danke dir; ich danke dir. Ich will dich hintragen, wohin du willst." Der Bursche sagte: "So trage mich über die sieben Meere hinweg in meine Heimat." Der



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Adler nahm den Burschen auf seine Flügel und trug ihn über die sieben Meere hinweg nach dem Walde, in dem der Bursche wohnte.

Der Bursche ging zu der Teriel. Er gab ihr vier von den wiederbelebenden Äpfeln. Dann ging er in das Gehöft, in dem er seine Frau zurückgelassen hatte und sagte: "Hier hast du das, was du von mir wünschtest." Der Bursche gab ihr die vier anderen wiederbelebenden Äpfel.

Am andern Tage, als der Bursche wieder zur Jagd fortgegangen war, gab die junge Frau dem Wuarssen die vier wiederbelebenden Apfel und sagte zu ihm: "Mein Mann ist nicht, wie die andern, unterwegs umgekommen. Mein Mann hat die wiederbelebenden Apfel gebracht. Sage mir nun, wie wir ihn töten können." Der Wuarssen sagte: "Sprich morgen eindringlich mit deinem Mann und sage ihm: ,Ich fürchte mich hier immer sehr, wenn du fort bist, denn hier sind viele wilde Tiere. Wirst du sie auch immer bewältigen können? Darf ich einmal deine Kraft erproben und dich binden, um zu sehen, ob du auch noch so stark bist wie früher?' Wenn dein Mann sich dann von dir binden läßt und er nicht mehr frei kommen kann, will ich ihn töten und verschlingen." Die junge Frau war damit einverstanden.

Als der Bursche abends von der Jagd heimkehrte, saß seine Frau auf ihrem Lager und weinte. Der Bursche fragte: "Was hast du? Was fehlt dir?" Die junge Frau sagte: "Wenn du fort bist, fürchte ich mich immer so sehr, denn hier sind sehr viele wilde Tiere. Wirst du sie auch immer bewältigen können? Darf ich einmal deine Kraft erproben und dich binden, um zu sehen, ob du auch noch so stark bist wie früher?" Der Bursche sagte: "Ja, versuche es und binde mich." Der Bursche stellte sich an einen Stützbalken. Die junge Frau band ihn mit drei starken Stricken an Füßen und Händen um den Stützpfeiler. Der Bursche sagte: "Bist du fertig?" Die junge Frau sagte: "Ja, ich bin fertig. Versuche, ob du dies zerreißen kannst." Der Bursche streckte die Arme und Füße. Die Schnüre sprangen auseinander. Der Bursche lachte und sagte: "Soviel Kraft habe ich noch. Da mußt du schon mehr Stricke nehmen." Die junge Frau band ihren Mann dann mit sieben Stricken an Füßen und Armen am Stützpfeiler fest. Der Bursche streckte aber wieder die Füße und Arme, und die Schnüre zerrissen. Zum drittenmal nahm die junge Frau viele Stricke und band damit den Gatten an Füßen und Händen. Der Bursche streckte aber wieder Arme und



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Beine, und die Schnüre zerrissen. Der Bursche sagte: "Du siehst, du kannst ruhig sein, ich habe noch meine Kraft."

Am andern Tage ging der Bursche wieder auf die Jagd und in das Haus der Teriel. Er erzählte der Teriel alles, was sich ereignet hatte, und die Teriel sagte: "Du siehst, daß ich recht hatte, als ich sagte, diese Frau würde dir Unglück bringen. Das Unglück ist nun nahe. Wenn du nun eines Tages in deinem Hause getötet wirst, tue eines. Ehe du getötet wirst, bitte deine Frau: ,Wenn ich gegessen werde, zerbrecht nicht meine Knochen. Sammelt alle meine Knochen und tut sie in einen Sack. Den Sack mit meinen Knochen ladet meinem Esel auf und sagt zu ihm: thimthäm (Gerste) iseu (rösten) älmäl (Tier) ousäi' (des Esels)." (Dieser Spruch soll soviel heißen wie: "Esel geh dahin, wo du gewöhnlich deine Gerste bekommst".) "Wenn du das gesagt hast, kann noch alles gut werden. Ich weiß aber jetzt, daß deine Frau dich töten will und wird und deshalb versprich mir dies." Der Bursche versprach es und kam abends nach Hause.

Als der Bursche nach Hause kam, sagte seine Frau zu ihm: "Du hast viele Stricke zerreißen können. Kannst du ein Frauenhaar zerreißen?" Der Bursche lachte und sagte: "Versuche es!" Die junge Frau band ihren Gatten mit Händen und Füßen an den Stützpfeiler und nahm hierzu nur eines von ihren eigenen Haaren. Der Bursche streckte dann Beine und Arme. Das Haar hielt ihn. Der Bursche konnte sich nicht rühren. Der Bursche sah, daß er nicht freikommen konnte. Er rief: "So komm doch hervor, Wuarssen!" Der Wuarssen fürchtete sich aber so, daß er es nicht wagte. Da gab die eigene Frau ihm einen Schlag mit der Debus (Schlagkeule) an den Kopf. Die junge Frau rief: "Sieh, ich kann ihn schlagen, ohne daß er sich zu wehren vermag." Nun kam der Wuarssen hervor. Der Bursche sagte: "Ich sehe, ihr werdet mich töten und fressen. Wenn ihr dies nun tut, so zerbrecht wenigstens meine Knochen nicht. Sammelt meine Knochen und tut sie in einen Sack. Den Sack mit meinen Knochen ladet meinem Esel auf und sagt zu ihm: ,Thimthäm iseu älmäl ousäi'." Der Bursche ward getötet. Der Wuarssen fraß ihn. Der Wuarssen und die junge Frau zerbrachen aber die Knochen nicht. Sie sammelten seine Knochen und taten sie in einen Sack. Den Sack banden sie dem Esel des Burschen auf und sagten zu ihm: "Thimthäm iseu älmäl ousäi!" Der Esel lief mit dem Sack voll Knochen davon.

Der Esel lief mit den Knochen des Burschen im Sack zu der



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Teriel. Die Teriel empfing den Esel. Sie nahm ihm den Sack ab und weinte über die Knochen. Die Teriel legte alle Knochen auf der Erde zusammen, so wie sie gehörten. Dann bedeckte sie die Knochen mit Seide und Wolle. Jeden Morgen begoß sie die Knochen mit Milch. Nach einiger Zeit wurde der Körper wieder. Der Körper nahm zu, bis er war wie vorher. Dann nahm die Teriel einen der wiederbelebenden Äpfel, die der Bursche ihr geschenkt hatte. Sie hielt dem Burschen den wiederbelebenden Apfel unter die Nase. Der Bursch nieste (-arteth). Von nun an konnte er sich bewegen. Sie gab ihm nun täglich ein Ei und Milch. Er wurde wie früher und gewann seine Gesundheit wieder.

Eines Tages sagte der Bursche zu der Teriel: "Mutter, ich möchte in mein Haus zurückkehren." Die Teriel wies ihm einen Sack mit Salz und einen mit Eisen (-uththiu) und sagte: "Nimm jeden der Säcke in eine Hand und hebe sie." Der Bursche ergriff sie. Er vermochte sie kaum zu heben. Die Teriel sagte: "Es ist noch nicht Zeit." Nach einiger Zeit sagte der Bursche wieder: "Mutter, ich möchte in mein Haus zurückkehren." Die Teriel hieß ihn die Säcke heben. Er hob sie bis zum Knie. Die Teriel sagte: "Es ist noch nicht die Zeit." Nach einiger Zeit sagte der Bursche wieder: "Mutter, ich möchte in mein Haus zurückkehren!" Die Teriel hieß ihn die Säcke heben. Er hob sie bis an die Schulter. Die Teriel sagte: "Es ist noch nicht an der Zeit." Nach einiger Zeit sagte der Bursche wieder: "Mutter, ich möchte in mein Haus zurückkehren." Die Teriel hieß ihn die Säcke heben. Er hob sie hoch in die Höhe und warf sie über die Schulter hinweg weit rückwärts. Die Teriel sagte: "Mein Sohn, jetzt ist es an der Zeit. Gehe in dein Haus zurück." Der Bursche zog sich wie ein Bettler an und ging.

Der Bettler kam an sein Haus. Er klopfte an und bat: "Könnt Ihr mir nicht etwas Essen schenken?" Die junge Frau sprach von innen: "Mein Mann ist nicht daheim. Deshalb kann ich dir jetzt nicht öffnen. Mein Mann wird aber heute abend nach Hause kommen. Warte bis dahin." Der Bettler wartete. Er setzte sich vor dem Gehöft hin und wartete. Als es Abend war, kam der Wuarssen nach Hause. Die Frau ging ihm entgegen. Der Wuarssen schloß hinter sich die Tür. Der Bettler sah, daß er vergessen war.

Der Bettler hustete an der Tür. Die junge Frau sagte zu ihrem Mann, dem Wuarssen: "Jaso, draußen steht ein Bettler. Wollen wir ihn hereinlassen und ihm etwas zu essen geben ?" Der Wuarssen sagte: "Laß ihn hereinkommen." Die Frau öffnete die Tür. Sie



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sagte zum Bettler: "Komm herein, mein Mann erlaubt es." Der Bettler setzte sich in eine Ecke. Die Frau gab ihm Essen. Der Wuarssen blickte in die Ecke. Er sagte: "Kenne ich diesen Mann nicht? Ist es nicht dein erster Mann?" Die Frau lachte und sagte: "Wie doch? Meinen ersten Mann haben wir doch getötet und du hast ihn gegessen!" Der Wuarssen gab sich zufrieden.

Nach dem Essen sagte der Bettler zu dem Wuarssen und seiner Frau: "Nun wollen wir uns Märchen erzählen. Wollt ihr eines erzählen?" Der Wuarssen sagte: "Wir wohnen hier in der Einsamkeit. Wir sehen und hören niemand. Wir kennen nur den Wald. Du aber kommst weit herum. Du hörst die Leute sprechen. Erzähle du uns ein Märchen."

Der Bettler sagte: "Ja, ich werde euch eine Geschichte erzählen. Hört!" Der Bettler begann seine eigene Geschichte zu erzählen. Er erzählte, wie er seine Frau vor dem Tode rettete. Er erzählte, wie er das Haus von den Wuarssen erkämpfte. Er erzählte, wie die junge Frau mit dem Wuarssen Freundschaft schloß. Er erzählte, wie seine Frau ihn wegsandte mit dem Wunsche nach den wiederbelebenden Äpfeln. Er erzählte, wie seine Frau ihn mit Stricken zu binden versuchte. Er erzählte, wie seine Frau ihn mit einem Frauenhaar band. Er erzählte, wie seine Frau ihn mit der Debus schlug und rief: "Sieh, ich kann ihn schlagen, ohne daß er sich zu wehren vermag." Er erzählte, wie sie ihn töteten, aßen, seine Knochen in einen Sack auf den Esel banden und fortschickten.

Während der als Bettler verkleidete Bursche dies erzählte, verschlang (=athvila) die Erde (= achel) den Wuarssen und die junge Frau. Sie waren beide ganz still und sagten nichts. Nur der Bettler sprach. Die Erde verschlang sie ganz langsam. Der Wuarssen und seine Frau saßen ganz still und hörten. Nur der Bettler sprach und erzählte, was die junge Frau an ihm getan. Die Erde hatte den Wuarssen und seine junge Frau schon bis an den Kopf verschlungen. Der Bursche sprang auf, warf das Kleid des Bettlers fort, zog seinen Säbel und schlug die Köpfe des Wuarssen und seiner Frau ab, ehe die Erde sie noch verschlungen hatte.

Der Bursche sah sich im Hause um. Er fand eine Wiege (=due'h'; ausklingend in den arabischen l'ha-Laut) und darin ein kleines Kind. Er nahm die Wiege und das kleine Kind mit sich und machte sich auf den Rückweg zu der Teriel. Unterwegs erwachte das Kind in der Wiege und schrie: "Ah, deine Ohren sind rot! Ich möchte Sie essen!" Der Bursche sagte: "Hä! Du bist also der Sohn des



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Wuarssen!" Er ergriff das Kind und warf es gegen einen Stein. Das Kind starb. Es war das letzte Wuarssenkind in diesem Lande.

Der Bursche kam zu der Teriel und sagte: "Jetzt ist alles in Ordnung." Die Teriel empfing ihn freundlich, gab ihm zu essen und pflegte ihn. Der Bursche lebte gut bei seiner Mutter Teriel.

Nachdem der Bursche aber einige Zeit bei der Teriel gelebt hatte, wurde er traurig. Er kam eines Tages zur Teriel und sagte: "Mutter Teriel! Erlaube mir, daß ich zu meinem Vater zurückkehre." Die Teriel sagte: "Mein Sohn, du hast recht. Bereite dich zu dieser Reise vor. Ich werde dir zwei Geschenke mitgeben." Dann gab die Teriel dem Burschen eine geschlossene Kiste und einen Neger als Geschenk und sagte: "Schwöre mir, daß du die Kiste nicht öffnen willst, ehe du nicht bei deinem Vater angekommen bist. Wenn du es nicht tust, wirst du großem Unglück entgehen." Der Bursche versprach es und machte sich mit der Kiste und dem Neger auf den Weg.

Der Bursche wanderte mit der Kiste und dem Neger in der Richtung auf den Ort seines Vaters weit fort. Als er eines Nachts im Walde lagerte, sagte er bei sich: "Ob die Teriel mir nicht doch in ihrer Verstimmung über meinen Abschied ein Geschenk mitgegeben hat, welches mich tötet, wenn ich daheim gerade angekommen bin. Besser wird es sein, ich überzeuge mich hier davon." Der Bursche öffnete die Kiste. In der Kiste lag ein wunderschönes Mädchen. Es war die Tochter der Teriel. Sie war so schön, daß sie einen weiten Glanz um sich verbreitete. Die Tochter der Teriel hatte an ihrem Finger einen Ring. Mit dem Ringe konnte sie erreichen, was sie sich an Schätzen und Gold und Besitz wünschte.

Der Bursche war über die schöne Tochter der Teriel über alle Maßen glücklich. Er zerbrach die Kiste und sagte: "Meine kleine Frau, du sollst mir nicht wieder in eine so enge Kammer kommen. Wir wollen sogleich in den Ort meines Vaters zurückkehren und uns dort ein großes Haus errichten." Der Bursche weckte den Neger und brach mit dem Neger und seiner schönen jungen Frau sogleich auf. Sie kamen noch vor Anbruch des Tages an den Ort, in dem der Vater des Burschen Agelith war. Mit Hilfe des Ringes am Finger der schönen Frau ließen sie gegenüber dem Haus des Agelith sogleich ein hohes Haus entstehen. In dem Hause legten sie sich auf schönen Betten zum Schlafen nieder.

Als die Bewohner am andern Morgen erwachten, sahen sie das



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neue schöne Haus und erstaunten. Sie liefen zum Agelith und erzählten ihm, was vorgefallen war. Der Agelith trat an das Fenster. Er sah das schöne Haus. Er sandte eine Dienerin, daß diese sehe, wer in dem Hause wohne. Die Dienerin kam in das neue Haus. Die Dienerin sah, daß der Herr des neuen Hauses der Sohn des Agelith war. Sie kam zurück zum Agelith und sagte: "Dieser Mann, der das neue schöne Haus gebaut hat, ist dein Sohn, der seinerzeit floh. Dein Sohn hat eine sehr schöne Frau."

Der Agelith machte sich auf den Weg. Der Agelith kam in das neue Haus. Er sah seinen Sohn. Er sah den Neger. Er begrüßte den Sohn und sagte: "Ich bin dein Vater, ich will dich begrüßen." Der Agelith sah die junge Frau seines Sohnes. Er erschrak, so schön war sie. Er ward von Eifersucht gegen seinen Sohn ergriffen. Er wollte selbst diese schöne Frau heiraten. Er verließ seinen Sohn und ging in sein Haus zurück.

Der Agelith rief seine Leute zusammen und sagte: "Mein Sohn ist zurückgekehrt. Ich will meinen Sohn nicht hier haben. Wer meinen Sohn fortschafft, wer meinen Sohn tötet, den werde ich reichlich belohnen." Ein Jude sagte: "Ich will das tun." Der Agelith sagte: "So nimm das Recht!"

Der Jude besuchte den Burschen in seinem neuen Hause und sagte zu ihm: "Ich kenne eine Stelle, an der viele Tiere sind. Komm mit mir und jage mit mir! Wenn es dir recht ist, wollen wir zusammen zur Jagd gehen." Der Bursche sagte: "Es ist mir recht." Am andern Tage packte der Jude viel Salzfleisch (=aschedeloch) und zwei Kürbisflaschen voll Wasser ein. Er holte den Burschen ab. Er führte ihn in den Busch, in dem viele Tiere waren. Er führte ihn in die Wüste. Nach einiger Zeit sagte der Bursche: "Jude, ich habe Hunger; hast du etwas zu essen mitgebracht?" Der Jude zog das Salzfleisch heraus und sagte: "Hier iß!" Der Bursche aß viel davon. Als er sich satt gegessen hatte, sagte er: "Nun habe ich genug gegessen. Hast du zu trinken?" Der Jude sagte: "Ich habe nur ein wenig Wasser für mich zum Trinken mitgenommen." Der Jude ging mit dem Burschen weiter.

Als sie in der Wüste ein Stück weitergegangen waren, sagte der Bursche: "Ich gehe nicht weiter mit, mich dürstet zu sehr." Der Jude sagte: "So nimm noch ein wenig von dem Fleisch. Dann wird dein Durst vergehen." Der Bursche aß noch von dem Fleisch. Sein Durst wurde noch größer. Er ging noch ein Stück weiter, dann sagte er: "Ich gehe nicht weiter mit. Ich sterbe vor Durst." Er



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legte sich in der Sonne hin und stöhnte. Der Jude sagte: "Wenn du mir eines von deinen Augen gibst, gebe ich dir dafür einen Kürbis voll Wasser!" Der Bursche sagte: "Nimm eines meiner Augen und gib mir Wasser." Der Jude nahm dem Burschen ein Auge heraus und gab ihm die Kürbisflasche voll Wasser.

Der Bursche trank und sagte: "Das verlängert mein Leben nur um eine Stunde, wenn du mir nicht mehr Wasser geben kannst." Der Jude sagte: "Wenn du mir auch noch dein anderes Auge gibst, sollst du noch eine Kürbisflasche voll Wasser haben." Der Bursche sagte: "Nimm mein anderes Auge und gib mir das Wasser." Der Jude nahm das andere Auge heraus, gab ihm die Kürbisflasche voll Wasser und lief mit den beiden Augen des Burschen in den Ort. Er brachte dem Vater des Burschen die beiden Augen und sagte: "Dein Sohn ist getötet, hier sind seine beiden Augen."

Der Agelith nahm die Augen seines Sohnes, belohnte den Juden und sagte: "Nun komm mit. Mein Sohn ist tot; ich will die junge schöne Frau aus seinem Hause holen. Der Agelith kam mit seinen Leuten an das Haus seines Sohnes. Er wollte in das Haus eintreten. Der Neger stand aber mit einem Schwert am Eingang des Hauses und sagte: "Solange mein Herr abwesend ist, darf niemand das Haus betreten. Ich werde jeden töten, der das Haus betritt." Der Agelith sagte zu seinen Leuten: "Schlagt diesen Neger tot!" Die Leute kamen heran und kämpften mit dem Neger. Der Neger schlug sie tot. Von dem Tag an kämpften die Leute des Agelith gegen den Neger. Aber keiner konnte den Neger besiegen. Der Neger schlug alle seine Gegner tot. Der Agelith ließ überall im Lande die jungen Leute zusammenrufen, daß sie gegen den Neger kämpften.

Inzwischen war der blinde Bursche mit Mühe auf Händen und Füßen aus der hellen Sonne in den Schatten der Bäume gekrochen. Er ruhte in dem Schatten und schlief ein. Als er wieder erwachte, hörte er über sich Vögel schreien. Auf dem Baume hatte ein uralter Adler sein Nest. Der Adler war so alt, daß er keine Federn mehr hatte. Als es Abend war, fror er. Die Jungen des Adlers kamen heran. Der alte nackte Adler sagte: "Deckt mich zu!" Die Jungen des Adlers sagten: "Nein, wir decken dich nicht zu." Der alte Adler sagte: "Weshalb wollt ihr das nicht tun?" Die Jungen sagten: "Wir trauen den Alten nicht mehr, wer weiß, was unsere Väter mit uns tun? Sieh den Mann hier unten. Sein eigener Vater hat dem Juden den Auftrag gegeben, ihm die Augen auszustechen. Wir



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fürchten, unsere Alten könnten es mit uns eines Tages auch so machen."

Der alte Adler sagte: "Dieser Mann da unten kann sich sehr leicht helfen. Er braucht nur ein Blatt von diesem Baume abzureißen und es zwischen den Händen zu zerreiben. Wenn er die zerriebene Blattmasse nachher auf seine Augen legt, wird er besser sehen als zuvor." Der Bursche unter dem Baume hörte alles. Er richtete sich auf, pflückte ein Blatt von dem Baume, zerrieb es zwischen den Händen und blickte um sich. Er konnte die Sterne sehen. Er konnte den Mond sehen. Er sah besser als zuvor. Er dankte den jungen Adlern. Die jungen Adler deckten den alten nackten Adler zu.

Der Bursche machte sich auf den Heimweg. Er kam nahe dem Orte seines Vaters in eine Farm; in dem Hause war eine einzige alte Frau, die weinte. Der Bursche trat in das Haus ein und fragte: "Kannst du mich zur Nacht beherbergen?" Die Frau sagte: "Ja, lege dich dorthin." Der Bursche fragte: "Was hast du, meine Mutter? Du scheinst mir nicht glücklich zu sein." Die Frau sagte: "Ich soll glücklich sein? Der Agelith will die Frau seines toten Sohnes heiraten und in dessen Haus eindringen. Vor dem Hause steht aber ein Neger und schlägt alles tot. Morgen soll nun mein Sohn mit anderen jungen Leuten gegen den Neger kämpfen. Mein Sohn und seine Freunde werden totgeschlagen werden wie alle andern."

Der Bursche sagte: "Wenn du mir das Huhn dort zum Abendessen gibst, damit ich für morgen stark bin - wenn du mir dann noch die Kleider deines Sohnes gegen meine Kleider austauschst, so will ich morgen an Stelle deines Sohnes hingehen und mit dem Neger kämpfen. Die Frau schrie vor Freude (ju-ju-ju). Sie bereitete nicht das Huhn. Sie schlachtete ein Schaf zum Abend. Sie machte ein ausgezeichnetes Essen. Der Bursche aß und legte sich dann zum schlafen nieder.

Am andern Morgen kleidete der Bursche sich in die Kleider des jungen Bauern und ging nach dem Orte, in dem sein Vater Agelith war. Er kam zu dem Agelith. Der Agelith erkannte seinen Sohn nicht. Der Bursche sagte zu seinem Vater, dem Agelith: "Agelith, was gibst du mir, wenn ich den Neger ganz allein töte ?" Der Agelith sagte: "Dann will ich mein Amt niederlegen und du sollst, wer du auch seist, an meiner Stelle Agelith werden. Außerdem gebe ich dir meine Tochter und mein ganzes Vermögen." Der Bursche sagte: "Gut, dann will ich den Neger töten."



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Der Bursche ging hin zu seinem eigenen Hause. Er kam mit dem Schwert und begann mit dem Neger zu kämpfen. Er kämpfte mit dem Neger den ganzen Tag. Am Abend war der Neger ermüdet. Er ging in das Haus und sagte zu seiner Herrin, der Tochter der Teriel: "Dieser Mann, der heute mit mir kämpfte, hat ein Blut und eine Kraft wie mein Herr, dein Gatte." Die Frau des Burschen sagte: "Ruhe dich morgen aus. Ich werde morgen an deiner Stelle kämpfen."

Am andern Morgen kämpfte die Tochter der Teriel gegen den fremden Burschen, ihren eigenen Gatten. Sie hatte mit ihm aber erst einige Hiebe gewechselt, da erkannte sie den Burschen als ihren Mann. Sie wollte Freudenschreie (ju-ju-ju) ausstoßen. Der Bursche aber sagte: "Laß dir nichts merken! Kämpfe weiter. Schlage immer weiter!" Der Bursche und seine Frau kämpften weiter miteinander. Der Bursche sagte zu seiner Frau (während des Kampfes): "Mein Vater hat mir versprochen, von seiner Stelle zurückzutreten und mich zum Agelith zu machen, wenn ich den Neger töte. Binde also morgen dem Neger einen Darm voll Blut um. Den werde ich durchschlagen. Der Neger soll, wenn das Blut über ihn fließt, hinstürzen. Mein Vater muß mich dann zum Agelith machen, und ich kann über ihn richten. Das alles erkläre dem Neger genau, damit morgen alles zu Ende kommt." Die junge schöne Frau kämpfte weiter und sagte: "Ich habe verstanden, mein Gatte; ich werde morgen alles so einrichten, wie du es angeordnet hast."

Am andern Tage trat wieder der Neger vor die Tür des Hauses um zu kämpfen. Der Bursche begann mit dem Schwerte auf ihn zu schlagen und fragte ihn während des Kampfes: "Hast du den Darm mit dem Blut um den Hals?" Der Neger sagte: "Ich habe den Darm mit dem Blut um den Hals; schlage ihn nur durch." Der Bursche schlug auf den Darm. Der Darm zerplatzte. Das Blut floß über den Neger. Der Neger fiel um. Der Bursche wandte sich um zu denen, die von ferne dem Kampf zugeschaut hatten und sagte: "Ihr seid meine Zeugen, daß ich den Neger erschlug." Die Leute sagten: "Gewiß, wir sind deine Zeugen."

Der Bursche ging mit den Zeugen zum Agelith und sagte: "Ich habe allein den Neger getötet. Hier sind meine Zeugen." Der Agelith sagte: "Es ist gut, ich will mein Wort erfüllen. Nur will ich als letzte Handlung als Agelith noch den sieben weisen Leuten des Ortes eine Frage vorlegen!" Der Bursche sagte: "Damit, daß du



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als letzte Handlung als Agelith den sieben weisen Leuten noch eine Frage vorlegst, bin ich einverstanden."

Der alte Agelith rief die sieben weisen Leute des Ortes zusammen und sagte: "Ist es erlaubt, daß ich die Frau meines Sohnes heirate?" Sechs der weisen Leute sagten: "Ja, es ist erlaubt." Der siebente sagte: "Nein, es ist nicht erlaubt." Der Agelith ließ seine Leute kommen und sagte: "Schlagt diesen weisen Mann, damit er mir mit mehr Weisheit antworte." Der Bursche aber sagte: "Laßt das! Der weise Mann hat recht. Jetzt bin ich Agelith! Es ist nicht erlaubt." Damit schlug er dem Agelith den Kopf ab.

Der junge Agelith sagte: "Dieser hier hat erst die jungen Frauen seiner Söhne aus Eifersucht töten lassen. Nun wollte er die letzte Frau seines jüngsten Sohnes heiraten. Er hat mich selbst zu seinem Nachfolger ernannt. Tötet den Juden, der mir die Augen ausstach; bestraft die sechs Weisen, die so schlechten Rat gaben und belohnt den, der bei der Wahrheit blieb."

Der Bursche ging hinüber in das Haus seiner jungen, schönen Frau.


3. Odyssade

Ein kleiner Knabe war bei seinem Onkel (= chali; Plural: chuali ist stets Mutterbruder; der Onkel väterlicherseits heißt animi; das Wort animi wird von den französisch sprechenden Kabylen mit cousin übersetzt, was auf seine Anwendungsausdehnung schließen läßt; im übrigen heißt der Sohn des animi, also der richtige Vetter, mis-animi). Das Haus des Onkels war von dem seiner Mutter nur wenig entfernt. Die Nacht war nicht fern. Es regnete. Der Onkel sagte zu dem Knaben: "Bleibe bei mir zum Abendessen, nachher bringe ich dich nach Hause." Der Knabe sagte: "Ich will nicht hier bleiben, ich bin zu fremd hier." Der Onkel sagte: "Du bist bei deinem Onkel und zwei Schritte entfernt von deinem Hause. Du sagst, du seist zu fremd hier. Du weißt nicht, was die Fremde (=l'röbe) ist. Ich will dir deshalb erzählen, wie es ist, wenn man in der wahren Fremde reist."

Der Onkel erzählte:

Es waren 76; ich war der siebenundsiebzigste. Wir waren auf Reisen. Wir wanderten Tag und Nacht. Wir reisten bis zum äußersten. Wir haben herrliche Ebenen durchwandert. Nach



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langem Wandern kamen wir an ein großes Meer. Wir waren, als wir an das Meer kamen, schon sieben Jahre auf Reisen.

Auf dem Ufer bauten wir aus Brettern (=sfina; Plural: sfines) eine große Fläche (also ein Floß). Alle 77 stiegen darauf. Wir fuhren hinaus. Wir konnten keine Richtung sehen. Wir sahen nur Wasser und Himmel. So schwammen wir vier Jahre ohne (genügendes) Essen und Trinken. Nach vier Jahren zerbrachen die Planken (das Floß). Die meisten wurden mit den Brettern weggerissen und gingen unter. Nur ein Rest der gebundenen Bretter blieb über Wasser. Es waren sechs Mann darauf. Ich war der siebente. Wir fuhren weiter.

Eines Tages kam der große Vogel Ichidr (Plural: ihuder, wird als Strauß erklärt; einige sagen, es sei ein großer Adler). Ichidr packte einen von uns, zog ihn empor und trug ihn fort. Am andern Tage kam Ichidr wieder und trug einen fort. Er trug einen nach dem andern fort. Am siebenten Tage war ich nur noch allein übrig. Da kam Ichidr am siebenten Tage, packte mich, trug mich empor und hinweg über das Meer. Ichidr flog mit mir sehr schnell und sehr weit.

Ichidr flog, bis er an einige riesenhöhe Felsen kam. Auf die Spitze dieser Felsen flog er nieder und setzte mich dann in sein Nest, in dem seine Jungen waren. Die Jungen schliefen. Der Ichidr flog wieder fort. Ich sagte mir: "Du bist hier als Nahrung für die Jungen des Ichidr. Jetzt schlafen sie." Darauf tötete ich die Jungen des Ichidr. Dann stieg ich auf den Rand des Nestes und sah mich um. Der Felsen war ungeheuer hoch. Es lagen aber viele Haare von Frauen herum, die von den Jungen des Ichidr verzehrt waren. Ich band die Haare zusammen und machte ein Tau. Das Tau aus Frauenhaar band ich an einer Felsenspitze fest. Ich fing an, mich langsam und vorsichtig an dem Tau herabzulassen. Ich war schon ein ganzes Stück weiter, da blickte ich einmal zurück. Ich sah, daß mir eine siebenköpfige Schlange (=lef'ha, die Hydra) folgte. Ich erschrak. Ich beschloß, lieber auf der Erde zu sterben, als in der Luft aufgefressen zu werden. Ich schnitt den Strick durch. Ich stürzte. Ich kam auf die Erde.

Auf der Erde fiel ich gerade vor der Höhle (=l'hrar) einer Löwin nieder. Ich hatte mir die Arme und Beine gebrochen. Ich kroch auf Händen und Füßen in die Höhle. In der Höhle waren nur die Jungen. Ich versteckte mich zwischen den Jungen. Nach einiger Zeit kam die Löwin nach Hause. Die Löwin legte sich nieder. Die



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Jungen der Löwin drängten sich an ihre Brust und tranken. Ich drängte mich auch, heran. Ich trank auch von der Brust der Löwin. Einmal wandte die Löwin den Kopf. Sie sah mich. Sie brüllte und schrie: "Ein Mensch! Wenn du nicht von meiner Milch getrunken hättest, würde ich dich verschlingen. Da du aber von meiner Milch getrunken hast, will ich dich beschützen." Die Löwin brachte mir alle Tage Essen. Die Löwin pflegte meine zerbrochenen Glieder. Meine Wunden heilten. Ich wurde wieder gesund und konnte gehen. Als ich wieder stark war, bat ich die Löwin um die Erlaubnis weiterzuziehen. Die Löwin erlaubte es mir.

Ich nahm von der Löwin Abschied und wanderte von dannen. Ich wanderte weiter. Ich traf unterwegs sechs Männer. Ich war der siebente. Wir sieben gingen zusammen weiter. Wir gingen weit weg zusammen. Eines Tages begegneten wir aber einem Wuarssen, der war riesengroß und hatte nur ein Auge auf dem Kopfe. (Der kabylische Name für den Zyklopen ist thiet' de kuoro, d. h. thiet' =Auge, de seines; kuoro = Kopfes. Die Zyklopen haben nach kabylischer Ansicht das Auge sehr hoch auf der Stirne.) Der Wuarssen hütete seine Schafe. Meine sechs Kameraden sagten zum Wuarssen: "Wo können wir diese Nacht bleiben?" Der Wuarssen sagte: "Kommt, schlaft bei mir." Ich erschrak hierüber. Die sechs Kameraden sagten: "Es ist gut, wir werden bei dir schlafen." Ich erschrak noch mehr. Aber ich konnte nicht widersprechen; hätte ich als einziger widersprochen, so hätte der Wuarssen mich sogleich verschlungen. Ich schwieg.

Der Wuarssen zeigte uns den Weg in seine Höhle (l'hrar). Wir kamen bei der Höhle an. Der Wuarssen schob einen großen Stein mit der Kraft von 99 Leuten beiseite. Das war die Tür seiner Wohnung. Der Wuarssen trieb seine sämtlichen Schafe in die Höhle. Er ließ uns auch eintreten. Als wir in der Höhle waren, schob der Wuarssen wieder den Stein vor den Eingang. Die Wohnung war verschlossen. Der Wuarssen schlachtete dann einen Hammel und setzte uns gutes Essen vor. Wir aßen gut und viel. Dann legten wir uns hin und schliefen auch bald ein, denn wir waren müde. Als es Mitternacht war, erhob sich der Wuarssen. Er kam vorsichtig heran und sah, ob wir schliefen. Dann nahm er eine Eisenstange und machte sie im Feuer glühend. Mit der glühenden Eisenstange stach er in den meiner Kameraden, der ihm am nächsten lag, hinein. Er stach mit dem glühenden Eisen so lange hinein, bis der Mann geröstet und gar war. Dann fraß der Wuarssen den Mann.



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Am andern Morgen rüstete der Wuarssen zum Weggehen. Ich sagte zu meinen Kameraden: "Wir wollen den Wuarssen bitten, daß er uns erlaubt weiterzugehen." Die andern fünf sagten: "Nein, wir wollen hier bleiben. Hier haben wir wenigstens zu essen." Ich sagte: "Seht, gestern waren wir noch sieben, heute sind wir nur noch sechs!" Die andern sagten: "Der eine Fehlende ist vielleicht über Nacht weggelaufen." Ich sagte: "Glaubt mir doch, daß der Wuarssen ihn gefressen hat." Die andern sagten: "Wir bleiben." Der Wuarssen öffnete die Höhle, trieb seine Herde heraus und schob dann von außen den Stein mit der Kraft von 99 Männern wieder vor den Eingang. Als es Nacht wurde, kam er wieder, öffnete die Höhle, trieb die Schafe hinein und schloß hinter sich. In der Nacht fraß er wieder einen von meinen Kameraden.

So fraß der Wuarssen jede Nacht einen meiner Kameraden. Am siebenten Tage war ich nur noch ganz allein übrig. Als es Nacht wurde und wir gegessen hatten, sagte ich zu dem Wuarssen: "Wir wollen uns heute unterhalten. Wir wollen uns eine Geschichte erzählen. Soll ich erzählen, oder willst du erzählen?" Der Wuarssen sagte: "Erzähle du! Wenn ich darüber einschlafe, mach du mit mir, was du willst. Wenn du darüber einschläfst, werde ich mit dir machen, was ich will." Ich begann nun eine lange Geschichte zu erzählen. Ich erzählte und erzählte und erzählte. Der Wuarssen wurde immer müder. Als es Mitternacht war, war er so müde, daß er einschlief.

Ich erhob mich. Ich machte die Eisenstange ganz heiß. Ich machte sie glühend. Als sie glühend war, näherte ich mich dem schlafenden Wuarssen und bohrte die glühende Stange ihm in das eine Auge. Es machte: tschuch-tschuk (d. i. das Aufzischen). Der Wuarssen sprang auf. Der Wuarssen brüllte laut. Der Wuarssen rannte in der Höhle umher und zerschlug alle Töpfe und Krüge. Ich rannte vor ihm weg und versteckte mich in den Winkeln. Er rannte und schlug bald hierhin, bald dorthin. Ich sprang umher und versteckte mich dort und hier. So jagte er brüllend nach mir bis zum andern Morgen.

Am Morgen beruhigte sich der Wuarssen etwas. Ich nahm nun einen der schwarzen Widder, tötete und häutete ihn. Den Kopf des Widders legte ich auf meinen Kopf und schlang die Haut des Widders um mich. Nachher aß der Wuarssen. Ich schlich mich heran und aß auch von einer Schüssel. Als er es merkte, schlug er nach mir. Ich sprang zur Seite. So lebten wir zwei Tage lang nebeneinander



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in der Höhle. Der Wuarssen hörte nicht auf mich zu verfolgen.

Nach zwei Tagen sagte der Wuarssen: "Die Schafe haben zwei Tage lang nichts zu fressen bekommen. Es wird Zeit, daß sie fressen. Sie müssen auf die Weide. Aber ich werde wohl darauf achten, daß nur meine Schafe herauskommen." Der Wuarssen rückte den Felsblock mit der Kraft von 99 Männern zur Seite. Dann setzte er sich in den Eingang und sagte: "Kommt heraus, ihr Schafe. Ich will euch der Reihe nach befühlen. Und welches keine Wolle hat, das werde ich verschlingen."

Die Schafe drängten heraus. Ich drängte mich an ihre Spitze. Ich ging auf den Knien, hielt den Widderkopf vor mir mit den Händen und hielt das Widderfell dicht um mich geknotet. Ich kam an der Spitze der Schafe an ihm vorbei. Er befühlte mit der Hand den Kopf und strich mit der Hand über meinen Rücken hin. Er ließ mich vorüber. Als ich mit den Schafen draußen war, nahm ich den Kopf des Widders und warf ihn dem Wuarssen zu. Ich rief: "Hier hast du den Kopf deines schwarzen Widders." Der Wuarssen schrie vor Wut. Ich ließ den Wuarssen in seiner Höhle.

Ich trieb die Schafherde des Wuarssen vor mir her. Ich ließ sie weiden und trieb sie den ganzen Tag vor mir her. Abends kam ich in einen Wald. In dem Wald legte ich mich inmitten meiner Schafe zum Schlafen nieder. Um Mitternacht kamen sechs Räuber den Weg entlang. Sie kamen in den Wald und sahen meine Schafe. Sie weckten die Herde und trieben sie mit sich fort. Einer wandte sich um und sah nach der Stelle, wo ich lag, zurück. Er sagte: "Da liegt noch etwas Weißes." Die Räuber kehrten zurück und fanden mich. Sie nahmen mich mit sich.

Die Räuber kamen mit meiner Herde und mir an einem Dorf vorüber. Die Räuber gingen an dem Ort vorüber. Es begegnete uns ein Mann aus dem Dorfe, der weinte und klagte. Wir fragten den Mann: "Warum weinst du?" Der Mann sagte: "Wir haben hier eine Hydra (levha), die lebt an der Quelle, aus der wir unser Wasser holen. Die Hydra läßt uns aber kein Wasser nehmen, wenn wir ihr nicht täglich eine unserer jungen Töchter geben. Das geht der Reihe nach in den Familien um. Heute ist nun meine Familie an der Reihe, und ich muß ihr meine Tochter geben." Die sechs Räuber sagten: "Wir wollen dir diesen Mann hier geben, vielleicht kann er dir helfen. Willst du den Mann kaufen?" Der Mann kaufte mich und nahm mich mit sich nach Hause.



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Als wir zu Hause angekommen waren, fragte mich der Mann: "Kannst du mir helfen?" Ich sagte: "Diese Hydra hat das ganze Dorf vernichtet. Nun wollen wir die Hydra vernichten. Ich will dich über und über mit Honig bestreichen. Die Hydra wird dich ganz und gar ablecken und darüber vergessen, deine Tochter zu nehmen." Der Mann sagte: "So wollen wir es machen. Du und meine Tochter, ihr könnt mich zur Quelle begleiten." Ich bestrich den Mann dann über und über mit Honig. Es blieb aber auf dem Nacken (= amgurr) eine Stelle von der Größe eines Duro frei vom Honig. Dann ging der Mann mit seiner Tochter und mir zur Quelle.

Wir kamen an die Quelle. Die Hydra stürzte, als sie uns sah, sogleich auf uns. Sie witterte den Honig. Sie begann an dem Honig, mit dem der Mann bedeckt war, zu lecken. Die Hydra leckte den ganzen Honig ab. Sie kam an die Stelle, die nicht mit Honig bedeckt war. Die Hydra begann an der Stelle zu schlürfen (= tsum). Sie schlürfte von der Stelle am Nacken das Innere des Mannes aus. Sie schlürfte alle seine Eingeweide, das Blut und das Fleisch aus. Es blieb nur die Haut übrig. Die Haut fiel wie ein Sack hin. Dann war die Hydra satt und wandte sich ab. Ich nahm das Mädchen mit fort.

Wir gingen ein Stück. Da begegnete uns ein Esel, der mit einem leeren Doppelsack (aus Schilf, in einem Stück geflochten =asimbf) versehen war. Wir setzten uns jeder auf eine Seite. Wir ritten auf dem Esel weiter. Wir ritten, bis es Nacht wurde. Als es Nacht war, trug uns der Esel weiter. Aber wir schliefen ein. Ich war schwerer als das Mädchen. Ich zog mit meinem Gewicht meine Seite herunter. Ich fiel herab. Das Mädchen fiel auch herab. Wir waren aber so müde, daß wir nicht aufwachten, sondern, auf der Straße liegend, weiterschliefen. Der Esel ging ohne uns weiter.

Gegen Morgen kam ein Löwe. Er begann das Mädchen aufzufressen. Er begann an den Füßen und fraß es bis zur Hüfte. Als er soweit war, kamen sechs Agelith des Weges. Der Löwe erschrak darüber und lief weg in den Wald. Die sechs Agelith kamen zu uns heran. Sie sahen das halb aufgefressene Mädchen. Sie sagten zu mir: "Du hast die Hälfte des Mädchens gefressen. Wir werden dich zu dem großen Agelith führen. Der soll darüber entscheiden, ob dir der Kopf abgeschlagen werden soll." Ich wurde zu dem großen Agelith geführt. Der große Agelith ließ mich in ein Haus einschließen. Ich war gefangen. Am Abend wurde mein



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Haus geöffnet, und ich durfte in dem großen Garten spazieren gehen.

Alle Tage wurde ich eingeschlossen, und nur abends durfte ich im Garten spazieren gehen. Eines Tages sah ich, daß der Garten an einer Stelle nur eine niedrige Mauer hatte. Ich sprang über die Mauer und rannte von dannen. Ich lief, bis ich nach Hause kam.

Sieh, mein Neffe, das ist eine Reise in die Fremde. Das ist die Fremde.

Als der Onkel geendet hatte, sagte der Knabe: "Onkel, ich gehe nachher allein in der Nacht nach Hause. Du brauchst mich nicht zu begleiten. Ich weiß jetzt, was die Fremde ist."

NB. Nach einer anderen Version war der Knabe nach Anhören der Geschichte für mehrere Monate krank.


4. Die Wuarssentochter

Ein Mann hatte einen einzigen Sohn. Der Sohn war klug und L.4 sehr geschickt in allem. Er zeigte das aber nicht auf eine vernünftige Art. Der Sohn wuchs heran, und als er groß geworden war, tat er nichts anderes, als sich mit schlechten Burschen herumzutreiben und das Vermögen seines Vaters zu verbringen. Der Vater wollte zuletzt den Sohn verjagen. Die Mutter war aber hierfür nicht zu gewinnen. Die Mutter sagte: "Hab' Geduld, dein Sohn ist klug. Er wird anders werden."

Eines Tages sprach der Bursche mit der Negerin seines Vaters. Die Negerin sagte: "Du weißt, daß wir in diesem Ort einen sehr schlechten Agelith haben, mit dem alle Leute unzufrieden sind. Er ist geizig und teilt nicht mit den Leuten. Wenn ein anderer angesehener und wohlhabender Mann im Ort wäre, würden die Leute diesen Agelith schon längst verjagt und den anderen angesehenen und wohlhabenden Mann an seine Stelle gesetzt haben. Dein Vater ist angesehen genug. Aber er ist nicht nur nicht sehr wohlhabend, sondern du, sein Sohn, verbringst auch noch in schlechter Gesellschaft alles, was er hat. Du bist nun aber so klug, daß du sehr wohl imstande wärst, statt deinem Vater das Geld zu verbringen, ihn zu einem reichen Manne und somit zum Agelith zu machen. Wenn du ein Mann wärst, würdest du das tun."

Der Sohn hörte das mit an. Dann sagte er zu der Negerin: "Ich



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schwöre, daß ich mich so bald wie möglich auf den Weg machen will. Ich will nicht eher heimkommen, bis ich meinem Vater alles Geld, was ich durchbrachte, zurückgebracht habe, sondern ihn auch so reich machen kann, daß er Agelith wird." Der Sohn ging nach Hause und sagte zu seiner Mutter: "Bereite mir Essen: ich will eine lange Wanderung unternehmen." Die Mutter tat es.

Am andern Tage machte der Bursche sich auf den Weg. Er wanderte. Er wanderte weit weg, soweit, daß er zuletzt in ein anderes Land kam, in dem nur Wuarssen lebten. Eines Tages traf er im Walde den Agelith der Wuarssen. Der Agelith der Wuarssen sagte zu ihm: "Komme mit mir in mein Haus." Der Bursche ging mit und kam in das Haus des Wuarssen.

Der Wuarssen hatte daheim eine Frau und drei Töchter. Die jüngste dieser Töchter war sehr klug. Wenn sie einen Ratschlag vonnöten hatte, so brauchte sie nur den Nagel ihres kleinen Fingers zu befragen; der gab ihr Auskunft und Hilfe. Die Frau des Wuarssen war aber noch klüger als ihre jüngste Tochter. Sie konnte nämlich von allen Fingernägeln Hilfe und Ratschlag erlangen. Als der Bursche in das Haus des Wuarssen trat, sah er die jüngste Tochter. Er sah, daß sie sehr schön war. Der Bursche sagte bei sich: "Dieses Mädchen möchte ich heiraten." Die Jüngste sah den Burschen. Sie sagte bei sich: "Diesen soll mein Vater nicht verschlingen, den will ich für mich haben."

Der Wuarssen brachte den Burschen in das Haus und suchte nach einem Grunde ihn zu verschlingen. Der Wuarssen wollte (oder "konnte" nach einer zweiten Wiederholung) ihn nicht verschlingen ohne eine gute Begründung.

Am andern Tage sagte der Wuarssen: "Komm mit mir zur Arbeit in die Farm." Der Bursche folgte ihm. Der Wuarssen führte den Burschen auf ein Gebiet, in welchem alles voller Unterholz stand. Er gab dem Burschen Fruchtsamen und sagte zu ihm: "Bepflanze diesen Acker mit diesem Fruchtsamen. Beginne die Arbeit sogleich. Denn heute abend will ich schon die ersten Früchte genießen." Dann ging der Wuarssen nach Hause zurück.

Der Bursche begann ein wenig mit der Hacke das Unterholz wegzuschlagen. Er war aber bald müde, legte sich unter einen Baum und schlief ein. Als es Mittag war, sagte der Wuarssen: "Eine von meinen Töchtern soll dem Burschen das Essen auf das Feld bringen." Die älteste und die zweite Tochter des Wuarssen sagten: "Ich



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mag nicht." Die jüngste Tochter sagte: "Dann will ich es tun." Die jüngste Tochter sah auf ihren Fingernagel und erkannte, daß der Vater vorhabe, den Burschen am Abend zu töten. Sie sah, daß der Wuarssen dem Burschen den Auftrag gegeben hatte, am Morgen Fruchtsamen zu pflanzen, der bis zum Abend aufgehen, aufwachsen und Früchte tragen sollte.

Im Hause des Wuarssen war ein Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen konnte. Die jüngste Tochter nahm das Essen für den Burschen, aber sie ergriff auch den Stock. Mit dem Essen und dem Stock machte sie sich auf den Weg in den wilden Garten. Als sie dort ankam, suchte sie überall nach dem Burschen. Sie fand ihn aber nirgends. Endlich entdeckte sie ihn schlafend im Schatten eines Baumes.

Die Jüngste weckte ihn und sagte: "Komm und iß!" Der Bursche wachte auf und sagte: "Das ist schon ganz recht, aber soll ich mich denn noch fetter machen. Dein Vater hat mir den Auftrag gegeben, Fruchtsamen hier zu pflanzen, der bis heute abend keimen, aufwachsen und Früchte tragen soll, die er heute noch genießen will. Das ist nicht möglich. Kein Mensch kann das. Also will dein Vater damit nur einen Grund finden, um mich zu verschlingen. Und du bringst mir nun das Essen, damit ich noch etwas fetter werde."

Die Jüngste lachte und sagte: "Glaubst du, daß ich meinem Vater hierbei helfen will? Glaubst du, daß ich mir die Mühe gemacht hätte, dir dein Essen zu bringen, wenn ich nicht gerne bei dir wäre? Iß nur. Nach dem Essen wollen wir uns vergnügen, und dann wird uns schon der Nagel meines kleinen Fingers helfen." Der Bursche aß mit der Jüngsten zusammen. Nach dem Essen vergnügten sie sich miteinander. Dann erhob sich das Mädchen und ergriff den Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen konnte.

Die Jüngste stieß den Stock auf den Boden und sagte: "Sogleich soll dieser ganze Garten voller Blumen und Bäume stehen. Sogleich sollen diese Bäume voller Früchte hängen." Als die Jüngste ausgesprochen hatte, war der ganze Garten voller Blumen und Früchte tragender Bäume. Die Jüngste sagte aber zu dem Burschen: "Wenn es Abend wird, sammle einen Korb frischer Früchte. Bringe die meinem Vater in das Haus. Sage zu ihm: ,Hier sind deine reifen Früchte.' Gleichzeitig gib meinem Vater aber einen starken Schlag ins Gesicht." Der Bursche sagte: "So will ich es machen." Die Jüngste nahm Abschied und ging wieder nach Hause.



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Als es Abend war, sammelte der Bursche seine Früchte in einen Korb. Den Korb nahm er auf die Schulter und ging heim. Der Wuarssen sah den Burschen kommen und ging ihm entgegen. Der Bursche gab ihm die Früchte und sagte: "Hier sind deine reifen Früchte." Dann gab der Bursche dem Wuarssen einen Schlag ins Gesicht. Der Wuarssen sagte: "Dies hast du gekonnt." Der Bursche sagte: "Du glaubst klüger zu sein als ich! Warte das Ende ab!"

Der Wuarssen ging zu seiner Frau und sagte: "Ich habe dem Burschen den Auftrag gegeben, Fruchtsamen zu pflanzen, von dem ich am gleichen Abend noch die Früchte essen wollte. Der Bursche hat es wirklich gekonnt. Was kann ich nun tun, um ihn zu überwinden. Sage mir einen Auftrag, den er nicht ausführen kann." Die Frau des Wuarssen sagte: "Gib ihm ein Sieb, fordere von ihm, daß er mit dem Sieb das Wasser aus dem Meer in einen Brunnen schöpft, so daß der Meeresboden frei liegt. Vom trockenen Meeresboden soll er dir heute abend trockenen Sand bringen."

Am andern Morgen nahm der Wuarssen ein Sieb und sagte zu dem Burschen: "Komm mit mir an das Meer. Der Bursche ging mit dem Wuarssen an das Meer. Am Meer sagte der Wuarssen zu dem Burschen: "Schöpfe mir bis heute abend das Meer aus und in einen Brunnen, so daß der Meeresboden frei liegt. Heute abend bringe mir dann von dem trockenen Meeresboden trockenen Sand." Dann ging der Wuarssen nach Hause zurück.

Der Bursche begann ein wenig mit dem Sieb zu schöpfen. Er sah aber gleich ein, daß er damit nicht weit kommen werde. Er war deshalb sehr bald müde, sah sich nach einem Baum um, setzte sich in den Schatten nieder und schlief ein. Als es Mittag war, sagte der Wuarssen: "Eine von meinen Töchtern soll dem Burschen das Essen auf das Feld bringen." Die älteste und die zweite Tochter des Wuarssen sagten: "Ich mag nicht." Die jüngste Tochter sagte: "Dann will ich es tun." Die jüngste Tochter sah auf ihren Fingernagel und erkannte, daß der Vater vorhabe, den Burschen am Abend zu töten. Sie sah, daß der Wuarssen dem Burschen den Auftrag gegeben hatte, bis zum Abend mit einem Siebe alles Wasser aus dem Meer in einen Brunnen zu schöpfen, so daß der Meeresboden frei werde und vom trockenen Meeresboden trockenen Sand zu bringen.

Die Jüngste nahm das Essen und ergriff den Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen konnte. Mit dem Essen und mit dem



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Stock machte sie sich auf den Weg zum Ufer des Meeres. Als sie dort ankam, suchte sie überall nach dem Burschen. Sie fand ihn aber nirgends. Endlich entdeckte sie ihn schlafend im Schatten eines Baumes.

Die Jüngste weckte ihn und sagte: "Komm und iß!" Der Bursche wachte auf und sagte: "Das ist schon ganz recht, aber ehe ich mich fetter esse, mußt du wissen, daß dein Vater mich heute abend verschlingen will und mir durch dich nur deshalb das Essen schickt, daß ich bis dahin nicht abmagere. Er hat mir den Auftrag gegeben, mit diesem Sieb alles Wasser aus dem Meere in einen Brunnen zu schöpfen, so daß der Meeresboden frei liegt. Ich soll ihm bis zum Abend trockenen Sand vom trockenen Meeresboden bringen. Sage mir, wie ich das machen kann. Ich nehme an, daß du mich noch gerne hast und mir helfen willst."

Die Jüngste lachte und sagte: "Wenn es weiter nichts ist, so wollen wir nun ungestört essen. Nach dem Essen wollen wir uns wie gestern vergnügen, und dann wird uns der Nagel meines kleinen Fingers helfen." Der Bursche aß mit der Jüngsten zusammen. Nach dem Essen vergnügten sie sich miteinander. Dann erhob sich das Mädchen und ergriff den Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen konnte.

Die Jüngste stieß den Stock auf den Boden und sagte: "Ich stoße das Meer mit meinem Stock zurück!" Sogleich wich das Meer zurück. Der Boden des Meeres lag frei da. Das Mädchen nahm von dem trockenen Meeresboden trockenen Sand und gab ihn dem Burschen. Die Jüngste sagte: "Nimm diesen Sand. Wenn es Abend wird, bring diesen Sand nach Hause. Du wirst meinen Vater neben meiner Mutter vor dem Hause sitzen sehen. Gehe auf meinen Vater zu und schütte den Sand meinem Vater auf den Kopf. Sage zu meinem Vater: ,Hier hast du den trockenen Sand vorn trockenen Boden des Meeres.' Dann gehe unbekümmert in das Haus." Der Bursche sagte: "So will ich es machen." Die Jüngste nahm Abschied und ging wieder nach Hause.

Als es Abend war, nahm der Bursche den trockenen Sand vorn trockenen Meeresboden und ging heim. Als er an das Haus kam) sah er den Wuarssen neben seiner Frau sitzen. Er ging auf den Wuarssen zu, schüttete den Sand über den Kopf des Wuarssen und sagte: "Hier hast du den trockenen Sand vom trockenen Boden des Meeres." Dann ging der Bursche unbekümmert in das Haus.



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Der Wuarssen sagte zu seiner Frau: "Du siehst, der Bursche hat auch diesen Auftrag richtig ausgeführt. Was kann ich jetzt tun, ihn zu überwinden? Sage mir einen Auftrag, den er nicht ausführen kann." Die Frau des Wuarssen sah auf die Nägel ihrer Finger und sagte: "Der Bursche hat deine beiden Aufträge ausgeführt mit dem Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen kann. Ich werde diesen Stock an mich nehmen und so verwahren, daß niemand ihn nehmen kann. Fordere von dem Burschen morgen, daß er von dem hohen Felsen, auf dem der Adler nistet, dessen Nest mit den sieben Jungen herabhebe und sie dir zum Abend bringe. Wenn der Bursche den Stock, mit dessen Hilfe man alles erreichen kann, nicht hat, wird er dies nicht ausführen können."

Am andern Morgen rief der Wuarssen den Burschen und sagte zu ihm: "Komm mit mir zu dem Felsen!" Der Bursche ging mit dem Wuarssen zu dem Felsen. An dem Felsen sagte der Wuarssen zu dem Burschen: "Du siehst dort oben den Adler nisten! Bring mir das Nest des Adlers mit seinen sieben Jungen herab. Bringe es mir bis zum Abend." Dann ging der Wuarssen nach Hause zurück.

Der Bursche betrachtete den Felsen. Er ging um ihn herum. Er sah, daß er keinen Aufstieg fand. Er war des Suchens bald müde, sah sich nach einem Baume um, legte sich in dessen Schatten nieder und schlief bald ein. Als es Mittag war, sagte der Wuarssen: "Eine von meinen Töchtern soll dem Burschen das Essen auf das Feld bringen." Die älteste und die zweite Tochter sagten: "Ich mag nicht!" Die jüngste Tochter sagte: "Dann will ich es tun." Die jüngste Tochter sah auf ihren Fingernagel und erkannte, daß der Vater vorhabe, den Burschen am Abend zu töten. Sie sah, daß der Wuarssen dem Burschen den Auftrag gegeben hatte, von dem hohen Felsen das Nest des Adlers und seine sieben Jungen herabzuholen und am Abend dem Wuarssen zu geben.

Die Jüngste nahm das Essen. Sie wollte den Stock ergreifen, mit dessen Hilfe man alles erreichen kann. Sie fand den Stock nicht. Sie suchte den Stock. Sie sagte sich: "Meine Mutter ist klug. Sie hat auf ihre Nägel gesehen und erkannt, daß der Bursche seine Aufgaben mit Hilfe des Stockes, mit dem man alles erreichen kann, ausgeführt hat, sie hat den Stock verschlossen. Meine Mutter hat aber noch nicht gesehen, daß ich dem Burschen geholfen habe. Ich muß also etwas anderes ersinnen." Die Jüngste nahm das Essen und machte sich auf den Weg. Sie kam zu dem Felsen, auf dessen Spitze der Adler sein Nest hatte. Sie suchte überall nach dem Burschen;



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sie fand ihn aber nirgends. Endlich entdeckte sie ihn schlafend im Schatten eines Baumes.

Die Jüngste weckte den Burschen und sagte: "Komm und iß!" Der Bursche wachte auf und sagte: "Das ist schon ganz recht; ich freue mich darauf, mit dir zu essen, und ich freue mich noch mehr darauf, mich nachher mit dir zu vergnügen. Ich habe aber von deinem Vater den Auftrag erhalten, auf diesen hohen Felsen zu steigen, auf dem der Adler sein Nest hat und das Nest mit den sieben Jungen herabzuholen. Ich soll es schon heute abend bringen. Wenn ich es nicht bringe, wird er mich verschlingen. Hast du nun ein Mittel, diesen Felsen zu besteigen und das Nest herunterzuholen ?"

Die Jüngste sagte: "Das ist nicht so schlimm. Wir können ungestört essen. Nach dem Essen wollen wir uns wie gestern und vorgestern vergnügen, und dann wird uns schon der Nagel meines kleinen Fingers helfen." Der Bursche aß mit der Jüngsten zusammen. Nach dem Essen vergnügten sie sich miteinander. Dann erhob sich die Jüngste.

Die Jüngste sagte zu dem Burschen: "Wir haben es heute nicht ganz so einfach wie sonst, weil meine Mutter den Stock, mit dem man alles erreichen kann, verschlossen hat. Nimm hier dies Messer und diesen Duft (Wohlgeruch). Mit dem Messer zerschneide mich. Meine einzelnen Teile werden am Felsen festkleben, und du wirst an mir bequem hinaufsteigen können. Du wirst das Nest des Adlers mit den sieben Jungen herabtragen können. Wenn du wieder herabsteigst, nimmst du die einzelnen Teile von mir wieder mit herab. Unten setzt du alle Teile wieder zusammen, und wenn alles wieder zusammengesetzt ist, blase mit diesen Duft in die Nase. Dann werde ich wieder leben wie zuvor. Hast du mich gut verstanden und wirst du so handeln?" Der Bursche sagte: "Ich habe dich verstanden und werde danach handeln."

Der Bursche nahm das Messer. Er zerschnitt die Jüngste in Stücke. Die einzelnen Stücke klebte er an den Felsen. Sie klebten sehr fest. Der Bursche stieg nun mit ihrer Hilfe zu dem Felsen empor. Er kam an das Nest des Adlers, in dem die sieben Jungen saßen. Der Bursche ergriff es und stieg wieder herab. Beim Herabsteigen nahm er die einzelnen Teile der Jüngsten vom Felsen ab und brachte sie wieder auf die Erde. Als er unten angekommen war, setzte er das Nest mit den sieben Jungen des Adlers beiseite und fügte die einzelnen Teile der Jüngsten wieder aneinander. Als er



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die einzelnen Teile wieder zusammengesetzt hatte, bließ er der Jüngsten den Duft in die Nase. Die Jüngste erhob sich. Sie lebte wieder.

Die Jüngste betrachtete sich und sagte: "Du hast alles richtig gemacht. Du hast aber meine kleine Zehe an dem Felsen kleben lassen und vergessen, sie wieder mit herabzubringen. Nun fehlt sie mir. Aber das ist nur gut, dann wirst du mich nun immer wieder erkennen. Nun merke auf! Bringe meinem Vater heute abend das Nest mit den sieben Jungen des Adlers. Mein Vater wird dir dann die Wahl lassen zwischen seinen drei Töchtern. Er wird uns dich aber nicht so vorführen, wie wir sind. Er wird uns als Rebhühner vorführen. Sieh dann auf die Füße. Die Zehe, die du oben am Felsen ließest, wird mir auch als Rebhuhn fehlen. Darauf achte." Der Bursche sagte: "So will ich es machen!" Die Jüngste nahm Abschied und ging wieder nach Hause.

Als es Abend war, nahm der Bursche das Nest mit den sieben Jungen des Adlers und ging heim. Als er den Wuarssen sah, gab er ihm das Nest mit den sieben Jungen und sagte: "Hier hast du das, was du wünschtest." Der Wuarssen ging zu seiner Frau und sagte: "Der Bursche hat auch diesen Auftrag ausgeführt. Was kann ich jetzt noch tun, um ihn zu überwinden?" Die Frau sah auf die Fingernägel und sagte: "So gib ihm eine deiner Töchter zur Frau. Wenn er eine deiner beiden älteren wählt, wird diese dir ihn gleich geben. Und wenn er wirklich die jüngste nimmt, kannst du ihn doch immer in der Hochzeitsnacht verschlingen."

Der Wuarssen sagte zu dem Burschen: "Du hast alle drei Aufträge gut ausgeführt. Zum Lohn hierfür wähle dir eine unter meinen drei Töchtern zur Frau." Der Wuarssen führte die drei Mädchen als Rebhühner vor. Er hing dem Burschen ein schwarzes Tuch über den Kopf. Der Bursche sah unter dem schwarzen Tuch weg auf die Füße der Rebhühner und erkannte die Jüngste an der fehlenden Zehe. Er ergriff das Rebhuhn bei den Füßen und sagte: "Diese hier möchte ich zur Frau haben." Der Wuarssen sagte: "Nimm doch nicht die, die ist ja häßlich! Nimm die andere!" Der Bursche sagte: "Nein, diese hier will ich haben." Da gab der Wuarssen dem Burschen die Jüngste zur Frau.

D er Wuarssen gab dem Burschen und seiner jungen Frau ein eigenes kleines Haus. Sie gingen hinüber. In der Nacht sagte die junge Frau zu dem Burschen: "Heute nacht wird mein Vater noch



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versuchen, dich zu verschlingen. Wir müssen fliehen. Gehe also hinüber zum Hause des Vaters und bringe ein Pferd herüber. Wähle 'aber unter den Pferden ja nicht ein wohlgenährtes aus. Du mußt das magerste und elendeste unter den Pferden wählen, welches im Stalle ist. Nur dieses kann uns helfen." Der Bursche ging. Er kam in den Stall des Wuarssen. Er sah das ganz magere und elende Pferd. Er sagte: "Wie soll ich ein so schlechtes Pferd nehmen, wo hier so viel gute Pferde stehen?" Der Bursche nahm das beste Pferd, das er im Staue fand und sagte: "Dies wird uns am schnellsten auf der Flucht forthelfen." Er brachte das gute Pferd zu dem Hause, das ihm und seiner jungen Frau angewiesen war, hinüber. Als die jüngste Tochter des Wuarssen das Pferd sah, erschrak sie und sagte: "Warum hast du nicht meiner Anordnung gefolgt? Nun wird mein Vater uns einholen. Wir werden nun andere Mittel finden müssen, ihm zu entrinnen." Der Bursche bestieg nun mit der Jüngsten das Pferd und ritt von dannen.

In der Nacht sagte der Wuarssen zu seiner Frau: "Ich will jetzt den Burschen töten und dann verschlingen." Der Wuarssen nahm große Felsblöcke und warf sie auf das Haus des Schwiegersohnes. Das Haus stürzte ein. Der Wuarssen ging hin und suchte den Burschen unter den Trümmern. Der Wuarssen fand den Burschen nicht. Er kam zu seiner Frau und sagte: "Der Bursche ist nicht zu finden." Die Frau sah auf ihre Fingernägel und sagte zu dem Wuarssen: "Der Bursche ist mit seiner Frau, deiner jüngsten Tochter, auf einem deiner Pferde entflohen. Er hat aber nicht das beste Pferd gewählt, besteige du das beste Pferd und reite schnell hinterher, so kannst du ihn noch einholen."

Der Wuarssen bestieg das magerste Pferd und ritt schnell hinter dem Burschen und seiner jüngsten Tochter her. Er kam ganz nahe an sie heran. Die Jüngste blickte zurück. Sie rief: "Mein Vater ist ganz nahe!" Sie wusch ihren Fingernagel mit Wasser und sagte: "Das Pferd soll eine Hütte (=akabub), ich soll ein Garten mit Melonen, mein Mann soll ein alter Gärtner werden!" Sogleich war das Pferd eine Hütte, das Mädchen ein Garten mit Melonen, der Bursche ein alter Gärtner.

Der Wuarssen kam dicht heran. Er sah den alten Gärtner. Er fragte den alten Gärtner: "Hast du nicht in der Nähe einen jungen Burschen mit seiner jungen Frau auf einem Pferd vorbeireitet sehen ?" Der alte Gärtner sagte: "Das hängt davon ab, was du dafür bezahlen willst. Ich habe Melonen für ein Kupferstück und solche



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für zehn Kupferstücke." Der Wuarssen sagte: "Ich habe nicht nach dem Preise der Melonen gefragt. Ich fragte dich, ob du einen Burschen mit seiner jungen Frau auf einem Pferde hier hast vorbeireiten sehen." Der alte Gärtner sagte: "Ich wiederhole dir meine Preise. Ich habe Melonen für ein, zwei, drei bis zehn Kupferstücke. Das ist gewiß nicht teuer." Der Wuarssen sagte (ärgerlich): "Das ist ein Narr." Er wandte sein Pferd und ritt wieder nach Hause. Als er nur wenig fort wal, verwandelte die Jüngste das Pferd, sich und den Burschen wieder in ihre alte Gestalt. Der Bursche ritt mit ihr lustig weiter.

Der Wuarssen kam nach Hause. Seine Frau fragte ihn: "Hast du sie nicht eingeholt?" Der Wuarssen sagte: "Nein, ich konnte sie nicht einholen. Ein alter Gärtner, der in seinem Melonengarten vor einer Hütte stand, gab mir närrische Antworten. So verlor ich den Weg." Die Frau sah auf ihre Fingernägel und sagte: "Der Garten war deine jüngste Tochter. Die Hütte war dein Pferd. Der alte Gärtner war der Bursche. — Schnell reite zurück und sieh, ob du sie nicht doch noch erreichst." Der Wuarssen wandte das Pferd und ritt so schnell er konnte wieder hinter dem Burschen her.

Der Wuarssen kam wieder ganz nahe an den Burschen und an die Jüngste heran. Die Jüngste blickte zurück. Sie rief: "Mein Vater ist wieder ganz nahe." Sie wusch ihren Fingernagel mit Wasser und sagte: "Das Pferd soll ein Weg, ich will ein Korb (= akschueh; nach anderer Angabe ein Karren), mein Mann soll ein alter Arbeiter werden!" Sogleich wurde das Pferd ein Weg, die Jüngste ein Korb, der Bursche ein alter Arbeiter.

Der Wuarssen kam dicht heran. Er sah den alten Arbeiter. Er fragte den alten Arbeiter: "Hast du nicht in der Nähe einen Burschen mit einer jungen Frau vorbeireiten sehen?" Der alte Arbeiter sagte: "Wenn du arbeiten willst, zahlt man dir hier einen Duro für die Woche; für brauchbare Leute zahlt man aber auch mehr." Der Wuarsssen sagte: "Ich habe nicht gefragt, ob ich hier als Arbeiter Arbeit finde und was man zahlt. Ich frage dich, ob du einen jungen Burschen mit seiner jungen Frau auf einem Pferde hier hast vorbeireiten sehen." Der alte Arbeiter sagte: "Ich sagte dir schon, daß der Preis ganz nach der Arbeit ist. Bis zwei Duro. Ich finde, das ist gut bezahlt." Der Wuarssen sagte (ärgerlich): "Das ist ein Narr." Er wandte sein Pferd und ritt wieder nach Hause. Als er nur wenig fort war, verwandelte die Jüngste das



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Pferd, sich und den Burschen wieder in ihre alte Gestalt. Der Bursche ritt mit ihr eilig weiter.

Der Wuarssen kam nach Hause. Seine Frau fragte ihn: "Hast du sie nicht eingeholt?" Der Wuarssen sagte: "Nein, ich konnte sie nicht einholen. Ein alter Arbeiter, der mit einem Korbe auf einem Wege stand, gab mir närrische Antworten. So verlor ich den Weg." Die Frau sah auf ihre Fingernägel und sagte: "Der Weg war dein Pferd, der Korb war deine jüngste Tochter. Der alte Arbeiter war der Bursche. Bleib nun hier. Ich werde mich nun selbst auf den Weg machen." Die Frau des Wuarssen machte sich nun selbst auf den Weg und eilte so schnell sie konnte hinter dem Burschen und der Jüngsten her.

Die Frau des Wuarssen kam ganz nahe an den Burschen und die Jüngste heran. Die Jüngste blickte zurück. Sie rief: "Meine Mutter verfolgt uns jetzt! Sie ist schon ganz nahe. Reite an das Ufer." Der Bursche ritt zur Seite an das Ufer des Meeres. Die Jüngste wusch ihren Fingernagel mit Wasser und sagte: "Das Pferd soll ein großes Brett im Meere sein!" Sogleich wurde das Pferd ein großes Brett, das im Meere schwamm. Der Bursche und die Jüngste sprangen in das Meer und auf das große Brett. Mit dem Brett schwammen sie vom Ufer weg auf das Meer hinaus.

Die Frau des Wuarssen kam ganz dicht an das Ufer des Meeres heran. Sie sah den Burschen mit der Jüngsten auf dem Brett im Meere schwimmen. Die Frau des Wuarssen rief: "Meine Tochter, willst du nicht mit mir in das Haus deines Vaters zu deinen Schwestern zurückkehren?" Die Jüngste antwortete: "Nein, meine Mutter; ich will bei meinem Manne bleiben." Die Frau des Wuarssen rief: "Du willst deine Mutter verlassen?" Die Jüngste rief: "Meine Mutter, ich will bei meinem Manne bleiben." Die Frau des Wuarssen rief: "Eines Tages wird dein Mann zu seinen Eltern zurückkehren wollen. Dann kann er dich leicht vergessen. Beschwöre ihn, daß er sich von den Seinen nie küssen läßt. Das ist mein letztes Wort." Die Jüngste rief: "Ich danke dir, meine Mutter." Die Frau des Wuarssen kehrte in das Haus ihres Mannes zurück.

Während dreißig Tagen schwammen der Bursche und seine junge Frau mit dem Brett auf dem Meere umher. Am dreißigsten Tage schwammen sie an einen Felsen. Sie stiegen auf den Felsen an das Land. Auf dem Felsen fanden sie eine große Kiste (=tachasent), die das Meer herangeschwemmt hatte. Der Bursche öffnete die



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Kiste. Sie war angefüllt von Gold. Der Bursche sagte: "Nun bin ich reich. Ich habe dich und das Gold. Hier wollen wir wohnen." Die Jüngste sagte: "Gut, dann wollen wir hier wohnen." Sie wusch ihren Fingernagel und sagte: "Hier soll ein großes Haus stehen! Hier soll ein großer Garten sein! Hier sollen Bäume mit Früchten und Felder mit Korn aufwachsen." Sogleich stand ein großes Haus da, dahinter ein Garten mit Fruchtbäumen, dahinter lagen die Felder.

Der Bursche lebte mit seiner Frau in dem Lande voll Überfluß lange Zeit glücklich. Er dachte aber oft an seine Eltern und seinen Schwur und wurde traurig (=ichak). Die junge Frau sah, daß ihr Mann traurig wurde und sagte eines Tages zu ihm: "Ich sehe, daß du traurig bist; sage mir, was du hast." Der Bursche sagte: "Ich habe daheim Vater und Mutter. Als ich von Hause fortging, schwur ich, daß ich meinem Vater alles Geld, das ich früher unnütz verschwendete, ihm zurückerstatten und ihn so reich machen wolle, daß er Agelith würde. Nun bin ich inzwischen reich geworden und lebe im Überfluß. Meinen Schwur habe ich aber nicht gehalten, und das macht mich traurig." Die junge Frau sagte: "So kehre nach Hause zurück. Nimm alles mit, was dazu gehört, deinem Vater das Seine zurückzuerstatten und ihn so reich zu machen, daß er Agelith wird. Was du geschworen hast, sollst du halten. Wenn du weggehst, mußt du nun aber mir schwören, daß du mich nie vergessen willst. Du wirst mich aber vergessen, sobald dich eines deiner Familie auf die Stirne küßt. Darum schwöre mir, daß du dies nicht zulassen willst." Der Bursche schwor es.

Der Bursche packte Essen ein und so viel Gold, als nur möglich war. Er nahm von seiner jungen Frau Abschied und ritt von dannen. Er ritt auf seine Heimat zu. Er ritt sehr weit. Er kam in dem Ort, in dem seine Eltern lebten, an.

Der Bursche setzte sich bei einem Kaffeewirt nieder. Er blieb bei dem Kaffeewirt. Eines Tages kamen sein Vater und seine Mutter vorüber. Sie erkannten ihren Sohn nicht. Er erkannte aber seine Eltern. Der Bursche sagte zu seinen Eltern: "Kommt und trinkt mit mir eine Tasse Kaffee." Die beiden Eltern setzten sich neben ihn und sprachen mit ihm. Sie erkannten ihren Sohn nicht. Der Sohn ging beiseite und warf in jede der beiden Tassen ein Goldstück. Der Kaffeewirt brachte den Kaffee. Die Eltern tranken den Kaffee. Sie fanden auf dem Grunde die Goldstücke. Sie fragten



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erstaunt: "Woher kommt dies?" Der Sohn sagte: "Es ist offenbar euer." Die Eltern bedankten sich und luden den Burschen zum Abendessen ein. Dann gingen sie. Die Mutter sagte zu dem Vater auf dem Heimweg: "Sollte das unser Sohn sein?" Der Vater sagte: "Unser Sohn war ein Verschwender; er kann sicher nur Geld verbrauchen, aber nicht geben."

Der Bursche kam in das Haus seiner Eltern. Die alte Negerin öffnete ihm. Die Negerin sah ihn an und erkannte ihn. Sie sagte aber nichts. Der Sohn aß mit seinen Eltern. Er ließ unter seinem Platz einen Sack mit Gold liegen, als er ging. Als er gegangen war, fanden die Eltern an seinem Platz das Gold. Der Vater sagte: "Was soll das?" Die Mutter sagte: "Glaube mir, das ist unser Sohn." Der Vater sagte: "Unser Sohn war ein Verschwender, er kann sicher nur Geld verbrauchen, aber nicht geben."

Auch die Negerin sah das Gold. Sie lief in den Ort. Sie ging zu den Leuten. Sie sagte: "Ihr wißt doch, daß ihr einen sehr schlechten Agelith habt, mit dem ihr alle unzufrieden seid?" Die Leute sagten: "So ist es!" Die Negerin sagte: "Ihr habt ihn doch bis jetzt nur deshalb nicht verjagt, weil ihr keinen anderen angesehenen und wohlhabenden Mann unter euch habt?" Die Leute sagten: "So ist es." Die Negerin sagte: "Der Sohn meines Herrn, den ihr alle kennt, ist heimgekehrt und hat seinem Vater eine große Menge Goldes mitgebracht." Die Leute sagten: "So schwöre uns dies!" Die Negerin schwor.

Da kamen alle Männer am andern Tage zusammen und gingen zu dem Hause des Agelith und riefen: "Wir haben von diesem geizigen Manne, der nie mit den andern teilt, genug!" Dann verjagten sie den Agelith. Hierauf zogen sie zu dem Hause des Vaters des Burschen und sagten: "Du sollst unser Agelith sein." Der Vater kam heraus. Er brachte das Gold heraus, das sein Sohn bei ihm zurückgelassen hatte, legte es hin und sagte: "Dies ist alles, was ich habe. Teilt dies unter euch; mehr habe ich nicht." Der Bursche befand sich aber unter den Leuten. Er trat hervor. Er rief: "Das ist nicht wahr, aber mein Vater weiß es nicht besser." Er zog aus dem Kleide einige Beutel Gold, legte sie vor seinen Vater hin und sagte: "Dies ist nur das, was ich von deinem Besitz unnütz verschwendet habe." — So wurde der Vater des Burschen Agelith. Sein Sohn zog aber mit seinem Gold zu seinen Eltern und ward glücklich. Er war nur traurig, wenn er an seine junge Frau dachte.



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Eines Tages kam die Schwester seiner Mutter (=kholti) in den Ort, um den Sohn ihrer Schwester, der so glücklich heimgekehrt war, zu begrüßen. Er schlief schon, als sie kam, denn es war spät am Abend. Sie trat an sein Lager und küßte ihn auf die Stirne. Als der Bursche am andern Morgen erwachte, hatte er seine junge Frau vergessen.

Die junge Frau des Burschen, die jüngste Tochter des Wuarssen, war inzwischen allein in ihrem Hause. Sie wartete auf die Rückkehr ihres Mannes. Von Zeit zu Zeit sah sie auf den Nagel ihres kleinen Fingers. Sie sah stets, daß ihr Mann, der Bursche, sie noch nicht vergessen hatte. Eines Tages betrachtete sie wieder den Nagel ihres kleinen Fingers. Sie sah, daß der Bursche von seiner Tante geküßt worden war und sie vergessen hatte. Sie betrachtete wieder den Nagel ihres kleinen Fingers und sah, daß der Bursche nicht schlecht geworden war. Da packte sie ihre Sachen, füllte einige Säcke mit Gold, bereitete sich Essen für die Reise, bestieg einen Maulesel und machte sich auf den Weg.

Die junge Frau ritt viele Tage, bis sie an den Ort kam, in dem ihr Mann als Sohn des Agelith im Hause seiner Eltern ein glückliches Leben führte. Sie ritt in den Ort ein und nahm ein Zimmer bei dem Kaffeewirt. Am andern Tage fragte sie den Kaffeeinhaber: "Willst du dein Kaffee nicht verkaufen? Was willst du dafür haben?" Der Kaffeewirt sagte: "Ich muß 500 Goldstücke dafür erhalten, dann gebe ich es einem andern." Die junge Frau sagte zu dem Kaffeewirt: "Komm mit in mein Zimmer, ich will dir die 500 Goldstücke zahlen, wenn es auch viel zu teuer ist." Der Kaffeewirt erhielt die 500 Goldstücke. Die junge Frau besaß das Kaffeehaus.

Alle Leute erzählten sich in der Stadt: "Der Kaffeeinhaber hat sein Kaffee an eine sehr reiche junge Frau verkauft; die jetzige Inhaberin ist schön wie die Sonne." Viele Leute kamen nun in das Kaffee, um die reiche, junge Kaffeewirtin zu sehen und mit ihr zu plaudern. Alle jungen Leute gingen bei der jungen, schönen Kaffeewirtin aus und ein, aber der Sohn des Agelith blieb daheim und kam nicht in das Kaffee. Die junge Frau blickte wieder auf den Nagel ihres kleinen Fingers und sagte: "Auf diese Weise werde ich meinen Mann nicht wiedersehen. Mein Mann hat aber zwei leichtsinnige Freunde, die werden ihn mit sich zu mir bringen."

Am Abend waren wieder viele junge Leute im Hause der Kaffeewirtin versammelt. Als es Mitternacht war, sagte die junge Frau zu ihren Gästen: "Es ist Mitternacht und ich schließe." Die Gäste



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sagten wie schon öfter: "Willst du nicht einen von uns bei dir bebehalten, daß er die Nacht mit dir plaudere?" Die junge Frau sagte: "Ich weiß, daß jeder von euch mich gerne heiraten möchte, weil ich reich und schön bin. Ich schließe aber heute mein Kaffeehaus um Mitternacht. Wenn morgen einer von euch 500 Goldstücke zahlen will, kann er die ganze Nacht bei mir plaudern." Die Gäste gingen aus dem Hause. Die junge Frau rief ihre Negerin und ließ das Haus verschließen.

Unter den Gästen waren zwei reiche junge Leute, die das Geld ihres Vaters verbrauchten. Sie waren mit dem Sohne des Agelith befreundet. Sie gingen am andern Tage zu dem Sohne des Agelith und sagten ihm: "Komm heute nur ein einziges Mal mit in das Haus der jungen, schönen Kaffeewirtin. Sie will dem, der ihr 500 Goldstücke zahlt, erlauben, die Nacht über mit ihr zu plaudern. Sie wird den sicher nachher heiraten. Komm mit und sage uns, ob sie es nicht wert ist, daß man ihr 500 Goldstücke zahlt und sie zur Frau nimmt." Der Bursche war neugierig, diese Frau zu sehen, die so schön war, daß seine Freunde bereit waren, 500 Goldstücke zu zahlen, um eine Nacht mit ihr zu plaudern. Er begleitete seine Freunde abends mit in das Kaffeehaus.

Als er in das Kaffeehaus kam und die junge Frau sah, erkannte er sie nicht wieder. Er sagte nur: "Diese Frau ist wirklich schöner als die Sonne." Die junge Frau erkannte aber ihren Mann wieder und lachte ihn an. Er saß mit seinen Freunden zusammen. Seine Freunde sagten: "Ist sie nicht so schön, daß man gern 500 Goldstücke zahlt, um mit ihr zu plaudern?" Der Bursche sagte: "Ja, sie ist sehr schön." Die junge Frau setzte sich zu den drei Freunden. Einer der beiden Freunde des Burschen sagte zu der jungen, schönen Frau: "Darf ich heute nach Mitternacht bei dir bleiben, um mit dir zu plaudern? Ich will dir gerne 500 Goldstücke bezahlen." Die junge, schöne Frau sagte: "Wenn du mir schwörst, vorher eine kleine Arbeit für mich zu verrichten, darfst du die ganze Nacht an meinem Lager sitzen und mit mir plaudern." Der junge Mann sagte: "Was für eine Arbeit ist dies?" Die junge, schöne Frau sagte: "Das wirst du erfahren, wenn du mir nachher die 500 Goldstücke bezahlt hast." Der junge Mann war einverstanden.

Als es Mitternacht war, schloß die junge schöne Frau ihr Haus. Der Sohn des Agelith ging mit seinem Freunde und allen andern nach Hause. Die junge, schöne Frau nahm den jungen Mann mit in ihr Zimmer. Der junge Mann gab ihr die 500 Goldstücke und



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sagte: "Welche kleine Arbeit habe ich nun zu verrichten?" Die junge, schöne Frau sagte: "Es ist nichts weiter, schließe nur das Fenster. Während du das Fenster schließt, werde ich mich niederlegen und einschlafen. Wenn du es geschlossen hast, wecke mich und wir können bis zum Morgen miteinander plaudern." Der junge Mann sagte: "Es lohnt nicht, daß du erst einschläfst. Ich werde es gleich geschlossen haben." Die junge, schöne Frau sagte: "Dann ist es desto besser für dich." Dann legte sie sich nieder und schlief sogleich ein.

Der junge Mann trat an das Fenster, um es zuzuschieben. Als er es zugeschoben hatte, ging es aber sogleich wieder auf. Er schob wieder und das Fenster ging wieder auf. Der junge Mann merkte, daß er seine Hand nicht eher vom Fenster wegnehmen konnte, als bis es zu war. So schob er die ganze Nacht das Fenster zu, das immer wieder aufging. Er schob, bis am andern Morgen die junge, schöne Frau aufwachte. Sogleich ging das Fenster zu. Der junge Mann sagte: "Nun wollen wir plaudern." Die junge, schöne Frau stand aber auf und sagte: "Nun ist es zu spät. Die Sonne ist aufgegangen. Du hast deine 500 Goldstücke schlecht benutzt." Der junge Mann ging.

Am Abend kamen die drei Freunde zusammen. Der junge Mann, der die Nacht im Zimmer der jungen, schönen Frau zugebracht hatte, sagte zu seinen Freunden: "Es war eine herrliche Nacht. Das nächste Mal werde ich 1000 Goldstücke bezahlen." Der andere junge Mann sagte: "Heute nacht werde ich die 500 Goldstücke bezahlen." Der Sohn des Agelith ging mit seinem Freunde wieder in das Kaffeehaus der jungen, schönen Frau. Als er sie sah, erkannte er sie wieder nicht. Er sagte aber bei sich: "Diese Frau ist wirklich schöner als die Sonne." Die junge Frau erkannte aber ihren Mann und lachte ihn an.

Er saß mit seinen Freunden zusammen. Der zweite der jungen Männer sagte zu der jungen, schönen Frau: "Darf ich heute nach Mitternacht bei dir bleiben, um mit dir zu plaudern? Ich will dir gerne 500 Goldstücke bezahlen." Die junge, schöne Frau sagte: "Wenn du mir schwörst, vorher eine kleine Arbeit für mich zu verrichten, darfst du die ganze Nacht an meinem Lager sitzen und mit mir plaudern." Der zweite junge Mann sagte: "Was für eine Arbeit ist das?" Die junge, schöne Frau sagte: "Das wirst du erfahren, wenn du mir nachher die 500 Goldstücke bezahlt hast." Der zweite junge Mann war einverstanden.



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Als es Mitternacht war, schloß die junge, schöne Frau ihr Haus. Der Sohn des Agelith ging mit seinem Freunde und allen andern nach Hause. Die junge, schöne Frau nahm den zweiten jungen Mann mit in ihr Zimmer. Der junge Mann gab ihr die 500 Goldstücke und sagte: "Welche kleine Arbeit habe ich nun zu verrichten?" Die junge, schöne Frau sagte: "Es ist nichts weiter. Fülle mir nur diesen Topf Wasser aus dem Krug! Während du den Topf füllst, werde ich mich niederlegen und einschlafen. Wenn du ihn gefüllt hast, wecke mich und wir können bis zum Morgen miteinander plaudern." Der junge Mann sagte: "Es lohnt nicht, daß du erst einschläfst; ich werde den Topf sogleich gefüllt haben." Die junge, schöne Frau sagte: "Dann ist es desto besser für dich." Dann legte sie sich nieder und schlief sofort ein.

Der zweite junge Mann ergriff den Topf und wollte ihn aus dem Kruge füllen. Als er den Topf aber wieder aus dem Wasser emporhob, war er leer wie zuvor. Er führte ihn wieder in das Wasser und zog ihn leer wieder heraus. Der zweite junge Mann merkte, daß er seine Hände nicht eher von dem Topf und dem Krug wegnehmen konnte, als bis der Topf voll sei. Er schöpfte die ganze Nacht. Der Topf blieb leer. Er schöpfte, bis am Morgen die Sonne aufging. Als die Sonne aufging, erwachte die schöne, junge Frau. Sogleich war der Topf mit Wasser gefüllt. Der zweite junge Mann sagte: "Nun wollen wir plaudern." Die junge, schöne Frau stand auf und sagte: "Nun ist es zu spät. Die Sonne ist aufgegangen. Du hast deine 500 Goldstücke schlecht benutzt." Der zweite junge Mann ging.

Am Abend kamen die drei Freunde zusammen. Der zweite junge Mann sagte zu seinen Freunden: "Es war eine herrliche Nacht. Das nächste Mal werde ich 1000 Goldstücke bezahlen." Der Sohn des Agelith ging mit seinen beiden Freunden in das Kaffeehaus der jungen, schönen Frau. Als er sie sah, erkannte er sie wieder nicht. Er sagte bei sich: "Diese Frau ist wirklich schöner als die Sonne." Die junge Frau erkannte aber ihren Mann und lachte ihn an.

Der Sohn des Agelith saß mit seinen Freunden zusammen. Er sprach nicht. Als es Mitternacht war, sagte die junge, schöne Frau: "Es ist Mitternacht. Ich schließe jetzt das Kaffeehaus." Der Sohn des Agelith sagte: "Ich habe die 500 Goldstücke. Ich werde die kleine Arbeit vorher verrichten. Darf ich zum plaudern bei dir bleiben?" Die junge, schöne Frau sagte: "Es ist recht." Die andern



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Gäste verließen das Haus. Die junge, schöne Frau schloß das Haus hinter ihnen.

Die junge, schöne Frau nahm den Sohn des Agelith mit in ihr Zimmer. Der Sohn des Agelith legte die 500 Goldstücke hin. Die junge, schöne Frau sagte: "Nun schließ nur die Türe. Während du die Türe schließt, werde ich mich niederlegen und einschlafen. Wenn du die Türe geschlossen hast, wecke mich und wir können bis zum Morgen miteinander plaudern." Der Sohn des Agelith sagte nichts. Die junge, schöne Frau legte sich nieder und schlief sogleich ein. Der Sohn des Agelith trat an die Tür, um sie zu schließen. Er drückte die Tür heran; sie sprang wieder auf. Er drückte die Tür zum zweitenmal heran; sie sprang wieder auf. Er drückte die Tür zum drittenmal heran; sie sprang wieder auf. Der Sohn des Agelith wollte die Hand von der Tür ziehen. Die Hand war fest an der Tür. Er sah sich um. Er sah, daß die junge, schöne Frau eingeschlafen war. Da riß er die Tür heraus, trat mit der Türe im Arm an das Lager der jungen, schönen Frau, weckte sie und sprach: "Sorge, daß die Tür zugeht." Die junge Frau lachte. Sie sagte: "Du bist klüger; stelle die Tür wieder hin, wo sie hingehört. Sie wird jetzt schließen. Dann komm und setze dich an mein Lager." Der Sohn des Agelith trug die Tür zurück, hängte sie ein und schloß sie. Dann kehrte er an das Lager der jungen, schönen Frau zurück.

Er setzte sich an das Lager der jungen, schönen Frau. Sie fragte den Sohn des Agelith: "Du kennst mich nicht?" Der Sohn des Agelith sagte: "Nein, ich kenne dich nicht." Da gab die junge Frau ihm einen Schlag ins Gesicht. Im gleichen Augenblick erkannte er seine junge Frau wieder und fiel ihr um den Hals. Der Sohn des Agelith lachte. Die junge, schöne Frau lachte. Die junge Frau sagte: "Du hattest mich vergessen, weil deine Tante dich auf die Stirne geküßt hat. Du schliefst. Es war nicht deine Schuld." Der Sohn des Agelith sagte: "Komm morgen mit in das Haus meines Vaters. Wir wollen hier bleiben." Die junge, schöne Frau sagte: "Ich will es tun. Du bist klüger als die andern jungen Männer in der Stadt." Die junge Frau erzählte, wie die beiden Freunde die ganze Nacht mit dem Schließen des Fensters und dem Schöpfen des Wassers verbracht hatten, ohne zu wagen, sie zu wecken. Die junge, schöne Frau und der Sohn des Agelith lachten.

Der Sohn des Agelith blieb die ganze Nacht bei seiner jungen Frau und plauderte mit ihr. Als es Morgen war, sandte er die Negerin des Hauses zu seinem Vater und ließ ihm sagen: "Meine



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junge Frau ist angekommen. Bereite ein großes Fest. Kommt und holt uns ein!" Alsbald kam der Vater mit seinen Leuten und einer Sänfte. Der Agelith begrüßte seine Schwiegertochter und sagte: "Sie ist wirklich schöner als die Sonne." Er brachte seinen Sohn und seine Schwiegertochter heim. Unterwegs verteilte die junge Frau die 1000 Goldstücke, die sie von den jungen Männern empfangen hatte.

Der Agelith feierte seinem Sohne und seiner Schwiegertochter ein großes Fest. Alle Leute waren fröhlich und jedermann mit dem neuen Agelith zufrieden. Als der Agelith aber starb, war sein Sohn sein Nachfolger.


5. Die Diebe und die Wuarssen

Kassi war ein sehr geschickter und vielgefürchteter Dieb, der seine Züge meistens allein unternahm und nur dann, wenn es sich um eine ganz besondere Sache handelte, die einer allein nicht vollbringen konnte, einen Gesellen mitnahm. Einmal nun hatte Kassi gehört, daß ein reicher Besitzer einen ganz besonders schönen Ziegenbock habe, den er ganz außerordentlich schätze und mit aller Sorgfalt vor Dieben schütze. Kassi beschloß, diesen Ziegenbock zu stehlen und nahm zu diesem Zwecke einen Gesellen mit. Kassi und der Geselle gingen in den Ort, wo der Besitzer wohnte, und zwar an jene Stelle, an der die Knaben spielten. Unter den Knaben war auch der junge Sohn des Besitzers, und Kassi suchte ihn auf. Er rief ihn heran, schenkte ihm einige Nüsse und sagte ihm, daß er und sein Kamerad Freunde seines Vaters wären und fragte nach diesem und jenem, um so die Gelegenheit zur Kenntnis zu nehmen. Der Knabe erzählte auch alles, was man von ihm zu wissen verlangte und sogar noch mehr. So erfuhren Kassi und sein Geselle denn, daß der schöne Ziegenbock sehr sorgfältig aufbewahrt werde, daß der Besitzer ihn nachts immer neben sich schlafen lasse und daß es unmöglich sei, ihm durch die Türe oder gar bei Tage beizukommen. Nachdem Kassi und sein Geselle dieses und eine Beschreibung des Gehöfts gewonnen hatten, verabschiedeten sie sich von dem Knaben und gingen von dannen.

Der Knabe erzählte, als er nach Hause kam, dem Vater von den zwei freundlichen Männern, die mit ihm gesprochen und ihm Nüsse geschenkt hätten. Der Vater hörte dem Plaudern des Knaben zu und sagte bei sich: "Das müssen zwei Diebe gewesen sein, die



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meinen Ziegenbock stehlen wollten. Ich werde in der nächsten Nacht ganz besonders auf meiner Hut sein." Dem Beschlusse folgend, blieb der Besitzer die ganze kommende Nacht vom Abend bis zum Morgen wach und hörte aufmerksam auf Geräusche. Es kamen aber keine Diebe und es war nichts Ungewöhnliches zu hören. Die Folge des Wachens und Aufmerkens in dieser ersten Nacht war, daß der Besitzer in der zweiten darauffolgenden um so fester schlief. Darauf hatte sich Kassi auch verlassen, und noch lange vor Mitternacht machte er und sein Geselle sich mit eisernen Brechstangen (Tanugha; Plural: Tinuighuin) daran und brachen in die Mauer, nahe dem Lager des Besitzers, ein Loch, durch das ein Mann hineinschlüpfen konnte. Kassi drang also in das Haus und packte den herrlichen Ziegenbock. Der stemmte sich aber gegen den Boden und wollte sich durch die Bresche nicht herausziehen lassen. Kurz entschlossen schnitt Kassi ihm die Kehle durch, häutete ihn ab, zerlegte ihn und füllte das Fleisch in die abgezogene Decke. Das Bündel reichte er seinem Gesellen heraus und folgte dann selbst nach. Er eilte so schnell er konnte von dannen, und der Geselle mit dem Fell- und Fleischbündel folgte ihm.

Kassi und sein Geselle waren noch auf dem Heimwege, da wachte der Besitzer auf, faßte nach seinem Bock, fand ihn aber nicht, entdeckte dafür die Bresche und am Boden das Blut des geschlachteten Bockes und sagte: "Sie haben ihn also doch genommen. Nun, ich werde mir den Bock wiederholen." Der Besitzer lief sogleich hinter den Dieben her. Es dauerte auch nicht lange, so hatte er sie eingeholt. Er blieb nun ganz dicht bei ihnen. Kassi war etwas voraus, der Geselle weiter hinten. Unterwegs wollte der Geselle sich etwas ausruhen, denn die Ziegendecke mit dem vielen Fleisch war schwer. Der Geselle sagte: "Kassi!" Sogleich antwortete der Besitzer: "Hier bin ich. Die Last wird dir wohl etwas schwer! Ich werde dich einmal im Tragen ablösen." Der Geselle glaubte, der Sprecher sei Kassi und gab ihm die Last. Der Besitzer nahm die Last und sagte zu dem Gesellen: "Nun geh nur voran, ich komme schon langsam nach." Der Geselle ging weiter. Der Besitzer folgte noch einige Schritte weit, dann blieb er zurück, wandte sich um und lief mit dem zurückgewonnenen Ziegenfleisch nach Hause.

In seinem Gehöft wieder angekommen, weckte er seine Frau, gab ihr das Ziegenfell mit dem Fleisch darin und sagte: "Verstecke das gut, denn heute nacht kommen vielleicht die Diebe noch einmal, um den Ziegenbock noch einmal zu stehlen. Ich bin nun müde und



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will mich etwas zum Schlafen hinlegen." Die Frau nahm das Fell mit dem Fleisch darin und verwahrte es. Der Besitzer legte sich aber wieder hin und schlief sogleich ein.

Inzwischen blieb der vorausgegangene Kassi stehen und sah sich nach dem Gesellen mit der Ziegenfleischlast um. Als der Geselle kam, sagte der: "Was, Kassi, du bist jetzt vor mir?" Kassi fragte aber den Gesellen: "Wo hast du denn die Last mit dem Ziegenfleisch ?" Der Geselle sagte: "Das Ziegenfleisch hast du mir doch vor einiger Zeit abgenommen!" Kassi sagte sogleich: "Ho! So ist der Besitzer also doch hinter uns hergekommen und hat uns den Ziegenbock wieder abgenommen. Aber warte, wir wollen ihn uns wiederholen."

Kassi machte sich mit dem Gesellen sogleich auf den Rückweg. Sie kamen wieder am Gehöft des Besitzers an. Kassi kroch vorsichtig wieder durch die Bresche und vergewisserte sich, daß der Besitzer fest schlief. Als er das beobachtet hatte, sagte er bei sich: "Der kann nur so fest schlafen, wenn er den Ziegenbock seiner Frau zur Aufbewahrung übergeben hat." Kassi ging zur Frau des Besitzers und sagte: "Frau, ich kann vor Sorge nicht recht schlafen. Hast du das Fell mit dem Ziegenfleisch auch wohl verwahrt?" Die Frau sagte: "So sorge dich nur nicht so, sondern schlafe wohl. Das Fell mit dem Ziegenfleisch liegt wohlverwahrt im Baerka (Speichertopf oder Höhle in der kleinen Urnenbank), da werden sie es nicht suchen." Kassi sagte: "Ich muß mich nun schnell noch einmal vergewissern, ob es auch da ist." Kassi ging hin, nahm den Fellballen heraus und sagte: "Er liegt ganz sicher da. Dann schlafe du nur auch. Im Baerka werden die Diebe nicht suchen." Kassi nahm das Bündel und schlüpfte damit zur Bresche hinaus.

Kassi eilte mit dem Gesellen von dannen in den Wald. Sie trugen das Fleischbündel bis auf einen Kirchhof, der mitten im Wald um eine kleine Kapelle herum angelegt war. Dort zündeten sie ein Feuer an, holten aus dem Brunnen der Kapelle Wasser, setzten den Topf auf und begannen das Fleisch zu kochen.

Inzwischen wachte der sorgsame Besitzer auf und fragte seine Frau: "Frau, hast du auch das Fleisch des Ziegenbockes gut versteckt?" Die Frau sagte: "Aber Mann, ich habe dir doch vorhin erst gesagt, daß ich das Fleisch im Baerka versteckt habe, und du hast dich selbst danach umgesehen. Seitdem hat sich im Hause nichts gerührt. Der Besitzer sagte: "Was, ich soll dich schon einmal danach gefragt und im Baerka nachgesehen haben.



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Ich bin ja gar nicht wach gewesen, seitdem ich dir das Fleisch übeigeben habe. Wenn das nur nicht wieder dieser Kassi gewesen ist!" Der Besitzer stand auf, er ging zum Baerka. Er griff hinein und sagte: "Es ist wieder gestohlen. Ich werde mir aber meinen Bock wiederholen."

Der Besitzer nahm ein altes Schaffell mit und lief sogleich hinter den Dieben her. Er kam an die Kapelle und sah, wie die Diebe das Fleisch drin kochten. Der Besitzer legte sogleich das Lammfell vor das Gesicht,* steckte so verhüllt den Kopf in das Kapellenfenster und brüllte. Die beiden Diebe fuhren auf. Der Geselle schrie: "Das ist ein Wuarssen" und sprang zur Kapellentür hinaus in den Wald. Kassi wurde auch von dem Schreck gepackt und lief auch weg. Dann kam der Besitzer in die Kapelle, hob den Topf mit dem Fleisch auf und trug ihn von dannen, zurück in sein Haus.

Inzwischen sagte sich Kassi: "Wenn es ein Wuarssen ist, frißt er das Fleisch gleich auf. Trägt er den Topf mit dem Fleisch fort, so ist es der Besitzer." Er schlich sich heran und sah, daß der Mann den Topf forttrug. Da rief er seinen Gesellen heran. Sie liefen beide ein Stück voran, überfielen den Besitzer im Busch, schlugen ihn mit der Debus (Keule), so daß er ohnmächtig niederfiel und trugen den Topf mit dem Fleisch wieder in die Kapelle zurück.

Kassi und der Geselle setzten das Geschäft des Kochens fort und waren so ungefähr damit fertig, als der wahre Wuarssen, der diesen Wald bewohnte, in die Kapelle durch die Tür hereintrat. Kassi und der Geselle erschraken. Kassi faßte sich aber schnell und sagte: "Darf ich dich einladen, dieses ausgezeichnete Fleischgericht zu genießen?" Der Wuarssen nahm sogleich Platz und sah in den Topf. Er begann hineinzugreifen und ein Stück nach dem andern herauszunehmen und zu verschlingen. Kassi sagte zu dem Gesellen: "Bleib du zur Gesellschaft hier. Ich will nur hinausgehen und einen Topf guten Wassers zum trinken holen." Der Geselle blieb also, Kassi ging aber hinaus, suchte dort einen hohen Baum aus, stieg hinauf und versteckte sich in den dichten Zweigen.

Der Wuarssen aß inzwischen den Topf vollkommen aus, so daß auch nicht ein Fleischfetzen mehr darin war. Der Wuarssen ergriff dann einen Toten, den er aus dem Grabe nahm, hielt ihn den Gesellen hin und sagte: "Du hast mich zu Gaste geladen und mir dieses ausgezeichnete Bockfleisch gegeben, das mir vorzüglich geschmeckt 

Das ist die sogenannte Amchar-ocharus-Maskierung, mit der die Wuarssen im Spiele früher nachgeahmt wurden. Vgl. Bd. 1 S. 45.


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hat. Ich will dir dafür diesen toten Menschen geben, der dir auch gut schmecken wird. Ich bin nicht undankbar. Da, iß!" Dabei hielt er dem Gesellen den Toten hin. Der Geselle fiel vor Schreck in Ohnmacht. Da ergriff ihn der Wuarssen und verschluckte ihn.

Dann trat der Wuarssen an die Tür der Kapelle und rief in den Wald: "Wo ist Kassi? Kassi hat mir einen Dienst erwiesen und mir diesen vorzüglichen Bock vorgesetzt. Ich bin Kassi zu Dank verpflichtet und ich bin nicht undankbar. Ich will Kassi von meinen Schätzen geben. Kassi! Komm!" Kassi glaubte dem Wuarssen. Er wußte, daß der Wuarssen große Schätze besaß. Er stieg von dem Baume herab. Der Wuarssen packte ihn und verschlang ihn.


6. M'hammed Asserdun bei dem Wuarssen

In alter Zeit war ein Mann, der hatte drei Knaben und ein Mädchen. Eines Tages ritt er zu einem Fest auf den Markt. Ehe er wegritt, sagte er zu den Kindern: "Jedes von euch kann sich etwas wünschen, das ich ihm dann vom Markte mitbringe." Auf dem Markt konnte er das, was die Knaben sich gewünscht hatten, kaufen. Das aber, was das Mädchen sich erbeten hatte, konnte er nicht finden. Der Vater kam ohne das Geschenk für das Mädchen heim.

Das Mädchen hatte sich vom Vater eine Hose (assaru[e]l) gewünscht, die nicht genäht war und von selbst tanzte. Als der Vater sie nun nicht mitbringen konnte, weil er sie nicht fand, wurde das Mädchen vor Kummer krank. Darüber erschrak der Vater. Er fragte alle Leute: "Wo kann ich nur eine Hose, die nicht genäht ist und von selbst tanzt, bekommen?" Niemand konnte es ihm sagen. Endlich sagte eine alte Frau: "Nur der Wuarssen hat eine solche Hose!" Der Vater schwor und sagte: "Ehe meine Tochter darüber stirbt, will ich zum Wuarssen gehen und ihn um die Hose bitten, bis er sie mir gibt."

Der Vater wanderte und wanderte und wanderte. Endlich kam er zum Wuarssen. Der Wuarssen fragte den Vater: "Was willst du?" Der Vater sagte: "Meine Tochter wird sterben, wenn sie nicht die Hose, die ohne Naht ist und von selbst tanzt, von mir erhält." Der Wuarssen sagte: "Ich werde die Hose finden; ich weiß aber, daß du eine Tochter von unvergleichlicher Schönheit hast. Ich werde dir die Hose nur geben, wenn du mir deine Tochter zur Frau gibst."



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Der Vater sagte: "Wenn meine Tochter die Hose, die nicht genäht ist und von selbst tanzt, für keinen andern Preis erhalten kann, so gib sie her. Du sollst meine Tochter zur Frau haben." Der Wuarssen gab dem Vater die Hose und fragte: "Wann kann ich kommen, deine Tochter abzuholen?" Der Vater sagte: "Komme an einem Tag, an dem Schnee, Regen, Wind, Donner (=r-äd) und Blitz (=sorak) zusammentreffen." Der Wuarssen sagte: "Ich werde an dem Tage kommen, deine Tochter abzuholen."

Der Vater kam mit der Hose heim. Er gab die Hose seiner Tochter und sagte: "Hier hast du die Hose; du wirst nun aber den Wuarssen heiraten müssen." Die Tochter bedankte sich und ward gesund.

Eines Tages war großer Sturm und es schneite, es regnete, donnerte und blitzte. Es klopfte an die Türe des Hauses. Die Mutter öffnete. Vor der Türe stand ein ungeheuer großer Mann. Der Mann sagte: "Ich will ins Haus kommen." Die Mutter bot ihm ein Geschenk. Der Wuarssen sagte: "Ein Geschenk will ich nicht; ich will deine Tochter." Der Vater kam. Der Vater bot ihm ein Geschenk. Der Wuarssen sagte: "Ein Geschenk will ich nicht; ich will deine Tochter." Der Vater rief die schöne Tochter und sagte zu ihr: "Du siehst, dein Tag ist gekommen; nun rüste dich; zahle nun deinen Wunsch!" Die Tochter packte ihre Sachen zusammen und kam heraus. Der Wuarssen ergriff das Mädchen am Arm, hob sie auf seine Schulter und ging mit ihr von dannen. Er brachte sie in sein Haus.

Die drei Brüder des Mädchens waren herangewachsen. Eines Tages spielten sie. Eine alte Frau (= setut; unter setut versteht der Kabyle ein echtes "altes Weib" von verschlagenem, bösartigem, unheimlichem, mißlaunigem Charakter. Jeder Setut traut der Kabyle außerdem Böswillen und Zauberkunst zu) kam hinzu. Das alte Weib sagte: "Wenn ihr Männer gewesen wärt, hätte eure Schwester nicht durch den Wuarssen geraubt werden können." Die drei Brüder schwiegen und gingen. Die drei Brüder bereiteten Essen für die Reise.

Die drei Brüder wanderten und wanderten und wanderten. Sie kamen eines Tages zu einem Schafhirten mit seiner Herde. Sie sagten zu dem Schafhirten: "Kannst du uns den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der unsere Schwester geraubt hat?" Der Schafhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich, ich bin der Diener (=achméss)



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dieses Wuarssen. Eure Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne euch aber. Seht diesen Widder (=ikerri). Nur, wenn ihr den aufzuheben vermögt, werdet ihr eure Schwester wiedergewinnen können. Denn jeden Morgen kämpft der Wuarssen mit dem Widder, ohne daß einer den andern zu besiegen vermag. Wenn ihr den Widder nicht besiegen könnt, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Die drei Brüder sagten: "Wir wollen es versuchen." Der Widder rannte heran. Der Widder packte die drei Brüder mit den Hörnern und schleuderte sie hoch. Die drei Brüder flogen weit fort in ein anderes Land.

In dem anderen Land trafen die drei Brüder einen Ochsenhirten mit seiner Herde. Sie sagten zu dem Ochsenhirten: "Kannst du uns den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der unsere Schwester geraubt hat?" Der Ochsenhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich; ich bin der Diener dieses Wuarssen. Eure Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne euch aber. Seht diesen Stier (=a'jenu). Nur, wenn ihr den aufzuheben vermögt, werdet ihr eure Schwester wiedergewinnen können. Denn jeden Morgen und jeden Abend kämpft der Wuarssen mit dem Stier, so daß die Mauern einstürzen, ohne daß einer den andern zu besiegen vermag. Wenn ihr den Stier nicht besiegen könnt, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Die drei Brüder sagten: "Wir wollen es versuchen." Der Stier rannte heran. Der Stier packte die drei Brüder mit den Hörnern und schleuderte sie hoch. Die drei Brüder flogen weit fort in ein anderes Land.

In dem andern Lande trafen die Brüder einen Hühnerhirten mit seiner Herde. Sie sagten zu dem Hühnerhirten: "Kannst du uns den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der unsere Schwester geraubt hat?" Der Hühnerhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich, ich bin der Diener des Wuarssen. Eure Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne euch aber. Seht diesen Hahn. Nur, wenn ihr den aufzuheben vermögt, werdet ihr eure Schwester wiedergewinnen können. Jeden zweiten Tag kämpft der Wuarssen vom Morgen bis zum Abend (= arba lukas, d. h. die vier Teile eines Tages) mit ihm. Einen Tag kämpft er mit ihm, einen Tag führe ich den Hahn auf die Weide. Sie kämpfen stets miteinander, ohne daß einer den andern besiegen kann. Wenn ihr den Hahn nicht besiegen könnt, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Die drei Brüder sagten: "Wir wollen



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es versuchen." Der Hahn sagte aber (verächtlich): "Ihr seid Zedjed (zu unbedeutend; eigentlich: ,Unbedeutende'). Mit euch kämpfe ich nicht."

Die Brüder gingen in den Garten. Sie sahen da eine Menge Melonen (Melone =afkoss) an einer Quelle. An der Quelle trafen sie eine Negerin (=zächliss; Neger =ächli). Die drei Brüder sagten zu der Negerin: "Kannst du uns nicht den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der unsere Schwester geraubt hat?" Die Negerin sagte: "Ja, den Weg kenne ich, ich bin eine Negerin des Wuarssen. Eure Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne euch aber. Seht diesen großen Korb voll Melonen und diesen Ledersack (=aidid) voll Wasser. Nur, wenn ihr die gesamten Melonen essen und den Ledersack austrinken könnt, werdet ihr eure Schwester gewinnen können. Denn jeden Morgen verzehrt der Wuarssen diese Melonenmenge und trinkt er diesen Ledersack leer. Wenn ihr das nicht könnt, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Die drei Brüder waren sehr hungrig und durstig. Sie begannen zu essen und zu trinken. Sie konnten aber nicht einmal eine Melone gemeinsam verzehren. Da waren sie schon satt. Sie konnten kaum den obersten Teil des Wassersackes austrinken, da waren sie schon satt. Die Negerin sagte: "Geht lieber nicht zu dem Wuarssen. Der Wuarssen wird euch vernichten." Die drei Brüder sagten: "Wir wollen doch gehen."

Die drei Brüder kamen in das Haus. Der Wuarssen war nicht daheim. Die Schwester der Brüder war aber im Hause. Die Schwester sprang auf. Sie begrüßte die Brüder. Sie sagte: "Meine Brüder, der Wuarssen wird euch verschlingen, wenn er euch hier trifft." Sie versteckte die Brüder sogleich in einer Grube (=tarischt, d. h. ein Einstiegloch in einem Haussilos, einen Speicherkeller). Die Schwester bereitete für die Brüder ein gutes Essen und reichte es ihnen herab in den Keller.

Abends kam der Wuarssen nach Hause. Er witterte (=uardelli) umher und sagte: "Ich rieche Menschen. Wer ist hier? Wer hier versteckt ist, soll hervorkommen. Ich will ihm das Leben lassen, aber ich verspreche ihm das erst dann, wenn er hervorgekommen ist." Die drei Brüder verhielten sich still. Die Schwester sagte: "Es kam ein Krämer (=autas) vorbei. Ich habe ihm etwas geschenkt, aber ich habe in deiner Abwesenheit nicht gewagt, ihm etwas abzukaufen. Sein Geruch ist im Hause geblieben." Der Wuarssen glaubte seiner Frau nicht. Er suchte im ganzen Hause. Er blickte



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in den Tarischt hinab. Der Wuarssen sah die drei Brüder. Die drei Brüder erschraken. Die Schwester erschrak.

Der Wuarssen sagte: "Wer seid ihr? Was wollt ihr hier?" Die Schwester sagte: "Dies sind meine drei Brüder." Der Wuarssen sagte: "Dann sollen sie mir willkommen sein. Bereite uns Essen." Der Wuarssen pflegte zum Abend ein Schaf und eine Holzschale (=djifla) voll Kuskus (=suksu) zu verzehren. Der Wuarssen sagte: "Wie wollen wir es machen? Einer wird essen. Der andere soll um das Haus gehen. Wenn ich schneller esse, als ihr um das Haus kommt, oder ihr langsamer eßt, als ich um das Haus zu kommen vermag, will ich euch verschlingen. Welches wählt ihr?" Die Schwester winkte den Brüdern. Da sagten die Brüder: "Wir wollen essen und du sollst um das Haus gehen. Wenn du schneller um das Haus kommst, als wir zu essen vermögen, dann hast du gewonnen." Der Wuarssen sagte: "Es ist mir recht."

Der Wuarssen ging heraus. Die Schwester warf den gekochten Hammel, den Kuskus und, das Wasser in den Tarischt. Der Wuarssen kam auf der anderen Seite zurück. Er sah, daß die Mahlzeit verschwunden war. Der Wuarssen erstaunte. Die drei Brüder sagten aber: "Gib uns noch mehr Essen, wir sind noch hungrig."

Der Wuarssen sagte zu den drei Brüdern: "Wir wollen miteinander fechten. Wenn ich euch besiege, werde ich euch verschlingen. Wollen wir kämpfen mit Kopfstoß, mit Faustschlag oder mit dem Säbel ?" Die Schwester winkte den Brüdern. Da sagten die drei Brüder: "Faustschlag ist gut für Esel und für dich. Kopfstoß ist gut für Widder und für dich. Für uns als Söhne eines Agelith ist nur der Säbel gut." Der Wuarssen war wütend. Er sagte: "So kann ich euch nicht verschlingen. Aber es soll euch nicht gut gehen." Er packte die drei Brüder und steckte sie in einen Brunnenschacht (= lewir oder ellewir).

Die drei Söhne kamen nicht zurück; da weinten die Eltern. Der Vater sagte zur Mutter: "Komm, wir wollen, sie suchen." Die Mutter bereitete das Essen für, die Wanderung. Der Vater packte den Maulesel. Sie wanderten von dannen. Der Vater und die Mutter kamen in ein wüstes Land. Es war große Hitze. Die Mutter hatte großen Durst. Der Vater ging herum und suchte Wasser., Die Mutter wartete und wartete. Der Maulesel schlug sein Wasser ab. Da fing die Mutter mit der Hand davon auf und trank es. Die Mutter fühlte sogleich, daß sie guter Hoffnung war. Als der Vater



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von der Wassersuche zurückkam, sagte sie: "Ich habe soeben von dem Wasser des Maulesels aufgefangen und getrunken und fühle, daß ich davon guter Hoffnung geworden bin." Der Vater sagte: "Dann wollen wir heimkehren."

Sie waren noch nicht wieder daheim, da ward ein Knabe geboren. Als der Knabe geboren wurde, bedeckte er sogleich das Gesicht mit den Händen, denn er hatte den Körper eines Menschen, aber den Kopf eines Maulesels. Als der Vater das sah, nannte er ihn M'hammed Asserdun (der Eselköpfige). Der Vater brachte den Sohn auf den Zwischenböden (=tarorfitz, d. i. turmartiger Speicher über dem Stall, dem Adäinin) unter. M'hammed Asserdun empfing als Essen nur Fleisch ohne Knochen. Am ersten Tage verzehrte er schon eine ganz große Platte voll Kuskus mit Fleisch ganz allein. Am andern Tage verzehrte er zwei Platten Kuskus. Am dritten Tage verzehrte er schon vier Platten Kuskus. Am vierten Tage verzehrte er schon acht Platten Kuskus. Am fünften Tage sechzehn Platten Kuskus. Der Vater hatte nicht mehr so viel Essen im Hause, als M'hammed Asserdun verzehren wollte. Er ging zum Tadjemaid (=Männerversammlungsplatz). Der Vater sagte zu den Männern: "Ich kann meinen Sohn M'hammed Asserdun nicht mehr ernähren. Wer kann mir nur sagen, wie ich mich meines Sohnes M'hammed Asserdun entledigen kann. Wer das vermag, mit dem will ich den mir von dem Sohne übriggelassenen Rest meines Besitzes teilen." Die Männer in der Versammlung konnten keinen Rat geben. Sie gingen aber nach Hause und erzählten es im Dorfe.

Die alte Setut, die die drei Brüder M'hammed Asserduns zu dem Wuarssen geschickt hatte, hörte es auch und sagte: "Auf meinen Kopf! Ich kann es." Sie ging zum Vater M'hammed Asserduns und fragte: "Soll ich es versuchen?" Der Vater sagte: "Versuche es auf deine eigene Gefahr. Am andern Tage brachte die alte Setut dem M'hammed Asserdun das Essen auf den Zwischenboden. Sie hatte aber bei sich in der Brusttasche (= ischuri) einen Knochen, an dem außen nur wenig Fleisch, der aber in seinem Innern voll Mark (=adif) war. M'hammed Asserdun sah den Knochen. Er aß das Fleisch, betrachtete den Knochen und schlug ihn dann gegen die Mauer. Der Knochen zerbrach. Die Mauer zerbrach auch. M'hammed Asserdun aß das Mark und blickte dann durch das Loch in der Mauer heraus.

M'hammed Asserdun sah zum erstenmal die Natur. Er erblickte draußen Knaben, die spielten Tathuscht (eine Art Sautreiben; der



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Ball aus Baummark; die Stöcke zum Schlagen). M'hammed Asserdun brach die Mauer noch weiter auf und sprang aus dem Tarorfitz heraus auf den Spielplatz. Auf dem Spielplatz war auch der Sohn der Setut. Er war immer Sieger im Tathuscht; nie hatte ein anderer ihn zu besiegen vermocht. M'hammed Asserdun spielte mit den Knaben. Er besiegte den Sohn der Setut. Der Sohn der Setut war eifersüchtig. Er wollte M'hammed Asserdun schlagen. M'hammed Asserdun aber schlug ihn auf die Beine, daß sie zerbrachen, dann packte er ihn und warf ihn hoch in die Luft. Der Sohn der Setut kam wieder lebend zur Erde, aber er war todkrank.

Am andern Tage sah M'hammed Asserdun ein Pferd. Er fing es und bestieg es. Das Pferd brach aber unter ihm tot zusammen. So tötete er seinem Vater 99 Pferde. Der Vater entsetzte sich. Der Vater ging zu dem Amrar Asmeni (dem weisen Mann). Er sagte: "Du bist weiser als wir alle. Hilf mir in einer Sache; ich will auch alles tun, wie du es rätst." Amrar Asmeni sagte: "Worum handelt es sich ?" Der Vater sagte: "Ich habe einen Sohn M'hammed Asserdun. Zuerst aß er so viel, daß ich mein ganzes Vermögen dabei einbüßte. Nun ist er so stark geworden, daß er alles zerstört. Er hat schon 99 Pferde unter sich zermalmt. Soll ich den Sohn töten, oder was rätst du mir sonst?" Amrar Asmeni sagte: "Am Tage der Geburt deines Sohnes M'hammed Asserdun ist auch ein Pferd geboren worden. Das ist das rechte Tier für ihn. Für alles andere laß nur die Setut sorgen."

Der Vater gab dem M'hammed Asserdun das Pferd, das am gleichen Tage mit ihm geboren wurde. M'hammed Asserdun bestieg es; es trug ihn. M'hammed Asserdun ritt mit ihm davon. Er blieb zwei Tage auf seinem Rücken ohne abzusteigen und kehrte dann erst zurück. Auf dem Heimweg kam er vor dem Orte an einer Quelle vorbei. An der Quelle saß die Setut mit einem Filter (= achavbell für Kuskus). M'hammed Asserdun war durstig. Er sagte zu der alten Setut: "Gib mir zu trinken." Die Alte reichte ihm Wasser im Filter. Das Wasser rann unten heraus. M'hammed Asserdun ward zornig. Er schlug die Alte, daß sie hinfiel. Die Setut sagte: "Wenn du ein Mann wärst, würdest du nicht eine alte Frau schlagen, sondern den Wuarssen aufsuchen und deine Schwester und Brüder befreien."

M'hammed Asserdun ritt nach Hause. Er legte sich auf das Lager. Er aß und trank nicht. Die Eltern fragten ihn: "Was fehlt dir? Bist du krank? Was wünschst du?" M'hammed Asserdun sagte: "Die



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Setut soll mir etwas Heißes bereiten." Die Setut kam. Sie bereitete ihm ein heißes Getränk. Auf dem Getränk schwamm ein kleines Stückchen Kohle. M'hammed Asserdun sagte: "Nimm dies heraus!" Die Alte wollte die Kohle mit dem Finger herausnehmen. M'hammed Asserdun hielt ihre Hand über dem kochenden Wasser fest und sagte: "Entweder du sagst mir die Richtung (=djiha, d. i. die Richtung, in der der Wuarssen wohnt), oder ich verbrühe deine Hand." Die Setut zeigte mit der Hand: "In dieser Richtung wohnt der Wuarssen."

M'hammed Asserdun stand auf. Er ging zum Schmied (= ach'.. der) und ließ sich eine Keule (= debus) im Gewicht von zwei Ochsen machen. Als die Keule fertig war, warf er sie in die Luft und fing sie mit dem Ellbogen auf. Die Keule zersplitterte an seinem Ellbogen. M'hammed Asserdun ließ sich eine stärkere Keule machen. Sie zerbrach. Keiner konnte eine Keule machen, wie M'hammed Asserdun sie gebrauchte. Als er das sah, riß er sich den größten Baum des Landes aus und nahm diesen als Keule. Dann nahm er aus dem Hause einen Akufi (= mannhoher Speichertopf) als Eßbeutel auf den Rücken und machte sich auf den Weg.

Nachdem er weit gewandert war, kam er eines Tages zu einem Schafhirten mit seiner Herde. M'hammed Asserdun sagte zu dem Schafhirten: "Kannst du mir den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der unsere Schwester geraubt hat?" Der Schafhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich, denn ich bin der Diener des Wuarssen. Deine Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne dich aber. Sieh diesen Widder. Nur wenn du den aufzuheben vermagst, wirst du deine Schwester wiedergewinnen können. Denn jeden Morgen kämpft der Wuarssen mit dem Widder, ohne daß einer den andern zu besiegen vermag. Wenn du den Widder nicht besiegen kannst, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Der Widder rannte heran. M'hammed Asserdun fing ihn mit einer Hand auf und verschlang ihn. Dann ging er weiter.

M'hammed Asserdun kam in ein anderes Land. Da traf er einen Ochsenhirten mit seiner Herde. M'hammed Asserdun sagte zu dem Ochsenhirten: "Kannst du mir den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der meine Schwester geraubt hat?" Der Ochsenhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich; ich bin der Diener des Wuarssen. Deine Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne dich aber. Sieh diesen Stier.



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Nur wenn du den aufzuheben vermagst, wirst du deine Schwester wiedergewinnen können. Denn jeden Morgen und jeden Abend kämpft der Wuarssen mit dem Stier, so daß die Mauern einstürzen, ohne daß einer den andern zu besiegen vermag. Wenn du den Stier nicht zu besiegen vermagst, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Der Stier rannte heran. M'hammed Asserdun fing ihn mit dem Ellbogen auf, er packte und verschlang ihn. Dann ging er weiter.

M'hammed Asserdun kam in ein anderes Land. Da traf er einen Hühnerhirten mit seiner Herde. Er sagte zu dem Hühnerhirten: "Kannst du mir den Weg zu dem Wuarssen zeigen, der meine Schwester geraubt hat?" Der Hühnerhirt sagte: "Ja, den Weg kenne ich; ich bin der Diener des Wuarssen. Eure Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne dich aber. Sieh diesen Hahn. Nur, wenn du den aufzuheben vermagst, wirst du deine Schwester wiedergewinnen können. Denn jeden zweiten Tag kämpft der Wuarssen vom Morgen bis zum Abend mit ihm. Einen Tag kämpft er mit ihm. Einen Tag führe ich den Hahn zur Weide. Sie kämpfen stets miteinander, ohne daß einer den andern besiegen kann. Wenn du den Hahn nicht besiegen kannst, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen überhaupt erst zu beginnen." Der Hahn sträubte die Federn und rannte auf M'hammed Asserdun zu. M'hammed Asserdun fing ihn mit der Schulter auf. Er packte und verschlang ihn; dann ging er weiter.

M'hammed Asserdun kam in den Garten. Er sah die Melonen, die Quelle und die Negerin. Er fragte die Negerin: "Kannst du mir den Weg zu dem Wuarssen zeigen?" Die Negerin sagte: "Ja, den Weg kenne ich, ich bin eine Negerin des Wuarssen. Deine Schwester ist noch bei dem Wuarssen. Ich warne dich aber. Sieh diesen großen Korb voll Melonen und diesen Ledersack voll Wasser. Nur, wenn du die gesamten Melonen essen und den Ledersack austrinken kannst, wirst du auch deine Schwester gewinnen können. Denn jeden Morgen verzehrt der Wuarssen diese Melonenmenge und trinkt den Ledersack leer. Wenn du das nicht kannst, lohnt es sich nicht, den Kampf mit dem Wuarssen erst zu beginnen." M'hammed Asserdun führte den Korb mit den Melonen zum Munde und verschlang ihn mitsamt den Früchten. Er setzte den Ledersack an den Mund, trank ihn aus und verschluckte aus Versehen dann auch noch den Sack. Als die Negerin das sah, sagte sie: "Da drüben steht das Haus des Wuarssen."



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M'hammed Asserdun kam an das Haus. Am Hause hingen drei Schlagkeulen. M'hammed Asserdun betrachtete sie und sagte: "Hier müssen meine Brüder sein, denn auf den Keulen sind die Marken meines Vaters." M'hammed Asserdun setzte seinen Akufi nieder und lehnte den Baum, der seine Debus war, neben die kleinen Schlagkeulen der Brüder an das Haus. M'hammed Asserdun trat in das Haus.

Der Wuarssen war nicht daheim. Nur die Schwester war im Hause. Die Schwester erschrak und fragte: "Wer bist du ?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich bin M'hammed Asserdun, dein Bruder, der geboren wurde, als meine Eltern von der Suche nach deinen drei andern Brüdern heimkehrten. Sind meine Brüder hier?" Die Schwester sagte: "Ja, unsere Brüder sind hier. Sie sind im Brunnenschacht eingeschlossen. Geh weg, mein Bruder M'hammed Asserdun; der Wuarssen wird dich sonst vernichten." M'hammed Asserdun sagte: "Dies hat keine Eile. Bereite mir das Essen. Ich habe heute noch nichts zu mir genommen, als ein paar Melonen."

Der Wuarssen kam abends zu seinem Hause zurück. Er sah am Hause die Keule und den Akufi M'hammed Asserduns. Der Wuarssen versuchte die Keule M'hammed Asserduns aufzuheben. Er vermochte es nicht. Der Wuarssen trat in das Haus. Der Wuarssen sah M'hammed Asserdun und sagte: "Du bist wohl auch ein Bruder dieser Frau. Dann sollst du mir gegrüßt sein. Gehe aber aus diesem Raum; es schickt sich nicht, daß du mit meiner Frau in einem Raum bist." M'hammed Asserdun blieb sitzen und sagte: "Ich bleibe, wo ich bin." Der Wuarssen sagte: "Ich sehe, du bist wirklich der einzige, der hier furchtlos bleibt."

Nach einiger Zeit hatte die Schwester das Essen bereitet und stellte es hin. Der Wuarssen sagte: "Wie wollen wir es machen? Einer wird essen. Der andere soll um das Haus gehen. Wenn ich schneller esse, als du um das Haus kommst, oder du langsamer ißt, als ich um das Haus komme, will ich dich verschlingen. Welches willst du?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich esse." Der Wuarssen ging heraus. M'hammed Asserdun schluckte das ganze Essen hinter und rief: "Wuarssen, komm schnell zurück und gib mir weitere Nahrung!" Der Wuarssen kam erstaunt herein. Der Wuarssen sagte: "Was, du hast schon alles aufgegessen?" M'hammed Asserdun sagte: "Ja, gib mir schnell mehr, ich bin hungrig."

Der Wuarssen sagte: "Wir wollen miteinander fechten. Wenn ich dich besiege, werde ich dich verschlingen. Wollen wir kämpfen



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mit Kopfstoß, mit Faustschlag oder mit Säbeln?" M'hammed Asserdun sagte: "Rede wie ein Verständiger, natürlich will ich kämpfen. Aber meine Schwester und meine Brüder sollen dabei sein. Bring also meine Brüder her!" Der Wuarssen sagte: "Gut, sie sollen deine Schande mit ansehen!" Der Wuarssen befreite die drei Brüder aus dem Brunnenschacht. Er rief auch die Schwester herbei. Die drei Brüder kamen ganz mager, mager wie die Eisennägel, heran.

M'hammed Asserdun sagte: "Vor dem Kampf will ich mir die Zähne reinigen. Ich pflege das mit meiner Schlagkeule zu tun. Wuarssen, bringe mir meine Schlagkeule herein." Der Wuarssen ging heraus. Er versuchte wieder, den Baum, der M'hammeds Schlagkeule war, zu heben. Er vermochte es nicht. Da wurde ihm die Stärke M'hammed Asserduns klar. Er wollte fliehen. M'hammed Asserdun sprang aber hinter ihm her, packte ihn und sagte: "Komm und kämpfe, womit du willst. Ich werde dir nur einen Schlag versetzen." Sie traten einander gegenüber.

Der Wuarssen stürzte auf M'hammed Asserdun zu. M'hammed Asserdun packte ihn und warf ihn mit einem Schlage nieder; als der Wuarssen von dem Schlag stürzte, gab es eine Erschütterung, daß sieben Mauern einstürzten. M'hammed Asserdun schnitt dem Wuarssen den Kopf ab. Dann sagte er zu seiner Schwester und seinen drei Brüdern: "Nun kommt mit mir heim." Die Schwester und die drei Brüder waren über die Maßen froh. Sie packten alle Schätze des Wuarssen zusammen und machten sich auf den Heimweg.

Als er daheim ankam, sagte er zu seinem Vater: "Mit den Schätzen des Wuarssen habe ich wohl alles zurückerstattet, was ich dir weggegessen und an Pferden zerstört habe. Nimm deine andern Kinder wieder zu dir!" Da entstand große Freude, und der Vater veranstaltete ein großes Fest. M'hammed Asserdun sagte aber zu seinen Brüdern und seiner Schwester: "Meine Schwester und meine Brüder! Ich habe meine Pflicht getan. Ich sehe aber, daß dies Land mich nicht ernähren kann." M'hammed Asserdun nahm seinen Akufi auf den Rücken, seine Debus über die Schulter und ging von dannen.

M'hammed Asserdun wanderte weit fort. Eines Tages kam er zu einem Manne, der mit seiner Unterlippe einen Fluß aufhielt - soweit reichte sie herab. Die Oberlippe hatte er aber über den Kopf



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geschlagen, und damit reichte er bis weit über den Rücken zur Erde herab. Der Lippenmann sah M'hammed Asserdun und fragte ihn: "Wohin gehst du?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich suche ein Land, das mich ernähren kann." Der Lippenmann sagte: "Ich bin dein Mann, ich komme mit dir." Der Lippenmann stand auf und schloß sich M'hammed Asserdun an.

M'hammed Asserdun und der Lippenmann wanderten weiter fort. Eines Tages kamen sie zu einem Mann, der hatte so riesengroße Ohren, daß er mit dem einen sich vollkommen als Kleidung bedecken und das andere als Lagerunterlage benutzen konnte. Der Ohrenmann sah M'hammed Asserdun und seinen Begleiter und fragte: "Wohin geht ihr?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich suche ein Land, das mich ernähren kann." Der Ohrenmann sagte: "Ich bin dein Mann; ich komme mit dir." Der Ohrenmann stand auf und schloß sich M'hammed Asserdun und dem Lippenmann an.

M'hammed Asserdun, der Lippenmann und der Ohrenmann wanderten weit fort. Eines Tages kamen sie zu einem Manne, der hatte in seinem Bart eine Herde Schafe. Mit seinem Rücken lehnte er aber an einem Berg, der wäre, wenn er nicht so gestützt worden wäre, vornüber gestürzt und hätte ein Dorf begraben, das an seinem Fuße lag. Der Bartmann sah M'hammed Asserdun und seine Begleiter und fragte: "Wohin geht ihr?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich suche ein Land, das mich ernähren kann." Der Bartmann sagte: "Ich bin dein Mann, ich komme mit dir." M'hammed Asserdun riß ein paar Bäume aus und stützte mit ihnen den Berg. Der Bartmann stand auf und schloß sich M'hammed Asserdun, dem Lippenmann und dem Ohrenmann an.

M'hammed Asserdun und seine Begleiter wanderten weiter und kamen eines Tages in einen riesenhaften Wald, in dem herrschte Luasch über alle Tiere. Luasch wohnte unter der Erde (=l'rhar). Luasch war aber ausgegangen und nicht daheim. M'hammed Asserdun und seine Kameraden gingen in die Wohnung hinein. M'hammed sagte zu seinen Kameraden: "Hier wollen wir Wohnung nehmen. Einer von uns soll tagsüber daheim bleiben und für die andern das Essen kochen. Die andern drei sollen auf die Jagd gehen,"

Am andern Tage blieb der Lippenmann daheim und M'hammed Asserdun ging mit den beiden Kameraden tagsüber auf die Jagd. Der Lippenmann bereitete sechs Schüsseln mit Kuskus. Als er gerade damit fertig war, kam Luasch. Luasch sagte: "Soll ich dich oder soll ich das Essen verschlingen, das du bereitet hast?" Der



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Lippenmann erschrak und sagte: "Nimm den Kuskus!" Luasch verschlang allen Kuskus und ging. Der Lippenmann kratzte nun allen Kuskus aus den Kochtöpfen zusammen, der noch darin geblieben war. Es war sehr wenig. Als M'hammed Asserdun und die Kameraden nach Hause kamen, fragte er: "Ist das alles, was du bereitet hast?" Der Lippenmann sagte: "Ich verstehe mich nicht auf die Kuskusbereitung."

Am andern Tage blieb der Ohrenmann daheim, und M'hammed Asserdun ging mit den andern Kameraden tagsüber auf die Jagd. Der Ohrenmann bereitete sechs Schüsseln mit Kuskus. Als er gerade damit fertig war, kam Luasch. Luasch sagte: "Soll ich dich, oder soll ich das Essen verschlingen, das du bereitet hast?" Der Ohrenmann erschrak und sagte: "Nimm den Kuskus!" Luasch verschlang allen Kuskus und ging. Der Ohrenmann kratzte nun allen Kuskus aus den Kochtöpfen zusammen, der darin geblieben war. Es war aber sehr wenig. Als M'hammed Asserdun mit den Kameraden nach Hause kam, fragte er: "Ist das alles, was du bereitet hast?" Der Ohrenmann sagte: "Ich verstehe mich nicht auf die Kuskusbereitung."

Am andern Tage blieb der Bartmann daheim, und M'hammed Asserdun ging mit den andern Kameraden tagsüber auf die Jagd. Der Bartmann bereitete sechs Schüsseln Kuskus. Als er gerade damit fertig war, kam Luasch. Luasch sagte: "Soll ich dich, oder soll ich das Essen verschlingen, das du bereitet hast?" Der Bartmann erschrak und sagte: "Nimm den Kuskus!" Luasch verschlang allen Kuskus und ging. Der Bartmann kratzte nun allen Kuskus aus den Kochtöpfen zusammen, der noch darin geblieben war. Es war sehr wenig. Als M'hammed Asserdun mit den Kameraden nach Hause kam, fragte er: "Ist das alles, was du bereitet hast?" Der Bartmann sagte: "Ich verstehe mich nicht auf die Kuskusbereitung."

Am andern Tage blieb M'hammed Asserdun daheim, und die drei Kameraden gingen tagsüber auf die Jagd. Der Lippenmann, der Ohrenmann und der Bartmann sprachen unterwegs zueinander und erzählten sich, wie es mit dem Kuskus und Luasch gekommen war. Sie sagten untereinander: "Wir werden heute wieder hungrig zu Bett gehen, denn auch M'hammed Asserdun wird den Kuskus dem Luasch geben müssen."

M'hammed Asserdun bereitete 32 Schüsseln Kuskus. Als er gerade damit fertig war, kam Luasch. Luasch sagte: "Soll ich dich,



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oder soll ich das Essen verschlingen, das du bereitet hast?" M'hammed Asserdun sagte: "Ich bin M'hammed Asserdun! Sieh dir die Leute an, mit denen du sprichst!" Luasch sagte: "Ich bin Luasch. Ich weiß, du stammst vom Maulesel!" M'hammed Asserdun sprang auf. Er stürzte sich auf Luasch. Er konnte Luasch nicht niederwerfen. Sie kämpften miteinander. Mauern stürzten, Bäume brachen zusammen. Alle Tiere im Walde schrien vor Angst.

Kämpfend kamen beide auf einen Berg (= issil). Auf dem Berge stürzten beide. M'hammed Asserdun und Luasch rollten sich überschlagend den Berg herunter. Sie stürzten ringend einen Abgrund herab. Unten kam M'hammed Asserdun auf Luasch zu liegen. M'hammed Asserdun nahm seinen Säbel und schnitt Luasch den Kopf und den Bart ab. Aus dem Bart Luaschs machte sich M'hammed Asserdun ein Armband. Den Kopf nahm er heim. Als er in das Haus kam, warf er den Kopf unter die Wassertöpfe.

Der Lippenmann, der Ohrenmann und der Bartmann kamen heim. Sie sahen die 32 Schüsseln mit Kuskus. Sie sagten untereinander: "M'hammed Asserdun hat Glück. Luasch ist heute nicht gekommen." M'hammed Asserdun und seine Kameraden aßen sich satt. Dann sagte M'hammed Asserdun zu dem Lippenmann: "Nun gehe du hin zu den Wasserkrügen und bring uns zu trinken." Der Lippenmann ging. Er kam zu den Wasserkrügen. Er sah den Kopf Luaschs. Er erschrak so, daß er taumelte. Er fürchtete sich, die Krüge zu ergreifen. Er kam zurück und sagte: "Ich habe mich an einem Stein gestoßen."

M'hammed Asserdun sagte zum Ohrenmann: "Dann gehe du zu den Wasserkrügen und bring uns zu trinken." Der Ohrenmann ging. Er kam zu den Wasserkrügen. Er sah den Kopf Luaschs. Er erschrak so, daß er taumelte. Er fürchtete sich, die Krüge zu ergreifen. Er kam zurück und sagte: "Ich habe mich an einem Stein gestoßen."

M'hammed Asserdun sagte zum Bartmann: "Dann geh du zu den Wasserkrügen und bring uns zu trinken." Der Bartmann ging. Er kam zu den Wasserkrügen. Er sah den Kopf Luaschs. Er erschrak so, daß er taumelte. Er fürchtete sich, die Krüge zu ergreifen. Er kam zurück und sagte: "Ich habe mich an einem Stein gestoßen."

M'hammed Asserdun sagte: "Dann werde ich selbst zu den Wasserkrügen gehen und uns etwas zu trinken bringen." Er ging hin. Mit der einen Hand. ergriff er einen großen Wasserkrug, mit



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der andern den Kopf Luaschs. Er kam mit dem Wasserkrug und mit dem Kopf Luaschs zurück. Er warf den Kopf Luaschs zwischen die drei Kameraden. Der Lippenmann, der Ohrenmann und der Bartmann sprangen entsetzt zur Seite. M'hammed Asserdun aber sagte: "Ich werde heute nacht noch mit euch zusammenbleiben. Morgen werden wir uns aber trennen. Ich werde allein das Land suchen, das mich ernähren kann. Ihr aber seid keine Kameraden meiner Art. Geht eures Weges." Am andern Tage nahm M'hammed Asserdun seinen Akufi auf den Rücken und seinen Debus auf die Schulter und zog allein weiter.


7. Der Wuarssentöter

Ein Mann hatte drei Söhne und eine Tochter. Die Tochter spielte .L..4 eines Tages, als sie schon erwachsen war, im Freien vor dem Gehöft; da kam ein Wuarssen, packte und nahm sie mit zu sich, um sie zu heiraten. Der Vater und die Mutter des Mädchens hörten von nun an nichts mehr von der Tochter.

Eines Tages waren die ältesten beiden Brüder herangewachsen, und als sie glaubten, starke und geschickte Burschen zu sein, machten sie sich auf den Weg, ihre Schwester zu suchen. Nach einer langen Wanderung kamen sie dann gegen Abend an das Haus des Wuarssen, und dieser war auch zu Hause und lud die beiden Brüder zum Essen ein. Das Essen bestand aber aus einem gebratenen Ochsen, einer Schlafmatte voll Kuskus und einem Akufin (=Speichertopf) voll Wasser. Der Wuarssen sagte: "Ich gehe aus dem Hause und gehe einmal um das Gehöft. Ich hoffe, daß, wenn ich wiederkomme, das gesamte Essen und Getränk verzehrt ist."

Die beiden Brüder saßen vor dem gebratenen Ochsen, vor der Schlafmatte voll Kuskus und dem Speichertopf voll Wasser und sagten: "Das ist für uns unmöglich." Der Wuarssen kam von seinem Wege um das Haus zurück und sagte: "Was, ihr habt noch gar nicht angefangen? Ihr habt das Essen noch nicht verzehrt?" Danach setzte er sich hin, aß den Ochsen und den Kuskus und trank das Wasser, so daß von dem ganzen aber auch nicht ein Happen und nicht ein Schluck übrig blieb. Nachdem er sich derart gesättigt hatte, erhob er sich und sagte: "Nun wollen wir kämpfen." Zaghaft erhoben sich die beiden Brüder. Der Wuarssen ergriff sie, einen nach dem andern, und warf sie ohne weiteres auf den Boden.



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Dann ergriff er sie beide, jeden mit einem Arm, und steckte sie in einen der Speicherkrüge.

Der jüngste der drei Söhne war noch klein, als die beiden älteren Brüder fortgingen, die Schwester zu suchen. Der jüngste war schon von Geburt an ein ungemein starkes Kind. Am Tage, als er geboren wurde, aß er ein Brot. Am zweiten Tage verzehrte er zwei Brote, am dritten Tage drei. Als er groß und stark war, fragte er einmal seine Mutter: "Habe ich denn keine Geschwister?" Die Mutter sagte: "Du hattest eine Schwester, die hat ein Wuarssen geraubt, als du eben erst geboren warst. Dann hast du zwei ältere Brüder gehabt, die sind beide aufgebrochen, deine Schwester zu suchen. Sie sind nicht wiedergekommen; der Wuarssen wird sie gefressen haben."

Am andern Tage ging der Jüngste zum Schmied. Er ließ sich vom Schmied eine Debus (=Keule) machen, die war so schwer, daß kein Mensch sie aufheben konnte. Die Debus hing er über die Schulter, nahm von seiner Mutter Abschied und machte sich auch auf den Weg, den Wuarssen zu suchen. Er wanderte lange dahin und kam endlich an dessen Gehöft.

Der Wuarssen war daheim. Sein Abendessen war bereitet; es bestand aus einem im ganzen zubereiteten Ochsen, aus einer Matte voll Kuskus und einem Akufin voll Wasser. Ehe der Jüngste in das Haus trat, warf er draußen seine Debus auf die Erde. Als der Wuarssen den Jüngsten sah, begrüßte er ihn und sagte: "Dort steht das Abendessen. Ich werde einmal um mein Gehöft gehen. Ich hoffe, daß, wenn ich zurückgekommen sein werde, du alles verzehrt haben wirst." Damit verließ der Wuarssen die Kammer. Der Jüngste sagte: "Das ist keine so große Sache." Er aß den Ochsen, genoß den Kuskus und leerte den Akufin voll Wasser. Als der Wuarssen zurückkam, war kein Happen und kein Schluck mehr für ihn übrig. Er sah das und sagte zum Jüngsten: "Komm, wir wollen kämpfen."

Der Jüngste stand auf und sagte: "Ja, wir wollen kämpfen. Mit den Fäusten oder mit Waffen?" Der Wuarssen sagte: "Mit Waffen." Der Jüngste sagte: "Dann geh hinaus, vor der Tür habe ich meine Debus hingelegt, bring sie mir herein." Der Wuarssen ging hinaus. Er sah die Debus. Er konnte sie aber nicht heben. Da kam er zurück und sagte: "Ich kann deine Debus nicht finden." Der Jüngste sagte: "Ich hoffe, daß die Kraft deiner Arme größer ist als die deines Augenlichtes." Er ging hinaus, hob die Debus auf, trat



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dann dem Wuarssen gegenüber und sagte: "Bist du bereit?" Der Wuarssen sagte: "Ja, ich bin bereit." Der Jüngste erhob seine Keule und schlug den Wuarssen tot.

Der Jüngste befreite nun die Brüder aus dem Akufin. Er rief seine Schwester und sagte: "Kommt, meine Geschwister, ich will euch nun nach Hause bringen." Dann verließ er mit ihnen das Haus des Wuarssen und führte sie soweit, daß sie ganz nahe dem elterlichen Hause waren. Der Jüngste sagte: "Geht nun nach Haus, wir können nicht mehr zusammenbleiben, denn ihr und ich, wir sind zwei verschiedene Arten. Ich will mir jetzt die Erde ansehen. Lebt wohl." Der Jüngste bog seitwärts ab und in den Busch ein.

Nachdem der Jüngste eine Zeitlang gegangen war, begegnete er einem Manne, der hatte eine Unterlippe, die war so lang, daß sie bis auf die Erde herabreichte, so daß der Mann sich nicht zu bücken brauchte, wenn er trinken wollte. Der Jüngste sagte zu ihm: "Ich glaube, du bist der rechte Kamerad für mich. Komm mit!" Der Lippenmann ging mit. Nach einiger Zeit trafen sie einen Mann, der hatte einen riesenhaften Bart, der war so mächtig, daß er eine ganze Schafherde dahinter verbergen konnte. Der Jüngste sagte zu ihm: "Ich glaube, du bist der rechte Kamerad für uns. Komm mit!" Der Bartmann ging mit den beiden andern. — Nach wiederum einiger Zeit trafen sie einen Mann, der war so stark, daß er einen Baum mitsamt den Wurzeln aus der Erde reißen und auf seinem Kopfe heimtragen konnte. Der Jüngste sagte zu ihm: "Ich glaube, du bist der rechte Kamerad für uns. Komm mit!" Der Baumstarke ging mit den andern, so daß sie nun zusammen vier waren.

Nach einiger Zeit sagten der Lippenmann, der Bartmann und der Baumstarke: "Wir müssen einen Führer unter uns haben." Der Jüngste sagte: "So wählt einen Führer!" Der Lippenmann, der Bartmann und der Baumstarke sagten: "Der Stärkste soll der Führer sein!" Der Jüngste sagte: "So nehmt meine eiserne Debus. Jeder soll sie in die Luft werfen. Wenn die eiserne Debus dann auf die Erde zurückfällt, wird sie ein Loch schlagen. Derjenige, nach dessen Hochwurf die Debus das tiefste Loch schlägt, der soll unser Führer sein. Seid ihr einverstanden?" Der Lippenmann, der Bartmann und der Baumstarke sagten: "Wir sind einverstanden."

Erst warf der Lippenmann. Er konnte die Debus etwas in die Höhe heben, so daß sie nur wenig hoch flog und beim Niederfallen nur eine flache Mulde in die Erde schlug. Ebenso war es, als der Bartmann und der Baumstarke warfen. Dann aber ergriff der



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Jüngste seine Debus, und der warf sie so hoch in die Luft, daß die andern drei sie gar nicht mehr sehen konnten. Als die Debus dann wieder herunterkam, fuhr sie so tief in die Erde hinein, daß man sie gar nicht sah, und daß das Loch, das sie geschlagen hatte, tiefer war als der tiefste Brunnen. Man mußte Arbeiter rufen, um sie wieder auszugraben. Als die ersten drei Werfer das sahen, sagten sie gemeinsam: "Der Jüngste muß unser Führer sein!" Der Jüngste sagte: "Gut, dann wollen wir in den Wald gehen und die Jagd pflegen." Der Lippenmann, der Bartmann und der Baumstarke waren einverstanden.

Die vier kamen in dem Walde bald an ein Haus, in dem einige Wuarssen lebten. Der Jüngste sagte: "Das ist ein gutes Haus für uns." Der Jüngste ging hinein und tötete die Wuarssen, dann richtete er sich mit seinen Kameraden darin ein. Der Jüngste sagte: "In Zukunft werden wir es so machen, daß immer einer daheim bleibt und das Essen bereitet. Die andern drei gehen tagsüber in den Wald und jagen. Seid ihr damit einverstanden?" Die andern drei sagten: "Wir sind damit einverstanden."

So blieb denn jeden Tag einer daheim und bereitete für die andern drei das Essen. Einmal war die Reihe an dem Lippenmann. Er bereitete wie gewöhnlich das Essen, und da es , als es fertig war, noch früh war, ging er nachher noch etwas vor das Gehöft und legte sich im Freien hin, um sich auszuruhen. Als er so dalag, kam ein Löwe, der brüllte und sagte: "Entweder du gibst mir das Essen, das du für dich und deine drei Kameraden bereitet hast, oder ich verschlinge dich!" Der Lippenmann erschrak und sagte: "Dann nimm nur lieber das Essen." Er brachte dem Löwen das Essen, und der verschlang es. Es blieb nichts übrig, und als die andern abends von der Jagd nach Hause zurückkehrten, fanden sie nichts zum Essen vor, und der Lippenmann sagte: "Als ich gerade fort war, brach ein Löwe ein, fraß alles und lief wieder fort. Ich konnte ihn nicht mehr einholen."

Am andern Tage blieb der Bartmann zu Hause. Und der Bartmann kochte beizeiten, legte sich dann ins Freie und ruhte ein wenig aus. Wie am Tage vorher kam auch bald der Löwe, der brüllte und sagte: "Entweder du gibst mir das Essen, daß du für die andern drei gekocht hast, oder ich verschlinge dich." Der Bartmann erschrak wie der Lippenmann, gab das Essen und berichtete, als abends die andern drei von der Jagd heimkehrten und kein Essen vorfanden, ebenso wie am Tage vorher der Lippenmann. Am dritten



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Tage hatte der Baumstarke die Küchenpflege, während der Jüngste mit dem Lippenmann und dem Bartmann zur Jagd fortgingen. Es kam aber geradeso wie an den beiden Tagen vorher, und als die heimkehrenden Jäger wieder kein Essen vorfanden, sagte der Baumstarke: "Ich hatte gerade einen kleinen Weg in den Wald gemacht, um etwas Holz zum Brennen zu holen, als der Löwe kam, alles Essen mit sich nahm und so schnell von dannen lief, daß ich ihn nicht mehr einholen konnte." Der Jüngste sagte: "Morgen werde ich die Küche besorgen und ihr drei geht in den Wald."

Am andern Tage kochte der Jüngste, nachdem die andern weggegangen waren, das Essen. Nachdem er damit fertig war, legte er sich in das Freie, um etwas auszuruhen. Seine Debus legte er aber neben sich. Er lag noch nicht lange, so kam der große Löwe, brüllte und schrie: "Entweder du gibst mir das Essen, das du für dich und deine Kameraden bereitet hast, oder ich verschlinge dich!" Der Jüngste sagte: "Dann komm und verschlinge mich!" Der Löwe sprang dicht heran. Der Jüngste nahm seine Debus und schlug ihm das Genick durch. Als der Löwe tot war, schnitt er ihm den Kopf ab, warf den Körper in den Busch und legte das Löwenhaupt vor den Wasserkrug.

Die andern drei kamen nach Hause. Der Jüngste sagte: "Das Essen ist bereitet. In meiner Abwesenheit ist kein Löwe gekommen, um das Essen zu verschlingen. Kommt und eßt." Sie setzten sich alle vier um das Essen. Nach einiger Zeit sagte der Jüngste: "Ich habe Durst, schöpfe mir doch einer Wasser." Der Lippenmann ging. Er kam zu der Wasserurne, erschrak, als er den Löwenkopf sah, kam zurück und sagte: "Ich kann nicht recht sehen." Der Jüngste sagte: "Ein anderer kann vielleicht besser sehen!" Der Bartmann stand auf, ging hin, erschrak vor dem Löwenkopf, kam zurück und sagte: "In dem Kruge ist kein Wasser." Der Jüngste sagte: "Du hast in den falschen gesehen, es muß Wasser da sein, denn ich habe es selbst vorher noch gesehen!"

Der Baumstarke ging hinein, erschrak vor dem Löwenkopf, kam sogleich zurück und sagte: "Der Topf ist zerbrochen, es ist kein Wasser da." Da erhob sich der Jüngste, ging hin, nahm den Wasserkrug und stellte ihn neben die andern drei. Er nahm den Löwenkopf, warf ihn zwischen sie und sagte: "Ihr seid zu schwach und zu furchtsam. Mit euch zusammen kann ich nicht leben."

Er nahm seine eiserne Debus und ging allein fort in den Wald.



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8. Der Drachenkampf (1. Form)

Ein Mann hatte sieben Frauen, von denen hatte jede einen Jungen. Als die sieben Burschen erwachsen waren, sagte der Mann eines Tages zu ihnen: "Jeder von euch soll seine eigene Mutter totschlagen. Wer von euch das nicht tut, der ist nicht mehr mein eigener Sohn. Ich erkenne ihn nicht mehr an." Sechs von den Burschen gehorchten ihrem Vater und erschlugen ihre Mutter. Der Jüngste aber vermochte es nicht, dem Befehle seines Vaters nachzukommen. Der Vater sagte zu seinem Sohne: "Geh aus dem Hause, du bist nicht mehr mein Sohn." Der Jüngste sagte zu seiner Mutter: "Komm mit mir. Wir verlassen das Gehöft meines Vaters, ich werde für dich sorgen."

Der jüngste Sohn nahm seinen Säbel und zog sein Pferd aus dem Stalle. Er hatte zwei Löwen, die hatte er von Jugend an aufgezogen, und sie folgten ihm überall hin. Der Sohn verließ mit seiner Mutter das Haus seines Vaters. Die Löwen liefen hinter ihm her. Sie zogen in die Steppe. Mehrere Tage lang übernachteten sie im Freien. Eines Nachmittags sah der Bursche in der Entfernung ein Haus. Er hieß seine Mutter mit den Löwen zurückbleiben und nahm seinen Säbel. Er ging auf das Gehöft zu, und da er es offen fand, auch hinein. Der Bursche sah sogleich, daß die eine Seite des Gehöftes bewohnt war, die andere aber nicht. Er ging also in die leere Kammer, warf sich auf den Boden und ruhte aus. Er schlief ein. Als es Abend war, erwachte er von einem starken Geräusch. Er blickte durch einen Spalt der Haustür und sah, daß die Bewohner des Gehöftes sieben Wuarssen waren, die soeben heimkehrten.

Einer der Wuarssen sah, daß die Tür zur entgegengesetzten Wohnung, in der der Bursche weilte, zugemacht war. Er rief also über den Hof hinüber: "Höre, du Fremder, du kommst uns gerade zurecht. Wir wollen mit dir kämpfen. Komm heraus." Der Bursche antwortete: "Das will ich schon tun. Aber es ist nicht recht, von mir, der ich allein bin, zu verlangen, daß ich gegen sieben auf einmal kämpfe. Geht also in euer Haus. Dann kommt einer nach dem andern heraus und kämpft einzeln mit mir." Die Wuarssen sagten: "Der Fremde hat recht. Es ist billig, daß einer gegen einen kämpft. Wir wollen in das Haus gehen und nur einen auf dem Hofe lassen. Den Burschen werden wir auch so bald in unserem Suppentopf haben."

Sechs der Wuarssen gingen in das Haus. Einer blieb draußen.



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Der Bursche trat ebenfalls mit seinem Säbel heraus. Der Wuarssen kam heran. Der Bursche ergriff seinen Säbel, schlug und trennte dem Wuarssen den Kopf vom Leibe. Der Bursche rief: "Der zweite Wuarssen soll herauskommen. Der zweite Wuarssen kam heran. Der Bursche ergriff seinen Säbel, schlug und trennte dem Wuarssen den Kopf vom Leibe. Er rief nach dem dritten, dem vierten, dem fünften und sechsten Wuarssen und schlug allen, einen nach dem andern, den Kopf ab.

Der Bursche rief: "Der siebente Wuarssen soll herauskommen." Der siebente Wuarssen kam. Der Bursche ergriff seinen Säbel und schlug. Er hatte aber nicht mehr so viel Kraft wie im Anfange, und sein Säbel war außerdem so schartig geworden, daß er neu geschliffen werden mußte. So vermochte er dem siebenten nicht wie den anderen mit einem Streich den Kopf vom Rumpfe zu schlagen, sondern er konnte ihm nur den Hals durchschlagen, so daß der Wuarssen wie tot hinfiel und der Kopf zur Seite hing. Dann nahm der Bursche den Wuarssen, trug ihn in die hinterste Kammer und schloß sie hinter sich zu.

Der Bursche ging im Hause umher und betrachtete den ganzen Reichtum (=tricha) der Wuarssen. Er sah, daß es ein Haus war, das sehr geeignet war, darin zu wohnen. Und somit ging er von dannen und rief seine Mutter und seine Löwen herbei. Alle richteten sich im Hause gut ein und lebten einige Zeit von den Vorräten, die die Wuarssen für sich selbst aufgespeichert hatten. Dann kam eine Zeit, in der das Korn in den Krügen ausging, und der Bursche mußte hinziehen und auf der Jagd Beute suchen. Der Bursche ging sehr viel auf die Jagd, und da die Löwen ihn immer begleiteten, so kam es, daß die Mutter viel im Gehöft allein war.

Eines Tages war der Sohn wieder auf der Jagd. Die Mutter ging allein im Hofe umher. Sie hörte aus einem Winkel stöhnen. Sie ging den Lauten nach und sah, daß die Laute aus einer Kammer kamen, die verschlossen war und die die Mutter noch niemals vorher betreten hatte. Sie öffnete die Tür und blickte hinein. Da lag der Wuarssen am Boden, der verwundet war. Der Wuarssen jammerte. Die Frau sah ihn leiden. Sie ging hin und brachte ihm von dem Fleische des Wildes, das ihr Sohn erlegt hatte. Sie pflegte ihn. Als sie ihren Sohn kommen hörte, schlich sie hinaus und schloß die Tür hinter sich, damit er nicht merke, wo sie gewesen sei.

Jeden Tag ging der Sohn mit seinen Löwen zur Jagd. Jeden Tag



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ging die Mutter zu dem Wuarssen hinein und pflegte ihn. Der Wuarssen kam wieder zu Kräften. Eines Tages war der Wuarssen genesen. Er sagte zu der Mutter: "Ich danke dir. Ich will dir geben, was du auch von mir wünschst, und wenn es mein eigener Kopf ist." Die Mutter sagte: "Ich will nicht deinen Kopf und ich will nicht dein Geld. Wenn du mir danken willst, so heirate mich." Der Wuarssen sagte: "Ich will dich sehr gern heiraten, aber ich fürchte deinen Sohn. Dein Sohn hat sechs Wuarssen getötet. Er hätte auch mich umgebracht, wenn an dem Tage sein Säbel nicht schartig geworden wäre. Trifft er mich, so wird er mich jetzt sicher töten. Dein Sohn wird mich umbringen." Die Mutter sagte: "Warte, ich werde meinen Sohn selbst töten."

Der Wuarssen heiratete die Mutter. Nachts sagte die Mutter: "Morgen werde ich meinen Sohn töten." Als am andern Morgen die Mutter erwachte und der Sohn sich aufmachen wollte zur Jagd, sagte sie: "Mein Sohn, du bist jetzt immer so viel fort. Ich habe dich jetzt niemals mehr bei mir. Jeden Tag reitest du zur Jagd. Heute bleibe nun einmal daheim. Ich bitte dich." Der Sohn sagte: "Gut, so will ich heute einmal daheim bleiben." Die Mutter sagte: "Ich danke dir, daß du mir diesen Tag schenkst. Nun wollen wir miteinander plaudern. Tu mir aber noch einen Gefallen. Diese beiden Löwen nehmen mir alle Ruhe. Ich bitte dich, sperre sie für heute einmal in die Baerka (= Olivenspeichertopf), so daß sie nicht immer zwischen uns herumstreifen." Der Bursche rief die Löwen in das Haus, hieß sie in die Baerka steigen, ermahnte sie zur Ruhe und sagte: "Bleibt ruhig hier liegen, bis ich euch rufe." Dann deckte er die Baerka zu. Er kehrte zur Mutter zurück und sagte: "Ich habe deinen Wunsch erfüllt. Die Löwen sind in der Baerka."

Die Mutter plauderte mit dem Burschen. Die Mutter sagte: "Wir wohnen hier sehr einsam. Stets, wenn du fort bist, sorge ich mich. Wenn jemand uns überfallen will, sind wir ihm preisgegeben." Der Sohn sagte: "Ängstige dich nicht, ich bin stark." Die Mutter sagte: "Gegen zwei oder drei magst du stark genug sein. Aber weißt du denn überhaupt, wie weit du dich auf deine Stärke verlassen kannst? Kennst du denn das Maß deiner Stärke?" Der Sohn sagte: "Gewiß, ich kenne das Maß meiner Stärke." Die Mutter sagte: "Komm, erzähle mir." Der Sohn sagte: "Wenn man mich aufrecht mit den Haaren des Wirbels an einem Holzpfeiler festbindet und dann meine Hände nach hinten mit einem Tegust (Frauengurtschnur



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aus Wolle, sehr fest) festbindet, bin ich immer noch imstande, mich loszureißen. Bindet man mich in solcher Stellung aber mit einem Akursi (Frauengurtschnur aus Seide, noch viel fester), so kann ich mich nicht mehr losreißen."

Die Mutter sagte: "Es macht mir Freude, den Beweis deiner Stärke zu sehen. Darf ich dich mal mit einem Tegust festbinden?" Der Bursche sagte: "Tue es." Er stellte sich aufrecht an einen Holzpfeiler. Die Mutter band ihn mit den Haaren des Wirbels am Hinterkopfe fest. Er schlug seine Hände um den Holzpfeiler, und sie band sie hinten mit einem Tegust zusammen. Sie trat zurück und sagte: "Nun zeige mir deine Kraft." Der Bursche streckte sich, stemmte die Arme an und zersprengte die wollene Gürtelschnur. Die Mutter sagte: "Es ist wahr, deine Kraft ist ganz außerordentlich. Sollte es aber doch nicht gelingen, auch die Akursi zu sprengen?" Der Bursche sagte: "Nein, es wird nicht gelingen." Die Mutter sagte: "Darf ich das nicht auch sehen? Laß es uns versuchen." Der Bursche lachte und sagte: "Es ist mir recht."

Der Bursche stellte sich wieder aufrecht an den Holzpfeiler. Die Mutter band ihn mit den Haaren des Wirbels am Hinterkopfe fest. Er schlug seine Hände um den Holzpfeiler, und sie band sie hinten mit einem Akursi zusammen. Sie trat zurück und sagte: "Nun versuche nochmals deine Kraft." Der Bursche streckte sich und stemmte die Arme gegen den Pfeiler. Er vermochte sich nicht zu befreien. Die Mutter sagte: "Du vermagst dich also nicht zu entfesseln?" Der Sohn sagte: "Nein, ich vermag es nicht. Binde mich wieder ab." Die Mutter sagte: "Warte einen Augenblick." Die Mutter lief fort.

Die Mutter lief in die Kammer, in der sich der Wuarssen befand. Die Mutter sagte zum Wuarssen: "Die Löwen meines Sohnes sind in der Baerka eingeschlossen. Mein Sohn ist mit dem Kopfwirbel und mit den Händen festgebunden. Er kann sich nicht bewegen. Komm schnell und töte ihn." Der Wuarssen trat aus der Kammer.

Der Bursche sah den Wuarssen kommen. Der Bursche erkannte, daß er verraten war. Der Bursche sagte zum Wuarssen: "Ich werde doch gleich sterben. Erlaube mir noch einige Worte." Der Wuarssen sagte: "Du wirst gleich sterben, also kannst du noch einiges sagen." Der Wuarssen blieb in einiger Entfernung stehen. Der Bursche sagte laut: "Meine Löwen, wenn ihr wüßtet, wie ich hier wehrlos angebunden bin, würdet ihr aufspringen und herkommen, um mich zu retten." Der Bursche sagte es. Die beiden Löwen



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sprangen in der Baerka gegen den Deckel und hoben ihn empor. Sie sprangen heraus und auf den Hof. Sie stürzten sich auf den Wuarssen und zerrissen ihn. Dann liefen sie zu dem Burschen, nagten mit den Zähnen die Akursi durch und lösten ihn so. Der Bursche dankte den Löwen.

Der Bursche ging in den Stall und zog sein Pferd heraus. Er führte es aus dem Gehöft. Er sprach kein Wort mehr, rief die Löwen, schloß die Gehöfttür ab, bestieg sein Pferd und ritt allein, gefolgt von den beiden Löwen, von dannen.

Der Bursche ritt weit von dannen. Seine Löwen folgten ihm stets nach. Eines Tages kam er an eine Stelle, an der entquoll der Erde eine Quelle. Die Quelle floß aber ganz schwach, denn es wohnte in der Quelle eine Schlange mit sieben Köpfen. In der Nähe war eine Stadt, deren Bewohner das Wasser der Quelle benötigten. Die Schlange überließ diesen das wenige, das dorthin floß, aber auch nur unter der Bedingung, daß jeden Tag ein junges Mädchen der Stadt der Schlange eine große Schale voll s'skou (Kuskus, gesprochen s'sku) mit einer Hammelkeule brachte. Wenn das Mädchen die Hammelkeule brachte, verschluckte die Schlange das Essen mitsamt dem Mädchen. Die Mädchen mußten aber der Reihe nach das Essen bringen.

An dem Tage, als der Bursche mit den Löwen zur Quelle kam, war die Reihe, die Schlange zu speisen, an der Tochter des Amin der Ortschaft. Als der Bursche von der einen Seite heranritt, kam das Mädchen von der anderen. Der Bursche sagte; "Ich habe Hunger, du trägst dort reichlich Essen. Gib mir von dem Essen." Die Tochter des Amin sagte: "Verzeih mir, aber ich darf dir von dem Essen nichts geben. Es ist für eine siebenköpfige Schlange bestimmt, die in dieser Quelle wohnt und die das wenige Wasser, welches du dort zur Stadt rinnen siehst, auch nur unter der Bedingung spendet, daß jeden Tag ein Mädchen eine Schale Kuskus, eine Keule und sich selbst ihr zum Essen darbringt. Würde der Kuskus, die Keule oder das Mädchen der Schlange nicht dargebracht, so würde auch das wenige Wasser, welches die Bewohner der Ortschaft vor dem Verdursten schützt, von der Schlange zurückgehalten werden."

Der Bursche sagte: "Meine Löwen und ich haben ebensolchen Hunger wie diese siebenköpfige Schlange. Uns kann die Schlange keinen großen Schrecken einjagen. Ich schlage dir also folgendes vor: Gib meinen Löwen die Keule, gib mir den Kuskus, und wir



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sorgen dann dafür, daß du nicht von der Schlange gefressen wirst, ohne daß die Bewohner deiner Ortschaft deshalb irgendeinen Schaden erleiden sollen." Das Mädchen sagte: "Wenn du es so machen kannst, bin ich damit einverstanden."

Die Löwen fraßen die Keule. Der Bursche verzehrte den Kuskus. Dann sagte er zu dem Mädchen: "Nun setze dich hierher auf den Boden. Ich werde etwas schlafen und will meinen Kopf in deinen Schoß legen. Sobald die Schlange sich zeigt, wecke mich." Das Mädchen setzte sich nieder. Der Bursche legte seinen Kopf auf ihren Schoß und schlief ein. Als es Mittag war, erhob sich die Schlange in der Quelle. Sie streckte einen Kopf empor. Da erschrak das Mädchen so, daß sie weinen mußte, und eine ihrer Tränen fiel in das Antlitz des Burschen. Der Bursche wachte auf, der Bursche sah die Schlange, der Bursche sprang auf.

Der Bursche sprang mit dem Säbel auf die Schlange zu und hieb ihr einen Kopf ab. Die Schlange sagte: "Das war nicht mein rechter Kopf." Der Bursche sagte: "Es war auch nicht mein rechter Hieb." Die Schlange erhob einen zweiten Kopf. Der Bursche hieb ihn ab. Die Schlange sagte wieder: "Das war auch nicht mein rechter Kopf." Und der Bursche sagte wieder: "Das war auch nicht mein rechter Hieb." Die Schlange hob so ihren dritten, vierten, fünften und sechsten Kopf hoch, und jedesmal, wenn der Bursche ihn abgeschlagen hatte, sagte sie: "Es war nicht mein rechter Kopf," worauf der Bursche jedesmal antwortete: "Es war auch nicht mein rechter Hieb." Als aber die Schlange auch den siebenten Kopf erhob und der Bursche auch den abgeschlagen hatte, sagte sie: "Das war mein rechter Kopf," und der Bursche antwortete: "Das war auch mein rechter Hieb." Die Schlange starb am Rande der Quelle, und sogleich begann die Quelle als ein breiter Strom nach der Stadt hinzufließen.

Das Mädchen sah dem Kampf weinend vor Angst zu. Als sie sah, daß der Bursche die Schlange tötete, nahm sie einen der beiden Schuhe, die er beim Schlafe abgestreift hatte und eilte damit in die Ortschaft zu ihrem Vater. Als der Bursche von der Quelle und der Leiche der Schlange zurücktrat, fand er nur noch einen Schuh. Er schämte sich, mit dem einen Schuh zu gehen, steckte ihn also ein, bestieg sein Pferd, rief seine Löwen und ritt langsam dem Orte zu. Im Orte ging er in die Djemaa (= Moschee) und legte sich dort nieder.

Die Tochter kam zu ihrem Vater, dem Amin, und sagte: "Die



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Schlange hat mich nicht verzehren können, es kam ein Mann, der tötete sie. Sogleich floß das Wasser als breiter Strom; komm auf das Dach des Hauses und sieh es." Der Amin stieg mit der Tochter auf das Dach und sah das Wasser als breiten Strom fließen. Da war er froh, daß seine Tochter gerettet, die Stadt von dem schrecklichen Untier befreit und für die Zukunft reichlich mit Wasser versorgt war. Er sagte zu seiner Tochter: "Wer war der Mann, der die Schlange getötet und mir und der ganzen Stadt das Glück bereitet hat? Ich will ihn reichlich belohnen." Die Tochter sagte: "Ich weiß nicht, wer es war. Ich habe dem Mann aber einen Schuh genommen. Nur der, der den anderen dazugehörigen aufweisen kann, ist der rechte."

Der Vater ließ alle Leute des Ortes zusammenkommen. Er sagte ihnen: "Ein Mann hat die siebenköpfige Schlange getötet, meine Tochter gerettet und der Stadt einen Überfluß an Wasser gespendet. Der Mann, der uns dieses Glück geschenkt hat, soll sich melden, denn ich will ihn reichlich belohnen." Die Leute warteten eine Zeitlang. Es meldete sich niemand. Ein Mann sagte: "Ich war es." Der Amin sagte: "Geh dorthin." Der Mann ging dorthin, ein Sklave zeigte ihm den Schuh und fragte: "Hast du den anderen?" Der Mann sagte: "Nein, ich habe nicht einen solchen." Der Sklave ging zum Amin und sagte: "Dieser ist nicht der Mann, der die siebenköpfige Schlange tötete." Der Amin sagte zu den Leuten: "Der Mann, der sich eben meldete, war nicht der Schlangentöter. Welcher ist nun der Schlangentöter?" Andere meldeten sich. Die anderen wurden aufgefordert, den fehlenden Schuh vorzuzeigen. Sie konnten es alle nicht.

Endlich sagte der Amin: "Keiner von denen, die sich meldeten, war der, der die siebenköpfige Schlange tötete. Ist denn sonst kein Mann in dem Orte, der es ausgeführt haben könnte, aber nicht unter uns ist?" Einer unter den Anwesenden erhob sich und sagte: "Ich sah einen Fremden ankommen. Er ist in der Djemaa; soll ich hingehen, ihn zu rufen?" Der Amin sagte: "Ja, gehe hin und rufe ihn." Der Fremde kam. Hinter ihm gingen zwei Löwen. Der Amin fragte: "Warst du es, der die Schlange getötet, meine Tochter gerettet und die Stadt von der Wassersnot befreit hat?" Der fremde Bursche sagte: "Ich war es." Der Amin sagte: "Hast du keine Schuhe?" Der Bursche sagte: "Ich habe nur noch einen Schuh, das ist dieser, der andere ist mir abhanden gekommen." Er reichte dem Amin den Schuh. Der Amin ließ sich von dem Sklaven den



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anderen geben. Es war der rechte Schuh. Der Amin sagte: "Du hast die Schlange getötet."

Der Amin baute für den Burschen ein Haus. Der Amin gab ihm seine Tochter zur Frau. Der Bursche lebte sehr glücklich.

Eines Tages wurde der Bursche traurig. Er sagte zu seiner Frau: "Meine Frau, ich habe Sehnsucht nach meiner Mutter, die ich allein zurückgelassen habe. Ich will hinreiten und sehen, ob meine Mutter noch lebt." Der Bursche nahm Abschied. Er bestieg sein Pferd. Er ritt zurück zu dem Hause, in dem er die Wuarssen getötet und seine Mutter eingeschlossen hatte. Er klopfte an die Tür. Seine Mutter öffnete. Der Bursche öffnete das Haus und sagte: "Meine Mutter, ich hatte Sehnsucht nach dir, komm mit in mein Haus, ich habe die Tochter eines Amin geheiratet." Er ritt mit seiner Mutter zurück. Er erzählte seiner Mutter von dem Kampfe mit der Schlange. Als sie an der Stelle vorüberkamen, an der die tote Schlange lag, sagte seine Mutter: "Ich will die Köpfe besehen." Sie beugte sich nieder und brach heimlich die giftigen Zähne der Schlange heraus und versteckte sie in ihrem Gewande.

Der Bursche kam mit seiner Mutter in seinem Hause an. Die Mutter sagte zu der jungen Frau ihres Sohnes: "Ich war lange nicht mit meinem Sohne zusammen. Ich möchte mich heute nacht lange mit ihm unterhalten. Geh also für diese Nacht, laß mich mit meinem Sohne allein und schlafe du im Hause deines Vaters." Die junge Frau ging hinüber in das Haus ihres Vaters. Als der Sohn für eine Besorgung auf kurze Zeit die Kammer verlassen hatte, rieb die Mutter eine Stelle seines Lagers mit den giftigen Zähnen der Schlange ein.

Der Sohn kehrte zurück und streckte sich auf seinem Lager nieder. Er fühlte sofort einen großen Schmerz. Er fühlte den Schmerz des Giftes. Der Bursche starb... . Als die junge Frau, der Amin und die Leute am andern Tage kamen, fanden sie den Burschen tot auf seinem Lager. Sie wurden alle sehr traurig. Dann begruben sie den Burschen.

Als der Bursche nun nicht wieder kam, wurden die Löwen zornig. Sie gingen im Orte hin und her, und alle Leute flohen entsetzt in die Häuser. Das ging so einige Tage. Dann sagte ein alter Mann: "Das geht so nicht weiter." Er ging vorsichtig heraus, machte den Löwen ein Zeichen, daß sie ihm schweigend folgen sollten und zeigte den Löwen den Weg nach dem Grabe des Burschen.



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Er wies auf das frische Grab und entfernte sich. Die Löwen begannen sogleich zu scharren. Sie scharrten alle Erde weg. Sie zogen die Leiche des Burschen heraus. Sie begannen die Leiche abzulecken. Sie leckten die Stelle, wo der Bursche auf dem Schlangengift gelegen hatte, ganz rein. Als sie alles Gift abgeleckt hatten, begann der Bursche wieder zu leben, und er erhob sich. Die beiden Löwen starben aber sogleich, weil sie mit dem Lecken das Gift in sich aufgenommen hatten. Der Bursche begrub sie in dem Grabe, das für ihn aufgerissen war.

Nachdem der Bursche die beiden Löwen begraben hatte, begab er sich traurig nach Hause. In seinem Hause traf er seine Mutter, die ihn entsetzt anstarrte. Der Bursche sagte: "Ich danke dir. Ich danke dir. Ich danke dir." Er lachte höhnisch, ergriff seinen Säbel und schlug seine Mutter in Stücke.


9. Der Drachenkampf (2. Form)

Ein Mann heiratete eine Frau. Die gebar einen Sohn, den nannte er Ali Eines Tages starb die Mutter dieses Ali da heiratete der Mann eine Witwe, die brachte einen Sohn mit in die Ehe, der hieß auch Ali und der zweite Ali war dem ersten Ali zudem noch so ähnlich, daß die Mutter ihren rechten Sohn von ihrem Stiefsohn nicht zu unterscheiden wußte und beide Aus ständig miteinander verwechselte.

Da sie nun ihren Sohn nicht unter den beiden Aus herausfinden konnte, ging sie zu einem alten Mann und sagte: "Mein Stiefsohn und mein rechter Sohn heißen beide Ali Sie sehen einander so ähnlich, daß ich sie nicht mehr voneinander unterscheiden kann. Wie kann ich es nun anfangen, daß ich meinen eigenen Ali vom Stiefali unterscheide?" Der alte Mann sagte: "Nimm einen kleinen Topf mit Blut. Laß dich irgendwo in der Nähe, aber außer Sicht der beiden Ali hinfallen, spritze das Blut um dich und schreie laut: ,Mein Sohn Ali Mein Sohn Ali Ein Ochse hat mich angerannt und verwundet!' Sofort wird einer der beiden Aus schneller als der andere All herzuspringen. Das ist dann dein Ali der aber, der hinterher kommt, das ist der Stiefali." Die Mutter bedankte sich für den Rat und ging nach Hause.

Daheim füllte sie einen Topf mit Blut, ließ sich bei der ersten Gelegenheit, als die beiden Brüder in der Nähe waren, hinfallen, spritzte das Blut um sich und schrie: "Mein Sohn Ali Mein Sohn



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Ali Ein Ochse hat mich angerannt und verwundet!" Sogleich lief der rechte Sohn Ali herbei, während der andere langsamer hinterher kam. Da merkte sie sich den rechten Ali und verlor ihn von dem Tage an nicht mehr aus dem Gedächtnis.

Von nun an unterschied die Frau die beiden Ali sehr sorgfältig. Dem eigenen Ali gab sie stets die beste Speise, dem anderen allerhand Abfälle. Der eigene Ali wurde mit allen leichten Arbeiten betraut, der Stiefali mit allen schwierigen. Je älter die Burschen wurden, desto besser wurde das Essen des rechten Ali und desto magerer das des Stiefali. Eines Tages nun, nachdem der Stiefali während einer Woche so gut wie nichts zu essen, desto mehr dafür aber zu arbeiten bekommen hatte, sagte er zu seinem Bruder: "Mein Bruder Ali so wie es mir jetzt geht, kann das nicht weiter bleiben. Sieh selbst, was ich zu essen bekomme und sieh selbst, was ich arbeiten muß. Und das wird so immer schlimmer, immer schlimmer werden, bis ich eines Tages wie ein alter verbrauchter Esel tot am Wege liegen werde." Der rechte Ali weinte fast vor Trauer und sagte: "Mein Bruder Ali was soll ich dabei tun? Sage mir, was ich tun kann! Soll ich meine Mutter töten?"

Der Stiefahi beruhigte den rechten Ali und sagte: "Nein, mein Bruder, du sollst nichts Schlimmes und nichts wider die Natur Gerichtetes tun. Du sollst die gute Pflege deiner Mutter in Ruhe weitergenießen. Ich aber will in die Ferne ziehen, weit fort, will mir selbst eine Stätte suchen, wo ich mich nach meinen Bedürfnissen einrichte. Ehe ich nun aber fortziehe, will ich zwei Orangenbäumchen pflanzen, eines für dich, eines für mich. Beobachte mein Bäumchen. Solange es mir gut geht, wird das Bäumchen grünen und frisch aussehen. Wenn das Bäumchen aber eines Tages welkt und die Blätter hängen läßt, dann, mein Bruder Ali geht es mir schlecht, dann sieh zu, ob du irgend etwas tun kannst, um mir zu helfen." Damit nahm der Stiefali vom rechten Ali Abschied und zog von dannen.

Auf der Wanderschaft traf der Stiefali eines Tages Schäfer, die ihre Hammelherden mit großer Mühe hüteten. Es lebte nämlich in der Gegend eine große und sehr starke Löwin, die brach jede Nacht in den Stall ein, schlug einige Hammel und schleppte ein Tier von dannen. Das erzählten die Hirten dem Ali und sie fragten ihn, ob er ihnen vielleicht einen Rat geben könne, wie sie sich von dieser Plage befreien könnten. Ali dachte über die Sache nach und



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sagte dann zu den Hirten: "Was gebt ihr mir, wenn ich euch die Löwin töte und euch so die schwere Last nehme." Die Schäfer sagten: "Wir geben dir, wenn dir dies gelingt, täglich den Hammel, den sonst die Löwin mit weggeschleppt hat." Damit war Ali zufrieden. Er legte sich nachts in das Gebüsch, und als die Löwin in die Hürde einbrechen wollte, fiel er über sie her und tötete sie mit einem Säbeistreiche. Er zog ihr die Haut ab und zeigte sie den Hirten. Die Schäfer waren sehr erfreut und dankten ihm. Sie schenkten Ali einen Teil der Herde. Ali sagte aber: "Hütet mir die Herde noch, ich bitte euch darum. Ich will noch weiter wandern, und bis ich zurückkomme, hütet meine Schafe mit den anderen." Die Schäfer waren einverstanden, und der Stiefali zog mit der Löwenhaut weiter.

Nachdem Ali einige Tage lang gewandert war, kam er an eine Stelle, an der die Hirten eine große Ochsenherde weideten. Die Hirten lebten aber in ständiger Furcht; denn in der Gegend hauste ein mächtiger Eber, der fuhr jeden Abend in die Ochsenherde und schlitzte mit seinen Hauern einem Ochsen den Bauch auf. Die Hirten verloren aber derart nicht nur viel Vieh, sondern sie fürchteten auch stets, selbst zerrissen zu werden. Sie klagten also Ali als er mit seiner Löwenhaut zu ihnen kam, ihr Leid und fragten ihn, ob er ihnen einen Rat geben könne. Ali dachte eine Weile über die Sache nach und sagte dann: "Was gebt ihr mir, wenn ich euch von der Plage befreie und den Eber töte?" Die Hirten sagten: "Wir schenken dir einen Ochsen." Der Stiefali sagte: "Es ist gut." Er verbarg sich also abends im Gebüsch neben der Fährte des Ebers und wartete. Richtig kam nach einiger Zeit das ungeheure Tier, und Ali stürzte mit dem Säbel auf ihn und schlitzte ihm mit einem Hiebe den Bauch auf. Danach zog er dem Eber das Fell ab und ging in das Lager. Am andern Morgen zeigte er den Hirten das Fell. Die Hirten waren sehr erfreut, dankten ihm und schenkten ihm einen starken Ochsen. Ali sagte: "Ich bitte euch, treibt den Ochsen noch einige Zeit in eurer Herde weiter. Ich selbst will nämlich noch ein wenig weiterwandern und werde mir meinen Ochsen erst dann, wenn ich zurückgekommen sein werde, ausbitten." Die Hirten versprachen Ali ihm den Ochsen hüten zu wollen, und Ali zog mit dem Löwenfell und der Eberhaut weiter.

Ali kam in die Gegend einer Stadt, bei der eine Quelle war, die aber von einer riesigen Schlange gehütet wurde. Diese Schlange gewährte den Einwohnern der Stadt nur das allernotwendigste Wasser



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und auch dies nur unter der Bedingung, daß ihm jeden Tag ein junges Mädchen eine große Schale mit Kuskus mit einem Stück Fleisch darauf brachte. Wenn nun der Kuskus und das Fleisch der Schlange nicht genügten, so pflegte die Schlange das überbringende Mädchen mit zu verschlingen. Bei diesem Speisebringen lösten sich aber die Mädchen der Stadt untereinander ab.

Ali kam an die Quelle. Er wollte trinken, da kam gerade das Mädchen, das an diesem Tage die Aufgabe hatte, der Schlange das Essen zu bringen. Es war aber dies die Tochter des Landesfürsten (Sultan). Ali hatte großen Hunger. Er bat das Mädchen und sagte: "Gib mir von dem Kuskus ab." Die Fürstentochter antwortete: "Du bist ein Fremder und weißt deshalb nicht, was es mit diesem Kuskus für eine Bewandtnis hat. In dieser Quelle lebt eine riesige Schlange, und jeden Tag muß eine von uns Mädchen der Stadt dem Tiere eine solche Schale voll Kuskus und Fleisch darauf geben, damit die Schlange der Stadt das notwendigste Wasser abgibt. Genügt der Kuskus und das Fleisch der Schlange nicht, so verschlingt die Schlange die Überbringerin. Du siehst also, daß ich in noch größere Lebensgefahr, als ich jetzt schon zu erdulden habe, kommen würde, wenn ich dir von der Speise abgeben würde." Ali hörte aufmerksam zu, überlegte und warf dann sein Löwenfell und die Haut des Ebers hin.

Ali sagte: "Überlaß mir getrost den Kuskus. Es genügt, wenn wir der Schlange das Fleisch geben. Ich kann dir versprechen, daß wir die Schlange nicht zu fürchten haben werden. Ich habe die Löwin besiegt, ich habe den Eber überwunden, ich werde auch die Schlange töten, und dann seid ihr in der Stadt die Plage mit einem Male los." Das Mädchen weinte vor Angst; es gab aber dem Drängen Aus nach. Ali aß den ganzen Kuskus auf und sagte: "Ich bin vom Wandern etwas müde. Setze dich hierher, dicht an die Quelle, ich will meinen Kopf auf deinen Schoß legen und schlafen. Desto stärker bin ich dann für den Kampf mit der Schlange. Wecke du mich nur, wenn die Schlange kommt." Die Tochter des Fürsten setzte sich hin. Ali legte den Kopf in ihren Schoß und schlief sogleich ein.

Ali schlief schon einige Zeit, da erhob die Schlange ihr Haupt aus der Quelle, ängstlich schreckte die Tochter des Fürsten zurück. Sie mochte aber Ali nicht wecken. Ihre Angst schwoll. Es traten ihr Tränen in die Augen. Eine große Träne fiel auf Aus Stirn. Ali erwachte und erhob den Kopf. Ali sah die Schlange. Ali sprang auf,



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ergriff seinen Säbel, schlug und traf die Schlange, so daß sie jäh zurückschreckte. Die Schlange sagte: "Du hast mich nicht getroffen." Ali sagte: "Es war auch nicht mein rechter Hieb." Ali schlug wieder und traf wieder die Schlange, so daß diese jäh zurückschreckte. Die Schlange sagte aber wieder: "Du hast mich nicht getroffen," worauf Ali entgegnete: "Es war auch nicht mein rechter Hieb." Das wiederholte sich sechsmal. Als Ali die Schlange das siebente Mal schlug, nahm er alle Kraft zusammen, und er traf die Schlange hart, so daß sie niedersank und sagte: "Jetzt hast du mich getroffen," worauf Ali entgegnete: "Das war auch mein rechter Hieb."

Die Schlange starb. Sowie sie gestorben war, begann das Wasser der Quelle stark zu rinnen, immer stärker und zuletzt als Fluß dahinzufließen. Ali blickte auf das Wasser und ging ihm ein Stück weit nach. Er hatte aber seine Schuhe stehen gelassen. Als er sich abwendete, ergriff die Tochter des Fürsten schnell einen der Schuhe und schob ihn unter ihr Gewand. Dann nahm sie die leere Kuskusschale und eilte der Stadt zu. Ali kam zurück. Das Mädchen war fort. Er suchte seine Schuhe, fand aber nur noch einen. Er steckte ihn ein, hing das Löwenfell und die Eberdecke um, ging auch in die Stadt und suchte das Haus eines Kaffeewirtes auf, bei dem er blieb.

Das Mädchen kam nach Hause. Der Fürst sah erstaunt, daß seine Tochter schon zurückgekehrt war. Er herrschte sie an und sagte: "Wie kommt es, daß du schon heim kommst, ehe es noch Abend ist, ehe du also deine Aufgabe ganz erfüllt hast? Bist du etwa aus Furcht entflohen?" Die Tochter des Fürsten sagte: "Glaube nicht so etwas von deiner Tochter. Ich wäre bei der Schlange bis zur Beendigung des Mahles und bis zum Abend geblieben und wenn sie mich verschlungen hätte. Die große Schlange, die uns das Wasser hemmt und die Mädchenspeisung fordert, ist aber soeben getötet worden!" Der Fürst erstaunte und sagte: "Was, die Schlange ist getötet worden? Wer hat dies vermocht?" Die Tochter sagte: "Das tat ein Mann, der mit einem Löwenfell und einer Eberhaut des Weges kam. Wenn du dich von der Wahrheit dessen, was ich sage, überzeugen willst, so geh auf das Dach des Hauses und sieh nach der Seite der Quelle. Du wirst sehen, sie fließt jetzt, wo die Schlange getötet ist, wie ein Fluß an der Stadt vorüber. Und wenn du den, der die Schlange getötet hat, erkennen willst, so nimm diesen Schuh, den ich ihm heimlich entwendet habe.



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Nur der kann der Besieger der Schlange sein, der den zweiten gleichen Schuh vorweist."

Darüber war der Fürst sehr erfreut. Am andern Morgen rief er alle Männer der Stadt zusammen und sagte: "Die Schlange ist getötet. Wir sind von unserer großen Plage befreit. Ich will den, der das getan hat, belohnen und frage euch deshalb, ob irgendeiner den kennt, der uns dies Gute angetan hat." Nun war es keiner unter den Anwesenden. Sie fragten lange untereinander herum, fanden es aber nicht heraus. Endlich sagte der Wirt des Kaffeehauses: "Bei mir ist gestern ein Fremder angekommen, der sehr ermüdet war. Er legte sich sogleich zum Schlafe nieder und ist bis heute morgen nicht aufgewacht. Vielleicht weiß dieser Fremde etwas von der Sache." Der Fürst sagte: "Gehe hin und rufe ihn."

Ali kam. Ali trat vor den Fürsten. Der Fürst fragte ihn: "Hast du einen Schuh bei dir?" Ali zog den Schuh aus der Tasche und stellte ihn vor den Fürsten hin. Der Fürst stellte den Schuh, den seine Tochter ihm gebracht hatte, daneben. Beide Schuhe waren ein zusammengehöriges Paar. Der Fürst sagte: "Hast du die große Schlange getötet?" Ali sagte: "Ja, ich habe die große Schlange getötet." Der Fürst sagte: "Du hast die ganze Stadt von einem großen Schrecken befreit. Ich danke dir. Ich will dir meine Tochter zur Frau geben."

Ali heiratete die Tochter des Fürsten. Der Fürst wies ihm ein großes Haus an. Ali wohnte einige Zeit als glücklicher und allgemein geachteter Mann bei dem Fürsten.

Der Fürst schenkte Ali ein Pferd und Hunde. Ali ritt also oftmals auf die Jagd. Eines Tages war er auch auf der Jagd im Walde und kam viel tiefer in den Wald hinein als sonst. Er verirrte sich. Am Abend kam er an ein Haus. Er klopfte. Da öffnete eine Frau, die sah bestürzt auf Ali und sagte: "Schnell eile hinweg und reite, so schnell du kannst, denn in diesem Hause wohnt ein Wuarssen als mein Gatte mit seinen Kindern. Und dieser Wuarssen tötet und verschlingt jeden Menschen, der ihm in den Weg kommt." Ali sagte: "Ich habe nicht die Gewohnheit zu fliehen. Laß mich nur ruhig in das Haus eintreten!" Als die Frau sah, daß sie Ali nicht zur Flucht überreden konnte, sagte sie: "So merke dir wenigstens eines: Mein Mann, der Wuarssen, wird dich, wenn er nach Hause kommt und dich hier trifft, sicherlich zum Essen einladen und nach dem Essen zum Kampfe herausfordern. Er wird dir die Wahl zwischen einem



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Säbel mit einem goldenen Griff und einem Säbel mit einem hölzernen Griff lassen. Nimm den Säbel mit hölzernem Griff und schlag ihn damit über den Kopf. Schlage aber nur einmal und ja nicht öfter und vergiß nichts von all dem, was ich dir jetzt geraten habe." Ali versprach es.

Nach einiger Zeit kam der Wuarssen nach Hause. Als er Ali sah, lachte er über das ganze Gesicht und sagte: "Ich freue mich, dich bei mir zu sehen und bitte dich, mit mir zu essen!" Ali aß also mit dem Wuarssen. Nach dem Essen sagte der Wuarssen: "Wir haben eine alte Sitte; wir pflegen nämlich nach dem Essen mit denen, die mit uns gegessen haben, zu fechten. Hier habe ich nun zwei Säbel. Wähle einen für dich. Ich nehme den andern für mich. Mit den beiden Säbeln werden wir kämpfen." Der Wuarssen legte damit zwei Säbel hin, von denen der eine einen goldenen, der andere einen hölzernen Griff hatte. Ali betrachtete die Säbel und ergriff dann den mit dem hölzernen Griff. Der Wuarssen sagte: "Weshalb nimmst du den Säbel mit dem hölzernen Griff, nimm doch den mit dem goldenen Griff, er ist viel schöner." Ali sagte: "Der Säbel mit dem hölzernen Griff sagt mir mehr zu." Der Wuarssen sagte: "Nimm doch den anderen!" Ali sagte: "Ich habe gewählt." Der Wuarssen sagte: "So nimm den schöneren Säbel, denn du bist der Schönere von uns beiden." Ali sagte: "Ich habe gewählt. Komm!"

Der Wuarssen begann mit Ali zu fechten. Ali schlug mit dem Säbel den Wuarssen quer über den Kopf. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal!" Ali tat es nicht. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal!" Ali tat es nicht. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal!" Ali tat es nicht. Da fiel der Wuarssen zu Boden und starb. Ali aber ging dahin, wo die sieben jungen Wuarssen waren und erwürgte sie.

Ali blieb einige Zeit im Walde und wohnte im Hause des Wuarssen. Eines Tages war er wieder im Walde auf der Jagd und zündete sich ein Feuer an. Da näherte sich eine Schlange und sagte bittend: "Erlaube mir, daß ich mich an deinem Feuer erwärme!" Ali sagte: "Komm heran und wärme dich!" Die Schlange sagte: "Ich fürchte mich vor deinen Hunden und deinem Pferd. Ich bitte dich, binde sie an." Ali stand auf und band das Pferd und die Hunde an. Die Schlange kam. Sie wand sich um Ali und verschlang ihn..



***
Seitdem der Stiefali das Haus seiner Mutter verlassen und sich auf die Wanderschaft begeben hatte, schaute sein Bruder alle Tage nach


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dem Orangenbäumchen, welches sein Stiefbruder vor seinem Abschiede gepflanzt hatte. Eines Morgens sah er, daß die Blätter herunterhingen und daß das Bäumchen verwelkt war. Der rechte Ali ging sogleich zu seiner Mutter und sagte: "Meine Mutter, mein Bruder Ali ist entweder gestorben oder es geht ihm schlecht. Ich schwöre dir bei Gott, daß ich mich sogleich aufmachen muß, nach ihm zu sehen. Versuche also nicht, mich aufzuhalten." Die Mutter sah, daß sie keinen Widerstand leisten konnte. Sie bereitete ihm Nahrung für den Weg. Ali sattelte sein Pferd, packte es, rief seine Hunde herbei, nahm von seiner Mutter Abschied und ritt von dannen.

Nach einiger Zeit kam der rechte Ali bei einigen Hirten vorbei, die eine große Schafherde hüteten. Als die den rechten Ali sahen, meinten sie, er sei jener Stiefali, der die Löwin getötet hatte, und sie riefen ihm ihren Gruß zu und sagten: "Ali, nimm deine Schafe mit." Der rechte Ali dankte für den Gruß und sagte: "Behaltet die Schafe noch ein wenig, ich komme sehr bald wieder vorüber und werde sie dann mitnehmen." Der rechte Ali ritt weiter und sagte für sich: "Ich sehe, ich bin auf dem Wege meines Bruders."

Wieder einige Zeit später kam der rechte Ali bei einigen Hirten vorbei, die eine große Rinderherde hüteten. Als die den rechten Ali sahen, meinten sie, es sei jener Stiefali, der den Eber getötet hatte, und sie grüßten ihn und riefen: "Ah, nimm deinen Ochsen mit." Der rechte Ali dankte für den Gruß und sagte: "Behaltet meinen Ochsen noch ein wenig, ich komme sehr bald wieder vorüber und werde meinen Ochsen dann mitnehmen." Der rechte Ali ritt weiter und sagte für sich: "Ich sehe also, daß ich immer noch auf dem Wege bin, auf dem mein Bruder fortgeritten ist."

Nach einiger Zeit kam der rechte Ali in die Stadt, in der sein Stiefbruder die Schlange getötet hatte, die das Quellwasser bis dahin zurückgehalten hatte und durch die Mädchen der Stadt täglich mit Kuskus und Fleisch hatte gefüttert werden müssen. Als der rechte Ali durch die Tore einritt, sahen ihn einige Männer, und sie stürzten auf ihn zu und küßten ihm die Hände und grüßten ihn und sagten: "Du, Ali der du die Stadt von ihrem großen Unglück befreit hast, wir grüßen dich! Warum bliebst du so lange auf der Jagd? Wir hatten schon Sorge, du würdest nicht wiederkommen. Bleibe nicht wieder solange fort." Dann küßten die Leute ihn wieder. Und wo nun der rechte Ali durch die Straßen kam, begrüßten Männer und Frauen ihn auf die gleiche Weise. Viele aber sagten: "Reite nur



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gleich zum Fürsten, denn er hat große Sorge um dich." So drängten sie ihn zum Fürsten.

Ali kam zum Fürsten. Der Fürst kam dem rechten Ali entgegen und umarmte und küßte ihn. Der Fürst sagte: "Mein Sohn Ali sei sehr beglückwünscht zu deiner Rückkehr. Warum bliebst du solange auf der Jagd! Wir alle und deine Frau nicht zum wenigsten haben uns viel Sorge gemacht über dein langes Fernbleiben. Nun iß erst mit mir und ruhe dich ein wenig aus. Nach dem Abendessen magst du dann zu meiner Tochter, deiner Frau, hinübergehen." Der rechte Ali sagte bei sich: "Was hat mein Bruder alles vollbracht!" — Der rechte Ali blieb aber lange bei dem Fürsten, und erst nach dem Abendessen konnte er ihn verlassen und in das Haus und zur Frau seines Bruders hinübergehen.

Der rechte Ali verließ den Fürsten. Der rechte Ali ging hinüber in das Haus, das der Fürst dem Stiefahi errichtet hatte. Der rechte Ali betrat das Haus und trat in das Zimmer der Frau des Stiefahi. Die Frau des Stiefahi kam ihm entgegen. Die Frau des Stiefali kam ihm entgegen, um ihn zu begrüßen. Die Frau sah ihn und trat zurück. Die Frau fragte: "Wer bist du?" Der rechte Ali sagte: "Ich bin Ali der Stiefbruder jenes Ali der dein Gatte ist. Ich habe wahrgenommen, daß meinem Bruder etwas zugestoßen sein müsse. Deshalb habe ich mich auf den Weg gemacht, ihn zu suchen. Dich aber bitte ich, mir alles zu sagen, was du über den Zweck und die Richtung des Rittes weißt, zu dem er zuletzt auszog und von dem er nicht wieder zurückgekehrt ist." Die Frau dankte Ali und sagte ihm alles, was sie vom letzten Jagdritt seines Stiefbruders wußte.

Am andern Tage machte sich der rechte Ali zu Pferde mit seinen Hunden auf den Weg. Die Leute, die ihm begegneten, sagten: "Ali, warum reitest du schon wieder fort!" Ali sagte: "Es ist etwas im Walde geblieben, das muß ich holen." Ali ritt in der Richtung auf den Wald zu. Der rechte Ali kam in den Wald und ritt lange im Walde dahin.

Abends begann es zu regnen. Der rechte Ali stieg vom Pferde und begann ein Feuer zu entzünden. Nach einiger Zeit kam die große Schlange aus dem Busch und sagte bittend: "Du hast ein warmes Feuer. Ich aber friere bei dem Regen. Ich bitte dich, erlaube mir, daß ich zu dem Feuer komme und mich wärme." Ali sagte: "So komm her und wärme dich!" Die Schlange sagte: "Ich fürchte mich vor dem Pferd und vor den Hunden. Ich bitte dich,



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binde sie an, damit ich ohne Furcht zu dem Feuer kommen kann." Der rechte Ali überlegte die Sache; dann ging er hin und schlang den Zügel des Pferdes um einen Ast, aber so locker, daß es sich leicht losreißen konnte. Er band die Hunde an Sträucher, die aber dünn waren und leicht abbrechen konnten." Der rechte Ali sagte: "Ich habe deinen Wunsch erfüllt. Nun komm und erwärme dich am Feuer!"

Die große Schlange kam heran an das Feuer. Sie glaubte, das Pferd und die Hunde seien fest angebunden. Am Feuer angelangt, wollte sie sich auf Ali stürzen und ihn verschlingen. Der rechte Ali rief sein Pferd und seine Hunde. Das Pferd und die Hunde kamen herbei. Das Pferd sprang der großen Schlange mit den Füßen auf den Kopf. Die Hunde packten die große Schlange am Schwanz. Der rechte Ali ergriff sein Schwert und schlitzte der großen Schlange den Leib auf. Die große Schlange starb. Der rechte Ali sah aber, daß im Bauche der Schlange der Stiefali lag. Der Stiefali war tot. Der rechte Ali nahm seinen Bruder heraus und weinte.

Am andern Tage saß der rechte Ali noch immer vor seinem Bruder und weinte. Er hörte im Gebüsch ein Geräusch und schaute auf. Er sah, wie zwei Eidechsen miteinander kämpften. Eine der Eidechsen schlug die andere (mit dem Schwanze) aber so, daß sie eine schwere Wunde erlitt und starb. Kaum war die eine Eidechse tot, so lief die andere hin zu einer Pflanze, riß ein Blatt ab, trug es dahin, wo die Getötete lag und legte es auf die Wunde. Darauf lebte die tote Eidechse wieder auf. Der rechte Ali sah das alles. Der rechte Ali fragte die Eidechse: "Du hast soeben die andere Eidechse getötet und dann wieder lebendig gemacht. Sieh, hier liegt mein Bruder Ali der wurde von der großen Schlange verschlungen und starb. Kannst du, die du die andere getötete Eidechse wieder lebendig gemacht hast, mir vielleicht einen Rat geben, wie ich meinen von der Schlange verschlungenen und getöteten Bruder wieder lebendig machen kann?"

Die Eidechse sagte: "Dein Bruder Ali ist nicht nur einfach getötet und verschlungen, sondern er ist von der Schlange vergiftet worden. Wäre er nur getötet durch Verschlingen oder durch eine Wunde, so könnte er durch Auflegen von Blättern jener Pflanze wieder lebendig gemacht werden. So aber müßte das Gift entfernt werden, und das geht nur so, daß die Kinder einer Löwin ihm das Gift ablecken. Wenn das geschehen ist und du dann die Blätter auflegst, so wird dein Bruder Ali wieder zum Leben erwachen." Nachdem



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die Eidechse das gesagt hatte, lief sie mit der anderen von dannen.

Ali bestieg sein Pferd. Er ritt aus dem Walde heraus und noch weiter, bis er auf Hirten stieß, die Rinder weideten. Ali kaufte ihnen ein Rind ab. Dann fragte er die Hirten: "Wißt ihr vielleicht, wo hier in der Gegend eine Löwin haust, die Junge hat?" Die Hirten sagten: "Reite zurück in der Richtung auf den Wald, aus dem du gekommen bist. Am Rande des Waldes haust eine Löwin." Ali bedankte sich und ritt zurück.

Sobald er die Spur der Löwin gefunden hatte, band er das Rind an und hielt sich in der Nähe. Als es Nacht war, kam die Löwin mit ihren Jungen und wollte sich auf das angebundene Rind stürzen, um es zu zerreißen. Ali sprengte sogleich herzu und sagte: "Laß das Rind oder ich töte dich." Die Löwin sagte: "Meine Jungen haben Hunger. Ich bitte dich, laß mir das Rind. Ich schwöre dir, daß ich alles tun werde, was ich vermag, wenn du mir das Rind überläßt." Ali sagte: "So schwöre noch einmal." Die Löwin schwur. Darauf ließ er der Löwin und ihren Jungen das Rind.

Nachdem die Löwin und ihre Jungen das Rind aufgefressen hatten, kam die Löwin zu dem rechten Ali zurück und sagte: "Wir haben unser Mahl beendet. Nun sage mir, was ich tun soll, um meinen Schwur einzuhalten." Der rechte Ali sagte: "Im Walde liegt mein Stiefbruder Ali die große Schlange hat ihn verschlungen und getötet. Sie hat ihn dabei mit ihrem Gift vergiftet. Ich habe die große Schlange getötet und meinen Bruder aus ihrem Leibe herausgezogen. Nun kann ich ihn wieder lebend machen, sobald das Gift durch deine Jungen abgeleckt ist. Um nun deinen Schwur zu halten, sollen deine Jungen die Wunden meines Stiefbruders Ali auslecken." Die Löwin sagte: "Das werden meine Jungen tun, zeige uns den Weg."

Ali ritt voraus in den Wald hinein. Die Löwin und ihre Jungen folgten. Ali kam an die Stelle, an der er die große Schlange getötet hatte. Die Jungen der Löwin begannen sogleich, die Wunden Aus auszulecken. Nachdem dies geschehen war, pflückte der rechte Ali Blätter von jener Pflanze, die auch die Eidechse genommen hatte. Er legte die Blätter auf die Wunden des Stiefahi. Kaum hatte er sie aufgelegt, so schlug der Stiefahi die Augen auf und richtete sich empor. Die beiden Brüder umarmten sich und weinten vor Freude darüber, daß sie sich wiedergefunden hatten.

Die beiden Ali machten sich auf den Heimweg. Sie kamen in der



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Stadt des Fürsten an. Der Fürst, seine Tochter und alle Leute waren glücklich darüber, daß der Stiefali mit seinem Bruder zurückgekommen war. Drei Tage lebten sie glücklich und feierten frohe Feste. Am dritten Tage sagte der Stiefali: "Wir wollen heimkehren und uns in Zukunft nicht mehr trennen." Der rechte Ali war einverstanden. Der Stiefahi ging zum Fürsten und bat um die Erlaubnis, mit seiner Frau heimzukehren. Der Fürst gewährte es. So sattelten sie dann ihre Pferde und ritten mit der Tochter des Fürsten heim.

Unterwegs kamen sie erst zu den Hirten, die das Rindvieh hüteten. Die Hirten riefen: "Ali, nimm deinen Ochsen mit." Darauf nahm der Stiefali seinen Ochsen. Sie ritten weiter. Einige Zeit darauf kamen sie zu den Hirten, die die Schafe hüteten. Die Schäfer riefen: "Ali, nimm deine Schafe m ." Darauf nahm der Stiefali seine Schafe. Sie ritten weiter. Sie kamen heim.

Als sie daheim ankamen, war die Mutter des rechten Ali die ihrem Stiefsöhne so viel Leid angetan hatte, gestorben. Sie begruben sie. Die beiden Ali blieben beieinander wohnen, sie trennten sich nicht wieder voneinander.



10. Die verheirateten Schwestern

Ein Mann hatte vier Töchter, die waren in dem Alter zu heiraten, und außerdem vier kleine Söhne. Eines Tages wollte er in einen großen Ort gehen. Er rief seine Töchter und sagte: "Ich gehe heute in die Stadt und will jeder von euch vieren ein Kleid mitbringen. Sagt mir also eine jede, was sie für ein Kleid haben will." Die älteste sagte: "Ich möchte ein gelbes Kleid haben." Die zweite sagte: "Ich möchte ein weißes Kleid haben." Die dritte sagte: "Ich möchte ein graues Kleid haben." Die vierte sagte: "Ich möchte ein Kleid ohne Schnitt und Naht haben." Der Vater wandte sich an die ersten drei Töchter und sagte: "Ich werde euch eure Wünsche erfüllen können." Er wandte sich an seine vierte Tochter und sagte: "Ob ich deinen Wunsch werde erfüllen können, weiß ich noch nicht. Ich habe noch nie von einem Kleide ohne Schnitt und Naht gehört." Danach machte sich der Vater auf die Wanderschaft und kam in die Stadt.

In der Stadt kaufte der Vater ein gelbes, ein weißes und ein graues Kleid. Aber die Gandura (= ahakendurth) ohne Naht und Schnitt konnte er nicht finden. Der Mann lief umher und suchte, aber er konnte niemand finden, der je eine Gandura ohne Naht und Schnitt



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gesehen hätte. Endlich begegnete er einem alten Manne, der fragte ihn auch, was er suche. Darauf erklärte der bedrängte Vater, was er suchte. Der Alte sagte: "Es gibt ein solches Kleid. Dies Kleid ist aber im Besitze eines Wuarssen, und es ist sehr schwer, es von ihm zu erlangen." Der Vater erschrak, denn er fürchtete sich sehr vor dem Wuarssen.

Erst sagte der Vater: "Ich werde nicht hingehen zu dem Wuarssen. Wenn meine Tochter so törichte Wünsche hat, soll sie sich einen törichten Mann suchen, der sie ihr erfüllen kann." Dann machte sich der Vater aber doch auf den Weg zu dem Wuarssen. Er kam in den Wald. Er fragte den Wuarssen: "Hast du ein Kleid ohne Schnitt und Naht?" Der Wuarssen sagte: "Ja, eine solche Gandura habe ich." Der Vater sagte: "Willst du mir diese Gandura für meine Tochter geben?" Der Wuarssen sagte: "Für welche Tochter?" Der Mann sagte: "Für meine jüngste." Der Wuarssen sagte: "Ja, ich will dir die Gandura für deine jüngste Tochter geben. Ich verlange dafür aber deine Tochter zur Frau." Der Vater wollte dies erst nicht. Dann aber sagte er: "Es ist gut, wenn du mir die Gandura für meine jüngste Tochter gibst, will ich dir meine jüngste Tochter zur Frau geben. Wann wirst du kommen, sie abzuholen?" Der Wuarssen sagte: "Ich werde nachts als Bettler kommen. Wenn ich nachts um Nahrung bettelnd an deine Haustür komme, so soll deine Tochter mit einer Schale voll Kuskus herauskommen. Sage ihr das. Dann werde ich sie nehmen und in mein Haus bringen." Der Vater war damit einverstanden.

Der Vater kehrte zurück, gab der ältesten Tochter das gelbe Kleid, der zweiten Tochter das weiße Kleid und der dritten Tochter das graue Kleid. Dann rief er die Jüngste, gab ihr das Kleid ohne Schnitt und Naht und sagte: "Hier habe ich dir das mitgebracht, was du dir so sehr gewünscht hast. Es ist aber eine Bedingung damit verbunden worden, als ich es erhielt. Wenn es nämlich nachts einmal klopft und ein Bettler draußen steht, der um Brot bittet, so mußt du, meine jüngste Tochter, hinausgehen und ihm eine Schale mit Kuskus reichen." Die Jüngste nahm die Gandura und erklärte sich zu der Bedingung bereit.

Es verging keine lange Zeit, da klopfte es eines nachts am Hause des Vaters. Draußen stand ein Mann, der bat um Essen. Die Jüngste erinnerte sich sehr wohl des Gebotes des Vaters. Sie bereitete eine Schale mit Kuskus und trug sie hinaus, um dem Manne



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diese Speise zu geben. Als sie hinaustrat, ergriff sie der Wuarssen, nahm sie und lief mit ihr von dannen, seinem Hause zu.

Auf dem Wege begegnete der Wuarssen einem Löwen. Der Löwe begrüßte den Wuarssen und fragte: "Wo hast du deine Frau herbekommen? Sage mir doch, wo man eine solche Frau bekommen kann." Der Wuarssen sagte: "Da drüben steht ein Haus. Wenn man da nachts anklopft und bettelt, geben sie einem eine Frau." Der Löwe lief sogleich von dannen. Er lief zu dem Hause, klopfte und bettelte um etwas Brot. Die älteste Tochter öffnete und trat heraus. Sogleich ergriff sie der Löwe und trug sie von dannen.

Einige Zeit später begegnete der Wuarssen einem Widder. Der Widder begrüßte den Wuarssen und redete ihn an: "Du Vater der Menschen, wo hast du deine Frau herbekommen? Sage mir doch, wo man eine solche Frau bekommen kann." Der Wuarssen sagte: "Da drüben steht ein Haus. Wenn man da nachts anklopft und um Nahrung bettelt, geben sie einem eine Frau." Der Widder lief sogleich von dannen. Er lief zu dem Hause, klopfte und bettelte um etwas Brot. Die zweite Tochter öffnete und trat heraus. Sogleich ergriff sie der Widder und trug sie von dannen.

Wieder einige Zeit später begegnete der Wuarssen einem Falken. Der Falke begrüßte den Wuarssen und sagte: "Wo hast du deine Frau herbekommen? Sage mir doch, wo man eine solche Frau herbekommen kann." Der Wuarssen sagte: "Da drüben steht ein Haus. Wenn man da nachts anklopft und um Nahrung bettelt, geben sie einem eine Frau." Der Falke flog sogleich von dannen. Er flog zu dem Hause, klopfte und bettelte um etwas Brot. Die dritte Tochter öffnete und trat heraus. Sogleich ergriff sie der Falke und trug sie von dannen.

So wurde die jüngste Tochter des Mannes verheiratet mit dem Wuarssen, die älteste mit dem Löwen, die zweite mit dem Widder, die dritte mit dem Falken.

Lange Zeit war vergangen, seitdem der Vater gestorben und seine vier Töchter sich verheiratet hatten. Die vier kleinen Söhne des Mannes wuchsen heran. Eines Tages kam der älteste der vier Brüder zu seiner Mutter und seinen Anverwandten und sagte: "Ich will mich auf den Weg machen, meine vier verheirateten Schwestern zu besuchen." Er bereitete sich Aenin (Reisenahrung) und machte sich auf den Weg.



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Nach einiger Zeit kam der älteste Bruder an eine Stadt. An Odem Tor hielt die Tochter des Amin der Stadt Wache, und jeden, der hindurchgehen wollte, fragte sie, ob er wisse, was Laksär Limmera sei und jeder, der das nicht beantworten konnte, wurde dann von Negern, die das Mädchen herbeirief, seines Hauptes beraubt. — Der älteste der vier Brüder kam also an das Tor, an dem die Tochter des Amin Wache hielt, und die Tochter des Amin fragte ihn: "Weißt du, was Laksär Limmera ist?" Der älteste Bruder sagte: "Nein, das weiß ich nicht." Darauf rief die Tochter des Amin die Neger herbei, und die hieben dem Burschen sogleich den Kopf ab.

Einen Monat später sagte der zweite Bruder zu Mutter und Verwandten: "Mein ältester Bruder ist seit einem Monat fort, um nach den verheirateten Schwestern zu sehen. Er ist nicht wiedergekommen. Nun will ich mir Reisenahrung zurechtmachen und meine Schwestern besuchen und sehen, wo mein Bruder geblieben ist." Er machte sich bereit und brach auf. Er kam auch an das Tor, an dem die Tochter des Amin Wache hielt, konnte ihre Frage auch nicht beantworten und wurde ebenfalls von den Negersklaven geköpft.

Im dritten Monat rüstete der dritte Bruder sich zur Wanderschaft und zur Suche nach Brüdern und Schwestern. Es erging ihm ebenso wie den ältesten beiden, und als er am Tore der Stadt, durch das jeder gehen mußte, die Frage der Tochter des Amin nicht zu beantworten vermochte, wurde auch ihm von den Negern auf das Geheiß der Amintochter der Kopf abgeschlagen.

Im vierten Monat endlich machte sich der jüngste der vier Brüder bereit, um seine Schwestern und Brüder aufzusuchen. Der Jüngste bereitete aber nicht nur seine Wegnahrung, sondern er nahm auch einen Säbel mit, den steckte er unter seine Gandura. So gerüstet, wanderte er den gleichen Weg dahin. Er kam an das Tor, an dem die Tochter des Amin Wache hielt, und diese fragte ihn, als er kam: "Weißt du, was Laksär Limmera. ist?" Der Bursche merkte sogleich, wo die Sache hinaus wollte. Er sann einen Augenblick nach und sagte: "Weißt du aber, was das ist?" Er zog plötzlich seinen Säbel heraus. Die Tochter des Amin erschrak. Der Jüngste sagte: "Wenn du noch einmal, solange ich in der Gegend bin, deinen Mund zu einer so törichten Frage oder einem törichten Rufe öffnest, so schlage ich dir den Kopf ab." Die Tochter des Amin wagte nicht, die Neger zu rufen. Der Jüngste ging also unbehindert durch das Tor und seinen Weg weiter.



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Endlich kam der Jüngste an das Haus des Wuarssen. Er klopfte an. Es war am Tage, und der Wuarssen war auf seinem Felde. Die Frau öffnete. Die Frau öffnete und erkannte ihren jüngsten Bruder. Die Schwester erschrak. Sie sagte: "Wenn mein Mann, der Wuarssen, dich hier sieht, wird er dich verschlingen. Eile schnell weiter, mein Bruder!" Der Jüngste sagte: "Nein, ich bleibe hier, ich werde nicht fortgehen." Die Frau sagte: "Mein Mann wird aber bald heimkehren." Der Bursche sagte: "Ich bleibe doch hier." Da versteckte die Frau ihn in der Baerka (oder Bärka, äußerste Speichertopfgrube nahe der Türwand, gerade im Winkel). Die Frau deckte dann einen Deckel darüber.

Nach einiger Zeit kam der Wuarssen heim. Er witterte die Spur (=ldjarra) und sagte: "Ich rieche frisches Fleisch!" Die Frau sagte: "Es kam heute früh ein Händler vorüber, von dem ich einen Kamm kaufte." Der Wuarssen sagte: "Ist der Händler vielleicht noch so nahe, daß ich ihn fangen, töten und verschlingen könnte?" Die Frau sagte: "Er muß schon weit fort sein!" Die Frau weinte. Der Wuarssen sagte nach einiger Zeit: "Weshalb weinst du?" Die Frau weinte und sagte: "Du sagst, daß du den armen Händler, der nichts getan hat, fangen, töten und verschlingen würdest. Mir fiel nur ein, wenn einer meiner Brüder Händler wäre und hier vorüberkäme, so würdest du ihn vielleicht auch fangen, töten und verschlingen!" Der Wuarssen sagte nur: "Es ist mir ganz gleich, ob einer dein Bruder ist oder nicht. Wenn jemand mein Haus betritt, so töte und verschlinge ich ihn und dich obendrein. Vergiß das nicht!"

Die Frau ging unbemerkt zur Baerka, klopfte daran und sagte leise: "Du hast die Worte des Wuarssen gehört. Sei also vorsichtig und hüte dich vor jedem Geräusch!" — Als es am andern Tage hell wurde, verließ der Wuarssen sein Haus und ging hinaus zur Arbeit auf sein Feld. Der jüngste Bruder kam aber aus der Baerka, verabschiedete sich von seiner Schwester und ließ sich den Weg zu dem Löwen, der seine älteste Schwester geheiratet hatte, zeigen.

Der jüngste Bruder ging den Weg hin und kam noch bei Tage im Hause seines Schwagers an. Der Löwe war abwesend, denn er war noch auf der Jagd. Als der Jüngste klopfte, öffnete seine Frau. Sie erkannte ihren Bruder, freute sich ihn wiederzusehen und sagte dann: "Mein jüngster Bruder, gehe lieber weiter. Wenn mein Mann, der Löwe, nach Hause kommt, wird er dich vernichten." Der Jüngste weigerte sich, wie im Hause des Wuarssen, weiterzugehen,



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und seine Schwester versteckte ihn in der Baerka, die sie zudeckte.

Der Löwe kehrte heim. Er witterte frisches Fleisch und fragte, wer hier gewesen sei. Seine Frau antwortete: "Es war ein Händler, von dem ich Pfeffer für unsere Mahlzeiten kaufte." Der Löwe fragte: "Ist er schon weit oder kann ich ihn noch mit meinen Zähnen packen und fressen?" Die Frau sagte: "Ach, er ist schon weit fort." Die Frau weinte. Der Löwe sagte: "Weshalb weinst du?" Die Frau weinte und sagte: "Du wolltest diesen armen Händler fangen und fressen. Ich dachte daran, daß einmal einer meiner Brüder als Händler vorüberkommen könnte, und du würdest ihn auch mit deinen Zähnen packen und fressen." Der Löwe sagte: "Du irrst dich, das würde ich nicht tun, denn dein Bruder ist auch mein Bruder, und ich würde ihn bitten, bei uns zu bleiben und unser Gast zu sein."

Da sagte die Frau: "Da du mir sagst, daß du meinen Bruder gut aufnehmen und als Gast beherbergen würdest, wisse denn, daß die Spur, die du gewittert hast, die meines Bruders ist und daß mein Bruder sich hier im Hause befindet!" Der Löwe rief: "Schnell, rufe deinen Bruder herbei, damit ich ihn kennen lerne und ihm alle Freundlichkeit erweise. Der Jüngste kam aus der Baerka hervor. Der Löwe umarmte ihn und befahl seiner Frau, alles, was sie vermöchte, an guten Sachen zu bereiten. Sie aßen gemeinsam, teilten danach das Lager und schliefen bis zum andern Morgen.

Am andern Tage nahm der Jüngste Abschied von seiner Schwester. Der Löwe begleitete ihn noch ein gutes Stück und zeigte ihm den Weg zu seinem dritten Schwager, dem Widder. Der Jüngste wanderte weiter. Noch ehe es Abend war, kam er am Hause des Widder an. Der Widder war aber abwesend, und als es klopfte, öffnete ihm die Frau des Widders. Die Schwester erkannte sogleich ihren Bruder und war sehr glücklich; dann aber forderte sie ihn auf, nicht länger zu verweilen, sondern weiterzugehen, denn sie fürchtete, daß ihr Mann, der Widder, wenn er heimkäme, ihrem Bruder etwas anhaben könne. Der jüngste Bruder weigerte sich aber, weiterzugehen, und so blieb der Schwester denn nichts anderes übrig, als den Bruder in der Baerka zu verstecken und diese mit einem Deckel zu schließen.

Als der Widder heimkehrte, stieg der Geruch frischen Fleisches ihm sogleich in die Nase, und er fragte, woher er stamme. Die Frau sagte: "Es kam ein Händler vorbei, von dem kaufte ich Agussim



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(Lippenpomade aus Nußbaumrinde)." Der Widder sagte: "Ist er schon weit oder ist er noch nahe genug, daß ich ihn mit meinen Hörnern fangen und töten kann?" Die Schwester sagte: "Er ist schon weit fort, und du kannst ihn nicht mehr erreichen." Die Frau weinte. Der Widder fragte seine Frau: "Weshalb weinst du?" Die Frau sagte: "Du wolltest den armen Händler mit deinen Hörnern fangen und töten. Wie schrecklich wäre es, wenn nun mein Bruder als Händler in das Land käme und du ihn so mißhandeltest?" Der Widder sagte: "Wenn dein Bruder käme, wäre das etwas ganz Besonderes. Denn dein Bruder ist auch mein Bruder, und ich würde ihm an Gutem antun, was ich zu tun vermag."

Die Frau sagte: "Wenn du meinen Bruder gut aufnehmen willst, sollst du nur wissen, daß von ihm der Geruch des frischen Fleisches kommt und daß er im Hause ist." Der Widder sagte: "Sogleich rufe deinen Bruder und bereite schnell das Beste, was wir im Hause haben, denn wir wollen diesen Tag als einen Festtag begehen." Die Schwester rief den Bruder aus der Baerka. Der Schwager begrüßte ihn sehr herzlich. Sie nahmen zusammen in großer Freude das Abendessen ein, teilten das Lager und schliefen bis zum andern Morgen.

Am andern Morgen verabschiedete sich der Jüngste von seiner Schwester und ging mit seinem Schwager noch ein Stück mit, denn der wollte ihm das Haus des dritten Schwagers, des Falken, zeigen. Nachdem sie soweit gegangen waren, daß der Jüngste den Weg nicht mehr verlieren konnte, trennten sie sich, und der Bursche ging in der Richtung auf das Haus des Falken weiter.

Als der Jüngste an dem Hause ankam, war sein Schwager nicht daheim, und als er klopfte, öffnete ihm seine Schwester. Die Schwester erkannte sogleich den jüngsten Bruder und war sehr glücklich. Nach einiger Zeit bat sie ihn aber, sich zu entfernen, denn bald müsse ihr Gatte, der Falke, heimkehren, und der wäre ein sehr gefährlicher Mann. Der jüngste Bruder ließ sich aber nicht einschüchtern. Er blieb auf seinem Vorsatze, zu verweilen, bestehen, und so versteckte die Frau ihn zuletzt in der Baerka, die sie hernach sorgsam zudeckte.

Es wurde Abend. Der Falke kam nach Hause. Er witterte nach allen Seiten im Hause umher. Er blickte nach allen Seiten im Hause umher. Er sagte:, "Ich rieche frisches Fleisch!" Die Frau sagte: "Es ist ein Händler vorbeigekommen, der hat mir Tasult (Antimon, Augenrandschminke) verkauft." Der Falke sagte:



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"Ist er schon weit oder kann ich ihn noch erreichen, so daß ich ihn mit meinen Krallen packen und töten kann." Die Frau sagte: "Er ist schon weit fort." Die Frau weinte. Der Falke sagte: "Was weinst du?" Die Frau sagte: "Du sagst, daß du den Händler, der dir nichts getan hat, mit den Krallen packen und töten willst. Wenn dieser Händler nun mein Bruder wäre, so würdest du ihn auch mit den Krallen packen und töten wollen." Der Falke sagte: "Nein, das würde ich nicht tun. Deinen Bruder würde ich aufnehmen wie meinen eigenen Bruder, denn du bist meine Frau. Deinem Bruder würde ich das Beste geben, was wir haben, und ich würde glücklich sein, wenn er einige Zeit bei uns bleiben würde und wir ihm eine angenehme Zeit bieten könnten."

Darauf ward die Frau sehr fröhlich. Sie sagte: "Mein Gatte, der Mann, den du gewittert hast, ist kein fremder Händler, es ist mein Bruder, und ich habe ihn im Hause hier versteckt, weil ich nicht sicher wußte, wie du ihn aufnehmen würdest." Der Falke sagte: "So rufe schnell deinen Bruder herbei, daß ich ihn begrüße!" Die Frau lief hin und hieß ihren Bruder aus der Baerka steigen. Der Falke kam seinem Schwager entgegen und küßte ihn. Er hieß ihn in seinem Hause herzlich willkommen und hieß seine Frau das beste Essen zubereiten.

Nachher aßen sie zusammen, und der jüngste Bruder mußte erzählen, was er bei seinen Schwägern auf der Wanderschaft erlebt hatte. Der Falke sagte: "Ich werde morgen eine Botschaft umhersenden. Ich will den Löwen und seine Frau, den Widder und seine Frau und die Frau des Wuarssen hierher bitten. Ihr Geschwister und wir Schwäger wollen dann beraten, was wir mit dem Wuarssen, der ein ganz schlimmer Mann ist, anfangen."

Die Boten flogen am andern Tage über das Land. Es kamen der Löwe und seine Frau, es kamen der Widder und seine Frau. Es kam die Frau des Wuarssen, und die Frau des Wuarssen weinte, weil ihr jüngster Bruder von ihrem Manne nicht so gut aufgenommen war, wie im Hause ihrer Schwestern. Der jüngste Bruder sagte zum Löwen und seiner Frau: "Ich danke euch, daß ihr mich so freundlich aufgenommen habt." Er sagte zum Widder und seiner Frau: "Ich danke euch, daß ihr mich so freundlich aufgenommen habt." Er sagte zum Falken und seiner Frau: "Ich danke euch, daß ihr diese Zusammenkunft veranstaltet habt." Er sagte zu seiner jüngsten Schwester, der Frau des Wuarssen: "Ich danke dir, daß du gekommen



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bist, und ich hoffe, daß du deswegen mit deinem Manne keine Streitigkeiten bekommst." Die jüngste Schwester, die Frau des Wuarssen, weinte.

Der Löwe sagte: "Wir wollen den Wuarssen töten." Der Widder sagte: "Wir wollen den Wuarssen töten." Der Falke sagte: "Wir wollen den Wuarssen töten." Der Löwe sagte: "Um aber den Wuarssen töten zu können, muß seine Frau uns sagen, ob seine Seele nahe oder fern ist. Seine Frau muß erfahren, wo seine Seele ist und wie wir sie ergreifen können." Die Frau des Wuarssen sagte: "Ich weiß nicht, wo seine Seele ist. Ich weiß gar nichts davon." Die Frau des Widders sagte: "Du mußt weinen und traurig sein, daß du um deinen Mann so besorgt seiest." Die Frau des Falken sagte: "Du mußt so lange jammern, bis du alles erfahren hast, was unser Bruder und unsere Schwäger wissen müssen."

Die Frau des Wuarssen kam nach Hause. Sie kochte das Essen. Als es Abend war, kam auch der Wuarssen und aß. Nach dem Essen setzte die Frau des Wuarssen sich in einen Winkel und begann zu weinen. Der Wuarssen sagte: "Weshalb weinst du?" Die Frau sagte: "Ich weiß es nicht." Nachts lag der Wuarssen schlafend auf seinem Lager. Die Frau begann zu weinen. Der Wuarssen hörte seine Frau weinen und erwachte. Der Wuarssen sagte: "Was weinst du?" Die Frau sagte: "Ich weiß es nicht." Der Wuarssen erwachte am andern Morgen. Seine Frau weinte. Er fragte sie: "Weshalb weinst du?" Die Frau sagte: "Ich weiß es nicht." Der Wuarssen ging auf das Feld. Als er abends nach Hause zurückkehrte, saß seine Frau am Feuer. Seine Frau weinte. Er fragte: "Weshalb weinst du?" Die Frau sagte: "Ich weiß es nicht." Der Wuarssen legte sich aufs Lager und schlief. Nachts wachte er auf. Seine Frau weinte. Der Wuarssen fragte: "Weshalb weinst du?" Die Frau sagte: "Ich weiß es nicht."

Der Wuarssen wachte eine Zeit. Seine Frau hörte nicht auf zu weinen. Der Wuarssen sagte: "Jetzt ist es genug, jetzt sage mir endlich, weshalb du weinst!" Die Frau sagte: "In der Nacht, nachdem der Händler hier war, der mir den Kamm verkauft hat und nachdem du so zornig hierüber warst, träumte mir, du seiest getötet worden, und ich wäre nun ganz hilflos allein auf der Erde. Seitdem träume ich immer wieder, daß man dir das Leben wegnimmt und du stirbst. Ich träume immer wieder, daß man dir die Seele wegnimmt und ich dich nicht schützen kann." Der Wuarssen sagte: "Wenn es weiter nichts ist als so ein dummer Traum, dann



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schlafe nur getrost weiter. Meine Seele ist gut aufgehoben. Höre selbst, wie die Sache steht: Meine Seele ist ein Haar, das ruht in einem Ei, das ein Rebhuhn im Leibe trägt. Das Rebhuhn wohnt im Bauch einer Kamelstute, und die Kamelstute liegt unter einem Felsblöcke im Meere. — Nun sage selbst, ob meine Seele nicht gut aufgehoben ist. Denn wenn es nicht jemand gelingt, dieses Haar zu finden und zu zerdrücken, dann kann ich nicht getötet werden. Schlafe also trotz aller Träume weiter, höre auf zu weinen und gib dich nicht Sorgen hin, die keinen Grund haben." Damit drehte der Wuarssen sich herum und schlief gleich darauf weiter. Die Frau prägte sich aber alles genau ein.

Am andern Morgen ging der Wuarssen wie gewöhnlich zum Acker hinaus. Kaum war ihr Mann fort, so lief seine Frau zu ihrem Schwager, dem Falken. Alle Geschwister waren wieder bei dem Falken versammelt. ]Die Frau des Wuarssen sagte: "Die Seele meines Mannes ist ein Haar, das in einem Ei ruht, das ein Rebhuhn im Leibe trägt. Das Rebhuhn lebt im Bauche einer Kamelstute, und die Kamelstute liegt unter einem Felsblock im Meer." Die Geschwister sagten: "Das ist schwierig." Die Schwäger sagten: "Das ist schwierig."

Der Löwe sagte: "Ich werde zuerst alle Mücken zusammenrufen und ihnen befehlen, das Meer auszusaugen, so daß der Felsblock auf dem Trocknen liegt." Der Widder sagte: "Ich will mit meinen Hörnern den Felsblock zur Seite wälzen." Der Löwe sagte: "Ich will mit meinen Pranken den Leib der Kamelstute aufreißen." Der Falke sagte: "Ich will das Rebhuhn abfangen, wenn es in die Luft fliegt und ihm mit den Fängen den Leib aufreißen." Der jüngste Bruder sagte: "Und ich will das Ei auffangen, wenn es herabfällt, es zerbrechen und das Haar zerdrücken." Die Schwestern sagten zur Frau des Wuarssen: "Hüte dich aber vor dem Wuarssen, wenn er im Sterben liegt. Dann wird er zornig sein, daß er auch dich verschlingen würde." Die Frau des Wuarssen ging.

Der Löwe rief sogleich alle Mücken zusammen und hieß sie das Meer aussaugen. Von allen Seiten kamen die Mücken und sogen und sogen. Es kamen so unzählbar viele Mücken, und sie sogen alle so emsig, daß das Meer mehr und mehr zurücktrat. Sie sogen solange, daß der Grund des Meeres trocken und mitten drin der Felsblock in freier Luft lag. Da kam der Widder und stieß nach einem langen Anlauf mit seinen Hörnern gegen den Felsblock, so daß der Block umstürzte.



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Die I(amelstute bewegte sich und wollte sich erheben. Der Löwe sprang aber auf sie zu und riß ihr den Leib auf. Der Wuarssen, der auf seinem Felde war, empfand sogleich einen fürchterlichen Schmerz, so daß er sich krümmen mußte und dann Hals über Kopf nach Hause eilte. Gleichzeitig flog das Rebhuhn aus dem aufgerissenen Leibe der Kamelstute auf und zog von dannen. Der Falke kreiste inzwischen in der Luft, erkannte das Rebhuhn mit scharfem Auge, stürzte herab und fing es mit den Fängen. Der Falke riß dem Rebhuhn mit dem Schnabel den Kopf ab. In diesem Augenblick kam der Wuarssen gerade zu Hause an und stürzte an der Haustür halb ohnmächtig vor Schmerz nieder. Der Wuarssen schrie: "Wasser, Wasser!" Der Wuarssen wollte, daß seine Frau herauskomme. Er wollte sie verschlingen. Der Wuarssen rief: "Wasser! So bring doch Wasser!" Die Frau blieb im Hause, sie kam nicht heraus. Die Frau rief: "Wir haben kein Wasser im Hause."

Das Rebhuhn ließ das Ei fallen. Der jüngste Bruder fing das Ei in der Luft auf. Er hielt es in der Hand. Der Jüngste zerdrückte das Ei. Das Ei zersprang. Der Wuarssen schrie vor Schmerz auf. Der Jüngste preßte das Haar. Der Wuarssen fiel rückwärts zusammen. Der Jüngste zerdrückte das Haar. Der Wuarssen starb.

Die Frau des Wuarssen sah ihren Mann sterben. Sie war glücklich. Sie lief sogleich zum Löwen und blieb bei ihrer ältesten Schwester über Nacht. Auch der jüngste Bruder fand bei dem Löwen sein Lager.

Am andern Morgen sagte der Löwe zum Jüngsten: "Ich gehe heute zur Jagd, wenn es dir Freude macht, so begleite mich und komm mit mir." Der Jüngste war einverstanden, und der Löwe ging mit seinem Schwager von dannen. Sie waren ein gutes Stück weit gegangen, da sagte der Löwe bei sich: "Ich weiß nicht, ob ich klug war. Wenn ich unterwegs eine Gazelle oder ein anderes Tier treffe und packe es mit den Zähnen und zerfleische es, dann wird mein Schwager über meine Wildheit erschrecken. Es war nicht klug von mir, daß ich meinen Schwager mit zur Jagd genommen habe, und ich will ihn in jenes Dorf dort drüben schicken."

Der Löwe sagte zu seinem Schwager: "Mein Lieber, mein Weg führt mich heute noch sehr weit und du wirst schon ermüdet sein, wenn wir ankommen. Dann müssen wir bis zur Nacht aber noch den gleichen Weg bis zu meinem Hause zurücklegen. Nun siehst du das Dorf, welches auf jenem Hügel liegt. Du hörst die Musik.



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Es ist ein Mann, welcher auf dem Männerplatze singt. Dort ist ein Kaffee. Ich rate dir, dort hinzugehen und dich dort zu unterhalten. Du wirst deinen Tag angenehm verbringen und dich nicht unnötig ermüden. Abends werde ich bei dem Dorfe vorbeikommen. Ich werde dann rufen, und du wirst mich hören, und wir können gemeinsam nach Hause gehen." Der Schwager sagte: "Ich danke dir. Dieser Vorschlag ist mir sehr angenehm." Sie trennten sich. Der Löwe ging weiter zur Jagd. Der Jüngste ging zu dem Dorfe hinüber.

Der Jüngste setzte sich in das Dorf zu den Leuten. Die Leute saßen im Männerhaus und hörten einem Mann zu, der zur Trommel sang. Der Jüngste setzte sich an die Wand und hörte auch zu. Der Jüngste sah zum Fenster hinaus. Er hörte zu und sah zum Fenster hinaus. Da sah er draußen Laksär Limmera. Laksär Ummera war eine Kugel aus Feuer. (Eine nähere Beschreibung konnte ich bei aller Sorgfalt nicht gewinnen. Vielleicht handelt es sich um ein Irrlicht, aber eine Versicherung nach dieser Richtung wurde mir nicht zuteil.) Der Jüngste erkannte Laksär Limmera. Er eilte sogleich aus dem Hause und schlich sich dahin, wo er Laksär Ummera gesehen hatte. Er kam ganz vorsichtig heran. Er fing Laksär Ummera mit der Hand (der Erzähler macht die Bewegung des Fliegenfangens) und steckte es in die Tasche. Danach ging er aus dem Dorfe und zu jener Stadt, in der die Tochter des Amin zwei der Brüder durch die Neger hatte töten lassen, weil sie nicht hatten sagen können, was Laksär Limmera war.

Als es Abend war, kam der Löwe an das Dorf, in dem der Mann die Trommel schlug und sang. Der Löwe rief den Jüngsten mit dem Namen. Sein Schwager kam nicht. Der Löwe lief um das Dorf und schrie und schrie. Der Schwager kam nicht. Der Löwe sagte bei sich: "Meinem Schwager wird die Zeit lang geworden sein. Er hat wohl den Heimweg angetreten. Ich werde nach Hause gehen." Der Löwe lief noch einmal um das Dorf und rief. Der Schwager kam nicht.

Der Löwe kam allein nach Hause. Die Frauen sahen den Löwen allein nach Hause kommen. Die Frau des Wuarssen erschrak und fragte: "Du kommst allein? Wo hast du meinen Bruder?" Die Frau des Löwen fragte: "Du kommst allein? Wo hast du meinen Bruder? Ich glaube, du hast unsern Bruder heute nun doch mit den Zähnen gepackt und zerfleischt." Der Löwe sagte: "Nein, das tat ich nicht. Ich ließ ihn in einem Dorfe zurück, wo ein Mann



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trommelte und sang. Ich wollte ihn am Abend abholen. Als ich am Abend nach ihm schrie und immer wieder schrie, hörte er nicht und kam nicht. Er muß einen andern Weg weggegangen sein." Die beiden Frauen weinten und weinten. Die Frauen sagten: "Du hast unseren Bruder sicher heute mit den Zähnen gepackt und gefressen. Du hast kein anderes Fleisch gefunden und hast ihn getötet." Der Löwe sagte: "Ich schwöre, ich habe euerem Bruder nichts getan, und ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist."

Der Jüngste wanderte weit fort, bis er zu jener Stadt kam, an deren Tot die Tochter des Amin stand, die jeden fragte, ob er wisse, was Laksär Ummera sei. Der Jüngste sagte bei sich: "Die Tochter des Amin hat meine beiden Brüder töten lassen, weil sie nicht wußten, was Laksär Ummera ist. Jetzt will ich hingehen und sehen, was sie sagt, wenn ich ihr Laksär Limmera bringe. Sie soll meine beiden Brüder nicht für nichts getötet haben."

Der Jüngste kam an das Tor. Die Tochter des Amin stand am Tore und fragte ihn: "Weißt du, was Laksär Limmera ist?" Der Jüngste sagte: "Ich weiß es nicht." Die Tochter des Amin ließ ihren Vater rufen. Die Tochter des Amin sagte: "Mein Vater, auch dieser Mann weiß nicht, was Laksär Limmera ist." Der Vater rief den Neger und sagte: "Packt diesen Menschen und schlagt ihm den Kopf ab." Die Neger kamen herbei. Es waren viele Neger. Sie griffen den Jüngsten und wollten ihm den Kopf abschlagen. Da rief der Jüngste: "Laßt, ich habe Laksär Limmera!"

Die Tochter des Amin sagte: "Wenn du Laksär Limmera hast, so zeige ihn sogleich." Der Jüngste nahm Laksär Ummera hervor und reichte ihn der Tochter des Amin. Die Tochter des Amin nahm Laksär Ummera und sagte: "Es ist wahr. Das ist es. Ich will deine Frau werden." Der Amin sagte: "Du sollst meine Tochter heiraten. Ich werde ein großes Fest veranstalten."

Es wurde ein großes Fest veranstaltet. Die Verwandten kamen. Alle Freunde des Amin kamen. Nachts führte der Jüngste die Tochter des Amin in das Haus, das der Amin ihm geschenkt hatte. Er sagte: "Du hast bisher nach der Sitte eures Landes gehandelt. Nun laß mich einmal nach der Sitte meines Landes handeln. Stelle dich hierher!" Der Jüngste hieß die Tochter des Amin sich aufrecht an



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die Wand lehnen. Er hieß seine Braut, die Tochter des Amin, die Arme und Hände seitwärts ausstrecken. (Der Erzähler macht es pantomimisch vor. Es ist die Stellung der Kreuzigung gemeint.) Der Jüngste nahm Nägel und einen Hammer. Er nagelte die Tochter des Amin mit einem Nagelschlag durch jede Handfläche an der Wand fest. Er nagelte den Kopf der Tochter des Amin mit einem Nagelschlag durch die Stirn an der Wand fest. Darauf zog er quer durch den Raum ein Kleid, so daß man von der andern Seite des Raumes aus die Tochter des Amin nicht sehen konnte, wie sie an die Wand genagelt dastand.

Der Jüngste ging hinaus. Er rief den Amin und sagte zu ihm: "Du hast, wie deine Tochter, bisher nach der Sitte deines Landes gehandelt. Du hast deine Tochter nunmehr mir zur Frau gegeben. Nun laß mich einmal nach der Sitte meines Landes handeln. Komm in das Haus, das du mir geschenkt hast." Der Amin kam mit ihm in das Haus.

Der Jüngste hieß den Amin sich aufrecht gegenüber dem Stoff, den er vor seine Braut gehängt hatte, an die Wand lehnen. Er hieß den Amin die Arme und Hände seitwärts ausstrecken. Der Jüngste nahm Nägel und Hammer. Er nagelte den Amin mit einem Nagelschlag durch jede Handfläche an der Wand fest. Er nagelte den Kopf des Amin mit einem Nagelschlag durch den Kopf und die Stirn an der Wand fest.

Dann zog der Jüngste den Stoff, den er vor die Tochter des Amin gezogen hatte, fort. Der Amin und seine Tochter standen sich nun, an die Wand genagelt, einander gegenüber. Sie sahen einander in die Augen. Der Jüngste sagte: "Ihr habt meine ältesten beiden Brüder getötet, nur weil sie nicht wußten, was Laksär Limmera ist. Jetzt habe ich euch gezeigt, was Laksär Limmera ist. Nun könnt ihr einander erzählen, was ihr damit Großes erreicht habt." Der Amin und seine Tochter blieben sterbend an die Wand genagelt stehen. Sie starben langsam. Der Jüngste trieb alle Neger aus der Stadt. Er tötete viele.

Der Jüngste machte sich auf den Heimweg. Der Jüngste ging zurück zu dem Hause des Löwen. Er traf seine Schwestern. Die Schwestern fragten: "Wo warst du?" Der Jüngste sagte: "Ich habe die Tochter des Amin dafür gestraft, daß sie unsere ältesten beiden Brüder umgebracht hat." Die Frau des Wuarssen sagte: "Wir haben dem Löwen unrecht getan."

Sie feierten ein großes Fest.



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11. Chtaphlaräith

Ein Mann hatte einen Sohn und eine Tochter, aber seine Frau war gestorben. Seine beiden Kinder waren erwachsen, der Sohn ein kluger und starker Bursche, seine Tochter aber ein so schönes Mädchen, daß er sie immer eingeschlossen hielt, damit die Männer sie nicht sehen und gierig werden sollten. Eines Tages wollte der Mann nun mit seinem Sohne eine große Reise unternehmen. Der Vater sagte: "Mein Weg wird mich weit fortführen. Ich werde vor einem Jahre nicht zurückkommen." Das Mädchen fing an zu weinen.

Der Vater sah seine Tochter weinen und sagte: "Ich werde ein Jahr fortbleiben. Ich lasse dir aber für sieben Jahre Vorräte zurück, so daß du nicht in Not geraten kannst. Ich werde den Agelith bitten, daß er alle Tage seine Alte sendet, nach dir zu sehen, und ich werde auch den Usir bitten, für dein Wohl sorgen zu lassen." Der Vater ging hin und besprach erst alles mit dem Agelith und dann mit dem Usir. Dann nahm er Abschied, reiste mit seinem Sohn ab und ließ seine Tochter allein zurück.

Der Agelith sandte nun alle Tage die alte Frau, um nach dem Mädchen zu sehen. Die alte Frau kam jeden Tag zu dem Mädchen, begrüßte sie, sprach mit ihr und sorgte für alles, was sie nötig hatte. Die alte Frau sagte eines Tages zu dem Agelith: "Dies Mädchen ist die schönste Frau im ganzen Dorfe." Der Agelith wurde neugierig. Am andern Tage folgte er der alten Frau heimlich und trat, als die Alte bei dem Mädchen eingetreten war, unbemerkt hinter die Tür. Als die Alte gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat der Agelith hervor und sagte: "Guten Tag, meine Tochter." Das Mädchen antwortete auf den Gruß des Agelith, sprach aber nichts weiter mit ihm. Der Agelith sah aber das Mädchen. Er sah die Schönheit des Mädchens und war sogleich verliebt wie ein Narr (=isselev). Er ging fast besinnungslos (=immechal; soviel wie entnervt, aller Kräfte beraubt) nach Hause. Der Agelith war von dem Tage an stumm und verwirrt.

Der Usir sah den Zustand des Agelith. Er fragte die Alte: "Was ist dem Agelith zugestoßen?" Die Alte sagte: "Der Agelith hat das schöne Mädchen gesehen und ist von ihrer Schönheit so verwirrt, daß er wie ein Narr ist." Der Usir sagte: "Ist das Mädchen denn so schön?" Die Alte sagte: "Es ist die schönste Frau im ganzen Ort." Der Usir wurde neugierig. Der Usir sandte am andern Tage zwei



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Frauen zu dem Mädchen und sagte: "Ich habe dem Vater versprochen, in seiner Abwesenheit nach dem Wohlbefinden seiner Tochter Umschau halten zu lassen. Geht von heute ab jeden Tag hin, und seht, ob dem Mädchen nichts fehlt."

Die beiden Frauen gingen zu dem Hause des Mädchens. Der Usir folgte ihnen heimlich. Die Frauen gingen hinein und mit dem Mädchen herum. Der Usir schlüpfte in das Haus und versteckte sich in dessen Mitte. Die beiden Frauen lachten mit dem Mädchen, scherzten und gingen dann. Als sie gegangen waren, kam der Usir hervor und begrüßte das Mädchen. Das Mädchen schrie auf und lief in eine kleine Kammer, in die verschloß sie sich. Der Usir ging zur Haustür und warf sie zu. Er ging aber nicht hinaus, sondern er versteckte sich an einer andern Stelle, denn er war auch von der Schönheit des Mädchens berauscht wie der Agelith. Er mochte sich nicht von ihr trennen. Der Usir blieb bis zum andern Morgen in seinem Versteck.

Am andern Morgen kamen wieder die beiden Frauen, um sich mit dem Mädchen zu unterhalten. Das Mädchen hörte sie, schloß die Kammer, in der sie sich verschlossen hatte, auf und kam heraus. Die beiden Frauen sprachen mit dem Mädchen, scherzten und lachten mit ihm und gingen dann wieder. Das Mädchen schloß hinter ihnen die Türe von innen zu. Kaum aber hatte sie zugeschlossen, so sprang der Usir aus dem Versteck heraus, haschte das Mädchen und sagte: "Ich bin noch hier."

Das Mädchen erschrak und sagte: "Du hast doch meinem Vater versprochen, für mich sorgen zu lassen und nun verfolgst du mich! Mein Vater wird mich töten, wenn er hört, daß du bei mir warst. Wenn jemand sieht, daß du bei mir bist, wird er es meinem Vater sagen." Der Usir sagte: "Ich will mich nur ein wenig mit dir unterhalten." Das Mädchen sagte: "Meinst du es gut mit mir?" Der Usir sagte: "Gewiß, ich meine es gut mit dir."

Das Mädchen sagte: "Wenn du es gut mit mir meinst, so ziehe wenigstens die Kleider meines Vaters an. Lege deine Kleider in diesem Raume ab, gehe dort in die Kammer und ziehe die Kleider meines Vaters, die du darin findest, an. Ich werde, während du die Kleider wechselst, umsehen, wer kommt und geht. Wenn du die Kleider meines Vaters an hast, kannst du dich mit mir auch draußen unterhalten. Sehen dich die Leute in diesen Kleidern, werden sie nichts dabei denken, denn mein Vater ist in diesen Kleidern hier bekannt." Der Usir sagte: "So will ich es tun."



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Das Mädchen ging heraus. Es wartete, bis der Usir seine Kleider abgelegt hatte und in die Kammer gegangen war, in der die Kleider des Vaters liegen sollten. Als der Usir sich ganz nackt entkleidet hatte und in die kleine Kammer gegangen war, sprang das Mädchen herein und schloß die Kammertür zu. Dann nahm sie die Kleider, lief zu den Nachbarn und sagte: "Seht, der Usir ist eben zu mir gekommen und hat mich nicht in Ruhe lassen wollen. Ich habe ihn eingeschlossen. Seht! Hier sind seine Kleider."

Die Nachbarn kamen. Sie schlossen die kleine Kammer auf. Sie fanden den nackten Usir darin. Denn in der Kammer waren keine Kleider. Da beschimpften die Leute den Usir und zwangen ihn, nackt durch die Straßen zu laufen. Alle Leute traten heraus und riefen dem Usir schlimme Worte nach. — Das Mädchen aber verschloß die Kleider des Usir.

Der Usir fürchtete von nun an, daß der Vater und der Bruder des schönen Mädchens bei ihrer Rückkehr von dem Vorgefallenen Nachricht erhalten könnten und ihn dann zur Verantwortung ziehen würden. Er wollte dem zuvorkommen und sandte dem heimkehren- ein Vater einen Boten entgegen mit der Nachricht: "Deine Tochter, die du mir zur Aufsicht anvertraut hast, konnte ich nicht zügeln. Sie hat dein Haus allabendlich geöffnet und andere Mädchen und Burschen eingeladen. Deine Tochter hat sich schändlich benommen, und ich konnte sie nicht zur Ordnung bringen. Die Folgen ihres Benehmens werden bald zutage kommen."

Der Vater empfing diese Nachricht und sagte zu seinem Sohne: "Kehre vor mir heim. Ich will hier bleiben und nicht nach Hause zurückkehren. Untersuche, was an der Nachricht, die der Usir mir sendet, wahr ist. Hat deine Schwester sich so schlecht benommen, so töte sie. Haben aber andere einen schlechten Leumund ohne Grund über sie verbreitet, so töte die Lügner und sende mir ihr Blut."

Der Bruder kehrte heim. Er traf seine Schwester. Er sah, daß seine Schwester abgehärmt und abgemagert war. Er fragte seine Schwester: "Was ist dir geschehen?" Die Schwester erzählte dem Bruder, was der Agelith und der Usir getan hatten. Die Schwester zeigte dem Bruder die Kleider, die sie dem zudringlichen Usir abgenommen hatte, und rief die Nachbarn als Zeugen herbei. Der Bruder hörte alles. Er ging hin, tötete den Usir und den Agelith und sandte deren blutige Kleider seinem Vater. Dann aber verließ er mit seiner Schwester den Ort. Er ging mit seiner Schwester an



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diesem Tage bis an das Meer. Sie legten sich beide am Ufer des Meeres zum Schlafen nieder und wollten am andern Tage weitergehen.

Nachts aber schwoll das Meer. Eine Welle schlug über das Ufer. Die Welle hob den Bruder und seine Schwester auf und trug sie, zurückschlagend, fort. Das Meer trug den Bruder und seine Schwester weit fort in ein anderes Land und setzte sie am Ufer nieder. Der Bruder und die Schwester waren im Lande der Chtaphlaräith.

Der Bruder und die Schwester blieben bis zum andern Morgen am Ufer. Dann kam der Schäfer der Chtaphlaräith und nachher der Chtaphlaräith selbst. Chtaphlaräith sah aber kaum das schöne Mädchen, da ergriff er sie, flog mit ihr in die Höhe (oder setzte sie auf seine Schulter) und trug sie in sein Haus. Das Haus des Chtaphlaräith lag in einem Felsberg. Er hatte in seinem Hause schon neunundneunzig schöne Mädchen. Diese Schwester war die hundertste. Diese Mädchen und seine Schafe waren die Freude des Chtaphlaräith.

Chtaphlaräith setzte die Schwester in seinem Hause nieder und sagte zu ihr: "Dich lieb ich mehr als alle andern neunundneunzig Mädchen. Dich will ich heiraten." Die Schwester sagte: "Ich mag dich aber nicht. Ich werde dich nicht zum Mann nehmen, und wenn du mich alle Tage schlägst." Chtaphlaräith sagte: "Wenn du mich nicht heiraten willst, werde ich dich alle Tage schlagen lassen." Das Mädchen sagte: "Es ist mir recht. Eher lasse ich mich alle Tage schlagen, ehe ich heirate." Chtaphlaräith ließ dem Mädchen morgens hundert Stockschläge geben und abends hundert Stockschläge geben. Das Mädchen sagte aber jedesmal, nachdem es geschlagen war: "Ich heirate dich nicht!"

Der Bruder irrte inzwischen wie irrsinnig am Ufer des Landes hin und her und weinte über den Verlust seiner schönen Schwester. Endlich hörte er mit Klagen auf, ging zu dem Schäfer des Chtaphlaräith und sagte: "Wo wohnt Chtaphlaräith ?" Der Schäfer sagte: "Chtaphlaräith wohnt in einem Felsen." Der Bruder fragte: "Wie findet man den Weg zu diesem Felsen?" Der Schäfer sagte: "Man braucht nur diesen schwarzen Widder (kheri - äbecher) zu besteigen. Der Widder geht am Abend zu dem Hause des Chtaphlaräith."

Der Bruder sagte zu dem Schäfer: "Schäfer, willst du mich an deiner Stelle heute abend deine Herde zum Hause des Chtaphlaräith



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zurücktreiben lassen?" Der Schäfer sagte: "Ich bin es zufrieden, wenn ich den Dienst beim Chtaphlaräith verlassen kann. Was gibst du mir aber dafür?" Der Bruder sagte: "Nimm alle meine Kleider und was ich bei mir habe; gib mir dafür deine Kleider und sage mir, was ich wissen und was ich sprechen muß, daß der Chtaphlaräith den Wechsel nicht merkt." Der Schäfer sagte: "Es ist mir recht." Darauf wechselten sie die Kleider.

Als der Bursche die Kleider des Schäfers angezogen hatte, sagte der Schäfer zu ihm: "Nun merke dir genau, was du tun mußt, um in das Haus des Chtaphlaräith zu kommen. Du besteigst diesen schwarzen Widder. Er wird dich bis zu dem Felsen tragen, in dem Chtaphlaräith wohnt. Der Widder wird mit den Hörnern gegen den Felsen rennen, und der Fels wird sich von selbst öffnen. So kommst du in das Haus. Im Hause hat jeden Tag eines der hundert Mädchen Wache. Heute ist die Reihe an deiner Schwester. Das Mädchen, das die Wache bei den Schafen hat, muß die Schafe melken. Du wirst also deine Schwester gerade heute sehen. Nach einiger Zeit kommt dann aber der Chtaphlaräith selbst. Er wird dir sechs Fragen vorlegen. Die erste Frage ist: ,Wo hast du heute geweidet?' Darauf mußt du antworten: ,Ich habe auf Akaber (eine Weide mit guten Kräutern) geweidet.' Seine zweite Frage ist: ,Gibt es auch da viele Arvää (gute Schafskräuter)?' Darauf mußt du antworten: ,Es ist dort grün und trocken.' Seine dritte Frage ist: ,Gibt es dort einen Schakal?' Darauf mußt du antworten: ,Der Schakal ist der Genosse des Hirten und verläßt ihn nie.' Seine vierte Frage ist: ,Hat der Schakal etwas gegessen?' Darauf mußt du antworten: ,Der Schakal bleibt nie zurück, ohne seinen Teil zu nehmen.' Seine fünfte Frage ist: ,Hat er ein junges oder ein altes Schaf genommen?' Darauf mußt du antworten: ,Der Schakal ist nicht wählerisch, er nimmt, was ihm gefällt.' Sein sechstes Wort ist: ,Geh wieder zurück!' Darauf mußt du antworten: ,Gib mir mein Essen.' —Wenn du alles dieses richtig beantwortest, wird Chtaphlaräith nicht merken, daß du mit mir gewechselt hast."

Der Bruder bedankte sich, bestieg den schwarzen Widder und ritt mit ihm und der Herde von dannen. Der Widder trug den Bruder bis zu dem Felsen. Der Widder rannte mit den Hörnern gegen den Felsen. Der Felsen öffnete sich. Der Bruder trieb die Schafe in das Haus. Im Haus sah er seine Schwester. Seine Schwester begann die Schafe zu melken. Dann kam der Chtaphlaräith und fragte den Bruder: "Wo hast du heute geweidet?" Der Bruder



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sagte: "Ich habe auf Akaber geweidet." Chtaphlaräith fragte: "Gibt es da viel Arvää?" Der Bruder sagte: "Es ist dort grün und trocken." Chtaphlaräith fragte: "Gibt es dort einen Schakal?" Der Bruder antwortete: "Der Schakal ist der Genosse des Hirten und verläßt ihn nie." Chtaphlaräith fragte: "Hat der Schakal etwas gegessen?" Der Bruder sagte: "Der Schakal bleibt nie zurück, ohne seinen Teil zu nehmen." Chtaphlaräith fragte: "Hat er ein junges oder ein altes Schaf genommen ?" Der Bruder sagte: "Der Schakal ist nicht wählerisch, er nimmt, was ihm gefällt." Chtaphlaräith sagte: "Geh wieder zurück!" Der Bruder sagte: "Gib mir mein Essen." Chtaphlaräith sagte: "Ja, geh hin und laß dir das Essen von dem Mädchen dort geben, ich sehe, du bist mein guter Hirte." Der Chtaphlaräith ging.

Der Bruder ging zu seiner Schwester, die die Schafe molk und sagte: "Gib mir mein Essen, meine Schwester!" Die Schwester erkannte den Bruder und wollte schreien. Der Bruder hielt ihr den Mund zu und sagte: "Der Chtaphlaräith darf nicht merken, daß ich es bin, der jetzt seine Schafe hütet. Sage mir schnell, wie es dir geht." Die Schwester sagte: "Ich erhalte jeden Morgen und jeden Abend hundert Stockschläge. Der Chtaphlaräith will mich zwingen, ihn zu heiraten. Ich werde es aber nicht tun." Der Bruder sagte: "Meine Schwester, wenn er dich morgen wieder auffordert, ihn zum Manne zu nehmen, so sage zu ihm: ,Wo ist deine Seele!' Wenn du zu mir soviel Vertrauen hast, daß du mir sagest, wo deine Seele ist, will ich dir meine Seele schenken und will dich heiraten, sobald du das Fest bereitet hast.' Wenn ich erst weiß, wo die Seele des Chtaphlaräith ist, werde ich dich aus seinen Händen befreien."

Am andern Tage fragte der Chtaphlaräith die Schwester: "Willst du heute wieder deine Stockschläge haben, oder willst du endlich bereit sein, mich zu heiraten?"

Die Schwester antwortete: "Mein Chtaphlaräith, ich will dir den Grund sagen, weshalb ich mich bisher weigerte, dich zu heiraten! Hier sind noch neunundneunzig andere Mädchen. Ich weiß nicht, welchem du eines Tages, nachdem du mich geheiratet hast, eine Stellung über mir einräumen würdest. Ich will den heiraten, der mir volles Vertrauen und mehr Vertrauen entgegenbringt als anderen, und der mich nicht eines Tages erniedrigen wird. Zeige mir also Vertrauen, sage mir, wo deine Seele ist, und ich will dir meine Seele schenken. Sage mir, wo deine Seele ist, und ich werde dich heiraten, sobald du das Fest vorbereitet hast."



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Chtaphlaräith sagte: "Ich werde es dir sagen. Meine Seele ist dort in dem Loch in der Wand." Die Schwester stieß einen Jubelschrei aus. Sie ergriff den Stein der roten Farbe und zeichnete Bilder (in Wahrheit Ornamente, Punkte und Linien; kabylischer Ausdruck ist Sing.: hethuicht; Plural: hethuaken) auf die Mauer um das Loch (ein Zeichen der Verehrung und Hochschätzung). Chtaphlaräith sagte: "Nicht doch, meine Seele ist nicht in dem Loche, sie ist in dem Akufi." Die Schwester begann sogleich mit dem roten Stein Bilder auf den Akufi zu zeichnen. Chtaphlaräith sagte: "Ich sehe nun, daß du es gut mit mir meinst. Aber meine Seele ist nicht in dem Loche und nicht in dem Akufi. Jetzt, wo ich Vertrauen zu dir habe, will ich dir sagen, wo meine Seele wirklich ist und wo kein Mensch sie je wird erreichen können: Meine Seele ist ein Seidenfäden (=l'chettr laharir, laharir für Seide, ist arabisch). Der Seidenfäden ist in einem Ei. Das Ei ist im Leibe eines Rebhuhns. Das Rebhuhn lebt im Bauche einer Kamelstute. Die Kamelstute ist in einem Felsen inmitten des Meeres." Das Mädchen sagte: "Ich danke dir. Nun rüste das Fest!"

Als es Nacht war, schlich das Mädchen zu ihrem Bruder und sagte zu ihm: "Die Seele des Chtaphlaräith ist ein Seidenfäden. Der Seidenfäden ist in einem Ei. Das Ei ist im Leibe eines Rebhuhns. Das Rebhuhn ist im Bauche einer Kamelstute. Die Kamelstute ist in einem Felsen inmitten des Meeres."

Am andern Morgen trieb der Bruder die Schafe des Chtaphlaräith auf die Weide am Rande des Meeres. Der Bruder des Mädchens hörte zwei kleine Vögel, die sprachen miteinander und sagten: "Wer in das Meer zu dem großen Felsen gelangen will, der muß den Stock Tha'aquesta-A'asphor haben. Der Stock (= tha'aquesta) ist der Sohn des Chtaphlaräith, er ist aufbewahrt im Hause des Chtaphlaräith. Man kann ihn finden. Wer mit dem Stock das Meer schlägt, macht das Meer zurücktreten. Dann liegt der Weg zu dem Felsen frei. Der schwarze Widder kann den Felsen zersprengen. Der Kamelstute können wir zwei das Rebhuhn nehmen. Wir können das Rebhuhn töten. Der Bursche kann das Ei auffangen."

Der Bruder verstand, was die beiden Vögel sagten. Der Bruder merkte sich alles genau. Abends bestieg er den schwarzen Widder und kam nach dem Haus des Chtaphlaräith. Der Bruder ging zu dem Mädchen, das an diesem Tage die Schafe melkte und sagte zu ihm: "Mein Mädchen, im Hause des Chtaphlaräith muß der Stock Tha'aquesta-A'asphor sein. Wenn ihr neunundneunzig Mädchen



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mir noch in dieser Nacht den Stock sucht und findet und ihn mir morgen früh bringt, ehe ich die Schafe zur Weide treibe, kann ich euch noch morgen aus dem Hause des Chtaphlaräith befreien." Die neunundneunzig Mädchen suchten die ganze Nacht nach dem Stocke Tha'aquesta-A'asphor. Sie fanden ihn. Sie brachten ihn dem Bruder. Er nahm ihn mit sich, als er am andern Morgen die Schafe auf die Weide trieb.

Der Bruder ging an das Ufer des Meeres. Er schlug mit dem Stock Tha'aquesta-A'asphor in das Meer. Das Meer trat zurück. Der Weg zu dem großen Felsen wurde frei. Der Bruder ging mit dem schwarzen Widder zu dem großen Felsen in der Mitte des Meeres. Der Widder rannte mit seinen Hörnern gegen den Felsen. Der Felsen öffnete sich. Die riesengroße Kamelstute trat heraus. Da wurde daheim Chtaphlaräith schon von einem schweren Fieber befallen. Einer der beiden Vögel flog auf den Kopf der riesengroßen Kamelstute und öffnete ihr das Maul. Das Rebhuhn flog aus dem Maul und wollte in die Ferne fliegen. Der andere Vogel stieß auf das Rebhuhn herab und riß ihm den Bauch auf. Da fiel das Ei heraus und der Bruder fing es auf. — Im Hause fiel der Chtaphlaräith in eine schwere Ohnmacht.

Der Bruder nahm das Ei. Er bestieg den schwarzen Widder und ritt so schnell er konnte zu dem Hause des Chtaphlaräith. Chtaphlaräith erwachte aus seiner Ohnmacht und sagte (mit schwacher Stimme): "Töte mich nicht, und ich will dir alles geben, was ich habe." Der Bruder sagte: "Nein, ich lasse dich nicht am Leben!" Der Bruder zerbrach das Ei. Chtaphlaräith fiel hin. Der Bruder verbrannte den Seidenfäden. Chtaphlaräith starb. Der Bruder warf die Leiche des Chtaphlaräith in das Meer.

Der Bruder rief nun alle Hirten im weiten Lande zusammen. Er gab jedem der Hirten eines der neunundneunzig Mädchen zur Frau. Seine Schwester verheiratete er an den Schäfer, der mit ihm die Kleider getauscht hatte. Er selbst ward ein großer Agelith und machte den Schäfer, den seine Schwester geheiratet hatte, zu seinem Usir.


12. Das Leben im Ei

Ein junger Hirt (= amiksa; Plural: imichsäün) weidete die L., Schafe seines Vaters in der Steppe (= thamrischt). Der Schakal hatte großen Hunger. Er kam zu dem Hirten und fragte ihn:



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"Kannst du mir nicht etwas zu essen geben?" Der junge Hirt sagte: "Du weißt, daß du mein Feind bist (Feind =athäu). Und jetzt willst du von mir Essen haben?" Der Schakal sagte: "Ja, ich bitte dich darum. Der, der gestern dein Feind war, kann morgen dein Freund (= äth[e]diak) sein." Der junge Hirt gab darauf dem Schakal ein Schaf. Der Schakal fraß es.

Abends trieb der junge Hirt seine Herde heim. Der Vater zählte die Schafe. Er fand, daß eines fehlte. Der Vater fragte den Hirten: "Wo ist das Schaf geblieben?" Der junge Hirt sagte: "Ein Schaf war sehr müde. Es blieb zurück und wurde vom Schakal gefressen." Der Vater schlug seinen Sohn und sagte: "Verlasse mein Haus!" Der Vater verjagte seinen Sohn.

Der junge Hirt ging. Er legte sich unter einen Feigenbaum. Als es Abend war, weinte er. Als es Nacht wurde, kam der Schakal und sagte zu ihm: "Komm, mein Freund und folge mir!" Der Hirt ging mit dem Schakal. Der junge Hirt blieb in der Nacht bei dem Schakal. Als aber der andere Morgen anbrach, fror ihn, denn er hatte nur wenige Kleider bei sich. Der Schakal sagte: "Komm, ich will dir Kleider verschaffen. Verstecke dich dort am Brunnen. Es kommen die Burschen vorüber, die zur Schule gehen. Ich werde sie locken, daß sie mir folgen. Wenn sie mir nachlaufen wollen und ihre Kleider wegwerfen, nimm die Kleider und komm dann in jenen Wald. Dort treffen wir uns wieder."

Die Burschen kamen. Der Schakal lief ihnen hinkend über den Weg. Die Burschen sahen ihn und riefen: "Ein hinkender Schakal!" Die Burschen warfen die Kleider weg, die sie im Laufen hinderten und rannten hinter dem Schakal her. Inzwischen aber kam der Bursche, nahm die Kleider, die er brauchte und lief mit ihnen in den Wald. Der Schakal lief einige Zeit hinkend vor den Burschen her. Als er sie weit genug weggelockt hatte, machte er aber einen weiten Satz und sprang auch in den Wald von dannen. Im Walde traf er wieder den Burschen.

Der Schakal sagte zu dem Burschen: "Nun komm mit mir. Ich kenne das Haus einer alten und sehr reichen Frau. Wir wollen sehen, ob wir nicht ihre Schätze für dich gewinnen können." Sie gingen zusammen durch den Wald. Sie kamen zu dem Hause der alten Frau. Sie klopften an und fragten: "Meine Mutter, dürfen wir uns bei dir zu Gaste laden?" (sich selbst einladen = larath; sich Selbsteinladender =inävgi; Plural: inäfgauen). Die alte Frau sagte: "Kommt nur herein. Ich habe eine Kammer, in der könnt



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ihr schlafen. Ich habe ein Huhn, das werde ich schlachten, und ich werde euch ein gutes Essen bereiten. Bis morgen dürft ihr bleiben!" Der Bursche und der Schakal kamen herein.

Die alte Frau bereitete ihnen ein Essen. Sie aßen. Als es Nacht geworden war, saßen der Schakal, der Bursche und die alte Frau noch beieinander und plauderten miteinander (plaudern = l'hathrar; sprechen im Sinn von gewichtige Ansprachen usw. = thämthläith). Die alte Frau sagte: "Ich habe viel Gold. Aber es hat niemand gesehen, und es wird auch niemand sehen." Der Schakal fragte: "Kann man das Gold einmal betrachten?" Die Alte sagte: "Das Gold zu sehen ist für dich zu schwer; es ist nämlich in meinem Bauch (=älrburt)." Der Schakal fragte: "Und wo hast du deine Seele ?" (=tharuicht, anscheinend aus dem arabischen aro[a]ch stammend). Die alte Frau sagte: "Meine Seele ist noch schwerer zu erlangen als mein Gold. Meine Seele ist in einem Ei. Das Ei ist in einem Rebhuhn. Das Rebhuhn ist in einem Widder (=ikerri). Der Widder ist in einem Felsen (=adrar). Der Felsen liegt in der Mitte des Meeres. (Für Meer gebrauchen die alten Kabylen auch hier das Wort: thämda-misseba, was eigentlich Seen [=thämda] sieben heißt. Das Meer besteht nach Anschauung dieser alten Leute aus sieben Seen.) Der Schakal war über diese Mitteilung sehr erstaunt (erstaunt, verblüfft sein =l'ma'ajba). Er sagte nichts, ging zum Schlafen und dachte viel darüber nach.



***
Am andern Morgen verabschiedeten sich der Schakal und der Bursche von der Alten und machten sich auf den Weg. Sie waren ein gutes Stück gegangen, da kamen sie zu zwei Burschen, die schlugen sich. Der Schakal sagte: "Was schlagt ihr euch?" Die Burschen sagten: "Wir schlagen uns um einen Stock. Es ist ein Stock, mit dem kann man das Meer trocken machen." Der Schakal sagte: "Schlagt euch nicht darum. Gebt mir den Stock. Ich will mich hier am Waidrande aufstellen. Nun geht dort bis auf den Hügel. Wenn ich rufe, fangt ihr an zu laufen. Wer zuerst bei mir ankommt, bekommt den Stock. Seid ihr damit einverstanden?" Die beiden Burschen sagten: "Ja, so wollen wir es machen." Sie gingen.

Während die Burschen zu der Stelle gingen, die ihnen bezeichnet war, begann der Schakal sogleich einen Ast am Waldrande abzubrechen, und daraus schnitzte er einen Stock, der sah genau so aus, wie der, mit dem man das Meer trocken machen kann. Die Burschen



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waren auf dem Hügel angekommen. Sie riefen: "Sollen wir anfangen?" Der Schakal sagte: "Seid ihr beide auf dem Hügel?" Die Burschen riefen: "Ja, wir sind beide auf dem Hügel!" Der Schakal rief: "Dann lauft." Die beiden Burschen liefen, so schnell sie konnten. Der eine kam eher an als der andere. Der Schakal gab ihm den Stock, den er geschnitzt hatte und sagte: "Du hast dir den Stock, mit dem man das Meer trocken machen kann, redlich verdient. Nimm ihn." Er gab dem Burschen den falschen (=n'dirri) Stock und behielt den richtigen (= la'ali).

Der Schakal ging mit dem Burschen und dem Stock, mit dem man das Meer trocken machen konnte, weiter und kam mit ihm zu einer Stelle, da hatte ein Schakal einen Adler gepackt und wollte ihn erwürgen. Der Schakal warf sich auf seinen Bruder, biß ihn und sagte: "Laß meinen Freund los!" Der gebissene Schakal ließ den Adler frei. Der Adler stürzte sich auch auf den gebissenen Schakal. Der gebissene Schakal eilte, sobald er sich drücken konnte, eilig von dannen. Der Adler sagte: "Jetzt bin ich euer Freund." Der Schakal sagte: "So komme mit uns."

Der Schakal mit dem Stock, mit dem man das Meer trocken machen konnte, der Bursche und der Adler gingen weiter und kamen an eine Stelle, an der ein Löwe mit einem Stier kämpfte. Der Löwe war dem Stier in den Nacken gesprungen und wollte ihn tot beißen. Der Schakal sah dies und lief nahe zu dem Besitzer des Stieres: "Awawdth! Awawdth (Besitzer, Besitzer), komm schnell! Dein Stier ist in Lebensgefahr!" Darüber erschrak der Löwe und rannte, so schnell er konnte, von dannen. Der Stier aber sagte zum Schakal: "Jetzt bin ich dein Freund!" Der Schakal sagte: "So komm mit uns."

Der Schakal mit dem Stock, mit dem man das Meer trocken machen konnte, der Bursche, der Adler und der Stier kamen zusammen an das Meer. Der Schakal schlug mit dem Stock auf das Ufer. Da ward das Meer sogleich trocken. In der Mitte des Meerbodens lag ein großer Fels. Der Stier rannte mit den Hörnern auf den Felsen zu. Der Felsen barst. Aus dem Felsen sprang ein Widder hervor. Der Schakal sprang auf den Widder, biß ihn tot und riß ihm den Leib auf. Aus dem Leib kam ein Rebhuhn empor. Das Rebhuhn flog hoch. Der Adler stieß auf das Rebhuhn und biß es tot. Als das Rebhuhn starb, fiel ein Ei heraus. Der Bursche sprang schnell herzu und fing das Ei auf.

Als das Rebhuhn das Ei fallen ließ, bekam die alte Frau in ihrem



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Hause das Fieber. Der Schakal und der Bursche kehrten aber mit dem Ei zu dem Hause zurück. Als sie an die Türe der Hütte der alten Frau kamen, ließ der Bursche das Ei fallen. Das Ei zerbrach auf der Schwelle. Die alte Frau starb.

Der Schakal schnitt der alten Frau den Leib auf. Sie fanden darin ein sehr schönes Mädchen, das hatte im Haare das Bild des aufgehenden Mondes (=ajur -) und auf dem kleinen Finger einen Ring (=thächäthend). Als sie das Mädchen herausgenommen hatten, wuchs es sehr schnell.

Eines Tages steckte der Bursche den Fingerring an die eigne Hand. Er ging damit in die Stadt. In der Stadt sah er einen Juden. Der Jude sah den Ring. Er sagte zu dem Burschen: "Verkauf mir den Ring. Ich will dir den Ring abkaufen. Was willst du für den Ring haben?" Der Bursche sagte: "Wieviel gibst du mir?" Der Jude sagte: "Ich gebe dir ioo Goldstücke." Dann sagte er: "Ich gebe dir 500 Goldstücke." Dann sagte er: "Ich geb dir 1000 Goldstücke." Der Bursche sagte: "Ich will es mir überlegen." Der Bursche ging nach Hause und erzählte dem Schakal, was ihm der Jude für den Ring geboten habe. Der Bursche sagte zu dem Schakal: "Was meinst du dazu?" Der Schakal sagte: "Nein, gib den Ring nicht." Der Schakal steckte den Ring dem Mädchen an. Das Mädchen sprach zum erstenmal. Das Mädchen sprach einen Wunsch aus. Der Wunsch war sogleich erfüllt.

Der Bursche heiratete das Mädchen. Er ward ein großer Agelith über alles Land und erhielt, was er wünschte.



13. Die Schatzhöhle der Wuarssen

Es waren einmal (=l'laen) zwei Brüder, von denen war der ältere reich und seine Kinder waren Knaben, während der jüngere sehr arm war und als Kinder nur Mädchen hatte. Sie wohnten in zwei Gehöften, die einander sehr nahe lagen. Der Arme schlug sich mühsam durch und hatte es schwer, jeden Tag sein tägliches Brot zu erhalten. Der Reiche half dem jüngeren hierbei nie.

Eines Tages ging der Arme in den Wald, um Holz zu schlagen, das er in die Ortschaft tragen wollte, um es zu verkaufen. Nachdem er lange und schwer gearbeitet hatte, setzte er sich auf einen Baumstumpf und ruhte aus. Er saß so einige Zeit, da hörte er aus der Entfernung Geräusch herankommen. Er verhielt sich ganz still und



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sah, wie sieben Wuarssen durch den Wald auf einen Felsen zugingen und da stehen blieben.

Einer der Wuarssen trat dann vor und sagte zu dem Felsen: "Öffne dich!" ("oelli!"). Darauf sprang der Felsen weit auseinander und bildete das Tor zu einer großen Höhle, in die der Arme gut hineinsehen konnte, da sie seinem versteckten Ruheplätze gerade gegenüber lag. Er sah, daß in der Höhle allerhand und außerordentliche Schätze aufgespeichert waren. Die sieben Wuarssen gingen in die Höhle, hielten sich einige Zeitlang darin auf und kamen dann wieder heraus. Als alle sieben herausgetreten waren, sagte einer von ihnen zum Felsen gewendet: "Schließe dich!" ("s[e]kórr!") Darauf trat das Felsentor wieder zusammen und schloss sich, so daß nichts mehr von alledem zu sehen war. Dann verließen die sieben Wuarssen den Platz vor dem Felsen und entfernten sich durch den Wald auf demselben Wege, auf dem sie gekommen waren.

Nachdem einige Zeit seit dem Weggange der sieben Wuarssen verstrichen war, erhob sich der Arme, legte sein Holzbeil beiseite, trat auf den Felsen zu und sagte wie der Wuarssen: "Öffne dich!" Genau wie bei den Worten des Wuarssen klaffte der Felsen auseinander und zeigte ein großes Tor, durch das der Arme nun viel deutlicher in die Höhle sehen konnte, weil er dicht davor stand. Der Arme trat ein. Vornan standen sieben Platten mit Kuskus, der duftete wundervoll. Daneben lag in einer Nische hoch aufgeschichtet ein mächtiger Haufen von Gold. Der Arme rührte den Kuskus nicht an, denn er war an Mäßigkeit gewohnt und hatte nur den einen Gedanken, bei dieser Gelegenheit für sich und seine Kinder ohne jeden Zeitverlust soviel zu gewinnen, daß er ein für allemal für das tägliche Brot genug habe. Er nahm also seinen Burnus (= teschlucht) ab und füllte ihn voll Gold. Er hob von Zeit zu Zeit das Bündel, um zu sehen, daß es auch nicht zu schwer werde. Er war aber als armer Mann, der gewohnt war, sein tägliches Essen durch Holzschlagen und Holztragen zu verdienen, im Tragen geübt und konnte so eine ganze Menge von dannen bringen. Er schulterte seine Last und trat aus der Höhle. Er wandte sich noch einmal um und sagte: "Schließe dich!" Darauf schloß sich das Tor hinter ihm, und der Felsen stand als ungetrennte Masse da wie vorher.

Der Arme trug seine Last mit Gold nach Hause und gleich in seine Kammer. Er legte sie in ein Loch und deckte es zu. Dann trat er



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heraus, um sich von der Arbeit etwas zu erholen, und endlich sagte er zu seiner ältesten Tochter: "Geh doch einmal hinüber zu meinem älteren Bruder und bitte ihn, mir das Maß für eine Stunde zu leihen." Das Mädchen lief zu dem älteren Bruder hinüber und richtete die Bestellung aus. Der ältere Bruder, der sehr reich war, seinem Bruder aber niemals etwas gönnte, dachte bei sich: "Was mag dieser arme Tropf zu messen haben! Der Mensch ist doch so arm, daß er nicht einmal ein Stück Sandfeld besitzt, das er ausmessen könnte. Ich werde aber schon in Erfahrung bringen, was es da drüben mit einem Male zu messen gibt." Er strich also auf den Boden des Meßgefäßes etwas Harz und gab es dann der Tochter des Bruders. Der jüngere, arme Bruder empfing das Maß, ging damit in seine Kammer, schloß sie hinter sich ab und begann das Gold der Wuarssen zu messen. Er verdeckte den Schatz sehr sorgfältig und gab das Gefäß seiner Tochter mit dem Auftrage, es dem älteren Bruder wieder zurückzubringen. Er bemerkte dabei aber nicht, daß an dem auf den Boden des Gefäßes gestrichenen Harz ein Stück Gold hängen geblieben war.

Als der ältere reiche Bruder, der seinem armen Bruder nichts gönnte, also das Gefäß aus den Händen seiner Nichte entgegengenommen hatte, eilte er damit sogleich in das Haus und an das Feuer, um bei dessem Schein festzustellen, was der Bruder wohl gemessen habe. So fand er denn am Boden des Gefäßes das am Harze festgeklebte Gold. Der Mann setzte das Gefäß auf den Boden, schlug die Hände zusammen und rief: "Was, dieser Bursche, der immer nichts besitzen will, dieser Tropf, der immer den Armen macht, dieser Nichtsmensch, der kein Maß voll Ackererde zu haben behauptet, hat das Gold in solcher Fülle, daß er es schon mit einem Getreidescheffel ausmißt? Ho! Da soll er denn doch gleich mit mir teilen. Ho! Mir, dem älteren Bruder, soll er schon genug abgeben."

Der ältere reiche Bruder ergriff ein Beil und rannte voller Wut in das Haus des jüngeren armen Bruders, den er in seiner Kammer traf. Sofort lief er mit dem Beile auf ihn zu und sagte: "Du hast ja jetzt schon so viel Gold, daß du es mit dem Scheffel ausmißt. Schnell sage mir, wie ich auch zu solchem Reichtum kommen kann, oder ich töte dich. Schnell, sage es!" Der jüngere Bruder suchte den älteren zu beruhigen und sagte: "Aber, mein älterer Bruder, ich dachte immer, du wärest reich und für dich bedeute das Gold und das Brot nichts! Ich sehe nun, daß du noch mehr besitzen möchtest,



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und ich will dir gerne sagen, wie du dazu kommen kannst. Es ist nicht nötig, mich deswegen totzuschlagen. Ich rate dir überhaupt, bei der Sache bedächtig und überlegt zu handeln, denn die Sache ist eine Angelegenheit der Wuarssen, die mit uns Menschen übel umgehen, wenn sie unserer habhaft werden."

Der jüngere Bruder schilderte also dem älteren alle seine Erlebnisse, er bezeichnete ihm genau die Stelle, an der er den Felsen finden würde, und ermahnte ihn zum Schluß, ja recht sorgfältig und nachdenklich zuwege zu gehen, indem er ihn nochmals auf die große Gefahr aufmerksam machte. Der ältere Bruder sagte aber: "Deine Redereien und Ratschläge kannst du dir sparen. Ich weiß mit Gold besser umzugehen als du, denn ich habe meine Erfahrung. Und was du, der Jüngere, fertig bekommst, das kann ich, der Ältere, noch allemal!" Damit entfernte er sich und ging nach Hause.

Am gleichen Abend legte sich der Reiche noch fünf Fellsäcke zurecht, die er am andern Tage mit Gold zu füllen gedachte. Die ganze Nacht hindurch schlief er aber nicht, so aufgeregt war er, in der Hoffnung, morgen diese große Menge Gold nach Haus bringen zu können. Als die Sonne aufging, hatte er sich schon zurecht gemacht und lief so schnell er laufen konnte nach dem Walde zu der Stelle, die der jüngere Bruder ihm bezeichnet hatte.



***
Der Reiche erkannte den Felsen sogleich. Er schrie ihn laut an: "Öffne dich!"worauf der Felsen sich zudem großen Tore öffnete, das in die Höhle führte. Der Reiche ging hinein. Sein erster Blick fiel auf die sieben Schalen mit Kuskus, der so wundervoll duftete, daß der Reiche, der gewöhnt war, alles Leckere, was sich ihm zeigte, für sich zu fordern, sogleich darüber herfiel. Er warf die Fellsäcke hin und begann von dem Kuskus der ersten Platte zu essen, und das schmeckte ihm so ausgezeichnet, daß er mit der zweiten fortfuhr und nicht eher aufhörte, als bis der letzte Brocken der letzten Schale völlig verzehrt war. Dann war der Reiche aber auch so vollgefüllt von Kuskus, daß es ihm schwer wurde, sich zu erheben.

Er sah nun das Gold, das in der Nische aufgespeichert lag. Er nahm seine fünf Lederbeutel, hockte sich nieder und füllte alle fünf mit Gold, bis in keinen einzigen mehr etwas hinein ging. Danach wollte er sich nun auf den Heimweg machen und nahm die fünf Säcke mit Gold auf. Er war aber als Reicher nicht gewöhnt, Lasten zu tragen. Dann hatte er das Maß dessen, was ein Mann zu tragen



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imstande ist, vollkommen überschätzt, und endlich hatte er sich so voll gegessen, daß er sich kaum bewegen konnte. Erst wurde ihm schon das Aufstehen schwer. Dann konnte er die fünf gefüllten Säcke kaum emporheben, und endlich kam er mit der Last nicht durch das Tor, weil er zu gemästet war. Er suchte sich hindurchzuzwängen. Die Säcke blieben auf beiden Seiten am Felsen hängen. Er zog mit aller Gewalt. Mit alledem hatte er sehr viel Zeit verloren, hatte sich nun aber beinahe glücklich durch das Tor hindurchgepreßt, als er in der Entfernung ein Geräusch hörte, das augenscheinlich von den sieben Wuarssen ausging, die durch den Wald auf den Felsen und die Höhle zukamen.

Als der Reiche das Geräusch hörte, packte ihn eine entsetzliche Furcht. Jetzt fiel ihm erst ein, was der Bruder von der Gefahr erzählt hatte, in die er sich begeben würde. Der Reiche dachte jetzt nur noch daran, wie er dem Schicksal, verschlungen zu werden, entgehen konnte. Er ließ die schweren Ledersacke mit Gold fallen. Er sprang durch das Tor und vergaß in der Eile dem Felsentor zu befehlen, sich zu schließen. Das Felsentor blieb offen. Der Reiche sah sich draußen nach einem Schlupfwinkel um, in dem er sich verstecken könne. Er sah in der Nähe eine Grube. In diese Grube pflegten die Wuarssen die Leichen der Menschen, die sie getötet hatten, zu werfen, um sie für eine Zeit aufzuheben, in der sie Hunger hatten. Der Reiche stieg in die Grube und versteckte sich zwischen den Leichen.

Die sieben Wuarssen kamen. Die sieben Wuarssen sahen, daß das Felsentor geöffnet war. Sie sahen die mit Gold gefüllten Fellsäcke am Boden liegen. Sie sahen, daß die sieben Schalen mit Kuskus leer gegessen waren und machten sich sofort auf die Suche nach dem Diebe, der hier gewesen sein mußte. Einige suchten am Boden nach der Spur und entdeckten bald die Spur des Reichen, die in die Grube mit den Leichen führte. Die Spur führte nicht wieder aus der Grube heraus. Der Dieb mußte sich also zwischen den Leichen versteckt halten. Die Wuarssen zündeten nun ein Feuer an und machten ein spitzes Eisen darin glühend. Mit dem glühenden Eisen berührten sie dann in der Grube einen Körper nach dem andern. Als sie den glühenden Eisenstachel dem Reichen in den Leib stachen, schrie er vor Schmerz laut auf. Die Wuarssen sagten: "Das ist der Lebendige! Das ist der Dieb!"

Die sieben Wuarssen zogen den Reichen aus der Grube. Sie töteten ihn oben, dann aßen sie einiges, und zuletzt hingen sie den blutenden



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Körper zur Warnung für andere an der Decke der Höhle auf, so daß er lang herunter hing. Nachdem sie dieses getan, verließen sie die Höhle. Einer von ihnen wandte sich um und sagte: "Schließe dich!" Da schloß sich das Felsentor, und der Felsen stand wieder als eine große geschlossene Steinmasse ohne Riß und Fuge da. Die sieben Wuarssen gingen von dannen wie sie gekommen waren.




***
Am gleichen Abend sandte der jüngere Bruder in das Gehöft-des älteren hinüber und ließ fragen, wo sein Bruder wäre. Die Frau ließ antworten, der ältere Bruder sei ganz früh am Tage weggegangen und seitdem noch nicht wiedergekommen. Der jüngere Bruder sagte bei sich: "Dann ist mein älterer Bruder sicherlich von den Wuarssen getötet, und das war sowieso zu fürchten, denn er war von Natur gierig und wollte von allem immer zu viel essen. Ich werde mich morgen früh selbst auf den Weg machen und nach meinem Bruder sehen."

Am andern Morgen ging der jüngere Bruder in den Wald zu dem Felsen, vor dem er am ersten Tage die sieben Wuarssen hatte sprechen hören. Er sagte zu dem Felsen: "Öffne dich!" Der Felsen klaffte auseinander, und der jüngere Bruder konnte durch das Tor in die Höhle sehen, in der dicht am Eingange die fünf Lederbeutel mit Gold lagen, in der die leergegessenen Kuskusschalen standen und von der Decke der blutende Leichnam seines Bruders herabhing. Der jüngere Bruder sagte: "So dachte ich es mir! Er wollte immer zu viel essen. Aber begraben werde ich ihn doch, und die Wuarssen sollen seinen Leichnam nicht zur Schande meiner Familie hängen haben."

Der Jüngste nahm den Leichnam seines Bruders von der Decke und schleppte ihn auf dem Rücken von dannen. Als er draußen war, wandte er sich noch einmal zu dem Tore und sagte: "Schließe dich!" Der Felsen schloß sich. Der jüngere Bruder schleppte den Leichnam auf dem Rücken immer weiter, bis er in seinem Gehöft ankam. Unterwegs tropfte der blutende Leichnam und hinterließ eine Spur von Blutstropfen. Es lief aber eine Schildkröte (= ifkerr) hinter dem jüngeren Bruder und seiner Leichenlast her und deckte unterwegs überall Erde auf die Blutstropfen, so daß die Blutspur verwischt war. Als der jüngere Bruder mit der Leiche des älteren auf dem Rücken in seinem Gehöft angelangt war, meldete sich die Schildkröte und sagte: "Ich bin von der Höhle der Wuarssen bis hierher immer hinter dir hergelaufen und habe über alle Blutstropfen,



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die von der Leiche deines Bruders herabgefallen sind, Erde gestrichen, damit die Wuarssen die Spur verlieren und dich nicht finden. Für diese Arbeit zahle mir!" Der jüngere Bruder sagte: "Diese Arbeit zahle ich dir nicht, ich habe dich nicht damit beauftragt; du hättest mich vorher fragen sollen, ob sie mir recht ist."

Die Schildkröte wurde darüber böse. Die Schildkröte sagte: "Nun habe ich die ganze Arbeit umsonst gemacht. Wenn ich sie aber einmal umsonst gemacht habe, kann ich sie auch zweimal umsonst machen." Die Schildkröte lief also zurück und kratzte von allen Blutstropfen die Erde wieder ab, so daß sie wieder frei zutage lagen.

Am Abend kamen die Wuarssen zu ihrem Felsen zurück. Sie sahen, daß der Felsen geschlossen war. Ein Wuarssen trat vor und rief: "Öffne dich!" Sogleich öffnete sich der Felsen. Die Wuarssen blickten durch das Tor. Sie sahen, daß der Leichnam des erschlagenen älteren Bruders weggenommen war. Die sieben Wuarssen sahen sich staunend an. Sie wandten sich um. Sie suchten am Boden. Sie fanden die Spur. Sie liefen der Spur, die die Schildkröte erst zugedeckt, dann aber wieder freigelegt hatte, entlang. Die Wuarssen kamen zu dem Gehöft des jüngeren Bruders. Der jüngere Bruder wußte, daß die Wuarssen kommen würden. Er schaute hinaus, bis er sie in der Ferne kommen sah. Dann ging er ihnen entgegen.

Der jüngere Bruder lud die Wuarssen ein, sein Haus zu betreten und bei ihm zu speisen. Die sieben Wuarssen nahmen an. Er führte die sieben Wuarssen in eine Kammer, um die an den Wänden Häcksel und Stroh aufgeschichtet war. Er ging hinaus, das Essen zu holen. Er zündete den Häcksel und das Stroh an. Das ganze Haus mit den Wuarssen darin brannte ab.



14. Der singende Vogel (Tir Lemechcheni)

(Vgl. Bd. III Nr. 39 S. 155)

Ein Mann heiratete im Laufe der Jahre drei Frauen, von denen er je einen Sohn hatte. Am meisten liebte er seine jüngste Frau und deren Sohn, denn sie waren nicht wie die beiden älteren Frauen und deren Söhne gierig nach seinem Gelde. Seit er seine drei Söhne hatte, dachte er viel daran, sie gut zu verheiraten und ihnen gute Frauen zu geben. Der Charakter seiner beiden ältesten Söhne war ihm aber bedenklich, und so zögerte er, bis er achtzig



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Jahre alt war. Eines Tages bedachte er aber sein Alter, und er sagte in Gegenwart seiner Frauen: "Ich bin nun achtzig Jahre alt. Meine Söhne sind alt genug, um Frauen zu bekommen. Mein Schwanken ist unrecht. Meine Söhne sollen nun nach ihren Verdiensten heiraten."

Nachdem der Alte das gesagt hatte, verfiel er aber wieder in seine Gleichgültigkeit, kam für einige Zeit nicht wieder auf die Sache zu sprechen, und da er sowieso niemals sehr viel sprach, so schien die Sache für einige Zeit erledigt. Nun nahm eines Tages die erste Frau die zweite zur Seite und sagte zu ihr: "Wir beide sind miteinander befreundet und wissen, was wir wollen, während die dritte töricht ist. Trotz dieser Torheit zieht unser Mann die dritte und ihren Sohn uns und unseren Söhnen vor, und da er alt und schwerfällig wird, so müssen wir sehen, unsern Söhnen und uns selbst eine hervorragende Stellung zu geben." Die andere Frau sagte: "Du hast recht. Wir wollen unsere dritte Frau, und unsere Söhne sollen ihren jüngsten Bruder zur Seite schieben. Und da unser Mann von einer Abmessung der Verdienste gesprochen hat, so wollen wir sehen, daß er allen seinen drei Söhnen eine Aufgabe gibt, bei deren Lösung unsere beiden Söhne den dritten Burschen in Schande bringen und damit auch deren Mutter aus der Vorzugsstellung verdrängen können."

Nachdem die beiden sich derart geeinigt hatten, gingen sie gemeinsam zu einer alten Frau, die im gleichen Orte wohnte und durch ihre Schönheit berühmt war. Sie zogen die Alte beiseite, gaben ihr einiges Geld, sprachen ihre Wünsche aus und versprachen ihr ein noch größeres Geschenk, wenn sie mit gutem Ratschlag diene. Die Alte sagte: "Es ist schon gut. Ich werde eurem alten Manne einen Rat geben, der für eure Söhne alle gewünschte Möglichkeit gibt, und eure Söhne müssen mehr als dumm sein, wenn es ihnen im Verlauf der Sache nicht gelingt, ihren Bruder in Schande und seine Mutter in den Hundestall zu drängen."

Nach einigen Tagen kam die Alte in das Gehöft des achtzigjährigen Mannes, besprach mit ihm dies und das und sagte endlich: "Wo bei uns am Berge so tüchtige, junge Männer wohnen, da sollte doch einer einmal den Tir lemechcheni (den singenden Vogel) holen. Es wäre ein Stolz für uns alle und eine große Auszeichnung für den, der die Sache ausführt." Der Alte hörte das und merkte es sich wohl. Als sie gegangen war, rief er seine Söhne und sagte:



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"Ich möchte wohl den singenden Vogel haben. Zieh du, mein Ältester, zunächst einmal aus und sieh, ob du ihn zu gewinnen imstande bist." Der älteste Sohn sagte: "Es ist mir recht. Ich will dir den singenden Vogel bringen." Dann machte er sich sogleich reisebereit.

Der älteste Sohn brach am andern Tage früh auf. Er wanderte den ganzen Tag über und kam in einen großen Wald. In dem Walde legte er sich mit Anbruch der Dunkelheit nieder und schlief. Am andern Tage erhob er sich und sah sich um, wo er wohl irgendeinen Menschen sähe, der ihm Rat geben könne. Endlich traf er auf eine alte Frau, die hütete die Schafe. Er begrüßte die alte Frau und sagte: "Kannst du mir vielleicht sagen, ob ich auf dem rechten Wege zu dem singenden Vogel bin?" Die Alte sagte: "Gewiß bist du auf dem rechten Wege. Es ist aber für heute zu spät geworden, um bis dahin zu gelangen. Kennst du niemand hier im Lande?" Der Älteste sagte: "Ich kenne niemand." Die Alte sagte: "So sei heute zum Abendessen mein Gast. Dann kannst du morgen in aller Frühe den Weg zum singenden Vogel antreten. Willst du das annehmen?" Der Älteste sagte: "Ich bin damit einverstanden."

Gegen Abend zog er mit der Alten heim. In ihrem Hause angekommen, fragte sie: "Willst du zum Abendessen ein weibliches oder ein männliches Tier essen?" Der Älteste sagte: "Es ist mir ganz gleich. Setze nur vor, was dir paßt." Die Alte schlachtete nun ein Schaf, kochte es und setzte es auf den Tisch. Der Älteste setzte sich an den Tisch und aß. Als er fertig war, sagte die Alte: "Ich habe einen Sohn; mein Sohn kämpft mit jedem, der bei mir eingeladen ist. Bist du bereit?" Der Älteste sagte: "Ich bin bereit."

Nun war dies Kind der Alten aber kein Sohn, sondern eine Teriel (Zauberweib), die in Männerkleidung ging, aber sehr stark war und bis jetzt noch jeden Mann überwunden hatte. Die Teriel kam herein, der Älteste wollte gegen sie angehen. Sie aber packte ihn und schlug ihn zu Boden. Hierauf zog sie ihm alle Kleider vom Leibe, nahm sein Geld an sich und warf den nackten Mann in die Baerka (ein Speicherloch, in dem gewöhnlich Oliven aufbewahrt werden). Das Loch deckte sie zu.

Vierzehn Tage verstrichen, ohne daß der achtzigjährige Mann etwas von seinem ältesten Sohne hörte. Darauf begann er sich um ihn zu sorgen. Er rief seine andern Söhne und sagte: "Von eurem ältesten Bruder hörte ich nichts, seitdem er ausgezogen ist, den singenden Vogel zu finden. Es wird Zeit, daß sich einer von euch



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nach ihm umsieht. Willst du, mein Zweiter, ausziehen, deinen Bruder und den Vogel zu suchen?" Der zweite Sohn war sogleich bereit. Er machte sich reisefertig, schlief noch eine Nacht daheim und machte sich am andern Morgen früh auf die Wanderschaft.

Der zweite Sohn wanderte wie der älteste den Tag über, bis er an den Wald kam, in welchem er übernachtete. Wie der älteste Sohn traf er am andern Morgen auf die Schafhirtin, die er um Auskunft bat und die ihn zum Essen einlud. Wie der älteste, sagte er, daß es ihm gleichgültig sei, ob ihm ein weibliches oder ein männliches Tier vorgesetzt werde. Wie der älteste aß er zu Abend und erklärte sich bereit, mit dem "Sohne" der Alten zu kämpfen. Wie den ältesten schlug die Teriel ihn nieder und beraubte ihn, um ihn dann zu dem älteren Bruder in die Speichergrube zu werfen.

Wiederum verstrichen vierzehn Tage, ohne daß der achtzigjährige Mann etwas von seinen ältesten beiden Söhnen hörte. Der alte Mann wurde sehr besorgt, rief seinen jüngsten Sohn herbei und sagte: "Mein Sohn, deine älteren Brüder sind beide ausgewandert, den singenden Vogel zu finden und heimzubringen. Sie sind beide schon seit langer Zeit fort, und es wird Zeit, daß man nach ihnen ausschaut. So frage ich dich denn, ob du bereit bist, auch den Weg anzutreten und deine Brüder zu suchen." Der Jüngste sagte: "Mein Vater, es ist früh am Tage, ich kann heute noch gehen." Der jüngste Bursche holte einen Säbel, nahm von seinem Vater Abschied und ging mit schnellen Schritten in der Richtung fort, in der die älteren beiden Brüder sich zur Suche nach dem singenden Vogel auf den Weg gemacht hatten.

Der jüngste Bursche kam auch in den Wald. Er übernachtete auch im Walde. Er traf ebenfalls am andern Morgen die Alte, mit der er über den Weg zum singenden Vogel sprach. Der Jüngste nahm ebenfalls die Einladung der Alten an. Als die Alte ihn aber fragte, ob er ein weibliches oder ein männliches Tier zum Abendessen haben wollte, brauste er auf und sagte: "Was, du bietest mir weibliches Tier an? Sehe ich dir aus, als ob ich weibliche Tiere esse? Einen Widder will ich essen und nichts andres!" Darauf schlachtete die Alte einen Widder und setzte ihn dem Burschen vor. Der Bursche griff gehörig zu und aß sich ordentlich satt. Als der Bursche fertig war, sagte die Alte: "Ich habe einen Sohn; mein Sohn kämpft mit jedem, der bei mir eingeladen ist. Bist du bereit?" Der Bursche lachte und sagte: "Ei, das ist ja ausgezeichnet. Es gibt für den, der sich ordentlich sattgegessen hat, nichts Angenehmeres als



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einen Zweikampf. Laß also deinen Burschen nur sogleich kommen!"

Darauf kam die Teriel herein. Der Bursche stellte sich breit hin und ließ die Teriel dicht an sich herankommen, dann versetzte er ihr mit der Rechten einen Schlag auf die Backe, so daß die Teriel lang hinschlug und sogleich tot war. Als sie niederfiel, sah der Bursche, daß er gar nicht mit einem Mann, sondern mit einer Teriel gekämpft hatte, denn sie schrie wie eine Frau. Bei dem Schrei kam die Mutter der Teriel angelaufen. Der Jüngste rief ihr sogleich entgegen: "Schnell, sage mir, wo meine Brüder sind." Die alte Frau schrie: "Ich weiß nichts von deinen Brüdern, ich bitte dich aber, laß mich am Leben." Dies hörten die in der Vorratsgrube eingeschlossenen zwei Brüder. Sie erkannten die Stimme ihres Bruders und riefen mit schwacher Stimme: "Unser Bruder, die Alte lügt! Wir sind in der Vorratsgrube eingeschlossen." Als der Jüngste das hörte, schlug er die Alte tot und ging dann hin, seine Brüder zu befreien.

Der Bursche fand seine Brüder abgezehrt, mit Wunden und Fliegen bedeckt. Er zog sie heraus, wusch, verband und kleidete sie und gab ihnen von allem Guten, was er im Hause der Alten fand zu essen. Darauf nahm er alles Geld und alles Wertvolle, was er im Hause der Alten finden konnte und zog mit seinen Brüdern von dannen, um den singenden Vogel zu suchen.



***
Sie waren ein gutes Stück gegangen, als sie in der Ferne ein Haus sahen. Der Jüngste versteckte seine Brüder im Walde, dann ging er auf das Haus zu und klopfte an. Sogleich öffnete eine Frau. Sie sah den Burschen und sagte: "Mein Bursche, lauf schnell und sieh, daß du nicht wieder in die Nähe dieses Ortes kommst. Denn mein Mann ist ein Wuarssen (= menschenfressender Riese), der die Kraft hat, fünfzehn Kriegshaufen (= Mahalla) in die Flucht zu schlagen, und der noch jeden getötet und verspeist hat, der in dieses Haus kam." Der Bursche sagte: "Der Wuarssen ist also nicht zu Hause?" Die Frau sagte: Nein, der Wuarssen ist tagsüber nicht daheim, er kommt aber jeden Abend um mogarob (= mit Sonnenuntergang) nach Hause. Lauf also schnell, damit dich mein Mann nicht in der Nähe findet."

Der Bursche lachte und sagte: "Habe keine Furcht für mich, ich denke, dein Wuarssen wird sich schon mit mir und meinem kleinen Säbel (=iskin) befreunden." Damit trat der Bursche in das



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Haus, und während die Frau voller Furcht fortlief und sich in der letzten Kammer versteckte, stellte der Bursche sich mit dem Säbel hinter die Tür und wartete die Zeit des Sonnenunterganges ab.

Als die Sonne dem Untergang nahe war, hörte der Bursche in der Ferne ein starkes Brüllen und Tosen (der Erzähler setzt ergänzend und erläuternd hinzu "wie das Brüllen von Stieren und wie das Tosen des Donners"), das immer näher kam. Das war der Wuarssen. Mit Brüllen und Tosen kam der Wuarssen immer näher, bis er an der Haustür ankam, gerade als die Sonne unterging. Der Wuarssen trat in das Haus. Der Bursche ergriff seinen Säbel und schlug den Wuarssen über den Kopf, so daß der Wuarssen zur Seite taumelte. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal!" (Typisch für alle Kämpfe der kabylischen Helden mit den Wuarssen ist es, daß der einmal getroffene Ogre fordert, noch einmal geschlagen zu werden. Wenn der Held dem nachkommt, ist der Wuarssen wiederhergestellt. Ebenso typisch ist die Aufforderung, den Kopf zu schütteln!) Der Bursche schlug nicht, sondern sagte: "Schüttle deinen Kopf." Darauf schüttelte der Wuarssen seinen Kopf und sank mit lautem Krachen zu Boden.

Als der Wuarssen tot war, kam die Frau aus ihrem Versteck. Sie kniete vor dem Burschen nieder, küßte ihm die Hand und sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir! Nie habe ich es zu hoffen gewagt, daß jemand imstande sein könnte, ihn zu überwinden! Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir! Von nun an werde ich dir überall hin folgen, wohin du auch gehst." Der Bursche fragte: "Kannst du mir sagen, wo sich der singende Vogel befindet und wo ich ihn gewinnen kann?" Die Frau sagte: "Um den singenden Vogel zu erreichen, mußt du noch an zwei Gehöften vorbei, die in diesem großen Walde liegen. In jedem Gehöft wohnt ein Wuarssen, der mit einer meiner Schwestern verheiratet ist. Der erste Wuarssen verfügt über die Kraft von zwanzig Kriegshaufen. Der zweite Wuarssen hat die Kraft von fünfundzwanzig Kriegshaufen. Diese Wuarssen muß derjenige töten, der den singenden Vogel erlangen will." Der jüngste Bursche sagte: "Dann komm mit mir. Im Walde sind meine Brüder. Wir wollen morgen früh mitnehmen, was dieser Wuarssen an Schätzen hatte, und zum nächsten gehen."

Am andern Morgen packte der Bursche alles Geld, das im Hause war, zusammen. Der Jüngste rief seine Brüder, und dann zogen sie im Walde weiter. Den Tag über wanderten sie, ohne einen Menschen



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oder eine menschliche Behausung zu sehen. Als es aber gegen Abend war, sah der Jüngste in der Entfernung wieder ein Haus. Da versteckte er seine Brüder, die Frau und die Schätze in den Büschen und ging auf das Gehöft zu.

Er klopfte an die Haustür. Sogleich machte eine Frau auf. Die Frau kam heraus. Als die Frau den Burschen sah, erschrak sie und sagte: "Mein Bursche, lauf schnell fort!" Die Frau wollte weiterreden. Der Bursche sagte: "Ich weiß schon alles. Dein Mann ist ein Wuarssen, der über die Kraft von zwanzig Mahallas verfügt. Ich war schon bei deiner ersten Schwester, die auch mit einem Wuarssen verheiratet war. Den habe ich getötet, und die hat mir alles weitere gesagt. Sage du mir nur, um welche Zeit dein Wuarssen immer nach Hause kommt." Die Frau sagte: "Mein Wuarssen kommt immer um laischa (=zehn Uhr) nach Hause." Der Bursche sagte: "Dann habe ich noch Zeit genug, um ordentlich zu essen. Zeige mir, wo ich etwas finde, dann versteck dich und überlasse es mir und meinem Säbel, mich mit deinem Wuarssen zu befreunden." Darauf zeigte die Frau dem Burschen alles Nötige und versteckte sich dann in der hintersten Kammer.

Der Bursche nahm ein gutes Abendessen, streckte sich einige Male und ging im Hause umher und besah alles, was bei dem Wuarssen an Geld und Reichtum aufgespeichert war. Als aber die Zeit um laischa näher kam, hörte man in der Entfernung ein starkes Gebrüll und Getöse, das immer näher kam und immer stärker anschwoll. Der Wuarssen kam. Als sein Gebrüll ganz nahe war, streckte sich der Bursche noch einmal, und dann stellte er sich mit dem Säbel hinter die Tür.

Der Wuarssen stieß die Tür mit Gebrüll auf und trat ein. Der Bursche holte einmal tief Atem und schlug dann den Wuarssen so stark über den Kopf, daß er auf die Knie sank. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal zu!" Der Bursche sagte: "Schüttle den Kopf!" Der Wuarssen schüttelte den Kopf, sank vornüber und war tot. Die Frau hörte den Wuarssen hinstürzen. Sie kam aus ihrem Versteck hervor und sah, daß er tot war. Sie kniete vor dem Burschen nieder, küßte ihm die Hand und dankte ihm. Die Frau sagte: "Ich danke dir! Ich danke dir! Ich danke dir! Ich werde dir folgen, wohin du gehst." Der Bursche sagte: "Morgen früh werden wir die Schätze deines Wuarssen aufpacken, werden uns dann zeitig auf den Weg machen, meine Brüder und deine erste Schwester aus ihrem Versteck im Walde holen und zu dem dritten Wuarssen gehen."



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Danach legte sich der Bursche nieder, schlief die ganze Nacht hindurch ausgezeichnet und erhob sich am andern Morgen früh, um die Schätze des Wuarssen zusammenzupacken, mit der Frau aufzubrechen und deren Schwester, sowie seine Brüder aus dem Versteck herbeizurufen. Den Tag über marschierten sie, bis der Bursche nach Sonnenuntergang ein Haus erblickte. Da versteckte er dann seine Brüder, die Frauen und die Schätze wieder und ging allein auf das Haus zu.

Der Bursche klopfte an die Haustür. Die Frau des Wuarssen öffnete sogleich, stieß vor Schreck einen Schrei aus und rief: "Mein Bursche, lauf schnell fort!" Die Frau wollte weiterreden. Der Bursche sagte aber: "Ängstige dich nicht so. Ich weiß alles. Dein Mann ist ein Wuarssen, der über die Kraft von fünfundzwanzig Mahallas verfügt. Ich habe aber schon die beiden Wuarssen getötet, die deine Schwestern geheiratet hatten und von denen der eine die Kraft von fünfzehn und der andere die von zwanzig Mahallas hatte. Von deinen Schwestern, die in der Nähe im Busch versteckt sind, habe ich alles erfahren. Sage du mir nur, um welche Zeit dein Wuarssen immer nach Hause kommt." Die Frau sagte: "Mein Wuarssen kommt immer um ennefsgirth (= Mitternacht) nach Hause." Der Bursche sagte: "Das ist noch lange hin. Koche mir zunächst ein sehr gutes Essen. Wenn ich das zu mir genommen habe, werde ich ein wenig schlafen. Hernach werde ich deinem Wuarssen schon die Freundschaft für mich und meinen Säbel lehren." Die Frau sagte: "Ich habe schon das Essen für den Wuarssen fertig, genügt dir das?" Der Bursche betrachtete es und sagte: "Nein, das genügt nicht, schlachte noch ein Tier und koche es." Die Frau tat, was der Bursche verlangte. Danach versteckte sie sich in der hintersten Kammer.

Der Bursche setzte sich nieder, verspeiste alles, was die Frau gekocht hatte und legte sich gemächlich zum Schlafe nieder. Als es gegen ennefsgirth war und der Bursche einige Stunden geschlafen hatte, näherte sich von weither ein Gebrüll und ein Getöse, das schnell herankam, so daß endlich sogar das Haus zu wanken begann. Davon wachte der Bursche auf. Er hörte eine Weile hin und sagte: "Dies wird wohl der Wuarssen sein." Danach gähnte er, streckte sich und sagte: "Ich habe recht gut gegessen und geschlafen." Der Bursche streckte sich noch einmal, erhob sich, ergriff seinen Säbel und stellte sich hinter die Haustür.

Der Wuarssen kam vor sein Gehöft und brüllte noch einmal so



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stark, daß die Tür von selbst aufflog. Der Bursche holte tief Atem, holte mit dem Arm weit nach hinten aus und schlug dann die Säbelklinge dem Wuarssen mit solcher Gewalt über den Kopf, daß der Getroffene lang hinschlug. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal zu!" Der Bursche sagte: "Schüttle den Kopf!" Der Wuarssen schüttelte den Kopf und starb. Die Frau kam aus ihrem Versteck. Sie dankte dem Burschen. Sie sagte: "Ich werde dir folgen, wohin du auch immer gehst. Ich will tun, was du willst."




***
Der jüngste Bursche sagte: "Sage mir vor allen Dingen, wo sich der singende Vogel befindet und wie ich ihn erlangen kann." Die Frau sagte: "Der singende Vogel ist nicht weit von hier. Aber man kann ihn nicht mit Kraft und Gewalt gewinnen. Man muß sehr klug sein, um zu ihm zu kommen, und nur mit Klugheit kann es gelingen, seiner habhaft zu werden. Der singende Vogel befindet sich in einem großen Hause. Er ist in einem Käfig eingeschlossen und steht in der Kammer seines Herrn und seiner Herrin. Vor dem Hause sind sieben Wächter. Alle diese, wie der Herr und die Herrin des singenden Vogels sind so ungeheuer stark, daß kein Wesen der Welt es mit ihnen aufnehmen kann. Nachts nun schlafen zwar die Wächter wie der Herr und die Herrin. Der Herr und die Herrin haben aber dem singenden Vogel befohlen zu wachen und zu wecken, so wie sich jemand dem Hause nähert. Da nun dem singenden Vogel nichts entgeht und da er unbedingt dem Befehle seiner jeweiligen Herren gehorcht, so kann nachts niemand durch das Gehöfttor kommen, wenn auch die Wächter, sowie der Herr und die Herrin des singenden Vogels schlafen, weil eben der singende Vogel selbst wacht und nach dem Befehle des Herrn diesen und die Herrin und die Wächter wecken wird, sowie sich jemand dem Hause nähert. Du siehst also, daß es unmöglich ist, den singenden Vogel zu erlangen." Der Bursche sagte: "Ich danke dir, daß du mir das alles so genau geschildert hast. Ich sehe auch, daß der singende Vogel sehr gut untergebracht ist. Ich will es aber dennoch versuchen, ihn zu gewinnen." Die Frau sagte: "Dann will ich dir eine kluge Mauleselin mitgeben, die hier im Gehöft steht und den Weg zum Haus des singenden Vogels sehr gut kennt." Der Bursche sagte: "Ich werde mich morgen sogleich auf den Weg machen." Hierauf legte er sich nieder und schlief, bis die Sonne ihn weckte.

Nachdem der Bursche sich erhoben hatte, ging er erst in den Busch und holte seine Brüder und die Schwestern, sowie die



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Schätze. Er sagte zu den Brüdern: "Bleibt ihr zwei mit den drei Schwestern hier im Hause, bis ich zurückkomme. Ich will jetzt den singenden Vogel holen." Dann bestieg er die Mauleselin und ritt im Walde weiter dahin bis in die Nacht hinein. Es war schon sehr spät und dunkel, als die Mauleselin von selbst anhielt.

Der Bursche stieg ab und sah sich um. Er bemerkte, daß er sich nahe der Hinterwand eines großen Hauses befand. Der Bursche sagte: "Die Mauleselin hat hier angehalten, also wird dies das Haus sein, in dem sich der singende Vogel befindet." An der Hinterwand des Gehöftes stand ein Baum. Der Bursche erstieg den Baum und klopfte mit einem Stein gegen die Mauer. Kaum hatte er geklopft, so schrie der singende Vogel im Hause: "Wacht auf! Wacht auf! Ein Dieb! Ein Dieb will mich stehlen!"

Kaum hatte der Vogel angefangen zu schreien, so sprangen der Herr und die Herrin auf, liefen durch das Haus und sahen überall herum, ob etwas von einem Dieb zu sehen sei, und die Wächter sprangen auf und liefen den Weg zum Hause auf und ab und schauten rechts und links vom Wege ins Gebüsch, ob eine Diebesspur wahrzunehmen war. Aber weder der Herr und die Herrin, noch die sieben Wächter konnten etwas entdecken. Da legten sich alle wieder nieder, und der Herr sagte zum singenden Vogel: "Tir Lemechcheni, heute hast du dich zum ersten Male geirrt." Der Herr und die Herrin und die sieben Wächter schliefen wieder ein.

Nach einiger Zeit klopfte der Bursche von seinem Baume aus zum zweiten Male gegen die Hintermauer des Hauses. Sogleich begann der Vogel wieder zu schreien. Sogleich sprang der Herr und die Herrin auf, um wieder das Haus abzusuchen, und sogleich erhoben sich die sieben Wächter und rannten suchend auf dem Wege zum Haustore hin und her. Als nun niemand etwas zu finden vermochte, legten sich alle wieder hin, und der Herr sagte ärgerlich zum singenden Vogel: "Tir Lemechcheni, ich glaube, du willst uns heute zum besten haben." Darauf schlief der Herr und die Herrin und die sieben Wächter wieder ein.

Nach einiger Zeit klopfte der Bursche von seinem Baume aus zum dritten Male gegen die Hintermauer des Hauses. Sogleich begann der Vogel zu schreien. Sogleich sprangen der Herr und die Herrin auf, um wiederum das Haus abzusuchen, und sogleich erhoben sich die sieben Wächter und rannten suchend auf dem Wege zum Haustore hin und her. Sie fanden aber allesamt wieder nichts. Da wurden sie sehr ärgerlich. Besonders der Hausherr war wütend und



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schrie den singenden Vogel an: "Tir Lemechcheni, du hast uns für heute genügend gestört. Schweig jetzt, laß dich in Gottes Namen stehlen, laß uns aber schlafen, oder ich drehe dir den Kopf um." Der singende Vogel sagte: "Ich werde deinem Befehle gehorchen und schweigen." Danach legten sich alle nieder und schliefen alsbald ganz fest.

Sobald einige Zeit verstrichen war, stieg der jüngste Bruder von seinem Baume, schlich sich nach der Vorderseite des Hauses und überzeugte sich, daß alle Wächter schliefen und die Haustür weit offen stand. Er ging also hinein und auf die Kammer zu, aus der er die Stimme des singenden Vogels vernommen hatte. Er kam in die Kammer und sah beim Schein einer Lampe den singenden Vogel zwischen der Lagerstätte des Herrn und der der Herrin stehen. Der singende Vogel sah den Burschen wohl kommen. Er plusterte sich aber nur auf, nickte mit dem Kopf und schwieg. Denn sein Herr hatte ihm ja befohlen zu schweigen und sich in Gottes Namen stehlen zu lassen. Der Bursche sah, daß der Herr und die Herrin schliefen. So ergriff er denn den Käfig, in dem der singende Vogel eingeschlossen war, trug ihn erst aus der Kammer, dann über den Hof durch das Haustor und an den schlafenden Wächtern vorbei hinaus. Er ging um das Haus herum in den Wald dahin, wo seine Mauleselin stehengeblieben war, stieg auf und ritt mit dem singenden Vogel im Arme von dannen und nach dem Hause, indem er seine Brüder, die drei Frauen und die Schätze der Wuarssen zurückgelassen hatte.

In der Zeit nun, als der jüngste Bruder fort war, sagten die älteren beiden Brüder zu den drei Frauen: "Glaubt ihr, daß es unserem Bruder gelingen kann, den singenden Vogel zu erlangen?" Die jüngste der Frauen sagte: "Wenn euer Bruder ebenso klug ist, wie er sich als tapfer und stark erwiesen hat, so wird es ihm sicher gelingen." Darauf zogen die beiden Brüder sich in einen Winkel zurück und sprachen leise miteinander. Der eine sagte: "Wenn es unserem Bruder noch gelingt, den singenden Vogel zu erlangen und heimzukehren, so wird er und seine Mutter vor uns und unseren Müttern bevorzugt werden." Der andere Bruder sagte: "Wenn unser jüngster Bruder mit diesem Glück nach Hause kommt, wird er über uns sprechen und über uns Schande bringen. Wir wollen die Frauen also fragen, ob es nicht unterwegs noch eine Sache gibt, die unser Bruder nicht vollenden kann."



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Die Brüder kehrten zu den Frauen zurück und fragten: "Gibt es auf irgendeiner Seite des Waldes noch eine Gefahr, die wir zu bestehen haben, wenn wir heimkehren." Die älteste der drei Frauen sagte: "Wenn wir auf dem Wege heimkehren, auf dem euch euer Bruder hierher gebracht hat, so gibt es nichts Besonderes mehr. Es gibt aber noch einen andern Weg, der endet in der großen Ebene, an deren Rand Chtaf Laräis,* der Oberherr aller Wuarssen, Wache hält. Diesem Chtaf Laräis hat noch kein Wesen dieser oder einer andern Welt standhalten können, denn es ist der Herr der Welt unter uns." Als die Brüder das hörten, traten sie wieder zur Seite und sagten untereinander: "Wir wollen unsern jüngsten Bruder in die Hände des Chtaf Laräis bringen. Dem wird er nicht gewachsen sein. Wir werden sehen, was kommen wird."

Als es Abend wurde, sahen sie die Mauleselin mit dem jüngsten Burschen kommen. Die Frauen eilten heraus und schrien vor Freude und riefen: "Er hat den singenden Vogel! Er hat den singenden Vogel!" Die beiden älteren Brüder standen aber entfernt und konnten es nicht über sich gewinnen, ein freundliches Wort zu sprechen.

Der jüngste Bruder kam an. Er sagte: "Wir wollen sogleich alles aufpacken und alle miteinander zu unserem Vater und unseren Müttern heimkehren." Der älteste Bruder fragte: "Welchen Weg sollen wir nehmen?" Der jüngste Bruder fragte: "Gibt es denn außer dem Weg, auf dem wir gekommen sind, noch einen anderen?" Der zweite Bruder sagte: "Wir dachten, du wolltest vielleicht noch bei dem starken Chtaf Larais vorbeiwandern und ihm seine Reichtümer nehmen." Der jüngste Bruder fragte: "Wer ist dieser Chtaf Laräis ?" Der älteste Bruder sagte: "Es ist der Herr der Welt unter uns, der Herr aller Wuarssen, der Besitzer der größten Reichtümer, das stärkste aller Wesen, das noch nie überwunden wurde." Der jüngste Bruder sagte: "Natürlich werde ich bei diesem ausgezeichneten Chtaf Larais vorbeigehen. Ich danke euch, daß ihr mich auf ihn aufmerksam gemacht habt." Alle drei Frauen warfen sich aber vor dem jüngsten Bruder nieder, sie weinten und sprachen: "Du hast so viel vollbracht und so Großes getan, daß es genug ist! Begib dich nicht in diese neue größte Gefahr. Bring uns in Frieden heim aus diesem grauenvollen Walde." Der Jüngste lachte aber und sagte: "Auf, zeigt mir den Weg zum Chtaf Larais!" 

* Derselbe wird sonst Chtaphlaräith genannt. Vgl. Nr. 11 S. 104 ff.


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Den ganzen Tag gingen sie durch den Wald. Am Abend sagte der Jüngste: "Schlachtet drei von den Widdern, die wir den Wuarssen abgenommen haben, für mich zum Abendessen und laßt mich in Ruhe schlafen, ohne mich zu stören. Die Frauen bereiteten für den Jüngsten die drei Widder; der Bursche aß sie auf und legte sich dann nieder. Er schlief sogleich ein und wachte nicht eher auf, als bis die Sonne hoch am Himmel stand. Er blinzelte die Sonne an, streckte sich, gähnte und sagte: "Also heute werde ich den Chtaf Laräis treffen. Nun, dann werde ich noch ein wenig schlafen." Er drehte sich um, schlief wieder ein und wachte nicht vor einigen Stunden auf.

Danach brachen sie dann alle auf. Der Bursche ritt auf der Mauleselin vor seinen Brüdern her. Nach einiger Zeit kamen sie an die Grenze des Waldes, und als der Jüngste eben ins Freie kam, traf er auch schon auf Chtaf Laräis, der in großem Zorne sogleich nach ihm schlug, so daß die getroffene Mauleselin zu Boden sank. Der Jüngste rief: "Oho! Du glaubst wohl, ich habe für nichts so gut gegessen und geschlafen!" Der Jüngste schlug mit der geballten Faust und traf den Chtaf Larais so schwer, daß er erst blutend zusammenbrach und sich nur mühsam aufrichten konnte, um dann, so schnell er konnte, von dannen zu eilen.

Der Jüngste sagte: "So billig wollen wir den guten Chtaf Laräis denn nun doch nicht wegkommen lassen." Er setzte sich in Bewegung und rannte hinter dem Fliehenden her. Es war auch nicht schwer, den Weg zu finden, denn eine breite Blutspur zeigte ihn an. Der Jüngste kam nach einiger Zeit an einen Brunnen, in dem verlief sich die Blutspur. Er setzte sich nieder und wartete, bis seine Brüder auch herangekommen waren. Dann sagte er zu ihnen: "In diesen Brunnen ist der verwundete Chtaf Laräis hinabgestiegen. Hier hinab führt also offenbar der Weg in seine Welt, die unter der Erde liegt. Ich will hinabsteigen, macht ihr mir also aus Gras eine feste Schnur!"

Die Brüder machten sich sogleich daran. Bald kamen auch die drei Frauen und halfen dabei. Sobald die Schnur lang und stark genug war, sagte der Jüngste: "Bleibt ihr, meine Brüder, mit den drei Frauen und mit dem singenden Vogel zunächst hier. Laßt mich an der Schnur jetzt herab und wartet auf das Zeichen, das ich euch geben werde, damit ihr mich dann wieder in die Höhe zieht." Darauf verabschiedete sich der Jüngste von allen, ließ sich anseilen und in den Brunnenschacht hinablassen.



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Kaum war der Jüngste an dem Seil auf dem Boden angelangt, kaum hatte er sich abgebunden, da sah er auch schon einen alten Mann sitzen, dessen Augenbrauen waren so lang und dicht gewachsen, daß sie bis zum Kinn herabfielen, so daß er nichts zu sehen vermochte. Der jüngste Bursche zog sogleich sein Messer heraus und schnitt dem Alten die Brauen über dem einen Auge ab. Erstaunt hob der Alte den Kopf und sagte: "Was? So sieht die Welt aus, in der ich mich befinde? Ach! Wie die Welt aussieht! Ich bitte dich! Ich bitte dich, schneide mir auch die Brauen auf der andern Seite ab, damit ich auf beiden Augen sehen kann!" Der jüngste Bursche sagte: "Ich will es schon tun, du mußt mir aber schwören, daß du mir nachher das Haus des Chtaf Laräis zeigen willst." Der Alte sagte: "Ich schwöre dir bei Gott, daß ich dir das Haus des Chtaf Larais zeigen werde, sobald du mir die Brauen auf der andern Seite abgeschnitten hast, womit ich dann selbst jeden Weg sehen und finden kann." Der Jüngste schnitt dem Alten darauf auch auf der andern Seite die Brauen ab. Der Alte konnte nun wie jeder andere sehen und ging sogleich voran, dem Jüngsten das Haus des Chtaf Larais zu zeigen.

Der Alte und der Bursche schritten gut aus, und so kam es, daß sie gerade am Hause ankamen, als just eben der Chtaf Larais selbst hineingestolpert war. Der Bursche nahm schnell vom Alten Abschied und blickte vorsichtig durch den Durchgang. Er sah, wie der Chtaf Larais soeben vor Schmerz brüllend und schwer blutend auf dem Teppich zusammengesunken war. Er sah, wie die beiden schönen Frauen des Chtaf Larais sich um ihren Herrn und Meister bemühten, und er sah, wie schön diese beiden Frauen Jtreisch (die Sonne) und Aigur (der Mond) waren. Der Bursche beobachtete, wie die Frauen den Verwundeten betteten und für ihn sorgten. Er ließ aber zunächst nichts von seiner Gegenwart merken. Er zog sich wieder bis nahe zur geschlossenen Haustür zurück.

Nach einiger Zeit kam aber Jtreisch heraus. Sie sah den Jüngsten, erschrak, schloß aber schnell hinter sich die Tür zu dem Krankenzimmer, trat an den Burschen heran und sagte: "Sage mir, bist du es, der den abscheulichen Chtaf Laräis so schwer getroffen hat? Sage es mir, damit ich die Hand, die es tat, küssen kann!" Der Bursche sagte: "Den Anfang habe ich allerdings gemacht. Es wird aber sehr schwer sein, den Chtaf Laräis vollständig zu töten." Die Frau sagte: "Du hast recht. Er hat sein Geheimnis."

Der Bursche sagte: "Der Chtaf Laräis muß sein Geheimnis haben,



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sonst wäre er bei dem Schlage, den ich ihm versetzt habe, gestorben. Er muß ein anderes Leben haben als seine Diener, die Wuarssen. Niemand als er allein wird wissen, wo er sein Leben hat und wie man ihn töten könnte, wenn ihr, seine Frauen, ihm das Geheimnis nicht zu entlocken versteht. Ihr beide könnt das aber vielleicht erreichen. Ich rate euch, daß ihr nachher beim Mehlreiben an der Mühle laut klagt und weint, so daß er aus dem Schlafe, in den er jetzt gesunken ist, erwacht. Er wird euch fragen, warum ihr jammert. Ihr müßt ihm sagen, daß ihr seinen Tod fürchtet und daß ihr vor seinem Tode große Furcht habt, weil ihr dann niemand mehr habt, der für euch sorgt. Laßt euch nicht mit Versicherungen seiner Lebenskraft abspeisen, sondern bittet ihn darum, daß er euch, damit ihr von der Sicherheit seines Lebens überzeugt und damit beruhigt werdet, das Geheimnis anvertraut. Wenn ihr aber dieses Geheimnis erfahrt und mir mitteilt, kann ich euch die Versicherung geben, daß ich ihn vollkommen vernichten werde." Jtreisch versprach ihm mit Aigur alles auszuführen, wie er es so klug vorgeschlagen habe, und dann versteckte sie ihn nahe der Kammer, in dem Chtaf Laräis lag, damit er nachher die ganze Unterredung mit anhören könne.

Chtaf Laräis war noch nicht so sehr lange eingeschlafen, da begannen die beiden Frauen das Korn auf der Mühle zu mahlen und dazu zu weinen und zu klagen, und das taten sie so laut, daß der Chtaf Larais aufwachte und laut nach ihnen rief. Die Frauen verließen darauf die Mahlsteine, kamen zu Chtaf Laräis und knieten weinend und schluchzend an seinem Bette nieder. Chtaf Larais fragte: "Was habt ihr? Was weint ihr?" Die Frauen sagten: "Wir klagen und weinen aus Furcht. Wir fürchten, daß du sterben könntest. Und wenn du sterben würdest, hätten wir niemand, der für uns sorgt." Chtaf Larais sagte: "Darum sorgt euch nicht. Ich sterbe nicht so einfach, wie ein gewöhnlicher Wuarssen. Mein Leben ist gut aufgehoben. Niemand, der es nicht weiß, wird mein Leben finden und so meinen Tod herbeiführen können." Die Frauen weinten weiter. Chtaf Laräis sagte: "Was weint ihr denn nun noch weiter? Ich habe euch doch nun erklärt, daß es sehr schwer ist, mein Leben zu finden!" Jtreisch sagte: "Sieh, das alles sind Worte. Wer deine Wunde sieht, wer deine Schwäche sieht, wer dein Blut fließen sieht, wie wir beide, der ist nicht durch Worte zu beruhigen. Wenn du uns Ruhe geben willst, so sage uns, wo dein Leben sich befindet, damit wir erkennen und deutlich sehen, wie schwer es ist,



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dieses Leben zu finden. Nur das allein kann uns unsere Ruhe wiedergeben."

Chtaf Larais sagte: "So hört denn zu, ihr törichten Frauen. Meine Seele ist ein Haar (= insis), das ist verborgen in einem Ei (= tamlalt). Das Ei befindet sich in dem Leibe eines Rebhuhnes (= taskurth). Das Rebhuhn lebt aber im Leibe einer Kamelstute (= talromth). Die Kamelstute liegt unter einem Felsblöcke (=tathruth) und der Felsblock auf dem Grunde des Meeres, da wo es am tiefsten ist (Meer =lebharr). Solange das Haar nicht zerbrochen ist, kann ich nicht sterben, und nur der, der das Haar findet, kann mich töten. Ihr seht also, ich bin meines Lebens sehr sicher!" Aigur sagte: "Ja, du bist deines Lebens ganz sicher, da die Kamelstute immer unter dem Felsblock auf dem Meeresboden liegt." Chtaf Larais sagte: "Ja, die Kamelstute ist immer in der Meerestiefe unter dem Felsblock. Nur einmal, genau in der Sonnenhöhe (Mittags), kommt die Stute für einen Augenblick an die Küste des Meeres, um ein einziges Mal Atem zu holen." Jtreisch sagte: "Wir danken dir, daß du uns mit dieser Mitteilung einen glücklichen Ausblick für die Zukunft eröffnet hast. Wir werden hoffnungsvoll nun alles Schwere und Besorgliche leicht ertragen." Damit gingen die Frauen heraus.

Der Bursche hatte in seinem Verstecke alles mit angehört. Sowie die Frauen das Zimmer des Kranken verlassen hatten, kam er auch heraus, nahm von ihnen Abschied, schloß die Tür hinter sich und marschierte dem Ufer des Meeres entgegen. Am Meeresufer legte er sich nieder, den Säbel in der Hand, und wartete den Mittag ab. Er hielt nach allen Seiten scharf Umschau, und kaum stand die Sonne in der Mitte des Himmels, da entstanden auch schon Kreise im Wasser, in deren Mitte erst die Ohren der Kamelstute und dann deren Kopf sichtbar wurde.

Der jüngste Bursche eilte so schnell er konnte zu der Stelle der Meeresküste, auf die die Kamelstute zuschwamm, und kaum war sie an das Ufer gestiegen, so sprang er zwischen den Steinen hervor auf sie zu und schnitt ihr mit einem Säbelhieb den Bauch auf, worauf ein Rebhuhn herausfiog. Sowie der Säbel des Burschen in den Leib der Kamelstute drang, schrie Chtaf Lands in seinem Krankenzimmer vor Wut und Schmerz, so daß seine beiden Frauen erschreckt herbeiliefen.

Der jüngste Bursche hatte scharf auf das Hervorfliegen des Rebhuhnes geachtet und sprang flugs hinter ihm her. Er griff einen Stein auf und warf. Er traf so glücklich, daß dem Vogel der Kopf



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zerquetscht wurde und er im Todesschreck das Ei fallen ließ. Als der Kopf des Rebhuhnes zermalmt wurde, bäumte sich Chtaf Larais in seinem Krankenzimmer brüllend auf, so daß seine beiden Frauen entsetzt von dannen liefen.

Der jüngste Bursche bemerkte sehr wohl, daß das sterbende Rebhuhn das Ei zwischen die Kiesel der Küste herabgleiten ließ und fing es schnell auf. Er schlug das Ei gegen einen Stein, so daß es zersprang und das Haar herabfiel. Als das Ei zersprang, schlug Chtaf Larais in seinem Krankenzimmer so wild um sich, daß das Haus zu wanken begann und die Beobachtungskammer einstürzte. Die beiden Frauen flüchteten aber entsetzt in eine Grube, die als Speicher für Oliven diente.

Als das Haar aus dem Ei fiel, zog ein Wind über die Küste, von dem wollte das Haar sich forttragen lassen. Der jüngste Bursche haschte es aber schnell und zerbrach es zwischen seinen Händen. In dem Augenblick streckte sich Chtaf Larais in seinem Krankenzimmer lang aus und war tot.

Der Jüngste begab sich, sowie er das Haar zerbrochen hatte, auf den Rückweg. Als der Jüngste im Hause ankam, traten ihm Jtreisch und Aigur entgegen und sagten: "Es ist dir gelungen, du hast Chtaf Larais getötet. Wir danken dir. Wenn es dir recht ist, so wollen wir deine Gemahlinnen werden, und du kannst überzeugt sein, daß wir unser ganzes Leben hindurch emsig danach trachten werden, dir dafür zu danken, daß du uns von diesem schrecklichen Ungeheuer befreit hast."

Der jüngste Bursche lachte vor Freude über das Glück, das ihm beschieden war. Dann ging er mit den beiden Frauen im Hause umher und packte alle Kostbarkeiten zusammen, die ihm und ihnen mitzunehmen begehrenswert erschienen.

Jtreisch sagte aber zu dem jüngsten Burschen: "Hier habe ich ein ganz besonderes Schmuckstück, das ist der Tachasims lebri (wörtlich der Ring des Willens oder Wunsches). Nimm ihn an dich und stecke ihn an deinen Finger. Hast du noch irgendeinen Wunsch, so wende den Ring an deinem Finger und sprich den Wunsch aus, so wird er dir allsogleich erfüllt werden. Es ist nun sehr wohl möglich, daß wir im Leben einmal getrennt werden, sei es durch die Eifersucht deiner Brüder, sei es durch eine andere Ursache. Du kannst mit Hilfe dieses Ringes aber überall zu mir gelangen." Der Jüngste steckte den Ring an seinen Finger, bedankte sich und begann zum Fortgange zu rüsten.



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Der Jüngste und die beiden Frauen packten die begehrenswerten Schätze zusammen, und dann zogen sie zu dem Brunnenschacht, in dem das Seil der Brüder aus der oberen Welt herunterragte. Der Jüngste sagte: "In welcher Reihenfolge wollen wir uns nun heraufziehen lassen?" Jtreisch sagte: "Es wird vorsichtiger sein, wenn wir Frauen uns zuerst heraufziehen lassen. Wenn deine Brüder die Absicht haben, dich herabstürzen zu lassen, so werden sie denken, du seist der erste. Du aber kannst mit deiner ungeheueren Stärke jede von uns leicht auffangen, wenn die Brüder sie, in der Meinung, du seiest es, herabstürzen lassen." Der Jüngste sagte: "Ihr habt recht." Er gab das Zeichen am Seil. Jtreisch ließ sich festbinden. Jtreisch nahm vom jüngsten Burschen Abschied und sagte nochmals: "Vergiß nicht den Ring!" Dann ließ sie sich heraufziehen.

Die zwei älteren Brüder hielten inzwischen mit den drei Frauen der Wuarssen und dem singenden Vogel am Rande des Brunnenschachtes Wache. Die zwei älteren Brüder sprachen abseits untereinander. Der ältere sagte: "Wenn unserm jüngsten Bruder dort unten nicht etwas ganz Besonderes widerfährt, so wird er noch mehr Ehre und Schätze gewinnen." Der zweite sagte: "Und unsere Schande wird noch wachsen." Der ältere Bruder sagte: "Wenn unser jüngster Bruder übersteht und lebend zurückkehren will, wollen wir ihn, statt ihn heraufzuziehen, herunterstürzen lassen." Der zweite Bruder sagte: "Er wird aber zuerst die Schätze, die er gewinnt, an das Seil binden, und die können wir so an uns nehmen. Wir werden es schon am Gewicht merken, wenn er es selbst ist, und können ihn dann herabstürzen lassen." Der älteste Bruder sagte: "Und dann ziehen wir heim mit dem singenden Vogel, mit den Frauen, den Schätzen und der Ehre. Über den Tod unseres jüngsten Bruders bringen wir aber ein schändliches Gerücht."

Unten wurde am Seil das Zeichen gegeben. Die zwei Brüder zogen am Seile und sagten: "Das ist zu leicht, das ist nicht unser Bruder." So kam Jtreisch herauf. Als sie ans Licht kam, waren alle erstaunt über ihre Schönheit. Die Brüder ließen das Seil wieder herunter, zogen wieder an und sagten: "Das ist zu leicht, das ist nicht unser Bruder." So kam Aigur herauf. Als sie ans Licht kam, waren alle wieder erstaunt über solche Schönheit. — Die Brüder ließen das Seil wieder herunter. Diesmal band sich der jüngste Bruder selbst an das Seil und nahm dazu noch die Schätze Chtaf Laräis in die Arme, so daß die Last sehr schwer war, als die Brüder



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anzogen. Die Brüder zogen das Seil nur ein Stück hoch. Dann sagte der älteste Bruder: "Das ist unser Bruder, wir wollen das Seil durchschneiden." Darauf nahm der zweite Bruder sein Messer heraus und schnitt die Schnur durch. Der jüngste Bruder stürzte mit seinen Schätzen im Arme und mit dem Seil auf die untere Welt, auf den Boden.

Der älteste Bruder sagte: "Nun wollen wir mit allem, was wir gewonnen haben, heimkehren." Er rief die Frauen zum Aufbruch zusammen. Alle Frauen weinten, als sie hörten, daß der jüngste Bruder unten geblieben war, weil das Seil gerissen sei. Der zweite Bruder sagte: "Jeder von euch, die heute oder in Zukunft noch einmal hierüber weint, schneide ich den Hals durch." Darauf unterdrückten sie die Tränen. Sie zogen vom Brunnenschacht fort. Jtreisch sagte insgeheim zu Aigur: "Wenn unser jüngster Bursche nur an seinen Ring denkt." Aigur sagte: "Ja, wenn er nur den Tachasims lebri nicht vergißt!"

Die älteren zwei Brüder kamen mit dem singenden Vogel, mit Jtreisch und Aigur, mit den drei Frauen der Wuarssen und mit vielen Schätzen in der Stadt ihres Vaters an. Der achtzigjährige Mann und seine ältesten beiden Frauen begrüßten sie freundlich. Die Mutter des Jüngsten stand hinten und schaute nach ihrem Sohne aus. Der achtzigjährige Mann fragte: "Wo ist mein jüngster Sohn? Wo ist euer jüngster Bruder?" Der älteste Sohn sagte: "Dein jüngster Sohn ist feige geflohen, als die Wuarssen den Kampf begannen; die Wuarssen liefen hinter ihm her und haben ihn totgeschlagen." Da schlug der achtzigjährige Mann sich voll Zorn die Faust vor die Stirn und rief: "Was war ich für ein Narr! Ihn hielt ich für den Mutigen und Klugen! Ihn liebte ich am meisten! Und er brachte mir die Schande ins Haus. Wehe der Mutter, die mir einen solchen erbärmlichen Sohn gebar." Und in seinem Zorn sperrte er die Mutter des jüngsten Burschen zu den Hunden in einen Stall.

Seinen älteren beiden Söhnen veranstaltete der achtzigjährige Mann aber ein großes Fest. Bei dem Feste sagte der Älteste insgeheim zu Jtreisch: "Ich werde dich und mein Bruder wird Aigur heiraten." Jtreisch sagte: "Ihr mögt uns zwingen nicht zu weinen. Ihr mögt die Weiber der Wuarssen zwingen, euch in allem zu Willen zu sein. Aber wenn ihr beiden Aigur und mich zwingen wollt, euch zu heiraten, ehe ihr nicht unsere Bedingungen erfüllt habt, werden wir die furchtbare Wahrheit erzählen, ob ihr uns nachher



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tötet oder nicht. Unsere Bedingungen werden wir euch sagen, wenn es uns gut dünkt." Da ließen die beiden Brüder von dem Drängen ab. Sie waren zu verliebt und zu furchtsam, den beiden Frauen Gewalt anzutun.




***
Als der Jüngste mit dem abgeschnittenen Seil auf den Boden stürzte, vergaß er, daß er den Tachasims lebri am Finger hatte. Einen Monat lang dachte er nicht an den Ring. Eines Tages rang er aber voller Wut über die Schlechtigkeit seiner Brüder und über die eigene Ohnmacht die Hände. Da verschob sich der Ring, so daß die Innenseite nach außen kam, und sogleich sagte der Ring: "Was wünschst du ?" Der Jüngste erstaunte und rief: "Wie töricht ich war, den Ring zu vergessen! Schnell, bringe mich zunächst einmal auf die Erde!" Sogleich befand sich der Bursche auf der Oberfläche der Erde. Der jüngste Bursche sprach wieder zum Ringe: "Jetzt möchte ich schwarze Kleider und eine schwarze Stute haben." Sogleich hatte er schwarze Kleider und eine schwarze Stute.

Der jüngste Bursche ritt auf dem Wege zu der Stadt, in der sein Vater, seine Mutter und seine Geschwister wohnten. Er kam an. Er ließ die Stute vor den Toren der Stadt. Er ging hinein und suchte das Haus eines armen Mützenmachers auf, trat bei dem Mützenmacher ein und sagte: "Gestatte mir, daß ich bei dir das Handwerk erlerne und für dein Geschäft arbeite." Der Mützenmacher sagte: "Mein guter Bursche, ich würde dich sehr gerne aufnehmen und dich mein Geschäft lehren. Ich bin aber sehr arm und verdiene jeden Tag genau ein Brot, so daß ich gerade allein satt zu essen habe. Es ist mir unmöglich, noch einem zweiten Menschen Nahrung zu bieten, geschweige denn, daß ich ihm einen Lohn zahlen könnte." Der jüngste Bursche sagte: "Ich habe noch genug, um dir etwas zu zahlen dafür, daß du mich das Handwerk lehrst. Das wird lange genug reichen, bis ich genügend gelernt habe, um deinen Verdienst so zu vermehren, daß du noch etwas erübrigst." Der Mützenmacher sagte: "Dann ist es mir recht."

Der jüngste Bursche blieb bei dem Mützenmacher und lernte dessen Geschäft. Er gab dem armen Mützenmacher soviel, daß beide gut davon leben konnten. Auch lernte er das Geschäft sehr schnell, so daß der Mützenmacher bald mehr verdiente als vordem. Danach begann der jüngste Bursche im geheimen in seiner Kammer den Ring zu drehen und sich besondere Stücke zu wünschen, die er dem Meister dann übergab. Der war sehr erstaunt über die ungewöhnliche



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und schnell wachsende Geschicklichkeit seines Gesellen, dessen Werkstücke seine eigenen Erzeugnisse weit übertrafen, so daß er bald wohlhabend wurde und in den Ruf eines ungewöhnlich geschickten Mannes kam.




***
Eines Tages drang der älteste Bruder wieder in Jtreisch, daß sie ihn doch heiraten möge. Jtreisch sagte: "So will ich dir denn meine erste Bedingung sagen: Sieh zu, ob du irgendwo im Lande, hier oder auswärts, ein Kleidungsstück von so besonderer Eigenart auftreiben kannst, wie es sonst kein Mann im Lande herstellen kann. Gelingt dir dies, so werde ich dir meine weiteren Wünsche sagen." Der Älteste dachte nach und ging hinaus zum Versammlungsplatz der Männer und sagte dort: "Ich möchte wohl ein Kleidungsstück von ganz besonderer Eigenart erwerben, wie es sonst kein Mann im Lande herstellen kann, und es soll mir dabei auf den Preis nicht ankommen. Kann mir einer von euch sagen, wo ich so etwas kaufen kann?" Einer der Anwesenden sagte: "In unserer Stadt ist ein Mützenmacher, dessen Kunstfertigkeit in der letzten Zeit derartig gewachsen ist, daß er alle Leute seines Geschäftes weit übertrifft. Vielleicht kannst du von diesem erhalten, was du wünschst."

Der älteste Bruder ging sogleich zu dem Mützenmacher und trug diesem sein Anliegen vor. Der Mützenmacher sagte: "Ich will sehen, was sich machen läßt. Komme in einigen Tagen wieder." Der älteste Bruder ging, und der Mützenmacher teilte den Auftrag seinem Gesellen mit. Der jüngste Bursche ließ sich genau auseinandersetzen, wer der Besteller sei und wie der Auftrag gelautet habe und sagte: "Mit diesem Auftrag sollst du Geld und Ehre gewinnen." Dann ging der Jüngste in seine Kammer, drehte den Ring und forderte sich eine goldene Mütze von so außerordentlicher Eigenart und so großer Schönheit, daß noch niemals jemand etwas Ähnliches hergestellt oder gesehen habe. —Sogleich lag die goldene Mütze vor ihm.

Nach einigen Tagen kam der älteste Bruder wieder zu dem Mützenmacher, nahm das herrliche Werkstück erstaunt entgegen, zahlte einen außerordentlichen Preis dafür und eilte, so schnell er konnte, nach Hause. Er ging zu Jtreisch, legte ihr die Mütze vor und sagte: "Hiermit habe ich deine erste Bedingung erfüllt, sage mir nun die zweite." Jtreisch betrachtete die Mütze von allen Seiten und erkannte auf den ersten Blick, daß die Mütze nur mit Hilfe des Wunschringes gewonnen sein konnte, daß also der jüngste Bursche



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in der Nähe sein mußte. Sie sagte zu dem ältesten Bruder: "Mein zweiter Wunsch ist der Besitz einer Gandura aus einem Stück ohne Naht. Wer solche Mütze herstellen kann, vermag wohl auch solche Gandura anzufertigen." Der älteste Bruder sagte: "Ich will sehen, was ich machen kann."

Der älteste Bruder ging zu dem Mützenmacher und trug ihm seinen Wunsch vor. Der Mützenmacher schüttelte den Kopf und sagte: "Ich bin ein Mützenmacher, aber kein Weber oder Schneider." Der älteste Bruder sagte: "Wer solche Mütze herstellen kann, vermag wohl auch solche Gandura anzufertigen. Es soll mir auf den Preis nicht ankommen. Ich werde nach einigen Tagen wiederkommen und nach der Gandura sehen." Der älteste Bruder entfernte sich. Der arme Mützenmacher blieb erschrocken zurück, denn die beiden ältesten Söhne des achtzigjährigen Mannes waren ihrer Grausamkeit wegen sehr gefürchtet.

In seiner Bedrängnis trug der Mützenmacher die Sache seinem Gesellen vor und sagte: "Ich fürchte, diese Angelegenheit wird für uns einen schlechten Ausgang nehmen." Der jüngste Bursche sagte: "Fürchte dich nur nicht, sondern wiederhole mir noch einmal genau, wie der Besteller seinen Auftrag begründet hat." Der Mützenmacher sagte: "Er hat gesagt: Wer solche Mütze herstellen kann, vermag wohl auch solche Gandura anzufertigen." Der jüngste Bruder sagte: "Dies ist nicht unrichtig. Ich bin früher Weber und Schneider gewesen und verstehe einiges davon. Also werde ich die Sache versuchen. Ängstige dich nicht zu sehr." Dann ging der jüngste Bursche in seine Kammer, drehte seinen Ring, sprach seinen Wunsch aus und hatte allsogleich die Gandura aus einem Stück ohne Naht vor sich liegen. Er gab sie seinem Meister, der sich über das schöne Stück und die Geschicklichkeit seines Gesellen nicht genug verwundern konnte.

Nach einigen Tagen kam der älteste Bruder, nahm die Gandura voller Freude in Empfang, zahlte einen hohen Preis, trug sie ZU Jtreisch und sagte: "Hier ist die gewünschte Gandura. Hast du nun noch eine Bedingung?" Jtreisch betrachtete die Gandura und sagte: "Ja, ich habe noch eine Bedingung. Ich will sogleich den Verfertiger der Gandura hier im Hause sehen. Also merke dir wohl, daß es der wirkliche Verfertiger und nicht etwa irgendein Vermittler sein muß. Wenn ich den wirklichen Verfertiger der Mütze und dieser Gandura hier vor mir sehe, werde ich mich sogleich bereit erklären, mich zu verheiraten." Der älteste Bruder eilte sogleich zu dem



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Mützenmacher und sagte: "Ich will sogleich wissen, wer die Mütze und die Gandura hergestellt hat. Sage es mir sogleich und rufe mir sogleich den Mann, oder ich lasse dir heute noch den Kopf abschlagen." Der Mützenmacher zitterte vor Angst und sagte: "Gehe nur nach Hause, ich will dir sogleich den Mann senden." Der älteste Bruder sagte: "Tue es nur sogleich, oder ich lasse dir bei Gott den Kopf abschlagen." Der älteste Bruder ging.

Der erschrockene Mützenmacher begab sich, als der andere das Haus verlassen hatte, in die Kammer des jüngsten Burschen. Er schrie vor Angst und sagte: "Oh, warum habe ich dich in meinem Hause aufgenommen! Oh, du bringst mir mit deinen Kunstwerken noch den Tod ins Haus!" Der jüngste Bursche sagte: "Was gibt es denn?" Der Mützenmacher sagte: "Der älteste Sohn des achtzigjährigen Mannes, an den ich die Mütze und die Gandura verkauft habe, war soeben bei mir und hat gedroht, mir heute noch den Kopf abschlagen zu lassen, wenn ich nicht sogleich den Mann zu ihm schicke, der sie hergestellt hat. Du hast diese Sachen aber so schnell hergestellt, daß es dabei sicher nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, und dafür wird man mich jetzt sicher zur Verantwortung ziehen." Der jüngste Bursche lachte und sagte: "Habe nur keine Furcht, ich werde sogleich hingehen und verantworten, was ich gemacht habe. Dir wird nichts geschehen." Der Mützenmacher wurde ärgerlich und sagte: "Ich weiß nicht, wie du darüber lachen kannst. Du weißt offenbar nicht, wie grausam die beiden Söhne des achtzigjährigen Mannes sind."

Der jüngste Bursche ging in seine Kammer, drehte seinen Ring und sagte: "Mache mich unkenntlich!" Sogleich war er unkenntlich. Dann machte er sich auf den Weg zum Hause seines Vaters, des achtzigjährigen Mannes. Er trat ein. Der achtzigjährige Mann und seine ältesten beiden Söhne waren im Zimmer. Aber niemand erkannte ihn. Der älteste Bruder begrüßte ihn und fragte: "Warst du es, der die Mütze und die Gandura hergestellt hat?" Der jüngste Bursche sagte: "Ich war es." Der älteste Bruder sagte: "Nimm eine Tasse Kaffee mit uns. Verweile einen Augenblick. Eine schöne Frau will dir für die Mütze und die Gandura danken. Der älteste Bruder ging hinaus. Er bestellte den Kaffee. Der Kaffee wurde gebracht. Dann kam der älteste Bruder mit Jtreisch in das Zimmer.

Jtreisch betrachtete den jüngsten Burschen. Sie erkannte den Ring an seinem Finger. Sie sah, daß er der jüngste Bursche war, wenn er sich auch verändert hatte. Sie sagte zu ihm: "Du hast mir



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mit der Mütze und der Gandura eine große Freude bereitet. Wenn wir dir nun einige Wünsche erfüllen können, so soll es geschehen." Sie wandte sich zum ältesten Bruder und sagte: "Nicht wahr, du bist damit einverstanden." Der älteste Bruder sagte: "Ich bin damit einverstanden."

Der jüngste Bursche sagte: "Wenn ich mir einiges wünschen darf, so bitte ich, zunächst darum, daß ihr den singenden Vogel bringt, damit ich ihn höre." Der älteste Bruder brachte den singenden Vogel und stellte ihn in die Mitte des Zimmers. Der jüngste Bursche fragte den singenden Vogel: "Wer hat dich aus deinem Hause genommen und wem gehörst du?" Der singende Vogel sagte: "Du allein hast mich aus meinem Hause genommen und dir allein gehöre ich!" Die ältesten Brüder sahen sich an. Sie sahen den Vater an.

Jtreisch sagte: "Hast du noch einen Wunsch?" Der jüngste Bruder sagte: "Bringt mir die drei Frauen herein, die mit den ältesten zwei Söhnen des achtzigjährigen Mannes angekommen sind." Jtreisch rief die drei Frauen. Sie kamen herein. Der jüngste Bursche drehte den Ring am Finger und sagte: "Nimm die Veränderung von mir." Da erkannte der achtzigjährige Mann und seine ältesten Söhne und die drei Frauen der Wuarssen den jüngsten Burschen, und die drei Frauen knieten vor ihm nieder, küßten ihm die Hände und dankten ihm wieder und wieder dafür, daß er sie aus dem Walde gerettet habe. Die beiden ältesten Brüder versteckten sich aber, und der achtzigjährige Mann erhob sich und schaute den jüngsten mit großen Augen an.

Jtreisch sagte: "Hast du noch einen Wunsch?" Der jüngste Bursche sagte: "Kommt, ihr beide, Jtreisch und Aigur, die ihr übrig geblieben seid von der Reise in die untere Welt des Chtaf Larais, und die ihr mir treu bliebt, nachdem meine Brüder mich zu töten versucht hatten, zu mir, und dann will ich meine Mutter aufsuchen, die einzige Frau, die meinem Vater einen seinen Wünschen entsprechenden Sohn geboren hat." Als der achtzigjährige, Mann das hörte, sank er vor Scham tief in die Erde, denn er konnte es nicht verwinden, daß er die beste seiner Frauen zu den Hunden in einen Stall gesperrt hatte. Die beiden ältesten Brüder sanken aber vor dem jüngsten Bruder nieder und baten ihn um Gnade.

Der jüngste Bruder ging mit Jtreisch und Aigur hin und befreite seine Mutter. Er vertrieb die Mütter seiner Brüder aus dem Hause und machte den einen derselben zu einem Schlächter, den andern



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zum Mistträger. (Bei den Kabylen sind die Schlächter stets vera achtet und in dieser Gegend wenigstens stets Neger.) Danach veranstaltete er ein großes Fest und heiratete Jtreisch und Aigur, Sonne und Mond. Bei dem Fest stand aber der singende Vogel mitten im Zimmer und sagte immer wieder: "Der jüngste Bursche allein hat mich aus meinem Hause genommen. Dem jüngsten Burschen allein gehöre ich."



15. Die sieben Schwestern

Ein Mann hatte sieben Töchter; sie waren alle erwachsen, aber noch nicht verheiratet. Ein Agelith wollte die älteste Tochter, die sehr klug und schön war, heiraten. Der Vater gab sie ihm aber nicht.

Eines Tages wollte der Vater eine lange Reise antreten. Er richtete im Hause alles her und sagte zu seinen Töchtern: "Ich werde eine lange Reise machen und vor zwei Jahren nicht zurückkommen. Verlaßt, solange ich fort sein werde, nicht das Haus. Ihr habt im Hause alles, was ihr braucht. Habt ihr etwas nötig und kommt ein Händler vorbei, so kauft durch das Fenster des Tarorfiz (oder Tarurfiz vergl. Bd. i S. 18 =Obergeschoß). Öffnet aber nie die Haustüre." Der Vater reiste ab.

Der Vater war schon lange fort, da hatten die sieben Mädchen eines Tages kein Wasser mehr im Hause. Die Älteste nahm einen Ziegenfellsack (für Wasser) und ging damit fort zur Quelle, um Wasser zu holen. Sie kam an ein Haus, in dem wohnten sieben Wuarssen. Sechs von ihnen waren auf der Jagd und nur einer war daheim, für das Haus zu sorgen.

Als der Wuarssen das Mädchen sah, sagte er: "Was willst du, mein Mädchen?" Die Älteste sagte: "Ich wollte Wasser an der Quelle holen." Dem Wuarssen gefiel das schöne Mädchen über alles, und er sagte: "Komm, mein Mädchen, iß etwas und nimm dann Wasser aus unserm Brunnen." Die Älteste trat herein. Sie aß, was der Wuarssen ihr bot. Die Älteste sagte nach dem Essen: "Es riecht hier nach Weizen (= irthen; Gerste =thimsin)." Der Wuarssen sagte: "Sieh hier den Thetheräft (= Silos im Hause, Getreidegrube)! Er ist ganz voll Weizen. Nimm dir davon, soviel du willst." Die Älteste sah in die Getreidegrube herab und sagte: "Da lange ich nicht herab. Hebe du mir herauf." Der Wuarssen bückte sich, um in die Tiefe hinabzugreifen. Die Älteste gab ihm einen Stoß. Der Wuarssen stürzte hinab. Die Älteste sah sich dann im



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Hause um, fand viel Gold und Kleider und Korn, nahm von allem und kehrte heim.

Abends kamen die andern sechs Wuarssen von der Jagd zurück. Sie suchten ihren Bruder, fanden ihn aber lange nicht. Sie hörten Rufe und Stöhnen aus dem Thetheräft. Sie sahen hinein. Sie fanden den Wuarssen. Sie halfen ihm heraus. Sie fragten ihn, wie er da hinab gekommen sei. Der Wuarssen sagte: "Es war ein Mädchen hier, das war so schön. Wenn ihr es einmal seht, so gebt ihr euer ganzes Vermögen für es hin." Der zweite Wuarssen fragte: "Wird es morgen wiederkommen?" Der erste Wuarssen sagte: "Vielleicht kommt es wieder."

Am andern Tage blieb der zweite Wuarssen daheim und die anderen sechs gingen zur Jagd. Nach einiger Zeit kam wieder die Älteste. Der Wuarssen war froh. Die Älteste trat in das Haus des Wuarssen und schaute sich um. Der Wuarssen sagte: "Was machst du?" Die Älteste sagte: "Ich sehe mich um." Die Älteste löste den Ring vom Finger und ließ ihn fallen. Sie schrie. Der Wuarssen sagte: "Was ist?" Die Älteste sagte: "Mein Ring ist in die Schischma (= Laterine) gefallen. Wenn ich ohne meinen Ring heimkomme, werden meine Eltern mich schlagen." Der Wuarrsen sagt: "Warte, ich will ihn dir heraufgeben." Der Wuarssen bückte sich über die Schischma. Die Älteste gab ihm einen Stoß. Der Wuarssen fiel in die Schischma. Dann nahm sich die Älteste von dem Golde und den Kleidern und dem Korn der Wuarssen, was ihr gefiel und kehrte heim.

Abends kamen die andern sechs Wuarssen von der Jagd zurück. Sie suchten ihren Bruder, fanden ihn aber lange nicht. Der Dritte ging aber einmal zur Schischma. Da hörte er den Bruder von unten rufen und zog ihn herauf. Der Wuarssen fragte ihn: "Wie kommst du dahinunter?" Der Wuarssen sagte: "Das schöne Mädchen war hier. Ich umarmte sie. Nachher aber stürzte sie mich dort hinab." Der dritte Wuarssen sagte: "Morgen bleibe ich daheim. Wenn das Mädchen wiederkommt, werde ich es töten."

Am nächsten Tag blieb der dritte Wuarssen daheim und die andern sechs gingen zur Jagd. Nach einiger Zeit kam die Älteste, begrüßte den Wuarssen und sah sich um. Der Wuarssen vergaß, daß er das Mädchen töten wollte. Er sah, wie schön sie war. Er sagte: "Was siehst du ?" Die Älteste sagte: "Was ist euer Haus schön! Wie reich ihr seid!" Der Wuarssen dachte bei sich: "Ich werde sie auf den Tarorfiz locken und dort umarmen." Der Wuarssen



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sagte: "Wie würdest du erstaunen, wenn du sähst, was auf dein Tarorfiz alles ist." Die Älteste sagte: "Zeige es mir." Der Wuarssen sagte: "Dort ist die Leiter, steige hinauf." Die Älteste trat auf die erste Sprosse und sagte dann: "Die Leiter wackelt. Steige du voran und halte die Leiter von oben." Der Wuarssen stieg zum Tarorfiz herauf. Als er oben war, zog die Älteste die Leiter weg. Der Wuarssen konnte nicht wieder herunter. Dann nahm sich die Älteste von dem Gold und den Kleidern und dem Korn der Wuarssen, was ihr gefiel und kehrte heim.

Abends kamen die andern sechs Wuarssen von der Jagd zurück. Sie suchten ihren Bruder, fanden ihn aber lange nicht. Endlich hörten sie ihn vom Tarorfiz herunterrufen. Sie stellten die Leiter an, so daß er heruntersteigen konnte und fragten ihn: "Hast du sie umarmt?" Der Wuarssen sagte: "Nein, es kam nicht dazu." Der vierte Wuarssen sagte: "Morgen werde ich daheim bleiben. Ich werde sie euch festhalten."

Am nächsten Tage blieb der vierte Wuarssen daheim und die andern sechs gingen zur Jagd. Nach einiger Zeit kam die Älteste in das Haus der Wuarssen, begrüßte den Wuarssen und begann in alle Töpfe zu sehen. Der vierte Wuarssen sagte: "Was schaust du dich um?" Die Älteste sagte: "Ich bin so schnell gelaufen, zu dir zu kommen, daß ich sehr durstig geworden bin. Ich möchte Wasser trinken." Der Wuarssen sah, wie schön sie war und vergaß darüber alles. Die Älteste sagte: "Hast du nicht einen Stolle (= eiserner Schöpfeimer oder -löffel), daß ich mir schöpfen kann." Der Wuarssen gab ihr den Schöpfeimer. Die Älteste ging hinaus zur Quelle. Der Wuarssen folgte ihr. Die Älteste blickte in den Quellschacht und sagte: "Ah, das ist zu tief für mich, ich kann meinen Durst nicht löschen." Der Wuarssen trat heran und sagte: "Ich will für dich schöpfen." Der Wuarssen bückte sich. Die Älteste gab ihm einen Stoß. Der Wuarssen fiel in den Quellschacht. Die Älteste sagte: "Nun bleib da! Ich komme nicht wieder; es war das letztemal, daß ich euch besuchte!" Dann ging die Älteste in das Haus und nahm von dem Gold und den Kleidern und dem Korn der Wuarssen, was ihr gefiel und ging damit heim.

Abends kamen die andern sechs Wuarssen von der Jagd zurück. Sie suchten ihren Bruder, fanden ihn aber lange nicht. Endlich hörten sie seine Stimme aus dem Quellschacht. Sie zogen ihn heraus und fragten: "Hast du das Mädchen gesehen?" Der vierte Wuarssen sagte: "Ja, ich sah sie, sie war durstig." Der fünfte Wuarssen



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sagte: "Mir soll sie morgen nichts anhaben." Der vierte Wuarssen sagte: "Du irrst dich, das schöne Mädchen kommt morgen nicht wieder."

Am andern Tage sagte der fünfte Wuarssen: "Ich werde zu dem schönen Mädchen gehen und es im eigenen Hause fangen. Ich will sie hierher bringen." Der fünfte Wuarssen machte sich einen (falschen) Bart um und verkleidete sich als Händler (=artär; Plural: eartärren). Er hing sich einen Beutel um mit Stickereien und Seide und Schmuck. Der verkleidete Wuarssen machte sich auf den Weg. Er kam zu dem Haus der sieben Mädchen. Der Wuarssen klopfte. Der Wuarssen rief: "Ich bin ein Händler und möchte euch gerne einige Sachen verkaufen. Macht mir doch die Tür auf, damit ihr seht." Die Älteste sagte zu den Schwestern: "Laßt die Tür geschlossen. Ich will mit dem Manne verhandeln. Ich werde mit ihm aus dem Fenster (= thak; Plural: thakath) vom Tarorfiz sprechen." Die Älteste stieg zum Tarorfiz hinauf.

Die Älteste öffnete oben das Fenster und sagte zu dem Händler: "Was willst du von uns?" Der Wuarssen sagte: "Wollt ihr nicht Gürtel (=aguth; Plural: iguther) von Seide kaufen?" Die Älteste sagte: "Was willst du denn dafür haben?" Der Wuarssen sagte: "Zwei Duro." Die Älteste ließ eine Schnur herunter und sagte: "Ich will den Gürtel betrachten." Der Wuarssen band den Gürtel an die Schnur. Die Älteste zog ihn herauf. Dann band die Älteste einen Korb an die Schnur, legte zwei Duro hinein und ließ die Schnur wieder herunter.

Der Wuarssen nahm das Geld aus dem Korb. Der Wuarssen sagte: "Ich habe sehr schöne Schleier (= thimharmith; Plural: thimharmir). Ich habe noch andere Gürtel. Willst du denn von alledem nichts für deine Schwestern kaufen?" Die Älteste sagte: "Lege nur alles in den Korb, ich werde es heraufziehen und dann sehen, was wir nehmen können." Der Wuarssen legte alle seine Gürtel, Schleier und Stickereien in den Korb. Die Älteste zog den Korb an der Schnur herauf. Als sie alles oben hatte, rief die Älteste: "Nun geh du als Händler verkleideter Wuarssen, oder ich werfe mit der Debus (=Schlag- und Wurfkeule) nach dir!" Der Wuarssen ging.

Der fünfte Wuarssen kam heim. Die Brüder fragten ihn: "Warst du im Hause des Mädchens? Hat sie dir etwas abgekauft?" Der fünfte Wuarssen sagte: "Sie hat mir einen Gürtel abgekauft und



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alles andere hat sie mir weggenommen, ohne mir dafür ein Kupfer.. stück zu zahlen." Der sechste Wuarssen sagte: "Ich werde dieses Mädchen in seinem eigenen Hause töten und verschlingen. Ich komme nicht ohne das wieder."

Der sechste Wuarssen ging zu einer alten, verschlagenen Frau (einer Setüt). Der sechste Wuarssen sagte zu der Frau: "Kannst du mich in das Haus des Mädchens bringen? Wenn du mich in das Haus des Mädchens bringst, bekommst du alles von mir, was du willst." Die alte Frau sagte: "Dies kann ich machen. Komm und steige in meinen Rückentragkorb" (=thakofitz; Plural: thakofthin, diese Tragkörbe werden von den Frauen mit einer Horizontalschnur über Oberarme und Brust getragen; Stirngurttragen kommt nicht vor!). Der sechste Wuarssen stieg in den Rückenkorb der alten Frau. Die alte Frau nahm den Korb auf den Rücken und ging mit ihm zum Hause der sieben Mädchen.

Die alte Frau kam an das Haus der sieben Mädchen. Die alte Frau klopfte und rief: "Wollt ihr Töpfe kaufen?" Die jüngste Tochter rief: "Da ist eine alte Frau mit Töpfen." Die Jüngste lief hin und öffnete. Die alte Frau kam herein, stellte den Korb in eine Ecke und begrüßte die sieben Mädchen. Die alte Frau sprach mit den sieben Mädchen. Die Jüngste lud die Frau zum Essen ein. Die alte Frau blieb zum Abendessen. Die alte Frau blieb über Nacht.

Als es Nacht war, ging die Älteste leise mit einer Nadel zu dem Korbe und stach hinein. Die Älteste fragte leise: "Wachst du?" Der Wuarssen dachte, es sei die alte Frau und sagte: "Ja, ich wache. Soll ich jetzt herauskommen und sie töten?" Die Älteste stach mit einer spitzen Eisenstange durch den Korb in den Wuarssen (spitze Eisenstange = athfurth; Plural: ithfurthen) und sagte: "Warum hast du nur so früh gehustet, ich glaube, nun sind sie alle geflohen." Der Wuarssen sagte: "Ich habe ja nicht gehustet." Die Älteste sagte: "Du hast doch gehustet." Sie machte die Eisenstange heiß und stieß immer wieder durch den Korb in den Wuarssen. Sie sagte dabei: "Gewiß, du hast gehustet." Nachdem sie eine Zeitlang so mit der Eisenstange zugestoßen hatte, war der Wuarssen tot.

Am andern Tage sagte die alte Frau zu den sieben Schwestern: "Wollt ihr mir also keine Töpfe abkaufen?" Die Älteste sagte: "Nein, wir danken dir. Nimm deine Last und bring sie wieder heim." Die Älteste half der alten Frau die Last auf die Schultern und begleitete sie zur Tür. Die alte Frau ging mit ihrer Last von dannen.

Die alte Frau kam mit ihrem Korbe zu dem Hause der Wuarssen.



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Sie setzte den Korb ab und sagte: "Hier habt ihr euren Bruder, ich habe ihn in das Haus der sieben Mädchen gebracht. Da ist er eingeschlafen. Das ist nicht meine Sache. Ich habe Wort gehalten." Die andern sechs Wuarssen öffneten den Korb. Sie fanden den toten Wuarssen. Sie sagten: "Er ist nicht lebend wiedergekommen; er hat Wort gehalten." Der siebente Wuarssen sagte: "Wenn der Vater dieses Mädchens wiederkommt, werden wir zu ihm gehen und seine Tochter von ihm für mich zur Frau verlangen, oder aber ihn selbst verschlingen."



***
Am andern Tage kam der Vater der sieben Mädchen von seiner Reise zurück. Die sechs Wuarssen kamen zu seinem Hause und sagten ihm: "Gib unserm jüngsten Bruder deine älteste Tochter zur Frau, oder wir verschlingen dich und alle deine Töchter. Wir wollen die älteste Tochter mit Gewalt oder Güte." Der Vater erschrak. Der Vater gab sein Wort (schwor) und sagte: "Ich werde dir meine älteste Tochter zur Frau geben. Geh jetzt wieder heim und komme wieder, wenn sie zur Hochzeit gerüstet ist." Die sechs Wuarssen kehrten wieder heim.

Der Vater ging zur ältesten Tochter und sagte: "Du wirst den siebenten Wuarssen heiraten." Die Älteste sagte: "Mein Vater, nimm davon Abstand. Ich habe den Wuarssen soviel Übel getan, sie werden mich töten." Der Vater sagte: "Ich habe mein Wort gegeben, es muß geschehen." Die Älteste sagte: "So gib mir am Tage der Hochzeit vier Ziegenhautsäcke mit, zwei gefüllt mit Honig und zwei gefüllt mit Butter." Der Vater sagte: "Das sollst du haben."

Als der Tag gekommen war, brachte der Vater die Älteste mit ihren vier gefüllten Ziegenhautsäcken in das Haus der Wuarssen. Der siebente Wuarssen nahm sie in Empfang und führte sie in das kleine Haus, das die Neuvermählten bewohnen sollten. Dann ging der Wuarssen zu seinen Brüdern, um mit ihnen und den Gästen bis in die Nacht hinein das Fest zu feiern.

Die Älteste rief eine alte Frau und sagte zu ihr: "Bring mir die Kleider deiner Tochter. Hilf mir, daß ich heute abend entfliehen kann. Ich will dich reich beschenken." Die alte Frau sagte: "Wie soll ich das machen?" Die Älteste sagte: "Bringe mir nur die Kleider deiner Tochter. Ich kleide mich in sie, und wenn es dunkel ist, gehe ich mit dir von dannen. Wenn die Leute dich fragen: ,Wer ist das?' so sagst du: ,Das ist meine Tochter, die muß ihr schreiendes Kind nähren'." Die Alte lief und holte die Kleider ihrer Tochter.



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Die Älteste zog inzwischen ihre Kleider aus und machte aus den vier Ziegenhautsäcken eine Puppe. Der Puppe zog sie ihre Kleider an und legte die Puppe in ihr Bett.

Die Alte kam. Die Alte brachte die Kleider ihrer Tochter mit. Die Älteste zog die Kleider an. Die Alte ging mit der verkleideten Ältesten aus dem Hause. Die Wuarssen fragten: "Wer ist diese junge Frau?" Die alte Frau sagte: "Es ist meine Tochter, die bei der Braut war. Ich habe sie gerufen, weil ihr Kind daheim schreit. Sie soll ihr Kind nähren." Die Wuarssen ließen die alte Frau mit der verkleideten Ältesten gehen. Sie gingen weiter. Die Älteste beschenkte die alte Frau, dankte ihr und lief so schnell sie konnte von dannen.

Als es Nacht war, sagte der siebente Wuarssen zu seinen fünf Brüdern: "Alle Leute sind jetzt bei dem Fest. Sie werden nichts merken. Kommt jetzt; wir wollen das schöne Mädchen töten." Die sechs Wuarssen ergriffen ihre Säbel und liefen in das kleine Haus und zu dem Lager des schönen Mädchens. Auf dem Lager sahen sie im Dunkeln eine Person. Sie begannen mit den Säbeln auf die Person zu schlagen. Sie zerschlugen die Säcke mit Honig. Sie leckten an den Säbeln und sagten: "Wie süß das Fleisch und das Blut (=ithamen) ist." Sie zerschlugen die Säcke mit Butter. Sie leckten an den Säbeln und sagten: "Wie fett dieses Mark (=athif) ist."

Nachher zündeten sie eine Öllampe an, um damit zu beginnen, das zerhackte schöne Mädchen aufzuessen. Als sie Licht gemacht hatten sahen sie, daß sie statt in das schöne Mädchen in ein paar Ziegensäcke geschlagen hatten. Sie sagten zu dem siebenten Wuarssen: "Nun hat sie dich ebenso betrogen, wie uns andere alle." Die sechs Wuarssen wurden wütend. Sie machten sich auf den Weg, um den Vater des schönen Mädchens aufzusuchen. Sie sagten zu dem Vater: "Wo ist deine älteste Tochter?" Der Vater der sieben Mädchen sagte: "Ich habe sie euch gegeben; was nachher aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. Bei mir ist meine älteste Tochter nicht." Da machten sich die Wuarssen auf den Weg und suchten das Mädchen überall. Sie fanden das schöne Mädchen aber nicht.




***
Das schöne Mädchen lief noch in der Nacht weit fort. Es legte sich an einen Felsen nieder. Da schlief es. Als es Morgen war, öffnete sich der Felsen. Eine Schlange kam heraus. Die Schlange sah das schöne Mädchen. Da verwandelte sie sich in einen Mann.


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Der aus der Schlange verwandelte Mann trat zu dem schönen Mädchen und sagte: "Wer bist du?" Das schöne Mädchen sagte: "Ich bin ein Mensch wie du!" Der Mann sagte: "Wenn es dir recht ist, will ich dich als meine Tochter bei mir behalten bis an mein Ende. Ich werde dir nichts tun. Wenn du aber einen Mann heiraten willst, der dir zusagt, so sage nur, welcher es ist, und ich werde zustimmen. Ich will nichts Schlechtes, sondern nur das Beste. Bist du einverstanden?" Das schöne Mädchen sagte: "Ja, ich bin einverstanden!"

Der Mann sagte: "Ich bin kein Mensch, ich bin eine Schlange. Ich bin wohlhabend und will dir geben, was du dir wünschst." Die Schlange führte das schöne Mädchen in den Felsen. In' Felsen war das Haus der Schlange. Das Mädchen trat herein. Im Hause war alles sehr reich. Die Schlange suchte die schönsten Schmucksachen zusammen und schmückte das schöne Mädchen damit. Dann führte sie das schön geschmückte und gekleidete Mädchen auf den Felsen hinauf und sagte: "Wenn du die Natur sehen oder dich kämmen willst, so setze dich hier auf den Felsen, geh aber nicht weiter fort." Das Mädchen wohnte bei der Schlange. Es saß oft auf den Felsen und kämmte dort ihr schönes Haar.

Nicht weit entfernt wohnte ein Agelith, der hatte einen Widder (= ikerri), den liebte er über alles, und er schmückte ihn reichlich mit Gold. Eines Tages sah der Widder das schöne Mädchen, und er ward von ihrer Schönheit ergriffen (Schönheit =ahathin). Der Widder begann darauf zu singen. Der Widder trat an den Felsen, auf dem das schöne Mädchen saß und sang: "Die Schlange macht dich fett, und wenn du fett genug bist, wird die Schlange dich eines Tages fressen." Als das schöne Mädchen das hörte, begann es zu weinen und ward traurig. Sie mochte nicht essen und magerte ab. Am andern Tage kam der Widder wieder und sang dasselbe. Er kam alle Tage. Er kam während vierzehn Tagen (elnud'da = zwei Wochen) jeden Tag. Das schöne Mädchen hörte es und magerte ab und war zuletzt mager wie ein Nagel (=amthmar; Plural: imthmarren). Die Schlange sah, daß das schöne Mädchen ganz mager wurde. Sie fragte: "Was fehlt dir?" Das schöne Mädchen sagte: "Es ist nichts."

Am andern Tage versteckte sich die Schlange in der Nähe des Felsens. Die Schlange sah alles. Das schöne Mädchen kam, setzte sich auf den Felsen und kämmte ihr schönes Haar. Nach einiger Zeit kam die Herde des Agelith und der Widder mit dem Goldschmuck.



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Der goldgeschmückte Widder kam an den Felsen und begann zu singen: "Die Schlange macht dich fett, und wenn du fett genug bist, wird die Schlange dich eines Tages fressen." Als das schöne Mädchen das hörte, begann es zu weinen.

Abends verwandelte sich die Schlange in einen Mann, kam zu dem schönen Mädchen und sagte: "Warum hast du mir das mit dem Widder nicht gesagt? Ich habe alles mit angehört. Gräme dich nicht. Wenn morgen der Widder wiederkommt und gesungen hat, so singe du: ,Ich werde morgen aber den Sohn des Agelith heiraten, und am Festtage wirst du geschlachtet werden'."

Am andern Tage kam der goldgeschmückte Widder wieder zum Felsen und sang: "Die Schlange macht dich fett, und wenn du fett genug bist, wird die Schlange dich eines Tages fressen." Das schöne Mädchen hörte es und sang dann: "Ich werde morgen aber den Sohn des Agelith heiraten, und am Festtage wirst du geschlachtet werden." Als der Widder das hörte, begann er vor Furcht zu zittern, so daß alles Gold, mit dem er geschmückt war, von ihm herabfiel. Voller Angst und nackt ohne Schmuck, kam er heimgelaufen. Die Schlange kam aber hervor, sammelte den Goldschmuck auf und hängte ihn dem schönen Mädchen um.

Als der Widder ohne Schmuck heimkam, gab der Agelith ihm neuen Goldschmuck. Der Hirt trieb die Herde seinen Weg. Der Sohn des Agelith ging heimlich hinter dem Widder her. Der Sohn des Agelith sah, wie der Widder zu dem Felsen ging. Der Sohn des Agelith sah das schöne Mädchen auf dem Felsen sitzen. Er hörte den Widder singen; er hörte das schöne Mädchen singen. Er sah den Widder zittern und das Gold herabfallen. Der Sohn des Agelith war von der Schönheit des Mädchens betäubt, so daß er nach Hause wankte, ohne den Weg zu sehen. Der Sohn des Agelith kam heim und erzählte alles seinem Vater, dem Agelith.

Am andern Tage ward der Widder aufs neue mit Gold behangen. Der Hirt trieb die Herde seinen Weg. Der Agelith ging heimlich hinter dem Widder her. Der Agelith sah, wie der Widder zu dem Felsen ging. Der Agelith sah das schöne Mädchen auf dem Felsen sitzen. Er hörte den Widder singen; er hörte das schöne Mädchen singen. Er sah den Widder zittern und das Gold herabfallen.

Der Agelith ging zu der Schlange und sagte: "Ich will deine Tochter für meinen Sohn; er soll sie heiraten. Was willst du von mir?" Die Schlange sagte: "Ich will nur sieben Ziegenhäute voll Eiter." Der Agelith ging. Er rief einen weisen Mann und sagte:



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"Wie kann ich mir sieben Ziegenhäute voll Eiter (=arthed) verschaffen?" Der weise Mann sagte: "Stich alle deine Schafe und Ochsen. Es werden Beulen entstehen. Drücke sie aus. So wirst du in acht Tagen sieben Ziegenhäute voll Eiter sammeln können." Der Agelith tat so. Nach sieben Tagen hatte er sieben Ziegenhäute voll Eiter. Er sandte sie der Schlange. Die Schlange war einverstanden.

Die Schlange verabschiedete sich von dem schönen Mädchen. Die Schlange sagte: "Geh, nimm all deine Sachen. Geh zu deinem Gatten. Vergiß nichts. Wende dich aber, wenn du mein Haus einmal verlassen, nicht wieder um, auch nicht, um etwas Vergessenes zu holen. Finde ich etwas, was du vergaßest, so werde ich es dir schon bringen." Das schöne Mädchen versprach es und ging. — Als aber das Mädchen schon gegangen war, fiel ihm ein, daß es seinen Kamm und Spiegel vergessen hatte. Es dachte nicht an das, was die Schlange ihr gesagt hatte; es lief zurück ins Haus. Als es in das Haus trat, sah es die Schlange den Eiter trinken. Die Schlange sagte aber: "Was hast du getan! Ich habe dich gewarnt. Nun mußt du dein Unglück tragen." Das schöne Mädchen erschrak, nahm Kamm und Spiegel und lief zu dem Dorf des Agelith.




***
Die schöne junge Frau wurde von den andern Frauen gehaßt. Der junge Agelith liebte sie aber sehr. Eines Tages gebar sie dem jungen Agelith einen Knaben. Als es Nacht war, kam die Schlange, biß dem Knaben den kleinen Finger ab und warf den Finger der Mutter in den Schoß. Dann nahm die Schlange den Knaben mit sich fort. Am andern Morgen wollte der Agelith seinen jungen Sohn sehen. Die Frauen sagten (insgeheim): "Die Mutter hat ihr eigenes Kind gegessen."

Als wieder ein Jahr vergangen war, gebar die schöne junge Frau wieder einen Knaben. In der Nacht kam aber wieder die Schlange, biß dem Knaben den kleinen Finger ab, warf den kleinen Finger der Mutter in den Schoß und nahm den Knaben mit sich fort. Nachts aber kamen noch die anderen Frauen, strichen der Mutter das Blut des kleinen Fingers um den Mund und sagten laut: "Seht, die junge Mutter hat ihr eigenes Kind gefressen." Als der Vater des jungen Agelith das hörte, wurde er zornig. Er ließ die junge Frau packen, ihr Lumpen anziehen und sie im Adäinin bei den Tieren anbinden.

Die Schlange hatte die beiden Knaben mit nach Hause genommen



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und zog sie auf. Die Knaben wuchsen schnell auf; es wurden starke und schöne Jünglinge. Die Schlange unterwies sie in allem, es wurden kluge und kenntnisreiche Burschen. Eines Tages sagte die Schlange zu den beiden Burschen: "Heute will ich euch zu euren Eltern bringen." Die Burschen sagten: "Haben wir Eltern?" Die Schlange sagte: "Ja, euer Vater ist der Agelith des Landes. Wenn ihr aber zu ihm kommt, laßt euch nicht in dem schönen Haus der Gäste unterbringen. Verlangt, daß ihr im Staue ein Lager erhaltet und weigert euch zu essen, ehe nicht die Frau, die dort angebunden ist, mit euch essen darf. Nachher werde ich dann schon zu euch kommen."

Die beiden Jünglinge machten sich auf den Weg zu dem Agelith. Der junge Agelith sah sie. Er war überrascht von ihrer Schönheit. Er dachte bei sich: "Hätte ich doch solche Söhne." Er begrüßte die Jünglinge und bat sie in das Haus der Gäste zu kommen. Die beiden Jünglinge sagten: "Wir danken, laß uns im Stalle übernachten." Die Jünglinge gingen in den Stall. Der junge Agelith ließ die beiden Jünglinge bitten, mit ihm zu essen. Die Jünglinge sagten: "Wir essen nur, wenn die Frau, die hier im Stalle angebunden ist, freigelassen wird und mit uns ißt." Der Agelith sagte: "Laßt sie; sie hat ihre eigenen Kinder gefressen." Die beiden Jünglinge sagten: "Wie sollte das sein! Das ist nicht möglich. Wenn die Frau nicht mit uns ißt, können wir auch nicht essen."

Der junge Agelith gab den Befehl, die junge Frau loszubinden. Die andern Frauen taten es. Aber sie stachen und kniffen dabei die Frau und sagten ihr (leise): "Morgen wirst du wieder angebunden." Die beiden Jünglinge hörten das. Die Jünglinge saßen und aßen mit der jungen Frau an einer Tafel. Die Schlange verwandelte sich in einen Mann und trat an die Tafel. Die Schlange fragte die losgebundene Frau: "Könntest du deinen Sohn nicht wiedererkennen?" Die junge Frau sagte: "Nein, denn ich habe nur diesen kleinen Finger von ihm." Die Schlange sagte: "Gib ihn mir." Die junge Frau gab ihn. Die Schlange spie darauf und setzte ihn dem älteren Sohne an. Der Schlange sagte zu der jungen Mutter: "Hast du auch den Finger des anderen Knaben?" Die Mutter sagte: "Hier ist er." Die Schlange spie darauf und setzte ihn dem anderen Jüngling an. Die Schlange sagte zu dem jungen Agelith und seiner Frau: "Dies sind eure Söhne. Wärst du nicht auf dem Weg von meinem Hause umgekehrt, so wäre dies Unglück nicht geschehen."

Der junge Agelith veranstaltete ein großes Fest. Alle Leute umjubelten



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die junge Frau und ihre schönen Söhne. —Die Frauen, die aber das Unglück der jungen Frau vermehrt und sie gequält hatten, ließ der Vater des Agelith auf ein Pferd binden. Das wurde durch die Berge und Wälder gejagt, so daß von ihnen kein Teil mehr am andern blieb.

Die Schlange kehrte wieder in ihr Haus, in das Haus in dem Felsen zurück. Sie kam später nie wieder in die Stadt des Agelith.



16. Brunnenfahrt

Ein Agelith hatte drei Söhne. Diese waren so stark, daß sie es allein mit einem ganzen Stamm (arabisch: Duar; kabylisch: thed-dorth) aufnehmen konnten. Die zwei Älteren waren jeder allein einem Kriegshaufen eines Agelith gewachsen. Der Jüngste war imstande, die Leute von sieben Agelith ganz allein zu besiegen, ohne hierzu irgendeiner Hilfe zu benötigen. Der Agelith wußte aber von der Stärke seiner Söhne nichts.

Sie alle drei verließen schon an jedem Morgen das Haus und ritten in das Freie, wo niemand sie sah. Dort unterrichtete der Jüngste sie in der Handhabung des Schwertes. Eines Tages aber sahen die Leute das. Sie verstanden solches nicht und gingen zum Agelith und sagten: "Du bist ein großer und kluger Mann, deine drei Söhne aber sind Narren." Der Agelith hatte aber einen Angestellten. Dessen Sohn ging fleißig zur Jagd. Er kam jeden Abend reich mit Beute beladen nach Hause. Der Angestellte sagte zum Agelith: "Es ist unrecht, daß die Leute so schlecht von deinen Söhnen sprechen. Sie spielen. Das ist wahr. Es kann aber nicht jeder Mann so ordentliche Söhne haben, wie der meine ist, der jeden Abend mit reicher Jagdbeute heimkehrt." Als der Agelith das hörte, ward er traurig und sagte bei sich: "Statt der drei schwachen Söhne möchte ich lieber einen einzigen tapferen Sohn haben, wie ihn dieser mein Angestellter hat."

Der Agelith hatte einen herrlichen Garten. Eines Tages ging er in den Garten, um all die vielen Früchte und Wurzeln zu besehen, die dieser Garten hervorbrachte. Wie er aber durch den Garten ging, sah er, daß dieser Garten täglich beraubt wurde. Er sah die Fußspuren eines Wuarssen, der täglich in den Garten kam, um sich an den Früchten und Wurzeln des Agelith satt zu essen. Der Agelith sah die Verwüstung. Er wurde zornig. Er kehrte zornig nach Hause zurück. Daheim wurde er traurig und ging betrübt in seine Kammer,



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ohne seine Söhne gesehen zu haben. Der Agelith war krank. Er legte sich auf das Bett. Er ließ seinen Angestellten rufen. Er fragte seinen Angestellten: "Hast du die Verwüstung gesehen, die der Wuarssen in meinem Garten angerichtet hat?" Der Angestellte sagte: "Ja, ich habe das gesehen. Es ist traurig, daß deine Söhne, deren Aufgabe es wäre, den Garten zu bewachen, ihr Leben im Spiel verbringen. Wenn du es willst, so soll mein Sohn den Garten bewachen. Mein Sohn ist fleißig und tapfer." Der Agelith sagte: "Ich werde es mir überlegen."

Am andern Morgen ritten die drei Brüder wie alle Tage hinaus zum Zweikampf. Der Jüngste sagte draußen zu den beiden älteren Brüdern: "Wißt ihr, was gestern abend das Herz unseres Vaters bewegte? Wir müssen darauf achten, was daheim vorgeht, wenn wir nicht dort sind. Ihr wißt, daß unser Vater sein Ohr allzuleicht den Worten der anderen leiht, die nichts Gutes von uns sprechen. Und dann wißt ihr auch, daß unser Vater nicht weiß, wie nützlich das Waffenspiel (=träd[e]; arabisirt: l'harb) ist, welches wir alle Tage üben. Wir müssen wissen, was die Leute gestern wieder dem Vater gesagt haben." Die beiden älteren Brüder sagten: "Du hast recht; wir müssen das in Erfahrung bringen."

Als es Abend war, kehrten die Brüder heim. Die Mutter sandte ihnen das Essen. Die drei Brüder sagten: "Wir wollen nichts von dem Essen mehr anrühren, solange sich unser Vater nicht zu uns setzt und mit uns ißt." Die Mutter hörte es. Die Mutter ging zum Vater und sagte: "Deine drei Söhne wollen das Essen nicht anrühren, wenn du nicht mit ihnen ißt." Der Agelith sagte: "Ich kann nicht mit meinen Söhnen essen; ich bin krank." Die Mutter kam zu den Söhnen und sagte: "Der Vater kann nicht mit euch essen; er ist krank."

Die drei Söhne gingen darauf zu dem Vater und sagten: "Vater, sage uns, was du in deinem Herzen hast." Der Agelith unterdrückte seinen Kummer und sagte: "Es ist gut, meine Söhne; wir wollen gemeinsam essen."

Der Vater aß mit den Söhnen zusammen. Nach dem Essen sagte der Agelith: "Meine Söhne, ich habe einen Angestellten; von dem höre ich alle Tage, wie tapfer und fleißig sein Sohn auf der Jagd ist. Alle Leute rühmen mir diesen jungen Mann, von dem ich oft Jagdbeute erhalte. Gestern noch hat mir dieser Angestellte seinen Sohn für eine schwere Sache zur Verfügung gestellt. Sein Sohn ist nicht ein spielender Narr, sondern ein tapferer Mann. Ich habe nicht



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einen solchen Sohn. Ich war gestern noch im Garten (=tib[rlherth) und habe gesehen, daß ein Wuarssen dort große Verwüstungen anstellt. Dieser Wuarssen betrügt mich um die besten Früchte und um die besten Wurzeln in meinem Garten. Ich habe weiter nichts zu sagen, als daß niemand in meinem Hause zu sein scheint, der den Garten schützen kann." Die drei Söhne sprangen auf. Der jüngste der drei Söhne sagte: "Vater, erlaube uns zu gehen, wir haben auch nichts mehr zu sagen." Die drei Brüder gingen in ihre Kammern.



***
Am andern Tage ritten die Brüder wie sonst auch fort und sagten: "Wir gehen wieder zum Waffenspiel." Sie ritten auch bis zu einem Baum an der Quelle, der nahe dem Platze stand. Der Jüngste sagte: "Meine Brüder, hier wollen wir uns besprechen. Laßt uns absteigen." Die drei Brüder stiegen ab und setzten sich im Schatten des Baumes nieder. Der Jüngste sagte: "Das erste, was jetzt zu tun ist, betrifft diesen Sohn des Angestellten unseres Vaters. Ich bitte euch, mir das zu überlassen, mit ihm abzurechnen. Sein Vater hält ihn für stärker und tapferer als uns. Ich will sehen, wie es darum steht. Das zweite ist die Verwüstung, die der Wuarssen im Garten unseres Vaters angerichtet hat. Dieser Wuarssen kommt stets des Nachts. Wenn also jede Nacht einer von uns im Garten Wache hält, kann uns der Wuarssen nicht entgehen. Seid ihr hiermit einverstanden?" Die Brüder sagten: "Wie du es sagst, wollen wir es machen." Darauf begannen sie wie alle Tage ihr Waffenspiel.

Als es gegen Abend war, setzten die drei Brüder sich unter den Baum und warteten auf die Rückkehr des Sohnes des Angestellten, der, von der Jagd kommend, hier immer vorbeiritt. Der Sohn des Angestellten kam. Der jüngste der drei Brüder ging ihm entgegen und sagte zu ihm: "Dein Vater rühmt deine Tapferkeit und deine Kraft. Hast du etwas getan, was dies erklärt? Dein Vater redet Schlechtes über die Faulheit und Schwäche der drei Söhne des Agelith. Hast du etwas getan, um dieses Gerede zu beenden?" Der Sohn des Angestellten sagte höhnisch: "Wer bist du? Was hast du bis jetzt getan? Was ist von dem närrischen Spiel zu erwarten, das ihr jeden Morgen feiert? Was bist du? Du bist nichts als ein Name. Was bin ich? Ich bin Arbeit. Sieh meine Jagdbeute! Jede tote Gazelle sagt soviel Gutes über mich, wie die flachen Säbelhiebe eures Spieles Schlechtes über euch. Hää! Hat mein Vater da nicht



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recht?" Der jüngste der drei Brüder sagte: "Du spielst mit mir?" Der Sohn des Angestellten sagte: "Ja, ich spiele mit dir wie mit einer Gazelle." Der Jüngste sagte: "So komm, steig vom Maulesel! Leg die Beute weg und zieh auch deinen Säbel. Ich will dir heute den Ruhm, den du statt unser unrechtmäßig erworben hast, abnehmen; denn er ist mein Erbteil, und ich werde ihn mehren. Du aber sollst wieder zu dem Nichts werden, aus dem du geboren wurdest."

Der Sohn des Angestellten sagte: "Ich will mich nicht mit dir schlagen. Ich könnte dich töten!" Der Jüngste sagte: "Ich will es aber. Wenn du nicht absteigen willst, so wirst du es müssen." Der Sohn des Angestellten sagte: "Du bist ein Narr. Geh zur Seite und laß mich nach Hause reiten." Der Sohn des Angestellten wollte an dem Jüngsten vorbeireiten. Der Jüngste zog aber seinen Säbel und schlug dem Maulesel mit einem Schlage den Kopf ab. Der Sohn des Angestellten erschrak. Er sprang von dem gefallenen Tier auf und sagte: "Sohn des Agelith! Ich bitte, laß nun die Scherze. Laß mich nach Hause gehen." Der Jüngste sagte: "Zieh deinen Säbel, wie ich es getan habe und wirf die Tierleichen zur Seite." Der Sohn des Angestellten sagte: "Ich bitte dich! Laß mich. Ich will nicht mit dem Sohn des Herrn meines Vaters kämpfen." Der Jüngste sagte: "Ich sage dir nun zum dritten Male: "Zieh deinen Säbel und kämpfe. Wenn du es nun nicht tust, so stecke ich auch meine Waffe ein. Ich werde dann aber einen Knüppel nehmen und dich schlagen, wie man einen Hund verprügelt. Du bist ja im Umgang mit Tieren so geübt, daß dir dies vielleicht lieber ist."

Der Sohn des Angestellten legte seine Gazellen zur Seite. Er zog den Säbel. Der Jüngste sagte: "Schlag du zuerst. Schlag scharf! Ich werde dann flach schlagen, um dich nicht deinem Vater zu rauben." Der Sohn des Angestellten schlug mit aller Kraft. Der jüngste Sohn des Agelith fing mit der Säbeispitze den Schlag auf und sagte: "Nun steh!" Der Jüngste schlug. Er schlug flach. Sein Schlag warf den Sohn des Angestellten um. Der Sohn des Angestellten überschlug sich dreimal. Der Sohn des Angestellten schrie und fiel zwischen die Leiche des Maulesel und die Leichen der Gazellen. Dann aber sprang er auf und lief, so schnell er konnte, nach Hause.

Der Sohn des Angestellten lief zu seinem Vater und sagte: "Mein Vater, die drei Söhne des Agelith sind heute abend mit Knüppeln über mich hergefallen. Sie haben meinen Maulesel getötet. Sie



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haben mir die erbeuteten Gazellen weggenommen und haben mich geschlagen." Der Vater sagte: "Mein Sohn, beruhige dich. Du weißt, die drei Söhne des Agelith sind faule Burschen, mit denen nichts zu machen ist. Ich werde aber schon dafür sorgen, daß ihr Vater sie eines Tages verjagt und dich an ihrer Stelle dafür zu seinem Nachfolger einsetzt." Als der Angestellte das sagte, kam gerade der jüngste der drei Brüder am Hause vorbei. Er hörte die letzten Worte. Er warf die vier Gazellen in das Haus und sagte: "Hier, Angestellter meines Vaters, sind die Lumpen, die dein fliehender Sohn verloren hat. Gib ihm nur viel zu essen, daß er stark genug wird, um der Nachfolger meines Vaters zu werden, nachdem der Agelith seine Söhne verjagt hat." Der Angestellte und sein Sohn erschraken.

Als es Nacht geworden war, machte sich der älteste der drei Brüder auf den Weg. Er ging in den Garten, um auf den Wuarssen zu warten und mit ihm zu kämpfen. Als es Mitternacht war, überfiel den Burschen aber die Müdigkeit. Er schlief ein. Er schlief fest. Der Wuarssen kam. Der Wuarssen pflückte sich eine Menge Früchte, riß Wurzeln aus dem Boden, zertrat die Büsche. Dann kehrte er in seinen Wald zurück. Als es Morgen war, erwachte der Älteste. Er sah um sich und bemerkte, was der Wuarssen angerichtet hatte, während er schlief. Da wurde er traurig und ging betrübt nach Hause.

Am zweiten Abend machte sich der zweite der drei Brüder auf den Weg. Er ging in den Garten, um auf den Wuarssen zu warten und mit ihm zu kämpfen. Er nahm sich fest vor, nicht einzuschlafen. Als es aber um Mitternacht war, konnte er der Müdigkeit nicht mehr widerstehen, sondern schlief ein wie sein ältester Bruder. Er schlief, als der Wuarssen kam. Er wachte auch nicht auf, als der Wuarssen Äste mit Früchten von den Bäumen brach und Sträucher mit Wurzeln aus dem Boden riß. Er hörte es auch nicht, als der Wuarssen mit seiner Beute wieder in den Wald zurückkehrte. Er wachte erst auf, als es Morgen war. Als er dann um sich sah, gewahrte er die Verwüstung, die der Wuarssen angerichtet hatte, wurde traurig und ging betrübt nach Hause.

Am dritten Abend wollte der Jüngste nun in den Garten gehen, um zu wachen. Seine Mutter fiel ihm aber in die Arme, weinte und bat ihn: "Mein Sohn, du bist mir der Liebste von allen, du wirst nicht einschlafen wie deine Brüder. Ich, eure Mutter, kenne euch. Ich weiß, daß du mit dem Wuarssen kämpfen wirst. Er würde dich



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töten oder schwer verwunden. Mein Sohn, ich fürchte mich statt deiner. Mein Sohn, bleib!" Der Jüngste sagte: "Meine Mutter, die Worte unseres Vaters brennen schlimmer als Wunden. Die Worte unseres Vaters sind ein Gift, das einen schlimmen Tod herbeiführt, wenn sie nicht bald ausgewischt werden." Die Mutter weinte.

Der Jüngste nahm seinen Säbel und ging in den Garten. Im Garten trug der Jüngste sich spitze Steine und Dornen zusammen; daraus machte er sich ein Lager, das war so hart und kantig, daß er nicht einschlafen konnte. Als es Mitternacht war, hörte der Jüngste von Ferne her ein starkes Brummen kommen. Das Brummen wuchs an zu einem Sturm. Als es ganz nahe war, wurde es zu einem Donner. Der Wuarssen kam näher und näher. Als der Wuarssen über die Hecke des Garten stieg, packte der Jüngste seine Lanze (=an'schav; Plural: inschaven) und warf sie auf ihn. Der Wuarssen brüllte. Der Jüngste zog seinen Säbel und lief zu der Stelle, an der der Wuarssen über die Hecke gestiegen war. Der Wuarssen war nicht mehr da. Es war da eine Lache von Blut. Eine Blutspur lief von da aus zum Walde.

Der Jüngste kehrte am Morgen in das Haus zurück. Er begegnete seinem Vater. Der Vater sagte: "Mein Sohn, du bist voll Blut bespritzt. Woher kommt dies?" Der Jüngste sagte: "Ich habe mich verwundet. Ich hatte ein kleines Unglück in den Bergen." Der Vater sagte: "Mein Sohn, du bist sonst nicht ohne Lanze gegangen. Wo hast du heute deine Lanze gelassen?" Der Jüngste sagte: "Ich habe im Spiel in dem Walde meine Lanze verloren. Mein Vater, ich bitte dich, erlaube mir und meinen Brüdern eine Wanderung zu unternehmen, damit wir die Lanze wiederfinden können." Der Vater erlaubte es.

Der Jüngste lief zu seinen Brüdern und sagte: "Meine Brüder, ich habe mit der Lanze den Wuarssen getroffen. Der Wuarssen ist geflüchtet. Er hat eine lange Blutspur hinterlassen. Kommt mit und helft mir, die Blutspur zu verfolgen und den Wuarssen zu töten. Unsern Vater bat ich, uns einige Tage für eine Wanderung zu gewähren. Wir wollen uns sogleich Essen bereiten lassen." Die drei Brüder rüsteten ihre Waffen. Sie packten Essen in ihre Taschen und machten sich auf den Weg.

Die Blutspur führte in den Wald. Die drei Brüder folgten der Blutspur. Die Blutspur führte aus dem Walde in eine Ebene. Die drei Brüder kamen in die Ebene. Die Blutspur führte bis an einen



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Brunnen. Die drei Brüder folgten bis zu dem Brunnen. Der Jüngste sagte: "Meine Brüder, der Wuarssen ist hier in den Brunen herabgestiegen. Ich will dem Wuarssen hinab in den Brunnen folgen. Wartet ihr hier am Brunnen. Wartet aber nicht länger als einen Monat. Wenn ich in einem Monat nicht zurückgekehrt bin, so kehrt heim und tröstet meine Mutter." Die drei Brüder nahmen von einander Abschied.




***
D er Jüngste stieg in den Brunnen hinab. Der Jüngste kam auf den Boden des Brunnen und ging hier ein langes Stück, bis er in der Ferne ein Licht sah. Der Jüngste ging auf dieses Licht zu. Je weiter er kam, desto heller und schöner wurde das Licht. Er sah endlich, daß es von einem Hause ausging. Er betrat das Haus und sah, daß ein junges Mädchen darin saß. Dies war das Licht. Denn sie war so schön, daß sie wie die Sonne strahlte und der Jüngste geblendet wurde.

Als das Mädchen den Jüngsten sah, erschrak sie, stieß einen Schrei aus, weinte und bat den Jüngsten: "Geh schnell von hier fort. In diesem Hause wohnt ein gewaltiger Wuarssen. Der Wuarssen wurde gestern verwundet, und nun ist er zornig und denkt an nichts als an Vernichtung. Flieh! Flieh schnell, ehe der Wuarssen dich bemerkt." Der Jüngste lachte und sagte: "Das Fliehen ist nicht meine Sache. Zeige mir lieber den Weg zu dem Wuarssen." Das schöne Mädchen sagte: "Ich bitte dich nochmals, flieh! Ich weiß, wie stark dieser Wuarssen ist. Ich bin die Tochter eines Agelith, und als der Wuarssen mich raubte, hat mein Vater alle seine Leute gegen den Wuarssen kämpfen lassen. Der Wuarssen hat sie aber alle getötet. Und so, wie es den Leuten meines Vaters erging, so ging es auch den Brüdern und Vätern der anderen Frauen und Mädchen, die du in den nächsten Häusern sehen würdest. Fliehe also, ehe der Wuarssen dich bemerkt." Der Jüngste sagte: "Ich bitte dich, zeige mir den Weg."

Das schöne Mädchen sagte: "Geh dorthin, wo du das nächste Licht siehst." Der Jüngste ging auf das nächste Licht zu. Er kam wieder zu einem Haus, in dem ein sehr schönes Mädchen war. Auch diese war die Tochter eines Agelith und sagte zu ihm: "Fliehe, fliehe, ehe der Wuarssen dich bemerkt!" Der Jüngste ließ sich aber den Weg zeigen und setzte die Wanderung fort.

Der Jüngste kam wieder an ein Haus, von dem ein Licht ausging. Dies Licht war aber noch viel heller und strahlender als das, welches



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von der Schönheit des ersten und zweiten Mädchens ausgegangen war. In diesem Hause lag der verwundete Wuarssen, und am Rande seines Lagers saß das junge Mädchen, das so schön war, wie die Sonne. Das Mädchen pflegte den Wuarssen. Das Mädchen stand vom Lager des Wuarssen auf und ging in die Eingangskammer. Es sah den Jüngsten kommen. Es schrie auf und weinte. Es fiel vor dem Jüngsten auf die Knie und sagte: "Oh deine Schönheit! (=schvaha). Oh, daß deine Schönheit nicht durch den Wuarssen zerstört werde!" Der Jüngste hob das Mädchen auf und sagte: "Ich will den Wuarssen töten!"

Das Mädchen sagte: "Ich sehe, daß wenn es möglich ist, den Wuarssen zu töten, so kann es nur durch dich geschehen. Nun merke! Wenn der Wuarssen mit dir kämpfen will, wird er dich in eine Kammer führen, in der vier Säbel hängen, einer von Gold, einer von Silber, einer von Ton und einer von Kork. Er wird dich unter diesen wählen lassen. Nimm den Säbel aus Kork. Er wird dir dann erlauben, den ersten Schlag zu führen. Das nimm nicht an. Laß ihn den ersten Schlag führen. Schlage aber nicht öfter als einmal, wenn der Wuarssen es auch verlangt. Hast du genug Kraft, um den Wuarssen mit dem ersten Schlage zu spalten, so verlange von ihm, daß er den Kopf schüttele. Du mußt siegen. Der Wuarssen muß getötet werden. Denn der Wuarssen hat alle Töchter der Agelith des Landes geraubt." Der Jüngste sagte: "Ich danke dir!"

Der Wuarssen rief aus seiner Kammer: "Ich höre sprechen. Wer spricht dort?" Der Jüngste der drei Brüder rief: "Ich bin es, der Sohn eines Agelith." Der Wuarssen rief: "Komm zu mir, daß ich dich begrüßen kann." Der Jüngste sagte: "Ich bin schon auf dem Wege." Der Jüngste kam zu dem Wuarssen. Der Wuarssen sagte: "Was willst du?" Der Jüngste sagte: "Ich will mit dir kämpfen." Der Wuarssen lachte und sagte: "Das soll geschehen. Komm, wir wollen uns Waffen aussuchen!"

Der Wuarssen führte den jüngsten Sohn des Agelith in eine Kammer, in der ein Säbel aus Gold, ein Säbel aus Silber, ein Säbel aus Ton und ein Säbel aus Kork hingen. Der Wuarssen sagte: "Wähle dir einen Säbel. Der Jüngste ergriff den Säbel aus Kork und sagte: "Diesen Säbel will ich nehmen." Der Wuarssen sagte: "Weshalb wählst du den schlechtesten Säbel? So nimm doch den aus Gold oder aus Silber." Der Jüngste sagte: "Dieser Säbel aus Kork ist mir gerade der beste." Der Wuarssen sagte: "Nun wollen wir kämpfen! Führe du den ersten Schlag; denn du bist der Sohn



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eines Agelith." Der Jüngste sagte: "Nein, führe du den ersten Schlag, denn du hast die Töchter des Agelith geraubt."

Der Wuarssen sagte: "Es ist mir recht!" Der Wuarssen schlug mit aller Kraft zu. Der Jüngste sprang zur Seite. Der Schlag des Wuarssen ging in die Luft. Der Jüngste hob seinen Säbel. Er schlug. Er traf den Wuarssen auf den Kopf. Er spaltete den Kopf. Er spaltete den Leib des Wuarssen. Der Wuarssen stand in zwei Teile zerschlagen vor dem Jüngsten. Der Wuarssen sagte: "Schlage noch einmal!" Der Jüngste gedachte der Worte des schönen Mädchens. Er sagte: "Nein, ich schlage nicht. Schüttle den Kopf!" Der Wuarssen schüttelte den Kopf. Da fiel der Wuarssen auseinander, die eine Hälfte zur Rechten, die andere zur Linken. Der Wuarssen war tot.

Das schöne Mädchen, das im Vorraum gewartet hatte, jubelte und stieß Freudenschreie aus. Die andern beiden schönen Töchter der Agelith kamen herbei, jubelten und stießen Freudenschreie aus. Der Jüngste sagte: "Nun wollen wir wieder nach oben gehen." Er wandte sich an die zwei schönen Frauen der ersten Häuser und sagte: "Ich werde erst euch hinaufbringen. Meine Brüder warten oben auf mich. Sie werden für euch sorgen." Er sagte zu dem schönen Mädchen, das er am Lager des Wuarssen getroffen hatte: "Warte du, die du mir so gut geraten hast, bis ich zurückkomme und dich hole. Packe alles zusammen, was wir aus den Häusern des Wuarssen mit uns nehmen werden."

Der Jüngste führte die beiden schönen Frauen der ersten Häuser zum Brunnenschacht. Er brachte sie nach oben. Er übergab sie einen Brüdern und sagte: "Wartet, ich kehre gleich zurück und bringe das andere." Die beiden Brüder warteten mit den beiden jungen, schönen Frauen und ließen sich alles erzählen, was ihr jüngster Bruder unten verrichtet hatte. Der Jüngste kehrte aber zurück, holte das junge, schöne Mädchen, das ihn so gut beraten hatte und führte es mit einer großen Menge von Schätzen, die sie im Hause des Wuarssen aufgespeichert gefunden hatten, zum Brunnenschacht. Sie stiegen hinauf und kehrten durch den Wald in das Haus des Vaters der drei Söhne zurück.




***
Als der Jüngste mit den zwei Brüdern, dem schönen Mädchen und den zwei schönen, jungen Frauen, dazu mit all den Schätzen zum Hause des Vaters zurückkehrte, begegnete er dem Angestellten seines Vaters und dessen Sohn. Der Jüngste sagte im Vorüberreiten


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zu ihnen: "Was wollt ihr nun meinem Vater erzählen von der Narrheit seiner Söhne und von den flachen Säbelhieben des Waffenspieles? Wenn es euch an Lügen mangelt, fragt mich und meine Brüder. Denn nur, wer die wahre Handlung kennt, kann sie auch umkehren zu einer Lüge und kann das Gold in Mist verwandeln."

Als der Vater seinen jüngsten Sohn mit den drei Frauen und all den Schätzen kommen sah, trat er ihnen entgegen und sagte: "Mein Sohn, ich danke dir. Meine Söhne, ich danke euch. Ich habe nicht gut von euch gesprochen. Verzeiht mir." Der Jüngste sagte: "Mein Vater, dies alles, auch das, was wir mit dem Wuarssen erlebt haben, gehört der Vergangenheit an. Wolle nur in Zukunft dem Arm deiner Söhne mehr vertrauen, als den Zungen der niedrigen Leute."

Der Agelith veranstaltete ein Fest. Der Jüngste heiratete die Agelithtochter, die er am Lager des Wuarssen getroffen hatte. Den Brüdern gab er die beiden schönen Agelithtöchter der ersten Häuser des Wuarssen zur Frau.



17. M'hamd Laschälschis Brautwerbung

Ein Agelith (Fürst) hatte sieben Töchter. Alle sieben waren sehr schön. Die Jüngste übertraf sie aber alle an Schönheit. Sie waren alle sieben klug. Die Siebente war aber klüger als alle andern. Der Agelith liebte alle seine Töchter. Die Jüngste aber liebte (lieben thamthient) er mehr als alle andern. Der Agelith sagte: "Wer es wagt, meine Tochter heiraten zu wollen, der mag kommen. Ich will sie dem zur Frau geben, dem es gelingt, sie zum Sprechen zu bringen. Jedem aber, der sich um meine Tochter bemüht und dem dies nicht gelingt, werde ich den Kopf abschlagen lassen."

Alle Leute in diesem wie in den andern Ländern wußten von der Schönheit und Klugheit der jüngsten Tochter des Agelith. Deshalb kamen viele von allen Seiten und ließen sich in die Kammern der jüngsten Tochter des Agelith führen. Da sprachen sie denn das Klügste und Lustigste, was sie nur wußten. Es wurde nirgends im Lande so viel Kluges und Lustiges erzählt, als in der Kammer der jüngsten Tochter des Agelith. Aber die jüngste Tochter des Agelith hörte all das Kluge und Lustige an und sagte gar nichts dazu. Sie lachte nicht und sprach nicht. Wenn sie nicht die Augen und die Hände bewegt und dazu von Zeit zu Zeit gegähnt hätte, hätte man



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meinen können, es sei kein menschliches Wesen. Sie aber war ein Mensch wie alle andern. Nur wurde ihr das Kluge und das Lustige allmählich so fade, wie eine Speise ohne Salz.

Zuletzt glaubten alle Leute, es werde nicht mehr gelingen, das schöne Mädchen zum Sprechen zu bringen. Auch die, die sich um das Mädchen bewarben und die doch nachher getötet wurden, glaubten nicht mehr an den Erfolg. Aber es war nun einmal wie eine Krankheit über die Leute gekommen. Sie liefen ohne Hoffnung hin, erzählten das Klügste, was sie wußten und ließen sich dann köpfen. Die schöne Tochter des Agelith selbst wurde dabei aber immer müder und müder. Zuletzt sah sie die Leute, die zu ihr kamen und ihr Klügstes und Lustigstes sagten, gar nicht mehr an, sondern schlief über all der Klugheit und Lustigkeit ein.

Im Lande lebte aber ein Mann, der hieß M'hamd Laschäischi (Laschäischi der Lustige). M'hamd Laschäischi hörte viel von der jüngsten Tochter des Agelith reden. Seine klügsten und besten Freunde machten den Versuch, sie zum Sprechen zu bringen und verloren den Kopf. Da machte sich M'hamd Laschäischi eines Tages selbst auf den Weg, ging zum Agelith und sagte: "Ich möchte deine jüngste Tochter heiraten." Der Agelith sagte: "Gut, M'hamd Laschäischi, gehe in die Kammern meiner jüngsten Tochter und versuche sie zum Sprechen zu bringen. Gelingt es dir, so sollst du sie zur Frau haben. Gelingt es dir nicht, so lasse ich dir den Kopf abschlagen." M'hamd Laschäischi sagte: "Ich bin damit ebenso einverstanden wie soundsoviele andere vor mir."

M'hamd Laschäischi wurde nun in die Kammern der jüngsten, schönsten Tochter des Agelith geführt. Das schönste Mädchen saß auf einem Stuhl von Gold. Daneben stand ein leerer Stuhl, der war nur von Silber. M'hamd Laschäischi ging auf das schönste Mädchen zu und sagte: "Es gehört sich nicht, daß meine zukünftige Frau auf einem Stuhl von Gold sitzt und mir, ihrem zukünftigen Gatten, nur einen Stuhl von Silber anbietet." Damit ergriff er das schönste Mädchen, hob sie von dem goldenen Stuhle auf und setzte sie auf den silbernen Stuhl. Dann setzte er sich auf den goldenen Stuhl und sagte: "Dieses ist nur, damit es uns nicht etwa einfällt, zu gähnen."

Das schönste Mädchen besah den M'hamd Laschäischi. M'hamd Laschäischi sagte nichts. Das schönste Mädchen wünschte sich in Gedanken (tzathim = mit heimlichen Gedanken) eine Tasse Kaffee. Die Tasse kam sogleich in ihre Hand. Das schönste Mädchen trank



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den Kaffee. M'hamd Laschäischi fuhr die Tasse aber an und sagte: "Was, du Tasse, bist du so wenig höflich (=l'mana), daß du mir, als dem zukünftigen Manne deiner Herrin, nicht einmal einen Gruß sagen kannst, wenn du in das Zimmer kommst?" Die Tasse erschrak und sagte: "Sei gegrüßt, M'hamd Laschäischi." M'hamd Laschäischi sagte: "Sei gegrüßt, meine Tasse!"

Das schöne Mädchen besah M'hamd Laschäischi. M'hamd Laschäischi sagte nichts. Das schönste Mädchen wünschte sich in Gedanken einen Schleier (=thimhärnd), um sich den Mund zu wischen. Der Schleier kam in ihre Hand. Das schönste Mädchen strich sich mit ihm über den Mund. M'hamd Laschäischi sagte zu dem Schleier: "Ho, Schleier! Du bist ebensowenig höflich wie die Tasse! Weißt du nicht, daß du den zukünftigen Gatten deiner Herrin zu grüßen hast, wenn du in das Zimmer kommst?" Der Schleier erschrak und sagte: "Sei gegrüßt, M'hamd Laschäischi!" M'hamd Laschäischi sagte: "Sei gegrüßt, mein Schleier! Mein Schleier erzähle mir etwas Kluges!"

Der Schleier sagte: "Ich verstehe nur (=am) die Orakelsprache (l'charuf lechales = die versteckte Sprache) der Frauen. Diese Sprache ist sehr teuer (weil schwer verständlich). Wirst du mich denn verstehen und meine Fragen beantworten können?" M'hamd Laschäischi sagte: "Versuche es doch. Wenn es etwas Kluges ist, kann ich vielleicht antworten."

Der Schleier sagte: "Es waren vier geschickte Männer. Der eine konnte ein Ei unter einem Huhn wegnehmen, ohne daß das Huhn es merkte. Der zweite konnte es hören, wenn der Tau niederfiel (Tau =n'thä oder n'thyä). Der dritte wußte stets, ob die Menschen schlafen oder wachen. Der vierte konnte mit seinem Stock die Erde spalten. Alle vier kamen einmal zusammen und nahmen einem Rebhuhn ein Ei. Der eine schlich sich heran und beobachtete, ob das Rebhuhn schlief. Der zweite horchte, ob sie niemand beobachte. Der dritte nahm das Ei. Welcher von den vieren hat nun das Hauptverdienst am Gewinn des Eies?"

M'hamd Laschäischi sagte naiv (=naya): "Nur der, der mit seinem Stocke die Erde zu spalten vermag!" Da sprang das schönste Mädchen erregt von seinem silbernen Stuhle auf und sagte: "Was, so (= sufl'ha) obenhin behandelst du die klugen Fragen (eigentlich Rätsel = l'charuf lechäles) der Frauen. Du wählst als Verdienten den einzigen, der gar nichts getan hat. Bisher waren lauter kluge Männer hier, und bisher ist in diesen Kammern nur Kluges gesprochen



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worden!" M'hamd Laschäischi lachte und sagte: "Ich spreche nicht mit dir, meine zukünftige Gattin! Ich spreche mit dem Schleier!" Das schönste Mädchen sagte: "Wenn ich solche schlechte Antwort höre, juckt es mich (= cetschäiya) zu schelten." M'hamd Laschäischi sagte: "Sei nicht böse, meine zukünftige Gattin. Alle Leute haben hier so viel Kluges gesagt, daß es nicht möglich war, dich mit Klugheit zum Sprechen zu bringen. Ich verspreche dir aber, in Zukunft neben dem Dummen auch Kluges zu sagen."

Die Zeugen gingen zum Agelith. Sie sagten zum Agelith: "Deine jüngste und schönste Tochter hat soeben mit M'hamd Laschäischi gesprochen." Der Agelith sagte: "Meine Tochter hat gesprochen? So soll denn M'hamd Laschäischi sie zur Frau haben. Sagt mir doch aber, wie M'hamd Laschäischi dies erreicht hat?" Die Zeugen sagten: "M'hamd Laschäischi hat es mit einer dummen Antwort erreicht." Der Agelith sagte: "Eine richtig angebrachte Dummheit ist oft ein Zeichen der höchsten Klugheit."



***
M'hamd Laschäischi heiratete die jüngste Tochter des Agelith. IVI Der Agelith veranstaltete ein großes Fest. Nachdem das Fest vorüber war, sagte M'hamd Laschäischi zu dem Agelith: "Nun erlaube mir, daß ich mit meiner jungen Frau heimkehre." Der Agelith sagte: "Geh denn. Für den Rückweg muß ich dir aber noch etwas sagen, das darfst du nicht vergessen. Auf dem Rückwege kommst du an eine Wegkreuzung. Der eine Weg ist länger, der andere kürzer. Nimm den langen Weg, er ist der gefahrlose. Vermeide den kurzen. Er ist so gefährlich, daß du kaum daheim ankommen wirst."

M'hamd Laschäischi nahm Abschied und kam an den Kreuzweg Am Kreuzweg sagte er: "Ich werde nicht den langen nehmen. Ich gehe auf dem kurzen Wege." M'hamd Laschäischi kam bis zur Mitte des Weges, da trat ihm ein gewaltiger Wuarssen entgegen dessen Keule bestand aus einem Baum, dem nur einige kleine Äste abgeschnitten waren, so daß er in einen ordentlichen Astballen auslief. Der Wuarssen kam auf M'hamd Laschäischi zu, brüllte und sagte: "Sogar die Ameisen und Fliegen haben geschworen, dieser Weg in Zukunft nicht mehr nehmen zu wollen. Und du gehst ausgerechnet (eigentlich ausdrücklich =lametha) gerade diesen Weg." M'hamd Laschäischi sagte: "Der Weg war mir angenehmer. Aber wenn du willst, können wir zusammen ringen. Wir wollen sehen,



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wer den andern in die Höhe zu werfen imstande ist." Der Wuarssen legte seine Keule fort und sagte: "So komm!"

Der Wuarssen packte M'hamd Laschäischi und hob ihn in die Luft. Dann setzte er ihn wieder auf die Erde. M'hamd Laschäischi lachte. Er hatte neunundneunzigmal mehr Kraft als der Wuarssen. M'hamd Laschäischi packte den Wuarssen, warf ihn in die Luft, so daß er höher flog als der höchste Baum, fing ihn auf und legte ihn über seine Knie, um ihn zu töten. Der Wuarssen aber schrie: "Dreimal!" (wörtlich: schrä thietha [31 ibethen [Weg]). M'hamd Laschäischi sagte: "Es ist mir recht." Der Wuarssen hob erst M'hamd Laschäischi in die Luft. Er konnte ihn aber schon nicht mehr so hoch heben wie das erstemal. M'hamd Laschäischi warf dann aber den Wuarssen in die Luft, so daß er so hoch flog wie ein Hügel. Er fing den Wuarssen auf und stellte ihn auf die Erde. M'hamd Laschäischi sagte: "Nun ruhe dich ein klein wenig aus, und dann versuche es noch einmal." Der Wuarssen stürzte sich zornig auf M'hamd Laschäischi und packte ihn. Er war jetzt aber schon so ermüdet, daß er M'hamd Laschäischi kaum bis an die Hüften heben konnte. M'hamd Laschäischi sagte: "So, mein Wuarssen, nun hole noch einmal tief Atem und paß auf, daß du beim Herunterfallen die Erde nicht verfehlst." M'hamd Laschäischi faßte den Wuarssen fest an. Er warf ihn in die Lüfte. Der Wuarssen flog so hoch wie der Djurdjurra ist und war zuletzt in der Luft kaum mehr zu sehen. M'hamd Laschäischi fing ihn aber mit seinen Armen auf und sagte: "Bist du nun zufrieden, mein Wuarssen?"

Der Wuarssen sagte: "Ich schwöre (= gullau; infinitiv = limin) dir, daß, wenn du mich leben lassen willst, ich dir als Sklave die besten Dienste leisten will." M'hamd Laschäischi sagte: "Es ist recht, komm mit mir." Dann ging M'hamd Laschäischi mit seiner jungen Frau und dem Wuarssen bis an seinen Ort. Am Orte angekommen, verabschiedete sich der Wuarssen und sagte: "Nimm hier einen Büschel von meinen Haaren. Wenn du mich je vonnöten hast, brauchst du nur die Haare zu verbrennen, und ich werde dir sogleich zu Hilfe kommen." M'hamd Laschäischi nahm die Haare, steckte sie ein, verabschiedete sich von dem Wuarssen und ging mit seiner jungen Frau in den Ort.

Der Vater M'hamd Laschäischis kam seinem Sohn entgegen, begrüßte ihn und führte ihn und dessen junge Frau in das Haus. Im Hause entschleierte M'hamd Laschäischi seine junge Frau. Kaum aber sah der Vater die Schönheit der Tochter des Agelith, so entbrannte



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er in schwerer Eifersucht (=ttthmin) gegen seinen Sohn; er hatte keinen andern Gedanken mehr und sehnte sich danach, seinen Sohn zu töten, um seine Schwiegertochter selbst heiraten zu können.

Der Vater M'hamd Laschäischis sagte auf dem Männerplatz zu seinen Freunden: "Wer meinen Sohn tötet, den will ich reich belohnen." Ein Mann sagte: "Überlaß das mir; ich werde das besorgen." Der Mann kam zu M'hamd Laschäischi, lud ihn ein und sagte: "Komm mit mir auf jenen Hügel dort. Wir wollen zusammen Kiff (heute Hanf) rauchen." M'hamd Laschäischi war einverstanden.

M'hamd Laschäischi ging mit dem Mann auf den Hügel und rauchte mit ihm Hanf. Nach einiger Zeit bekam M'hamd Laschäischi einen heißen Kopf und dann schlief er ein. Da sprang der Mann auf M'hamd Laschäischi und riß ihm die Augen aus. Der Mann lief mit den Augen M'hamd Laschäischis zurück in den Ort zu dem Vater M'hamd Laschäischis und sagte: "Hier sind die Augen deines Sohnes."

M'hamd Laschäischi lag einige Tage auf dem Hügel. Dann bekam er einen großen Hunger. Er fühlte in seine Tasche, ob er nicht etwas Brot fände. Dabei fielen ihm die Haare des Wuarssen in die Hände. M'hamd Laschäischi zog das Feuerzeug (= thanischa) aus der Tasche, schlug Feuer und verbrannte die Haare des Wuarssen.

Sogleich kam der Wuarssen. Der Wuarssen weinte. Er nahm M'hamd Laschäischi auf den Rücken und trug ihn aus der Sonne in den Schatten eines Baumes. Am Baume stritten sich gerade zwei Schlangen miteinander. Die eine Schlange tötete die andere. Der Wuarssen sah es und schalt die Schlange. Der Wuarssen sagte: "Ihr habt wohl keine Scham, daß bei euch ein Bruder den andern tötet?" Die Schlange sagte: "Oh, mein Bruder ist nicht tot. Das hat gar nichts zu bedeuten. Denn wenn ich meinen Bruder getötet habe, so kann ich ihn auch wieder lebendig machen." Dann lief die Schlange hin, riß etwas Kraut ab und rieb es. Sie legte das Kraut der toten Schlange auf die Wunde. Die tote Schlange erhob sich und lief mit der andern fort in den Busch.

Der Wuarssen ging sogleich auch zu dem wiederbelebenden Kraut (= thachschicht thelaja) und pflückte eine gute Maß voll. Er zerdrückte das Kraut zwischen den Händen und legte es dann auf die Augen M'hamd Laschäischis. M'hamd Laschäischi schlug



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die Augen auf. M'hamd Laschäischi konnte sehen. Er sah besser als vorher. M'hamd Laschäischi umarmte den Wuarssen.

M'hamd Laschäischi ging mit dem Wuarssen in den Ort herunter, in dem sein Vater sein Haus hatte und in dem sein eigenes Haus stand. M'hamd Laschäischi und der Wuarssen kamen gerade an, als der Vater mit dem Manne, der M'hamd Laschäischi die Augen ausgerissen hatte, in das Haus einbrechen und die junge Frau rauben wollten. M'hamd Laschäischi tötete den Vater und dessen Freund.

Der Wuarssen blieb im Hause M'hamd Laschäischis. Der Wuarssen blieb M'hamd Laschäischis bester Freund.



18. Die Taubenfrauen (1. Form)

Ein Jäger jagte immer nur auf seinem eigenen Gebiet. Er erlegte anfangs viel Wildpret. Mit der Zeit aber wurde seine Beute immer geringer, denn er hatte alles abgejagt, und nun lebten keine Tiere mehr in seinem Gebiet, so daß er nichts mehr erlegen konnte. Darauf machte er sich eines Morgens auf und zog weiter, um ein neues Jagdrevier zu erreichen. Er wanderte weit in die Wildnis hinein und kam eines Tages an ein Haus, in dem wohnten zwei Mädchen. Der Jäger bat um Unterkunft. Er erzählte, daß er auf der Suche nach einem neuen Jagdgebiet sei, denn in seinem eigenen habe er alles getötet, so daß er da nichts mehr zu suchen habe. Die beiden Mädchen sagten: "Wir nehmen dich sehr gerne auf. Bleibe bei uns wohnen. Sei du unser Bruder, und wir wollen deine Schwestern sein. Wenn es dir recht ist, lehrst du uns das Jagen." Der Jäger war damit einverstanden.

Der Jäger blieb bei den Schwestern wohnen. Er ging tagsüber auf die Jagd und zeigte ihnen das Handwerk. Eines Tages ging die erste Schwester allein auf die Jagd und kam erfolgreich wieder heim. Am andern Tage ging die andere Schwester auf die Jagd und kehrte erfolgreich wieder heim. Am dritten Tage gingen beide Schwestern zur Jagd, und der Jäger blieb allein zu Haus.

Der Jäger saß beim Hause und sah zur Quelle, die nebenan hinter den Büschen gelegen war. Es kamen zwei Tauben. Sie flogen zur Quelle. Die beiden Tauben legten ihr Federkleid ab und wurden zwei schöne Mädchen. Das eine der Mädchen war so schön, daß er kein Auge von ihm wenden konnte. Die beiden Mädchen badeten sich. Der Jäger sah ihnen zu. Der Jäger schlich sich durch das



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Gebüsch. Er wollte das Schönere von den beiden Mädchen greifen. Als er aber gerade neben ihr war, bemerkte sie ihn. Das schöne Mädchen pfiff. Der Jäger wurde sogleich in einen Stein verwandelt. Die beiden Mädchen ergriffen ihre Federkleider, legten sie an und flogen als Tauben von dannen.

Kurze Zeit darauf kamen die beiden Schwestern mit Beute beladen von der Jagd zurück. Sie sahen verwundert, daß das Haus geschlossen war, sie riefen nach ihrem Bruder. Sie riefen ihn, sie suchten ihn und stiegen zuletzt in das Fenster, ohne ihn finden zu können. Die Schwestern sagten: "Es muß sich etwas ereignet haben. Wir wollen uns morgen im Gebüsch verstecken und sehen, ob wir es nicht finden können." Sie versteckten sich am andern Tage im Gebüsch und saßen da noch nicht lange, als die beiden Tauben wiederkamen, um sich zu baden.

Die beiden Tauben flogen herab auf die Quelle, sie legten ihr Federkleid ab, es waren zwei sehr schöne Mädchen, von denen die eine die andere aber noch weit an Schönheit übertraf. Die beiden Taubenmädchen badeten. Eine der zwei Schwestern schlich sich hin und nahm das Federkleid der schöneren fort und versteckte es. Nach einiger Zeit stiegen die beiden Mädchen aus dem Bade. Die eine nahm ihr Federkleid, legte es an und flog als Taube von dannen. Die Schönere sah aber überall nach ihrem Federkleide, suchte und suchte und sagte zuletzt weinend: "Wer hat mein Federkleid genommen ?" Die eine Schwester sagte leise zur anderen: "Du kannst getrost hervortreten. Diese Taubenfrauen tun nur den Männern etwas, nie aber den Frauen." Die Schwester, die das Federkleid genommen und versteckt hatte, trat also hervor und sagte: "Dein Federkleid habe ich dir genommen. Gib du mir erst meinen Bruder wieder, dann können wir weiter über das Federkleid sprechen." Das schöne Mädchen legte ihre Hand auf den Stein, in den sie den jungen Jäger gestern verwandelt hatte, und sogleich stand er wieder als Mann da.

Die Taubenfrau sagte: "Nun gebt mir aber mein Federkleid wieder." Die Schwestern sahen aber, daß der Jäger immer noch wie ein Stein dastand und die Schönheit des Mädchens anstarrte. Die Schwestern sagten: "Du siehst, wie unser Bruder dich ansieht. Wir bitten dich, werde seine Frau und bleibe als unsere Schwester bei uns." Die Taubenfrau sagte: "Die Frauen in meinem Dorfe heiraten nie. Sie wollen keine Männer unter sich nehmen. Wenn ein Mann in unser Dorf kommt, wird er gefressen. Ich kann also euern



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Wunsch nicht erfüllen." Die Schwestern sagten: "Du kannst ja unter uns bleiben und brauchst deinen Mann nicht solcher Gefahr auszusetzen." Zuletzt willigte die Taubenfrau in die Ehe ein.

Der Jäger heiratete die Taubenfrau. Er hielt aber sorgfältig das Federkleid verborgen, denn von Zeit zu Zeit bekam die junge Frau Heimweh nach dem Dorfe ihrer Schwestern. Die junge Frau wurde Mutter und schenkte dem Jäger einen Sohn. Darauf wurde die junge Frau ruhiger und verlangte nicht mehr so oft ihr Federkleid. Nachdem der kleine Junge schon einige Monate alt war, bekam der Jäger Heimweh nach seiner Mutter und sagte zu den Schwestern: "Hütet ihr, meine Schwestern, meine Frau und meinen kleinen Sohn wohl. Ich will auf einige Tage nach Hause wandern und meine Mutter besuchen." Der Jäger machte sich auf den Heimweg. Er traf seine Mutter sehr wohl an und sagte: "Ich habe mich auch verheiratet, habe eine sehr schöne junge Frau und einen kleinen Sohn." Die Mutter schalt aber und sagte: "Was, du bist verheiratet und hast einen Sohn und kommst allein, ohne Frau und Kind? Schnell, kehre zurück und zeige sie mir, damit wir uns über dein Glück freuen können. Nachher lasse sie aber auch einige Zeit bei mir, denn ich will die Frau meines Sohnes näher kennen lernen."

So kehrte denn der Jäger zurück, um seine Frau und sein Kind auch zu holen. Er nahm außerdem das Federkleid heimlich mit, weil seine Frau ihn einmal gebeten hatte, es ja stets in ihrer Nähe zu halten, damit sie es zur Hand habe, wenn ihr einmal etwas zustieße. Der Jäger brachte Frau und Kind und Federkleid zu seiner Mutter und sagte: "Halte das Federkleid ja gut verborgen und laß es meine Frau nie wissen, wo es ist. Halte meine Frau stets im Gehöft und laß sie nie ausgehen, denn sie ist so schön, daß es sicher ein Unglück gibt, wenn andere Männer sie sehen." Die Mutter versprach es, und der Jäger nahm Abschied, um wieder in den Wald zu den Schwestern auf die Jagd zu gehen.

Am andern Tage hatte die Mutter die Befehle ihres Sohnes schon vergessen. Als es Morgen war, sagte sie zu der jungen Frau: "Komm, wir wollen zusammen aufs Feld zur Arbeit gehen." Sie nahm ihre Harke und folgte der Alten durch den Ort. Alle Leute im Orte blieben erstaunt über solche Schönheit stehen. Niemand, der einmal die Augen zu ihr gewandt hatte, konnte sie wieder abwenden. Ein Barbier, der auf der Straße einem Mann den Kopf rasierte,



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schnitt diesem aus Versehen und ohne es beim Hinsehen auf die schöne Frau zu merken, ein Ohr ab, und der, dem das widerfuhr, merkte nicht einmal, daß ein Ohr abgeschnitten war, so war er durch den Anblick dieser Schönheit gefangen genommen. Am Ende des Ortes trafen sie den Amin. Der sah die schöne junge Frau auch, blieb stehen, sah ihr nach, bis sie auf den Feldern verschwunden war und sagte für sich: "Die schöne junge Frau muß ich heiraten."

Nachdem sie den Tag über gearbeitet hatten, kamen die alte und die junge Frau abends vom Felde heim. Kaum waren sie in ihr Haus getreten, so kam der Amin herein und sagte zu der alten Frau: "Entweder du gibst mir die Frau deines Sohnes oder ich töte dich." Die alte Frau sagte: "Wie kann ich dir denn die Frau meines Sohnes geben?" Der Amin sagte: "Ich sage dir noch einmal, ich will diese junge Frau hier heiraten; entweder du gibst sie mir oder ich werde dich töten." Die alte Frau wußte vor Angst nicht, was sie sagen sollte. Die alte Frau schwieg. Die junge Frau sah, daß ihre Schwiegermutter schwieg. Da sagte sie zu der alten Frau: "Dieses soll kein schlimmes Ende nehmen. Ich will nicht, daß der Amin dich tötet. Deshalb rate ich dir, gib mir meine Goldsachen und mein Federkleid. Wenn ich das habe, kannst du dem Amin sagen, er solle mich nehmen." Die alte Frau lief in ihrer Angst hin und holte das Federkleid und den Goldschmuck der jungen Frau. Die junge Frau sagte zum Amin: "Warte einen Augenblick draußen. Du wirst mich gleich herauskommen sehen." Der Amin ging hinaus.

Die junge Frau nahm ihren kleinen Sohn auf den Arm. Sie hängte den Goldschmuck um. Sie nahm das Federkleid um und flog gleich darauf als Taube mit dem Kinde zum Fenster hinaus. Die Taube setzte sich auf das nächste Dach und rief von da aus: "Du, Mutter meines Gatten, höre mich. Sage meinem Mann, wenn er wiederkommt und nach mir fragt, —sage ihm, wenn er dann über meinen Verlust unglücklich ist: ,Deine Frau ist im Dorfe Wuak-Wuak. Im Dorfe Wuak-Wuak kannst du sie abholen'." Dann flog die Taube mit dem Kinde von dannen.

Wenige Tage später kam der Jäger aus dem Jagdgebiet zurück zu seiner Mutter. Er trat in das Haus und fragte nach seiner Frau. Er sah seiner Mutter sogleich an, daß seine Frau fort war. Er sagte: "Meine Mutter, habe ich dir nicht gesagt, du solltest meine Frau nie auf die Straße gehen lassen, da sie zu schön ist? Meine Mutter, habe ich dir nicht gesagt, du solltest das Federkleid sorgfältig verborgen halten, damit sie es nie sähe?" Die Mutter sagte: "Mein



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Sohn, habe ich es gewußt, daß du eine Taube geheiratet hast? Ich habe nicht gewußt, daß sie eine Taube war. Ich dachte, sie sei eine Frau wie andere. Deine Taube hat dir hinterlassen, daß, wenn du ihren Verlust nicht verschmerzen könntest, du sie im Dorfe Wuak-Wuak wiederfinden würdest. Nun schilt deine alte Mutter nicht ob einer Torheit, die du begangen hast, denn ich habe noch nicht gehört, daß ein vernünftiger Mann eine Taube aus einem Orte namens Wuak-Wuak geheiratet hat."

Der Jäger machte sich auf und begab sich sogleich auf die Suche nach dem Dorfe Wuak-Wuak. Der Jäger wanderte sehr weit, er fragte überall nach dem Dorfe Wuak-Wuak, er konnte aber nirgends jemand finden, der das Dorf Wuak-Wuak kannte.

Eines Tages wanderte er wieder des Weges dahin, da traf er zwei Leute, die sich sehr stritten. Die beiden Leute hatten eine Mütze und zwei Stöcke neben sich liegen. Der Jäger trat heran und sagte: "Was ist die Ursache eures Streites? Kann ich euch behilflich sein ihn zu schlichten?" Der eine der beiden Streitenden sagte: "Die Sache ist folgende: Hier haben wir eine Mütze, wer diese Mütze aufsetzt, den kann niemand sehen. Er kann ungesehen durch das Dorf Wuak-Wuak gehen, das dort hinten liegt. Dann haben wir hier zwei Stöcke. Wenn man diese beiden Stöcke gegeneinanderschlägt, so entsteht aus der Erde ein Kriegshaufe, der kämpft jeden nieder, der sich feindlich in den Weg stellt. — Wir beide streiten uns nun um den Besitz dieser beiden Sachen. Sage uns, ob einer von uns beide Sachen haben soll und welcher von uns beiden, oder welcher von uns den einen und welcher den anderen Gegenstand haben soll. Wir werden dir dankbar sein, wenn du den Streit schlichtest, daß keiner dabei besser wegkommt als der andere." Der zweite sagte: "So ist es, wir möchten, daß keiner von uns beiden besser aus der Trennung hervorgeht als der andere." Der Jäger sagte: "Wenn es euch darauf ankommt, daß keiner von euch beiden bei der Teilung besser wegkommt als der andere, so kann euch geholfen werden. Legt beide Sachen hier auf den Boden und geht dann bis auf die Spitze jenes Hügels. Wenn ihr dort angelangt seid, wendet euch um und fangt beide an zu laufen. Dann werden wir sehen, wer von euch zuerst hier ankommt."

Die beiden Leute waren einverstanden. Sie gingen in der Richtung auf den Hügel fort. Kaum aber waren sie fortgegangen, so setzte der Jäger die Mütze auf, nahm die beiden Stöcke in die Hand



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und ging mit großen Schritten nach der Gegend zu, in der nach Angabe der Burschen das Dorf Wuak-Wuak liegen sollte.

Der Jäger erreichte das Dorf Wuak-Wuak. Er begegnete nur Frauen. Da er seine Mütze auf hatte, konnte keine Frau ihn sehen. Der Jäger ging im Dorfe Wuak-Wuak umher. Keine Frau sah ihn. Er trat endlich in eine Hütte. In der Hütte war seine Frau mit seinem Kinde. Der Jäger setzte sich neben ihr nieder und nahm seine Mütze ab. Seine Frau erkannte ihn, sie erschrak. Sie sagte: "Mein Gatte, wenn meine Schwestern dich sehen, werden sie dich töten und essen. Denn meine Schwestern wollen keine Männer in ihrem Dorfe haben. Fliehe daher sogleich wieder, wie du gekommen bist."

Der Jäger blieb sitzen. Der Jäger sagte: "Ich bin weit gegangen, um dich zu finden, ich bin so weit gegangen, wie du geflogen bist. Nun kehre ich nicht wieder ohne dich und mein Kind zurück. Wenn es dir recht ist, gehen wir morgen ganz früh zusammen zurück. Wenn du es nicht willst, will ich mich lieber von deinen Schwestern töten und essen lassen. Allein kehre ich nicht zurück." Als die Frau das hörte, sagte sie: "So bleibe heute nacht hier. Morgen früh wollen wir dann gemeinsam mit unserm Kinde zurückgehen."

Am andern Morgen brach der Jäger mit seiner Frau und seinem Kinde so früh auf, daß noch keine der Bewohnerinnen Wuak-Wuaks auf war. Eine der Frauen von Wuak-Wuak wachte auf und schnupperte umher. Sie schrie laut: "Meine Schwestern! Meine Schwestern! Ich rieche einen Mann! Kommt schnell, wir wollen ihn töten und verschlingen." Alle Frauen von Wuak-Wuak sprangen auf. Alle Frauen von Wuak-Wuak eilten aus den Häusern. Alle Frauen eilten auf die Straße und stürzten sich hinter dem Jäger her. Die junge Frau weinte und sagte: "Mein Gatte, jetzt werden dich meine Schwestern töten und essen." Der Jäger sagte: "Habe keine Sorge."

Der Jäger ging mit seiner Frau und seinem Kinde gelassen seine Straße. Die Frauen von Wuak-Wuak waren ganz dicht hinter ihm. Da nahm der Jäger die beiden Stöcke und schlug sie gegeneinander. Sofort stieg aus dem Boden ein ganzer Haufe von Kriegern auf, die wandten sich gegen die Frauen von Wuak-Wuak. Die Frauen von Wuak-Wuak mußten mit den Männern kämpfen und konnten nicht an ihnen vorbei zu dem Jäger und seiner Frau gelangen.

Der Jäger aber ging mit seiner Frau und seinem Kinde wieder in den Wald zu den Schwestern und blieb da wohnen.



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19. Die Taubenfrauen (Kurze Inhaltsangabe)

IVI an spricht von einem Alten, der außerordentlich reich ist. Er hat mehrere Häuser mit verschiedenen Sorten von Geld (=itherinnen). Sein Sohn ist aber ein Verschwender, der mit dem Gelde nichts anzufangen weiß, als es unnütz auszugeben. Der Vater hat einen Freund, der ist auch sehr reich; er hat sieben Häuser voll Reichtum und dazu noch sieben Töchter.

Eines Tages beschließen die beiden Alten eine Pilgerfahrt (=laheidj) anzutreten. Sie geben ihren Kindern gute Ratschläge. Sie sagen, daß sie ein Jahr lang unterwegs und fortbleiben werden. Der Vater des Burschen läßt seine Frau und seinen Sohn in besten Umständen zurück. Beide reisen ab.

Der Bursche verkehrt nun nur mit Verschwendern. Er verbringt sehr schnell in dieser schlechten Gesellschaft, was sein Vater im Laufe des Lebens gesammelt und dem Sohn zur Verwaltung zurückgelassen hat. Zuletzt verkauft er das Haus des Vaters und lebt nun in einer elenden Hütte (= taaschiuth).

Es ist vor allem ein Jude, der die Torheit des Burschen ausgenutzt und sich an ihr bereichert hat. Der Jude hat sich hinter die schöne Mutter des Burschen gemacht und lebt mit ihr zusammen. Er gibt dem Burschen jeden Tag so viel Geld, als er braucht, bis eines Tages seine anständigen Freunde zu ihm sagen: "Was, du verbringst erst dein Geld, und dann leihst du von einem Juden, der mit deiner Mutter in Abwesenheit deines Vaters zusammenlebt, noch Geld?" Der Bursche schämt sich nun. Als die Mutter ihm am andern Tage wieder Geld schickt, das sie für ihn vom Juden geliehen hat, weist der Bursche es zurück.

Der Bursche geht nun auf den Markt und beginnt einen Handel mit Bohnen. Damit verdient er jeden Tag vier bis fünf Kupferstücke (=legirsch; Plural: gerusch; sind 10 Centesimestücke, alte westliche Mittelmeerwährung). Für das Geld kaufte er sich Mehl und alles, was er zur Nahrung nötig hat.

Eines Tages hört nun der Jude, daß die Pilgerfahrer auf dem Heimweg und nicht mehr weit fort sind. Er bekommt es mit der Angst und sendet dem Vater des Burschen einen Boten mit folgender Mitteilung entgegen: "Dein Sohn hat all dein Besitztum verschwendet, so daß nichts mehr vorhanden ist; der Jude heiratete deine Frau. Bleibe du fort, denn es ist für dich nichts mehr am



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Orte als die Schande." Der Bote geht ab. Er trifft den Vater und seinen Freund unterwegs. Er sagt alles, was ihm aufgetragen ist und fügt hinzu, daß alles das wahr ist, und daß der Vater daheim nicht einmal etwas zu essen und zu trinken vorfinden werde.

Der Vater bespricht sich mit seinem Freund, dem Vater der sieben Töchter, und sagt: "Kehre du allein nach Haus zurück. Sage meinem Sohn, daß ich unterwegs gestorben sei. Ich will allein an diesem Ort bleiben, wo mich niemand kennt. Ich will meine Schande nicht sehen." Der Vater der sieben Töchter macht sich auf den Heimweg.

Der Vater der sieben Töchter kommt nach Hause. An dem Tag hat der Bursche gerade den Beruf gewechselt und ist Fischer geworden. Der Alte kommt an ihm vorüber und erkennt den Burschen, dieser aber den Alten nicht. Der Alte sagt zudem Burschen: "Bursche, nimm meinen Reisesack auf und trage ihn mir nach Hause. Da werde ich dir dann etwas dafür bezahlen." Der Bursche trägt dem Alten das Gepäck ins Haus. Im Hause frägt der Alte: "Bursche, kennst du mich nicht?" Der Bursche sagt: "Nein, ich kenne dich nicht." Der Alte sagt: "Ich bin der Freund, der mit deinem Vater zusammen auf die Pilgerfahrt auszog. Nun sage mir, wie es kommt, daß ich dich als armen Fischer treffe? Hat dein Vater dir nicht Geld hinterlassen?" Der Bursche sagt: "So ist es." Der Alte fragt: "Wo ist das Geld?" Der Bursche sagt: "Meine Mutter ist die Geliebte des Juden geworden, und ich habe all mein Geld in schlechter Freundschaft ausgegeben, so daß heute alles das, was vorher meinem Vater gehörte, Eigentum des Juden ist."

Der Alte sagt: "Bringe zunächst einmal deine Mutter zu mir. Dann bleibe auch du in meinem Hause. Ich will alles wieder in Ordnung bringen und dann deinem Vater eine Nachricht senden, daß er nach Hause zurückkehren soll, daß ich alles, was er besaß, in deinen Händen vorgefunden habe und daß du sein Besitztum noch vermehrt hast." So siedeln die Mutter des Burschen und der Bursche in das Haus des Alten über.

Der Alte stellt nun eine goldene Ziege auf einem goldenen Kasten her. Er läßt diese durch die Straßen tragen und ausrufen, wer sie kaufen wolle. Im ganzen Orte sind aber nur zwei Männer, die wohlhabend genug sind, ein so wertvolles Stück zu kaufen, nämlich der Vater der sieben Töchter und der Jude. Der junge Mann zieht mit der goldenen Ziege durch die Straßen. Der Jude kommt. Er sieht das Stück und bietet lautschreiend 1000 Goldstücke. Der Vater der



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sieben Töchter kommt des Wegs; hört das und bietet laut 2000 Goldstücke. Der Jude bietet höher. Der Alte treibt ihn herauf, so daß der Jude zuletzt eine ganz ungeheure Summe bietet, eine Summe, die seinen Besitz weit übersteigt. Er bekommt die goldene Ziege auf dem goldenen Kasten.

Der Jude soll nun bis zum andern Tage zahlen; nur dann bekommt er die Ziege. Kann er nicht zahlen, so bekommt er die goldne Ziege nicht und wird außerdem um den Betrag, den er geboten hat, gepfändet. Der Jude verkauft nun umgehend alles, was er hat. Der Alte kauft es auf. Der Jude will nun noch bei andern Leuten leihen. Niemand leiht ihm etwas. Am andern Morgen kann er nicht zahlen. Er wird zum Richter gebracht. Der entscheidet im Sinne des alten Gesetzes. Der Jude muß alles, was er hat, herausgeben und bekommt auch die Ziege nicht, da er sie nicht zahlen kann. Der Jude ist nun ganz arm.

Der Jude will nun nicht aus dem Hause des Pilgerfahrers. Der Agelith wird gerufen. Der Agelith hört alles, hört auch die Schande der Mutter. Der Agelith läßt den Juden töten, und der Bursche tötet seine schändliche Mutter.

Der vom Vater der sieben Töchter durch Botschaft herbeigerufene Vater des Burschen kommt inzwischen an. Der Vater des Burschen sieht, daß sein Haus und all sein Besitz, sogar noch mehr, vorhanden ist. Der Vater ist entzückt und fragt nach seinem Sohn. Der Sohn ist aber, von Scham getrieben, in den Wald gelaufen.



***
Im Walde trifft der Bursche einen Wuarssen. Der Bursche erschrickt. Der Wuarssen hat aber den Burschen sogleich sehr gern. Er fragt ihn, wo er herkommt und wo er hin wolle. Der Wuarssen mag den Burschen gut leiden und sagt ihm, daß, wenn er, der Bursche, ihn, den Wuarssen, von Zeit zu Zeit besuchen wolle, so würde er sich darüber sehr freuen. Er werde ihm außerdem jedesmal etwas schenken.

Der Wuarssen sagt zum Burschen: "Komm!" Er führt ihn an einen Berg, den er öffnet und zeigt, was darin ist. Da ist nun alles Silber, Gold und Edelstein. Der Wuarssen sagt: "Nimm, was dir Freude macht." Der Bursche wählt zwei Diamanten (=liakuth). Zum Abschied sagt der Wuarssen zum Burschen: "Schwöre mir, daß du in einem Jahr mit bloßen Füßen hierher zurückkehrst." Der Bursche sagt: "Ich schwöre dir, daß ich im nächsten Jahr mit



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nackten Füßen hierher zurückkommen will, auch wenn es einen Wuarssen hier gibt, der mich verschlingen will."

Der Bursche kommt heim. Er findet den Vater wieder im Besitze alles dessen, was er früher hatte und was er durch die Güte des Freundes, des Vaters der sieben Töchter, zurückgewonnen. Ja, statt der sieben Goldhaufen von früher sind es jetzt zehn Goldhaufen. Der Bursche zeigt dem Vater alles und zuletzt die Diamanten. Er sagt: "Das ist das Wertvollste. Die Diamanten haben nämlich die Eigenschaft, daß sie alles Wasser, das in einem Gefäß ist, in das man sie wirft, in Gold verwandeln." Der Vater ist tief beglückt.

Der Vater heiratet nun eine junge hübsche Frau. Er redet dem Sohn zu, auch zu heiraten. Der Sohn will dieses aber nicht. Er will nicht heiraten, ehe er nicht den versprochenen Besuch beim Wuarssen abgestattet hat. Nach einem Jahr sagt er dann auch zu seinem Vater: "Nun behalte du alles hier; ich werde eine kleine Wanderung antreten." Der Vater sagt: "Du hast ja aber keine Schuhe an." Der Bursche sagt: "Ich gehe lieber so." Der Bursche sagt sonst nichts und geht.

Der Bursche wandert nun durch den Wald. Der Wuarssen sieht ihn, verwandelt sich in eine alte Frau, tritt ihm unterwegs entgegen und bietet dem Burschen Schuhe an. Der Bursche hat zwar Fußschmerzen, er schlägt die Schuhe aber mannhaft ab. Er sagt: "Ich habe geschworen, mit nackten Füßen zu kommen." Die alte Frau geht. Der Wuarssen nimmt eine andere Gestalt an und tritt dem Burschen an einer andern Stelle wieder unkenntlich und mit dem Schuhangebot entgegen. Er wiederholt dies ein drittes Mal. Der Bursche bleibt standhaft.

Der Bursche kommt wie beschworen mit nackten Füßen am Berg an. Am Berg lauert der siebenköpfige Drachen (=leph'ha) auf ihn und schleudert ihm Feuer entgegen. Der Bursche bleibt unerschrocken und sagt: "Du willst mich erschrecken." Leph'ha kommt ganz nahe an den Burschen; da tritt aber auch der Wuarssen, für den Burschen unsichtbar, heran und schlägt Leph'ha hinter die sieben Köpfe, daß Leph'ha betäubt zur Seite fliegt. Der Bursche ist aber auch in Ohnmacht gefallen.

Er erwacht und geht weiter. Nun kommt ihm die Frau des Wuarssen, eine gutmütige Teriel, entgegen. Der Bursche sieht sie und sagt: "Ich erkenne deine Absicht. Du willst mich hindern, in den Berg zu kommen. Ich werde aber doch hineingelangen." Die



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Teriel fragt: "Weshalb bist du gekommen?" Der Bursche sagt: "Des Berges wegen." Der Bursche kommt an der Stelle an, an der er vor einem Jahr den Wuarssen verließ.

Am Berge ist es sehr kalt. Der Bursche findet aber einen Korb voll Federn. Dahinein legt er sich und schläft nun ganz fest. Während er schläft, kommen der Wuarssen und seine Frau, schließen den Berg auf, setzen den Burschen hinein und machen wieder zu. Als der Bursche erwacht, ist er im dunkeln Berg. Nur in weiter Ferne sieht er ein wenig Licht; dahin führt ein dunkler Gang. Er geht den Gang entlang und kommt am Ende in das Haus des Wuarssen.

Der Bursche wird vom Wuarssen sehr herzlich aufgenommen. Er erhält zum Schutz gegen alle schlechten Wuarssen und Teriel im Lande ein Stück Leder mit Zeichen darauf. Er kann im Gehöft schalten und walten wie er will. Er darf alles öffnen und schließen. Nur ein kleines Häuschen ist da. Das zu öffnen verbietet ihm der Wuarssen. In dem Hause ist nämlich ein Bad. Dieses Bad suchen von Zeit zu Zeit die Tochter eines Agelith mit ihrer Dienerin auf. Die kommen dahin in Taubenkleidern, legen sie ab, baden als Menschen und fliegen, nachdem sie die Federkleider übergenommen haben, als Tauben wieder von dannen.

Der Bursche öffnet, als der Wuarssen einmal abwesend ist, aber doch das Badehäuschen und sieht die beiden bildschönen Frauen. Die Agelithtochter nimmt schnell ihr Federkleid und fliegt fort (Taube =tithebi[a]th). Das Kleid der Dienerin erwischt der Bursche aber gerade noch schnell genug und behält es trotz alles Bettelns. Der Bursche heiratet die schöne Frau und ist zunächst sehr glücklich. Dann aber wird er unglücklich und traurig, weil er mit seiner insgeheim verheirateten Frau heimkehren möchte. Der Wuarssen begreift erst die Traurigkeit des Burschen nicht, kommt dann aber hinter die Geschichte.

Der Wuarssen sagt: "Dann weiß ich, was geschehen ist. Du warst in dem Hause, das ich vor dir verschloß. Kehre also heim. Merke dir aber, daß, wenn du irgendeine Sache vorhast, die schwer ist, du dich immer am besten an mich wendest." Der Bursche bedankte sich und kehrt mit seiner jungen Frau und deren Federkleid heim.

Der Bursche stellt seine Frau seinem Vater vor. Dann zeigt er ihm insgeheim das Federkleid und sagt, daß dieses der jungen Frau nie wieder zu Gesicht kommen darf. Nach einiger Zeit schenkt die



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junge Frau ihrem Manne zwei Knaben; sie weint aber immer, da sie sich in das Land der Heimat zurücksehnt.

Eines Tages ist Tanz. Die junge Frau des Burschen tanzt wunderschön. Der Agelith sieht es und sagt: "Noch einmal! Noch einmal! Diese junge Frau tanzt am schönsten von allen." Die junge Frau sagt: "Du sollst nun aber erst einmal sehen, wie schön es aussieht, wenn ich in meinem Federkleid tanze!" Das muß der Agelith sehen. Er fragt: "Wo ist das Kleid? Wer weiß, wo das Kleid ist?" Die junge Frau, die den Vater des Burschen geheiratet hat, weiß, wo ihr Mann es versteckt hat. Die beiden Frauen gehen, das Kleid zu holen. Die junge Frau des Vaters gibt das Kleid heraus. Die junge Frau des Burschen zieht es an, nimmt ein Kind auf den linken, eines auf den rechten Arm und sagt, Abschied nehmend: "Wenn mein Mann um mich weint, sagt ihm, ich sei im Lande Wakwak!" Dann fliegt sie als Taube mit den beiden Kindern fort.

Der Bursche kommt heim, hört die Geschichte, weint und macht sich auf die Suche nach dem Lande Wakwak. Er sucht den Wuarssen und erzählt dem, was sich ereignet hat. Der Bursche hört nun vom Wuarssen: "Es gibt einen See, der liegt dort. An den See kommen die beiden Tauben alle Tage ans Ufer, legen ihre Federkleider ab und baden als schöne Frauen. Dort gehe hin und nimm die Federkleider."

Der Bursche kam zum See. Er wartet. Die beiden Frauen kommen. Sie legen ihre Federkleider ab und baden als schöne Frauen. Der Bursche schleicht sich heran und stiehlt die beiden Federkleider. Die beiden Frauen betteln und betteln um ihre Kleider. Der Bursche gibt sie nicht. Sie sind zuletzt bereit, seine Frauen zu werden. So kehrt er dann also mit der ersten Frau, die die Dienerin war, und mit der zweiten, noch schöneren, die die Tochter eines Agelith im Lande Wakwak ist, heim.

Als er abends in den Ort seiner Eltern kommt, zaubert die Tochter des Agelith in Wakwak ein Haus hervor, das von Gold und Edelsteinen glänzt und strahlt und am nächsten Morgen das Erstaunen aller Leute des Ortes ist. Der Agelith des Ortes erschrickt über den Anblick des Bauwerkes so, daß er flieht.

Der Bursche mit den zwei schönen Frauen wohnt nun als Agelith in dem herrlichen Hause.

NB.: Den Schlußteil erachte ich für falsch. Die Reise in das Land Wakwak, die mir die Leute von Ait bou Mahdi so schön erzählt



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haben (vorige Geschichte), fehlt hier. Der zweite Taubenfang am See scheint eine junge Version. — Dagegen ist es ausgeschlossen, daß diese zweite Seefangversion etwa ganz neu interpretiert ist, denn ich habe sie 1914 schon in Beni Yenni gehört.

Ferner ist beachtenswert, daß der Wuarssen und seine Frau hier eine so sehr gutartige Rolle spielen. Es sind augenscheinlich unter dem Begriff Wuarssen verschiedene Typen zusammengeflossen. Bei den nomadischen Berbern ist dies noch ausgesprochener. Bei diesen sind unter der Bezeichnung Ghul oder Chul (arabischen Ursprungs) alle Wuarssen, Teriel, Tarochenin (oder Trochannin) usw. zu einem Begriff verschmolzen.



20. Die Grabwache

Man spricht von einem Agelith, der hatte drei Söhne, die waren' IVI jung, schön, stark und einander so ähnlich, daß sogar der Vater sie zuweilen miteinander verwechselte. Eines Tages wurde der Agelith sehr krank. Er lag im Sterben. Der Jüngste sagte zu seinen Brüdern: "Kommt, wir wollen den Vater sehen!" Die Söhne gingen zu ihrem Vater.

Die Söhne sagten: "Vater, was wünschest du? Sollen wir dir von den wiederbelebenden Äpfeln (=tzefa-zrun) bringen, die den Greis wieder zum Kind machen? Oder sollen wir dir von dem Wasser aus der Quelle zwischen den zusammenklappenden Felsen holen ?"Der Agelith sagte: "Ich danke euch, meine Söhne. Ich kann nicht weiterleben. Ich werde sterben. Um zweierlei will ich euch nun noch bitten. Ich bitte euch, mein Grab noch drei Tage lang, nachdem ich bestattet bin, zu bewachen. Dann aber lebt und sorgt für einander. Nehmt diese drei Stöcke und pflanzt sie in den Garten. Sie werden grün werden. So oft nun einer von euch abwesend ist, schaut nach, ob sein Stock grünt, oder ob er zu welken beginnt. Daraus werdet ihr dann ersehen, ob er sich wohl befindet, oder ob es ihm schlecht geht." Bald nachdem der alte Agelith das gesagt hatte, starb er. Er wurde auf dem Tachluit (Versammlungsplatz der ganz Alten, auf dem diese zu sehr ernsten Beratungen zusammenkommen) begraben.

Am ersten Abend nahm der älteste Sohn des Agelith seinen Säbel und eine Matte (=tajäthilt), ging auf den Tachluit und legte sich zur Nachtwache am Grabe nieder. Um Mitternacht kam eine Teriel an das Grab heran. Der Älteste sprang auf und versetzte der Teriel



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einen Säbelschlag, so daß ihr Kopf zu Boden rollte. Der Älteste schnitt dem Kopf die Ohren ab, er steckte sie in seine Tasche. Dann vergrub er die Leiche der Teriel nahe dem Grabe seines Vaters. Am Morgen kehrte er in den Ort zu seinen Brüdern und den Frauen zurück. Er sagte aber nichts von dem, was er in der Nacht erlebt hatte.

Am Abend des zweiten Tages nahm der Zweite seine Matte und seinen Säbel, ging auf den Tachluit und legte sich zur Wache am Grabe des Vaters nieder. Als es Mitternacht war, schlich sich ein Löwe (= issem) heran. Der Zweite sprang auf, ergriff seinen Säbel und versetzte dem Löwen einen Schlag, so daß er gleich tot war. Der Zweite schnitt darauf dem Löwen die Ohren ab und steckte sie in seine Tasche. Den toten Löwen verscharrte er aber nahe dem Grabe seines Vaters. Als es Morgen war, nahm er seine Matte und seinen Säbel und kehrte in das Haus zu seinen Brüdern und deren Frauen zurück. Er sagte aber nichts von dem, was er nachts erlebt hatte.

Am Abend des dritten Tages nahm der Jüngste seine Matte und seinen Säbel und ging auf den Tachluit, um die Wache am Grabe seines Vaters zu halten. Er legte sich nieder und lag mehrere Stunden unbekümmert da. Um Mitternacht aber kam Lep'ha (oder Leph'ha), der Drache mit den sieben Köpfen. Lep'ha kam auf das Grab des Agelith zu. Der Jüngste sprang auf, er ergriff seinen Säbel. Er schlug Lep'ha einen Kopf ab. Lep'ha sagte: "Wer kratzt mich da am Halse ?" Dann stieß Lep'ha seinen Atem auf den Jüngsten. Der Atem Lep'has war wie Feuer. Er verbrannte die Kleider des Jüngsten. Der Jüngste aber schlug mit dem Säbel wieder zu und Lep'ha den zweiten Kopf ab. Lep'ha und der Jüngste kämpften miteinander. Die Erde zitterte, die Steine auf dem Tachluit stürzten um. Es war wie heller Tag, so leuchtete der Atem Lep'has. In der Luft war es wie ein starker Sturm, durch den Blitze (=theakath) fallen. Der Jüngste schlug Lep'ha sechs Köpfe ab. Lep'ha richtete sich dann mit aller Kraft auf. Lep'ha blies den flammenden Atem auf den Jüngsten und sagte: "Hier ist mein letzter Kopf!" Lep'ha wollte den Jüngsten verbrennen. Der Jüngste aber ergriff seinen Säbel und rief: "Und dies ist mein letzter Schlag." Der Jüngste traf gut. Der siebente und letzte Kopf Lep'has fiel auf die Erde. Das Blut floß aus dem Leibe Lep'has. Es floß wie ein Strom im Gebirge. Das Blut bedeckte den ganzen Tachluit und verlöschte die Lampe, die der Jüngste sich entzündet hatte. Der Jüngste wußte nun nicht,



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wie er den Leib Lep'has begraben sollte. Er fürchtete, daß, wenn er dies nicht tue, seine Brüder am andern Tage die Geschichte erfahren würden. Der Jüngste blickte zwischen den Steinen des Tachluit hindurch hinaus und sah in der Entfernung ein Licht.



***
Der Jüngste sprang zwischen den Steinen (des umfassenden [Chromlechs]) des Tachluit hindurch hinaus in das Freie. Er lief auf das Licht zu, das er in der Entfernung sah. Er kam am Wege zu zwei Männern, von denen wickelte der eine einen schwarzen Wollfaden auf ein Knäuel (=thäkkurin), der andere wickelte einen weißen Faden von einem Knäuel. Der Jüngste fragte die beiden Männer: "Was macht ihr beide hier?" Die Männer sagten: "Wir sind hier, um den Tag zu erarbeiten und ihn wieder in der Nacht zur Ruhe zu legen." Der Mann mit dem schwarzen Faden sagte: "Ich wickle die Dunkelheit auf. Es will bald Tag werden." Der Mann mit dem weißen Faden sagte: "Ich wickle die Helligkeit ab. Die Nacht ist bald zu Ende." Der Jüngste sagte: "Laßt den Tag mit eurer Arbeit so lange in Ruhe, bis ich das Licht von dort herbeigeholt habe." Die Männer sagten: "Das dürfen wir nicht. Es gibt Kranke, die mit Ungeduld den Tag erwarten. Es gibt Tote, die herumstreifen und die allzulange Nacht zu Unheil nützen." Der Jüngste aber zog den Säbel und sagte: "Entweder ihr tut, wie ich euch sage, oder ich schlage euch mit dem Säbel die Köpfe ab." Die beiden Männer erschraken und sagten: "Es ist gut; wir wollen dir versprechen, die Arbeit liegen zu lassen; du aber versprich uns, deine Unternehmung so schnell zu erledigen, als es dir möglich ist." Der Jüngste sagte: "Ich verspreche euch, meine Unternehmung so schnell zu Ende zu führen, als es mir möglich ist."

Der Jüngste lief dann in großer Schnelligkeit auf das Licht zu. Er kam an einen Wald, im Walde an ein Haus, von dem ging das Licht aus. Das Haus gehörte 99 Wuarssen. Als der Jüngste in das Haus kam, sah er, daß die 99 Wuarssen ausgegangen waren, daß aber 70 Leichen von Menschen am Boden lagen. Der Jüngste sah sich noch um, da kamen die 99 Wuarssen heulend nach Hause. Der Jüngste versteckte sich zwischen den Leichen. Die 99 Wuarssen witterten in der Luft umher und riefen: "Es muß ein Lebender zwischen den Leichen liegen." Die 99 Wuarssen nahmen Nadeln (=tissinith) und stachen in die Leichen. Sie sagten: "Der Lebende wird schreien." Sie stachen auch in den Jüngsten. Der Jüngste aber regte sich nicht. Die 99 Wuarssen sagten: "Wir müssen uns



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geirrt haben. Vielleicht ist an einer der Leichen noch der Geruch des Lebendigen."

Die 99 Wuarssen begannen nun ihr Abendessen zu bereiten. Die 99 Wuarssen hatten 99 Rebhühner und 99 Eßlöffel. Die 99 Wuarssen setzten das Wasser über das Feuer. Der Jüngste kam aber heimlich heran und stürzte den Wasserkessel, so daß das Feuer erlosch und nun alles dunkel war.*

Die 99 Wuarssen setzten sich nun im Dunkeln hin. Sie wollten essen. Der Jüngste setzte sich zwischen sie. Sie konnten ihn nicht sehen. Der erste Wuarssen sagte: "Ergreift eure Löffel!" Die Wuarssen und auch-der Jüngste ergriffen je einen Löffel. Der erste Wuarssen sagte: "Ergreift jeder sein Rebhuhn." Die Wuarssen und auch der Jüngste ergriffen je ein Rebhuhn. Ein Wuarssen aber rief: "Ich habe keinen Löffel!" Ein anderer Wuarssen rief: "Ich habe kein Rebhuhn." Der erste Wuarssen sagte: "So legt alle eure Löffel und Rebhühner wieder hin, damit ich sie zähle." Alle Wuarssen und auch der Jüngste legten ihre Löffel und Rebhühner hin. Der erste Wuarssen zählte sie; es waren 99 Rebhühner und 99 Eßlöffel. Der erste Wuarssen sagte: "Es sind 99 Eßlöffel und 99 Rebhühner. Also nehme jeder das seine!" Die Wuarssen und der Jüngste nahmen jeder einen Löffel und ein Rebhuhn. Es rief aber wieder ein Wuarssen: "Ich habe keinen Löffel," und ein anderer: "Ich habe kein Rebhuhn." Der erste Wuarssen ließ sie wieder Löffel und Rebhühner zusammenlegen. Er zählte wieder. Er fand 99 Löffel und 99 Rebhühner. Er hieß sie wieder jeden das Seine aufnehmen. Sie taten es. Wieder rief ein Wuarssen: "Ich habe keinen Löffel!" und ein anderer: "Und ich habe kein Rebhuhn."

Alle 99 Wuarssen schrien nun: "Es muß ein Fremder zwischen uns sein." Die 99 Wuarssen sagten: "Wenn ein Fremder unter uns ist, so soll er es sagen. Wir schwören ihm, daß wir ihm nichts tun werden, sondern daß wir ihn wie unseren Bruder unter uns aufnehmen wollen." Der Jüngste stand nun auf und sagte: "Ich bin unter euch." Die 99 Wuarssen luden ihn darauf ein, bei ihnen zu bleiben und ihr Mahl zu teilen. So aß der Jüngste mit den 99 Wuarssen.

Nach dem Essen erhoben sich die 99 Wuarssen und legten ihre 

* Diese Leseart bestreiten zwei Erzähler. Sie sagen, dies sei nicht der Fall gewesen; das Feuer habe weitergebrannt; die 99 Wuarssen seien aber alle blind gewesen.


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Gürtel um, um zu gehen. Der Jüngste fragte die 99 Wuarssen: "Wohin geht ihr?" Die 99 Wuarssen sagten: "Wir kämpfen jeden Tag gegen einen Agelith, der in einem hohen Hause (=thräja; Plural: thräjes) wohnt. Der Agelith hat sieben Hunde, die schützen sein Haus. Hätte er nicht diese Hunde, so würden wir das Haus längst zerstört und seine Tochter, die sehr schön ist, genommen haben." Der Jüngste sagte: "Darf ich euch begleiten?" Die 99 Wuarssen sagten: "Gewiß kannst du uns begleiten." Der Jüngste sagte: "So nehmt mir ein Themuetz (ein weibliches, fast erwachsenes Kalb, das noch nicht gedeckt ist) mit." Die 99 Wuarssen machten sich mit dem Jüngsten und dem Themuetz auf den Weg. Sie kamen zu der Burg (=thraja) des Agelith.

Der Jüngste schlachtete das Themuetz; er schnitt es in sieben Teile. Er sagte zu den Wuarssen: "Nun versteckt euch." Die 99 Wuarssen versteckten sich. Der Jüngste ging mit den sieben Teilen des Themuetz hin und warf jedem der sieben Hunde einen Teil des Themuetz vor. Die sieben Hunde stürzten sich darauf. Die sieben Hunde fraßen. Der Jüngste rief die Wuarssen herbei und sagte zu ihnen: "Nun stellt euch einer auf den andern, so daß ihr eine Leiter bildet, die bis zu dem Fenster des Tarorfiz der Burg (=thraja) reicht. Dann werde ich hinaufsteigen und euch einen nach dem andern in das Fenster helfen."

Die Wuarssen taten es so. Sie stellten sich einer auf den andern und bildeten so eine Kette, die bis zum Fenster des obersten Geschosses reichte. Der Jüngste stieg hinauf. Er stieg in das Fenster. Er rief herunter: "Nun kommt einer nach dem andern herein." Der erste Wuarssen kam in die Kammer. Kaum war er darin, so schlug der Jüngste ihm den Kopf ab. Der zweite kam. Der Jüngste schlug ihm den Kopf ab. Alle 99 Wuarssen kamen zum Fenster hinein in die Kammer. Der Jüngste schlug allen 99 Wuarssen den Kopf ab. Die ganze Kammer war mit Blut gefüllt.

Der Jüngste ging aus der Kammer in die andern Räume des Schlosses. Er kam in eine Kammer, in der lag die schöne Tochter des Agelith auf ihrem Lager. Eine Lep'ha mit sieben Köpfen lag aber neben dem Mädchen zu seinem Schutze. Der Jüngste trat herein. Der siebenköpfige Drache wollte sich auf den Jüngsten stürzen und ihn töten. Der Jüngste ergriff sein Schwert und schlug alle sieben Köpfe der Lep'ha ab.

Der Jüngste trat an das Lager der Tochter des Agelith. Am Kopfende des Lagers stand eine Lampe aus Gold. Am Fußende des



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Lagers stand eine Lampe aus Silber. Der Jüngste stellte die golden Lampe vom Kopfende an das Fußende und die silberne Lampe von Fußende an das Kopfende. Der Jüngste sah, daß am Kopfende und am Fußende je ein Kissen (= thathumta) lag. Der Jüngste wechselte sie um. Der Jüngste sah, daß an dem Finger der Tochter des Agelith ein Ring mit eingeschnittenen Zeichen war. Der Jüngste zog den Ring ab und steckte ihn selbst auf. Er nahm den Ring mit den Zeichen seiner Duar (= Sippe) von seinem Finger und steckte ihn an den Finger der Tochter des Agelith. Der Jüngste schnitt der Tochter des Agelith dann eine Locke (=theg[ge]toscht, die alte Form; heute sagt man meist: temsurth) ab. Die Locke steckte der Jüngste in seine Tasche. Der Jüngste ging aus der Burg. Er kehrte zurück zu dem Hause der Wuarssen. Er nahm dort das Feuerzeug (= lekao) und machte sich dann auf den Heimweg zu dem Tachluit, auf dem sein Vater begraben lag. Unterwegs kam er an den beiden Männern vorbei, die den Faden der Nacht und den Faden des Tages auf ihren Knäueln hatten. Die beiden Männer waren zornig und sagten: "Du hast sehr lange gebraucht. Wir haben viel Zeit für unsere Arbeit verloren." Der Jüngste sagte: "Ich habe euch versprochen, meine Unternehmung so schnell zu erledigen, wie ich könnte. Ich habe es getan. Wenn ihr einen Mann findet, der in einer Nacht so viel zu tun hat, wie ich zu tun hatte, so ist euer Zorn gerecht."

Der Jüngste ging dann auf den Tachluit. Er entzündete ein Feuer. Er verscharrte die Leiche der Lep'ha nahe an dem Grabe seines Vaters. Die sieben Köpfe der Lep'ha steckte er in seine Tasche. Danach legte er sich hin und schlief. Als es Morgen war, nahm er seine Matte und seinen Säbel und ging zurück in das Haus seiner Brüder. Er sagte aber zu seinen Brüdern und den Frauen im Hause nichts davon, was er in der Nacht erlebt hatte.




***
Als der nächste Morgen graute, rief der Agelith der Burg eine Magd und rief: "Bringe mir Wasser zum Waschen." Die Magd lief aus dem Hause und wollte zum Brunnen gehen. Sie hörte es aber vom Tarorfiz her herabrieseln und sagte: "Ah! Es hat die Nacht also geregnet, und nun läuft das Wasser vom Dache ab. Ich kann dort also Wasser nehmen und brauche nicht bis zum Brunnen zu laufen." Die Magd hielt ihr Gefäß unter die Flüssigkeit, bis es (Tongefäß = thabakith) voll war und brachte es dem Agelith herauf.


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Der Agelith wusch sich mit der Flüssigkeit, die die Magd aufgefangen hatte und ging, als es Tag geworden war, zu dem Thimamorth (=Versammlungsplatz der Männer und Burschen). Die Alten begrüßten den Agelith und sagten: "Weshalb hast du dein Gesicht und deine Hände mit Blut gefärbt?" Der Agelith betrachtete seine Hände und sagte: "Sie sind rot, und doch habe ich mich nur gewaschen." Die Alten sagten: "Dann hast du dein Gesicht und deine Hände mit Blut gewaschen." Der Agelith rief die Magd und fragte sie: "Wo hast du heute morgen das Blut genommen, mit dem ich mich gewaschen habe?" Die Magd erschrak und sagte: "Ich habe kein Blut genommen, sondern in meinem Gefäß das Regenwasser aufgefangen, das vom Dach des Tarorfiz herabrieselte." Die Alten sagten: "Es hat heute nacht aber nicht geregnet."

Der Agelith sagte: "Kommt, wir wollen das ansehen." Der Agelith ging mit den Alten zu dem Tarorfiz. Sie sahen, daß das Blut noch immer aus der obersten Kammer herausfloß. Sie gingen zurück in die Burg und stiegen die Leiter hinauf. Sie öffneten die Kammer. Sie sahen die Leichen der 99 Wuarssen und ihre 99 Köpfe im Blute liegen. Alle Leute kamen herauf. Alle Leute stießen Schreie der Freude aus. Alle Leute jubelten.

Von dem Jubel erwachte die Tochter des Agelith. Die Tochter des Agelith sah um sich. Sie sah, daß das Kissen an ihrem Kopfende und das Kissen an ihrem Fußende umgewechselt waren. Sie sah, daß die goldene Lampe vom Kopfende am Fußende und daß die silberne Lampe vom Fußende am Kopfende ihres Lagers stand. Sie sah, daß die Lep'ha tot war. Sie sah, daß ihre Locke abgeschnitten war. Sie sah, daß auf ihrem Finger ein fremder Ring mit fremden Zeichen statt des ihrigen steckte. Sie hörte die Leute wieder in der Burg schreien: "Die 99 Wuarssen sind tot! Die 99 Wuarssen sind tot." Die Tochter des Agelith schrie vor Freude! Sie sagte: "Diesen Mann, der das tat und keinen andern will ich heiraten."

Der Agelith rief alle Leute zusammen und sagte: "In dieser Nacht hat ein Mann die 99 Wuarssen getötet, die jeden Morgen mit uns Krieg führten. Der, der das getan hat, der soll mein Nachfolger werden. Ich will ihm meine Tochter zur Frau geben und mit ihm alles teilen, was ich besitze. Wer sich aber meldet und nachher überwiesen wird, daß er gelogen hat, den werde ich töten lassen."

Bald darauf kam ein Mann und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith ließ ihn kommen und fragte: "Hast du einen



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Ring?" Der Mann sagte: "Was soll ich für einen Ring haben?" Da ließ der Agelith ihn töten. Es kam ein Mann, der zeigte einen goldenen Ring und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith besah den Ring und sagte: "Dies sind nicht die Zeichen meiner Tochter." Der Agelith ließ ihn töten. Es kam ein dritter Mann und sagte: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet, und hier ist der goldene Ring mit den Zeichen deiner Tochter." Der Agelith sagte: "Wo hast du die Locke?" Der Mann sagte: "Was für eine Locke ?" Der Agelith ließ ihn töten. Es kamen 99 Leute und logen: "Ich habe die 99 Wuarssen getötet." Der Agelith ließ jeden einzeln, er ließ alle 99 Lügner töten. Danach kamen keine Lügner mehr.

Es kam aber ein Mann zu dem Agelith, der sagte: "Laß mich im Dorf ein Haus bauen, in welchem ich Tee (früher aus zwei Kräutern bereitet) an alle Durchziehenden verschenke und laß alle Durchziehenden bei mir übernachten. Auf diese Weise werde ich es innerhalb eines Jahres erfahren, wer die 99 Wuarssen getötet hat." Der Agelith sagte: "Es ist mir recht. Aber wenn du es nicht innerhalb eines Jahres erfährst, lasse ich dich töten, wie die 99 andern." Der Mann baute sein Haus, verschenkte seinen Tee und hatte lange Monate hindurch viele durchziehende Gäste. Aber er konnte die Leute befragen, soviel er wollte. Er erfuhr nicht, wer der Mann gewesen war, der die 99 Wuarssen getötet hatte. Der Mann erhielt vom Agelith viele Hammel für viele Abendessen, die er den durchreisenden Leuten vorsetzte. Das Jahr, das er sich ausbedungen hatte, strich hin, und den Namen des Töters der 99 Wuarssen erfuhr er nicht. Der Mann ward sehr betrübt und sagte zu seinem Freunde: "Mein Kopf sitzt nur noch ganz kurze Zeit auf meinem Körper."

Die drei Söhne des Agelith waren inzwischen daheim in einen Zwiespalt gekommen. Sie stritten untereinander, wer von ihnen der Tüchtigste sei. Der älteste der drei Brüder sagte eines Tages: "Kommt, wir wollen zusammen eine Wanderung unternehmen; da werden wir es ja sehen, wer von uns der Tüchtigste ist." Die andern waren damit einverstanden. Die drei Brüder machten sich gemeinsam auf den Weg.




***
Die drei Brüder kamen eines Abends zu dem Teewirt. Der Tee-1) wirt begrüßte sie und sagte: "Ihr seid zur rechten Zeit gekommen. Morgen wird mich der Agelith töten lassen, weil ich ein Versprechen nicht erfüllt habe. So helft mir denn, diesen Abend noch recht fröhlich zu verbringen. Ich bitte euch, nehmt mit mir ein gutes Abendessen


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ein und bleibt bis morgen früh mit mir wach." Die drei Brüder waren gerne bereit, dem Teewirt diesen Gefallen zu tun. Der Teewirt ließ von dem Agelith einen Hammel holen. Er ließ seine Frau ein gutes Essen bereiten. Er aß mit den drei Brüdern zusammen und sagte nach dem Essen: "Nun wollen wir einander erzählen, was wir erlebt haben." Die drei Brüder sagten: "Wir sind einverstanden." Der Teewirt sagte: "Dann soll der Älteste von euch beginnen."

Der Älteste sagte: "Ich habe nicht viel erlebt. Als aber unser Vater gestorben war, hatte ich als Ältester in der ersten Nacht sein Grab zu bewachen. Um Mitternacht kam eine Teriel. Ich tötete sie. Hier im Beutel habe ich noch ihre Ohren. Das ist alles." Der Zweite sagte: "Ich habe nicht mehr erlebt. Als unser Vater gestorben war, hatte ich auf seinem Grabe die zweite Nacht Wache. Um Mitternacht kam ein Löwe. Ich tötete ihn und schnitt ihm die Ohren ab. Hier im Beute! habe ich sie noch. Das ist alles." Der jüngste Sohn sagte: "Ich habe auch nicht viel mehr erlebt. Als unser Vater gestorben war, hatte ich die dritte Nachtwache auf seinem Grabe. Als es Mitternacht war, kam ein siebenköpfiger Drache. Ich schlug ihm den Kopf ab. Das Blut löschte die Lampe auf dem Grabe aus. Ich ging und suchte Licht. Ich traf 99 Wuarssen. Die 99 Wuarssen wollten eine Burg zerstören. Ich tötete die 99 Wuarssen. In der Burg war ein sehr schönes Mädchen, die von einem Drachen bewacht wurde. Ich tötete den Drachen, wechselte die Kissen und Lampen an ihrem Lager und nahm ihren Ring und eine Locke mit. Auf dem Rückweg holte ich das Feuerzeug aus dem Hause der Wuarssen, zündete auf dem Grabe meines Vater wieder die Lampe an, und das ist alles."

Der Teewirt sprang auf und schrie: "Zeige mir den Ring und die Locke der Tochter des Agelith." Der Jüngste öffnete seinen Beute! und sagte: "Hier sind die sieben Köpfe der Lep'ha. Hier ist die Locke der Tochter des Agelith. Und hier am Finger ist der Ring der Tochter des Agelith." Als der Teewirt das sah, stieß er einen Schrei der Freude aus und rief: "Morgen brauche ich nicht zu sterben! Morgen werde ich nicht getötet! Der Mann, der die 99 Wuarssen getötet hat, ist gefunden." Der Teewirt sprang auf den Jüngsten zu, er umarmte und küßte ihn und veranstaltete ein großes Fest.

Der Agelith hörte von der Burg aus die Töne des Festes zu sich herüberklingen. Er rief einen Boten und sagte: "Geh zum Teewirt und frage ihn, was die Ursache des Festes ist, das er veranstaltet."



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Der Bote ging. Er kam zu dem Teewirt und sagte: "Der Agelith läßt fragen, warum ihr ein Fest feiert." Der Teewirt sagte: "Es ist weiter nichts. Ich feiere nur den letzten Tag meines Lebens, denn morgen will der Agelith mich ja töten lassen."

Am andern Morgen wollten die drei Brüder sich auf den Weg machen und weiter wandern. Der Teewirt beschwor sie und sagte: "Bleibt heute noch über Tag hier und helft mir, daß ich nicht getötet werde." Die drei Brüder sagten: "Wie sollen wir dir helfen, daß du nicht getötet wirst?" Der Teewirt sagte: "Es genügt, wenn ihr dabei seid, wenn der Agelith über mein Leben entscheidet. Weiter verlange ich nichts von euch." Die drei Brüder sagten: "Wenn es nichts weiter ist, so wollen wir bei dir bleiben." Die drei Brüder blieben. Als es Mittag war, kam ein Bote des Agelith und sagte zu dem Teewirt: "Das Jahr ist abgelaufen. Der Agelith erwartet dich auf dem Platze der Männerversammlung." Der Teewirt sagte: "Ich komme."

Der Teewirt ging mit den drei Brüdern zu dem Platze der Männerversammlung. Der Bote führte ihn zu dem Agelith; neben dem Agelith stand der Mann, der dem Teewirt den Kopf abschlagen sollte. Der Agelith fragte den Teewirt: "Du hast vor einem Jahr dich anheischig gemacht, innerhalb von zwölf Monaten den Mann zu finden, der die 99 Wuarssen in meiner Burg getötet und uns damit vor unserm Untergang bewahrt hat. Das Jahr ist heute verstrichen. Hast du den Mann gefunden, so werde ich dich nach meinem Versprechen reich beschenken. Hast du ihn aber nicht gefunden, so werde ich dich, wie ich es vorher gesagt habe, jetzt töten lassen. Sage also, ob du ihn gefunden hast?" Der Teewirt sagte: "Ja, ich habe den Mann gefunden. Hier ist er." Der Teewirt zeigte auf den jüngsten der drei Brüder.

Die Männer in der Versammlung sprangen auf. Sie riefen: "Ist es wahr, oder ist es gelogen? Hat er den Ring mit den Zeichen der Tochter des Agelith? Hat er die Locke von dem Kopfe der Tochter des Agelith? Hat er die Köpfe des Drachen?" Der Jüngste öffnete den Sack und zog die Köpfe des Drachen, den er auf dem Grabe seines Vaters getötet hatte, hervor. Er zog die Köpfe des Drachen, den er in der Kammer der Tochter des Agelith getötet hatte, hervor. Er zog die Locke vom Kopfe der Tochter des Agelith, die er abgeschnitten hatte, hervor. Er zeigte den kleinen Finger und sagte: "Hier trage ich den Ring mit den Zeichen der Tochter des Agelith; sie hat an ihrem Finger den Ring mit den Zeichen meines



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Duar." Die Leute riefen: "Es ist wahr; es ist keine Lüge. Dieser Mann hat die 99 Wuarssen getötet." Der jüngste der drei Brüder erhob sich und sagte zu seinen Brüdern: "Kommt, meine Brüder, wir wollen nun unsere Wanderung fortsetzen."

Der Agelith fiel dem Jüngsten in die Arme und sagte: "Nein, du darfst nicht gehen, du mußt meine Tochter heiraten. Du sollst mein Nachfolger werden. Du sollst am Morgen Herr sein, und ich werde am Abend Herr sein." Der Agelith führte den Jüngsten in seine Burg. Er führte ihn zu seiner Tochter. Er sagte: "Dies ist der Mann, der uns von den 99 Wuarssen befreit hat." Die Tochter des Agelith sah ihn. Sie sah, daß er schön war. Der Jüngste sah die Tochter des Agelith und sah, daß sie schöner war, als irgendeine Frau auf dieser Erde. Der jüngste der drei Brüder sagte: "Ich trage deinen Ring auf meinem Finger." Die Tochter sagte: "Ich trage deinen Ring auf meinem Finger und werde ihn nicht wieder abziehen."

Der Agelith veranstaltete ein Fest, das währte sieben Tage und sieben Nächte. Der jüngste der drei Brüder heiratete die Tochter des Agelith. Der Agelith beschenkte den Teewirt reich. Nach sieben Tagen nahmen die beiden Brüder von dem Jüngsten Abschied und sagten: "Wir wissen nun, wer der Tüchtigste unter uns dreien ist. Wir werden nun nach Hause zurückkehren. Laß es uns wissen, wenn du uns brauchst." Der jüngste Bruder sagte: "Lebt wohl und habt Dank dafür, daß ihr mich hierher begleitet habt. Seht von Zeit zu Zeit auf die drei Stöcke, die uns unser Vater im Garten hat pflanzen lassen und vergeßt nicht, daß es, solange sie grün sind, mir gut geht, daß ich aber, wenn einer von ihnen welkt, eure Hilfe nötig habe." Die drei Brüder nahmen von einander Abschied. Die beiden älteren wanderten wieder nach Hause. Der Jüngste blieb bei seiner jungen, schönen Frau in der Burg des Agelith.




***
Eines Tages gingen alle Leute des Agelith auf die Jagd. Der Agelith fragte seinen Schwiegersohn: "Möchtest du wohl auch mit auf die Jagd gehen?" Der Jüngste sagte: "Ich habe große Lust hierzu." Der Agelith sagte: "So nimm deine Waffen, besteige auch einen Maulesel und jage, wo du Lust hast. Nur jenen Hügel darfst du nicht betreten." Der Jüngste sagte: "Ich werde deine Worte nicht vergessen."

Der Jüngste bestieg den Maulesel und ritt zur Jagd. Aber wo er auch ein Tier traf, immer lief es fort, gerade auf den Hügel, den zu



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betreten der Agelith ihm verboten hatte. Der Jüngste wurde zornig. Endlich traf er eine Gazelle, die er eine Zeitlang verfolgen konnte. Plötzlich aber bog die Gazelle von ihrer Richtung ab und lief auch auf den Hügel. Da vergaß der Jüngste die Worte des Agelith; er ritt hinter der Gazelle her, in den Wald auf den Hügel.

In dem Walde auf dem Hügel wohnte aber eine Teriel. Die Teriel kam dem Jüngsten entgegen. Die Teriel sagte: "Sei mir gegrüßt, mein Sohn! Ich habe dich lange nicht gesehen." Danach verschlang die Teriel den Jüngsten samt seinem Maulesel.

Drei Tage, nachdem der Jüngste von der Teriel verschlungen war, ging der älteste Bruder daheim einmal durch den Garten. Er sah die Stöcke, die der Vater vor seinem Tode die drei Brüder hatte pflanzen lassen und die sonst mit grünem Laub bedeckt waren. Der älteste Bruder blickte auf die Stöcke und erschrak. Der Stock des jüngsten Bruders war verdorrt. Der älteste Bruder ging zu seinem zweiten Bruder und sagte: "Mein Bruder, unserm jüngsten Bruder muß ein Unglück zugestoßen sein. Ich sah soeben, daß sein Stock verdorrt ist und werde sogleich zu der Burg reiten und sehen, was ihm geschehen ist."

Der älteste Bruder bestieg einen Maulesel und ritt zur Burg des Agelith. Der Agelith sah ihn. Der älteste Bruder war aber dem jüngsten so ähnlich, daß der Agelith sie nicht voneinander unterscheiden konnte. Der Agelith sagte: "Du bist lange ausgeblieben, mein Sohn! Deine Frau erwartet dich mit Ungeduld." Der Älteste ging zu der jungen Frau. Die junge Frau sah nicht, daß es der Bruder ihres Gatten war. Sie hielt ihn für ihren Mann. Die junge Frau sagte: "Mein Mann, du warst vier Tage lang auf der Jagd. Weshalb bliebst du so lange fort! Jetzt wirst du müde sein, komm schnell mit mir schlafen." Der Älteste ging mit der jungen Frau in die Kammer. Er legte sich nieder. Er legte aber zwischen sich und die junge Frau sein Schwert. Nachts erwachte die junge Frau. Sie sah das Schwert zwischen sich und dem Manne. Sie begann zu weinen. Sie lief zu ihrer Mutter und sagte: "Mein Mann hat eine andere Frau lieber als mich. Er hat heute nacht sein Schwert zwischen mich und sich gelegt." Die Mutter sagte: "Warte ab mein Kind! Du kannst noch nicht wissen, was das zu bedeuten hat! Dein Mann wird sich dir offenbaren." Der Älteste stand inzwischen früh auf. Er ging zum Agelith und sagte: "Ich will wieder zu der Jagd, dahin, wo ich her kam." Der Agelith sagte: "Es ist recht, mein Sohn. Aber wie vor vier Tagen



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warne ich dich auch heute, den einen Hügel zu betreten." Der Älteste sagte: "Sage mir noch einmal, mein Vater, welcher Hügel es ist; ich habe es vergessen." Der Agelith sagte: "Es ist jener Hügel dort!"

Der älteste Bruder bestieg seinen Maulesel und ritt auf den Hügel zu. Er sagte bei sich: "Dieser Hügel muß es sein, auf dem meinem Bruder ein Unglück widerfahren ist." Der Älteste ritt auf den Hügel zu. Er kam in den Wald auf den Hügel. Die Teriel kam. Der Älteste erkannte sogleich, daß diese Frau eine Teriel war. Er sprach zu seinem Maulesel: "Mein Maulesel paß auf. Diese Frau dort ist eine Teriel. Ich werde sie zuerst begrüßen, damit sie mich dann nach ihrer Art fragt, von welcher Seite sie anfangen soll, mich zu verschlingen. Ich werde sagen: ,Von hinten.' Sie wird sogleich anfangen, dich von hinten zu verschlingen. Ich halte dich aber am Ohr, und du kannst ihr dann deine Hufe zeigen." Der Maulesel war einverstanden.

Die Teriel kam näher. Der Älteste rief ihr aus der Ferne zu: "Sei gegrüßt, meine Mutter!" Die Teriel sagte: "Ich danke dir. Da du mich so freundlich grüßt, will ich zu dir nachher auch freundlich sein. Was hast du auf der Jagd erlegt?" Der Älteste sagte: "Ich habe Rebhühner erlegt. Hier hast du eines." Der Älteste warf der Teriel ein Rebhuhn zu. Die Teriel verschlang es und sagte: "Gib mir mehr." Der Älteste warf ihr ein zweites, ein drittes und noch mehr Rebhühner zu, bis er keine Rebhühner mehr hatte. Die Teriel war aber nicht satt, sondern sagte: "Was gibst du mir nun, damit ich satt werde?" Der Älteste sagte: "Nimm meinen Maulesel!" Die Teriel sagte: "Soll ich von vorn oder von hinten anfangen, ihn zu verschlingen?" Der Älteste sagte: "Fange von hinten an."

Der Älteste stieg vom Maulesel. Er hielt den Maulesel am Ohr. Die Teriel kam von hinten an den Maulesel; als sie aber ganz dicht herangekommen war, schlug der Maulesel nach hinten aus und traf die Teriel gerade vor den Kopf. Der Schlag war so stark, daß die Teriel sogleich der Länge nach ins Gras fiel. Der Älteste sprang aber hinzu, zog das Schwert und hieb ihr mit einem Schwertschlag den Kopf ab.

Dann öffnete er mit einem zweiten Schnitt den Leib der Frau. Er fand darin seinen jüngsten Bruder und dessen Maulesel. Sie waren beide scheintot (= tharan). Der älteste Bruder glaubte aber, sein jüngster Bruder sei ganz tot. Er legte ihn in das Gras und weinte über ihn bis tief in die Nacht hinein. Nachts flogen zwei Vögel über



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seinem Kopfe. Sie sagten zueinander: "Da ist ein Mann, der hat seinem jüngsten Bruder erst Gutes getan; dann aber hat er damit aufgehört und weint nur noch. Wenn er klug ist, sucht er das Kraut Taschischt und hält es seinem scheintoten Bruder unter die Nase." Der-älteste Bruder hörte, was die beiden Vögel zueinander sprachen. Er stand sogleich auf und suchte das Kraut Taschischt. Er fand es und hielt es seinem Bruder unter die Nase. Sogleich richtete sich sein jüngster Bruder auf und sagte: "Du bist es, mein ältester Bruder." Beide fielen sich in die Arme und weinten vor Freude.

Als es Morgen war, bestiegen beide Brüder ihre Maulesel und ritten zurück zur Burg des Agelith. Sie wurden herzlich empfangen. Der Jüngste ging zu seiner jungen Frau. Er fand sie weinend. Er fragte sie: "Was hast du? Weshalb weinst du? Freust du dich nicht, mich zurückerhalten zu haben?" Die junge Frau sagte: "Weshalb hast du gestern das Schwert zwischen mich und dich gelegt? Hast du eine andere lieber als mich ?" Der jüngste Bruder sagte: "Das muß mein ältester Bruder gewesen sein. Denn ich konnte das gestern nicht tun. Ich war noch im Bauche der Teriel im Walde auf dem Hügel."



21. Die Flucht vor Wuarssen und Teriel

Ein Mann hatte sieben Söhne und eine Tochter. Als die Tochter herangewachsen war, kam ein Mann und bewarb sich um sie. Der Vater gab sie ihm, ohne daß er wußte, wer der Mann eigentlich war. Der Mann war aber ein Wuarssen, der nach der Hochzeit seine Frau mit sich nahm und mit ihr weit fort zog in sein Gehöft. Danach hörte der Vater nichts mehr von der Tochter, und wenn seine Söhne ihn fragten: "Wo ist unsere Schwester," so sagte er: "Sie ist verheiratet und wohnt mit ihrem Manne weit fort von hier in jener Gegend." Als die ältesten vier Söhne nun herangewachsen waren, kamen sie eines Tages zu ihrem Vater und sagten: "Vater, wir wollen uns heute auf den Weg machen und in jene Gegend ziehen, um unsere Schwester, die mit dem fremden Manne verheiratet ist, zu besuchen." Der Vater stimmte zu. Die vier Söhne machten sich am andern Tage auf den Weg und wanderten weit fort, bis sie in die Gegend kamen, in der das Gehöft des Wuarssen gelegen war. In jener Gegend trafen sie den Wuarssen gerade, als er in sein Haus trat und seine Frau, die Schwester der vier Brüder,



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das Haus öffnete. Der Wuarssen aber sah und verschlang die vier Brüder.

Der Vater und seine jüngsten drei Söhne hörten nichts mehr von den vier ältesten Söhnen. Der Vater und seine jüngsten drei Söhne warteten lange auf eine Nachricht über die Rückkehr der vier Burschen. Es kamen aber weder Nachrichten noch die vier Burschen. Als nun so eine lange Zeit verstrichen war, waren auch die jüngsten drei Söhne des Vaters herangewachsen und traten eines Tages vor den Vater und sagten: "Seitdem unsere Schwester verheiratet ist, haben wir alle nichts mehr von ihr gehört. Nach langer Zeit sind unsere vier Brüder herausgezogen, unsere Schwester zu suchen und sind auch verschwunden, ohne daß wir wieder etwas von ihnen vernommen hätten. Nun wollen wir drei uns auf den Weg machen und wollen nach dem Schicksal unserer Schwester und unserer Brüder Ausschau halten. Wir bitten dich, uns dies zu erlauben." Der Vater war sehr betrübt darüber, daß seine letzten drei Kinder nun auch den Weg in jene Gegend antreten wollten. Zuletzt gab er aber mit trauriger Miene seine Zustimmung. Die drei Söhne brachen am andern Tage auf.



***
Diese drei Söhne hatten ihre besonderen Eigenschaften. Der jüngste hieß Chsaß. Er hörte so ausgezeichnet, daß er, wenn er sein Ohr anstrengte, vernehmen konnte, ob ein Mensch, der hinter ihm stand, seine Augenlider öffnete oder schloß. Der älteste der Brüder brauchte nur mit dem Fuße auf den Boden aufzustampfen, so öffnete sich sogleich unter ihm die Erde. Und der zweite war so geschickt, daß er imstande war, einem Huhn das Ei aus dem Leibe zu stehlen, ohne daß das Huhn es merkte.

Die drei Brüder machten sich auf den Weg, ihre verheiratete Schwester und ihre vier verschollenen Brüder zu suchen. Sie wanderten weit, sehr weit, bis sie eines Tages an das Gehöft kamen, in dem ihre Schwester als Frau des Wuarssen lebte. Sie klopften an die Tür und sogleich öffnete die Schwester. Sie erkannte auch sofort ihre Brüder und sagte: "Meine jüngsten drei Brüder, eilt so schnell ihr könnt von dannen. Mein Mann ist ein Wuarssen, der alle Menschen, die in seine Nähe kommen, verschlingt. Vor langer Zeit sind schon eure ältesten vier Brüder angekommen, und ich habe es selbst mit ansehen müssen, wie der Wuarssen, mein Mann, sie verschlungen hat. Eilt deshalb so schnell als möglich von dannen. Denn es ist bald Abend, und dann kommt mein Wuarssen



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nach Hause und wird euch, wenn er euch noch in der Nähe antrifft, sicherlich verschlingen. Ich bitte euch, meine jüngsten drei Brüder, lauft schnell von dannen."

Die drei Brüder sagten: "Liebe Schwester, wir sind froh, daß wir dich endlich gefunden haben und nun etwas über dein und unserer Brüder Schicksal erfahren. Wir wollen nicht gleich wieder von dannen laufen, sondern wollen uns deine Art zu leben und deinen Mann ansehen. Verstecke uns also bis morgens und sorge dich im übrigen nicht so sehr." Die Schwester versuchte es, die Brüder zur Änderung ihrer Absicht zu bewegen. Die Brüder ließen sich aber nicht einschüchtern, sondern bestanden auf ihrem Vorhaben. Es blieb der Schwester also nichts übrig, als dem Wunsche der Brüder nachzugeben. Sie hieß sie in eine Grube in der Kammer steigen, die sie leicht bedeckte.

Als es Abend war, kam der Wuarssen vom Felde nach Hause. Der Wuarssen setzte sich mit seiner Frau zum Essen nieder, und nachdem er alles, was sie ihm auftischte, verschlungen hatte, streckte er sich mit ihr auf seinem Lager aus, um der Nachtruhe zu pflegen. Ehe er jedoch einschlief, nahm er die Haare seiner neben ihm liegenden Frau und schlang sie mehrfach so fest wie nur möglich um seinen eigenen Arm, so daß sie sich nicht, ohne ihn zu wecken, von ihrer Schlafstatt erheben konnte.

Bald darauf erhob Chsaß seinen Kopf und strengte sein Ohr an. Nachdem er einige Zeit lang zu dem Wuarssen hingehört hatte, sagte er bei sich: "Der Wuarssen schläft bis jetzt nur ganz leicht." Er zog den Kopf wieder zurück. Nachdem wieder einige Zeit verstrichen war, erhob Chsaß den Kopf abermals und strengte sein Ohr an. Nachdem er einige Zeit gehorcht hatte, weckte er den zweiten Bruder und sagte: "Der Wuarssen schläft jetzt ganz fest, gehe hin und löse die Haare unserer Schwester so von dem Arm des Wuarssen, daß weder unsere Schwester noch der Wuarssen etwas davon merken." Der zweite Bruder stieg aus der Grube, schlich hin und begann ein Haar nach dem andern von dem Arm des Wuarssen zu lösen. Nachdem dies geschehen war, sagte er es Chsaß.

Chsaß weckte nun den ältesten Bruder und die Schwester, hieß den zweiten Bruder geräuschlos die Tür öffnen und lief dann mit der Schwester und den beiden Brüdern so schnell als möglich von dannen.



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Die Schwester und die drei Brüder eilten so schnell wie möglich in der Richtung auf das Haus ihres Vaters von dannen. Nachdem sie ein gutes Stück weit gelaufen waren, sagte Chsaß: "Wartet ein wenig!" Die Brüder und die Schwester standen still. Chsaß strengte sein Ohr an und horchte in der Richtung auf das Haus des Wuarssen. Nach einiger Zeit sagte er: "Der Wuarssen ist erwacht und sucht das ganze Haus nach uns ab. Laßt uns weiterlaufen."

Die Schwester und die drei Brüder eilten wieder so schnell wie nur möglich von dannen, immer in der Richtung auf das Haus ihres Vaters. Sie waren wieder ein gutes Stück weit gekommen, da sagte Chsaß: "Wartet wieder ein wenig. Ich will hören, was der Wuarssen macht!" Die Schwester und die Brüder hielten im Laufen an. Chsaß strengte sein Ohr an und horchte nach rückwärts. Nach einiger Zeit sagte er: "Soeben verläßt der Wuarssen sein Haus und beginnt hinter uns herzulaufen. Er kann anscheinend sehr schnell laufen, und wir müssen eilen, noch ein Stück weiterzukommen." Die drei Brüder und die Schwester rannten nun mit aller Kraft und so schnell es nur möglich war, immer in der Richtung auf das Haus ihres Vaters.

So kamen sie denn wieder ein gutes Stück weiter und hatten eine lange Wegstrecke zurückgelegt, als der jüngste Bruder sagte: "Meine Schwester, meine Brüder, haltet ein wenig im Laufen an, damit ich horchen kann, ob wir nicht etwa plötzlich von dem Wuarssen überrascht werden können." Die Brüder und Schwester hielten an. Chsaß strengte sein Ohr an. Er hatte aber noch nicht lange hingehört, als er sagte: "Ho! Der Wuarssen ist schon ganz nahe und wird gleich hier sein. Mein ältester Bruder, öffne nur schnell die Erde, so daß wir hineinkriechen können."

Der älteste Bruder stampfte mit aller Gewalt auf den Boden, und sogleich spaltete sich die Erde so weit, daß die drei Brüder mit ihrer Schwester hinabsteigen konnten. Über ihnen schloß sich die Erde wieder. Sie waren noch nicht lange unter die Erde geschlüpft, da kam auch schon der zornige Wuarssen angerast. Der Wuarssen lief immer auf der Spur der Brüder und der Schwester. Er sah immer auf die Erde, um die Spur nicht zu verlieren. Er kam bis dahin, wo die Schwester mit den Brüdern in die Erde gestiegen war. Er blickte rund umher. Er konnte die Fortsetzung der Spur nicht finden. Er lief ein Stück vorwärts; er fand die Spur nicht. Er lief ein Stück nach links; er fand die Spur nicht. Er lief ein Stück nach rechts; er fand die Spur nicht. Er lief im Kreise herum durch das



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Gebüsch. Er fand nirgends die Spur. Da machte er sich denn auf den Heimweg und lief durch den Wald wieder seinem Gehöft zu.

Chsaß strengte unter der Erde sein Ohr an. Chsaß sagte: "Soeben hat der Wuarssen den Rückweg angetreten." Sie blieben noch eine gute Weile unter der Erde. Dann strengte Chsaß wieder sein Ohr an. Er horchte lange hin und sagte dann: "Soeben ist der Wuarssen wieder in sein Gehöft zurückgekehrt. Kommt, wir wollen wieder aufbrechen."

Die drei Brüder und die Schwester stiegen wieder aus der Erde herauf und gingen weiter in der Richtung auf das Haus ihres Vaters zu. Sie waren ein langes Stück weitergegangen, da begegneten sie einer Teriel. Die Teriel begrüßte die drei Brüder und die Schwester und sagte: "Seht, ich habe keine Kinder und liebe doch die jungen Leute so sehr. Seid meine Kinder, ich will euch eine Mutter sein; kommt mit zu mir, eßt bei mir, schlaft bei mir, seid meine Kinder! Kommt mit in mein Haus!" Die drei Burschen und das Mädchen sahen, daß es eine Teriel war. Sie fürchteten aber, die Teriel möchte sie gleich verschlingen, deshalb nahmen sie die Einladung an und folgten der Teriel in ihr Haus. Die Teriel holte sogleich Aghertum (= Brot) und setzte es ihnen vor.

Chsaß schaute indessen überall herum und sagte zur Teriel: "Meine Geschwister haben großen Durst. Bei uns ißt man nicht, ehe man nicht etwas getrunken hat. Ich sehe, es ist aber kein Wasser hier. Bring uns doch etwas Wasser!" Die Teriel nahm einen Krug auf und lief damit zur Quelle. Als sie fort war, sagte Chsaß zu seinen Brüdern und zu seiner Schwester: "Die Quelle der Teriel ist ein gutes Stück entfernt. Deshalb habe ich sie um Wasser gebeten. Lauft ihr zwei Brüder und du meine Schwester nur schnell von dannen. Ich selbst werde noch hierbleiben, um sie festzuhalten und werde dann schon wissen, wie ich mich nachher aus der Angelegenheit herausfinde. Macht ihr nur, daß ihr fortkommt." So machten sich denn die Schwester und die beiden ältesten unter den drei Brüdern auf den Weg und liefen fort, während Chsaß, der jüngste, noch im Hause der Teriel blieb.

Die Teriel kam mit dem Wasser zurück. Der Jüngste sagte: "Meine zwei Brüder und meine Schwester sind drüben auf den Hügel gegangen. Es fiel uns ein, daß die große Herde von Rindvieh, die wir dort haben, ohne Hirt und Treiber ist, wenn wir solange bei dir sitzen. Deshalb sind sie hinübergelaufen und treiben



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das Vieh hierher, um es bei dir unterzustellen. Denn wenn du uns als deine Kinder aufnimmst, wollen wir dich auch als unsere Mutter ansehen und unser schönes Vieh bei dir unterstellen."

Die Teriel war in dem Gedanken an eine neue schöne Rinderherde sehr erfreut und sagte: "Es ist recht, daß ihr mir soviel Vertrauen zeigt. Ihr sollt mitsamt eurem Vieh bei mir gut aufgehoben sein. Wann denkst du denn, daß deine Brüder, deine Schwester und die Viehherde hier sein können?" Chsaß sagte: "Das kommt darauf an, wie leicht sich das Vieh treiben läßt. Aber ich denke, sie werden sicher morgen kommen."

Am andern Tage sagte Chsaß zur Teriel: "Wir wollen noch einige Stangen brechen und ein Gatter bauen, in das wir das Vieh hineintreiben, wenn es ankommt, denn in deinem kleinen Viehstall kann nur ein kleiner Bruchteil unterkommen. Komm, Mutter, hilf mir!" Er ging mit der Teriel zusammen in den Busch, brach Stangen, trug sie mit der Teriel nach Hause und baute mit ihr zusammen ein großes Viehgatter. Als es am Abend fertig war, sagte er zur Teriel: "So, jetzt könnte das Vieh kommen. Die Unterkunft ist bereitet. Das Vieh wird sich durch den Busch aber nicht so schnell treiben lassen!"

Am zweiten Tage sagte die Teriel: "Wo bleiben nur deine Schwester, deine Brüder und die Viehherde?" Chsaß sagte: "Ich will dir einen Vorschlag machen. Ich glaube sicher, für die Armen ist der Hin- und Herlauf beim Treiben der großen Herde durch den Busch sehr schwer. Sie werden vielleicht, wenn wir sie allein lassen, erst zur Nacht ankommen. Ich schlage dir also vor, daß wir beide ihnen entgegengehen und ihnen beim Treiben helfen. Wenn fünf treiben, geht es schneller, als wenn nur drei hin und her laufen. Komm, Mutter, wir gehen ihnen entgegen. Dann kommen sie sicher vor Nacht an."

Die Teriel sagte: "Es ist besser, wenn ich hierbleibe und die Hausarbeit verrichte. Geh du deinen Geschwistern und der Herde entgegen und hilf ihnen, inzwischen will ich einen Hammel schlachten und euch als Abendgericht kochen. Lauf aber, daß ihr mir nicht zu spät wiederkommt." Chsaß sagte: "Ich will es machen, wie du denkst, meine Mutter!"

Chsaß ging hinaus. Er lief bis dahin, wo er seine Geschwister fand, die sich versteckt hatten und auf ihn warteten. Er kam mit seinen Brüdern und seiner Schwester heim, und der Vater war sehr glücklich.



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22. Waldschrecken (Wahre Terielgeschichte*)

Ein Mann, dessen Beruf es war, in den Dörfern herumzuziehen und Burnusse zu verkaufen, baute sich ein Haus im Walde an einer Stelle, die von Bäumen umgeben und ein wenig von den Nachbarn entfernt war. Er hatte eine Frau, die webte seine Ware (Burnusse), und eine Tochter, die half der Mutter dabei. Meist war der Händler unterwegs auf Reisen, und dann schlossen die Frau und die Tochter die Tür mit Sonnenuntergang ab.

Eines Tages war der Mann wieder abwesend. Die Frau und das Mädchen webten. Es war kurz vor Sonnenuntergang und die Haustüre noch nicht geschlossen. Da trat eine Teriel in das Haus. Die Teriel aß an einem Menschenbein. Sie trat in den Raum, steckte das Menschenbein zwischen zwei Akufin, setzte sich am Webstuhl hin und begann zu weben. Die Teriel webte; sie webte, bis sie alle Wolle verbraucht hatte. Die Teriel sagte: "Gebt mir mehr Wolle." Die Frau sagte: "Wir haben keine Wolle mehr." Die Teriel sagte: "Dann gebt mir Diß (= Schilf)." Die Frau gab ihr Schilf. Die Teriel webte bis tief in die Nacht hinein.

Die Frau sagte endlich: "Ich will nun Essen bereiten." Die Frau begann den Teig zu kneten und sang dabei ganz laut: "Alle meine Nachbarn hört! Es ist ein Ungeheuer in meinem Haus; kommt und helft mir!" Die Nachbarn hörten die Frau aus der Ferne singen und sagten untereinander: "Die Frau arbeitet sogar bei Nacht." Die Nachbarn kamen aber nicht. Die kleine Tochter nahm inzwischen aus dem Feuerloch ein brennendes Scheit, löschte es, beiseite gehend, aus und bemalte sich mit Ruß das Gesicht schwarz.

Die Teriel sah es. Sie wollte das nachmachen. Sie nahm auch einen Scheit aus dem Feuer, löschte ihn aber nicht erst aus, sondern strich sich mit dem glühenden Ende über das Gesicht. Das Haar fing sogleich Funken. Das Haar begann in hellen Flammen zu brennen. Die Teriel schrie: "Mein Haar brennt und mein Kopf brennt auch." Die Teriel lief aus dem Hause und schrie immerfort: 

* Die nachfolgende Geschichte gilt nicht als Tamaschahauts, als Märchen, sondern als Thachkäith-eadan, d. h. als ein wirkliches Geschehnis. Es muß bei dieser Gelegenheit betont werden, daß die meisten Kabylen, soweit sie noch in ihren Dörfern wohnen, doch an die lebendige Natur und das Vorkommen der Teriels, der menschenfressenden Hexen, glauben. Der Glaube ist allerdings nicht so überzeugend, wie der von der Natur und dem Vorkommen der Tirochamin. Weniger glauben die Leute an die Wuarssen.


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"Mein Haar brennt und mein Kopf brennt auch." Die Schwester der Teriel hörte die Rufe im Wald. Sie rief ihrer Schwester zu: "Stürze dich in einen See!" Die brennende Teriel lief an ein Wasser und löschte die Flammen.

Mittlerweile schlossen die Frau und die Tochter die Tür. Als die Teriel nun das Feuer auf ihrem Kopfe gelöscht hatte, kam sie zurück, klopfte an die Tür und sagte: "Öffnet eurer Schwester die Tür, ich will euch helfen." Die Frau und ihre Tochter sagten: "Wir wollen jetzt nicht mehr arbeiten. Wir wollen schlafen." Die Teriel sagte: "So werft mir die Mannskeule heraus, die ich zwischen den Akufin gesteckt habe. Ich will sie aufessen." Die Tochter nahm die Mannskeule und warf sie zum Fenster heraus der Teriel zu. Die fing sie auf und lief damit in den Wald.

Am andern Morgen wachten die Leute auf. Die Frau sagte zu den Nachbarn: "Weshalb seid ihr in der vorigen Nacht nicht gekommen, als ich Euch rief?" Die Nachbarn sagten: "Wir dachten, du arbeitetest." Am Abend kam der Burnushändler von der Wanderung nach Hause. Seine Frau und seine Tochter erzählten ihm, was sie erlebt hatten. Der Burnushändler sagte: "Ihr müßt die Tür des Abends noch früher schließen." Am andern Tage reiste der Händler wieder ab. Eines Tages waren die Frau und ihre Tochter wieder allein zu Hause. Die Frau rieb gerade das Korn auf der Handmühle, um Mehl für den Abend zu haben. Da kam Athrajen (geschildert als wilder Mann mit vorstehenden Zähnen. Der Richter der Toten. Siehe in der Schöpfungsmythologie die Erzählung von Ferraun) herein. Athrajen begann sogleich an der Stelle der Frau das Korn zu mahlen. Die Frau sang in ihrer Angst: "Ihr Nachbarn hört mich! Bei mir ist ein menschliches Ungeheuer." Athrajen grunzte: "Sing nicht! Mach deine Arbeit! Mach deine Arbeit!"

Athrajen mahlte und mahlte. Er mahlte fünf Maß Weizen. Er sagte dann: "Nun gib mir mehr Weizen." Die Frau sagte: "Ich habe nicht mehr Weizen. Jetzt will ich aber das Essen bereiten. Was ißt du ?"Athrajen sagte: "Ich esse ein Maß Salz und ein halbes Maß Weizen." Die Frau sagte: "Ich habe nicht so viel Salz im Hause." Athrajen warf die Frau an die Wand und sagte: "Ich werde dir die Knochen zerbrechen." Die Frau sagte: "Ich habe nicht mehr." Athrajen sagte: "So koche, was du hast." Die Frau kochte alles, was sie hatte. Athrajen aß alles auf.

Athrajen sagte: "Ich habe Durst. Gib mir zu trinken!" Die Frau gab Athrajen alles, was sie im Hause hatte. Athrajen trank



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alles aus. Er sagte: "Gib mehr!" Die Frau nahm einen Ziegensack und sagte: "Ich will zur Quelle gehen und schöpfen." Sie ging. Athrajen folgte ihr. Die Frau schöpfte. Athrajen trank den ganzen Ziegensack leer. Athrajen und die Frau gingen zurück. Im Hause packte Athrajen die Frau an der Schulter und sagte: "Wenn du mir nicht so viel Essen bereitest, als ich nötig habe, fresse ich dich." Die Frau sagte: "Sieh selbst zu, ob du etwas zu essen findest." Athrajen sah in alle Akufin, in die Speichergrube und alle Töpfe. Er sah, daß nichts mehr im Hause war. Darauf lief er aus dem Hause in den Wald.

Der Mann kam wieder von der Reise zurück. Die Frau erzählte ihm alles, was sich ereignet hatte. Sie zeigte ihm die Flecken auf der Schulter, die von den Griffen des Athrajen geblieben waren. Der Mann verkaufte das Haus im Walde und zog in einen Ort der Ebene.


23. Die Tapfere (Wahre Terielgeschichte)

E in Mann, der sehr reich war, hatte eine Tochter, die an einen Mann im benachbarten Duar (=thedärth; Plural: thüdär) verheiratet war. Im Sommer wohnte der Mann in einer Farm (=la[ha]thib). Im Herbst zog er in den Ort.

Eines Tages hatte die Tochter mit ihrem Manne Streit. Sie lief aus dem Hause. Sie wollte zu ihrem Vater laufen und seinen Rechtsspruch erbitten. Sie lief nach der Farm, weil sie nicht wußte, daß ihr Vater in diesem Jahr schon früh in den Ort gezogen war. Unterwegs kam sie über einen Bach. Am Bache streiften ein Löwe und eine Teriel umher. Die Teriel sah die junge Frau und rief: "Meine Tochter! Komm!" Die Tochter wußte aber sogleich, daß dies eine Teriel war. Sie lief so schnell sie konnte zur Farm des Vaters. Die Teriel und der Löwe folgten ihr in einiger Entfernung.

Die junge Frau kam an die Farm. Sie fand das Farmhaus geschlossen. Sie holte den Schlüssel aus dem Versteck, öffnete, ging hinein, schloß hinter sich die Tür und machte sogleich ein starkes Feuer. Sie legte eine Eisenstange in das Feuer und machte sie am spitzen Ende glühend. Dann nahm sie die Debus ihres Vaters.

Inzwischen strich der Löwe mehrmals um das Haus. Als er sah, daß er nirgends hereinkam, sprang er auf das flache Dach, um von da aus in den Hof zu gelangen. Die junge Frau kam mit der heißen



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Eisenstange heraus. Als der Löwe herabspringen wollte, stieß sie ihm die Stange in den Leib. Der Löwe stürzte auf dem Hofe nieder. Die junge Frau schlug ihm mit der Debus (die Keule) den Kopf entzwei. Danach zog sie die spitze Eisenstange aus dem Leib des Löwen und legte sie wieder in das Feuer, so daß die Spitze wieder glühend heiß wurde.

Die Teriel kam mittlerweile an die Tür, klopfte und rief: "Meine Tochter, öffne! Ich bin deine Mutter!" Die junge Frau rief: "Zeige deinen Kopf am Fenster, damit ich sehe, ob du eine Frau bist." Die Teriel richtete sich auf und zeigte ihren Kopf am Fenster. Die junge Frau ergriff die glühende Eisenstange und sagte: "Wende ihn so, daß ich dein Gesicht von der Seite sehe." Die Teriel wandte den Kopf zur Seite. Die junge Frau stieß die glühende Eisenstange durch das Ohr in den Kopf der Teriel. Sie stieß mit solcher Gewalt, daß die Spitze der Eisenstange am andern Ohr wieder herauskam. Die Teriel starb sogleich.

Inzwischen war der Mann der jungen Frau nach Hause gekommen. Er fand seine Frau nicht daheim. Er lief sogleich in den benachbarten Ort zu seinem Schwiegervater und sagte: "Deine Tochter ist mir weggelaufen. Ist sie nicht bei dir?" Der Vater sagte: "Nein, meine Tochter ist nicht hier; ich will dir aber helfen, sie zu suchen. Ich werde sie verfolgen und totschlagen, weil sie dir nachts entlaufen ist." Der Vater und der Mann der jungen Frau machten sich auf den Weg. Sie kamen, als es Morgen war, zu der Farm. Als sie nahe herankamen, sahen sie, daß am Fenster die Teriel stand. Sie sahen in der Eile nicht, daß die Teriel an der Eisenstange aufgespießt und tot war. Sie erschraken. Sie erschraken so, daß sie gleich zurück in den Ort liefen.

Im Orte riefen sie andere Leute zur Hilfe. Viele Männer machten sich auf den Weg. Sie hatten Waffen und wollten gemeinsam mit der Teriel kämpfen und sie töten. Der Vater und der junge Mann kamen mit den Leuten zurück zur Farm. Nun sahen sie, daß die Teriel getötet war. Sie öffneten die Tür der Farm und kamen auf den Hof. Auf dem Hofe lag der getötete Löwe. Alle Leute staunten und riefen: "Wer hat dies alles getan? Wer hat dies alles getan?" Die Leute kamen in den Wohnraum. Sie fanden die junge Frau auf dem Lager, mit der Hand unter dem Kopfe. Die Leute fragten: "Was ist geschehen?" Die junge Frau gähnte und sagte: "Die Teriel und den Löwen habe ich getötet." Die junge Frau erzählte alles. Die Leute brachen in Jubeirufe aus und riefen: "Eine solche



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Frau ist noch nicht dagewesen!" Alle Leute rühmten die junge Frau. Ihr Mann war sehr stolz auf sie und sagte: "Nun komm aber wieder mit mir nach Hause." Die junge Frau sagte: "Hast du noch nicht begriffen, daß ich von dir weggegangen bin? Lieber schlage ich mich allein mit Löwe und Teriel herum, als daß ich mich wieder mit dir streite." Die Leute aus dem Orte des Vaters riefen: "Die junge Frau hat recht, sie soll nicht wieder zu dem Manne zurückkehren. Wir wollen sie in unserm Ort behalten." Der Vater sagte (barsch) zu seinem Schwiegersohn: "Du siehst, was diese meine Tochter für eine Frau ist. Sie ist zu gut für dich." Der Schwiegersohn mußte allein nach Hause zurückkehren.

Der Vater und die Leute seines Ortes führten die junge Frau jubelnd in den Ort und nach Hause. Der Vater gab seine Tochter einem angesehenen Manne seines Ortes zur Frau. Nach einiger Zeit kam der erste Schwiegersohn mit den Männern seines Ortes und mit Waffen. Er forderte seine Frau. Er erhielt sie nicht. Es entstand ein langer Kampf. Viele Männer wurden getötet. Der Schwiegersohn und die Leute seines Dorfes waren die Schwächeren. Sie wurden geschlagen und mußten ohne die junge Frau wieder zurückkehren.


24. Weizenkorn und Teriel

Ein Mann hatte einen Sohn, der hieß Ireth, das heißt Weizenkorn. Ireth war auch nur so klein wie ein Weizenkorn. Er war also sehr klein. Jedoch war er über alles Maß schlau (=ihär[a]sch; Schlauheit heißt theharschi). Kein Tier und kein Mensch war so schlau wie Ireth.

Eines Tages sagte Ireth bei sich: "Ich will einige Tage gut essen. Er ging im Lande umher. Er kam zu einem Feigenbaum (=thäuekdetz; Feige =thäthirth), der gehörte einer Teriel, die wohnte nahebei mit ihrer Tochter Aischa. Aischa, die Tochter der Teriel, hatte nur ein Auge. Ireth ging zu dem Hause der Teriel und sah durch das Fenster hinein. Die Teriel erblickte ihn und sagte: "Ich werde dich fressen." Ireth sagte: "Du hast wenig an mir, ich bin mager." Damit zeigte er der Teriel ein Stückchen Holz und sagte: "Sieh, wie mager mein Finger ist." Die Teriel sagte: "Soso!" Ireth sagte: "Hast du aber nicht einen Akufin (=Speichertopf) voll Feigen? Setze mich in den Akufin voll Feigen und du wirst sehen, wie ich nach einiger Zeit fett werde."

Die Teriel sagte: "Einen Akufin voll Feigen habe ich. Ich werde



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dich hineinsetzen." Die Teriel setzte Ireth in den Speichertopf voll Feigen. Da saß er mehrere Tage zwischen den Feigen, aß und sang. Eines Tages kam die Teriel zum Speichertopf und fragte: "Ireth, bist du nun fett?" Ireth hielt das Hölzchen durch die obere Tür des Speichertopfes heraus und sagte: "Sieh selbst und versuche meinen Finger." Die Teriel biß in das Holzstückchen und rief: "Dein Finger ist hart wie Holz. Du mußt mehr essen." Ireth blieb in dem Akufin, aß und sang.

Eines Tages sang aber Ireth nicht mehr in dem Akufin. Die Teriel kam an den Speichertopf heran und sagte: "Höre, Ireth! Du bist doch nicht etwa krank, daß du nicht mehr singst?" Ireth seufzte und sagte: "Nein, ich bin nicht krank, aber deine Feigen kann ich nicht mehr essen. Hast du nicht einige Datteln (= tzmar; Sing.: tatzemartz) ?" Die Teriel sagte: "Gewiß habe ich Datteln, einen ganzen Speichertopf voll!" Die Teriel setzte also den Ireth in den Speichertopf voll Datteln. Ireth aß nun alle Tage Datteln und sang auch wieder. Die Teriel kam eines Tages an den Speichertopf und sagte: "Ireth, bist du noch nicht fett?" Ireth steckte sein Holzstück zur Speichertür heraus und sagte: "Beiße einmal in meinen Finger. Ich weiß es selbst nicht." Die Teriel biß in den Finger. Sie sagte: "Hart wie Holz. Ireth, du ißt nicht genug." Ireth sagte: "Ich glaube, diese Nahrung ist nicht die richtige. Hast du nicht Butter und Honig?" Die Teriel sagte: "Gewiß habe ich Butter und Honig. Ich werde dich in den Speichertopf voll Butter und Honig setzen."

Ireth wurde also in den Speichertopf voll Butter und Honig gesetzt. Es aß jetzt Butter und Honig und sang dazu. Eines Tages sagte er zur Teriel: "Meine Mutter, jetzt bin ich fett. Wenn du mich jetzt essen willst, wird es gut sein. Damit mein Fleisch aber recht wohlschmeckend wird, muß ich nun ein paar Tage frische Feigen essen." Die Teriel sagte: "Frische Feigen sollst du haben." Die Teriel ging mit ihrer Tochter heraus zum Feigenbaum, um ihn zu schütteln. Ireth kletterte aber oben zum Speichertopf heraus. Er nahm erst den Schlüssel (= tetharutz; Plural: tithüra; das Schloß =miphta; Plural: le miphätha; das ist das bekannte Dornen-Schubschloß der Nordwestafrikaner) zu dem Hause und der Kammer (=thachant) und kletterte dann durch das Fenster auf den Feigenbaum.

Auf dem Feigenbaum aß Ireth jetzt alle reifen Feigen, und als die Teriel und ihre Tochter schüttelten, warf er die unreifen und



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schlechten Früchte herab. Die Teriel wunderte sich über die vielen schlechten und unreifen Feigen und sagte: "Aischa, ich glaube, das ist Ireth, der das tut!" Ireth sagte: "Ja, das bin ich." Die Teriel sagte: "Wer hat dir die Türe geöffnet?" Ireth sagte: "Das war deine Tochter Aischa." Aischa sagte: "Das ist nicht wahr." Ireth sagte: "Wer hat den Schlüssel ?" Die Teriel und Aischa suchten den Schlüssel und fanden ihn nicht. Die Teriel sagte: "Das ist deine Schuld, Aischa." Aischa sagte: "Nein, Mutter, es ist deine Schuld."

Ireth sagte vom Baume herunter: "Nun kommt und zankt euch nicht. Es wird Zeit, daß ihr mich vom Baume nehmt, denn es wird Abend." Dann versteckte sich Ireth zwischen den Ästen und Blättern. Die Teriel kam und blickte von unten allerorts zwischen die Blätter und Äste. Sie rief: "Wo bist du denn?" Ireth rief: "So blicke doch hierher!" Die Teriel kam an die Stelle, und als sie gerade mit nach oben gerichteten Augen unter Ireth stand, preßte er ihr den Saft von ein paar Feigen in die Augen. Die Teriel schrie und konnte nicht mehr sehen. Ireth sagte zu Aischa: "Komm, Aischa, nimm du mich. Deine Mutter ist von den Wespen verunreinigt worden. Bringe mich in die kleine Kammer, damit ich noch einige Tage frische Feigen esse." Aischa nahm darauf Ireth und brachte ihn in die kleine Kammer.

Nach einigen Tagen sagte Ireth bei sich: "Nun habe ich genug gegessen; nun will ich wieder nach Hause gehen." Ireth rief aus seiner kleinen Kammer die Teriel an und sagte: "Nun bin ich so fett und wohlschmeckend, daß ich nicht besser werden kann. Nun bereitet mich. Ich bin nun aber so fett, daß ihr mich nicht allein essen könnt. Ladet also alle eure Tanten und Basen ein. Gehe du hin und rufe sie zusammen. Aischa kann mich inzwischen zubereiten. Ich werde es ihr genau sagen, wie sie es machen soll, damit ihr heute abend ein sehr gutes Gericht habt." Die Teriel sagte: "Du bist ein gescheiter Junge. Die Aischa soll alles bereiten. Ich gehe inzwischen bei den Tanten und Basen herum und lade sie ein." Damit ging die alte Teiiel fort.

Aischa nahm Ireth aus der Kammer. Ireth sagte: "Nun schlage Holz und setze den großen Topf mit Wasser an das Feuer." Aischa schlug Holz und setzte den Topf mit Wasser auf das Feuer. Inzwischen saß Ireth auf der Bank und kratzte sich mit dem Zinkenschlüssel auf dem Kopfe, schloß die Augen und sagte: "Tut das gut! Tut das gut! Tut das gut!" Als Aischa den großen Topf auf das Feuer gesetzt hatte, sagte sie zu Ireth: "Kratze mich auch so auf



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Das kleine Weizenkorn

(unten links) hat statt seiner den Stein an den Baum gehängt, zu dem die Flammen hochlecken. Um das Feuer drei Teriel. (Zu Nr. 24.)

Eine Beeinflussung fand lediglich insofern statt, als der Darsteller bei diesem Bilde veranlaßt wurde, alle Figuren nebeneinander und vor das Feuer zu stellen



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dem Kopfe!" Ireth stellte sich auf die Bank und sagte: "Setze dich hier vor mich. Ich will dich von hinten kämmen und kratzen." Aischa setzte sich. Ireth sagte: "Beuge den Kopf weiter vor." Aischa tat so. Da zog Ireth ein Messer aus der Tasche und schnitt der Tochter der Teriel von hinten den Hals durch. Danach zog er Aischa die Kleider aus und die Haut ab und zerschnitt sie. Die Kleider Aischas zog er an. Die Haut Aischas legte er beiseite, und ihre einzelnen Teile warf er in den Kochtopf. Dann setzte sich Ireth in den Kleidern Aischas auf das Bett Aischas.

Als es Abend war, kam die Teriel mit ihren Basen und Tanten. Ireth saß in den Kleidern Aischas auf Aischas Bett und weinte. Die Teriel fragte ihn: "Was weinst du?" Ireth weinte und sagte: "Jetzt ist der kleine Ireth tot; mit wem soll ich jetzt spielen?" Die Teriel sagte: "Beruhige dich; ich werde einen andern Jungen finden, mit dem du spielen kannst, bis er auch fett genug ist. Nun komm, iß mit uns, und du wirst sehen, wie ausgezeichnet der Ireth dir schmeckt!" Ireth saß in den Kleidern der Aischa auf dem Bett der Aischa und weinte und sagte: "Ich mag nicht!"

Die Teriel und ihre Basen und Tanten saßen um den großen Topf und aßen das Fleisch der Aischa. Die Teriel fischte das Auge Aischas aus dem Topfe, führte es zum Munde und verschluckte es. Eine Katze kam durch den Raum, strich an der Teriel vorüber und sagte: "Mau! Mau! Die Mutter ißt das Auge ihrer Tochter!" Ireth sprang aus dem Fenster. Ireth warf die Haut Aischas zwischen die Teriel, ihre Tanten und Basen und sagte: "Ja, die Katze hat recht, du hast das Auge deiner Tochter gegessen. Wenn du mich nun essen willst, so komme unter den Feigenbaum." Die Teriel wollte Ireth greifen. Ireth war aber flink und die Teriel noch vom Feigensaft auf beiden Augen halbblind. Ireth entschlüpfte.

Ireth rief von draußen herein: "Mutter Teriel! Wollt ihr mich doch noch essen?" Die Teriel, ihre Basen und Tanten riefen: "Ja, das wollen wir." Ireth rief: "So macht unter dem Feigenbaum ein großes Feuer. Es muß ein großes Feuer sein. Ich will dann vom Feigenbaum in das Feuer hineinspringen, werde im Feuer geröstet werden und ausgezeichnet schmecken." Die Teriel, ihre Basen und Tanten sagten: "Das werden wir tun." Die Teriel, ihre Basen und Tanten schleppten Holz heran und machten ein großes Feuer unter dem Feigenbaum. Ireth nahm einen großen' Stein, den band er an einer dünnen Schnur in die unteren Zweige des Feigenbaumes.



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Das Feuer ward heiß und schlug in großen Flammen nach oben. Die Flammen entzündeten die dünne Schnur, an dem der Stein hing. Die Schnur verbrannte. Ireth rief: "Ich komme!" Der Stein fiel in das Feuer. Die Teriel, ihre Basen und Tanten liefen nah an das Feuer heran, um Ireth zu sehen, wie er röstete.

Als alle Teriels um das Feuer standen, sprang Ireth herzu und stieß sehr schnell eine nach der andern in die Flammen. Alle Teriels verbrannten, und es blieb von ihnen in dieser Gegend keine einzige mehr am Leben. Als alle Teriels verbrannt waren, ging Ireth in das Haus der Teriel. Er nahm von ihren Schmucksachen, Gold und Kleidern, was ihm gefiel. Damit kehrte er heim zu seinem Vater.

Der Vater des Ireth schalt auf ihn, als er ihn wiedersah. Er sagte: "Ich habe um dich geweint, weil ich glaubte, du seist verunglückt." Ireth sagte: "Mein Vater; ich habe nur einmal einige Tage lang gut gegessen und viel Freude gehabt."


25. Tamaschahut Bischr »Die Erzählung Fingernagels (=Bischr)»

Ein Mann heiratete, und als die Zeit gekommen war, schenkte seine Frau ihm eine Tochter. Er war ärgerlich, denn er wollte einen Sohn haben. Das nächste Kind, das seine Frau gebar, war aber wieder ein Mädchen. Und so ging es weiter. Jedes Jahr vermehrte sich die Zahl seiner Töchter. Aber der Sohn blieb aus. Endlich geschah es auch noch, daß eine der Töchter starb und daß ihr sehr bald nicht nur eine zweite, sondern die ganze Reihe der Schwestern folgte. Da ließ der Mann sich von seiner Frau scheiden.

Der Mann heiratete nun eine andere junge Frau und hoffte bald Vater eines Sohnes zu werden. Die Zeit verstrich aber, ohne daß seine Frau Mutter wurde. Und wenn die erste Frau nur Mädchen geboren hatte, so schien es, als ob die zweite nicht einmal solche hervorbringen könne. Das blieb drei Jahre lang so. Nun wandte der Vater sich in seiner Traurigkeit mit einer innigen Bitte an Gott und betete: "Laß mich doch Vater eines Sohnes werden, und wenn der Sohn nur so groß ist wie ein Fingernagel (=Bischr)." Da wurde die Frau des Mannes Mutter, und als das Kind geboren wurde, war es denn auch nicht größer als ein Fingernagel. Deshalb nannte der Vater seinen Sohn Bischr.

Bischr wuchs heran; aber er blieb klein. Er blieb so klein! Aber



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so klein wie er war, so klug war er auch. Kein Altersgenosse vermochte ihn zu überlisten; dagegen war er an Schlauheit gar bald allen erwachsenen Leuten überlegen, so daß sein Vater sehr stolz auf ihn war.

Als er älter geworden war, liebte es Bischr, Tag und Nacht in der Nachbarschaft und auch in der weiteren Umgebung umherzustreifen. Eines Tages war er auf einem solchen Streifzüge, da begegnete er einigen Dieben (Dieb ämächur; Plural: imichuren), die gerade daran gegangen waren, ein Haus zu erbrechen, um eine Kuh zu stehlen. Bischr trat zu ihnen und sagte: "Ich will euch behilflich sein." Der erste Dieb antwortete: "Wir können dich nicht gebrauchen, weil du zu klein bist." Bischr sagte: "Du irrst dich! Gerade weil ich klein bin, kann ich um so leichter hineingelangen. Um mich hineingelangen zu lassen, braucht ihr nur einen Stein aus der Mauer zu nehmen." Der zweite Dieb sagte: "Bischr hat recht. Wir wollen ihn durch ein kleines Loch hineinlassen. Er soll uns von innen die Tür öffnen." Sie nahmen also aus der Rückwand des Hauses einen Stein heraus und Bischr schlüpfte hinein.

Bischr kroch zunächst in das Ohr einer Kuh (=thefünäst) und schrie von da aus: "Rechts (= thäifust) oder links (= thaselmast)! Wacht auf!" Bei dem Schreien wachte der Besitzer der Hütte auf, leuchtete überall im Hause umher, konnte aber nichts finden und legte sich wieder zum Schlafen nieder. Die Leute beruhigten sich untereinander und sagten: "Das muß der geheime Wächter des Hauses gewesen (= arsess uchan) sein." Die Leute schliefen wieder ein.

Nach einiger Zeit kam Bischr aus dem Ohr der Kuh heraus, ging zur Mutter des Hauses, die mit weitgeöffnetem Munde schlief und schlüpfte da hinein. Aus dem Innern der Hausmütter schrie Bischr dann ganz laut: "Wacht auf, die Diebe sind im Haus!" Die Leute erwachten wieder, sprangen auf, suchten überall herum, fanden aber nichts und sagten endlich untereinander: "Es kam aus dem Feuerloch (= Khänun)." Ein Kind sagte: "Ja, es war der Herr der Feuerstelle (= schir Khänun, d. i. die Grille)." Damit beruhigten sie sich, legten sich wieder auf ihre Lager und schliefen ein.

Nun kam Bischr wieder aus dem Munde der Hausmütter heraus, öffnete von innen die Tür und ließ die Diebe so hereinkommen. Sie banden die Kuh los und trieben sie mit sich fort. Nachdem sie mit der Kuh ein gutes Stück gegangen waren, sagten die Diebe: "Wir



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wollen die Kuh dort unten im Tale schlachten." Bischr dachte bei sich: "Dort unten im einsamen Tal komme ich um meinen Teil." Bischr sagte zu den Dieben: "Wir wollen die Kuh lieber auf dem Hügel schlachten. Dort sind wir am Wege und können das Fleisch schneller fortschaffen." Darauf gingen die Diebe und Bischr mit der Kuh auf den Hügel und schlachteten sie. Als sie dann teilten, sagte Bischr: "Behaltet ihr nur alles Fleisch und gebt mir die Eingeweide." Die Diebe taten es.

Bischr nahm seine Eingeweide, verabschiedete sich und ging von dannen. Er ging aber nicht weit fort, sondern nur bis zum wenige Schritte entfernten Wege. Dort blies er die Eingeweide (=ajrdän) auf, schlüpfte hinein und schrie: "Kommt schnell, kommt schnell, die Diebe eurer Kuh sind hier im Gebüsch. Ich kann sie vom Wege aus sehen." Die Diebe erschraken. Sie sahen durch die Zweige die aufgeblasenen Gedärme. Sie glaubten, daß der frühere Besitzer der Kuh sie verfolge und flohen so schnell sie nur konnten von dannen, ohne sich weiter um das schöne Fleisch zu kümmern. Sobald Bischr sah, daß die Diebe entflohen waren, kam er heran, packte alles Fleisch in die Kuhhaut und legte es unter die Zweige. Dann kehrte er zum Wege zurück.

Auf dem Wege kam mittlerweile ein Mann mit einem Maulesel daher. Der Mann streichelte den Hals seines Maultieres, klopfte ihm die Lenden und sagte: "Gott hat mir einen guten, willigen Maulesel gegeben, hätte er mich strafen wollen, so wärst du ein störrischer." Bischr hörte das. Er sprang dem Maulesel in das Ohr, machte es sich darin bequem und schrie hinein: "Sch! Schi Schtan!" (kabylischer Anruf zum Stehenbleiben). Sogleich blieb der Maulesel stehen. Der Reiter schlug und sagte: "Soeben habe ich dich noch gelobt, und nun wirst du störrisch!" Der Mann schlug und Bischr rief: "Sch! Sch! Schtan!" Der Maulesel stand. Der Mann holte weit zum Schlage aus, traf den Maulesel stark und schrie: "Nun vorwärts, wenn es nicht eine Strafe Gottes ist!" Bischr schrie wieder: "Sch! Sch! Schtan!" Der Maulesel stand. Der Reiter des Maulesels erschrak.

Der Reiter des Maulesels erschrak sehr und schrie laut: "Sollte das doch eine Strafe Gottes sein?" Da schrie Bischr so laut er konnte: "Ja." Der Reiter sprang empor. Der Reiter schrie: "Gott spricht aus dem Maulesel." Der Reiter fiel vor Schreck vom Maulesel, er raffte sich auf und lief so schnell er konnte von dannen, ohne sich weiter nach dem Maulesel umzusehen. Der Maulesel blieb auf



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der Straße stehen. Er wandte seinen Kopf nur um und sah seinem Herrn nach.

Als der Besitzer des Maulesels weggelaufen war, kam Bischr aus dem Ohr des Maulesels hervor und sprang auf die Erde. Er führte das Tier zu der Stelle, an der er das Kuhfleisch in eine Haut eingewickelt unter Blättern verborgen hatte, belud den Maulesel, schwang sich oben auf und ritt heim. Daheim hatten der Vater und die Mutter inzwischen in allen Winkeln und auf allen Straßen nach Bischr geschaut und geschrien. Der Vater war schon ganz traurig, daß der einzige, winzige Sohn, den Gott ihm geschenkt hatte, abhanden gekommen war, als Bischr auf seinem Maulesel mit seiner Ladung Fleisch angeritten kam. Der Vater war über alle Maßen glücklich. Bischr zeigte ihm, was er mitgebracht hatte. Er sagte: "Sieh, mein Vater, welchen schönen Maulesel und wieviel gutes Fleisch ich euch mitgebracht habe!" Der Vater aber sagte: "Ich freue mich über dich mehr als über den Maulesel und das Fleisch!"



***
Der Vater hatte große Angst, daß Bischr doch wieder fortlaufen und durch allerhand Streiche sein Leben in Gefahr bringen könne. Er wollte Bischr deshalb festbinden, denn er liebte seinen Sohn über alles. Bischr sagte jedoch: "Laß mich nur gehen, mein Vater, ich bin zwar klein, aber ich bin ein Mann; um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen."

Eine Nacht blieb Bischr daheim. Am andern Tage nahm er sich Essen, packte das Nötige ein und begab sich wieder auf die Wanderschaft. Diesmal lief er weit, weit fort, bis er in ein ganz anderes Land kam. Es war da überall eine ausgezeichnete Weide, aber nirgends auch nur ein Schaf zu sehen, trotzdem inmitten der Ebene ein großes Gehöft war. Bischr ging auf das Gehöft zu. Er fand eine einzige Frau darin. Er begrüßte sie und bat sie um eine Schale Milch und Brot. Die Frau ging hin, molk einige Schafe und reichte ihm die Schale.

Bischr blickte in das Gefäß und rief: "Die Milch ist ja ganz schwarz! (schwarze Milch =aizki). Die Frau sagte: "Natürlich ist die Milch ganz schwarz. Ich füttere meine Schafe nur mit Kohle." Bischr sagte: "Wieso das! Draußen ist doch weit und breit die schönste Weide und nirgends ein Schaf zu sehen! Warum läßt du die Schafe nicht draußen weiden?" Die Frau lachte und sagte: "Ich möchte die Schafe schon draußen weiden lassen. Über das Feld sind aber ein Rabe, ein Igel, ein Hase (=aussul), ein Rebhuhn



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und eine Teriel Herr. Die erlauben mir nicht, daß ich meine Schafe im Freien weide, und die Teriel hätte mich überhaupt schon lange verschlungen, wenn sie nicht eine Wunde im Rücken hätte, die sie hindert, aufrechtzugehen. Und da ich meine Schafe nicht draußen weiden lassen kann, bin ich gezwungen, sie mit Kohle zu füttern."

Bischr hörte das und sagte: "Bereite mir für morgen eine Schlagkeule (=debits), ein Messer (=taschenuits) und einen Ziegenhautsack (=thascholett). Ich will morgen deine Schafe weiden." Die Frau sagte: "Die Herren des Feldes werden dich verschlingen." Bischr sagte: "Du brauchst dich nicht zu sorgen. Ich werde mich und die Herde heil wieder heimbringen!"

Am andern Morgen packte Bischr seine Sachen in den Ziegenhautsack, öffnete das Tor des Gehöftes und trieb die Herde (=thakkethaith) hinaus. Er trieb die Herde vor sich her, mitten auf die Weide (=themurth) des Raben. Er setzte sich nieder, legte den Ziegensack zu seinen Füßen und behielt nur die Keule in der Hand. Nach einiger Zeit kam der Rabe und fragte: "Wie kommt es, daß du die Schafe mein Gras abweiden läßt?" Bischr sagte: "Siehst du nicht, daß ich Bischr bin? Glaubst du etwa so stark zu sein wie Bischr, so hebe doch meinen schweren Ziegenhautsack auf!" Der Rabe sagte: "So stark wie du bin ich noch lange!" Der Rabe bückte sich, um den Ziegenhautsack Bischrs aufzunehmen und so seine Stärke zu zeigen. Da schlug ihm Bischr mit der Keule in den Nacken, so daß er tot hinfiel. Er schnitt dem toten Raben den Kopf ab, steckte ihn in seinen Sack und trieb die Herde weiter auf die Weide des Igels. Dort setzte er sich hin, legte den Ziegenhautsack vor sich auf die Erde und behielt nur die Keule in der Hand.

Nach einiger Zeit kam der Igel und fragte: "Wie kommt es, daß du deine Schafe mein Gras abweiden läßt?" Bischr sagte: "Siehst du nicht, daß ich Bischr bin? Glaubst du eben so stark zu sein wie Bischr, so hebe doch meinen schweren Ziegenhautsack auf!" Der Igel sagte: "So stark wie du bin ich noch lange!" Der Igel bückte sich, um den Ziegenhautsack Bischrs aufzunehmen und so seine Stärke zu zeigen. Da schlug ihm Bischr mit der Keule in den Nacken, so daß er tot hinfiel. Er schnitt dem toten Igel den Kopf ab, steckte ihn in seinen Sack und trieb die Herde weiter auf die Weide des Hasen. Dort setzte er sich hin, legte den Ziegenhautsack vor sich auf die Erde und behielt nur die Keule in der Hand.

Nach einiger Zeit kam der Hase und fragte: "Wie kommt es, daß



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du deine Schafe mein Gras abweiden läßt?" Bischr sagte: "Siehst du nicht, daß ich Bischr bin? Glaubst du ebenso stark wie Bischr zu sein, so hebe doch meinen schweren Ziegenhautsack auf!" Der Hase sagte: "So stark wie du bin ich noch lange!" Der Hase bückte sich, um den Ziegenhautsack Bischrs aufzunehmen und so seine Stärke zu zeigen. Da schlug ihn Bischr mit der Keule auf den Nacken, so daß er tot hinfiel. Er schnitt dem toten Hasen den Kopf ab, steckte ihn in seinen Sack und trieb die Herde auf die Weide des Rebhuhns. Dort setzte er sich hin, legte den Ziegenhautsack vor sich auf die Erde und behielt nur die Keule in der Hand.

Nach einiger Zeit kam das Rebhuhn und fragte: "Wie kommt es, daß du deine Schafe mein Gras abweiden läßt?" Bischr sagte: "Siehst du nicht, daß ich Bischr bin? Glaubst du ebenso stark wie Bischr zu sein, so hebe doch meinen schweren Ziegenhautsack auf!" Das Rebhuhn sagte: "So stark wie du bin ich noch lange!" Das Rebhuhn bückte sich, um den Ziegenhautsack Bischrs aufzunehmen und so seine Stärke zu zeigen. Da schlug ihm Bischr mit der Keule in den Nacken, so daß er tot hinfiel. Er schnitt dem toten Rebhuhn den Kopf ab, steckte ihn in seinen Sack und trieb die Herde auf die Weide der Teriel. Dort lehnte er sich an einen Baum.

Nach einiger Zeit kam die Teriel. Die Teriel rief schon aus der Ferne: "Wie kommt es, daß du deine Schafe mein Gras abweiden läßt?" Bischr sagte: "Siehst du nicht, daß ich Bischr bin? Wenn du einen heißen Kopf hast, so komme nur näher. Schau her! Ich scheine doch machtlos!" Er lehnte sich gleichzeitig zurückgebeugt mit dem Rücken an den Baum und schlug die Hände rückwärts um den Stamm." Die Teriel kam näher und fragte: "Weshalb nimmst du diese Stellung ein?" Bischr sagte: "Kann ich dir trauen?" Die Teriel sagte: "Du kannst mir trauen." "Dann sollst du es wissen. Ich habe schon lange ein Rückenleiden, das meine Kraft verringert. Wenn ich mich nun so hinstelle, kommt meine Kraft sogleich für einige Zeit wieder. Hätte ich einen guten Freund, der mir in dieser Stellung auch noch für einige Zeit die Hände um den Baum festbinden würde, so würde ich meine Gesundheit ganz wiedergewinnen."

Die Teriel sagte: "Solch ein Rückenleiden habe ich auch. Du scheinst mir die Mittel gut zu kennen. Binde mich doch mal in dieser Weise fest; wenn du imstande bist, mich von meinem Übel zu befreien, will ich dich reich beschenken." Bischr sagte: "Ich



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will es versuchen. Du mußt mir aber zum Binden eine ganz feste Lederschnur geben." Die Teriel sagte: "Die sollst du haben. Ich werde sie sogleich holen."

Die Teriel lief heim und holte die Lederschnur. Bischr nahm sie und sagte: "Nun lehne dich rückwärts an den Baum und schlage die Arme um den Stamm." Die Teriel richtete sich mühsam auf und lehnte sich rückwärts. Die Teriel stöhnte: "Oh, oh, das schmerzt!" Bischr schnürte ihr die Hände zusammen und sagte: "Es dauert nicht lange. Die Schmerzen werden dir sogleich für immer vergehen." Als Bischr die Teriel ganz fest angebunden hatte, prüfte er, ob die Schnüre auch fest waren. Dann ergriff er sein Messer und schnitt ihr den Kopf ab. Den Kopf steckte er in seinen Ziegenhautsack. Den Körper der toten Teriel ließ er am Baume.

Danach trieb Bischr die Herde der Frau heim und sagte zu ihr: "Nun kannst du deine Schafe weiden, wo du willst." Er zeigte der Frau die Köpfe in seinem Ziegenhautsack. Die Frau war überaus glücklich. Bischr blieb noch einige Zeit bei ihr, dann nahm er Abschied und kehrte reich beschenkt heim.

Sein Vater war über die Heimkehr seines einzigen, winzigen Sohnes Bischr über die Maßen glücklich. Er war auf dessen Taten sehr stolz und gab ihm ein junges, schönes Mädchen zur Frau.



26. M'chetisch und die Teriel

Ein Mann namens M'chetisch wohnte in der Nachbarschaft einer Teriel (= menschenfressende Frau), die ungeheuer reich war. M'chetisch nahm sich vor, sich einiges von dem Reichtum anzueignen.

Eines Tages hängte die Teriel ihren Schlafteppich in die Sonne. M'chetisch sah ihn tagsüber hängen, betrachtete ihn, fand, daß es ein sehr schöner Teppich war und ging in sein Haus zurück. Er kam mit einer guten Handvoll Nadeln zurück; die steckte er an vielen Stellen in den Teppich und ging dann wieder in sein Haus. Abends kam die Teriel, ergriff ihren Teppich, trug ihn hinein und legte ihn auf ihre Schlafstatt. Dann streckte sie sich auf den Teppich aus, um zu schlafen. Sie sprang aber sogleich wieder auf, denn die Nadeln stachen sie. Sie legte den Teppich anders herum, sprang aber sogleich wieder empor, denn die Nadeln stachen abermals. Sie drehte und wendete sich auf dem Teppich. Sie mochte sich aber legen, wie sie wollte, überall stachen sie die Nadeln. Darüber wurde sie zuletzt



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so zornig, daß sie den Teppich zum Fenster hinauswarf, sich auf die glatte Matte legte und ohne Teppich schlief. — M'chetisch hatte aber auf alles wohl acht gegeben. Sobald die Teriel den Teppich hinausgeworfen hatte, schlich er sich heran und holte ihn sich. Er trug den Teppich in sein Haus, zog die Nadeln heraus und sagte: "Du mein lieber, guter, glatter Teppich!"

Die Teriel hatte eine sehr schöne Steinmühle (= tissirt). M'chetisch sagte: "Diese Mühle möchte ich sehr gerne haben. Sollte es nicht eine Möglichkeit geben, diese Mühle zu erhalten? Weshalb sollte mir das nicht gelingen?" Als die Teriel eines Tages auf dem Acker war, stieg M'chetisch zu ihrem Fenster empor und sah sich die Lage der Mühle an. Die Mühle stand in dem Torhaus, nicht weit von der Tür; in der Tür war ein Schlitz. M'chetisch suchte sich einen gekrümmten Stock, mit dem er durch den Schlitz in der Tür langen und den Griff der Steinmühle ergreifen konnte. Er versteckte seinen Stock und ging nach Hause. Abends kam die Teriel nach Hause und streckte sich auf ihrem Lager aus. Die Teriel schlief ein und M'chetisch kam herangeschlichen, nahm den Stock, führte ihn durch den Türschlitz und hakte ihn in den Griffstock des Mühlsteines. Dann drehte er die Mühle, die so laut knarrte, daß die Teriel sofort aufwachte. Die Teriel erwachte und schrie sogleich: "Tissirt sei still! Du hast nachts nichts zu mahlen." M'chetisch hielt inne und wartete einige Zeit, so lange, bis die Teriel wieder eingeschlafen war. Dann aber begann er von neuem zu drehen, so daß die Teriel wieder erwachte und noch zorniger der Mühle verbot, zu mahlen. Kaum war die Teriel aber eingeschlafen, so fing er von neuem an, die Mühle in Bewegung zu setzen und zwar diesmal noch schneller und somit lauter. Die Teriel fuhr daraufhin voller Wut aus dem Schlafe und aus dem Bett empor und auf die Mühle zu. M'chetisch zog schnell seinen Hakenstock weg. Die Teriel aber ergriff in äußerstem Grimme die Mühle und warf die beiden Steine zum Fenster hinaus. Dann legte sie sich wieder zum Schlafen nieder. — M'chetisch wartete, bis die Teriel fest eingeschlafen war, dann schlich er sich zu dem Platze, wo die Mühlsteine lagen und trug sie hocherfreut in sein Haus. Er stellte sie in seinem eigenen Torhause auf, mauerte den Mühlstein in die Lehmwand ein und sagte: "Du meine liebe Mühle, ich danke dir, daß du zu mir gekommen bist."

Die Teriel hatte eine sehr große und fette Henne. Im ganzen Lande hatte kein Mensch eine so fette Henne wie die Teriel. Die Henne war bekannt im ganzen Lande, und jeder beneidete die Teriel



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um die Henne. Mancher hatte sich schon angeboten, viel für die Henne zu zahlen. Die Teriel sagte aber stets: "Weshalb soll ich die fette Henne verkaufen? Ich bin reicher als ihr alle." M'chetisch kannte die Henne. Er hörte, wie die Teriel das sagte, und er dachte bei sich: "Weshalb soll die Teriel für die fette Henne auch so viel Geld bekommen, wenn sie schon genug davon hat. Und wenn die Henne schon doch einmal gegessen werden wird, so ist es für mich besser, ich esse sie, als die Teriel. Ich werde mir also die fette Henne schenken lassen." Am andern Morgen ging die Teriel wie immer auf ihren Acker zur Arbeit. M'chetisch ging hin und fing die fette Henne. Er band der Henne unter dem Schwanze zwei Federn so fest zusammen, daß die fette Henne Schmerzen empfand. Dann setzte er sie wieder in das Haus der Teriel. Abends kam die Teriel vom Acker nach Hause. Die fette Henne flatterte unruhig von einer Ecke zur andern. Die Teriel achtete erst nicht darauf. Sie legte sich zum Schlafen nieder. Die fette Henne flatterte aber immerfort umher, so daß sie mit ihrem Gackern und Flattern die Teriel nicht zur Ruhe kommen ließ. Die Teriel erhob sich nach einiger Zeit, unruhig, zündete das Licht wieder an und sah, was die fette Henne habe. Sie sah, wie die fette Henne flatterte, gackernd von einer Stelle zur andern flog und von Zeit zu Zeit mit dem Schnabel an den Federn unter dem Schwanz zerrte. Die Teriel ergriff die fette Henne und sagte: "Zeige doch einmal, was du da machst." Die Teriel betrachtete die fette Henne und sagte: "Du törichtes Vieh, was ist es für eine neue Sache, daß du dir die Federn unter dem Schwanz zusammenbindest. Tu das nicht wieder!" Sie riß die zusammengebundenen Federn auseinander, ließ die fette Henne fliegen und legte sich wieder zum Schlafen nieder, und die von dem Schmerz befreite Henne störte sie nicht mehr. —Als die Teriel aber am andern Tage wieder auf dem Acker war, fing M'chetisch die fette Henne wieder und band wieder zwei ihrer Federn unter dem Schwanz zusammen, so daß sie die Teriel am Abend ebenso sehr störte wie tags zuvor. Die Teriel erhob sich infolgedessen auch an diesem Abend nochmals vom Lager, ergriff die fette Henne, besichtigte sie und sagte: "Du ungezogenes Tier, hast dir ja schon wieder die Federn unter dem Schwanze zusammengebunden. Wenn du es jetzt noch einmal tust, werde ich dich töten." Sie löste die Federn der fetten Henne und legte sich wieder nieder. Als sie am andern Tage aber wieder auf dem Acker war, band M'chetisch abermals die Schwanzfedern der fetten Henne zusammen, und als das


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Tier am Abend die Teriel wiederum durch Flattern und Gackern am Einschlafen hinderte, war der Zorn der Teriel bis zum äußersten gereizt. Sie ergriff die fette Henne, betrachtete sie und sah, daß die Federn wieder zusammengebunden waren. Sie sagte: "Was, du törichtes Tier, wagst es, solche Gewohnheiten anzunehmen? Nun werde ich dir den Kopf an dem Felsen zerschlagen." Damit warf sie die fette Henne zum Fenster hinaus. Draußen stand aber M'chetisch und fing die Henne auf. Er sagte: "Weshalb soll die fette Henne denn erst auf den Felsen fallen. Ich kann sie auch so töten." Dann drehte er ihr den Hals ab und trug sie in sein Haus, wo er sie sogleich rupfte und ausnahm. Die Teriel horchte noch einen Augenblick. Sie hörte die fette Henne draußen nicht mehr und sagte bei sich: "Sie ist also mit dem Kopf auf den Felsen gefallen und tot. Morgen früh werde ich sie holen und zubereiten." Die Teriel schlief ein. M'chetisch verzehrte die fette Henne. Am andern Morgen kam die Teriel heraus und suchte die tote fette Henne. Sie fand aber die fette Henne nicht. Darauf wurde sie sehr böse und sagte: "Sollte etwa mein Nachbar, der M'chetisch, die tote Henne gefunden und an sich genommen haben?"



***
Es kam die Zeit, daß die Feigen reif wurden, und die Feigen im Garten der Teriel waren viel schöner als die irgendeiner andern Farm in der Gegend. Wenn M'chetisch zu seinem Acker ging, kam er an dem Feigenbaum der Teriel vorüber, und jedesmal zog er einen Zweig herunter und sah, wie groß sie seien und ob sie bald reif sein würden. M'chetisch sagte dazu stets: "Das sind Feigen, wie man sie im ganzen Lande nicht wieder findet. Das sind die Feigen, wie sie einem klugen Manne zukommen." Eines Tages, als er die Feigen wieder untersucht hatte, sagte er: "Morgen sind sie gut für mich. Nun will ich doch einmal sehen, wie lange die Teriel dazu nötig hat, mich zu erwischen und in ihr Haus zu bringen." Am andern Tage kam er mit einem Korb und pflückte den ganzen Korb voll Feigen der Teriel. Am zweiten Tage stahl er ebensoviele Feigen. Am dritten Tage wiederholte er das Geschäft, und an diesem Abend sah die Teriel, daß ein guter Teil ihrer Feigen gestohlen war. Die Teriel sagte: "Den Dieb, der das getan hat, will ich schon greifen. Ich werde mich morgen im Gebüsch verstecken."

Am andern Tage kam die Teriel ganz früh mit einer Girba (also Hammelfellsack; im Kabylischen = tailut oder taschuleut) und versteckte sich im Gebüsch. Wenig später kam M'chetisch mit



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seinem Korbe, stieg auf einen Baum und begann Feigen zu stehlen. Er war aber noch nicht lange bei der Arbeit, da kam die Teriel herangeschlichen und ergriff ihn bei den Beinen. Sie zog ihn herunter und sagte: "Also du, mein lieber Nachbar, bist der Dieb meiner Feigen! Ich habe mir schon lange gedacht, daß du schon meine fette Henne von dem Felsen weggestohlen hast. Wenn du nun durch meine Henne und meine Feigen dich fett genug gemacht hast, dann kann ich dich ja auch verspeisen. Komm also in die Tailut." Damit steckte sie ihn in den Ledersack, warf diesen über die Schulter und ging mit ihm nach Hause.

Unterwegs sagte M'chetisch: "Es ist wahr, daß ich mich durch die Schönheit deiner Feigen habe verleiten lassen, deine Feigen zu stehlen, daß ich aber deine fette Henne gestohlen habe, ist nicht wahr. Deine fette Henne lebt noch!" Die Teriel sagte: "So, meine fette Henne lebt also noch. Nun, wo ist denn meine fette Henne?" M'chetisch sagte: "Wenn du den Weg an der Quelle vorüber nimmst, wirst du deine fette Henne wiederfinden, denn sie lebt noch und ist nur gestohlen." Die Teriel schlug also den Weg an der Quelle entlang ein. Als sie nahe der Quelle angekommen war, begann M'chetisch das Gackern der fetten Henne nachzuahmen, und da er dabei die Hand vor den Mund nahm und außerdem in dem Ledersack eingebunden war, so klang es für die Teriel, als gackere die fette Henne weit entfernt im Busch. Die Teriel begann zu laufen. Der Ledersack mit M'chetisch wurde ihr schwer. M'chetisch rief: "So leg doch den Ledersack an der Quelle ab und lauf dem Gackern nach. Du kannst mich ja nachher wieder abholen." Die Teriel sagte: "Du bist gar nicht so dumm. Dieses Mal hast du recht." Die Teriel legte den Ledersack mit M'chetisch auf die Erde und lief fort, um die fette Henne in dem benachbarten Gehöft zu suchen.

Kaum war die Teriel fortgegangen, so zog M'chetisch sein Messer aus der Scheide und begann die Fäden, mit denen der Ledersack zugebunden war, aufzuschneiden. Er kroch aus dem Ledersack heraus und trug eilig große Steine zusammen, die er in den Leder. sack füllte. Dann band er ihn wieder zu und lief, so schnell er konnte, von dannen. Inzwischen stritt die Teriel sich mit den Leuten im benachbarten Dorfe herum. Die Leute erklärten, von der fetten Henne nichts zu wissen; zuletzt mußte die Teriel unverrichteter Sache wieder zur Quelle zurückkehren.

Die Teriel kam zur Quelle und hob den Ledersack auf. Sie



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sagte: "Jetzt möchte ich nur wissen, ob du mir mit der fetten Henne etwas vorgelogen hast oder nicht." Die Teriel wartete einige Zeit und sagte dann: "Du scheinst nicht mehr reden zu wollen, Nachbar M'chetisch! Du wirst im Kochtopf aber genau so gut schmoren, ob du vorher stumm bist oder ob du lügst."

Die Teriel trug den Ledersack ein Stück weit. Nach einiger Zeit begannen aber die harten Steine sie auf dem Rücken zu drücken. Die Teriel sagte: "Nimm einmal deine Knie etwas zur Seite, sonst hacke ich sie dir zu Hause ab." Als im Sack sich nichts rührte, sagte, die Teriel: "Der Nachbar M'chetisch spricht nicht mehr, er nimmt die Knie nicht zur Seite; wird anscheinend immer schwerer. Er ist vielleicht gar im Ledersack gestorben. Ich werde ihn zu Hause gleich mit dem Ledersack in den Kochtopf werfen." Die Teriel eilte, so schnell es ihr die Steinlast, die sie schleppte, erlaubte, nach Hause.

In ihrem Hause rief die Teriel ihre Tochter herbei und sagte: "Schüre sogleich das Feuer und setze den großen Kochtopf auf. Ich habe den M'chetisch hier im Ledersack gefangen und will ihn gleich heute zubereiten." Die Tochter der Teriel schürte das Feuer. Sie setzte den großen Kochtopf auf und dann warf die alte Teriel den Ledersack wie er war in den Kochtopf. Die Steine waren aber zu schwer, und sogleich zerbrach der Topf, so daß der Ledersack durch die Scherben ins Feuer fiel. Das Feuer fraß aber sogleich das Leder, und nun fielen die Steine, die M'chetisch gesammelt hatte, nach allen Seiten auseinander. Die Teriel erkannte nun, daß M'chetisch gar nicht mehr im Ledersack gewesen war. Sie sah, daß ihr M'chetisch entgangen war und wurde über die Maßen zornig. Die Teriel schwor: "Wenn ich diesen M'chetisch wieder irgendwo treffe, so soll er mir nicht wieder aus den Händen kommen, ich werde ihn dann verschlingen."




***
M'chetisch lief nach Hause, setzte sich hin und sagte: "Dieses Mal hat die alte Teriel mich noch nicht bis in ihr Haus getragen. Ich bin sehr neugierig darauf, wieweit sie mich das nächste Mal bringen wird. Morgen werde ich jedenfalls wieder einige ihrer ausgezeichneten Feigen stehlen." Am andern Tage ging M'chetisch wieder mit einem Korbe in die Farm der Teriel und stahl Feigen. Am zweiten Tage stahl er eine noch größere Menge. Am vierten Tage stahl er soviele, daß die Teriel es merkte und am Abend, als sie durch ihre Farm nach Hause ging, bei sich sagte: "Es scheint


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mir, als ob so gut wie gar keine Feigen mehr an den Bäumen sind, und da ich selbst noch keine gegessen habe, so meine ich, es müßte doch wohl einmal wieder ein Dieb bei der Arbeit sein. Vielleicht ist dieser Dieb mein alter Freund M'chetisch. Ich werde mich morgen im Gebüsch verstecken und will sehen, ob der Dieb klüger ist oder die alte Teriel."

Am andern Morgen versteckte die alte Teriel sich mit ihrem Ledersack im Gebüsch. Sie wartete noch nicht sehr lange, da kam auch schon M'chetisch mit seinem Korbe an und stieg auf einen Feigenbaum. Die alte Teriel sprang herzu und packte ihn an einem Bein. M'chetisch sagte: "Da bist du ja wieder, alte Freundin! Du bist zu ungeduldig, ich tue schon alles, was ich kann, um mich fett zu machen und so zu einer würdigen Speise für dich und deine Schwestern zu werden. Du siehst, ich esse zu diesem Zweck so viele Feigen, als ich vermag. Du aber störst und erschreckst mich immer, so daß ich statt fetter zu werden immer mehr abmagere. Jeder vernünftige Mensch mästet aber sein Huhn, ehe er es schlachtet." Die Teriel sagte: "Für meinen Kochtopf bist du wohl fett genug. Das können wir aber feststellen, wenn wir bei mir zu Hause sind." Damit nahm sie ihn und steckte ihn in ihren Ledersack.

Die alte Teriel trug den über die Schulter geworfenen Ledersack mit M'chetisch darin von dannen und ging mit der Last geradeswegs auf ihr Haus zu. Als sie in der Nähe der Quelle war, gackerte M'chetisch wie das erstemal aus dem Sack heraus. Die alte Teriel schüttelte aber den Kopf und sagte: "Noch einmal werde ich mich mit dem Bauer in dem Gehöft da nicht zanken. Erst gehe ich nun einmal nach Hause!" Sie trug M'chetisch in dem Ledersack bis in ihr Gehöft und nahm ihn dann herunter.

Daheim angekommen, rief die alte Teriel ihre Tochter und sagte: "Nun habe ich den Nachbar M'chetisch wieder eingefangen, und ich will ihn nicht wieder entlaufen lassen. Mache also erst die Hoftür gut zu und höre dann mit an, was der Mann mir sagt." Die Tochter schloß die Hoftür und kam zurück. Die Teriel öffnete den Leder.. sack ein wenig und sagte: "Nun, Nachbar M'chetisch, wiederhole noch einmal, was du vorhin vom mageren oder fetten Fleisch gesagt hast. Da du ein kluger Kerl bist, ist vielleicht etwas Wahres daran."

M'chetisch sagte: "Natürlich ist das wahr, was ich sage, und deine Tochter, die doch ein gutes Teil Klugheit von dir geerbt hat, wird mir recht geben, wenn ich sage, daß man ein gutes Huhn, wenn es



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abgemagert ist, erst mästet, ehe man es schlachtet. Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich, den Nachbar M'chetisch, erst für einige Zeit in eine Akufin (= große Speicherurne) setzen und da ordentlich füttern, so daß er fett wird, und würde erst, wenn er ordentlich gemästet ist, ihn kochen und deinen Schwestern, den Teriel,-vorsetzen." Die alte Teriel sagte: "Was meinst du dazu, meine Tochter?" Die Tochter sagte: "Es scheint mir kein schlechter Vorschlag. Auch braucht man den Akufin nur immer gut zuzudecken, um es zu verhindern, daß der M'chetisch uns entschlüpft." Die alte Teriel sagte: "Ich bin damit einverstanden."

M'chetisch wurde nun in einen großen Akufin gesteckt. Dann deckte die Tochter die Speicherurne mit einem schweren Steine zu. M'chetisch sagte: "Bis in ihr Haus hat die alte Teriel mich jetzt gebracht. Auch hat sie mich hier im Akufin ganz dicht am Zwischenboden hingesetzt, so daß ich nur den Deckelstein über mir etwas zur Seite schieben zu lassen brauche, um gleich auf dem Zwischenboden zu sein. Und auf dem Zwischenboden wird sie ja wohl all die Schätze haben, von denen ich beim Abschied von der alten Teriel mir nur einen Teil mitzunehmen brauche, um in Zukunft in einem andern Lande sorgenlos leben zu können. Erst soll die Alte mich nun einmal nach meinem Geschmack eine Zeitlang ernähren."

M'chetisch saß in dem Akufin, der oben mit einem Steine geschlossen war und bekam täglich sein Essen hereingeschoben. M'chetisch ließ sich das geben, was ihm zusagte. Bekam er etwas, was er nicht mochte, so sagte er: "Davon werde ich nicht fett. Ich muß dies und das haben, um fett zu werden." Wollte die alte Teriel oder ihre Tochter etwas dagegen einwenden, so sagte er: "Ich muß doch zuletzt am besten wissen, wovon ich fett werde." Nach einigen Tagen fragte die alte Teriel: "Bist du denn noch nicht fetter?" M'chetisch sagte: "So schnell geht das nicht. Ich bin noch recht abgemagert!" Die alte Teriel sagte: "So stecke einmal einen Finger heraus." Darauf steckte M'chetisch den Griff eines hölzernen Breilöffels heraus und sagte: "So überzeuge dich selbst!" Die alte Teriel sagte: "Es ist wahr, der Finger ist noch recht mager. Man muß ihm mehr Fleisch geben. Was ist deine Meinung, meine Tochter?" Die Tochter befühlte auch den hölzernen Griff des Löffels und sagte: "Hier ist noch nichts von Fett zu spüren. Wir wollen einige Hühner schlachten. Bist du denn der Meinung, daß du von Hühnern fetter werden wirst?" M'chetisch sagte: "Ich



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denke ja, aber erst braucht es einige Zeit, und dann kommt das Fett eines Tages ganz von selbst. Es ist mir recht, schlachtet mir zunächst nur jeden Tag ein Huhn, im übrigen werde ich immer selbst sagen, was meinem Fett am zuträglichsten ist."

M'chetisch saß in seinem Akufin, ließ sich die beste Nahrung geben und zeigte von Zeit zu Zeit seinen Holzlöffelstiel als Zeichen noch ungenügender Ernährung, bis er sich eines Tages sagte: "Nun wird mir der Aufenthalt in dem Akufin allmählich langweilig. Nun will ich mich langsam zum Abschied vorbereiten." Als die alte Teriel an diesem Abend nach Hause kam, rief er sie an und sagte: "Nachbarin Teriel, komm einmal näher heran. Ich habe dir eine fröhliche Botschaft zu berichten." Die alte Teriel trat heran und sagte: "Was gibt es denn?" M'chetisch sagte: "Faß einmal heute meinen Finger an! He! Ist er nicht schon bedeutend fetter?" Dabei reichte er seinen wirklichen Finger heraus. Die alte Teriel befühlte den Finger und rief: "Ah! du hast recht! Meine Tochter, komm nur selbst einmal her und befühle den Finger. Er ist viel fetter!" Die Tochter kam, befühlte und sagte: "Es ist wahr! M'chetisch ist schon ganz gut gemästet." M'chetisch sagte: "Seht ihr, wie recht ich hatte, als ich euch immer meine Ratschläge gab? Seht ihr, wie ich zugenommen habe. Nun gilt es, mich für die letzte Zeit sehr sorgfältig und abwechslungsreich weiterzupflegen."

Die alte Teriel sagte: "Was muß man denn nun vor allem tun, um dein Fettwerden zu beschleunigen? Sollen wir noch einige Hühner schlachten?" M'chetisch sagte: "Nein, meine Nachbarin Teriel, Hühner tun es jetzt nicht. Von jetzt ab gebt mir Tauben. Dazu brauche ich vor allen Dingen mehr frische Luft, denn eine gute Mästung muß eine gute Ausdünstung haben. Deshalb schiebt jeden Tag für einige Stunden den Steindeckel beiseite. Wenn ihr. ihn nur bis zur Hälfte wegschiebt, kann ich nicht heraus, weil ich schon zu fett bin. Verfährt in dieser Weise, und ich werde in wenigen Tagen soweit sein, von diesem Leben Abschied zu nehmen." Die alte Teriel sagte zu ihrer Tochter: "Was meinst du hierzu?" Die Tochter sagte: "Tauben können wir ja leicht bei Nachbarn kaufen, da wir in der linken Ecke hinten im Zwischen.. boden einen Sack voll Gold haben. Und daß dem M'chetisch jetzt etwas frische Luft gut tut, will ich auch gerne glauben." Die alte Teriel sagte: "So tue es so, wie M'chetisch es angeordnet hat. Er ist nicht dumm und weiß wirklich am besten, was ihm gut ist."

M'chetisch erhielt nun vor allen Dingen das Fleisch junger Tauben.



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Außerdem schob die Tochter jeden Tag für einige Stunden den Steindeckel erst ein wenig, dann alle Tage ein wenig mehr beiseite, ganz nach den Anordnungen M'chetisch. Wenn zu der Zeit, da der Deckel beiseite geschoben war, die Tochter das Haus gerade für mehrere Stunden verließ, so kroch M'chetisch aus dem Akufin, stieg auf den Zwischenboden und betrachtete da alle Schätze, die die alte reiche Teriel aufgespeichert hatte. Er suchte sich von alledem das Wertvollste und soviel heraus, als ein Mann leicht tragen konnte und band das zu einem Bündel, das er sich recht bequem erreichbar hinlegte. Sobald er aber hörte, daß die Tochter der Teriel zurückkam, schlüpfte er schnell wieder in seinen Akufin.

Nachdem er alles so gut geordnet hatte, rief er eines Abends die alte Teriel an und sagte: "Nachbarin Teriel, komm einmal her. Ich habe dir etwas Angenehmes mitzuteilen." Die alte Teriel trat heran und fragte: "Was gibt es denn?" M'chetisch sagte: "Ich werde dir jetzt meinen Finger herausstecken, damit du ihn einmal befühlst. Du wirst sehen, daß ich jetzt nicht fetter werde, vielmehr, wenn man jetzt zögert, wieder magerer werden kann. Also laufe morgen früh schnell zu deinen Schwestern und lade sie für morgen abend zum Essen ein. Deine Tochter mag morgen früh das Feuer anzünden, den Topf aufsetzen, mich schlachten und kochen. Wenn ihr dann abends nach Hause kommt, werdet ihr, deine Schwestern und du, einen Topf mit gekochtem Fleisch vorfinden, das schwöre ich euch. So, nun fasse meinen Finger an und sieh, ob er nicht fett ist!" M'chetisch steckte aber nicht seinen Finger heraus. Er hatte sich vom Essen eine gekochte Taube aufgehoben, der hatte er die seine und Flügel abgeschnitten, und die steckte er, mit dem Sterz voran, heraus. Die alte Teriel befühlte die Taube. Sie schrie auf. Sie schrie: "Hooo! Meine Tochter, komm schnell herbei und befühl einmal diesen Finger. Solchen Finger habe ich noch niemals gefühlt. Er ist so weich, fett und zart anzufassen, als wäre er schon gekocht!" Die Tochter befühlte den Finger. Sie sagte: "Meine Mutter, wir werden morgen ein ausgezeichnetes Essen haben und müssen M'chetisch für die Ratschläge, die er uns gegeben hat, unsern Dank sagen." Die alte Teriel sagte: "Du hast recht, befolge nur morgen genau alle seine Anordnungen. Denn du siehst, er ist klug und weiß selbst am besten, wie wir mit ihm verfahren müssen." Die Tochter versprach es.

Am andern Morgen brach die alte Teriel früh auf und ging von dannen, um alle ihre Schwestern zum Abendessen einzuladen.



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Nachdem die Mutter einige Zeit fort war, rief M'chetisch die Tochter an und sagte: "Tochter meiner Nachbarin, komm einmal heran!" Die Tochter der alten Teriel trat heran. M'chetisch sagte: "Nun höre und merke genau auf! Es hat keinen Wert, daß wir mit dem Schlachten nun noch lange warten. Wir wollen das gleich erledigen. Mach also Feuer, setze den Kochtopf auf und nimm mich dann aus dem Akufin. Allerdings wirst du mir beim Heraussteigen helfen müssen, denn ich bin vom Fett so schwerfällig geworden, daß ich kaum noch die Arme und Füße heben kann. Ehe du mich herausnimmst, schließe aber die Kammertür. Das erschwert dir infolge der Dunkelheit ja etwas die Arbeit, erleichtert mir aber den Abschied. Denn du kannst dir denken, daß es besser für mich ist, wenn ich nicht mehr die Welt draußen sehe und so noch zu guterletzt wieder in eine Sehnsucht verfalle, die ich augenblicklich nicht habe, die aber wieder aufleben könnte. Schließe also lieber die Tür und stecke den Schlüssel in deine Tasche."

Die Tochter der Teriel tat, wie ihr M'chetisch geraten hatte. Sie schürte das Feuer. Sie setzte den großen Kochtopf auf. Sie schloß die Tür und steckte den Schlüssel zu sich. Danach schob sie den Steindeckel von dem Akufin und half M'chetisch, der sich in viele Kleider gewickelt hatte, die er auf dem Zwischenboden aufgesammelt hatte, heraus. Die Tochter stützte M'chetisch, bis er auf der Erde stand und sagte: "Du bist allerdings fürchterlich fett geworden." M'chetisch sagte: "So ist es. Die Fettschicht ist so stark, daß du ein sehr scharfes Messer haben mußt, um sie zu zertrennen. Zeig einmal dein Messer." Die Tochter der Teriel gab ihm das Messer. M'chetisch versuchte das Messer auf dem Handrücken und sagte: "Das muß noch ein wenig geschärft werden." Er ging zum Schleifstein, wetzte das Messer und versuchte es noch einmal. Er sagte: "So, das Messer wäre nun scharf genug. Nun können wir anfangen. Hast du Feuer und Topf in Ordnung?" M'chetisch prüfte, ob alles gut vorbereitet war.

Dann sagte M'chetisch: "Dies ist alles gut vorbereitet und ich bin zufrieden. Nun sage mir nur, ob du schon einmal einen Menschen geschlachtet hast, sonst will ich es dir genau zeigen." Die Teriel sagte: "Nein, ich habe noch nie einen Menschen geschlachtet. Das hat bisher immer meine Mutter gemacht." M'chetisch sagte: "Dann werde ich es dir einmal vormachen. Lege dich einmal lang auf den Boden." Die Teriel legte sich auf den Boden. M'chetisch sagte: "Nun kreuze die Hände, damit ich dir zeige, wie man sie zusammenbindet."



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Die Tochter der Teriel kreuzte die Hände. M'chetisch band sie zusammen. M'chetisch sagte: "Nun lege die Füße zusammen, damit ich sie zusammenbinde." Die Tochter der Teriel legte die Füße zusammen, und M'chetisch band sie zusammen.

M'chetisch sagte: "Hast du das alles gut verstanden?" Die Tochter der Teriel sagte: "Ja, das habe ich verstanden. Nun binde mich wieder los." M'chetisch sagte: "Hooo! Nicht so schnell. Jetzt kommt ja erst die Hauptsache! Wie kannst du so ungeduldig sein. Ich habe seit Wochen in dem Akufin gesessen ohne ungeduldig zu werden. Nun kannst du nicht einmal einige Handgriffe abwarten. Paß also auf. Jetzt kommt das eigentliche Schlachten. Paß gut auf, damit du es gleich das erstemal lernst."

Damit schnitt M'chetisch der Tochter der Teriel den Kopf ab und warf das ganze Mädchen in den Kochtopf. Er sagte: "Ich habe der alten Teriel geschworen, daß sie und ihre Schwestern heute abend einen Topf mit gekochtem Fleisch vorfinden. Hier ist er." Dann nahm M'chetisch das Bündel mit Kostbarkeiten, das er sich auf dem Zwischenboden zurechtgelegt hatte, öffnete die Tür und ging von dannen in ein anderes Land.



27. Die Elternlose (Wahre Terielgeschichte)

E in Mann war verheiratet und hatte vier Töchter. Der Mann wohnte im Walde. Er war sehr arm und ging deshalb täglich mit seiner Frau aus, um Holz zu sammeln, das er im Orte verkaufte. Eines Tages war er mit seiner Frau wieder in den Wald gegangen. Er hatte seiner Frau am Abhang eine Last Holz gesammelt und ging dann, um auch sich eine Last aufzusuchen. Die Frau kam. Sie wollte die Last auf den Rücken nehmen. Die Last war aber sehr schwer. Die Frau glitt am Abhang aus. Das Holz stürzte über sie. Die Frau überschlug sich und stürzte den tiefen Abhang hinab. Sie zerschlug am Bachrande und war sogleich tot. — Die Schakale kamen an der Leiche zusammen und riefen untereinander: "Heute abend werden wir Fleisch fressen! Heute abend werden wir Fleisch fressen!"

Der Mann hatte inzwischen seine Holzlast zusammen und rief seine Frau. Seine Frau antwortete nicht. Der Mann rief wieder und wieder. Eine Teriel hörte es. Die Teriel antwortete statt der Frau. Der Mann ging in der Richtung, aus der die Teriel rief. Als er zu



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ihr kam, sah er, daß dies nicht seine Frau war. Die Teriel aber fragte ihn: "Woraus besteht dein Haus?" Der Mann sagte: "Ich habe eine Frau und vier Töchter. Meine älteste Tochter ist sehr klug. Sie kann aus der Hand wahrsagen (= hchar deg'füssis)." Die Teriel fragte: "Wo ist dein Haus?" Der Mann sagte der Teriel, wo sein Haus sei. Darauf verschlang die Teriel den Mann.

Dann wartete die Teriel den Abend ab und machte sich auf den Weg zu dem Hause des Mannes, um nun auch noch dessen vier Töchter zu verschlingen. Inzwischen betrachtete die Tochter daheim ihre Hand. Sie erschrak. Sie rief ihre Schwestern und sagte: "Meine Schwestern; unsere Mutter ist tot in den Abgrund gestürzt und wird von den Schakalen gefressen. Unser Vater ist einer Teriel nachgegangen und von ihr verschlungen worden. Die Teriel hat sich auf den Weg gemacht; sie kommt zu unserm Hause und wird uns verschlingen. Laßt uns also so schnell wie möglich fliehen!" Die drei Schwestern sagten: "Weshalb sollen wir fliehen! Laßt uns die Tür gut verschließen." Die drei Schwestern setzten ihren Willen durch.

Als es Nacht war, kam die Teriel an das Haus. Sie klopfte an die Tür und rief: "Meine Töchter, macht auf. Eure Eltern wollen in das Haus." Die Jüngste erhob sich sogleich und ging zur Tür, sie zu öffnen. Die Älteste sprang auch auf und versteckte sich hinter der Tür. Als die Tür offen war, trat die Teriel herein. Die älteste Tochter entschlüpfte aber unbemerkt ins Freie. Die Teriel schloß dann wieder die Tür hinter sich. Sie verschlang in dieser Nacht die jüngste Tochter, in der folgenden die dritte Tochter, in der dritten die zweite Tochter. Dann verließ die Teriel das Haus, ließ die Tür offen und kehrte an ihren Ort im Walde zurück.

Die älteste Tochter lief inzwischen, so schnell sie konnte, aus dem Walde. Sie kam in einen Ort. Sie lief zum Hause des Agelith, legte sich auf die Türschwelle (= emmenär) nieder und schlief da ein. Der Agelith öffnete am andern Tage die Tür. Er sah das Mädchen, das sehr schön war und fragte: "Was führt dich hierher?" Das Mädchen sagte: "Der Zufall (=l'ua'd)." Danach sprach das Mädchen nicht mehr. Von dem Tage an war sie taubstumm. (Ein Tauber = arsoj; Plural: arsowen. Ein Stummer = agoun; Plural: eargunen.)

Der Agelith hatte aber das schöne Mädchen so gerne, daß er es heiratete. Die junge Frau blieb aber taub und stumm. Der Agelith fragte weise Leute danach, was man gegen diese Krankheit tun



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könne. Die weisen Leute sagten ihm: "Deine junge Frau ist weder taub noch stumm. Sie ist nur tief betrübt. Warte es ab. Es wird eine Zeit kommen, wo die junge Frau wieder sprechen wird."

Nach zwei Jahren hatte die junge Frau zwei Söhne. Die kleinen Knaben begannen zu sprechen. Eines Tages sagte die junge Frau plötzlich zu ihrem Sohne: "Geh zu deinem Vater und frage ihn, ob ihr das Haus eurer Großeltern sehen dürft." Der kleine Knabe lief zu seinem Vater und sagte: "Dürfen wir mit unserer Mutter gehen und das Haus der Eltern unserer Mutter sehen?" Der Agelith sagte: "Deine Mutter hat keine Eltern; ich habe deine Mutter seinerzeit auf der Türschwelle gefunden."

Am andern Tage bereitete die junge Frau aber gutes Essen. Sie steckte es in einen Beutel und machte sich dann mit den Kindern auf den Weg. Der Agelith folgte unbemerkt in einiger Entfernung. Die junge Frau kam an das Haus ihrer Eltern. Auf allen Seiten waren Kräuter und Büsche um das Haus und auf den Mauern. Nur ein schmaler Weg führte zwischen den Büschen hin; es war der Weg, den die wilden Tiere benutzten, die jetzt in dem Hause wohnten. Die junge Frau weinte und sagte zu ihren Kindern: "Das ist das Haus meines Vaters, der von der Teriel verschlungen wurde."

Der Agelith hörte es. Er hörte seine junge Frau sprechen. Er kam hervor. Er sagte: "Ich werde das alte Haus hier abbrechen, aber an seiner Stelle ein neues bauen lassen; darin werden wir wohnen." Die junge Frau weinte und sagte: "Ich danke dir." Von da an hörte und sprach die junge Frau wieder.


28. Die sieben Schwestern

Ein Mann hatte sieben Töchter, von denen die jüngste schwache Füße hatte. Sie saß meistens am Frauenplatz. Dafür hatte sie aber die Verschlagenheit der Frauen (=lacharaja-lachales). Der Mann wohnte in einer Farm. In der Farm waren sieben Brunnen. Um die Farm war eine Mauer gezogen.

Eines Tages wollte der Mann eine lange Reise beginnen. Er ließ sich Essen und Trinken besorgen. Er ließ die Mädchen alles im Hause zusammentragen, was sie für ein Jahr brauchten. Er rief sie zusammen und sagte zu der ältesten Tochter: "Meine Tochter, ich werde für ein Jahr verreisen. Hüte du das Haus und paß auf deine jüngste Schwester auf." Nachdem er das gesagt hatte, reiste er ab.



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Ein Jahr lang sorgte die älteste Schwester, daß alle stets im Hause blieben. Die Schwestern lebten sparsam und kamen mit dem aus, was der Vater ihnen zurückgelassen hatte. Die Schwestern verließen nicht das Haus. Eines Tages begoß sich die jüngste Schwester, als sie in der Wiege (=duach) lag. Das Wasser lief herab und gerade in das Feuerloch. Das Feuer verlosch ein wenig. Das Mädchen nahm ein Sieb und spritzte noch mehr Wasser in das Feuer. Das Feuer verlosch vollkommen. Die sieben Mädchen hatten nun kein Feuer mehr zum Kochen im Hause.

Die älteste Schwester sagte: "Ich will Feuer von auswärts holen." Sie ging aus dem Hause. Das Mädchen lief weit hin. Sie sah in der Ferne ein Licht. Die Älteste lief auf das Licht zu. Sie kam an ein Haus. In dem Hause wohnte eine Teriel. Die Älteste klopfte an das Haus und rief: "Imajida! (= Mutter)." Die Teriel rief von innen: "Was willst du, meine Tochter?" Die Älteste antwortete: "Ich bitte um Feuer; unser Feuer ist ausgegangen!" Die Teriel rief zurück und fragte: "Willst du einen Kamm (=thimeschat)?" Die Teriel steckte Nadeln (= thithinessina) in die Türschwelle (= ämenar). Die Älteste antwortete: "Nein, ich will keinen Kamm, ich bitte um Feuer!" Die Teriel fragte: "Willst du einen Webekamm (=imschott; zum Festschlagen der Webstoffe von den Weberinnen benutzt) ?" Dabei steckte die Teriel immer mehr Nadeln in die Türschwelle. Die Älteste antwortete: "Nein, ich will keinen Webekamm; ich bitte um Feuer." Die Teriel sagte: "Ach, Feuer willst du, komm nur herein!" Sie öffnete die Tür.

Die Teriel sagte zu der Ältesten: "Nimm nur von dem Feuer. Wo willst du in das Haus hineinkommen? Willst du durch die Tür (=thaburth) oder durch die Stallgosse (=thäthulkht; die Gosse, die den Mist aus dem Viehstall =adä[e]inin abführt) hereinkommen ?" Die Älteste sah, daß die Frau eine Teriel war und sagte: "Ich will durch die Stallgosse hereinkommen." Die Älteste kroch durch die Stallgosse herein und zerriß und beschmutzte sich dabei die Kleider.

Als die Älteste im Hause war, sagte die Teriel: "Willst du einen Kuchen (Kuchenfladen =aghaun) von Weizen (=irthen) oder einen von Asche?" Das Mädchen fürchtete, daß in dem Weizenkuchen Salz sein könne und der Weizenfladen sie nachher im Laufen hindern könne. Die Älteste sagte: "Gib mir einen Kuchen von Asche." Die Älteste führte die Brocken zum Munde. Sie aß sie aber nicht, sondern ließ sie in das Unterkleid fallen.



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Die Teriel sagte dann zu der Ältesten: "Nun nimm das Feuer." Die Älteste nahm einen Feuerbrand. Die Älteste sagte: "Ich danke dir. Ich wohne mit meinen sechs Schwestern zusammen. Ich werde dich einladen, zu uns zu kommen, meine Mutter, und bei uns zu essen." Die Teriel sagte bei sich: "Dort kann ich also sieben Menschen verschlingen." Die Teriel schenkte der Ältesten Weizen als Geschenk. Die Älteste nahm den Weizen und bedankte sich.

Die Älteste ging mit dem Feuerbrand und dem Weizen zu dem Hause heraus. Sie ging über die Türschwelle. Sie trat auf die Türschwelle und die Nadeln, die die Teriel hineingesteckt hatte. Ihre Fußsohlen bluteten. Als die Älteste den Weg zu dem Hause ihres Vaters zurücklief, trat sie überall blutige Flecken in den Sand. Der kleine Vogel Thabunthegeraist flog hinter der Ältesten her, hüpfte auf ihren Spuren hin und bedeckte die Blutflecken mit Sand. Einmal pickte der kleine Thabunthegeraist aber die Älteste in den Fuß. Die Älteste sagte: "Geh! Du kleiner Böser!" Der kleine Thabunthegeraist sagte: "Für das Gute, das ich dir getan habe, tust du mir Böses." Thabunthegeraist hüpfte zurück und deckte alle roten Blutspuren auf dem Wege wieder auf.

Die Älteste kam mit dem Feuerbrande heim. Die Schwestern zündeten ein neues Feuer an und konnten nun wieder ihr Essen kochen.

Am andern Tage machte sich die Teriel auf den Weg und folgte den Blutspuren, die die Älteste mit den blutenden Nadelstichen auf dem Wege hinterlassen hatte. Die Teriel kam an das Haus der sieben Schwestern. Die Schwestern waren im Hause. Die Teriel klopfte an die Tür. Die Jüngste sah zum Fenster hinaus und sah die Teriel. Die Jüngste sagte: "Warte, meine Mutter, ich werde sogleich die Tür öffnen." Die Jüngste ging hin und öffnete die Tür. Im Hause war aber eine Hündin, die stets anschlug (=athigleph), wenn ein Fremder kam. Die Hündin schlug an. Die Jüngste sagte zur Teriel: "Meine Mutter, komme herein." Die Teriel sagte: "Die Tür ist zwar offen, aber der Hund ängstigt mich. Den Hund mußt du töten. Ich komme mit meinen Geschenken nicht eher wieder, als bis nicht der Hund getötet ist." Die Teriel wandte sich um und ging wieder heim.

Als es Nacht war, stieg die Jüngste von ihrem Bett herunter und schnitt der Hündin den Hals durch. Am andern Tage folgte die Teriel wieder den Blutspuren und kam an das Haus der sieben Schwestern. Die Schwestern waren wieder daheim. Die Teriel klopfte an die Türe. Die Jüngste sah zum Fenster heraus und sah die Teriel. Die Jüngste sagte: "Warte, meine Mutter, ich werde sogleich



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die Türe öffnen, die Hündin habe ich getötet." Die jüngste ging hin und öffnete die Türe. Als die Teriel aber an die Tür trat, schlug das Blut des toten Hundes an und bellte. Die Jüngste sagte zur Teriel: "Meine Mutter, komm herein, es ist nur das Blut der toten Hündin, welches bellt." Die Teriel sagte: "Die Tür ist zwar offen und die Hündin getötet. Aber das behende Blut ängstigt mich' Die tote Hündin und das Blut mußt du wegschaffen. Ich komme mit meinen Geschenken nicht eher wieder, als bis nicht alle Reste der Hündin in den Wald geschafft sind." Die Teriel wandte sich um und ging wieder heim.

Am andern Morgen sagte die Jüngste zu ihren Schwestern: "Tragt doch die Hundeleiche weg und bringt sie weit fort in den Wald' Dort begrabt sie. Der Hund ist daran schuld, daß wir noch nicht verheiratet sind. Nur der Hündin wegen wagen die Männer sich nicht in unsere Nähe und in unser Haus." Die Älteste sagte: "Laßt das, lebt die Hündin auch nicht mehr, so bellt doch ihr Blut, und Wir bleiben so allein, wie es der Vater befohlen hat." Die fünf Schwestern aber sagten: "Die Jüngste hat recht." Die fünf Schwestern nahmen die Hundeleiche und das Blut, trugen alles in den Wald und vergruben es.

Als es Abend war, folgte die Teriel wieder den Blutspuren und kam an das Haus der Schwestern. Die Schwestern waren daheim. Die Teriel klopfte an die Tür. Die Jüngste sah zum Fenster hinaus und sah die Teriel. Die Jüngste sagte: "Warte, meine Mutter, ich werde sogleich die Tür öffnen, die Leiche und das Blut der Hündin sind im Walde begraben." Die Jüngste ging hin und öffnete die Tür. Die Jüngste sah nun, daß die Frau eine Teriel war. Sie sagte: "Komm herein und setze dich, ich will schnell Wasser holen." Die Jüngste ging hinaus und lief von dannen. Die Älteste erkannte die Teriel und sagte: "Komm, meine Mutter und setze dich. Ich will nur meiner jüngsten Schwester nachrufen, daß sie sich beeilt." Die Älteste ging zur Tür heraus und lief fort. Die Teriel verschloß hinter der Ältesten die Türe und verschlang alle fünf Schwestern, die noch im Hause waren.

Die jüngste Schwester lief schnell von dannen und kam an das Haus eines Agelith. Bei dem blieb sie. Die älteste Schwester lief in den Wald. Sie lief zu der Stelle, an der die Schwestern die Hündin begraben hatten. Als sie an die Stelle kam, bellte das Blut. Sie grub die Stelle auf, nahm einiges von dem Blut in ihr Tuch und verbarg es im Unterkleid. Nun war die Älteste stets von Bellen begleitet



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und niemand wagte, ihr etwas anzuhaben. Die Älteste lief nun durch den Wald weiter.

Eines Tages schlief sie ermüdet im Walde ein. Ein Jäger kam durch den Wald. Als er näher kam, bellte das Blut der Hündin im Unterkleid der Ältesten. Der Jäger kam dennoch näher und fragte sie: "Wer bist du?" Die Älteste sagte: "Ich bin ein Mensch wie du." Der Jäger kam noch näher. Er sah, wie schön sie war. Er sagte: "Komm mit auf meinen Maulesel." Die Älteste folgte. Sie ritt mit dem Jäger. Sie heiratete den Jäger. Der Jäger und die Älteste hatten nach zwei Jahren zwei Knaben.

Inzwischen kam der Vater von seiner Reise zurück. Er kam an sein Haus. Er fand sein Haus mit Gras und Büschen bewachsen. Er fand seine Töchter nicht mehr. Der Vater wurde traurig. Er ging zu dem Agelith. Bei dem Agelith traf er seine jüngste Tochter. Er fragte: "Was ist geschehen?" Die jüngste Tochter sagte: "'Mein Vater, nach deiner Abreise wurde dein Haus nicht mehr geachtet. Jeden Tag war Tanz. Alle jungen Männer kamen jeden Abend zum Tanz. Eines Abends schliefen meine sechs Schwestern, vom Tanzen ermüdet. Da kam eine Teriel. Sie verschlang die fünf Schwestern. Nur meine älteste Schwester und ich konnten uns retten." Der Vater sprach: "Wo ist deine älteste Schwester?" Die Jüngste sagte: "Das weiß ich nicht."

Die älteste Schwester hörte eines Tages von der Heimkehr ihres Vaters. Sie nahm ihre zwei Kinder und ging mit ihrem Mann hin, um den Vater zu begrüßen. Der Vater sagte: "Sage auch du mir, wie deine fünf Schwestern ums Leben gekommen sind!" Die älteste Schwester sagte alles, wie es war. Die Jüngste sagte: "Meine älteste Schwester lügt. Ich habe die Wahrheit gesagt." Die älteste Schwester sagte: "Vater, komm mit in den Wald und höre selbst die Stimme des Hundes."

Der Vater ging mit den beiden Schwestern in den Wald. Die Älteste zeigte ihm die Stelle, an der die Hundeleiche begraben war. Der Vater hackte den Boden auf. Als er an die Leiche kam, bellte das Blut. Da sah der Vater, daß seine älteste Tochter die Wahrheit gesprochen und daß die Jüngste den Anlaß zum Tode der andern fünf Schwestern gegeben hatte. Er tötete seine jüngste Tochter. Der Ältesten und ihrem Mann gab er aber ein Fest.

Einer der Erzähler sagte am Schluß höhnisch: "Das kommt von der Verschlagenheit der Frauen."



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29. Der Kluge und der Dumme

Ein Mann wohnte neben einem Walde. Er hatte zwei Frauen, von denen war die eine sehr klug, die andere töricht. Der Mann aber war faul und gierig. Eines Tages sagte er: "Ich will die Bohnen säen." Er nahm ein Maß Bohnen, ging mit ihnen in den Wald, machte ein Feuer, kochte und aß sie, dann legte er sich hin und schlief. Abends kam er wieder heim. Am andern Tage nahm er wieder ein Maß Bohnen, ging mit ihnen in den Wald, machte ein Feuer, kochte und aß sie. Dann legte er sich hin und schlief. Abends kam er wieder heim. So machte er es alle Tage und wurde alle Tage dabei fetter.

Eines Tages sagte die kluge Frau zu der törichten: "Komm, wir wollen unserm Manne heimlich folgen und sehen, was er mit den Bohnen macht." Als der Mann mit seinem Maß Bohnen gegangen war, folgten ihm die Frauen, ohne daß er sie bemerkte. Die Frauen sahen nun, wie der Mann im Walde ein Feuer machte, die Bohnen in einen Topf tat, kochte und aß und sich dann niederlegte, um zu schlafen. Die beiden Frauen sahen das und gingen unbemerkt von ihrem Mann nach Hause. Abends kam der Mann nach Hause. Als er in das Haus kam, fragte ihn die kluge Frau: "Hast du das ganze Maß Bohnen gesät?" Der Mann sagte: "Ja, ich habe alle Bohnen gesät." Die kluge Frau sagte: "Schlage mir doch den Baumast dort klein." Der Mann wollte es tun. Er bückte sich und wollte die Axt ergreifen. Da fielen aus seiner Brusttasche einige gekochte Bohnen. Die kluge Frau sagte: "Woher kommen denn die gekochten Bohnen? Kommen sie aus deinem Bauch?" Der Mann sagte: "Du bist närrisch! Mach deine Arbeit! Die Bohnen sind nicht gekocht, sie waren nur in der heißen Sonne. Ich werde sie morgen mit den andern säen."

Als nun die andern Männer ihre Frauen aussandten, daß sie ihre Bohnenfelder hackten (häufelten und jäteten), sagte die kluge Frau zu ihrem Manne: "Wir wollen auch hingehen und die Bohnen hacken, die du gesät hast." Der Mann sagte: "Das ist bei der Art, wie ich die Bohnen gesät habe, nicht nötig. Ich habe sie gleich sehr gründlich gehäufelt." Als die Zeit kam, in der alle andern Männer ihre Frauen in ihre Bohnenfelder sandten, um die ersten (jungen) Bohnen zu pflücken, sagte die kluge Frau zu ihrem Manne: "Wir brauchen Bohnen zum kochen. Zeige uns jetzt, wo du deine Bohnen gesät hast. Wir wollen, wie die andern Frauen, junge Bohnen



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pflücken." Der Mann sagte: "Laßt nur, ich will das selbst machen!" Er nahm einen Korb, ging in das Bohnenfeld seines Nachbars, pflückte die Bohnen und brachte sie heim. Um diese Zeit nun fühlten sich beide Frauen Mutter.

Die Bohnen wurden überall reif. Es kam die Zeit, in der alle Männer ihre Frauen auf ihre Bohnenfelder sandten, um die reifen Bohnen ernten zu lassen. Die kluge Frau sagte zu ihrem Manne: "Nun wollen wir zwei auch hingehen und die Bohnen ernten, die du gesät hast. Zeige uns jetzt, wo du deine Bohnen gesät hast." Der Mann sagte: "Dann nehmt den Esel und seine Tragtaschen (=asimbi; Doppelsack, von dem je eine Tasche von je einer Seite des Sattels herabhängt, aus Schilf geflochten) und ein Sieb. Reitet dort herunter. Wo das Sieb in den Bohnenstauden hängen bleibt, ohne zu Boden zu fallen, da ist mein Bohnenfeld."

Die beiden Frauen machten sich mit dem Esel und seiner Doppeltasche und dem Sieb auf den Weg und ritten durch den Wald. Sie ritten weit fort. Dann kamen sie an eine lichte Stelle, in der ein großes Bohnenfeld war. Das Bohnenfeld war so dicht, daß das Sieb nicht zu Boden fallen konnte. Dort begannen die beiden Frauen die Bohnen abzuernten und in die Doppeltasche zu füllen.

Das Bohnenfeld gehörte einer Teriel. Die Teriel sah die beiden Frauen. Die Teriel kam, ohne daß die Frauen sie bemerkten. Die Teriel ging zu dem Esel, der seitwärts in den Bohnen stand. Sie fraß den Esel auf. Sie ließ nur die beiden Ohren übrig, die steckte sie auf eine Fadengabel (= tharucha; das Gabelholz, auf dem die Frauen Wolle und Wollfaden aufspulen, und das sie, meist in den Leibgurt gesteckt, bei sich tragen). Die Ohren des Esels sahen so über die Bohnen hinweg. Dann kam die Teriel auf die zwei Frauen zu und sagte: "Wer hat euch denn dieses Bohnenfeld gezeigt? Wie seid ihr denn auf den Acker eurer Kusine (=jedesmunth) gekommen?" Die kluge Frau betrachtete die Teriel und sagte: "Meine Tante, wo ist denn unser Esel ?" Die Teriel zeigte auf die Ohren des Esels und sagte: "Sieh doch seine Ohren!"

Die Teriel sagte zu den beiden jungen Frauen: "Laßt den Esel und eure Sachen hier. Kommt mit mir in mein Haus. Ich will euch zu Abend ein gutes Essen geben. Ihr könnt bei mir schlafen und morgen dann weiter arbeiten. So spart ihr den weiten Weg!" Die kluge Frau sagte: "Das geht nicht. Unser Mann erwartet uns zu Hause und wird böse werden, wenn wir abends nicht zurückkehren.



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Wir wollen uns (vielmehr) sputen, heimzukommen." Die Törichte sagte aber: "Doch! Doch! Weshalb sollen wir heute abend und morgen früh den weiten Weg unnötig machen. Wir wollen zu dir gehen, bei dir essen und schlafen."

Die Teriel führte die beiden Frauen in ihr Haus. Die Teriel machte eine gute Speise. Sie setzte den Frauen das Essen vor. Die Kluge führte die Speise bis zum Munde, warf sie aber, statt sie ZU genießen, in ihr Kleid hinein. Die Törichte aber nahm den Löffel voll und aß schnell, soviel sie konnte und bis sie satt war.

Als die beiden jungen Frauen gegessen hatten, fragte die Teriel sie: "Woran erkennt man, daß ihr schlaft?" Die Kluge fragte: "Woran erkennt man denn, daß du fest schläfst?" Die Teriel sagte: "Wenn die Frösche, Löwen und andere Tiere in meinem Bauche anfangen zu schreien, so ist es das Zeichen, daß ich fest schlafe." Die Kluge sagte: "Ob wir fest eingeschlafen sind, erkennst du daran, daß die Kresse (= gerninusch) neben der Feuerstelle (=chanun) zu sprossen beginnt." Die beiden Frauen legten sich zum Schlafen nieder. Die Teriel setzte sich neben die Feuerstelle und sah danach, ob die Kresse zu sprossen beginne. Die Kresse keimte aber nicht. Die Teriel saß lange da; es war aber nichts von Kresse zu sehen. Die Teriel wurde müde. Sie legte sich auch hin und schlief ein.

Die kluge Frau schlief nicht. Kurze Zeit, nachdem die Teriel sich niedergelegt hatte, hörte sie in ihrem Bauche die Frösche, Löwen, Esel und anderen Tiere schreien. Da weckte sie die törichte Frau und sagte: "Komm! Steh schnell auf. Wir wollen fliehen!" Die Törichte sagte: "Bist du närrisch? Wir wollen die gute Frau verlassen, ohne ihr zu danken? Wir sollen in der Nacht nach Hause gehen? Ich muß die gute Frau wecken und fragen, ob sie damit einverstanden ist." Die törichte Frau wollte die Teriel wecken. Die Kluge beruhigte sie und sagte: "Nun, sei doch still und schlafe nur ruhig weiter. Ich will ja nur einmal hinausgehen. Wenn du es nicht willst, kann ich es ja unterlassen." Die Törichte drehte sich herum und schlief wieder ein.

Als die Törichte wieder eingeschlafen war, erhob sich die Kluge, stand vorsichtig auf, schlich zur Tür, öffnete sie und ging hinaus. Nach einiger Zeit wachte aber die Törichte wieder auf. Sie sah, daß die Kluge nicht mehr neben ihr lag. Sie weckte die Teriel und sagte: "Meine Base, meine Mitfrau ist herausgegangen und kommt nicht wieder." Die Teriel stand auf. Die Teriel packte die Törichte und sagte: "Ich habe wenigstens dich noch." Die Törichte sah jetzt,



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daß die Frau eine Teriel war. Die Törichte sagte: "Wenn du mich töten willst, so bedenke wenigstens, daß in meinem Leibe ein Kind ist. Nimm das Kind heraus und ernähre es mit dem Mark aus meinen Beinknochen." Die Teriel hörte es. Die Teriel tötete die Törichte. Sie ließ die Törichte liegen und lief aus dem Hause hinter der Klugen her.

Die Kluge war schon weit weg geflohen. Die Kluge kam an einen Fluß. Der Fluß war über sein Bett getreten und sehr breit. Es gab keinen Übergang. Die Kluge kam an das Ufer des Flusses und sagte: "Du Fluß von Honig (=aseph -thamend)! Laß mich hindurchschreiten!" Der Fluß trat zurück. Das Wasser trat zur Seite. Die Kluge konnte hindurchgehen. Ihre Füße blieben trocken. Das Wasser lief hinter ihr wieder zusammen.

Die Teriel kam an den Fluß. Das Wasser war wieder zusammengelaufen. Die Teriel sah, daß sie nicht über den Fluß kommen konnte. Die Teriel rief über den Fluß hinweg der Klugen zu: "Warte auf mich, meine Kusine! Warte auf mich!" Die Kluge rief zurück: "Ich habe es sehr eilig. Ich kann nicht warten!" Die Teriel rief: "So sage mir wenigstens, wie du über den Fluß gekommen bist." Die Kluge sagte: "Ich habe so viel getrunken, bis der Weg frei war." Die Teriel begann von dem Flußufer zu trinken. Die Teriel trank und trank und trank. Sie sah auf. Sie hatte nur wenig getrunken. Sie trank und trank und trank. Der Fluß wurde ärgerlich und stieg noch höher. Die Teriel sah, daß sie nicht imstande war, den Fluß weiter auszutrinken. Sie hörte auf und ging wieder nach Hause.



***
Die Teriel kam nach Hause. Sie öffnete den Leib der Törichten, wie diese es selbst gesagt hatte. Im Leibe fand sie zwei Kinder. Sie ernährte die Kinder mit dem Mark aus den Knochen ihrer Mutter. Die Kinder wuchsen sehr schnell auf. Die Teriel gewann die Kinder lieb. Die Kinder waren zwei Knaben. Der eine war klug, deshalb nannte sie ihn Uachedich (oder ohathik =klug; ein anderes Wort für klug ist: oaharisch). Der andere war töricht. Sie ,nannte ihn Unguf (unguf =dumm, töricht; gleichbedeutend ist ägun). Ein Jahr nachdem Uachedich und Unguf geboren waren, waren sie schon erwachsen.

Uachedich urd Unguf hüteten die Schafe der Teriel. Sie gingen jeden Tag auf die Weide und hüteten die Schafe. Nachts schliefen Uachedich und Unguf im Hause der Teriel. Eines Nachts wachte



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Uachedich auf. Er sah die Teriel schlafen. Er hörte aus dem Bauche der Teriel die Stimmen der Esel, Frösche, Löwen und anderer Tiere. Uachedich erschrak und sagte bei sich: "Diese Frau ist nicht unsere Mutter, es ist eine Teriel."

Am andern Tage gingen Uachedich und Unguf mit der Herde auf die Weide. Uachedich ging zurück, um das Essen zu holen. Unguf hütete allein die Schafe. Unguf hatte Lesuk (eine Art Kaugummi aus einen Pflanzensaft; bei den Kabylenjungen sehr beliebt). Unguf kaute den Lesuk. Unguf war müde und schlief ein. Im Schlafe verschluckte Unguf den Lesuk. Unguf wachte auf, er fand seinen Lesuk nicht mehr. Ungut fragte: "Wer hat mir meinen Lesuk weggenommen?" Unguf sah um sich. Unguf sah ein Schaf, das lag wiederkäuend da. Unguf sagte: "Du kaust meinen Lesuk! Du hast meinen Lesuk genommen." Unguf schlug das Schaf tot. Er öffnete seinen Mund. Er fand den Lesuk nicht. Unguf sah sich weiter uni. Er sah ein anderes Schaf, das wiederkäute. Er ging hin, schlug es tot und sagte: "Dies Schaf kaut meinen Lesuk und muß ihn mir gestohlen haben." Er öffnete den Mund des Schafes. Er fand den Lesuk nicht. Unguf sah zu den andern Schafen hin. Unguf wollte sie alle töten.

Uachedich kam wieder. Uachedich sah die getöteten Schafe. Uachedich sagte zu Unguf: "Was hast du gemacht?" Unguf sagte: "Die Schafe haben mir meinen Lesuk gestohlen, als ich eingeschlafen war. Nun habe ich sie gestraft. Ich will alle Schafe, die gestohlen haben, töten, wenn sie mir meinen Lesuk nicht wiedergeben." Der Kluge sagte: "Unguf, wir müssen jetzt klug sein. Diese Frau ist nicht unsere Mutter, ich habe es diese Nacht wahrgenommen. Unsere Mutter würde die toten Schafe verzeihen. Die Teriel wird wegen der toten Schafe zornig werden und uns töten wollen." Unguf sagte: "Was, diese Frau ist eine Teriel? Ich werde zu ihr gehen und werde sie fragen." Uachedich sagte: "Sei zunächst still. Frage nichts, was wir nicht vorher besprochen haben. Wenn du schweigst, bekommst du morgen von mir sehr vielen schönen Lesuk."

Abends trieben Uachedich und Ungut die Herde nach Hause. Unguf trug zwei der getöteten Schafe, Uachedich trug eines der getöteten Schafe. Im Hause versteckten sie die getöteten Schafe. Die Teriel kam und begann die Schafe zu melken. Unguf wollte die Schafe anbinden. Uachedich sagte: "Laß das! Ich will sie unserer Mutter einzeln vorführen und beim Melken halten. Du bekommst nachher von mir auch ein Stück Fleisch." Unguf ging. Uachedich



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führte nun vor die Teriel ein milchendes Schaf, als sie es fast ausgemolken hatte, führte er es weg und brachte ein zweites, dann ein drittes. Dann wartete die Teriel darauf, daß Uachedich das vierte, fünfte und sechste milchende Schaf bringen würde. Das vierte, fünfte und sechste milchende Schaf hatte aber Unguf getötet. Uachedich brachte deshalb das erste Schaf wieder. Die Teriel molk. Das Schaf gab sehr wenig Milch mehr, weil es schon vorher ausgemolken war. Die Teriel sagte: "Wie kommt es, daß dies Schaf heute so wenig Milch gibt?" Uachedich sagte: "Ich mußte heute das Essen holen. Derweilen hat Unguf gemolken, und du weißt doch, Mutter, daß Unguf sehr ungeschickt ist." Die Teriel sagte: "So ist es. Die Schafe sind sehr schlecht geweidet. Sorge, daß es morgen besser wird."

Als die Schafe gemolken waren, sagte Uachedich zur Teriel: "Mutter, wir haben lange kein Schaf mehr geschlachtet und kein Schaffleisch gegessen!" Die Teriel sagte: "So tötet ein Schaf." Uachedich ging und nahm eines von den Schafen, die Unguf getötet hatte. Er rief Unguf; beide zogen dem Schaf die Haut ab. Die Teriel kochte das Schaf. Sie bereitete ein gutes Essen. Die Teriel setzte das Essen den Brüdern vor. Die Teriel gab Uachedich zwei Stücke Fleisch und Unguf ein Stück Fleisch. Unguf sagte (erregt): "Beim Tragen muß ich zwei schleppen und Uachedich nur eines. Beim Essen bekomme ich nur eines und Uachedich zwei." Uachedich sagte leise zu seinem Bruder: "Sei still, ich gebe dir nachher alles Fleisch." Die Teriel hatte es aber gehört. Sie sagte: "Was gibt es da?" Uachedich sagte: "Es ist nur etwas unter uns Brüdern, meine Mutter." Als die Teriel sich umwandte, gab Uachedich dem Unguf alles Fleisch.

Nach dem Essen saßen sie mit der Teriel beisammen und plauderten. Uachedich sagte zur Teriel: "Meine Mutter, wir, deine Söhne, sind nun schon so groß und du hast uns noch nie deine Schätze gezeigt." Die Teriel sagte: "So komm." Sie führte Uachedich auf den Zwischenboden und öffnete ihre Krüge und die Akufin (=Speicherurnen) und sagte: "Hier ist dies. Hier ist das. Hier ist die Butter; hier ist der Honig; hier ist das Gold." Dann legten sich alle hin, um zu schlafen.




***
Uachedich schlief nicht. Uachedich wachte. Uachedich horchte. Als es Mitternacht war, begannen die Esel, die Frösche, die Löwen und andere Tiere im Bauch der Teriel zu schreien. Uachedich hörte


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es. Uachedich schrie auch. Das Schreien im Bauche der Teriel hörte nicht auf. Uachedich sagte: "Sie schläft fest." Uachedich rief laut: "Meine Mutter!" Das Schreien im Bauche der Teriel hörte nicht auf, die Teriel antwortete auch nicht. Uachedich sagte: "Sie schläft also fest." Uachedich ging hin und nahm einen Topf mit Butter und einen Topf mit Honig und Datteln.

Uachedich weckte den Bruder und sagte: "Komm, wir wollen schnell fliehen, die Teriel wird uns sonst verschlingen." Unguf sagte: "Laß mich, ich bin müde." Uachedich steckte den Finger in den Honig. Er hielt ihn Unguf hin. Unguf beugte sich vor und begann an dem Finger zu lecken. Uachedich ging langsam rückwärts zur Tür und hielt Unguf immer den Finger mit Honig hin. Unguf leckte an dem Finger und folgte. Als Unguf den Finger abgeleckt hatte, steckte Uachedich den Finger wieder in den Honig, hielt ihn Unguf hin und ging langsam weiter rückwärts zur Tür. Unguf folgte, bis Uachedich an der Tür angelangt war. Er steckte den Finger nochmals in den Honig, ließ ihn Unguf ablecken und ging rückwärts zur Tür hinaus. Unguf leckte und ging hinaus.

Als die beiden Brüder das Haus der Teriel verlassen hatten, sagte Uachedich: "Nun komm, mein Bruder, schließe die Tür und folge mir. Nachher bekommst du dann noch mehr Honig." Uachedich ging weiter. Unguf trat an die Tür, riß sie heraus und nahm sie auf die Schulter. Mit der Tür auf der Schulter folgte Unguf seinem Bruder. Unguf trug die schwere Tür. Nach einiger Zeit machte dies ihn aber müde, und er begann hinter Uachedich zu stöhnen und sagte: "Die Tür wird mir zu schwer. Ich bin müde. Ich kann nicht weiter mitgehen." Uachedich sah sich um und sah, daß Unguf die schwere Türe trug. Uachedich sagte: "Bruder, ich sagte dir, du sollest die Tür zumachen. Ich sagte dir nicht, daß du sie ausreißen und mit dir nehmen sollst. Nun stelle die Tür dort gegen den großen Stein." Uachedich ging weiter.

Unguf legte die Tür auf die Erde bei dem Stein. Dann nahm er den großen Stein auf die Schulter und folgte seinem Bruder. Unguf trug den schweren Stein. Nach einiger Zeit machte ihn dies aber müde, und er begann, hinter Uachedich zu stöhnen und sagte: "Der Stein wird mir zu schwer. Ich kann nicht mehr weitergehen." Uachedich sah sich um und sah, daß Unguf den großen Stein trug. Uachedich sagte: "Bruder, ich sagte dir, du solltest die Tür gegen den Stein legen, ich sagte dir nicht, daß du den Stein mitnehmen solltest. Nun wirf den Stein weg." Uachedich ging weiter.



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Unguf warf den schweren Stein gegen den hohen Baum. Der hohe Baum stürzte um. Unguf ergriff den hohen Baum und nahm ihn auf die Schulter. Unguf trug den hohen Baum. Nach einiger Zeit machte ihn dies aber müde, und er begann hinter Uachedich zu stöhnen und sagte: "Der Baum wird mir zu schwer. Ich bin müde. Ich kann nicht mehr weitergehen." Uachedich sah sich um und sah, daß Unguf den hohen Baum trug. Uachedich sagte: "Bruder, ich sagte dir, du solltest den Stein bei dem Baum hinwerfen. Ich sagte dir nicht, daß du den Baum mitnehmen solltest. Nun lege den Baum hin, und wenn du durchaus etwas tragen mußt, so nimm mir den Topf voll Honig ab." Unguf legte den Baum hin und nahm den Topf voll Honig. Uachedich ging weiter. Unguf folgte ihm mit dem Topf voll Honig.

Uachedich und Unguf gingen ein gutes Stück. Nach einiger Zeit wurde Uachedich, der am Abend sein Essen Unguf gegeben hatte, hungrig. Er wandte sich um zu Unguf und sagte: "Gib mir etwas Honig ab, denn ich bin nun sehr hungrig." Unguf sagte: "Nein, von dem Honig gebe ich dir nichts. Den Honig habe ich tragen müssen. Deshalb kann ich ihn nachher auch essen. Weshalb hast du den Honig nicht getragen?" Uachedich ging weiter. Unguf folgte ihm. Uachedich wurde immer hungriger. Uachedich wandte sich wieder zu Unguf um und sagte: "Mein Bruder, ich bin nun so hungrig, daß ich bald hinfallen und sterben werde, wenn du mir nicht etwas von dem Honig abgibst. Ich bitte dich, gib mir von dem Honig!" Unguf sagte: "Dann will ich dir etwas geben." Unguf gab Uachedich etwas von dem Honig.

Nach einiger Zeit kamen sie an einen Kreuzweg. Beide Wege führten von verschiedenen Seiten in einen großen Ort. Uachedich sagte zu Unguf: "Hier wollen wir uns trennen. Wir wollen in das Dorf dort gehen und Arbeit suchen. Wenn wir zu zweit kommen, wird es schwerer sein, Arbeit zu finden, als wenn jeder allein geht. Du bist stark und wirst leicht Arbeit finden. Ich gebe dir nur noch einen Rat. Verkehre nie mit Leuten mit blauen Augen. (Solche Leute heißen: Sing.: athermak; Plural: ithermaken; sie gelten bei den Kabylen als Leute, die dem Elend geweiht sind, als Menschen ohne Zukunft, als Menschen, die keinen Erfolg und statt dessen einen abwärtsführenden Lebensweg haben, etwa im amerikanischen Sinne des irish way.) Uachedich und Unguf trennten sich. Jeder ging seinen Weg.



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Unguf traf nach einiger Zeit einen Mann mit blauen Augen. Der Mann sagte: "Wo gehst du hin?" Ungut sagte: "Ich will arbeiten." Der Mann sagte: "Willst du bei mir arbeiten?"Unguf dachte an den Rat seines Bruders und sagte: "Nein, bei Menschen mit blauen Augen arbeite ich nicht." Unguf ging weiter. Der Mann mit den blauen Augen ging vom Wege weg, schnitt den Weg ab und trat nach einiger Zeit wieder Unguf entgegen. Der Mann sagte: "Wo gehst du hin?" Unguf sagte: "Ich will arbeiten." Der Mann sagte: "Willst du bei mir arbeiten?" Unguf dachte an den Rat seines Bruders und sagte: "Nein, bei Menschen mit blauen Augen arbeite ich nicht." Unguf ging weiter. Der Mann mit den blauen Augen ging vom Wege weg, schnitt den Weg ab, traf ihn wieder und sagte: "Wo gehst du hin?" Unguf sagte: "Ich will arbeiten." Der Mann sagte: "Willst du bei mir arbeiten?" Ungut sagte: "Mein Bruder hat mir gesagt, ich soll nicht mit Menschen, die blaue Augen haben, verkehren. In diesem Dorfe scheinen aber nur Leute mit blauen Augen zu wohnen. Sage mir also, welchen Dienst du für mich hast."

Der Mann mit den blauen Augen sagte: "Es ist ein ganz leichter Dienst. Du brauchst tagsüber nur die Schafe zu hüten. Dabei hast du nichts weiter zu tun, als meine alte Mutter auf der Schulter zu tragen, und abends, indem du die Herde heimtreibst und meine alte Mutter heimträgst, für meine Kinder einige kleine Vögel zu fangen. Das ist alles." Ungut sagte: "Das will ich machen." Unguf ging mit dem Mann mit den blauen Augen in das Dorf. Von nun an nahm er jeden Morgen die alte Mutter des Mannes mit den blauen Augen auf die Schulter, trieb die Herde des Mannes auf die Weide und fing abends bei der Heimkehr für die Kinder des Mannes kleine Vögel. Die alte Mutter des Mannes mit den blauen Augen trug er aber stets vom Morgen bis zum Abend auf dem Rücken.

Uachedich hatte im gleichen Dorfe Dienst genommen und trieb die Herde seines Herrn auf die Weide. Eines Tages weidete Uachedich seine Herde neben Ungut auf einer Ebene. Beide erkannten sich nicht. Als es aber Abend war, begann Unguf mit der alten Mutter des Mannes mit den blauen Augen auf dem Rücken für die Kinder des Mannes kleine Vögel zu fangen. Dabei konnte er seine Schafe nicht so beaufsichtigen. Seine Herde lief in die Herde Uachedichs. Uachedich sah das und rief: "Ho! Achte auf deine Herde. Soll ich nachher die Schafe wieder auseinanderlesen?" Unguf hörte nicht darauf, sondern rannte den jungen Vögeln nach.



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Uachedich ward böse. Uachedich lief auf Unguf zu und schlug ihn, so daß er mit der alten Mutter des Mannes mit den blauen Augen auf dem Rücken hinfiel. Unguf rief: "Du schlägst mich! Warte, ich werde es meinem Bruder Uachedich sagen. Der wird dich wiederschlagen." Uachedich sagte: "Was, du bist es, mein Bruder Unguf? Nun steh nur auf! Das wußte ich nicht. Was trägst du denn da auf der Schulter?" Unguf sagte: "Das ist mein Dienst. Ich habe nur tagsüber die Schafe zu hüten. Dabei habe ich nichts weiter zu tun, als die alte Mutter meines Herrn auf der Schulter zu tragen und abends, indem ich die Herde heimtreibe und die alte Mutter trage, für die Kinder meines Herrn einige kleine Vögel zu fangen. Das ist mein ganzer Dienst. Eben war ich dabei, die kleinen Vögel zu fangen. Dabei kamen unsere Herden durcheinander und du schlugst mich."

Uachedich sagte: "Das ist also dein ganzer Dienst?" Uachedich wandte sich an die Mutter des Mannes mit den blauen Augen und sagte: "Steh auf!" Die Mutter stand auf. Uachedich sagte: "Geh einmal ein Stück." Die Mutter ging ein Stück. Als Uachedich sah, daß es eine starke Frau war, nahm er sie und schlug sie und sagte: "Wie kannst du meinen Bruder so quälen?! So, nun trage du zur Strafe einmal meinen Bruder, bis ich die kleinen Vögel gesammelt habe." Die alte Mutter mußte Unguf auf die Schulter nehmen und tragen. Währenddessen ging Uachedich umher und sammelte den Sack voller Skorpione (= thärädemth). Nachdem er den Sack gefüllt hatte, kam er zurück zu seinem Bruder.

Uachedich hieß die Alte seinen Bruder zu Boden setzen und sagte zu Unguf: "Nun treibe du an meiner Stelle meine Herde nach Hause. Folge nur immer dem ersten Widder, er kennt den Weg ganz genau und geht nicht fehl." Dann sagte Uachedich zu der alten Mutter des Mannes mit den blauen Augen: "Steige auf meinen Rücken und laß dich von mir auf den Schultern tragen. Zeige mir den Weg. Wenn du deinem Sohne oder sonst jemand ein Wort von dem sagst, was hier vorgefallen ist, töte ich dich auf der Stelle." Uachedich nahm die alte Mutter des Mannes mit den blauen Augen auf die Schulter, den Sack mit den Skorpionen in die Hand und trieb die Herde nach Hause.

Uachedich gab im Hause den Beutel mit den Skorpionen ab und sagte: "Hier sind die jungen Vögel. Alle wollten die jungen Vögel sehen. Alle fuhren mit ihren Händen in den Sack. Alle wurden von den Skorpionen gebissen. Der Mann mit den blauen Augen sagte:



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"Was hast du da gebracht?" Uachedich sagte: "Ich habe junge Vögel gebracht." Der Mann mit den blauen Augen sagte: "Du Narr, das sind keine jungen Vögel; das sind Skorpione." Uachedich sagte: "Ich dachte, es wären junge Vögel."

Uachedich setzte die alte Mutter des Mannes mit den blauen Augen ab. Die alte Mutter ging mit dem Sohne zur Seite und erzählte ihm alles, was sich ereignet hatte. Der Mann mit den blauen Augen sagte: "Dann werde ich diesen Mann töten." Uachedich hörte das.

Als es Nacht war, legten sie sich nieder zum Schlafen. Ungufs Platz war neben dem Brunnenschacht, der der alten Mutter des Mannes mit den blauen Augen ein wenig weiter weg. Als es Mitternacht war, stand Uachedich auf. Uachedich hörte, daß die alte Mutter schlief. Die alte Mutter schlief fest. Darauf nahm er sie und trug sie vorsichtig an seinen Platz. Er legte sich selbst an den Platz der alten Mutter des Mannes mit den blauen Augen.

Als Mitternacht vorbei war, stand der Mann mit den blauen Augen auf. Er ging vorsichtig zu der Schlafstelle Ungufs am Brunnenschacht. Er fand jemand am Brunnenschacht. Er meinte, es sei Uachedich. Er gab dem Schlafenden einen Stoß. Der Schlafende fiel, schrie und schlug: plumps, im Wasser auf. Er ertrank. Der Mann mit den blauen Augen rief: "Ich habe den starken Schafhirten getötet." Die andern erwachten und schrien: "Der starke Schafhirt ist getötet." Uachedich sagte: "Nein, ich lebe, Ihr habt nur Eure alte Mutter getötet. Sie hat es verdient, denn ich hatte ihr vorher gesagt, daß sie getötet werden würde, wenn sie nicht schwiege. Da Ihr mich aber töten wolltet, werde ich nun dafür Eure Schafe mit mir nehmen." Damit machte er die Türe auf, trieb die Schafe heraus, trieb sie an dem Hause, in dem sein Bruder schlief, vorbei, weckte und rief seinen Bruder und zog mit ihm und der Schafherde weiter.



30. Die Erdnüsse der Teriel

Ein Mann war verheiratet mit zwei Frauen. Die ältere hieß Tun(e)jifs (d. h. soviel wie Gedankenlose, Törichte), die jüngere Tuachethi (a)chth (d. h. soviel wie Nachdenkliche, Kluge, Besonnene). Der Mann selbst war sehr faul und liebte es, auf seiner Matte zu liegen, nichts zu tun und andere für sich arbeiten zu lassen.



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Einmal war im Herbste die Zeit gekommen, in der die Erdnüsse (= ibauen; in arabisch: ful) ausgelegt wurden. Er rief seine Frauen und sagte zu ihnen: "Füllt die Erdnüsse heute in einen Ledersack und legt sie so heute über Nacht in Wasser. Ich will morgen auf die Farm gehen und die Erdnüsse stecken, damit wir im Frühling eine gute Ernte haben." Die beiden Frauen füllten also einen Ledersack mit Erdnüssen und legten ihn, wie er ihnen geheißen, über Nacht in Wasser. Am andern Tage ergriff der Mann seine Hacke und den Sack mit den Erdnüssen und ging damit auf den Acker.

Als der Mann auf die Farm kam, schien die Sonne. Der Mann sagte: "Es ist sehr angenehm, in der Sonne zu liegen." Er legte also die Hacke neben sich und sich an eine bequeme Stelle. Den Sack mit den Erdnüssen hatte er neben sich, und von Zeit zu Zeit griff er hinein, langte eine Handvoll heraus, knackte die Schalen auf und verzehrte die Kerne. Als es Abend war, hatte er alle Erdnüsse, statt sie zu pflanzen, aufgegessen.

Infolge des Genusses der vielen geweichten Erdnüsse hatte der Mann nun aber Magenschmerzen. Die Magenschmerzen begannen, als er sich mit der Hacke und dem leeren Lederbeutel auf den Heimweg machte. Sie wurden, je weiter er ging, desto schlimmer, und als er in seinem Hause ankam, waren sie so schlimm geworden, daß er sich lang auf den Boden warf und stöhnte und sich vor Schmerzen krümmte.

Die beiden Frauen kamen herbeigerannt. Sie bereiteten ihm das Lager. Sie entkleideten ihn. Sie pflegten ihn die Nacht durch und sagten klagend zueinander: "Unser armer Gatte hat heute so schwer gearbeitet. Der arme Mann; er tat zuviel. Wir müssen ihm helfen. Wir müssen ihn pflegen, daß er sich wieder erholt und wollen ihm, wenn es wieder einmal eine anstrengende Arbeit gibt, diese abnehmen."

Der Winter verstrich, und es wurde Frühling. Es kam die Zeit, in der die Erdnüsse geerntet wurden. Die beiden Frauen kamen zu ihrem Gatten und sagten: "Es wird jetzt Zeit, daß wir die Erdnüsse aus dem Acker nehmen. Du hast dich im Herbst beim Legen der Erdnüsse überanstrengt, und wir mußten dich pflegen, daß du nach der schweren Arbeit, bei der du alle Kräfte ausgegeben hattest, wieder zu Kräften kamst. Laß du deshalb jetzt die Hände ruhen, und hast du damals für uns alle drei gearbeitet und uns geschont, so wollen wir jetzt für dich mit arbeiten, so daß du dich auch einmal



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in Ruhe ergehen kannst. Sage uns also nur, auf welchen Acker du die Erdnüsse gepflanzt hast, dann werden wir morgen schon hingehen und sie ausnehmen."

Der Mann sann ein wenig nach und dachte: "Diese guten Frauen denken, ich hätte mich damals überanstrengt und alle Erdnüsse an einem Tage ausgesteckt; sie können es nicht wissen, daß ich sie alle aufgegessen und deshalb Magenschmerzen bekommen habe. Was soll ich nun aber sagen? Die guten Frauen wollen für mich die Arbeit verrichten an einer Stelle, wo ich weder vorgearbeitet habe, noch sie mit Arbeit etwas finden können. Ich werde nicht anders können, als mich mit einer Verschiebung durch Scherz aus der Sache zu ziehen."

Der Mann sagte zu den Frauen: "Die Stelle ist ziemlich schwer zu finden, und es kann euch nur so gelingen, den Platz, wo ich die Erdnüsse ausgesteckt habe, zu erkennen, daß ihr auf den großen Hügel dort hinten mit einem Sieb geht. Wenn ihr das Sieb mit dein Reifen auf die Spitze des Hügels stellt und dann den Hügel hinablaufen laßt, so wird es unten ins Tal rollen. Dort, wo das Sieb liegen bleibt, dort sind meine Erdnüsse ausgesteckt. Dort könnt ihr ernten." Die Frauen sagten: "Es ist recht, so werden wir es machen."



***
Die Frauen nahmen ein Sieb und gingen zu dem Hügel. Sie nahmen ihre Hacken mit und außerdem einen Esel mit Körben, der die Früchte nach Hause tragen sollte. Sie stiegen erst den Hügel bis zur Spitze hinauf, stellten dann das Sieb auf die Kante hin und ließen es die Böschung des Hügels herabrennen. Das Sieb rollte zum Tal hinab und gerade in ein Feld, das mit wundervollen Erdnüssen bedeckt war, so daß die Frauen über diesen reichen Segen sehr erfreut waren. Sie gingen also hinter dem Sieb bis an das Erdnußfeld, banden an einem nahestehenden Baume ihren Esel an und begannen die Arbeit.

Das Erdnußfeld, auf welches das Sieb gerollt war, gehörte aber in Wahrheit einer sehr bösen Teriel, die schon viele Tiere und Menschen verschlungen hatte, wenn sie unvorsichtigerweise ihre Farm betraten. Die Teriel sah aus der Entfernung, wie die beiden Frauen den Hügel herabkamen und hinter dem rollenden Siebe her ihr Erdnußfeld betraten. Die Teriel freute sich so, daß sie sich vor Vergnügen hinwarf und ihr Tuch in den Mund steckte, um nicht vor Übermut zu kreischen. Die Teriel sah, wie die beiden Frauen den



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Esel an einen nahen Baum banden und sich an die Arbeit des Hackens machten.

Die Teriel sah, daß die beiden Frauen so emsig arbeiteten, daß sie nicht rechts und nicht links hinsahen. Da schlich die Teriel sich zu dem Baume, an dem der Esel angebunden war. Sie verschlang den ganzen Esel bis auf die Ohren. Die Ohren ließ sie übrig und befestigte sie an den Zweigen des Baumes, so daß es aussah, als stände das Tier noch da und daß die Frauen beim Herüberschauen getäuscht wurden. Dann ging die Teriel zu den beiden Frauen und fragte mit einem freundlichen Lachen: "Ar(e)bi akuntjai! (= Gott helfe euch) ihr schönen jungen Frauen! Was arbeitet ihr denn da?" Die Altere antwortete: "Wir hacken die Erdnüsse auf und ernten das, was unser Mann im Herbst ausgesteckt hat." Die Teriel sagte: "Soso, also euer Gatte hat diese Erdnüsse im Herbst gesteckt? Dann ist euer Gatte ja ein sehr fleißiger Mann!" Die ältere Frau sagte: "Ja, er hat an jenem Tage so gearbeitet, daß er krank und ganz matt nach Hause kam, und zum Danke dafür haben wir ihm nun die Arbeit des Erntens abgenommen."

Die Teriel sagte: "Wollt ihr nicht mit mir in mein Haus kommen? Mein Haus ist ganz nahe bei, und ich wünsche euch ein wenig Brei vorzusetzen. Kommt ein wenig zu mir!" Die ältere Frau sagte: "Eine kurze Ruhe dürfen wir uns wohl erlauben. Und ein wenig Essen wird unsere Kräfte heben." Die Teriel führte die beiden Frauen zu ihrem Haus. Sie rückte ihnen einige Matten und Kissen zurecht. Sie bereitete ihnen Speise und gab ihnen Milch zu trinken. Sie sprach mit den Frauen sehr freundlich. Nachdem sie einige Zeit so gesessen hatten, entschuldigte sich die Teriel und ging hinaus. Als sie nach einiger Zeit wiederkam, sagte sie: "Ich habe nur euern Esel untergebracht."

Die jüngere Frau sagte: "Der Esel konnte da unten am Felde bleiben, denn wir wollen nun wieder weiterarbeiten!" Die Teriel sagte: "Ich bitte euch, bleibt hier. Bleibt bis zur Nacht. Morgen früh werde ich euch bei der Arbeit helfen, und dann werdet ihr schnell damit fertig sein." Die jüngere der beiden Frauen sagte: "Nein, wir können nicht hierbleiben. Wir müssen zur Nacht wieder bei unserm Manne sein." Die Ältere sagte: "Wenn wir beide hierbleiben, wird unser Mann nichts dagegen haben, daß wir die Nacht bei der freundlichen Frau zubringen und morgen die Arbeit gleich ganz früh wieder anfangen können!" Die Teriel sagte: "Siehst du! Man erkennt sogleich, daß du die Kluge und Nachdenkliche,



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die Ältere bist. Die andere ist noch ein wenig ängstlich. Sie ist noch sehr jung und weiß noch nicht, daß eine Frau ihrem Manne nicht ängstlich nachzulaufen hat wie ein Hund."

Die beiden jungen Frauen blieben. Die Teriel bereitete ihnen erst noch einmal Essen und dann jeder ein weiches Lager, auf dem sich beide ausstreckten. Tun(e) jifs (die Ältere, Gedankenlose) legte sich hin, schlief ein und war bald so tief in Schlaf versunken, als befände sie sich hier auf ihrer gewöhnlichen Lagerstätte im Hause ihres Mannes. Tuachethi (a) chth (die Jüngere, Nachdenkliche) blieb jedoch wach. Sie ahmte die Atemzüge der älteren nach, aber sie hütete sich davor, in Schlaf zu versinken. Sie achtete auf die Teriel und erhob sich vorsichtig, sobald sie wahrnahm, daß die Teriel eingeschlafen war. Die junge Frau stand ganz leise auf. Sie schlich zur Tür, öffnete sie mit aller Vorsicht und schlich hinaus. Hinter sich legte sie die Tür wieder an. Dann lief sie von dannen, so schnell sie konnte. Sie eilte den Hügel, auf dem das Haus stand, hinab und in dem Tale entlang, das zu dem Dorfe ihres Mannes führte.

Inzwischen erwachte die Teriel. Die Teriel horchte um sich. Sie hörte die Atemzüge der älteren der beiden jungen Frauen und sie stand auf. Sie verschlang die ältere der beiden jungen Frauen. Sie hockte nieder und ruhte einen Augenblick aus. Dann ging sie hin, um die jüngere der beiden Frauen auch zu verschlingen. Sie kam an das Lager. Sie fand das Lager leer. Sie ging zur Tür und fand sie nur angelehnt. Die Teriel sagte: "Die junge Frau war sehr klug. Sie ist fortgelaufen. Ich werde ihr aber nacheilen, und da ich schneller laufen kann als sie, so werde ich sie einholen und verschlingen können, ehe sie noch das Haus ihres Mannes erreicht."

Die Teriel machte sich auf den Weg. Sie lief sehr schnell hinter der Jüngeren her. Sie kam ganz dicht zu der Jüngeren heran. Die Jüngere sah zurück. Sie sah, daß die Teriel sie verfolgte und sie bald einholen würde. Sie sah sich um und gewahrte hinter einem Baum den Eingang in die Höhle einer Schlange. Sie sprang dorthin und versteckte sich darin. Die Teriel kam an die Stelle. Sie suchte sehr lange nach der jungen Frau und lief überall herum. Sie konnte die junge Frau aber nirgends finden und kehrte nach Hause zurück.

Die junge Frau hockte in der Wohnung der Schlange nieder. Sie saß in einem Winkel, bis sie hörte, daß die Teriel oben weggegangen war. Dann sah sie sich um und sah, daß die Schlange, der diese



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Höhle gehörte, neben ihr lag. Die Schlange sagte: "Weshalb kommst du in mein Haus? Was willst du in meiner Wohnung?" Die junge Frau erschrak und weinte. Sie sagte: "Ich bin eine junge Frau, die einen faulen und verlogenen Mann hat. Meine einzige Freundin ist soeben von der Teriel verschlungen worden. Draußen läuft die Teriel umher und will mich auch verschlingen. Sie sucht mich, und deshalb habe ich mich bei dir versteckt. Ich bitte dich: laß mich bei dir bleiben! Ich bitte dich: sei du mein Vater, ich will dann deine Tochter sein. Ich bitte dich: schwör mir, daß du mir nichts tun willst." Die Schlange sagte: "Ich will damit einverstanden sein, will dir auch schwören, daß ich dir nie etwas tun will, dafür schwöre du aber, daß du meine, deines Vaters, Geheimnisse niemals jemand verraten willst." Die junge Frau schwor es.

Sie blieb bei der Schlange. Sie nannte die Schlange Vater, und die Schlange sah die junge Frau als Tochter an. Die Wohnung war aber ein wenig eng für die Schlange und die junge Frau. Deshalb nahm die Schlange eine Hacke und erweiterte sie nach allen Seiten durch Wegkratzen der Mauer. Als die Schlange auch oben an der Decke einiges abkratzte, nahm sie zuviel Erde fort, und es entstand eine Öffnung in der Decke, durch die das Licht eindrang.

Tagsüber ging die Schlange stets fort. Eines Morgens, als die Schlange wieder weggegangen war, trieb ein Hirt seine Herde über den Hügel, und eine der Ziegen kam an die Öffnung, die durch die Erweiterung der Wohnung entstanden war. Die Ziege steckte den Kopf in die Öffnung und sagte zu der jungen Frau: "Dein Vater ist eine Schlange, sie wird dich eines Tages verschlingen." Die junge Frau weinte. Als die Schlange nach Hause kam, weinte die junge Frau noch. Die Schlange fragte nach dem Grunde, und die junge Frau erzählte ihr, wie die Ziege sie beleidigt habe. Die Schlange sagte: "Wenn die Ziege dich wieder derart beleidigt, so antworte ihr: mein Vater, die Schlange, wird dein Fleisch verzehren und deine Haut zur Arbeit benutzen. Ich aber, die Tochter der Schlange, werde deinen Herrn heiraten."

Am andern Tage war die Schlange wieder fort. Da trieb der Schäfer die Herde auf den Hügel, und die Ziege steckte den Kopf wieder in die Öffnung und schrie der jungen Frau zu: "Dein Vater ist eine Schlange, sie wird dich eines Tages verschlingen." Da antwortete die junge Frau: "Mein Vater, die Schlange, wird dein Fleisch verzehren und deine Haut zur Arbeit benutzen. Ich



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aber, die Tochter der Schlange, werde deinen Herrn heiraten." Die Ziege ergrimmte und schalt zurück. Die junge Frau antwortete ihr gelassen. So aber geschah es nun alle Tage.

Die Ziege wurde bei diesem Keifen und aus Angst vor der Wahrheit der Worte der jungen Frau immer magerer und zuletzt ganz elend und schlaff. Der Herr der Herde sah das und rief den Schäfer zu sich und sagte: "Wie kommt es, daß die Ziege so abmagert? Treibst du sie vielleicht auf eine Weide, auf der schlechte Kräuter sind?" Der Hirt sagte: "Auf der Weide, auf der ich die Herde jetzt grasen lasse, stehen die besten Kräuter. Die Ziege steckt aber, statt zu fressen, den ganzen Tag ihren Kopf in ein Loch und schreit dahinein und zankt sich mit einem Wesen, das unter der Erde ist. Ich kann sie davon nicht abbringen." Der Herr sagte: "Ich werde morgen selbst kommen und das ansehen."

Am andern Tage steckte die Ziege wieder ihren Kopf in die Öffnung und schalt die junge Frau. Die junge Frau antwortete gelassen. Der Herr der Ziege stand aber an dem Baume und hörte erst die Ziege, dann die junge Frau. Er trieb die Ziege fort und blickte im Vorübergehen in die Öffnung, da sah er die junge Frau, und er sah, daß sie sehr schön war. Er ging. Der Herr kam aber wieder und fragte die junge Frau, ob sie ihn zum Gatten haben wolle, und er fragte die Schlange, ob sie ihm seine Tochter zur Frau geben wolle. Der Vater und die Tochter waren einverstanden. Als Brautpreis (=tamamt) bat die Schlange sich einen Ledersack voll Blut und einen Ledersack voll Eiter aus. Am Tage der Hochzeit wurde die Ziege geschlachtet, und die Schlange erhielt deren Fleisch und deren Fell.

Acht Tage, nachdem die junge Frau mit dem Herrn der Herde verheiratet war, verließ sie (der Sitte gemäß) das Gehöft und suchte ihren Vater, die Schlange, auf, um zu fragen, wie es ihr gehe. Die Schlange sagte: "Es geht mir nicht gut, ich habe das Blut und den Eiter, den ich bei deiner Verheiratung erhalten habe, verzehrt, und nun habe ich nichts mehr zu essen." Es war nun aber das Geheimnis der Schlange, daß sie sich von Blut und Eiter nährte, und als die junge Frau bei der Schlange Unterkunft fand, hatte sie jener geschworen, dies niemand zu verraten.

Als die junge Frau nach Hause kam, fragte ihr Gatte sie: "Wie geht es deinem Vater, der Schlange?" Da vergaß die junge Frau ihren Schwur und sagte: "Es geht meinem Vater, der Schlange, nicht gut. Sie hat das Blut und den Eiter, den sie bei meiner Verheiratung



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mit dir empfing, verzehrt und hat nun nichts mehr zu essen."

Die Schlange hörte, daß die junge Frau ihren Schwur gebrochen hatte. Die Schlange schwur, sich zu rächen. Die junge Frau gebar nach einem Jahr ein Kind. Die Schlange kam heimlich, stahl und versteckte es. Die junge Frau gebar im folgenden Jahre wieder ein Kind. Die Schlange kam heimlich, stahl und versteckte es. Die junge Frau gebar im dritten Jahre wieder ein Kind. Die Schlange kam abermals, stahl es und versteckte es.

Der Ehemann wurde zornig. Er sagte: "Was soll mir die schönste Frau, wenn ihre Kinder immer verschwinden!" Der Ehemann wollte seine Frau verjagen und suchte eine andere Frau. Als er die andere Frau gefunden hatte, sagte er zu der Mutter der verschwundenen Kinder: "Morgen werde ich dich verjagen." Die Frau weinte, sie weinte den Abend über bis in die Nacht hinein. Als es aber Mitternacht war, kam die Schlange, brachte die drei versteckten Kinder und sagte: "Das war die Strafe dafür, daß du deinen Schwur gebrochen hast. Jetzt habe ich dir verziehen." Die junge Frau war glücklich. Der Ehemann verstieß sie nicht. Er nahm auch nicht eine zweite Frau.



31. Nuja, die Tochter der Teriel

Ein Mann hatte einen einzigen Sohn, den liebte er ganz außerordentlich. Deshalb sagte er, als der Knabe geboren war: "Diesem Knaben soll nichts Gefährliches widerfahren. Der Knabe soll von allem, was ihm Übles bringen oder antun könnte, ferngehalten werden. Ich werde den Knaben in einem Zimmer eingeschlossen halten, so daß nichts von Widrigkeiten des Lebens zu ihm dringen kann." Der Vater tat so. Er hielt den Knaben eingeschlossen und abgesperrt in einer Kammer. Um die Neugierde des heranwachsenden Knaben nicht zu erwecken, sprach er nie mit ihm von der Natur, dem Dorf, den Menschen. Er besuchte den Knaben alle Tage und freute sich an ihm. So wuchs der Knabe heran und wurde größer und größer. Es wurde ein schöner und starker Bursche.

Die Leute des Dorfes, in dem der Vater seinen Sohn eingeschlossen hielt, wußten von dem Knaben sehr wenig. Sie wußten nur, daß dem Vater seinerzeit ein Kind geboren worden war und daß er es ängstlich eingeschlossen hielt. Ob dieses Kind aber ein Knabe oder ein



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Mädchen war, das blieb ihnen unbekannt. Denn der Vater sprach, aus Furcht, die Neugierde der Leute zu reizen, mit ihnen niemals über sein Kind. Je weniger die Leute nun aber von dem Kinde hörten, desto neugieriger wurden sie. Sie begannen nach einiger Zeit, sich damit abzuwechseln, den Vater zu beobachten, wie er an die Kammer ging, in der das Kind eingeschlossen war. Sie versteckten sich zu diesem Zweck auf den Dächern der Häuser. Die Leute des Dorfes schlichen nachts zu dem Gehöft und horchten auf alle Geräusche. Auf dem Männerplatze fragten die Alten den Vater dann und wann nach dem Befinden des Kindes. Sobald sie das aber taten, verließ der Vater die Leute, ohne erst ihre Fragen beantwortet zu haben. Der Knabe wurde ein großer, starker und schöner Bursche, ohne daß die Leute im Dorfe mehr von ihm wußten, als daß dem Vater vor langen Jahren einmal ein Kind geboren war, daß er seitdem so sorgfältig versteckt hielt, daß die Leute nicht einmal wußten, ob es ein Knabe oder ein Mädchen sei.

Eines Tages nun wollte der Vater auf mehrere Tage verreisen, ging deshalb in die Kammer, in der sein Sohn lebte und sprach zu ihm: "Mein Sohn, ich will einmal über Land wandern und werde dich infolgedessen zum ersten Male, seitdem du geboren bist, während mehrerer Tage nicht sehen. Gräme dich deswegen nicht und kümmere dich überhaupt nicht darum. Um dich zu unterhalten, denke nur an alle die Stunden, die ich hier bei dir verbracht habe, und du wirst keine Langeweile verspüren. Denke nicht an das Dorf und die Leute draußen und kümmere dich um all das nicht. Das Dorf und die Leute sind viel zu gleichgültig, um einen Gedanken zu verdienen. Wenn sie aber zu dir hineinzudringen versuchen, so verbiete ihnen den Eintritt, damit sie dir nichts Schlimmes tun, denn sie sind stark und gewalttätig, und ich würde vor Kummer sterben, wenn du mir unter den Leuten umkommen würdest." Dann nahm der Vater Abschied und wanderte von dannen.

Als der Vater gegangen war, streckte der Bursche sich auf seinem Lager aus und sagte bei sich: "Mein Vater sagt mir, daß die Leute im Dorf stark und gewalttätig sind. Ich habe nie einen von diesen Leuten gesehen. Ich kenne nur meinen Vater. Meinem Vater haben sie, seitdem ich mich erinnern kann, nie etwas getan. Mein Vater ist immer gleich, und er ist niemals verwundet, zerschlagen oder mißhandelt zu mir gekommen. Meinen Vater haben diese starken Leute also niemals mißhandelt. Mein Vater ist aber nicht im entferntesten so groß und stark wie ich. Wenn mein Vater nun stark



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genug ist, um sich der Leute erwehren zu können, so bin ich es doch also sicherlich auch. Ach, wenn ich doch einmal versuchen dürfte, wer stärker ist, die gewalttätigen Leute oder ich!"

Als der Vater abgereist war, traten die Leute untereinander zusammen und sagten einer zum andern: "Jetzt ist der Vater für mehrere Tage über das Land weggegangen. Jetzt wäre der Augenblick gegeben, um sich einmal zu überzeugen, was eigentlich an diesem Kinde daran ist. Jetzt könnte man in Erfahrung bringen, ob es ein Mädchen oder ein Bursche ist." Die Leute sagten: "Diese Gelegenheit wird sobald nicht wiederkommen; wir müssen sie deswegen ergreifen." Die Leute gingen zu einer alten Frau und sagten zu ihr: "Liebe Alte, wir haben dich gebeten, zu uns zu kommen, weil wir eine Sache unternommen haben möchten, die wir in deine Hände geben, weil du die Einzige bist, die klug und erfahren genug ist, sie durchzuführen. Du weißt, daß der Mann, der heute auf Reisen gegangen ist, vor langen Jahren Vater eines Kindes wurde, das er immer eingeschlossen hielt, so daß wir es bis heute noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Jetzt ist der Vater für längere Zeit verreist, und wir würden dir ein reiches Geschenk geben, wenn du es erreichtest, daß das Kind in diesen Tagen, in denen der Vater abwesend ist, einmal die Kammer, in der es eingeschlossen ist, verläßt und unter uns tritt, so daß wir sehen, ob es ein Mädchen oder ein Bursche ist." Die Alte sagte: "Schwört mir, daß ihr mir ein gutes Geschenk machen wollt, dann will ich es tun." Die Leute sagten: "Wir schwören es."

Die Alte ging in das Gehöft des Mannes, der abgereist war und direkt in die Kammer, in der der Vater den Burschen eingeschlossen hielt. Die Alte klopfte. Der Bursche sagte: "Wer ist dort?" Die Alte sagte: "Es ist nur eine alte Frau, die eine eilige Bestellung hat und diese, da dein Vater verreist ist, an dich weitergeben möchte, so daß damit die Sache erledigt ist." Der Bursche sagte: "So komm herein!" Die Alte trat in die Kammer. Sie schloß die Tür hinter sich und sah sogleich, daß das Kind des abwesenden Mannes ein starker, schöner Bursche war.

Die Alte sagte: "Es ist schwer, dir zu sagen, was ich zu bestellen habe, denn ich weiß nicht, was du von der Sache weißt, da du wohl immer hier eingeschlossen warst?" Der Bursche sagte: "Das ist richtig, ich war immer eingeschlossen. Sage mir doch aber, was es ist. Ist es eine Sache, die für mich zu stark und gewalttätig ist, so daß ich sie nicht aufnehmen kann? Sage mir doch überhaupt, ob



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die Leute so stark und gewalttätig sind, daß ich nicht mit ihnen fertig werde? Bin ich wirklich schwächer als andere Leute?" Die Alte betrachtete den Burschen und sah wieder, daß er stark und schön war. Die Alte lachte.

Die Alte sagte: "Du bist der stärkste und schönste Bursche im ganzen Dorfe. Und ich komme ja gerade, weil ich hörte, daß du stärker bist als andere. Draußen ist nämlich das Pferd deines Vaters, das keiner reiten kann. Dein Vater hat seinen Knecht mitgenommen. Nun wollte ich dich fragen, ob du es unternehmen willst, heute einmal das Pferd zu reiten. Die andern Burschen können es nicht. Du allein bist stark genug." Der Bursche sagte: "Laß das Pferd herbeiführen, ich will es sogleich versuchen."

Die Alte ging hinaus. Sie sagte zu den Leuten, die sie gesandt hatten, daß sie das versteckte Kind des abwesenden Mannes herausrufe: "Ihr Leute, geduldet euch einen Augenblick. Das versteckte Kind des abwesenden Vaters wird sogleich herauskommen. Haltet also das Geschenk, das ihr mir versprochen habt, bereit!" Als die Alte das gesagt hatte, liefen die versammelten Leute auseinander und riefen alle Freunde und Verwandte, die aus den Häusern und Gehöften noch nicht herausgekommen waren, zusammen. Nach einiger Zeit war die ganze Straße dicht mit Leuten gefüllt, und auf dem Platze vor dem Gehöft des abwesenden Mannes drängten sich die Leute in Scharen. Die Männer standen in Gruppen in der Mitte, die Frauen mehr an der Seite. Alle blickten auf das Tor des Gehöfts.

Der Bursche war aus der Kammer getreten. Er sah den Hof, er sah das Pferd. Er befühlte das Pferd und bestieg es. Er hieß die Hoftür öffnen. Er ritt durch die Hoftür auf den Platz. Er sah die Masse der Menschen. Er sah die Menge der dichtgedrängt stehenden Männer. Der Bursche sagte sich: "Mein Vater hat gesagt, daß die Leute gewalttätig sind. Diese Männer wollen mich sicherlich umbringen. Deshalb haben sie sich in dieser Menge versammelt. Sie sind aber alle nicht stärker als ich, und ich werde sie mit meinem Pferd niederreiten." Der Bursche stieß das Pferd in die Seiten, daß es aufstieg. Er stieß es wieder, daß es nach vorn sprang. Er zwang das Pferd, zwischen die Männer zu reiten. Er ritt die Männer nieder. Sein Pferd tötete die Männer mit den Hufen. Er schlug vom Pferde zwischen die Männer, daß sie blutend, verwundet oder betäubt zu Boden sanken! Die Männer drängten sich angstvoll zur Seite. Die Frauen kreischten und verkrochen sich in den Häusern. Der Bursche ritt über den Platz und dann den Weg hinab. Er sagte:



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"Die Leute sind sicherlich nicht stärker als ich." Der Bursche lenkte das Pferd zur Quelle, damit es saufen könne.

Die Leute im Dorfe schrien und kreischten. Sie trugen die Toten und Verwundeten fort. Sie jammerten und riefen laut: "Wo ist die Alte, die den gewalttätigen Burschen unter uns gebracht hat! Die Alte soll zur Rechenschaft gezogen werden. Die Alte ist daran schuld, daß so viele getötet und verwundet worden sind." Die Alte versteckte sich. Die Leute fanden sie aber und zogen sie aus ihrem Versteck heraus und bedrohten sie. Die Alte wehklagte und sagte: "Erst habt ihr geschworen, mir ein Geschenk geben zu wollen, wenn ich das versteckte Kind des abwesenden Mannes aus dem Hause unter euch bringe. Und jetzt, wo ich das, worum ihr mich batet, erfüllt habe, jetzt bedroht ihr mich. Wollt ihr derart euern Schwur halten?"

Die Leute sagten aber: "Wir wollen dir dein Geschenk nicht vorenthalten. Wir wollen es dir geben, ganz wie wir es geschworen haben. Wir geben es dir aber nicht eher, als bis du den Burschen, den du unter uns brachtest, auch wieder weggeschafft hast. Wir verlangen das von dir. Denn wenn du den Burschen herbeischaffen konntest, kannst du ihn auch wieder wegschaffen. Tue dies schnell, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet; denn sonst bringen wir dir jeden Schaden, der aus seiner Kraft und Gewalttätigkeit entsteht, bei Auszahlung des Geschenkes in Anrechnung. Bist du damit einverstanden oder nicht?" Die Alte sagte: "Ihr seid mir, einer alten Frau gegenüber, nicht gerecht; ich will aber sehen, was ich tun kann." Die Alte ging von dannen.

Die Alte ging dem Burschen nach und kam an die Quelle, wo er das Pferd saufen lassen wollte. Die Alte ging an ihm vorüber und hockte an der Quelle nieder. Sie nahm ihren Stock und rührte damit auf dem Boden der Quelle den Sand auf. Das Wasser wurde trübe. Das Pferd wollte trinken und senkte den Kopf. Das Wasser war aber so trübe, daß das Pferd den Kopf wieder hob und nicht trank. Der Bursche wurde wütend und sagte: "Alte, weshalb verunreinigst du das Wasser so, daß mein Pferd nicht davon trinken will. Mach, daß du fortkommst oder ich reite dich nieder!"

Die Alte sagte: "Ho! Ho! Ho! Sei nicht so stolz. Du hast die Nuja (oder Nuscha) noch nicht geheiratet!" Der Bursche sagte: "Wer ist die Nuja? Weshalb soll ich sie nicht heiraten können. Ich kann es gerade so gut wie ein anderer Mann. Schnell sage mir den Weg zu der Nuja." Die Alte sagte: "Die Nuja ist ein sehr schönes



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Mädchen. Sie ist aber die Tochter der Imaschada. Die Imaschada ist eine Teriel, die alle Menschen verschlingt, die in ihre Nähe kommen. Diese Teriel wohnt mit ihrer schönen Tochter in jenem* großen Walde, der ganz weit dort drüben liegt. Nur ein sehr kluger und starker Mann kann die Nuja zur Frau gewinnen. Der Mann aber, dem das gelingt, der hat ein Recht, stolz auf seine Klugheit und Kraft zu sein."

Der Bursche ließ sein Pferd saufen. Dann ritt er von dannen, dem großen Walde zu. Die Alte kehrte zurück in das Dorf und sagte zu den Leuten: "Ihr habt mir ein Geschenk zugeschworen, wenn ich das versteckte Kind des abwesenden Mannes unter euch bringe. Nachdem ich dies bewerkstelligt habe, verlangtet ihr, ich sollte das Kind des abwesenden Mannes auch wieder entfernen und verspracht mir, das Geschenk mir danach aushändigen zu wollen. Ich habe den Burschen zu der Teriel Imaschada geschickt. Die wird ihn verschlingen. Gebt mir das Geschenk, das ihr mir zugeschworen habt!"

Die Leute waren froh darüber, daß das versteckte Kind des abwesenden Mannes entfernt war. Sie gaben der Alten das Geschenk.

Der Bursche ritt einen Tag lang nach Westen. Am Abend kam er an ein Dorf. Er fragte, ob jemand ihm den Weg zur Nuja zeigen könne. Kein Mensch im Dorfe wußte, wer Nuja sei. Der Bursche blieb über Nacht in dem Dorfe, brach am andern Tage früh auf und ritt bis zum Abend immer nach Westen. Abends kam er in ein Dorf. Er fragte, ob jemand ihm den Weg zur Nuja zeigen könne. Aber auch in diesem Dorfe wußte niemand, wer Nuja sei. Und so ritt der Bursche sieben Tage lang, täglich vom Morgen bis zum Abend, und an jedem Abend stieg er in einem Dorfe ab und fragte nach Nuja. Die Leute des Dorfes, das er am siebenten Tage erreichte, wußten aber ebenfalls so wenig zu sagen, wer Nuja sei, wie die Leute im Rastort des ersten Tages.

Am achten Tage kam der Bursche in den großen Wald, und nachdem er lange darin geritten war, sah er in der Entfernung ein Haus. Er stieg vom Pferde, band das Pferd an und ging auf das Haus zu. Er klopfte. Die Tür ward geöffnet und ein sehr schönes Mädchen trat heraus. Der Bursche sagte: "Du bist sicherlich Nuja!" Das Mädchen sagte: "Was hat dich hierher geführt?" Der Bursche 

* Der Erzähler ergänzt in Parenthese, daß die Alte nach Westen dabei zeigte.


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sagte: "Dein leuchtend schönes Antlitz hat mich hierher geführt." Nuja fragte: "Was willst du von mir?" Der Bursche sagte: "Ich will dich zur Frau gewinnen." Nuja sagte: "Weißt du denn nicht, daß ich die Tochter der Teriel Imaschada bin, die alles, was in die Nähe kommt, verschlingt?" Der Bursche sagte: "Was kümmert mich der Hunger deiner Mutter! Ich bin deines leuchtend schönen Antlitzes wegen hergekommen und will dich heiraten." Nuja sagte: "Wer bist du?" Der Bursche sagte: "Ich bin das Kind, das der Vater versteckt gehalten hat, bis es erwachsen war, und das erst vor sieben Tagen den Himmel gesehen hat." Nuja sagte: "Dann komm herein. Ich will dich zuerst vor meiner Mutter verstecken; meine Mutter kommt vom Acker, wenn die Sonne untergeht." Nuja versteckte den Burschen in der Baerka.

Als es Abend war, kam die Teriel vom Felde heim und betrat das Gehöft. In dem Augenblick begann der Hahn zu schreien und sang (!): "Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt. Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt! Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt!" Die alte Teriel hörte nicht recht, denn sie war etwas taub. Die alte Teriel rief infolgedessen ihre Tochter und sagte: "Nuja, der Hahn singt heute ohne Aufhören. Ich kann ihn aber nicht verstehen. Was singt er eigentlich ?" Nuja sagte: "Der Hahn singt: ,Morgen will ich getötet werden. Die Mutter soll meinen Kopf und meinen Schwanz essen, und die Tochter soll das andre essen!'" Die Teriel sagte: "Ai! Ai! Ai! also so singt der Hahn. Nun dann töte ihn nur morgen früh, koche ihn und gib mir den Kopf und den Schwanz und iß du selbst das andere!" Nuja sagte: "Ich werde es tun."

Am andern Tage schlachtete Nuja ganz früh den Hahn. Darauf ging die alte Teriel auf den Acker. Sobald sie aber fort war, kam der Bursche aus der Baerka heraus und unterhielt sich mit Nuja. Nuja bereitete den Hahn, legte Kopf und Schwanz beiseite und aß mit dem Burschen. Sie gab dem Burschen die besten Stücke. Als der Abend hereinbrach, stieg der Bursche wieder in die Baerka.

Die alte Teriel kam mit einbrechender Nacht nach Hause. Nuja setzte ihr das Essen vor und hatte dabei den Schwanz und den Kopf auf den Brei gelegt. Die Alte aß. Während sie aß, begann der Widder zu schreien und sang: "Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt! Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt! Nuja hat einen Mann in der Baerka versteckt!" Die alte Teriel hörte den Widder singen und rief: "Nuja, meine Tochter, komme doch einmal



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her und sage mir, was der Widder heute eigentlich in einem fort singt. Ich höre heute etwas schwer." Nuja sagte: "Der Widder singt: ,Morgen will ich geschlachtet werden. Die Mutter soll meinen Kopf und meinen Schwanz essen, und die Tochter soll das übrige bekommen!'" Die Teriel sagte: "Ai! Ai! Ai! Also so singt der Widder. Nun, dann schlachte ihn nur morgen früh. Koche ihn, gib mir Kopf und Schwanz und iß du selbst das andere!" Nuja sagte: "Ich werde es tun."

Am andern Morgen schlachtete Nuja vor Tag den Widder. Darauf ging die alte Teriel ganz früh zur Arbeit. Sobald sie weg war, stieg der Bursche aus der Baerka und unterhielt sich mit Nuja. Nuja bereitete den Widder, legte Kopf und Schwanz beiseite und aß mit dem Burschen. Sie gab, wie am Tage vorher, dem Burschen die besten Stücke. Der Bursche sagte: "Heute Nacht wollen wir uns auf den Rückweg in mein Dorf machen." Nuja sagte: "Es ist mir recht. Ich werde sehen, wann meine Mutter am festesten schläft." Als der Abend hereinbrach, stieg der Bursche wieder in die Baerka.

Die alte Teriel kehrte mit einbrechender Nacht nach Hause zurück. Nuja brachte ihr den Brei, auf den sie den Kopf und den Schwanz des Widders gelegt hatte. Die Mutter begann zu essen. Nuja saß neben ihr und fragte: "Wann in der Nacht schläfst du eigentlich am festesten, meine Mutter?" Die alte Teriel sagte: "Ich schlafe dann am festesten, wenn die Frösche, die ich tagsüber gegessen habe, in meinem Bauche zu quaken beginnen." — Kurze Zeit nachher streckten sich die alte Teriel und die Tochter jede auf ihrem Lager aus. Nuja schlief aber nicht. Sie wartete und horchte zu dem Lager der Mutter hinüber.

Als es Mitternacht war, hörte Nuja, daß die Frösche im Leibe ihrer Mutter zu quaken begannen. Erst quakten die Frösche nur leise, nachher wurden sie lauter. Da erhob sich Nuja, schlich zu der Baerka und weckte den Burschen. Sie sagte: "Komm schnell! Meine Mutter, die Teriel, schläft jetzt ganz fest." Nuja half dem Burschen zur Baerka hinaus, öffnete die Haustür und dann schlüpften beide hinaus.

Der Bursche lief mit Nuja von dannen, so schnell er konnte. Sie liefen, bis sie an einen Wald kamen. Der Wald war dicht. Sie kamen im Walde nur ganz langsam vorwärts. Nuja sagte: "Guter Wald aus Seide (=la'hrir, also wie im Arabischen) laß mich doch hindurch! Ich bitte dich!" Da wurde der Wald weich wie Seide.



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Nuja konnte mit dem Burschen bequem hindurch. Dann liefen sie wieder schnell von dannen, so weit und so schnell es nur möglich war.

Nachdem sie wieder ein gutes Stück gelaufen waren, kamen sie an einen breiten Fluß, der war geschwollen und so hoch mit Wasser gefüllt, daß der Bursche mit Nuja nicht hindurchkam. Da sagte Nuja zum Flusse: "Du guter Fluß von Honig und Milch, laß mich doch hindurch! Ich bitte dich!" Da sank die Schwellung des Flusses, und er wurde seicht und zeigte ein Bett. Nuja und der Bursche konnten, ohne den Fuß zu benetzen, hindurchgehen. Dann liefen sie wieder weiter.

Die Teriel erwachte inzwischen. Sie rief laut nach ihrer Tochter. Die Tochter antwortete nicht. Die Teriel rief abermals. Die Tochter antwortete wieder nicht. Die Teriel rief zum drittenmal, und als die Tochter abermals nicht antwortete, stand sie auf, ging zum Lager Nujas, um zu sehen, weshalb ihre Tochter nicht antwortete. Da sah sie, daß Nuja nicht auf ihrem Lager war. Sie sah, daß der Deckel der Baerka weggenommen war. Sie sah, daß die Haustüre offen stand. Sie erkannte, daß Nuja fortgelaufen war und rannte, so schnell sie konnte, hinter Nuja und dem Burschen her.

Die Teriel konnte sehr schnell laufen. Sie konnte schneller laufen als Nuja und der Bursche. Nach einiger Zeit kam sie aber an den Wald, und der Wald war so dicht, daß sie nur sehr langsam vorwärts kam. Da fluchte sie und sagte: "Du schmutziger Wald der Wildschweine! Schnell, laß mich hindurch!" Der Wald ergrimmte. Er wurde dichter und dichter. Die Teriel kam nur mit der größten Mühe und sehr langsam vorwärts. Als sie endlich wieder im Freien war, rannte sie so schnell wie möglich hinter Nuja und dem Burschen her.

Die Teriel lief sehr schnell. Sie lief viel schneller als Nuja und der Bursche laufen konnten. Sie kam ganz dicht an Nuja und den Burschen heran. Nuja und der Bursche waren gerade drüben auf das andere Ufer gekommen und eilten weiter, da langte die Teriel auf jener Seite des Flusses an. Der Fluß war wieder mit Wasser gefüllt, und die Teriel sah, daß sie nicht über den Fluß hinweg kam. Da fluchte sie und schrie: "Du schmutziger Kotfluß! Schnell, laß mich hindurch!" Darüber wurde der Fluß zornig und stieg und stieg und wurde so reißend, daß er große Bäume und Felsblöcke mit sich fortschwemmte.

Die Teriel sah, daß sie nicht über den Fluß hinwegkommen und



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daß Nuja ihr mit dem Burschen auf der andern Seite des Flusses entfliehen würde. Sie stieg auf einen Baum und schrie laut: "Nuja! Nuja! Nuja!" Nuja hielt an im Laufen und antwortete: "Hier sind wir!" Die alte Teriel hörte Nuja und fluchte: "Du und dein Mann ihr sollt schwarz wie Kochtöpfe werden!" Nuja antwortete und rief: "Meine Mutter, denke, daß du meine Mutter bist! Denke, daß ich meinen Gatten vor dir schützen muß. Sprich nicht so schlechte Worte zum Abschied. Sprich gute Worte mit deiner Tochter!" Die Teriel dachte daran, daß Nuja ihre Tochter sei. Die Teriel vergaß ihren Zorn und ihre Wut. Die Teriel rief: "Gut denn! Du hast recht, Nuja. Ich will dich also zur Sonne und deinen Mann zum Mond machen." Nuja rief: "Ich danke dir, meine Mutter!"

Nuja und der Bursche gingen weiter. Die alte Teriel saß noch auf dem Baume. Die alte Teriel rief nach einiger Zeit: "Nuja! Nuja! Nuja!" Nuja antwortete: "Hier sind wir, meine Mutter!" Die Teriel rief: "Noch eines muß ich dir sagen, meine Tochter! Wenn ihr auf dem Wege zwei Adler trefft, die sich streiten, so trennt sie nicht!" Nuja sagte: "Ich danke dir, meine Mutter!" Die Alte stieg vom Baume und ging nach Hause. Nuja und der Bursche gingen weiter, auf das Dorf des Burschen zu.



***
Nuja und der Bursche gingen immer weiter. Sie waren schon ganz dicht am Dorfe des Vaters des Burschen, da sahen sie eines Tages zwei Adler, die miteinander stritten. Der Bursche ging auf sie zu. Nuja wollte den Burschen durch Zurufe zurückhalten. Der Bursche hörte nicht. Der Bursche trennte die beiden Streitenden. Einer der beiden Adler packte darauf aber den Burschen und nahm ihn unter den Flügel.

Der Bursche wurde vom Adler weggetragen. Er rief Nuja aber noch zu: "Gehe auf jene Weide zu. Die Kühe dort sind die Kühe meines Vaters, die von einer Negerin gehütet werden. Gehe dorthin, schlage die Negerin tot, ziehe die Haut ab und selbst über. Abends wird dir die Herde heimkehrend den Weg in das Gehöft meines Vaters zeigen. Man wird dich für die Negerin halten, und du bist so gut untergebracht." Der Adler flog langsam mit dem Burschen von dannen.

Nuja ging dahin, wo der Bursche ihr die Weide der Rinder seines Vaters gezeigt hatte. Sie fand die Negerin, die die Herde hütete. Nuja trat auf die Negerin zu, erschlug sie und zog ihr die Haut ab. Die Haut zog Nuja über. Nuja sah nun aus wie die Negerin. Abends



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zog die Herde, ohne daß Nuja sie zu treiben brauchte, allein nach dem Dorfe und in das Gehöft, in dem sie zu Hause war. Nuja ging immer hinterher, und so kam sie, ohne es nötig zu haben, jemand zu fragen, richtig im Gehöft des Vaters ihres Gatten an. Im Gehöft beachtete niemand die Negerin. Sie legte sich in ihren Winkel, und kein Mensch kam in dem Gehöft auf den Gedanken, daß unter der schwarzen Haut jemand anders als die alteingesessene Negerin stecken könnte. — Nuja schlief sogleich ein.

Am andern Morgen trieb die schwarze Nuja die Rinderherde wieder auf die Weide, und am Abend kehrte sie mit der Rinderherde zurück. Am zweiten Abend hatte Nuja sich aber schon mehr ausgeruht, und sie blieb deswegen länger wach und hörte alle Geräusche des Gehöfts. So hörte sie denn, wie in der Kammer nebenan der Vater ihres Gatten, ehe er einschlief, weinte und laut klagte: "Wenn ich doch wüßte, ob mein Sohn gestorben ist oder ob er noch lebt! Mein Sohn hat mich verlassen und ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Ich habe meinen Sohn beschützt und gehütet; ich habe ihn versteckt gehalten, um alle Gefahr von ihm fernzuhalten. Und nun ist er doch verschwunden, ohne daß ich weiß, was aus ihm geworden ist." Erst spät in der Nacht verstummte die Klage des Vaters.

Die schwarze Nuja trieb am andern Tage die Herde auf die Weide; sie blieb aber nicht mehr immer am gleichen Platze, sondern sie trieb sie bald hierhin, bald dorthin. Jeden Abend kam sie, wie am ersten Tage, von der gleichen Seite zur selben Stunde nach Hause; jede Nacht hörte sie die Klage des Vaters; jeden Morgen brach sie zur gleichen Zeit mit der Herde auf. Tagsüber war sie bald hier, bald dort und achtete dabei auf die Flügel der Adler, die vom hohen Berge herabkamen. Sie lernte so die einzelnen Adler und ihr Gebaren sehr genau kennen.




***
Eines Morgens sagte sie, ehe sie die Herde auf die Weide trieb, zu dem Vater: "In dieser Nacht habe ich einen guten Traum gehabt, den ich dir erzählen möchte, denn er handelt von deinem Sohn, der nun so lange verschwunden ist." Der Vater sagte: "Erzähl' mir sogleich!" Die schwarze Nuja sagte: "Dein Sohn erschien mir im Traume, rief mich an und sagte: ,Negerin! sage meinem Vater, er solle einen Stock nehmen und einen Ochsen auf jene Wiese dort treiben, auf der des Mittags immer die Adler zusammenkommen. Mein Vater soll auf der Wiese den Ochsen schlachten und sein


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Fleisch den Adlern zum Fraße anbieten. Die Adler werden kommen und sich auf das Fleisch stürzen, um es zu fressen. Er soll mit dem Stock in der Hand daneben stehen und wohl aufmerken. Einige Adler werden ganz schnell fliegen, schnell kommen und schnell gehen. Einige sind ganz alt oder ganz jung, diese werden langsamer fliegen und kommen und gehen. Ein Adler wird aber ganz langsam kommen und schwerfällig hüpfen, trotzdem er weder ganz jung noch ganz alt ist. Mein Vater wird diesen Adler daran erkennen, daß er den einen Flügel kaum gebrauchen kann. Diesen Adler soll mein Vater im Auge behalten, und sobald er in seine Nähe kommt, soll er mit dem Stock auf ihn schlagen. Der Adler wird dann seine Flügel senken, und ich werde unter dem Flügel herabfallen, denn dieser Adler hält mich unter seinem Flügel gefangen.' —So hat mir dein Sohn gesagt."

Der Vater sagte: "Negerin, kannst du mir genau die Weide sagen, die mein Sohn gemeint hat?" Die schwarze Nuja sagte: "Ja, ich kann es." Da wählte der Vater einen feisten Ochsen, ergriff einen Stock und sagte zur schwarzen Nuja: "Geh voran und zeige mir den Weg!" Die schwarze Nuja ging voran. Sie führte den Vater dahin, wo sie die Adler hatte von den Bergen herabkommen und spielen sehen. Sie sagte: "Diesen Platz hat dein Sohn mir gewiesen." Der Vater schlachtete sogleich den Ochsen und warf den Adlern das feiste Fleisch hin. Die Adler kamen von allen Seiten. Einige flogen schnell, andere langsamer, weil einige stark und jung, andere schon zu alt oder noch nicht ausgewachsen waren. Zuletzt kam aber ein starker großer Adler langsam angeflogen, der zog einen Flügel halb hängend nach und hüpfte, als er zur Erde gekommen war, schwerfällig einher.

Die schwarze Nuja sagte zu dem Vater: "Dieser Adler dort muß es sein, der deinen Sohn unter dem Flügel gefangen hält. Warte, bis der Adler ganz nahe herangekommen ist und schlage auf ihn!" Der Vater nahm den Stock fest in die Hand. Er ließ den Adler ganz dicht herankommen, dann sprang er auf ihn zu und schlug ihn mit aller Kraft auf den Rücken. Sowie der Adler getroffen war, breitete er seine Flügel hängend zum Fortfliegen aus, und sogleich fiel etwas Großes und Schweres unter dem Flügel zu Boden. Das war der Sohn des Vaters, der Gatte Nujas.

Der Vater schrie vor Freude. Der Vater geleitete seinen Sohn nach Hause. Der Vater sagte: "Wir wollen ein großes Fest veranstalten." Der Sohn sagte: "Warte, mein Vater. Warte noch acht



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Tage, dann werde ich heiraten." Der Vater sagte: "Wen willst du heiraten?" Der Sohn sagte: "Warte acht Tage, dann werde ich es dir sagen."

Nachdem die acht Tage verflossen waren, sagte der Vater zum Sohne: "Wir wollen ein Fest veranstalten. Du willst heiraten und das ist recht, denn du bist in dem gehörigen Alter. Sage mir nun, welches Mädchen du heiraten willst." Der Sohn sagte: "Mein Vater, ich will die Negerin heiraten, die unser Vieh hütet!" Der Vater erschrak. Der Vater sagte: "Was sagst du? Du willst die Negerin heiraten? Bedenke doch, daß du der Sohn einer guten Familie bist. Du wirst uns entehren, indem du die schlechte Negerin heiratest." Der Sohn sagte: "Mein Vater, es hilft alles Reden nichts. Ich werde es tun." Darauf wurde der Vater sehr traurig, und wenn die schwarze Nuja sich abends auf ihrem Lager ausstreckte, hörte sie, wie der Vater in seiner Kammer über die schlechte Absicht seines Sohnes weinte und jammerte.

Das große Fest wurde aber doch veranstaltet. Viele Freunde und Verwandte kamen von allen Seiten. Viele spotteten über die schwarze Negerin, die der Sohn heiraten wolle. Der Bursche sagte: "Was tut ihr? Ihr lacht? Wißt ihr, daß kein einziger von euch eine Frau hat, auf deren Besitz er so stolz sein kann wie ich? Seht nun, wie meine schwarze Negerin aussieht, wenn man sie näher betrachtet!"

Der Sohn schlang eine Schnur um die schwarze Negerin und zog sie daran an der Decke auf. Sodann schlug er mit einem Stocke nach ihr. Da fiel die schwarze Haut von Nuja, und sie zeigte sich nun allen in ihrer leuchtenden Schönheit.



32. Die Lebenslampen der Teriel

Ein Jäger jagte eine lange Zeit mit allen seinen Brüdern und Verwandten in einer Gegend. Eines Tages aber hatten er und seine Leute alle Tiere in diesem Gebiet abgejagt, und es gab nun nichts mehr. Da rief der Jäger alle seine Angehörigen zusammen und sagte: "Wir haben alles getötet, was hier im Lande zu erjagen war. Nun wollen wir ein anderes Gebiet aufsuchen. Bereitet euch zu der Wanderung vor." Der Jäger zog dann mit seinen sieben Frauen und seinen Brüdern und Angehörigen weiter.

Der Jäger siedelte sich in einem Gebiete an, in dem eine Teriel wohnte, was ihm und seinen Angehörigen zunächst unbekannt war.



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Diese Teriel hatte die Gewohnheit, sich in eine Kamelstute zu verwandeln und im Walde und in der Steppe in dieser Gestalt umherzuwandern. Traf die Kamelstute dann einen einzelnen Mann, so pflegte sie ihn unversehens mitsamt seinem Pferde zu verschlingen. Traf sie mehrere Leute auf einmal, so unternahm sie nichts, sondern graste gelassen vor sich hin. So kam es denn, daß der Jäger einen seiner Brüder und Angehörigen nach dem andern verlor und daß keiner der Jäger, die allein auszogen, je wieder heimkehrte. Zuletzt blieb er mit einem einzigen Bruder noch übrig.

Der Jäger sagte sich: "Jedesmal, wenn einer von meinen Leuten allein zur Jagd aufgebrochen ist, kam er nicht wieder. Ich will nun sehen, was die Ursache ist und wem ich den Verlust, der mich so betroffen hat, zu verdanken habe."

Er rief den letzten seiner Brüder herbei und sagte: "Führe mein Pferd an die Quelle dort jenseits des Dorfes und laß es saufen." Der Bruder bestieg das Pferd und ritt von dannen. Der Jäger aber folgte ihm heimlich und wohl verdeckt durch das Gebüsch.

Der Jäger sah nun, wie der Bruder auf dem Pferde bis zur Quelle ritt, wie dann die Kamelstute, die dort gerade graste, herankam und unversehens den Bruder mitsamt dem Pferde verschlang. Darüber erschrak der Jäger so, daß er aufsprang und von dannen lief, in dem Bestreben, in der größtdenkbaren Geschwindigkeit das nächste Dorf zu erreichen. Das aber sah die Kamelstute. Der Jäger lief sehr eilig auf das Dorf zu. Die als Kamelstute verwandelte Teriel rannte ebenso schnell hinter ihm her.

Der Jäger lief in das Dorf und sprang auf den Platz, wo die Männer versammelt waren und auf steinernen Bänken in der Runde saßen. Der Jäger setzte sich auf eine der Steinbänke mitten zwischen die andern Männer. Gleich darauf kam die in eine Kamelstute verwandelte Teriel am Dorfe an. Sie legte die Gestalt der Kamelstute ab und betrat als ein sehr schönes Mädchen in herrlicher Kleidung das Dorf. Sie ging durch das Dorf und begab sich sogleich auf den Platz, wo die Männer saßen. Alle Männer sahen sie erstaunt an, denn sie war sehr schön. Der Jäger erschrak, denn er sah, daß es die Teriel war, die als Kamelstute alle seine Angehörigen auf der Jagd verschlungen hatte.

Das schöne Mädchen setzte sich auf eine Steinbank, so daß es zwischen den Jäger und einen andern Mann zu sitzen kam. Die Männer waren über die Schönheit des Mädchens so erstaunt, daß keiner ein Wort zu sagen wagte. Das Mädchen aber sagte zu den



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Männern: "Ich bin ein Mädchen, das hierhergekommen ist, um zu heiraten. Ich will einen Mann heiraten, der stärker ist, als ich es bin. Wer von euch mit mir ringt und mich als erster zu Boden wirft, den werde ich heiraten. Ich werde aber keinen von denen, die ich zu Boden zu werfen imstande bin, heiraten." Alle Männer bis auf den Jäger standen auf und jeder bat, ihm den Vortritt im Ringen zu überlassen, denn jeder meinte, das schöne Mädchen überwinden zu können. Das schöne Mädchen warf aber einen nach dem andern zu Boden, so daß zuletzt nur noch der Jäger da war, der sich aber nicht zum Ringen gemeldet hatte.

Das schöne Mädchen trat auf den Jäger zu. Das schöne Mädchen sagte: "Willst du nicht auch mit mir ringen. Du bist der einzige, der nicht um mich wirbt, und gerade mit dir möchte ich kämpfen." Der Jäger sah, daß es ein sehr schönes Mädchen war. Er wußte aber auch, daß es dieselbe Teriel war, die als Kamelstute seine Brüder und Angehörigen verschlungen hatte. Der Jäger fürchtete sich. Er stand nur langsam auf, als das schöne Mädchen ihn zum Ringen aufforderte. Er trat aber doch dem schönen Mädchen entgegen, denn er schämte sich vor den andern Männern, Furcht zu zeigen.

Der Jäger faßte das schöne Mädchen zögernd an. Er hatte sie nur erst berührt, da fiel das Mädchen auch schon zu Boden und sagte: "Du hast mich besiegt! Du bist der einzige von allen, die mit mir gerungen haben und die ich nicht besiegte, deshalb werde ich deine Frau werden." Der Jäger sah, daß das Mädchen schön war. Aber er sah auch, daß er dem Mädchen nicht entgehen konnte und daß er sie zur Frau nehmen müßte. Der Jäger heiratete die Teriel.

Einige Tage, nachdem er mit der Teriel verheiratet war, sagte er zu ihr: "Ich will jetzt in mein Jagdgebiet gehen. Bleibe du hier. Ich werde von Zeit zu Zeit zu dir kommen und für dich sorgen." Die Teriel sagte: "Nimm mich mit in dein Jagdgebiet." Der Jäger sagte: "Das kann ich nicht, denn im Jagdgebiet ist meine Familie. Da sind alle meine Angehörigen, die Söhne meiner Brüder, meine Vettern und meine sieben Frauen. Du aber bist eine Teriel und würdest sie alle verschlingen." Die Teriel sagte: "Ich schwöre, daß ich keinem deiner Anverwandten etwas tun werde, denn ich bin jetzt mit dir verheiratet. Nur deine sieben Frauen, die schaffe fort, denn mit diesen kann ich nicht im Guten leben. Diese sieben Frauen und die Kinder, die du von andern Frauen hast, werde ich verschlingen." Der Jäger sah, daß er seine Frauen nicht vor der Teriel



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werde schützen können, wenn er sie nicht sehr gut versteckte. Er sah auch, daß die Teriel unbedingt mit ihm in sein Jagdgebiet würde kommen wollen. Er sagte deshalb zu seiner schönen Frau, der Teriel: "Warte hier, ich will meine sieben Frauen erst fortschaffen, denn ich will nicht, daß du sie und die Kinder, die sie erwarten, verschlingst. Habe ich sie fortgeschafft, so komme ich zurück und hole dich in mein Jagdgebiet."

Der Jäger ging sogleich nach Hause. Er grub nahe dem Dorfe, das er mit seinen Verwandten im neuen Jagdgebiet bewohnte, ein gewaltiges Loch in die Erde. Er machte Kammern hinein und stellte alles hin, was zum Leben notwendig war. Vor allem brachte er so viele Nahrungsmittel hinunter, daß die sieben Frauen auf lange Monate daran genug haben mußten. Dann hieß er die sieben Frauen, die alle seit kurzem guter Hoffnung waren, aber ihre Kinder in verschiedenen Zeitabständen erwarteten, eintreten, tröstete sie, zeigte ihnen alles und deckte das Ganze dann mit einem flachen Dache und Erde so zu, daß niemand die Behausung unter der Erde erkennen konnte.

Nachdem er dies getan hatte, kehrte er in das Dorf zurück, in dem er die Teriel geheiratet hatte und brachte die junge schöne Frau in sein Dorf zu seinen Verwandten. Und die Teriel hielt, was sie geschworen hatte, sie verschlang keinen der Verwandten des Jägers mehr.

Inzwischen gebar unter der Erde die älteste der sieben Frauen ihr Kind. Die Frauen jammerten, und die ältesten sechs Frauen sagten: "Was soll nun mit diesem und nachher mit unsern sechs Kindern werden. Wir können uns hier nicht einmal selbst ordentlich ernähren. Wie sollen wir unsere Kinder großziehen!" Die sechs ältesten Frauen klagten und jammerten. Nur die jüngste der sieben Frauen klagte und jammerte nicht, trotzdem sie auch guter Hoffnung war. Die sechs ältesten Frauen beschlossen, das erste der bisher in der unterirdischen Wohnung geborene Kind sogleich zu töten, es in sieben Teile zu zerlegen und zu verzehren. Sie taten so. Sie töteten das Kind und gaben jeder ein Stück. Sie alle verzehrten das, was sie erhalten hatten. Nur die Jüngste legte ihr Stück beiseite, hob es auf und genoß es nicht.

Nach einem Monat gebar die zweite Frau ihr Kind. Wieder jammerten und wehklagten die ältesten sechs Frauen. Wieder beschlossen sie, das Kind zu töten. Wieder teilten sie das getötete



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Kind und verzehrten eine jede ihren Anteil bis auf die Jüngste der sieben Frauen. Sie bewahrte das ihr zugewiesene Stück auf.

Jeden Monat gebar eine andere unter den Frauen. Nach sechs Monaten hatten die ältesten sechs Frauen ihre Kinder geboren, getötet, verteilt und ihre Anteile aufgegessen. Nur die siebente und jüngste unter den Frauen bewahrte ihre Anteile auf und genoß nichts davon. Im siebenten Monate kam aber auch sie nieder, und kaum hatte sie ihren Knaben geboren, so kamen die ältesten sechs Frauen und forderten sie unter Jammern und Wehklagen auf, nun auch gleich ihnen zu tun, ihren Knaben zu töten und mit den andern zu teilen.

Die jüngste der sieben Frauen, die soeben ihren Knaben geboren hatte, hörte alles mit an und sagte dann: "Ich werde dies nicht so tun wie ihr!" Da wurden die andern sechs böse und sagten: "Du hast von jeder von uns ein Stück ihres Kindes gegessen und nun fordern wir das gleiche zurück." Die Jüngste sagte: "Ihr irrt euch. Ich habe das nicht gegessen, vielmehr gebe ich euch hiermit das, was ihr mir gegeben habt, zurück." Und sie überreichte die Teile der sechs erstgeborenen Kinder den Müttern. Dann sagte sie: "Ich werde mein Kind nicht töten. Ich werde ihm alles geben, was wir ihm bieten können, und ich glaube, daß es groß und stark werden wird, ohne daß euch deshalb etwas abgehen soll." Die ältesten sechs Mütter sagten gar nichts. Sie verzehrten die Teile ihrer Kinder, die sie von der jüngsten Frau zurückerhalten hatten, und kümmerten sich nicht weiter um die jüngste Frau und ihr Kind.

Das Kind der jüngsten Frau war schon stark und kräftig, als es geboren wurde. Es wuchs schnell auf und lernte sehr schnell laufen. Das Kind begann bald mit Stöcken und Steinen zu spielen. Eines Tages durchbohrte das Kind einen Stein, steckte ihn an die Spitze eines Stockes und begann damit an der Decke der unterirdischen Kammer zu kratzen. Der Knabe kratzte und kratzte und hörte nicht eher auf, als bis die Decke, mit der die unterirdische Wohnung von dem Jäger versehen war, durchgescheuert war und nun das Tageslicht hereinfiel.

Der Knabe lief zu seiner Mutter und sagte: "Meine Mutter, sage mir, was ist das?" Die Mutter sagte: "Das ist das Licht der Sonne. Die Menschen leben sonst nicht wie wir unter der Erde, sondern unter dem hellen Himmel auf der Erde." Der Knabe fragte: "Meine Mutter, weshalb leben wir denn im Dunkeln unter der Erde, wenn die andern Menschen im Licht auf der Erde wohnen?" Die



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Mutter sagte: "Dein Vater ist ein großer Jäger. Deshalb hat eine Teriel deinen Vater gezwungen, sie zu heiraten, und damit die Teriel nun uns, die andern Frauen deines Vaters und dich, seinen Sohn, nicht frißt, hat er uns diese Wohnung unter der Erde gebaut, und deshalb wohnen wir im Dunkeln." Der Knabe hörte zu, was seine Mutter sagte. Als seine Mutter weggegangen war, öffnete er das Loch in der Decke noch mehr. Alle Tage erweiterte er die Öffnung.

Wenige Tage nachher war der Knabe schon so stark, daß er an den Stützbalken zur Decke hinaufklettern konnte. Der Knabe stieg durch die Öffnung in der Decke heraus. Er sah den Himmel vor sich. Er sah den Himmel; er sah die Bäume und Farmen. Er sah das Dorf seines Vaters. Doch wußte er nicht, daß dies das Dorf seines Vaters war. Am Eingang des Dorfes hatte ein Mann, der geschickt im Backen war, ein langes Brett neben sich gelegt, das war bedeckt mit Sphensch (= Backwerk). Der Mann verkaufte das Backwerk an Vorübergehende. Der Knabe setzte sich neben den Mann und sah ihm, ohne zu sprechen, bei seinem Geschäft zu. Von Zeit zu Zeit reichte er dem Manne dieses und jenes oder hob ihm etwas Heruntergefallenes auf. Den ganzen Tag über half er dein Bäcker, und abends erhob er sich und wollte gehen. Der Mann hatte an dem Tage alles verkauft. Es war nur ein einziges Stück Backwerk übriggeblieben. Als der Knabe gehen wollte, sagte er: "Hier! nimm dies mit!" Der Knabe bedankte sich und sagte: "Ich bitte dich, leihe mir für einen Augenblick dein Messer!" Der Mann gab es ihm, und der Knabe schnitt das Backwerk in acht Teile. Er gab dem Mann das Messer zurück, aß eines der acht Teile und lief fort zu dem Loche, durch das er die Behausung der sieben Frauen verlassen hatte.

Der Knabe stieg durch die Öffnung in der Decke herab, er ging zu seiner Mutter und gab ihr ein Stück von dem Backwerk. Er ging zu den älteren sechs Frauen und gab ihnen von dem Backwerk. Die Mutter war glücklich über ihren Sohn. Die Mutter bedankte sich und sagte: "Ich habe um dich Schmerzen gelitten. Du zahlst aber mit Freuden zurück." Die ältesten sechs Frauen begannen jedoch zu klagen und zu jammern, und sie schrien: "Oh, warum haben wir unsere sechs Kinder getötet! Hätten wir nicht unsere Kinder getötet und gegessen, so würden sie jetzt auch hingehen und Backwerk für uns erwerben und uns bringen." Die ältesten sechs Frauen waren sehr traurig.



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Am andern Morgen stieg der Knabe abermals durch die Deckenöffnung auf die Erde und lief wieder zu dem Manne, der vor dem Dorfe Sphensch verkaufte. Der Knabe half dem Manne tagsüber bei seinem Geschäft, erhielt abends sein Stück Backwerk, teilte es und brachte es heim. Gerade so wurde es auch am dritten Tage, und am vierten Tage saß der Knabe wieder bei dem Manne und verkaufte mit ihm Backwerk.

An diesem vierten Tage ging der große Jäger, der der Vater des Knaben und der Gatte der Teriel und der sieben eingeschlossenen Frauen war, vorüber. Der Vater sah den Knaben und fragte den Mann, der das Backwerk feilhielt: "Was hast du dir denn da für einen Gehilfen angeschafft?" Der Mann sagte: "Dieser Knabe kommt jeden Morgen von dort unten und steigt da aus dem Loche, er hilft mir tagsüber ein wenig, und ich gebe ihm abends dann ein Stück Backwerk. Das Stück teilt er in acht Teile und verzehrt eins davon. Die andern sieben trägt er in das Loch." Der Jäger betrachtete den Knaben und fragte: "Wem bringst du die sieben Stücke von dem Backwerk?" Der Knabe sagte: "Ich bringe ein Stück meiner Mutter und die andern den ältesten sechs Frauen meines Vaters, die mit meiner Mutter dort unten wohnen." Als der Jäger das gehört hatte, wußte er mit Gewißheit, daß der Knabe sein Sohn und dessen Mutter seine Gattin war. Der Jäger sagte das dem Knaben aber nicht. Er wandte sich jedoch an den Mann, der das Backwerk verkaufte und sagte: "Gib diesem Knaben jeden Tag statt des einen acht Stück Backwerk. Ich werde es dir bezahlen." Dann ging der Jäger weiter.

Der Knabe brachte nun an jedem Abend seiner Mutter und den älteren sechs Frauen sieben Stück Backwerk, und es herrschte große Freude darüber. Die Tage brachte er bei dem Manne zu, der das Backwerk feilhielt. Der Jäger kam nun oftmals vorüber und sah nach dem Knaben. Er kaufte ihm Kleider und was er sonst nötig hatte. Er sandte durch den Knaben alles in die unterirdische Behausung, was da vonnöten war, aber er sagte zu dem Knaben niemals, daß er sein Vater sei, und der Knabe wußte es nicht. Der Jäger wollte nicht, daß der Knabe von seiner schönen Frau, der Teriel, als sein Kind erkannt werde.

Als es Herbst wurde und die Feigen zu reifen begannen, suchte der Jäger den Knaben bei dem Verkaufen des Backwerkes auf und sagte zu ihm: "Komm mit mir." Der Jäger führte den Knaben zu seiner Farm und zeigte ihm die Feigenbäume. Er sagte zu ihm:



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"Sieh, diese Feigenbäume gehören mir, und ich gebe dir die Erlaubnis, jede Nacht zu kommen und von den Feigenbäumen*für deine Mutter zu nehmen, soviel du willst. Trage also reichlich da. von zu den sieben Frauen unter der Erde, merke dir aber eines recht genau: es ist sehr möglich, daß einmal eine Frau hierher kommt, die sehr schön anzusehen, aber eine Teriel ist. Wenn diese Frau dich hier trifft und dich fragt, wer deine Mutter oder dein Vater sei' so darfst du nicht das sagen, was du davon weißt und darfst nichts davon verlauten lassen, daß du eine Mutter unter der Erde hast. Die Teriel würde dich sogleich verschlingen. Sie würde zu deiner Mutter und den andern sechs Frauen hinuntersteigen und sie verschlingen. Wenn die Teriel kommt und dich fragt, wer dein Vater und deine Mutter sind, so antworte: ,Ich habe eine Mutter, das ist ein Feigenbaum'." Der Knabe versprach dem Vater, dies sich genau einprägen zu wollen.

Jede Nacht stieg der Knabe nun auf den Feigenbaum, pflückte die Feigen und brachte sie seiner Mutter und den andern sechs Frauen in die Behausung unter der Erde. Die Mutter war sehr glücklich. Die älteren sechs Frauen aßen die Feigen, dann weinten und jammerten sie aber und sagten: "Hätten wir unsere Kinder nicht getötet und gegessen, so würden sie jetzt auch auf die Erde steigen und uns Feigen bringen."

Eines Nachts stieg der Knabe wieder durch die Öffnung auf die Erde und ging zu den Feigenbäumen auf der Farm des Jägers. Er stieg auf seinen Feigenbaum und pflückte Früchte. In dieser Nacht ging die Teriel aber auch auf die Farm ihres Mannes, des Jägers, um einige Feigen zu pflücken. Als sie zu dem größten Feigenbaum kam, sah sie, daß ein Knabe darauf saß, den sie nicht kannte. Die Teriel schlich sich an den Baum und packte den Knaben unversehens an einem Fuß. Die Teriel fragte sogleich den Knaben: "Sage mir, wer dein Vater ist?" Der Knabe antwortete: "Ich habe einen Vater, das ist ein Feigenbaum." Die Teriel sagte: "Sage mir, 

* Ein Erzähler unter den dreien, die diese Geschichte kennen, behauptet, diese Feigenbäume hätten unter der Erde gestanden, wie die ganze Farm, auf der die nachfolgenden Szenen sich abspielen, unter der Erde gelegen habe. Der erste Kenner der Legende äußerte sich dazu unklar, sagte aber, sein Vater hätte es auch etwas anders erzählt, er wisse nicht mehr wie. Der Dritte endlich erklärt, es sei "bei Nacht" gewesen und anders kenne er es nicht. Wenn nun einer sage, es wäre "unter der Erde", so sei das "kif kif" (genau das gleiche), denn unter der Erde und nachts sei es gleich dunkel.


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wer deine Mutter ist!" Der Knabe sagte: "Ich habe eine Mutter, das ist ein Feigenbaum." Die Teriel sagte: "Wenn es so ist, so komme getrost herunter, ich tue dir nichts." Der Knabe kam mit seinen Feigen herunter und lief von dannen.

In der folgenden Nacht verließ der Knabe wieder durch die Öffnung in der Decke die Behausung unter der Erde, kam herauf und stieg auf seinen Feigenbaum, um Früchte zu pflücken. Nach einiger Zeit kam wieder die Teriel, packte ihn am Fuße und sagte: "Sage mir, wer dein Vater ist." Der Knabe sagte: "Ich habe einen Vater, das ist ein Feigenbaum." Die Teriel fragte: "Sage mir, wer deine Mutter ist?" Der Knabe sagte: "Ich habe eine Mutter, das ist ein Feigenbaum." Da war die Teriel wieder beruhigt und ließ ihn laufen, ohne ihm etwas zu tun. Und genau so fragte sie den Knaben, als sie ihn in der dritten Nacht auf dem Feigenbaum getroffen und am Fuße gepackt hatte. Der Knabe antwortete auch wieder: "Ich habe einen Vater, das ist ein Feigenbaum, und ich habe eine Mutter, das ist ein Feigenbaum," worauf die Teriel sich auch das drittemal nicht weiter um den Knaben kümmerte.

In der folgenden (vierten Nacht) kam der Knabe durch die Öffnung wieder auf die Erde herauf und ging auf die Farm des Jägers, um von den Feigenbäumen Früchte zu pflücken. Er bestieg den großen Feigenbaum und war noch nicht lange dort oben, so kam die Teriel, packte ihn am Fuße und sagte: "Sage mir, wer dein Vater ist." Der Knabe antwortete: "Ich habe einen Vater, das ist der Feigenbaum." Die Teriel sagte: "Sage mir, wer deine Mutter ist." Der Knabe sagte: "Ich habe eine Mutter, das ist der Feigenbaum." Die Teriel sagte: "So höre denn, was ich dir sagen werde! Ich bin eine verheiratete Frau und habe keine Kinder. Ich will nun dich an Kindesstatt annehmen und in Zukunft deine Mutter sein. Mein Mann, der ein großer Jäger ist, wird dein Vater sein. Du sollst es bei uns gut haben." Der Knabe sagte: "Ich fürchte mich, daß du mich essen willst, denn ich habe als Vater und Mutter nur den Feigenbaum, der mich nicht schützen kann." Da schwor die Teriel und sagte: "Nein, ich werde dir nichts tun. Ich werde dich halten wie mein eigenes Kind." Als die Teriel derart geschworen hatte, stieg der Knabe von dem Feigenbaum herab. Die Teriel nahm den Knaben auf den Rücken und trug ihn so in das Dorf. Sie trug den Knaben zu dem Hause des Jägers.

Die Teriel betrat das Haus und rief ihren Mann. Der Jäger kam. Die Teriel sagte zu dem Jäger: "Ich habe diesen Knaben in deiner



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Farm auf einem Feigenbaum gefunden. Sein Vater und seine Mutter sind ein Feigenbaum. Nun habe ich keine Kinder, und ich habe mich deshalb entschlossen, den Knaben als unser Kind anzunehmen. Du und ich, wir wollen dem Knaben Vater und Mutter sein. Ich habe ihm geschworen, daß ich ihn nicht verschlingen werde." Der Jäger sah, daß die Teriel seinen eigenen Sohn an Kindesstatt angenommen und mitgebracht hatte. Da wurde er sehr froh und lobte den Entschluß seiner schönen Frau, der Teriel.

Die Teriel sorgte für den Knaben. Sie gab ihm gut zu essen und pflegte ihn. Der Jäger sah es mit großer Freude. Er sagte aber zu dem Knaben noch nicht, daß er sein Vater sei.

Inzwischen wartete die Mutter unter der Erde darauf, daß ihr Sohn mit den Feigen wie sonst kommen würde. Der Knabe kam in dieser Nacht nicht wieder. Er kam nicht am andern Tage und nicht in der andern Nacht. Der Knabe blieb fort. Die Mutter weinte. Die älteren sechs Frauen weinten und sagten: "Nun bringt uns der Knabe kein Brot und keine Feigen mehr." Die Mutter weinte und weinte. Die andern sechs Frauen sagten: "So ist es nun, wenn man einen Sohn aufzieht. Wenn er größer ist, verliert man ihn doch. Dann ist der Schmerz um so größer. Wir haben doch sehr gut daran getan, daß wir unsere Kinder töteten und aufaßen, als sie eben erst geboren waren."

Die Mutter weinte und weinte. Sie sagte für sich: "Sicherlich ist mein Knabe von der schönen jungen Frau meines Gatten, von der Teriel, diesmal verschlungen worden."

Als der Knabe von der Teriel so gut gepflegt wurde, wurde er schnell groß und stark. Die Teriel sah ihn nun jeden Tag vorn Morgen bis zum Abend, und sie begann ihren Schwur zu bereuen, da der Knabe so ausgezeichnet gedieh. Die Teriel sagte bei sich: "Ich selbst kann den Knaben nicht verschlingen, ohne meinen Schwur zu verletzen. Ich werde ihn aber, da er jetzt so ausgezeichnet herausgefüttert ist, meiner Schwester schicken, die wird schon wissen, was sie mit ihm zu machen hat."

Die Teriel rief eines Tages den Knaben zu sich und sagte: "Ich fühle mich nicht gesund und benötige ein starkes Mittel. Geh des. wegen zu meiner Schwester und verlange von ihr die Leber der Kamelstute, die täglich für sie arbeitet. Wenn du ohne die Leber der Kamelstute zurückkehrst, verschlinge ich dich. Du weißt also, woran du bist." Damit schickte die Teriel den Knaben fort.



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Der Knabe ging und sagte sich: "Die Teriel will mich also entweder selbst verschlingen oder mich durch ihre Schwester verschlingen lassen. Ich will sehen, ob ich einen Rat bekommen kann." Der Knabe ging zu Amrar Asemeni (dem alten Ratgeber) und sagte: "Die Teriel, welche den Jäger geheiratet hat, hat mich an Sohnes Statt angenommen. Sie hat mir damals geschworen, daß sie mir nichts tun wolle. Heute aber sendet sie mich zu ihrer Schwester, der Teriel im Walde, und verlangt von mir, ich solle die Leber der Kamelstute jener von dort mitbringen. Wenn mir das nicht gelänge, würde sie mich verschlingen."

Amrar Asemeni sagte: "Du kannst der Teriel entgehen. Wenn du tagsüber dorthin kommst, verstecke dich. Die Teriel kommt erst abends nach Hause. Dann wird sie sich an den Mühlstein setzen und Mehl mahlen. Um es sich bequem zu machen, wird sie ihre langen Brüste rückwärts über die Schulter werfen und die Mahlarbeit beginnen. Schleiche dich dann von hinten heran und ergreife unversehens eine der nach hinten herabhängenden Brüste und sauge daran. Sobald du an den Brüsten der Teriel gesogen hast, wird sie dich wie ihr eigenes Kind aufnehmen und dir nichts tun. Die Leber der Kamelstute und den Rückweg wirst du mit eigener Klugheit zu gewinnen verstehen müssen." Der Knabe bedankte sich und ging.

Der Knabe machte sich auf den Weg und kam nach einer langen Wanderung zu dem Hause der Teriel. Die Teriel war noch nicht angekommen, und der Knabe versteckte sich. Als es Abend war, kam die Teriel. Die Teriel legte sofort ihr Oberkleid ab, warf Körner in den Trichter der Mühle, warf die Brüste über die Schulter und begann zu mahlen. Vorsichtig erhob der Knabe sich aus seinem Versteck, schlich sich von hinten an die mahlende Teriel, packte eine der herabhängenden Brüste und begann zu saugen.

Die Teriel wandte sich sogleich um und sagte: "Wer ist da? Was machst du da?" Der Knabe sagte: "Ich bin dein Verwandter, ich bin der Sohn deiner Schwester, der schönen Frau, die den großen Jäger geheiratet hat, und du bist meine Tante. Deine Schwester hat mich zu dir geschickt, damit du mich als deinen Neffen kennen lernst." Als die Teriel das hörte, war sie sehr zufrieden. Sie begrüßte den Knaben und fragte ihn: "Wie geht es deiner Mutter, meiner Schwester?" Der Knabe sagte: "Meiner Mutter, deiner Schwester, geht es ausgezeichnet, und sie hat mir ausdrücklich anbefohlen, dir dies zu versichern." Die Teriel sagte: "Das freut mich!



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Das freut mich! Warte, mein Neffe, nun werde ich dir ein gutes Abendessen bereiten. Komme hinüber in die andere Kammer."

Inzwischen kam die Kamelstute herein und legte sich in einen Winkel zum Schlafen nieder. Der Knabe sagte: "Ist dies die Kamelstute, die für dich arbeitet und von der meine Mutter mir erzählt hat?" Die Teriel sagte: "Ja, das ist die Kamelstute. Nun bleibe du hier, ich will das Mehl fertig mahlen und dann das Essen bereiten." Die Teriel ging hinaus. Die Teriel ging an die Mühle und fuhr in ihrem Mahlgeschäft fort.

Der Knabe erhob sich. Er vergewisserte sich, ob die Kamelstute schlief. Dann zog er sein Messer heraus, schnitt der Kamelstute den Hals durch, schlitzte ihr den Bauch auf und trennte die schwarze Leber heraus. Die Leber steckte er in das Kleid, stahl sich unbemerkt von der mehlmahlenden Teriel ins Freie und rannte so schnell er konnte dem Dorfe seines Vaters, des großen Jägers, zu.

Nachdem die Teriel ihr Mehl fertig gemahlen hatte, kehrte sie in die andere Kammer, in der sie den Knaben gelassen hatte, zurück. Sie sah ihn nicht und rief ihn. Der Knabe antwortete nicht. Sie suchte ihn und fand ihn nicht. Sie kam in den Winkel, in dem die getötete Kamelstute lag und sah, was geschehen war. Sie wurde zornig und lief hinaus. Sie wollte den Knaben einholen, fangen und verschlingen. Sie lief sehr weit, ohne ihn einholen zu können. Endlich gab sie es auf. Sie kehrte langsam nach Hause zurück.

Der Knabe setzte seinen Weg fort, bis er nach Hause kam. Er trat in die Kammer. In der Kammer saß die schöne Frau seines Vaters, die Teriel. Die Teriel fragte ihn: "Was, du bist wiedergekommen? Weshalb warst du nicht bei meiner Schwester, der Teriel?" Der Knabe sagte: "Ich war bei deiner Schwester, der Teriel. Es geht deiner Schwester, der Teriel, sehr gut und sie läßt dich sehr grüßen und dir alles Gute wünschen." Die Teriel sagte: "Weshalb hast du mir die schwarze Leber der Kamelstute meiner Schwester nicht mitgebracht?" Der Knabe sagte: "Ich habe dir die schwarze Leber der Kamelstute deiner Schwester mitgebracht. Hier ist sie." Der Knabe legte die schwarze Kamelleber vor die Teriel hin. Die Teriel sah, daß es die schwarze Leber der Kamelstute ihrer Schwester war.

Die Teriel sagte bei sich: "Meine Schwester kann unmöglich die Kamelstute, die für sie alle Arbeit verrichtet, getötet haben. Dieser Knabe muß das allein getan haben." Die Teriel fragte den Knaben: "Wie konntest du es wagen, die Kamelstute, die für meine Schwester die Arbeit verrichtet, zu töten!" Die Knabe sagte: "Du hast



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mir gesagt, daß du mich verschlingen würdest, wenn ich dir die Kamelleber nicht brächte. Hätte ich deine Schwester erst um die Kamelleber gebeten, so wäre sie so zornig geworden, daß sie mich verschlungen hätte. Ich wollte aber nicht verschlungen werden, und so habe ich dort die schwarze Leber der Kamelstute ohne zu fragen genommen und habe sie jetzt hier, wie du von mir verlangt hast, zur Herstellung deiner Gesundheit hingelegt." Die Teriel sagte laut: "Es ist gut."

Die Teriel sagte bei sich: "Das ist nicht gut!" Die Teriel ging unruhig umher. Ihr Mann, der große Jäger, fragte sie: "Was fehlt dir? Dir ist nicht wohl!" Die Teriel sagte: "Ah, mir ist sehr wohl!" Die Teriel ging aber doch unruhig umher und sagte bei sich: "Das ist nicht gut. Der Knabe, den ich zu mir genommen habe, ist eine große Gefahr für uns. Weshalb habe ich auch geschworen, ihn nicht verschlingen zu wollen! Was kann ich nun tun, den Knaben zu vernichten?" Die Teriel ging unruhig umher.

Eines Tages rief die Teriel den Knaben und sagte zu ihm: "Ich habe noch acht Schwestern. Das sind acht gute alte Spinnerinnen. Es sind die unter meinen Schwestern, die gut und deshalb die Verwalterinnen unserer Schätze sind. Bei ihnen wirst du gut aufgehoben sein. Geh also zu ihnen, grüße sie und frage sie, was sie von meinem Wohlergehen wüßten. Sage ihnen, daß ich sie grüßen lasse, und sie würden schon wissen, wie sie dir ihre Freundschaft beweisen könnten." Der Knabe ging. Der Knabe sagte sich: "Wenn schon die eine Schwester so ein gefährliches Geschöpf war, wie schlimm mögen erst diese acht sein. Ich werde mir lieber Rat holen." Der Knabe ging wieder zu Amrar Asemeni und sagte: "Ich bitte dich heute noch einmal um Rat. Die Teriel, die den großen Jäger geheiratet hat, sendet mich heute zu ihren acht Schwestern, welche Spinnerinnen und Verwalterinnen der Schätze sind, damit ich dort gut aufgehoben sein soll. Die Teriel hat mich beauftragt, den acht Schwestern Grüße zu senden und sie zu fragen, was sie vom Wohlergehen der Teriel, die mich sendet, wüßten. Ich soll ihnen sagen, sie würden schon wissen, wie sie mir ihre Freundschaft beweisen könnten."

Amrar Asemeni sagte: "Mein Knabe, der Auftrag, den die Teriel gegeben hat, ist derart, daß, wenn du ihn ausführst, du auf keinen Fall lebendig davonkommen kannst. Diese acht Teriel sind die bösesten Geschöpfe, die es auf dieser Erde gibt. Sie verschlingen



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alles, was an Menschlichem in ihre Nähe kommt. Wenn die Terie sie durch dich fragen läßt, was sie von ihrem Wohlergehen wüßten und dich ihnen gleichzeitig sagen heißt, sie würden schon wissen' wie sie dir ihre Freundschaft beweisen könnten, so werden die acht spinnenden Teriel, die die Wahrer und Hüter des Lebens der zeh'1 Schwestern sind, sogleich verstehen, daß die Teriel, die dich sendet, von dir für ihr Wohlergehen Nachteil erwartet und daß sie deswegen von ihren acht Schwestern erwartet, daß sie dich freundschaftlich verschlingen. Du darfst also auf keinen Fall das bestellen, was die Teriel dir aufgetragen hat. Wohl aber kannst du zu den acht Schwestern gehen, ohne daß du dich einer allzu großen Gefahr aussetzt. Höre meinen Ratschlag:

"Diese acht Schwestern pflegen auf einer steinernen Bank zu sitzen und Wolle zu spinnen. Sie haben aber keine gewöhnlichen Spindeln, sondern benutzen statt dessen die Keulen von Eseln. Diese schweren Spindeln ermüden sie sehr. Nimm also acht Spindeln aus Holz mit, wie sie bei uns hier gebräuchlich sind. Lege ihnen, wenn sie einmal ermüdet fortgegangen sind, jeder eine Ti[r]th didt (=Spindel; Plural: Titherdein) hin. In der Freude über diese Gabe werden sie dich freundlich aufnehmen. Nachher sieh zu, daß sie dir ihre Schätze zeigen. Das Weitere ist aber so schwierig, daß ich es deiner eigenen Klugheit überlassen muß, ob du mit dieser großen Sache fertig wirst oder nicht."

Der Knabe besorgte sich sogleich acht Spindeln und machte sich dann auf den Weg. Nach einer langen, sehr langen Wanderung kam er bei dem Gehöft der acht Teriel an. Der Knabe stieg auf einen erhöhten Stein und hielt von da aus Umschau. Er sah die steinerne Bank, auf der die acht Schwestern zu sitzen und zu spinnen pflegten und sah, daß die acht Schwestern gerade ermüdet fortgegangen waren und daß die Steinbank leer war. Da schlich er sich sogleich zu der Bank, legte auf jeden Sitz eine der mitgebrachten hölzernen Spindeln und kroch dann unter die Steinbank.

Der Knabe hatte noch nicht lange gesessen, da kamen die acht Teriel zurück. Eine jede trug die als Spindel dienende Eselskeule und alle acht seufzten unter der Last und bei dem Gedanken, Sogleich wieder mit den schweren Spindeln die Arbeit beginnen zu müssen. Die acht Teriel kamen an die Steinbank. Sie sahen die hölzernen Spindeln. Sie schrien vor Freude auf. Sie warfen die schweren Eselskeulen fort und ergriffen die hölzernen Spindeln. Die acht Teriel lachten vor Vergnügen und sagten: "Welch ein



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schönes Geschenk! Welch eine ausgezeichnete Sache! Wer uns das gebracht hat, dem schwören wir Freundschaft und Schutz zu. Der, dem wir diese Gabe verdanken, soll von uns nichts erfahren als Gutes. Das schwören wir!"

Als die acht Teriel das geschworen hatten, kam der Knabe unter der Steinbank hervor und sagte: "Ich war es, der euch das brachte. Ich begrüße euch als meine Tanten, denn eure Schwester, die den großen Jäger geheiratet hat, ist meine Mutter. Sie hat mir gesagt, ich solle euch einmal besuchen und sollte euch irgend etwas mitbringen, was euch Freude macht, weil ihr immer so gut für ihr Wohlergehen sorgt. Nun hatte mir meine Mutter von euern schweren Eselskeulenspindeln erzählt, und ich meinte nichts Besseres mitbringen zu können, als diese leicht handlichen Holzspindeln." Die Teriel waren über diesen Gruß und das Erscheinen ihres Neffen sehr erfreut und bemühten sich sogleich alle darum, etwas zu seinem Wohlbehagen, seiner Sättigung und seiner Pflege zu tun. Der Knabe wurde in eine schöne Kammer gebracht, in der er eine herrliche Lagerstätte vorbereitet fand. Die acht Teriel sagten: "Du bleibst natürlich über Nacht hier und mußt uns heute abend noch viel von unserer lieben Schwester, deiner Mutter, erzählen. Wenn du morgen früh erwachst, sind sieben von uns schon weggegangen, um die Feldarbeit zu verrichten. Die Jüngste dort wird aber daheim bleiben, dir eine gute Wegnahrung zustecken, dir bei Tage das Gehöft zeigen und dich dann auf den Heimweg bringen." Der Knabe erhielt nachher noch ein ausgezeichnetes Nachtmahl. Er erzählte den acht Teriel noch viel von seiner Mutter und berichtete auch, daß er vor einiger Zeit bei der ersten der zehn Schwestern zu Besuch gewesen sei. Es wurde spät, als er sich auf dem Lager ausstreckte.

Als er am andern Morgen sich erhob und aus der Kammer trat, war nur noch eine der acht Schwestern im Hause. Sieben der Schwestern waren auf das Feld gegangen und nur die Jüngste war daheim geblieben. Die Jüngste der acht Teriel kam ihm entgegen und begrüßte ihn. Der Knabe sagte: "Habt ihr mir ein wenig Nahrung für den Rückweg bereitet?" Die Teriel sagte: "Es ist schon alles bereitet, nimm aber erst noch etwas zu dir und, dann will ich dir unser Gehöft zeigen, damit du nach deiner Rückkehr deiner Mutter, unserer Schwester, erzählen kannst, wie es jetzt im Hause ihres Vaters aussieht." Der Knabe sagte: "So will ich erst ein wenig essen und dann zeige mir euer Gehöft." Der Knabe trat in die Kammer, wo ein gutes Brot für ihn stand, und nachdem er



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Brot und Honig zu sich genommen hatte, führte die Teriel ihn heraus und zeigte ihm das Gehöft.

Die Teriel zeigte ihm die Kammern der acht Schwestern. Sie zeigte ihm das Vieh und zeigte ihm die viele Wolle, die sie gesponnen hatten und die allein ein ganzes Haus anfüllte. Die Teriel zeigte ihm alles, was in und um den Hof war. Als er alles das gesehen hatte, sagte der Knabe zu der Teriel: "Nun, meine Tante, zeige mir aber auch noch die besonderen Schätze eurer Familie, deren Wahrer und Verwalter ihr seid. Meine Mutter hat mir so viel davon erzählt, daß ich natürlich neugierig bin, das alles zu sehen, und sicher wird sie mich fragen, in welchem Zustand ich dieses oder jenes gefunden habe." Die Teriel sagte: "Eigentlich weiß ich nicht, ob ich dir dies zeigen darf, denn die Wahrung dieser Dinge liegt in den Händen meiner ältesten Schwester, die sehr eifersüchtig auf ihr Vorrecht ist." Der Knabe sagte: "Deine älteste Schwester ist jetzt auf dem Felde, ich würde bis zum Abend auf ihre Rückkehr warten müssen, soll mich selbst aber heute früh auf den Heimweg machen. Nun habe ich euch doch aber jeder eine Spindel mitgebracht und nicht nur der Ältesten, und dann bin ich dir doch gerade so nahe verwandt wie meiner ältesten Tante." Die Teriel sagte: "In diesem allen hast du recht. So will ich dich denn wenigstens, ehe du gehst, einen Blick auf die Schätze unserer Familie werfen lassen. Folge mir!"

Die Teriel ging voran. Sie führte den Knaben über den Hof und stieg vor ihm die Stiege zu einem Zwischenboden hinauf. Der Knabe betrat den Zwischenboden nach der Teriel. Er sah, daß auf dem Boden allerhand Schätze wie Gold und Silber in Säcken, feine Seide und gewebte Stoffe, Steine und viel Schmuck waren. An der Wand an einer Stelle standen aber zehn tönerne Lampen (=misba; Plural: misabi[e]gh), die hell brannten, von denen eine aber ganz besonders leuchtete. Neben den zehn Lampen hingen zwei Trommeln (= tebel; Plural: tubol) an der Wand.

Der Knabe sah voller Erstaunen all den Reichtum und sagte dann zu der Teriel: "Wozu dienen diese beiden alten Trommeln?" Die Teriel sagte: "Wenn man die eine dieser Trommeln rührt, so beginnt das Gehöft sich zu bewegen, und es bewegt sich dann dahin, wohin man es befiehlt. Wenn man die andere der beiden Trommeln dagegen schlägt, so steht das Gehöft sogleich wieder unbeweglich fest und wird keine weitere Bewegung mehr unternehmen. —Nun komme aber, du mußt dich jetzt auf den Heimweg machen."



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Der Knabe sagte: "Warte, ich bitte dich, noch eine Frage ab. Ich werde nachdem desto schneller laufen und den Verlust wieder einholen. Sage mir doch, meine Tante, weshalb brennen die zehn Lampen denn hier am hellen Tage und im Sonnenschein?" Die Teriel sagte: "Diese zehn Lampen sind die zehn Seelen (=lamar; Plural: lamur) von uns zehn Schwestern, das heißt von den acht, die hier im Hause unseres Vaters wohnen, von jener, die du neulich besucht hast und für die die Kamelstute arbeitet, und endlich die deiner Mutter. Nun komme aber, du mußt dich auf den Heimweg machen."

Der Knabe sagte: "Warte, ich bitte dich, noch eine Frage ab. Ich werde nachher desto schneller laufen und den Verlust wieder einholen! —Sage mir doch, meine Tante, weshalb brennt die eine jener zehn Lampen besonders hell und hoch und welche Seele ist dies?" Die Teriel sagte: "Dieses Licht der Lampe ist die Seele deiner Mutter. Dies Licht brennt deshalb heller und höher als die andern, weil deine Mutter dermaleinst länger leben wird als wir, während ich am ersten sterben werde, wie du daran erkennen kannst, daß dieses Licht hier, das meine Seele ist, ein klein wenig niedriger und dunkler brennt als die andern, wenn ich auch die Jüngste bin. — Nun komme aber, du mußt dich jetzt auf den Heimweg machen."

Der Knabe sagte: "Warte, ich bitte dich, noch eine ganz kurze Frage ab. Ich werde nachher wie der Wind so schnell nach Hause eilen! — Sage mir doch, meine Tante, was geschieht, wenn die Lampen verlöschen?" Die Teriel sagte ärgerlich: "Dann sterben wir! Nun komm aber schnell, du neugieriger Knabe; ich habe dir schon zu viel gesagt. Noch eine Frage, und ich fresse dich trotz Spindel und Schwur!" Der Knabe sagte: "Verzeih mir, meine Tante! Geh wieder voran und schnell, damit ich schnell nach Hause komme!" Die Teriel stieg vor dem Knaben auf die Stiege.

Kaum hatte die Teriel die Stiege betreten, so wandte der Knabe sich um und blies das kleine Licht der jüngsten Teriel aus. Sogleich stürzte die Teriel die Stiege herunter und in einen Akufin (=Speichertopf). Sie war tot und bewegte sich nicht mehr. Der Knabe stieg herab und betrachtete den Leichnam. Der Knabe sagte: "Diese Teriel ist also wirklich auf solche Weise gestorben. Sie wird keinen Menschen mehr verschlingen. Wenn das so einfach ist, dann kann ich das Geschäft ja in größerem Umfange betreiben." Der Knabe stieg wieder hinauf und trat zu den Lampen.



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Er blies mit einem starken Hauch alle Lampen bis auf die, auf welcher die Seele seiner Mutter leuchtete, aus. Da fielen die sieben Schwestern der soeben zuerst gestorbenen Jüngsten auf dem Felde, auf dem sie gerade arbeiteten, tot nieder, und gleichzeitig fiel auch jene Schwester, deren Kamelstute der Knabe getötet hatte, leblos auf ihrer Farm nieder. Der Knabe sagte: "Jetzt käme also die schöne Frau an die Reihe, die meinen Vater gezwungen hat, sie zu heiraten und die meine arme Mutter und die sechs ältesten Frauen meines Vaters unter die Erde verdrängt hat. Es wird mir aber eine so große Freude sein, dabei zu sein und es mit anzusehen, wenn diese Teriel stirbt, daß ich mich sogleich auf den Weg machen werde, sie zu treffen."

Der Knabe nahm die eine der beiden neben den zehn Lampen an der Wand stehenden Trommeln herab, setzte sich an das Fenster und begann zu trommeln. Sowie seine Finger das Trommelfell ein wenig berührten, begann das Haus leicht hin und her zu schwanken. Der Knabe schlug stärker auf die Trommel und sang: "Mein Haus, bewege dich in der Richtung auf das Dorf meines Vaters! Mein Haus, bewege dich in der Richtung auf das Dorf meines Vaters! Mein Haus, bewege dich in der Richtung auf das Dorf meines Vaters!" Das Haus erhob sich und glitt, ohne weiter zu schwanken, in der angegebenen Richtung dahin. Der Knabe trommelte und sang schneller und lauter. Das Haus flog schneller. Der Knabe trommelte und sang mit aller Kraft. Das Haus sauste durch die Luft.

Die Teriel, die als schöne Frau den großen Jäger geheiratet hatte, saß daheim im Hause ihrem Gatten gegenüber. Die Teriel horchte auf und sagte: "Ich höre die Trommel meines Vaters. Mein Vater kommt. Ich will ihm entgegenlaufen." Die Teriel sprang auf. Sie lief aus dem Haus, aus dem Gehöft, aus dem Dorfe. Ihr Gatte, der Jäger, lief hinter ihr her. Als die Teriel mit dem Gatten hinter sich vor das Dorf kam, sah sie das Haus ihres Vaters auf sich zukommen. Sie sah aber auch den Knaben am Fenster sitzen und sah, daß es der Knabe war, der trommelte. Die Teriel wurde vor Schreck bleich. Die Teriel kreischte vor Wut und Schreck.

Als der Knabe sah, daß das Haus vor dem Dorfe seines Vaters angekommen war, und daß die Teriel und ihr Gatte, der Jäger, ihm entgegengeeilt waren, hörte er auf, diese Trommel noch zu schlagen. Er hing sie an die Wand und griff zu der andern. Er schlug die andere Trommel und sang: "Mein Haus, stehe fest." Im gleichen Augenblick stand das Haus fest. Das Haus stand gerade vor der Teriel



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und dem Gatten, der hinter ihr hergeeilt war. Die Teriel schrie: "Nun werde ich dich verschlingen." Die Teriel stürzte in das Haus, über den Hof, in die Kammer, die Stiege empor zu dem Zwischenboden, auf dem die Schätze lagen und auf dem die letzte Lampe noch brannte. Die Teriel klomm die Stiege empor, der Jäger lief ihr nach, sie von seinem Sohne fernzuhalten. Die Teriel war oben an der Stiege angelangt. Da ergriff der Knabe die Lampe und schlug sie gegen die Wand, daß die Lampe in hundert Scherben zersprang und das Licht sogleich verlosch. Die Teriel stürzte tot die Treppe herunter und dem Gatten, der ihr nachgefolgt war, gerade vor die Füße.

Der Knabe stieg die Stiege herunter. Der große Jäger begrüßte ihn und sagte: "Du bist mein Sohn." Der Knabe sagte: "Ich wußte es." Der Jäger sagte: "Du hast die böse Teriel getötet." Der Knabe sagte: "Wir wollen hingehen und meine Mutter und deine ältesten sechs Frauen aus der Behausung unter der Erde befreien."

Der Jäger und sein Sohn gingen hin und öffneten die Decke über der Behausung unter der Erde. Die Frauen kamen herauf. Die Mutter weinte vor Freude darüber, daß ihr Sohn noch lebte und nicht von der Teriel verschlungen worden war. Die sechs ältesten Frauen des Jägers gingen hin und besahen das Gehöft der Teriel. Sie sahen die Reichtümer, die nun dem Sohne des großen Jägers gehörten. Sie begannen zu weinen und wehklagten: "Wenn wir unsere Kinder nicht seinerzeit getötet und gegessen hätten, dann wären das jetzt auch angesehene und wohlhabende Burschen, die uns aus der Behausung unter der Erde befreit hätten!"


33. Der Sohn der Teriel

Ein Vater hatte vier Töchter. Eines Tages wollte er auf die Reise gehen, da rief er sie alle vier zusammen und sagte: "Meine Kinder, ich werde eine Wanderung machen, die wird mich einige Zeit von Hause fernhalten. Ihr werdet mich längere Zeit hindurch nicht sehen; dafür möchte ich euch aber, wenn ich zurückkomme, eine rechte Freude bereiten, und darum sage mir eine jede, was sie sich von mir wünscht." Die erste Tochter wünschte sich ein Kleid von besonderer Farbe, die zweite wünschte sich ein Kleid von anderer Farbe, und die dritte wünschte sich ein Kleid von wiederum abweichender Farbe.

Die vierte Tochter sprach keinen Wunsch aus. Der Vater sagte:



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"So sprich du doch auch und sage mir, was du dir wünschst." Die vierte Tochter sagte: "Mein Vater, das, was ich mir wünsche, ist zu schwer zu erlangen." Der Vater sagte: "Du kannst es doch aber sagen." Die Jüngste sagte: "Es ist zu schwer." Der Vater sagte: "Sprich doch!" Die Jüngste sagte: "Ich wünsche mir eine Taube, die allein auf einer Wiese tanzt." Der Vater wanderte von dannen.

Der Vater war lange Zeit auf Reisen. Der Vater kam an viele Orte. Er kaufte das Kleid, das die erste sich gewünscht hatte, das Kleid nach dem Wunsche der zweiten, das Kleid, das die dritte erbeten hatte. Aber eine Taube, die allein auf einer Wiese tanzte, konnte er nirgends finden. Und wo er auch nach einer solchen Taube fragte, nirgends konnte man ihm Auskunft geben, wo es eine solche Taube, die allein auf einer Wiese tanzte, gäbe.

Der Vater war mit seinen Angelegenheiten in Ordnung, und der Geschäfte wegen hätte er nach Hause reisen können, denn es war alles auf das beste geglückt. Der Vater hatte aber immer noch die stille Hoffnung, daß ihm irgend jemand in größerer Entfernung eine Auskunft über eine Taube, die allein auf einer Wiese tanzt, würde geben können. Und deshalb wanderte er noch ein wenig weiter über sein eigentliches äußerstes Reiseziel hinweg. Er hatte sich vorgenommen, noch einen Tagesmarsch weit bis zur Grenze eines großen Waldes zu gehen und dann heimzukehren. Er ging über eine Wiese auf den Wald zu. Er sagte: "Dort am Walde werde ich umkehren." In dem Augenblick, als er das sagte, sah er vor sich auf der Wiese eine Taube, die ganz von allein tanzte, und es schien fast so, als ob außer ihm, dem Vater der vier Töchter, und der Taube, überhaupt niemand in der Gegend wäre.

Der Vater sah die Taube. Der Vater schlich an die Taube heran. Der Vater sprang auf die Taube und suchte die Taube zu erhaschen. Die Taube entschlüpfte aber, flog zu einer andern Stelle und tanzte da weiter. Gleichzeitig sprach aber eine laute Stimme zu dem Vater die Worte: "Laß das!" Der Vater sprang dennoch hinter der Taube her und suchte sie zu greifen. Die Stimme aus der Erde sagte aber wieder und diesmal sehr eindringlich: "Laß das!" Der Vater war tief erschrocken, zumal das zweitemal die Stimme aus der Erde noch viel lauter war als das erstemal.

Der Vater sagte in seinem Schrecken: "Ich beschwöre dich bei Gott, mir zu sagen, wer da aus der Erde spricht!" Die Stimme antwortete: "Asphor'ulehóa!" (Dies ist der Name des Sohnes einer Teriel, also eines menschenfressenden, menschenähnlichen, weiblichen



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Wesens.) Der Vater war erschrocken. Aber der Wunsch, die Bitte seiner jüngsten Tochter zu erfüllen, war stärker als die Furcht. Der Vater ging doch wieder einige Schritte hinter der tanzenden Taube her. Die Stimme sagte: "Laß das!" Der Vater sagte: "Sei freundlich und gewähre mir, daß ich die Taube dir abkaufe. Eine solche von allein tanzende Taube ist der Lieblingswunsch meiner jüngsten Tochter." Die Stimme sagte: "Ich verkaufe meine Taube nicht. Aber gibst du mir für die Taube deine Tochter zur Frau, so soll mir das recht sein!"

Der Vater erschrak noch mehr und sagte: "So sollte ich meine Tochter dem Sohne einer Teriel geben?! So sollte ich meine Tochter in die Gefahr bringen, gefressen zu werden?!" Asphor'ulehóa sagte: "Wenn das deine einzige Befürchtung ist, so schwöre ich dir, daß deine Tochter nicht gefressen werden soll. Sie soll, solange sie folgsam ist, es bei mir besser haben als bei irgendeinem Menschen." Der Vater hörte die Stimme. Der Vater wußte, daß Asphor'ulehóa große Macht hatte. Der Vater sah die tanzende Taube. Der Vater dachte an den Wunsch seiner Tochter. Der Vater sagte: "So gib mir die Taube. Sage mir aber, in welcher Gestalt du kommen wirst, um meine Tochter zu holen."

Asphor'ulehöa sagte aus der Erde: "Ich werde eines Tages als Kamel kommen. Sage deiner Tochter nur, daß sie, wenn das Kamel kommt, mit der tanzenden Taube auf dessen Rücken steigen soll, weil das ihr für das Leben Segen bringen würde." Der Vater versprach es. Der Vater konnte nun die Taube ohne weiteres greifen. Er nahm sie und kehrte mit allen für seine Töchter bestimmten Geschenken heim. Die Mädchen waren über die Rückkehr des Vaters und über die schönen Geschenke sehr glücklich. Am erfreutesten war die Jüngste, die sich von ihrer Taube nicht mehr trennte.

Kurze Zeit nach seiner Heimkehr erkrankte der Vater und rief seine vier Töchter. Er sagte: "Eines Tages wird ein Kamel kommen. Es wird euch nur Glück bringen, wenn ihr, die Älteste beginnend, über den Rücken dieses Kamels steigen werdet. Du, meine Jüngste, sollst die Letzte sein, die dies tut. Nimm deine Taube mit dir. Versprecht mir, daß ihr danach handeln werdet!" Die Töchter versprachen, die Worte des Vaters nicht außer acht lassen zu wollen. Dann starb der Vater.



***
Eines Tages kam das Kamel. Das Kamel legte sich sogleich vor ihrem Gehöft nieder, so daß die Mädchen erkannten, daß es das


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Kamel war, von dem der Vater gesprochen hatte. Die Älteste ging hinaus, um das zu tun, was ihr Glück bringen sollte. Sie bestieg das Tier von der einen Seite. Das Kamel blieb gelassen liegen. Sie stieg nach der andern Seite wieder herunter. Die Zweite folgte. Das Kamel rührte sich nicht. Die Dritte stieg hinauf und herunter, und das Kamel lag schier unbeweglich da. Die Vierte kam mit ihrer Taube heran und stieg hinauf. Kaum saß die Jüngste auf dem Rücken des Kamels, so sprang das Tier auf und lief mit ihr davon.

Das Kamel lief weit, weit fort und hielt nicht eher an, als bis es vor einem großen, sehr schönen Gehöft angekommen war. Vor dem Gehöft stand das Kamel still, legte sich nieder und gab dem Mädchen so ein Zeichen, abzusteigen. Das Mädchen stieg ab, trat mit seiner Taube in das Gehöft und fand, daß alles sehr wohl vorbereitet für sie sei, daß aber kein Mensch in der Nähe war. In dem Gehöft war alles vorhanden, was für das Leben notwendig war, und so richtete es sich das Mädchen ein.

Abends hatte das Mädchen noch Licht brennen. Es klopfte und eine Stimme sprach: "Lösche das Licht aus!" Das Mädchen löschte das Licht aus. Die Tür ward geöffnet. Es kam in der Dunkelheit ein Wesen herein, das das Mädchen nicht erkennen konnte und legte sich auf das Lager neben sie, um gleich darauf einzuschlafen. Als das Mädchen morgens erwachte, war der Schlafgenosse wieder weggegangen und hatte keinerlei Spur hinterlassen, woran man hätte erkennen können, ob es ein Mensch oder ein Kamel oder sonst ein Wesen gewesen sei. Das Gleiche wiederholte sich am andern Tage und ebenso am dritten und vierten und immer wieder, und die jüngste der vier Töchter hatte nach Monaten noch keine Ahnung, wer es sein könne, der mit ihr nachts das Lager teile.

Die drei ältesten Schwestern suchten lange Zeit, wo wohl ihre Jüngste geblieben sei, und soviel sie auch nach dem Hause Asphor'ulehóas fragten, so konnte ihnen doch kein Mensch Auskunft geben. Eines Tages gingen aber zwei der Schwestern weit über das Land und kamen so zu dem schönen Gehöft der jüngsten Schwester, die ihnen bereitwillig alle Räume öffnete und alle Schätze zeigte. Die älteren Schwestern sagten: "Wie ergeht es dir nun also?" Die Jüngste sagte: "Es geht mir sehr gut. Asphor'ulehóa ist sehr gut zu mir. Nur bekomme ich ihn nie zu sehen. Solange ich hier wohne, wird mir allabendlich gesagt, ich solle das Licht auslöschen, und erst dann betritt mein Gatte den Raum. Wenn ich am andern Morgen aber erwache, so ist er regelmäßig schon wieder fortgegangen."



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Die Schwestern sagten: "Sei nicht töricht, sondern vergewissere dich doch einmal, was für ein schreckliches Ungeheuer dein Mann und der Spender aller dieser schönen Schätze ist. Du brauchst nachts nur einmal dem Befehle nicht zu gehorchen. Lösche das Licht nicht aus, sondern decke es mit einem Topfe zu. Wenn das fremdartige Wesen dann neben dir schläft, was du an den Atemzügen hören kannst, so nimm den Topf fort, und dann siehst du das Geschöpf einmal bei Licht. Dann wirst du ja wissen, an was für ein Ungeheuer du gekommen bist."

Nachdem die älteren Schwestern diesen Rat gegeben hatten, verließen sie ihre Schwester wieder. Die jüngste Schwester fühlte sich aber in dem großen Gehöft noch einsamer als sonst. Die erste Nacht verging wie alle bisherigen. Die junge Frau blies das Licht aus. Als sie am folgenden Morgen erwachte, sagte sie: "Nun ist mein Gatte schon wieder fort, ohne daß ich eine Spur von ihm sehen kann. Wahrlich, meine beiden Schwestern haben recht; ich muß mich einmal überzeugen, wie er beschaffen ist; ich werde verfahren, wie meine Schwestern es mir geraten haben." Die junge Frau stellte sich dann neben den Ölleuchter einen Topf.

Das Licht der jungen Frau brannte abends noch, als es wie stets klopfte und die Stimme von draußen sprach: "Lösche das Licht aus." Die junge Frau löschte das Licht nicht aus, sondern sie stülpte einen Topf darüber. Asphor'ulehóa kam im Dunkeln herein. Er streckte sich auf sein Lager. Er schlief ein. Die junge Frau hörte an den regelmäßigen Atemzügen, daß ihr Gatte schlief. Vorsichtig hob sie den Topf in die Höhe und beleuchtete ihren Gatten.

Die junge Frau erschrak, so schön war Asphor'ulehóa. Noch nie hatte sie einen so schönen Jüngling gesehen. Seine ganze Gestalt war aber bedeckt mit ganz kleinen Kinderchen (ein Mann erklärt, es wären Malaika gewesen, also arabisch Engel); sie saßen immer zu zweien zusammen und waren sehr emsig beschäftigt mit ihren kleinen Händen. Die junge Frau erschrak über die Schönheit ihres Gatten und über die Emsigkeit der kleinen Wesen. Dann fragte sie zwei der kleinen Wesen: "Was macht ihr da?" Die beiden kleinen Wesen antworteten: "Wir spinnen ein Kleid für Asphor'ulehóas Frau, wenn sie das Licht auslöscht." Die junge Frau fragte die nächsten zwei: "Und was macht ihr zwei da?" Die beiden kleinen Wesen antworteten: "Wir spinnen ein Kleid für Asphor'ulehöas Frau, wenn sie das Licht auslöscht." Die junge Frau fragte ein Paar nach dem andern, bis sie zu dem letzten Paar der kleinen



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Wesen gekommen war, und nachdem dies auch geantwortet hatte, erwachte der Gatte.

Asphor'ulehóa sprang auf. Er fragte seine junge Frau: "Wer hat dir den Rat gegeben, das Licht versteckt zu halten?" Die junge Frau sagte: "Den Rat haben mir meine Schwestern gegeben." Asphor'ulehóa nahm sein Kleid zusammen, öffnete die Tür und eilte von dannen. Die junge Frau sagte bei sich: "Was habe ich getan! Ich verdränge meinen Gatten, der mir immer nur Gutes getan hat! Ich will ihn aber nicht lassen. Ich will meinem Gatten folgen." Die junge Frau lief hinter Asphor'ulehóa her. Asphor'ulehóa ging schnell und mit großen Schritten. Die junge Frau konnte ihm nur schwer folgen. Asphor'ulehöa ging sehr weit. Die junge Frau glaubte vor Müdigkeit sterben zu müssen.

Als Asphor'ulehóa derart sehr weit und sehr schnell gegangen war, kam er an ein großes Gehöft. Er trat an die Tür, um sie zu öffnen. Er wandte sich um. Er sah seine junge Frau. Asphor'ulehóa sagte: "Du folgest mir?" Die junge Frau sagte: "Ich bin deine Frau, ich will dich nicht lassen, ich habe das Recht, dir zu folgen." Asphor'ulehóa sagte: "Ich gehe jetzt aber in dieses Gehöft, es ist das Gehöft meiner Mutter, die eine Teriel ist. Die Teriel verschlingt alle Menschen, die in ihre Nähe kommen! Meine Mutter wird dich auch verschlingen, wenn sie dich hier sieht!" Die junge Frau sagte: "Es ist mir gleich, ob ich verschlungen werde; ich bin deine Frau und bleibe bei dir." Asphor'ulehóa sagte: "Dann komm." Er ging in das Gehöft voraus. Sie folgte ihm.

Asphor'ulehóa führte seine Frau in das Gehöft und an die Quelle. An der Quelle stand eine Palme und darum Gebüsch. Asphor'ulehóa sagte: "Ich will dich vor meiner Mutter schützen. Steige aber nicht von der Palme herab, bevor sie nicht bei meinem Namen geschworen hat, dich nicht töten und verschlingen zu wollen." Danach wandte er sich an die Palme und sagte: "Asphor'ulehóa befiehlt dir, dich zu beugen." Darauf beugte die Palme sich tief zur Erde herab, so daß die Krone die Erde berührte. Asphor'ulehóa sagte zu seiner Frau: "Nun steige in die Krone und verbirg dich zwischen den Blättern." Die junge Frau tat es. Dann sprach er wieder zur Palme: Asphor'ulehóa befiehlt dir, dich wieder zu erheben." Hierauf stieg die Palme wieder in die Höhe, so daß die junge Frau oben über der Quelle in der Palmenkrone saß. Sie konnte von oben ihr Spiegelbild in der Quelle sehen.

Asphor'ulehóa ging in das Haus.



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In der Mitte das Haus,

in dem die sieben Töchter des auf Reisen gegangenen Vaters wohnen. Unten die Teriel, die in das Haus eindringen will. (Zu Nr. 28.) Originalzeichnung eines Kabylen



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Nach einiger Zeit kam die Teriel, die Mutter Asphor'ulehöas, nach Hause. Es war Nacht. Die Teriel begrüßte ihren Sohn und fragte: "Wie geht es dir, mein Sohn? Ich sehe dich jetzt selten." Der Sohn sagte: "Ich habe Durst nach einem Trunk ganz frischen Quellwassers." Die Teriel sagte: "Das sollst du sogleich erhalten." Die Teriel nahm einen Krug und ging zur Quelle.

Die alte Teriel beugte sich über die Quelle, um Wasser zu schöpfen. Da sah sie im Wasserspiegel das Bild der jungen Frau, die oben in der Baumkrone saß. Die Teriel glaubte, die schöne junge Frau sei im Wasser, stellte den Krug beiseite und wollte sie fangen, um sie zu töten und zu verschlingen. Sie griff mit beiden Händen in das Wasser, so daß es sich kräuselte und Wellen bildete. Das Bild der jungen Frau in der Palmenkrone verschwand. Die Teriel glaubte, die junge Frau sei ihr im Wasser entronnen. Darüber wurde sie so wütend, daß sie ihren Krug am Boden zerwarf.

Die alte Teriel kam in das Haus zurück zu ihrem Sohne. Asphor'ulehóa fragte: "Hast du mir das Wasser gebracht?" Die Teriel sagte: "Der Krug ist mir zerbrochen." Der Sohn sagte: "So nimm einen andern Krug." Die Teriel nahm einen andern Krug und ging zu der Quelle zurück.

Als die Alte an die Quelle zurückkehrte, hatte das Wasser sich beruhigt, und sie sah sogleich wieder das Bild der jungen schönen Frau. Die Teriel wollte sie wiederum fangen, um sie zu verschlinger Sie griff wieder in das Wasser, das sogleich Wellen bildete. Die Teriel geriet wieder in Wut und zerwarf ihren Krug. Zornig kai sie zurück, nahm einen dritten Krug und kam, nachdem alles wieder in gleicher Weise vor sich gegangen war, zurück.

Die Teriel kam zum vierten Male zur Quelle. Da sah sie, dur ein Geräusch in der Baumkrone veranlaßt, nach oben und sah ob die junge Frau in der Baumkrone sitzen. Die Teriel setzte sogleich ihren Krug hin und wandte sich zu der schönen jungen Frau. Sie sagte zu ihr: "Komm doch herunter, du schöne junge Frau. 1 will dir im Hause ein sehr gutes Essen vorsetzen." Die junge Frau sagte: "Nein, ich bleibe hier oben." Die Teriel bat sie wieder und wieder. Die junge Frau sagte: "Ich komme nicht, wenn du mir nicht schwörst, daß du mich nicht töten und fressen willst." Die alte Teriel sagte: "Ich schwöre dir bei Gott, daß ich dich nicht töten und fressen will." Die junge Frau sagte: "Dieser Schwur genügt mir nicht. Schwöre mir bei deinem Sohne Asphor'ulehóa, daß du mir nichts antun willst, daß du mich nicht töten und nicht fressen



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willst." Die alte Teriel wurde böse. Sie sagte aber: "So schwöre ich dir denn bei meinem Sohne Asphor'ulehöa, daß ich dich nicht töten und verschlingen will."

Darauf stieg die junge Frau herunter. Die alte Teriel führte sie in das Haus und sagte zu ihrem Sohne: "Hier habe ich eine schöne junge Frau im Garten gefunden. Da ich ihr habe schwören müssen, sie weder zu töten noch zu verschlingen, ist sie mir zu nichts nutze. So nimm du sie denn und heirate sie." Asphor'ulehóa ergriff seine Frau bei der Hand und sagte: "Dann nehme ich diese junge schöne Frau aus deiner Hand als deine Gabe als Gattin entgegen und werd sie von nun ab als meine Gattin, die du, meine Mutter, mir gegeben hast, halten und schützen."

Als am andern Morgen die Teriel sich fertig machte, auf ihren Acker zur Feldarbeit zu gehen, rief sie die junge schöne Frau in den Hof und sagte: "Ich will nicht, daß du unnütz im Hause herumlungerst, wenn ich dich auch meinem Sohne zur Frau gegeben habe. Reinige also den Hof. Du siehst, der Hof ist sehr groß, und es ist allerhand Schmutz darauf. Du hast ihn so zu reinigen, daß, wenn ich heute abend zurückkomme, nicht ein Staubkorn mehr zu sehen ist. Wenn ich noch ein ganz kleines Staubkorn sehe, werde ich dich verschlingen." Die alte Teriel ging.

Die junge Frau erschrak, warf sich auf die Matte und weinte. Sie weinte, denn sie wußte, daß sie das, was die Teriel verlangt hatte, nicht ausführen konnte. Als es Mittag war, kam Asphor'ulehóa zurück. Er sah seine junge Frau weinen und fragte: "Was ist dir? Hat meine Mutter dir etwas Schlechtes gesagt ?" Die junge schöne Frau sagte: "Deine Mutter hat mir gesagt, ich solle bis heute abend den Hof so reinigen, daß kein Staubkorn mehr zu finden sei. Wenn ich das nicht ausführe, wolle sie mich verschlingen. Das kann aber kein Mensch ausführen, und so werde ich heute abend getötet werden. Deshalb weine ich." Asphor'ulehöa lachte und sagte: "Wenn das alles ist, so komm und iß mit mir gemeinsam; dann sei nur fröhlich, es hat keine Gefahr für dich. Das werden wir schnell erledigen."

Asphor'ulehöa aß mit seiner Frau zu Mittag. Nach dem Essen ging er zu der Mauer des Hofes und schlug gegen die Mauer. Er sagte: Asphor'ulehóa befiehlt dir, daß aus der Mauer viel Wasser fließt. Es soll so viel Wasser fließen, daß der Hof mit Wasser gefüllt ist und daß das Wasser jedes Staubkörnchen, das hier liegt,



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wegspült. Asphor'ulehöa befiehlt dies." Aus der Mauer sprang sogleich Wasser. Es floß so viel Wasser, daß der ganze Hof mit Wasser bedeckt war. Das Wasser lief ab. Es trug allen Schmutz und das allerkleinste Staubkörnchen mit sich fort. Der Hof war selbst blank wie ein Wasserspiegel.

Abends kam die Teriel vom Acker heim. Sie ging über den Hof. Sie sah nach allen Seiten. Sie konnte kein Staubkörnchen finden und sagte zu der jungen schönen Frau: "Du bist geschickt."

Am andern Tage machte die Teriel sich wieder fertig, auf ihren Acker zu gehen. Sie rief die junge schöne Frau und sagte zu ihr: "Heute werde ich dir einen ganz besonderen Wunsch von mir sagen: Ich möchte bis heute abend hier in einem Sacke von jedem Vogel je eine Feder haben. Der Sack muß voll von Federn sein, von jedem Vogel soll je eine Feder sein, und es darf nicht eine Feder fehlen. Wenn dir dies nicht gelingt, so werde ich dich heute abend töten und verschlingen." Die alte Teriel ging, nachdem sie das gesagt hatte, auf ihren Acker. Die junge schöne Frau setzte sich hin und weinte. 'Sie weinte den ganzen Morgen und jammerte: "Das kann ich unmöglich! Das kann ich unmöglich! Heute abend wird mich die Teriel verschlingen."

Mittags kam Asphor'ulehöa heim. Er fand seine junge schöne Frau weinend und fragte sie: "Was hast du, daß du so traurig bist? Sicherlich hat dich meine Mutter in so trübe Stimmung versetzt." Die junge schöne Frau sagte: "Deine Mutter verlangt bis heute abend von mir einen Sack, gefüllt von Federn, von jedem Vogel eine, und es darf keine fehlen. Wenn ich das nicht bis heute abend zu schaffen vermag, so will sie mich töten und verschlingen." Asphor'ulehöa lachte und sagte: "Wenn es sonst keine Schwierigkeit gibt, so wollen wir in aller Ruhe essen und die Sorge fahren lassen."

Asphor'ulehöa aß mit seiner jungen Frau und sagte dann zu ihr: "Gehe mit einem leeren Sack auf den nächsten Hügel. Rufe in meinem Namen alle Vögel, sage ihnen, daß ich krank bin und ein Kissen brauche; sage, daß jeder Vogel eine Feder in den Sack werfen soll. Es wird keine Feder fehlen." Die junge schöne Frau nahm einen Sack und ging auf einen Hügel. Sie richtete sich auf und rief: "Alle Vögel, hört mich in Asphor'ulehöas Namen! Hört! Asphor'ulehöa ist krank und braucht ein weiches Kissen, und deshalb sollt ihr für Asphor'ulehöa in diesen Sack jeder eine Feder hineinwerfen, so daß der Sack ganz voll wird und keine Feder fehlt!"



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Alle Vögel hörten das. Alle Vögel kamen herbei. Jeder Vogel flog über den Sack hinweg und ließ eine Feder hineinfallen, bis der Sack voll war. Die junge schöne Frau ging mit dem Sack voller Federn wieder nach dem Gehöft zurück. Als es Abend war, kam die alte Teriel vom Felde zurück. Die alte Teriel sah den Sack voll Federn und sagte zu der jungen schönen Frau: "Du bist geschickt."

Am andern Morgen machte die alte Teriel sich wiederum bereit, auf den Acker zu gehen. Sie rief die junge Frau herbei und sagte: "Du hast gestern die Federn sehr geschickt zusammengebracht. Heute nun fordere ich von dir, daß bis zum Abend jeder Vogel die Feder zurückerhält, die von ihm kommt. Ich will nicht, daß irgendeine Feder übrigbleibt, oder daß irgend ein Vogel eine falsche Feder erhält. Ordne dieses alles ganz genau, so daß sich bei mir kein Vogel beschweren kann. Beschwert sich bei mir ein Vogel oder sind bis zu meiner Rückkehr heute abend nicht alle Federn wieder richtig zurückgegeben, so töte und verschlinge ich dich." Die Teriel sagte das und ging von dannen. Die junge schöne Frau begann aber wieder zu weinen und zu jammern.

Asphor'ulehóa kam am Mittag nach Hause. Asphor'ulehöa fand seine junge schöne Frau weinend und fragte sie: "Was fehlt dir? Was hat meine Mutter nun wieder Schlimmes verlangt? Sage es mir. Es wird nicht so unmöglich sein, daß wir es nicht vermöchten." Die junge schöne Frau sagte: "Deine Mutter hat von mir verlangt, ich solle alle Federn, die ich gestern eingesammelt habe, heute wieder jedem einzelnen Vogel zurückgeben, so daß keine Feder übrigbleibt, kein Vogel eine falsche Feder erhält und kein Vogel sich beschweren kann, und daß bis heute abend alles geregelt sei. Sonst will deine Mutter mich töten und verschlingen." Asphor'ulehóa lachte und sagte: "Dies ist sehr einfach. Komm laß uns erst in Ruhe essen und dann die Sache schnell erledigen."

Asphor'ulehöa setzte sich mit seiner jungen Frau zum Essen und sagte, nachdem alles abgeräumt war, zu ihr: "Nimm den Sack mit Federn, den du gestern eingesammelt hast und gehe wieder auf den gleichen Hügel. Rufe in meinem Namen wieder alle Vögel zusammen, danke allen Vögeln in meinem Namen und sage ihnen, ich wäre nicht mehr krank, ich hätte das Kissen und ihre Federn nicht mehr nötig, und jeder Vogel solle die Feder, die er gegeben habe, sogleich wieder zurücknehmen und wohl darauf achten, daß keine Feder dabei verkommt!"



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Die junge schöne Frau nahm den Sack mit Federn und ging mit ihm auf den Hügel. Sie rief: "Alle Vögel, hört mich in Asphor'ulehöas Namen! Asphor'ulehóa dankt euch, daß ihr ihm gestern, als er krank war, jeder für sein Kissen eine Feder gegeben habt. Asphor'ulehöa ist heute nicht mehr krank und braucht eure Federn nicht mehr. Asphor'ulehóa läßt euch sagen, jeder Vogel solle seine Feder zurücknehmen und wohl darauf achten, daß keine Feder dabei verkommt!" Die junge schöne Frau öffnete den Sack. Sogleich kamen von allen Seiten die Vögel vorbei. Kein Vogel blieb aus. Alle Vögel kamen. Jeder Vogel flog an dem Sack vorbei, nahm eine Feder und flog damit von dannen. Es währte nicht lange Zeit, da war der Sack leer und keine Feder mehr zu sehen. Die junge schöne Frau ging mit dem leeren Sack nach Hause. Als die alte Teriel abends vom Acker nach Hause kam, ging sie an dem leeren Sack vorbei. Als sie die junge schöne Frau sah, sagte sie: "Du bist geschickt."

Am andern Morgen rüstete die alte Teriel sich beizeiten zum Gang auf ihren Acker. Vorher aber rief sie die junge schöne Frau zu sich und sagte: "Du hast bis gestern alles, was ich von dir verlangt habe, sehr geschickt ausgeführt. Nun will ich dir eine Aufgabe geben, die etwas schwieriger ist. Sieh, ich nehme hier einen Krug mit Wasser und einen Krug mit Milch. Ich gieße das Wasser in die Milch. Deine Aufgabe ist es, das Wasser und die Milch bis heute abend wieder voneinander zu trennen. Gelingt dir das, so ist mein Wunsch erfüllt. Gelingt es dir nicht bis heute abend, so werde ich dich töten und auffressen." Damit ergriff die alte Teriel den Topf mit Wasser und goß den ganzen Inhalt in den Topf mit Milch. Nachdem sie das getan hatte, ging sie. Die junge schöne Frau aber warf sich auf die Erde, weinte und klagte: "Jetzt werde ich sicher von der Teriel verschlungen werden."

Mittags kam Asphor'ulehóa nach Hause. Er fand seine junge schöne Frau weinend auf der Erde. Er fragte: "Was gibt es nun heute wieder?" Die junge schöne Frau sagte: "Heute kannst du mir auch nicht helfen. Deine Mutter hat Milch und Wasser zusammengegossen. Ich soll das Wasser bis heute abend von der Milch trennen. Das kann niemand." Asphor'ulehóa sagte: "Du hast recht, das kann niemand, und ich sehe, meine Mutter will dich unbedingt töten und verschlingen. Sei aber ohne Furcht. Ich habe deinem Vater versprochen, dich zu schützen, und wenn du auch ungehorsam warst, indem du einmal das Licht nicht ausgelöscht



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hast, so will ich trotzdem mein Wort halten, auch wenn es mir schwer wird. Sei also außer aller Sorge." Dann aß er mit seiner jungen schönen Frau und wartete auf die Rückkehr seiner Mutter, der Teriel.

Als es Abend war, kam die Teriel vom Acker nach Hause. Die Teriel ging sogleich zu dem Kruge, in dem die Milch mit dem Wasser gemischt war, sah hinein und sagte zu der jungen schönen Frau: "Heute hast du das, was ich dir aufgetragen habe, nicht ausgeführt; heute werde ich dich töten und verschlingen". Die junge schöne Frau weinte. Asphor'ulehöa trat aber herein und sagte zu seiner Mutter:

"Meine Mutter, du hast mir die junge schöne Frau selbst als Gattin zugeführt, nachdem du bei meinem Namen geschworen hattest, ihr nichts tun zu wollen." Die alte Teriel sagte: "Sie kann aber Wasser und Milch nicht trennen, deshalb werde ich sie verschlingen." Asphor'ulehöa sagte: "Du hast, trotzdem du bei meinem Namen geschworen hast, meiner jungen schönen Frau nichts antun zu wollen, ihr jeden Tag mit Tod und Verschlingen gedroht." Die Teriel sagte: "Ich werde sie heute auch verschlingen, denn sie kann Wasser und Milch nicht trennen." Asphor'ulehóa sagte: "Du hast bei meinem Namen geschworen. So nimm denn das auf dich, was du willst. Aber ehe du meine junge schöne Frau täglich mit Drohungen quälst und sie zum Schluß doch noch verschlingst, will ich sie lieber selbst töten und dir und deinen Schwestern vorsetzen." Die alte Teriel sagte: "Ich muß sie verschlingen, denn sie kann Wasser und Milch nicht trennen."

Asphor'ulehöa sagte: "So höre mich denn! Rufe deine Schwestern für morgen zusammen. Ich will euch ein Gericht nach euerm Geschmack vorsetzen und will mit Feuer und Fett nicht sparen!" Die alte Teriel sagte: "Ich freue mich, mein Sohn, daß du deine Mutter mehr liebst als dieses dumme schöne Mädchen. Ich werde alle meine Schwestern einladen. Töte nur die junge Frau und spare mir nicht mit Fett und Feuer!"

Asphor'ulehóa ging fort. Er rief seine junge schöne Frau herbei und sagte: "Verstecke dich. Laß nicht merken, wo du bist!" Als die junge schöne Frau versteckt war, ging er hin und brachte einen Ochsen herbei. Am andern Morgen war seine Mutter, die Teriel, kaum zu ihrem Acker weggegangen, da trat jener in das Zimmer, in dem gegessen werden sollte und sagte: "Asphor'ulehöa will,



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daß die Erde sich öffne und eine tiefe Kluft zeige." Sogleich entstand in der Mitte des Zimmers ein tiefes, tiefes Loch. Asphor'ulehóa sagte: "Asphor'ulehóa will, daß der Grund der Erde mit Fett und Feuer gefüllt und der Mund der Erde mit einer Matte und Erde darüber verhüllt werde." Da entstand in der Tiefe sogleich eine Schicht von Feuer und Fett, über der Öffnung aber eine Matte mit Erde darüber, so daß der Boden der Kammer aussah wie früher.

Asphor'ulehóa ließ den Ochsen schlachten und braten und mit viel Fett begießen. Alles war angefüllt mit dem Geruch von Fett. Als die Zeit kam (der Erzähler weiß nicht, ob es Abend oder Mittag ist und widerspricht sich darin mehrfach), zu der Asphor'ulehóa die Schwestern der Teriel eingeladen hatte, hörte man sie von allen Seiten zusammenströmen und die Mutter Asphor'ulehóas und sich untereinander begrüßen. Alle aber dankten Asphor'ulehóa und sagten: "Du bist ein guter Sohn, daß du deiner Mutter die eigene Frau vorsetzt. Du bist ein guter Verwandter, daß du die sämtlichen Schwestern deiner Mutter eingeladen hast."

Als alle angekommen waren, hieß Asphor'ulehóa die sämtlichen Teriels in die Speisekammer treten. Als alle Teriels in der Kammer waren, sagte er: "Nun tretet in die Mitte und der Schwur meiner Mutter erfülle sich!" Die Teriels traten in die Mitte, in der die Matte lag, die nur wenig mit Erde bedeckt war. Die Matte gab nach. Alle Teriels stürzten in die Öffnung, in der unten Feuer und Fett waren. Asphor'ulehóa sagte: "Mutter, bei meinem Namen hast du geschworen!" Asphor'ulehóa sagte: "Asphor'ulehóa befiehlt, daß das Feuer alles hinnehme!" Er machte die Tür der Kammer zu. Er ging dahin, wo er seine junge Frau zurückgelassen hatte und sagte zu ihr: "Komm mit mir in unser Haus zurück. In Zukunft sollst du mich dort auch bei Tage sehen. Komm!" Asphor'ulehóa ging mit seiner jungen schönen Frau von dannen. Hinter ihnen brannte das Gehöft der Teriel ab.

Damals sind alle Teriels verbrannt.