Projektseite Volksmärchen Sagen Geschichten Etnologie Beriche © Arpa data
Textbreite
Schriftgröße
Kapitel 

SPIELMANNS GESCHICHTEN DER SAHEL

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1921

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS/JENA



Atlantis Bd_06-0004 Flip arpa

MIT EINER KARTE DER SAHARA UND

EINER BILDERTAFEL / TITEL- UND

EINBANDZEICHNUNG VON F. H. EHMCKE

3. Samba Galadjie In BaeIIe-aede

Samba Galadjie kam in Baelle-aede, der Hauptstadt des Königs Aluagewissi, der der Herr der Diapoto, der Mauren war, an. Der König wies ihm ein Gehöft an, in dem er absteigen könne. Er



Atlantis Bd_06-238 Flip arpa

ritt mit seinem Spielmann dahin. Sie stiegen ab und Samba sagte zu den Leuten: "Bringt mir doch Wasser herbei für die Pferde." Die Leute sagten: "Wasser für die Pferde? Ja, das gibt es hier nicht. Wer Wasser für die Pferde haben will, darf nicht nach Baelleaede kommen." Samba fragte: "Was gebt Ihr denn aber eueren Pferden zu trinken?" Die Leute sagten: "Wenn wir die Kühe melken, stellen wir ein wenig Milch beiseite und geben das den Pferden." Samba fragte: "Und in diesem großen Lande, im Walde hier, gibt es gar kein Wasser?" Die Leute sagten: "Oh, wir haben schon ein Wasser, da ist aber Kungale (= da ist etwas) darin, da kann kein Mensch trinken." Samba sagte: "Ich bin vom Senegal und habe die Gewohnheit, mein Pferd bis zu den Knien ins Wasser zu führen. Euer Kungale kümmert mich nicht." Samba sagte zu seinem Spielmann: "Morgen wollen wir unsere Pferde in aller Frühe tränken."

Am anderen Morgen noch vor Sonnenaufgang weckte Samba schon seinen Spielmann und sagte: "Wir wollen unsere Pferde tränken." Der Spielmann sagte: "Ach, Samba, sagten uns gestern nicht die Leute, daß es verboten sei, zu jenem Wasser zu gehen? Aber ich weiß, Samba, du mußt immer das tun, was verboten ist." Seuod Amalad stand auf. Sie machten sich auf den Weg. Der Spielmann sagte: "Ich komme nicht mit." Er blieb stehen. Samba sagte: "Wenn du dein Pferd verdursten lassen willst, ist es mir recht." Samba ging weiter. Seuod folgte ihm. Samba sagte: "Was willst du? Wenn dein Pferd erst verdurstet ist, dann läufst du nachher zu Fuß. Lieber doch diese kleine Unannehmlichkeit." Er ging immer weiter voran. Der Spielmann folgte ihm.

Sie kamen an den See. Samba trieb sein Pferd in das Wasser. Das Tier wollte nicht. Samba trieb es. Da hob das Untier Kungale (nach Angabe einiger ein Pferd, nach Angabe anderer ein Stier), den Kopf aus dem Wasser. Es hob das Haupt zornig und hoch in die Luft. Samba ergriff sein Gewehr. Er legte an. Er tötete das Ungetüm mit einem Schuß. Seuod Amalad rief: "Ho, Samba Galadjie." Samba ging hin und schnitt dem Tier den Schwanz ab. Er nahm den Schwanz an sich. Der Spielmann sang ein Lied, das heute noch bekannt ist. Sie nahmen die Pferde am kurzen Zügel und tränkten sie. Dann gingen sie wieder in die Stadt. Samba ließ aber mit Absicht am Ufer seine Schuhe stehen.

Sie kamen in die Stadt zurück. Samba sagte zu seinem Spielmann: "Ich gehe in meine Hütte und lege mich schlafen. Paß auf,



Atlantis Bd_06-239 Flip arpa

daß mich niemand stört, wecke mich auch selbst nicht." Der Spielmann sagte: "Ich will es verhindern." Samba Galadjie hatte die Gewohnheit, daß er sich nie von einer Hand wecken ließ. Wollte oder sollte Seuod Amalad ihn wecken, so mußte er es in der Weise machen, daß er sein Instrument nahm und neben seinem Lager ein Lied sang.

An dem Morgen, als Samba Galadjie sich schon in aller Frühe wieder zum Schlafe niedergelegt hatte, rüstete das Volk Baelle-aede sich zu einem großen Feste. Denn heute sollte die Tochter des Königs Aluagewissi dem Untier Kungale zum Opfer dargebracht werden. Das Untier verlangte von Zeit zu Zeit eine Jungfrau, und man mußte sie ihm geben, damit das Land nicht verdurstete. Die Tochter des Königs war jung. Die Tochter des Königs war schön. Sie wurde in schöne Kleider gehüllt und mit schönem Schmuck geziert; sie war gekleidet, wie eben ein Mädchen gekleidet ist, das dem Bräutigam als Braut ins Ehehaus geführt wird. Sie ging zum See hin - alles Volk ging mit.

Es war eine ungeheure Menge von Menschen, die zum See hinging, um das Mädchen dem Ungeheuer Kungale zuzuführen. Das Mädchen machte erst einige Schritte in das Wasser hinein. Alles Volk wartete schweigend auf das, was nun kommen würde. Das Mädchen ging einige Schritte weiter in das Wasser hinein. Das Untier Kungale pflegte gar schnell mit Gier sein schönes Opfer zu ergreifen und mit in die Flut hinabzuziehen. Alles Volk wartete, doch heute ließ sich kein Ungeheuer Kungale sehen. Das Mädchen ging weiter und immer weiter ins Wasser hinein. Alles blieb ruhig. Ein Mann schrie aus der Menge: "Kungale ist tot." Alles Volk schrie: "Kungale ist tot." Einige sagten: "Man soll sehen, ob Kungale tot ist." Einer stocherte mit der Lanze am Seerande. Es rührte sich nichts. Dann fand einer am Ufer die Schuhe Samba Galadjies. Die Leute riefen: "Es hat jemand Kungale getötet." Und alles Volk jubelte und kreischte vor Freude.

Man führte das Mädchen lachend in die Stadt zurück. Der König ließ ausrufen: "Der, der Kungale getötet hat, soll zu mir kommen. Ich will ihm jeden Wunsch erfüllen." Ein Maure kam und sagte: "Ich habe es getan." Ein zweiter kam und sagte: "Nein, ich habe es getan. Der andere ist ein Lügner." Ein dritter kam und sagte: "Alle beide lügen, ich habe es getan." In Scharen kamen die Leute und sagten: "Wir haben Kungale überwunden und getötet - nun erfülle uns unsere Wünsche." Der König saß da und blickte die



Atlantis Bd_06-240 Flip arpa

Leute an, und er hatte die Schuhe vor sich stehen, die man am Ufer des Sees gefunden hatte. Der König sagte: "Wir werden sehen."

Der Mann, bei dem Samba Galadjie abgestiegen war, kam zum Könige und sagte: "Ich habe einen Fremden in meinem Hause. Der stieg da mit seinem Spielmann zusammen ab. Er ging heute morgen fort und kam ohne Schuhe wieder." König Aluagewissi sagte: "Bringe ihn hierher." Samba Galadjie hatte inzwischen ausgeschlafen. Der Wirt seines Gehöftes sagte zu ihm: "Der König möchte dich sprechen." Samba machte sich mit seinem Spielmann auf und kam an den Platz, wo der König Hof hielt und viele Leute herumlagen und herumstanden. Vor dem Könige auf dem Boden standen die beiden Schuhe.

Samba Galadjie ging auf den König Aluagewissi zu. Er nahm die Schuhe und streifte sie über die Füße. Er zog den Schwanz Kungales aus der Tasche und reichte ihn dem Könige. Der König sah Samba Galadjie und die Schuhe und den Schwanz Kungales und sagte: "Nimm meine Tochter zur Frau und sage mir, was du willst. Willst du Kamele? Willst du Pferde? Was willst du?" Samba Galadjie sagte: "Ich bin nicht gekommen, um Weib, Pferde, Kamele oder irgend welche Reichtümer zu gewinnen. Ich wünsche nur eines: "Ich bin Samba Galadjie, der Sohn des Königs von Futa Toro. Der Bruder meines Vaters, Konko Bo Mussa, hat mir mein Land fortgenommen. Gib mir eine Heeresmacht in die Hand, daß ich mein Futa Toro zurückerobern kann." König Aluagewissi sagte: "Ich will deinem Wunsche wilifahren. Ich will ein Heer vorbereiten. Vorher aber heirate meine Tochter und bleibe einige Zeit in unserem Lande, daß wir dir Gutes tun können. Denn du hast eine große Sache für uns verrichtet."

Darauf heiratete Samba Galadjie die Tochter des Königs Aluagewissi des Diapoto in Baelle-aede.

E ines Tages wollte sich die Frau Samba Galadjies die Haare neu ordnen lassen. Sie legte also all ihren Goldschmuck ab und auf ihr Lager. Sie sagte aber ihrem Manne nicht, daß er auf ihn achten solle. Nach einiger Zeit kam ein Dauwal (ein Strauß) herein. Er ging auf das Lager zu und verschluckte den Goldschmuck. Es war ein Strauß des Königs. Samba Galadjie nahm einen Gegenstand auf und warf ihn nach dem Strauß. Er warf dem Strauß ein Auge aus. Der Strauß lief von dannen.

Einige Zeit später kam die Frau, die Tochter des Königs, zurück.



Atlantis Bd_06-241 Flip arpa

Sie schaute auf ihr Lager. Aber sie fand ihren Goldschmuck nicht. Da lief sie, ohne ein Wort zu ihrem Manne zu sagen, zu dem Könige, weinte und sagte: "Mein Vater, ich ließ mir die Haare ordnen, und in der Zwischenzeit legte ich den Goldschmuck ab. Als ich wiederkam, war er gestohlen." Der König fragte: "Wer hat ihn gestohlen?" Die Königstochter sagte: "Das kann kein anderer gewesen sein als Samba Galadjie, mein Mann." Der König sagte: "Sei still, meine Tochter, sag das nicht. Nenne nicht Samba Galadjie einen Dieb. Das ist undankbar und unmöglich." Die junge Frau sagte: "Es war niemand anders im Hause."

Auf dem Hofe war ein Sklave mit Namen Djidi mit Wasserschöpfen beschäftigt. Er hörte das alles mit an. Sogleich lief er in die Stadt und erzählte: "Eben hörte ich, wie die Tochter des Königs ihrem Vater erzählte, Samba Galadjie, ihr Mann, hätte ihr ihren Goldschmuck gestohlen." Sogleich erzählte einer dem andern: "Samba Galadjie hat seiner Frau ihren Goldschmuck gestohlen." Einer sagte zum andern: "Samba Galadjie, der Pulo, der Fremde, ist ein Dieb." Seuod Amalad, der Spielmann Samba Galadjies, war in der Stadt. Er hörte, daß alle Leute sagten: "Samba Galadjie, der Fremde, hat der Tochter unseres Königs den Goldschmuck gestohlen. Er ist ein Dieb."

Der Spielmann ging heim. Er trat in die Tür des Hauses Samba Galadjies und sagte: "Du bist ein Dieb." Samba Galadjie ergriff sein Gewehr, um seinen Spielmann sogleich niederzuschießen. Der aber rief: "Laß doch. Ich wiederhole nur, was alle Leute auf den Straßen sagen. Du mußt doch wissen, woran du bist. Die Stadt erzählt, du hättest deiner Frau ihren Goldschmuck fortgenommen." Darauf ward Samba Galadjie sehr traurig. Er hörte auf zu sprechen, zu trinken und zu essen. Er saß immer eingeschlossen in seinem Hause. Der Spielmann sagte am dritten Tage zu sich: "Das geht nicht so weiter."

Der Spielmann ging zum Könige und sagte: "Mein Herr, Samba Galadjie, ist seit drei Tagen einer Schwermut verfallen. Er ißt nicht, er trinkt nicht, er spricht nicht. Das ist, weil die Leute in der Stadt sich erzählen, er habe seiner Frau, deiner Tochter, den Goldschmuck gestohlen." Der König sagte: "Ich will sogleich sehen, was da zu machen ist." Er ließ Samba Galadjie zu sich rufen und sagte: "Nun sage mir, was du willst. Ich bin bereit, dir jeden Willen zu erfüllen." Samba Galadjie sagte: "Ich habe zwei Wünsche. Zum ersten gib mir deinen Dauwal (Strauß), der seit einigen Tagen



Atlantis Bd_06-242 Flip arpa

ein Auge eingebüßt hat, und rufe mir gleichzeitig deine Tochter. Zum zweiten gib mir ein Heer, das ich nach Futa Toro aufbrechen kann." Der König sagte: Beides soll geschehen." Man brachte den Strauß. Man rief die Frau Samba Galadjies. Samba Galadjie sagte zu seinem Spielmann: "Nun bringe noch einen großen Topf." Das geschah. Dann schnitt Samba Galadjie dem Strauße die Kehle durch. Er öffnete den Leib und sagte zu seinem Spielmann: "Nimm den Bauch heraus und untersuche, was darin ist." Seuod Amalad tat es. Er warf den ganzen Leibinhalt in den großen Topf und suchte, was darin sei. Da fanden sich das Halsgeschmeide, der Ohrschmuck, die Haarringe. Samba Galadjie sagte zu seiner Frau: "Hier hast du deinen Dieb."

Samba Galadjie wandte seiner Frau den Rücken und sagte zu dem Könige: "Du willst mir also eine Kriegsschar geben?" Der König sagte: "Dort, wo der Weg in den Wald führt (in alter Zeit, so erläutert der Erzähler, war auch die Sahel mit mächtigen Büschen [Wald: Fello oder Ferlo] bedeckt), will ich eine starke Dattelpalme über den Weg legen. Alle Reiter, die ich dir gebe, sollen darübersetzen, und es sollen soviele sein, daß infolge des Darüberstreifens der überschreitenden Pferdehufe die Palme durchschnitten und an der Stelle eine so starke Abreibung stattfinden wird, daß damit der Stamm in zwei Teile geschnitten wird." —Die Reiter kamen, eine Schar nach der anderen. Sie ritten alle über die Palme. Der Palmstamm ward durch die Pferdehufe mehr und mehr durchgescheuert. Endlich war der Palmstamm geteilt. Der König sagte: "Nun will ich dir außerdem noch 200000 Kamele, jedes mit zwei bewaffneten Kriegern besetzt, geben." Der König tat es.

Das war die Kriegsmacht, die Samba Galadjie nach Süden führte, um seinem Onkel Konko Bo Mussa das Königreich Futa Toro wieder zu entreißen.


Copyright: arpa, 2015.

Der Text wurde aus der Märchen-, Geschichten- und Ethnien-Datenback von arpa exportiert. Diese Datenbank wurde dank Sponsoren ermöglicht. Es würde uns freuen, wenn wir mit Ihrer Hilfe weitere Dokumente hinzufügen können.
Auch bitten wir Sie um weitere Anregungen in Bezug auf Erweiterungen und Verbesserungen.
Im voraus Dank für die Mithilfe. Spenden können Sie unter In eigener Sache

Ihr arpa team: www.arpa.ch Kontakt