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Kapitel 

MÄRCHEN AUS KORDOFAN

HERAUSGEGEBEN VON LEO FROBENIUS

1923

VERLEGT BEI EUGEN DIEDERICHS / JENA



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TITEL- UND EINBANDZEICHNUNG VON F.H. EHMCKE MIT EINER KARTE


19. Magische Flucht

Ein Melik wurde alt, sehr alt, und mit dem Alter wurde er sehr traurig, denn er hatte keinen Sohn, der nach ihm hätte König werden können. Eines Tages ging er traurig in seinem Garten umher, als ein alter Mann kam. Der alte Mann sah, daß jener so traurig war und sagte: "Melik, sage mir, was dich so traurig macht?" Der Melik sagte: "Ach, laß es nur! Mir kann niemand helfen." Darauf sagte der alte Mann: "Weshalb bist du so verzweifelt? Weshalb willst du nicht mit mir sprechen?" Der Melik sagte: "Mir kann niemand helfen." Der Alte sagte: "Ich bin ein alter Mann wie du. Ich bin aber nicht durch die Geschäfte einer Königswürde davon abgehalten worden, allerhand zu lernen, was sonst den Menschen unbekannt bleibt." Der alte Melik sagte: "Was willst du aber dagegen tun, wenn ein König eine Seria (Beischläferin) und eine Arabia (Ehefrau) hat und doch alt wird, ohne einen Sohn zu erhalten, der nach ihm Melik werden kann?"

Der alte Mann zog darauf zwei Lemun (Zitronen) aus der Tasche und sagte: "Wenn du je eine dieser Früchte einer der beiden Frauen, also eine der Seria und eine der Arabia gibst, so werden beide nach



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kurzer Zeit schwanger sein, und die Seria wird einen Sohn, die Arabia aber eine Tochter gebären. Nur mußt du den Sohn, den die Seria dir gebiert, mir zurückgeben, sobald er erwachsen ist. Wenn du damit einverstanden bist, dann nimm diese Zitronen und gib sie den beiden Frauen." Der Melik war über dieses Angebot sehr erfreut. Er nahm die beiden Zitronen und ging in den Palast. Er gab jeder der beiden Frauen eine Zitrone. Die Seria und die Arabia genossen die Zitronen.

Nach kurzer Zeit waren die Seria und die Arabia schwanger, und jede trug ihr Kind aus. Als sie aber geboren wurden, war das Kind der Seria ein Knabe, den der Vater Schatr Mohammed nannte, und das der Arabia ein Mädchen, das sehr schön war. Beide Kinder wuchsen heran und waren überall sehr beliebt und angesehen.

Als nun Schatr Mohammed erwachsen war und eines Tages ausritt, begegnete er einem alten Manne. Der alte Mann redete Schatr Mohammed an und sagte: "Schatr Mohammed, sage deinem Vater, dem Melik, daß es nun an der Zeit wäre, mir das zu geben, was er mir schuldig ist." Schatr Mohammed sagte: "Wenn mein Vater dir etwas schuldig ist, so wird er sich sicher beeilen, dir das so schnell als möglich wiederzugeben. Ich werde es meinem Vater sogleich sagen." Der alte Mann sagte: "Ja, tue dies!" Schatr Mohammed ritt also heim, suchte den Melik auf und sagte: "Mein Vater, soeben begegnete mir ein alter Mann, der sprach mich an und sagte: ,Sage deinem Vater, dem Melik, daß es nun an der Zeit wäre, mir das zu geben, was er mir schuldig ist!'" Als der König das hörte, wußte er, daß das der alte Mann war, der ihm dereinst die zwei Zitronen gegeben hatte und der nun den Sohn der Seria verlangte. Der König erschrak, und Tränen traten ihm in die Augen.

Als Schatr Mohammed seinen Vater derart traurig und erschrocken sah, rief er: "Mein Vater, was ist es, was du ihm schuldig bist? Wenn es Geld ist, können wir es schnell geben, denn wir sind sehr reich, und wenn dein Reichtum nicht genügt, werden alle Leute der Stadt dir schnell etwas leihen." Der Melik weinte aber und sprach: "Es ist kein Geld, mein Sohn! Es ist kein Geld!" Schatr Mohammed sagte: "Wenn du dem Alten meine Schwester zur Frau versprochen hast, so werden wir andere schöne Mädchen finden, die an ihrer Stelle dem Alten gegeben werden können." Der alte König weinte aber und sagte: "Es ist nicht deine Schwester, mein Sohn! Es ist nicht deine Schwester!"

Inzwischen verwandelte sich der Alte in einen mächtigen Adler



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und flog als Adler über das Schloß des Königs, und er stieg herab und packte Schatr Mohammed mit den Fängen, hob ihn hoch in die Luft und trug ihn dann hinweg über die Länder hin an seinen Platz. An seinem Platze ließ sich der Adler nieder, setzte den Königssohn auf die Erde und verwandelte sich selbst wieder, so daß er der alte Mann war. Der alte Mann sagte aber zu Schatr Mohammed: "Erschrick nicht! Ich will dir nichts Schlimmes antun. Du bist aber mein Eigentum. Denn einstmals habe ich deinem Vater, als er über seine Kinderlosigkeit betrübt war, geholfen, so daß seine Seria dich und seine Arabia deine Schwester gebar. Als Bedingung habe ich aber gestellt, daß du, wenn du erwachsen sein wirst, mein Eigentum werden würdest. So habe ich dich denn als mein Eigentum geholt. Es soll dir nun aber keineswegs schlecht gehen. Vielmehr soll dieser schöne Park mit dem Schloß und mit allem, was darin ist, dir gehören, und es soll dir an nichts fehlen, solange du eine Bedingung einhältst. Diese Bedingung ist aber folgende: Ich gebe dir die Schlüssel zu allen Gemächern des Palastes, und du darfst alle Gemächer öffnen und mit ihrem Inhalt nach deinem Belieben verfahren. Nur jenes Gemach dort in der Mitte, zu dem dieser kleine Schlüssel gehört, das darfst du nie öffnen. Solange du diese Bedingung folgsam einhältst, soll es dir hier besser gehen als irgendeinem andern Menschen, und solange wirst du im Überflusse alles genießen können, was du wünschest. Aber diese Tür darfst du nicht öffnen." Damit übergab der Alte dem Jüngling die Schlüssel, führte ihn in die Räume, die ihm zum Wohnen wohl am besten dienen konnten und die mit allem ausgerüstet waren, was einen Prinzen erfreuen kann, und dann verließ er ihn.

Der Alte ging und überließ den Sohn des Melik sich selbst, und der Sohn des Melik war nun in großer Traurigkeit allein. Nachdem er sich aber dem Schmerz um den Verlust seines Vaterhauses zur Genüge hingegeben hatte, begann er, sich in seiner Umgebung umzusehen und die verschiedenen Teile des Palastes zu besichtigen. Schatr Mohammed betrachtete alle Räumlichkeiten und schloß mit den Schlüsseln, die der Alte ihm gegeben hatte, alle Zimmer auf, bis auf das letzte in der Mitte gelegene. In dem einen fand er Gold, im zweiten Seide, im dritten Edelsteine, im nächsten Flaschen mit feinen Wohlgerüchen und so weiter; jedenfalls war das alles so prächtig und des Reichtums eine solche Fülle, daß Schatr Mohammed zuletzt bei sich sagte: "Eine solche Fülle von Schätzen habe



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ich noch nicht gesehen. Etwas Köstlicheres kann es nicht mehr geben."

Danach kam Schatr Mohammed aber an die letzte Tür, zu welcher der Alte ihm auch den Schlüssel, dazu aber das Verbot gegeben hatte, sie zu öffnen. Schatr Mohammed sah die Tür und sagte bei sich: "Dieses ist sehr eigenartig. Etwas Köstlicheres als das, was in jenen Kammern aufgespeichert liegt, kann es nicht geben; es muß also etwas Absonderliches in jener Kammer sein, sonst würde der Alte mir den Zutritt nicht verboten haben. Ich werde jedenfalls die Tür trotz des Verbots einmal öffnen; denn wenn auch Schlimmes darauf folgt, so ist es mir, nachdem ich meinem Vaterhause einmal entrissen bin, doch gleichgültig, ob ich in Armut oder Reichtum lebe. Wenn mich der Alte also zur Strafe für den Ungehorsam verjagt, ist es nicht so schlimm, dann wandere ich eben, wenn der Weg auch weit ist, zur Stadt meines Vaters zurück."

Schatr Mohammed nahm also den kleinen Schlüssel und öffnete die Tür. Da sah er einen weiten Raum. In seiner Mitte hing, mit den Haaren an der Decke festgebunden, ein wunderschönes Mädchen. Zur einen Seite war ein Pferd mit sieben Ketten angefesselt, dem war als Nahrung ein Becken mit Blut vorgesetzt, und zur andern Seite war mit sieben Ketten ein Löwe festgebunden, dem war als Futter ein Bündel duftendes Heu hingelegt. Sonst aber war der ganze Boden mit einer dicken Schicht alter und frischer abgeschnittener Köpfe junger Burschen bedeckt, und deren Blut war über alles hin und auch zu den Wänden hinauf verspritzt. Schatr Mohammed erschrak bei diesem Anblick zuerst, dann aber ging er über die Köpfe weg zu dem Mädchen und schnitt sie von der Decke ab. Er trug sie hinaus aus dem Raume und legte sie draußen auf einen Teppich. Danach ging er zurück und tauschte das Heu des Löwen mit dem Blutbecken vor dem Pferd aus. Beide Tiere waren über die Maßen dankbar und ließen sich, ohne sich zu wehren, von der Fessel der sieben Ketten befreien und hinausführen.

Als er hinauskam, war das Mädchen zu sich gekommen. Es fiel dem Sohne des Melik zu Füßen und sagte: "Schatr Mohammed, ich danke dir!" Schatr Mohammed sagte: "Was, du kennst meinen Namen?" Das schöne Mädchen sagte: "Ich weiß schon lange, daß nur Schatr Mohammed imstande sein wird, mich zu retten. "Das Pferd begann aber zu sprechen und sagte: "Es ist nicht Zeit jetzt zu sprechen; wenn wir dem Alten entrinnen wollen, müssen wir



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uns vielmehr sehr eilen. Sieh, mein Schatr Mohammed, nur die Köpfe aller an, die den Boden des Raumes bedecken, in dem du uns fandest. Sie sind alle von dem Alten jungen Leuten abgenommen worden, die wie du diese Tür geöffnet haben. Also eile dich, daß wir entkommen. Gehe in jene Kammer und nimm den Sattel und das Zaumzeug heraus, um mich zu zäumen. Gehe in jene Kammer, nimm Sarad (Eisenkettenhernd), Chodre (Eisenheim) dazu, Dirra (Eisenkettenbeinbehang) und Saef (Schwert) heraus. Zieh den Schlüssel von der Kammer. Besteige dann mit dem schönen Mädchen meinen Rücken und suche so wenigstens abzureiten, ehe der alte böse Mann zurückkehrt."

Schatr Mohammed tat sogleich, wie ihm geheißen. Er sattelte das Pferd, legte sich alle Waffen an, schloß die Kammer ab, hob das schöne Mädchen herauf und ritt dann, so schnell er konnte, von dannen. Der Löwe lief aber neben ihm her. Als sie gerade zum einen Tor des Parkes herausritten, kam zum andern der Alte mit zwei andern jungen Männern an, die er eingefangen und deren Köpfe er für die Kammer bestimmt hatte. Das Pferd und der Löwe liefen so schnell sie vermochten.

Nach einiger Zeit sagte das Pferd zu Schatr Mohammed: "Sieh dich nach dem um, was es gibt! Der Alte hat entdeckt, daß du die Kammer geöffnet und uns geraubt hast." Schatr Mohammed wandte sich im Sattel um. Er sah ganz weit in der Ferne den Alten laufen. Der Alte lief aber sehr schnell und kam immer näher.

Nach einiger Zeit sagte das Pferd zu Schatr Mohammed: "Sieh dich nach dem um, was es gibt!" Schatr Mohammed wandte sich im Sattel um. Er sah, daß der Alte gar nicht mehr weit entfernt war. Schatr Mohammed sagte: "Der Alte ist uns schon ganz nahe." Darauf reichte das Pferd Schatr Mohammed einen Moscht (Kamm) und sagte: "Nimm diesen Kamm und wirf ihn hinter dich!" Schatr Mohammed nahm den Kamm und warf ihn hinter sich. Es entstand daraus ein großer dichter Wald hinter dem Pferd und vor dem Alten. Es war ein dichter Buschwald, und dem Alten wurde es schwer weiterzukommen. Das Pferd lief aber schnell weiter und war schon weit entfernt, als der Alte endlich durch den Wald hindurchgekommen war.

Nach einiger Zeit sagte das Pferd wieder zu Schatr Mohammed: "Sieh dich nach dem um, was es hinter dir gibt!" Schatr Mohammed wandte sich im Sattel um. Der Königssohn sah, daß der Alte gar nicht mehr weit entfernt war. Schatr Mohammed sagte: "Der



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Alte ist nun schon ganz nahe." Darauf reichte das Pferd Schatr Mohammed ein Stück Glas (gathath) und sagte: "Nimm dieses Stück Glas und wirf es hinter dich!" Schatr Mohammed nahm das Glasstück und warf es hinter sich, als der Alte schon ganz dicht hinter dem Pferde war. Es entstand aber sogleich ein weites Feld; das war bedeckt mit scharfen Glassplittern. Das Glassplitterfeld dehnte sich weit aus zwischen dem Alten und dem Pferde. Der Alte betrat das Glasfeld. Die Glassplitter schnitten ihm in die Füße. Er konnte nur schwankend, fallend und langsam darübergehen. Das Pferd lief aber schnell weiter und war schon sehr entfernt, als der Alte endlich mit zerschnittenen Gliedern über das Glassplitterfeld hinweggekommen war.

Nach einiger Zeit sagte das Pferd wieder zu Schatr Mohammed: "Nun sieh dich noch einmal nach dem um, was es hinter dir gibt!" Schatr Mohammed hob sich im Sattel, blickte zurück und sah, daß der Alte doch wieder ganz nahe herangekommen war. Schatr Mohammed sagte: "Eile dich! Eile! Der Alte ist wieder da!" Das Pferd reichte aber dem Königssohn ein Stück Sabun (Seife) und sagte: "So wirf dies schnell hinter dich!" Schatr Mohammed nahm die Seife. Schatr Mohammed warf sie in dem Augenblick, als der Alte nach dem Pferde greifen wollte, zwischen das Pferd und den Alten. Darauf wurde die Seife zu einem breiten Flusse. Der trennte das Pferd und den Alten, so daß der Alte wieder weit fort war. Der Alte trat in das Wasser. Er glitt auf dem Flußbett aus und stürzte hin. Er stand auf und ging weiter. Er fiel wieder hin. Er wollte schwimmen. Er kam weiter in das Wasser. Zuletzt aber, als er mitten im Flusse war, konnte er sich nicht mehr oben halten. Der Alte ging unter.

Schatr Mohammed ritt aber auf dem Pferd weiter. Der Löwe lief voraus. (Von nun an geht die Legende in eine Gorobaform [siehe oben Anmerkung S. 172] über. Und zwar ist die erzählte Variante folgende:)

Mohammed kommt an eine große Stadt. Das Pferd rät ihm, zwei Haare der Mähne auszureißen und sie gelegentlich, wenn er des Pferdes bedürfe, zu verbrennen, im übrigen aber seine Eisenrüstung auf seinem Rücken festzubinden und als armer Mann in die Stadt zu gehen. Von dem schönen Mädchen ist nicht mehr die Rede. Nachdem das Pferd in die Wüste gelaufen ist, betritt Mohammed die Stadt und wird gegen Beköstigung Gehilfe des Obergärtners



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des Melik. Am folgenden Freitag soll, als alle Welt beim Gebete abwesend ist, Mohammed den Garten hüten. Im Palaste sieht die jüngste der sieben Meliktöchter den "schmutzigen Gärtnerburschen" sich baden, dann die Pferdehaare verbrennen, das Pferd kommen, die stattliche Ausrüstung Mohammeds, der nun kreuz und quer den Garten durchreitet und alle Beete zerstört. Sie sieht auch, wie Mohammed die Eisenpracht wieder ablegt, das Pferd entläßt, dann sich selbst bindet und als "schmutziger Gärtnerbursche" mißhandelt wird, weil er nicht angeben kann, wer der fremde Reitersmann war, der den Garten verwüstet hat und dann den Gärtnerburschen band. Die jüngste Meliktochter verhindert zwar, daß der Bursche vom Obergärtner mit sieben extra geschnittenen Stöcken geschlagen wird, auch sendet sie nun alltäglich Entenbraten und gute Speisen, Mohammed erhält aber nur allerkümmerlichste Nahrung.

Eines Tages geht nun die Prinzessin mit den älteren sechs Schwestern im Garten spazieren und läßt von ihren Sklaven sieben reife Wassermelonen, die auf Mohammeds Beet stehen, abschneiden und sie ihrem Vater als Sendung seiner Töchter vorlegen. Der König weiß zunächst nicht, was das bedeuten könne, bis der Wesir ihn darüber aufklärt, daß seine Töchter dadurch ihre Ehereifheit andeuten wollen. Darauf erfolgt dann die Vorführung aller Vornehmen, aus deren Kreis die sechs ältesten Meliktöchter durch Zuwurf der Taschentücher ihre Gatten erwählen, während die jüngste auch die Anwesenheit der niederen Leute fordert, unter denen sie den Gärtnerburschen erwählt. Somit erfolgt die große Hochzeit und herrliche Ausstattung der älteren sechs Töchter und die Verstoßung der jüngsten und ihres Gatten ins Sklavenlager.

Der Melik erkrankt im Gram über die schmähliche Gattenwahl seiner jüngsten Tochter, und die Ärzte erklären, daß nur die Milch junger Gazellen ihn retten könne. Die sechs vornehmen Schwiegersöhne reiten nun auf stolzen Rossen großartig zur Jagd hinaus, während der verachtete Mohammed auf einem elenden Klepper unter Gespött von dannen trottet. Die sechs vornehmen Schwiegersöhne sind erfolglos. Mohammed zaubert aber mit den Pferdehaaren ein Zeltlager in die Wüste, läßt durch den Löwen alle möglichen Tiere einfangen, zumal weibliche Gazellen, und empfängt die auf der Heimkehr befindlichen sechs Schwäger als ein diesen unbekannter Fürst. Auf ihre Bitten gibt er ihnen, wenn auch schlechte, Gazellenmilch, stempelt sie dagegen mit seinem Chatu, das heißt



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Brandsiegel, auf der rechten Hinterbacke. Der Brandstempel lautet: "Das ist mein Sklave von meines Großvaters Zeiten her." Die sechs vornehmen Schwiegersöhne kehren heim und bringen ihre Milch; sie hilft nicht. Schatr Mohammed aber kommt auf elendem Pferde hinterher mit der von den Ärzten sogleich als gut empfohlenen Milch, die zwar nur zögernd angenommen wird, weil sie von dem "elenden Gärtnerburschen" kommt, die aber sogleich wirkt. Trotzdem steigt Mohammeds Ansehen nicht. Nur die eigene Gattin, die ihn ja seinerzeit im Garten hat reiten sehen, ehrt ihn schweigend hoch.

Eines Tages erfolgt der Einfall eines fremden Fürsten. Die sechs vornehmen Schwiegersöhne reiten mit den Edlen hinaus zum Kampf. Mohammed folgt in jämmerlichem Aufzuge und viel verspottet dem Zuge. Die Edlen und Vornehmen werden fast geschlagen und sind in arger Bedrängnis, als endlich Mohammed, der an entfernter Stelle Pferd und Waffen gewechselt hat, auftaucht und durch seine glänzenden Heldentaten die fast verlorene Schlacht rettet. Ehe der unbekannte Retter aber noch nach Namen und Herkunft befragt werden kann, ist er verschwunden. Stolz und vornehm und prahlend ziehen die sechs Schwiegersöhne heim, während Mohammed, wieder arg verspottet, hinterherhinkt.

Am zweiten Tage spielen sich die Vorgänge ganz ebenso ab, ebenso auch am dritten.

Am dritten reitet der Melik selbst mit seinen Vornehmen hinaus und sieht nun die Vorgänge, erst die schlechte Stellung der fast geschlagenen Vornehmen, dann das plötzlich siegreiche Auftreten des allen unkenntlichen Schatr Mohammed. Der Melik ist nun aber unbedingt willens, seinen Retter kennenzulernen, und als der endgültige Sieg gewonnen ist, schlägt er selbst ihm mit der Schwertspitze am Arme eine Wunde und bindet sein eigenes Taschentuch darum. Die Vornehmen kehren heim und prahlen über ihre Leistungen. Der Melik erklärt aber, nur den könne er als Helden (Fans) und seinen Nachfolger anerkennen, der imstande sei, die Armwunde und sein Taschentuch vorzuzeigen.

Auch zu seiner jüngsten Tochter, die mit Mohammed im Sklavenviertel untergebracht ist, dringt das Gerücht von dieser Erklärung des Melik. Mohammed ist wie immer lange nach den andern, armselig und verspottet angekommen. Ermüdet hat er sich hingelegt und schläft. Die Tochter des Melik sieht seine blutende Armwunde und erkennt das Taschentuch ihres Vaters. Sie läuft hin und ruft



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ihre Mutter. Diese will die so gut wie verstoßene Tochter erst kaum anhören, geschweige denn ihr glauben, sie kommt aber zum Schluß doch mit hinüber und überzeugt sich von dem Tatbestand. Darauf geht die Frau des Melik zu ihrem Gemahl, überredet diesen, der ihre Aussagen erst als Zeichen von Verrücktheit erklärt, doch in das Sklavenhaus hinüberzukommen und zeigt ihm sein Taschentuch und Mohammeds Armwunde.

Der Melik sinkt am Lager des schlafenden Mohammed auf die Knie und weckt ihn durch seine Tränen und Entschuldigungsbitten. Mohammed wird nun in großen Ehren mit seiner Gattin eigentlich erst verheiratet, und dabei werden die sechs vornehmen Schwiegersöhne durch das Brandsiegel als Sklaven Mohammeds enthüllt. Mohammed soll Melik werden. Er erklärt aber, selbst anderweitig gleiche Rechte und Pflichten zu haben, kehrt mit seiner Gattin heim und löst seinen alten, tiefbeglückten Vater in Amt und Würden ab.


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