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Kapitel 

Die Geschichte von dem starken Grettir dem Geächteten


Übertragen von Paul Herrmann


Mit 8 Ansichten und einer Karte

Verlegt bei Eugen Diederichs in Jena 1913


31. Grettir fordert Bardi vergebens zum Zweikampf heraus

Bardi Gudmundsson und seine Brüder ritten heim nach Asbjarnarnes, nachdem sie sich von Grettir getrennt hatten. Sie waren die Söhne des Gudmund Sölmundarson. Sölmunds Mutter war Thorlaug, eine Tochter des Sämund von den Hebriden, des Zieh bruders Ingimunds des Alten. Bardi war ein vornehmer Mann. Bald darauf ritt er von Hause fort, um seinen Ziehbruder Thorarin, den verständigen, zu besuchen. Der nahm Bardi freundlich auf und Sagte, welche Unterstützung er sich jetzt gesichert hätte, denn sie hatten Bardis Zug nach dem Borgarfjördr schon vorher verabredet.

Bardi antwortete, daß er einen Mann zur Begleitung gewan



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nen hätte, dessen Hilfe ihm wertvoller erschiene, als die zweier anderer.

Thorarin schwieg eine Weile und sprach:"Das ist gewiß Grettir Asmundarson."

"Ein weiser Mann errät die Wahrheit," sagte Bardi. "Er ist es und kein anderer, lieber Ziehvater."

Thorarin antwortete: "Das ist wohl wahr, daß Grettir weit alle anderen Männer hier im Lande übertrifft, unter denen man jetzt die Wahl hat, und schwerlich wird ihn einer im Kampfe besiegen können, wenn er seine volle Gesundheit hat. Aber ich zweifle, daß er vom Glücke begünstigt ist, und du solltest doch solche Männer in deiner Begleitung haben, die nicht vom Unglück verfolgt werden; und es wird genug vorkommen, selbst wenn er nicht mit dir reitet; er soll dich nicht begleiten, wenn ich raten darf."

"Ich hatte nicht gedacht, lieber Ziehvater," antwortete Bardi, "daß du mir von einem Manne abraten würdest, der außerordentlich tapfer ist, wie es uns auch ergehen mag. Man darf nicht zu genau sein, wenn man gezwungen ist, Hilfe anzunehmen , wie es bei mir der Fall ist."

"Es wird zu deinem Besten sein", sagte Thorarin, " wenn ich die Sache in die Hand nehme."

Es ward nun so, wie Thorarin wollte, nämlich daß keine Botschaft zu Grettir geschickt wurde. Bardi aber ritt südwärts nach dem Borgarfjördr, und da geschahen die Begebenheiten, die in der "Geschichte vom Hochlandskampfe" 1 erzählt werden.

Grettir hielt sich in Bjarg auf, als er erfuhr, daß Bardi südwärts geritten war. Er wurde sehr zornig, daß ihm keine Botschaft geschickt worden war, und sagte, ihre Beziehungen würden damit keineswegs zu Ende sein. Er verschaffte sich Nachricht darüber, wann ihre Rückkehr vom Süden erwartet würde, und ritt nach dem Hof Thoreyjargnupr und beschloß dort zu warten, bis sie vom Süden angeritten kämen. Er ging von dem Gehöft nach der Halde, an der der Weg vorüber führte, und wartete dort.

Denselben Tag kamen Bardi und seine Begleiter von Süden



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her über die Tvidögra, nachdem der Kampf auf dem Hochlande zu Ende war. Es waren sechs Mann im ganzen, und alle waren schwer verwundet.

Als sie an dem Hof vorüber gekommen waren, sagte Bardi: Ein Mann steht da oben auf der Halde, mit Wassen. Kennt ihr ihn:"

Sie sagten, sie wüßten nicht; wer es wäre.

Bardi sprach: "Mich dünki, es ist Grettir Asmundarson. Und wenn dem so ist, so will er uns gewiß treffen; ich schließe daraus, daß er zornig darüber ist, daß er nicht mit uns geritten ist. Mich dünkt, wir sind wenig darauf vorbereitet, wenn er im Sinne hat, uns Böses zuzufügen. Ich glaube darum, es ist das beste, Boten nach den Leuten von Thoreyjargnupr zu schicken, damit ich nicht gezwungen bin, Feindseligkeiten von ihm zu erleiden."

Alle fanden diesen Rat vortrefflich und taten so. Danach ritt Bardi und sein Gefolge weiter. Grettir sah sie kommen und stellte sich ihnen in den Weg; als sie sich trafen, grüßten sie einander. Grettir fragte nach Neuigkeiten, und Bardi erzählte ohne Zaudern alles, was geschehen war. Grettir Sagte weiter; welche Leute Bardi in seiner Begleitung hätte. Bardi erwiderte, es wären seine Brüder und sein Schwager Eyjolf.

"Nun hast du dich von bösem Leumund befreit," sagte Grettir. "Aber jetzt wollen wir beide die Probe machen, wer von uns der Stärkste ist."

Bardi antwortete: "Die Arbeit auf meinem Hofe liegt mir näher am Herzen, als mich mit dir ohne den geringsten Grund herumzuschlagen, und die glaube ich jetzt besorgt zu haben."

"Ein Feigling dünkst du mich zu sein, Bardi" sprach Grettir "wenn du dich nicht mit mir zu schlagen wagst."

"Nenn es, wie du willst", sagte Bardi, "aber ich sähe am liebsten , du ließest an andern deinen Übermut aus als an mir; und das dünkt mich nicht unwahrscheinlich, weil dein Hochmut über alles Was geht."

Grettir gefiel seine Prophezeiung wenig, und er war im Zweifel, ob er auf einen von ihnen losgehen sollte; aber es schien ihm etwas unvorsichtig, darum, daß sie sechs waren und er nur einer. Und in diesem Augenblicke kamen Leute von Thoreyjargnupr,



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um Bardi zu helfen. Grettir ließ den Abstand zwischen sich und Bardi größer und größer werden und ging dann zu seinem Pferde. Aber Bardi und seine Begleiter ritten ihre Straße, und sie trennten sich, ohne einander Lebewohl zu sagen. von einem späteren Zusammenstoß zwischen Bardi und Grettir bai man keine Kunde.

So hat Grettir selbst gesagt, daß er keine Angst kannte vor einem Kampfe mit den meisten Menschen, selbst wenn drei gegen ihn wären; er würde auch nicht vor vieren fliehen, ohne einen Kampf zu versuchen, aber kämpfen gegen mehr würde er nur in dem Falle, wenn es sein Leben gälte; wie er in dieser Weise sagt:



***
27
Dreist ich kämpf mit dreien,
Droht auch harte Not mir;
In dem Spiel der Speere
Spür ich Furcht nicht für mich.
Mehr als vier der Feinde
—Fliegt der Speer des Kriegsgotts 1 —
Scheu ich in dem scharfen
Schlachtsturm, hab die Macht ich. 2

Nachdem Bardi mit seinen Leuten fortgeritten war, ging Grettir wieder heim nach Bjarg. Er war ganz unglücklich darüber; daß er nirgends seine Kräfte erproben konnte, und zog überall Erkundigungen ein, ob es nicht irgendwo eine große Tat für ihn zu tun gäbe.


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