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Kapitel 

Schweizerisches

Sagenbuch.


Nach

müdlichen Ueberlieferungen, Chroniken und andern gedrukten and handschriftlichen Quellen herabgegeben


und mit

erläuternden Anmerkungen begleitet von


C. Kohlrusch.

Leipzig,

Rob. Hoffnann

1854.


7. Das nächtliche Gräben auf dem Friedhofe.


Bandim, schweiz. Merkur. Jahrg. 1830, S. 235.

Ein Engadiner erzählte einst wie folgt: Mein Großvater hatte einen Knecht. Eines Morgens sagte ihm derselbe, daß er um Mitternacht Spatenschläge von seiner Schlafkammer aus, deren Fenster nach dem Gottesacker schauten, gehört habe. Nachdem er sie einige Zeit vernommen, sei er wieder



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eingeschlafen — und endlich von Neuem durch solches Graben aufgeweckt worden. Um sich zu unterrichten von dem, was da vorgehe, stand er auf, kleidete sich an und begab sich zum Kirchhofe hinab. Im Hinuntergehen noch hörte er das Schaufeln, und fand, dort angekommen, ein offenes Grab an der Stelle, die er genau bezeichnete. Den Tag darauf starb der füher kerngesunde Mann und der Todtengräber öffnete ihm das Bett, dessen Decke er vierundzwanzig Stunden vorher weggehoben sah.

Das nächtliche Graben auf dem Friedhof gehört gleich der Sage Nr. 14 S. 240 in das Bereich der Visionen, über welche ich mich schon bei dieser Gelegenheit ausließ. Daß mit ihnen jene größtentheils unheilverkündenden Vorzeichen, welche oftmals unter der verschiedenartigsten Deutung fast überall daheim sind, in enger Verbindung stehen, ward schon dort bemerkt. Es mögen von den abergläubischen Vorstellungen dieser Art, welche unter den Bewohnern Graubündens gäng und gäbe sind, daher nur einige der bezeichnendsten aus der gleichen Duelle, aus der obige Sage geschöpft ward, hier noch Erwähnung finden. bedeutet z. B. hohler und dumpfer Glockenklang bei einer Beerdigung, daß in nächster Zeit der Tod einen der Angesehensten die Gemeinde in große Trauer versetzen werde, während helles und volles Grabgeleute anzeigt, daß das Leid um den Nächststerbenden nur gering sein wird. Ferner verkündet ein freundliches Gesicht des im Sarge Liegenden, daß bald Einer der Zurückgebliebenen dem Dahingeschiedenen in das Land der Verklärung nachfolgen werde, welche gleiche Bedeutung auch das Einstürzen eines frisch gemachten Grabes hat, während die Höhlung des Talges im Leuchttiegel je nach ihrer Beschaffenheit diesen oder jenen Todesfall in nächster Nähe ansagt. Frißt z. B. das Licht an dem angezündeten Dochte in dem Talg eine Höhlung, daß dieselbe noch von allen Seiten mit Unschlitt umgeben ist, so ist dies ein Zeichen, daß überhaupt Jemand bald sterben wird, stürzt dagegen der obere Theil des Talges gegen den Docht, so fällt der Todeswürfel für Jemand im Hause, während, wenn dies nach auswärts geschieht, es Jemand außer demselben gilt. Endlich hält man auch hier, gleich im Kanton Glarus, für ein Vorzeichen nahenden Unglücks, wenn sich eine Elster am frühen Morgen auf den Hausgiebel setzt.
Copyright: arpa, 2015.

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