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Schweizer Märchen Sagen und Fenggengeschichten


Neu mitgeteilt von Curt Englert-Faye

1984

ZBINDEN VERLAG BASEL


Betrogene Schelme

Einmal fuhren zwei Kaufleute, zwei rechte Schälke, miteinander aus auf eine weite Reise in ferne Länder, um des großen Gewinnes willen, den sie sich davon erhofften. In einer Stadt nahmen sie einmal Quartier in einer Herberge. Da wurden sie von der Wirtin nach Gebühr empfangen und traktiert; denn diese war eine gute, einfältig Frau, der das Wohl ihrer Gäste gar sehr am Herzen lag. Bei der Abreise befahlen die beiden ihr ganzes Gut und Geld in ihre Obhut mit dem Beding, daß sie beide miteinander wiederkommen und eines Mundes ihr Eigentum zurückfordern wollten, an-



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ders dürfe sie es nicht aus der Hand geben. Und so fuhren sie ihres Weges weiter.

Die Frau hielt derweilen das anvertraute Gut wohl verwahrt nach ihrer Pflicht, denn fremden Gutes soll man wie des eigenen pflegen. Aber nach einer Weile kam von den zweien der eine ganz unverhofft zurück und sprach: «Ach, gute Frau, ich bin in tiefster Seele betrübt. Groß Ungemach hat mich betroffen. Wisset, mein guter Geselle, der ist tot. In großen Schulden hat er mich gelassen, für die ich jetzt allein aufkommen muß. Gebt mir unser Gut zurück, daß ich den Gläubigern das ihre bezahlen kann.» Die rechtschaffene Frau meinte nichts anderes, als es wäre wahr, was der Schelm da redete, und gab ihm gleich das Gut heraus. Der lachte sich ins Fäustchen und machte sich schleunigst wieder fort.

Unlang aber, begab es sich, daß eines Tages auch der andere Kaufmann wiederkam und sein Gut zurückverlangte. Die Frau in ihrer Unschuld erschrak und sprach: «Gott weiß, wie dies bewandt ist. Eurem Freunde hab ich das ganze Gut gegeben auf sein Geheiß. Er wär' in Not, sprach er, und ihr, sein Geselle, wäret tot.» Der Mann erwiderte: «Ich hab anderes nicht zu sagen, als euch der Bedingnis zu erinnern: das Gut sollte keiner erhalten, wir wären denn beide zur Stelle und forderten es eines Mundes zurück. So war's zwischen uns ausgemacht, und so soll's gelten. Doch wie dem nun sei, ihr schuldet mir auf alle Fälle meinen Teil.»

Da geriet die arme Frau in große Pein und wußte nicht mehr aus noch ein. In ihrer Not ging sie zu einem weisen Mann und klagte ihm ihr Leid und bat ihn um einen Rat, wie sie mit Glimpf aus diesem bösen Handel kommen möchte. Der Ratgeb hörte sich die Geschichte an, dann sprach er: «Liebe Frau, seid nur getrost und guten Mutes. Nach dem, was ich aus eurem Munde vernommen, so sollt ihr nicht zu Schaden kommen bei diesem Schelmenspiel. Ich will euer Fürsprech sein, und ich getrau mich, euch zu



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helfen.» Zu dem Kaufmann aber sprach er, nachdem er seine Rede gleichfalls angehört und seiner Schalkheit gewiß geworden: «Die Frau, die hier zugegen ist, sie leugnet nicht; ihr ist von dir und deinem Gesellen Gut und Geld befohlen worden. Das hat sie wohl behütet, wenn ihr beide wiederkämet, so sollte sie es euch zusammen zurückgeben. Dieses Wort steht fest, und alle sind gebunden, sich treu daran zu halten. Geh also hin und bringe deinen Gesellen her. Und zur Stunde wird sie euch alles geben, was sie euch rechtens schuldig ist.» Da zog der andere Schelm mit einer langen Nase ab und suchte seinen Gesellen, er hat ihn aber bis heute nicht gefunden. Also ist die Frau von ihrer Sorge gekommen durch des weisen Mannes Rat.


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