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Märchen aus Italien Spanien und Portugal


Illustrationen


von Sabine Wilharm

Märchen europäischer Völker


Die drei Brüder

Es waren einmal drei Brüder: Hans, Peter und Emanuel. Als ihre Mutter starb, hinterließ sie ihnen als Erbe ein Bett, ein Beet mit ein paar Kohlköpfen und ein Stückchen Land mit ein wenig Mais.

Die drei Brüder schliefen zusammen. Und jeder zog an der Bettdecke, und alle schimpften, denn sie war zu klein für die drei. Und eines Nachts sagte Peter zu seinen Brüdern:

»Damit wir nicht mehr dauernd an der Decke ziehen, will ich euch den Teil, der mir zukommt, unter der Bedingung verkaufen, daß ich zwischen euch schlafe.«

Die Brüder nahmen den Vorschlag an. Peter legte sich nun zwischen sie, und Hans und Emanuel begannen an der Decke zu ziehen.

Und Peter sagte dazu:

»Ich habe nichts und ziehe nicht, denn meinen Teil verkaufte ich.«

Dann beschlossen sie, den Kohl unter sich aufzuteilen, und Peter sagte zu seinen Brüdern:

»Was wollt ihr von den Kohlköpfen haben? Die Strünke oder die Blätter?«

Und seine Brüder antworteten:

»Wir wollen die Blätter.«

Da bebaute er das Stück Land, und die Strünke bekamen viele neue Blätter und lieferten lange Zeit Kohl. Und eines Tages sagten seine Brüder:

»Mit dem Kohl hast du uns betrogen, aber mit dem Mais kannst du uns nicht betrügen.«

»Gut, was wollt ihr denn vom Mais haben? Die Halme oder die Kolben?«

Und sie sagten:



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»Für uns die Stengel und für dich die Kolben.«

Und Hans und Emanuel bebauten das Stückchen Land, aber natürlich wuchsen keine neuen Maiskolben. Und eines Tages sagte Ernanuel:

»Ich ziehe in die Welt hinaus, denn Peter betrügt uns immer.«

Und Hans sagte:

»Ich geh aber nicht fort, obwohl Peter mich betrügt.« Und Peter sagte zu Hans:

»Wenn du nicht mit deinem Bruder gehst, komm mit mir. Wir ziehen zusammen in die Welt hinaus und werden dort schon etwas finden.«

Und Peter und Hans zoge gemeinsam los. Und als sie durch das Gatter eines Getreidefeldes gingen, sagte Peter zu seinem Bruder:

»Paß auf das Gatter!«

Er wollte damit sagen, er solle es schließen; aber Hans verstand es anders: Er nahm das Gatter auf die Schulter und ging mit ihm weiter. Und als sein Bruder es sah, sagte er:

»Aber Hans, was willst du denn mit dem Gatter?«

»Du sagtest mir doch, ich sollte darauf achten.«

»Ich wollte dir zu verstehen geben, daß du es hinter dir schließen solltest; aber wo du es schon einmal mitgenommen hast, trage es weiter, wir können es sicher noch zu etwas gebrauchen.« Und sie gingen weiter; und es wurde dunkel, als sie in einen Wald kamen, und Peter sagte:

»Laß uns auf einen Baum steigen, damit uns die Wölfe nicht fressen.«

Sie stiegen hinauf und zogen das Gatter mit hoch. Und mitten in der Nacht kamen Diebe dahin und begannen, unter dem Baum ihr Geld zu verteilen. Hans zitterte vor Angst und sagte zu seinem Bruder: »Ich möchte pissen!«

»Nein, Hans! Jetzt nicht, denn die Diebe sind da unten, sie könnten uns toten.«

Hans konnte das Bedürfnis nicht zurückhalten und pißte. Und ein Dieb sagte, indem er nach oben sah:

»Es scheint, daß der Regen heute warm ist.«

Nach einigen Augenblicken sagte Hans zu seinem Bruder:

»Ich will das Gatter hinunterwerfen.«



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»Nein, Hans, man wird uns töten!«

»Doch, ich werfe es hinunter, mag geschehen, was will.«

Und er warf das Gatter hinunter, und die Diebe liefen davon. Und die beiden Brüder stiegen herunter, um das Geld einzusammein, das die Diebe zurückgelassen hatten. Doch als denen der Schrecken vergangen war, erklärten sie, es sei unglaublich davonzulaufen, wo sie doch so viele seien.

»Dann geh ich hin«, sagte ein Dieb.

Er ging hin, und als er am Baum ankam, sagte er:

»Wer ist da?«

»Hans, der rasieren kann!«

»Komm her zu mir, rasier mich hier!«

Hans rasierte den Dieb, und dann sagte er:

»Laßt sehen! Streckt doch einmal die Zunge heraus; es scheint, Ihr habt ein Haar darauf.«

Der Dieb streckte die Zunge heraus, und Hans schnitt sie ihm ab.

Der Dieb ging zu seinen Kameraden, und sie fragten ihn: »Was für Leute sind bei dem Baum?«

Da er keine Zunge mehr hatte, konnte er nicht mehr sagen als: »Brr!«

»Nun will ich sehen, was für Leute da sind«, sagte ein anderer Dieb. Er ging hin und erlebte dasselbe wie der erste. Und so ging es allen, außer einem, der war schon alt und sagte, er gehe nicht hin, er wolle nach Hause zurückkehren und dort in Ruhe leben.

Peter und Hans kehrten beladen mit Gold wieder in ihr Dorf zurück. Und die Dorfbewohner waren neidisch auf sie, und eines Tages brannten sie ihnen das Haus ab. Peter sammelte die Asche auf, die von dem Brand übriggeblieben war, schaufelte sie in einen Sack und zog damit durch die Welt. Und als er einmal bei einer alten Fraun einkehrte, sagte er zu ihr:

»In diesem Sack ist Gold. Komm keiner auf den Gedanken, hineinzuschauen, denn sobald man hineinsieht, wird das Gold zu Asche.«

Die Alte schnüffelte gern überall herum, und kaum war Peter fortgegangen, sah sie nach, was in dem Sack war, und schrie auf: »Heilige Jungfrau Maria! Jetzt hat sich das Gold in Asche verwandelt!«



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Peter kam, und er sagte der Alten:

»Hab ich Euch nicht gesagt, Ihr sollet nicht nachsehen, was in dem Sack ist? Dafür müßt Ihr mir einen Beute! voll Gold geben.«

Und da die Alte sehr reich war, gab sie ihm das Gold. Peter kehrte zurück, und die Dorfbewohner sagten, als sie das Gold sahen:

»Wodurch bist du denn so reich geworden?«

Und er sagte:

»Ich habe die Asche von dem Haus verkauft, das ihr mir abgebrannt habt.«

Und die Dorfbewohner sagten:

»Dann wollen wir unsere Häuser auch abbrennen.«

Und sie brannten sie ab und zogen los, um die Asche zu verkaufen, die von den Bränden übriggeblieben war; aber niemand wollte sie kaufen. Und als sie in ihr Dorf zurückkehrten, beschlossen sie, Peter zu töten. Sie steckten ihn gefesselt in einen Sack, und während sie die Vorbereitungen zum Mord trafen, ließen sie ihn am Rand der Hauptstraße liegen. Und Peter klagte:

»Ach, ich Ärmster! Da haben sie mich in diesen Sack gesteckt, weil ich mich nicht mit der Königstochter verheiraten will!« Ein Maultiertreiber, der dort vorbeiging, hörte ihn und sagte zu ihm:

»Wenn du mich mit dir tauschen läßt, schenke ich dir meine Tiere.« Peter willigte zufrieden ein. Dann kamen die Dorfbewohner und warfen den Sack in den Brunnen. Und nach einigen Tagen erschien Peter mit seinen Maultieren in dem Dorf, und die Bewohner sagten:

»Wie ist denn das möglich, Peter? Bist du denn nicht ertrunken?« »Ach was! Inder Mitte des Brunnens fand ich diese Maultiere; wenn ihr mich noch tiefer hineinwerft, könnte ich noch mehr Maultiere herausholen, denn der Brunnen ist voll davon.«

Da stürzten sich die Dorfbewohner Hals über Kopf in den Brunnen außer einem, der sagte:

»Der Peter ist doch ein ganzer Kerl.«

Und nun gehörte dem Peter das ganze Dorf.


Copyright: arpa, 2015.

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