Märchen
aus Finnland
und dem
Baltikum
Illustrationen
von Ingeborg Ullrich
Märchen europäischer Völker
Der Mann mit dem Rindenschuh
Ein Mann ging des Weges und fand einen Rindenschuh. Er ging weiter,
kam an ein Dorf und kehrte in einer Herberge ein. Er fragte den Wirt:
»Wo kann ich den Rindenschuh für die Nacht hinstellen?« Der Wirt
antwortete: »Stell ihn zu den Hühnern unter den Ofen!« — »Wenn ihn
aber eure Hühner fressen?« meinte der Mann. Da sagte die ganze
Familie: »Das tun sie nicht, da kannst du ruhig sein.«Nun, in der Nacht
nahm der Fremde den Rindenschuh fort - er betrog sie -, und als er
am andern Morgen aufstand, sprach er: »Bringt mir doch meinen Rindenschuh!«
Sie suchten den Schuh, aber er war verschwunden. Da sagte
der Fremde: »Mein Schuh kostet ein gutes Huhn.« Da gaben sie ihm
ohne weiteres ein Huhn dafür.
Dann ging er weiter, und in einem zweiten Dorf blieb er wieder über
Nacht. Hier fragte er wieder: »Wo kann ich das Huhn für die Nacht
hintun?«Und sie sagten: »Stell es zu unsern Schafen!« — »Wenn aber
eure Schafe es fressen?« — »Unsere Schafe fressen es nicht, sie tun ihm
nichts.«In der Nacht ging er wieder hin und nahm das Huhn zwischen
den Schafen fort. Am andern Morgen machte er sich reisefertig und
sprach: »Bringt mir mein Huhn, ich gehe jetzt fort.« Sie suchten das
Huhn, aber es war nicht da. Und er sprach: »Nun, mein Huhn kostet
ein gutes Lamm.« Da gaben sie ihm ein Lamm dafür.
Er ging wieder fort, wanderte wieder einen Tag und kam zur Nacht
in eine Herberge. Und wieder fragte er: »Wo soll ich das Schaf für die
Nacht hinbringen?«Und sie sagten zu ihm: »Stell das Schaf zu unseren
Kühen!«Er aber meinte: »Wenn nun eure Kühe mein Lamm fressen?«
—»Das tun sie nicht, sie sind gutmütig.« In der Nacht holte er sein Schaf
aus dem Kuhstall, und am nächsten Morgen sprach er: »Bringt mir
mein Lamm!«Sie gingen fort, um es zu holen, aber es war nicht mehr
da. »Nun, das Schaf kostet eine gute Kuh.«Da gaben sie ihm eine Kuh.
Dann ging er weiter. Er ging wieder einen Tag und kam am Abend in
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arpa
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eine Herberge. Und er fragte: »Wo stelle ich die Kuh für die Nacht
hin?« — »Stell sie zu unsern Pferden!« —»Und wenn die Pferde meine
Kuh fressen?« —»Das tun sie nicht«, sagten die Wirtsleute, »sie fressen
sie nicht.«
Am andern Morgen sagte er wieder: »Bringt mir meine Kuh! Ich muß
jetzt weiterziehen.« Aber die Kuh war nicht da. »Die Kuh kostet ein
gutes Pferd«, sagte er zu ihnen. Da gaben sie ihm ein Pferd.
Der Mann ging ins Dorf, kaufte sich Geschirr und Schlitten und
spannte das Pferd an und fuhr mit dem Pferde davon.
Unterwegs begegnete ihm ein Fuchs, der bat: »Nimm mich in den
Schlitten, Freund!« —»Nun, komm, komm!« sagte der Mann zu dem
Fuchs, und sie fuhren weiter. Da begegnete ihnen ein Hund. »Nimm
mich in den Schlitten, Freund«, sagte auch der Hund; und der Mann
antwortete: »Es sind unser schon zwei.« Aber der Hund bat: »Nimm
mich, nimm mich mit.«Da nahm er ihn auch in den Schlitten. Sie fuhren
weiter, da kam ihnen ein Bär entgegen. Der sagte ebenfalls: »Nimm
mich in den Schlitten, Vetter!« —»Dich auch noch! Wir sind ja ohnehin
schon drei.« Aber der Bär bat: »Ach, nimm mich doch nur mit!« Da
sprach der Mann: »Komm, komm!« Und er nahm ihn auch noch mit.
Als sie eine Strecke gefahren waren, zerbrach die Deichsel am Schlitten.
Der Bär stieg ab und holte eine Deichsel. Er brachte eine große Fichte
als Deichsel, die aber nicht zu gebrauchen war. Da ging der Mann selber,
um eine brauchbare zu holen. Unterdessen nahmen die drei das
Pferd, warfen es zu Boden und fraßen es auf. Dann füllten sie die Haut
mit Erde und liefen fort. Der Mann kam zurück und setzte die Deichsel
an den Schlitten. Als er sein Pferd antreiben wollte, ging es nicht von
der Stelle. Da schlug er das Pferd, und es fiel zu Boden.
Copyright: arpa, 2015.
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