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DIE ERZÄHLUNGEN AUS DEN TAUSENDUNDEIN NÄCHTEN

VOLLSTÄNDIGE DEUTSCHE AUSGABE IN SECHS BÄNDEN

ZUM ERSTEN MAL NACH DEM ARABISCHEN URTEXT DER CALCUTTAER AUSGABE AUS DEM JAHRE 1839

ÜBERTRAGEN VON ENNO LITTMANN

BAND 6

IM INSEL-VERLAG


DIE ÜBERTRAGUNG AUS DEM ARABISCHEN

Im Jahre 1918 ward mir vom Insel-Verlag der Auftrag zuteil, die frühere Insel-Ausgabe von Tausendundeiner Nacht, die von Felix Paul Greve auf Grund der Burtonschen englischen Ausgabe besorgt war, mit der Calcuttaer Ausgabe vom Jahre 1839 zu vergleichen und nach ihr zu verbessern. Bei der Herstellung des ersten Bandes der vorliegenden Übersetzung suchte ich diesen Grundsatz durchzuführen, in dem ich Übersetzungsfehler verbesserte, den Stil im allgemeinen dem arabischen Erzählungs stile näher anzupassen versuchte, ferner alle Stellen mit Reimprosa und alle Gedichte neu übersetzte. Vom zweiten Bande an jedoch habe ich eine vollständig neue Übersetzung niedergeschrieben, bei der ich öfters die Grevesche Übertragung mit Nutzen zu Rate gezogen habe. Meine Übersetzung wird auf dem Titel bezeichnet als »Vollständige deutsche Ausgabe in sechs Bänden. Zum ersten Mal nach dem arabischen Urtext der Calcuttaer Ausgabe vom Jahre 1839 übertragen«. Dieser Titel ist zu rechtfertigen. Es sind zwar schon früher deutsche Übersetzungen aus dem Arabischen veröffentlicht worden, von denen besonders die von Weil (Stuttgart und Pforzheim 1839 bis 1842) und die von Henning (in Reclams Universal-Bibliothek, Schlußwort vom 30. November 1897) hervorzuheben sind. Weil legte die erste Bulaker und die Breslauer Ausgabe' zugrunde sowie eine Gothaer Handschrift, Henning übersetzte nach einer späteren Bulaker Ausgabe und fügte die nicht darin enthaltenen Geschichten nach anderen Ausgaben hinzu, so viele ihrer damals bekannt waren. Beide Übersetzungen sind aber nicht in jeder Hinsicht vollständig;



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manche Stellen des Originals sind in ihnen ausgelassen oder geändert, und Henning hat die Hälfte der Gedichte nicht übersetzt, da, wie er selbst sagt, »eine prosaische Wiedergabe derselben sie nur zu einem wertlosen Ballast macht«. Die vorliegende Übertragung nun ist eine nach menschlichem Vermögen getreue Wiedergabe des gesamten Textes der zweiten Calcuttaer Ausgabe und ist die erste deutsche Wiedergabe dieser Art. Diese Ausgabe liegt also zugrunde; daneben ist eine der Kairoer Ausgaben, die im allgemeinen denselben Text bieten, durchgängig verglichen worden, besonders bei Fehlern und zweifelhaften Stellen, und zwar eine vierbändige Ausgabe vom Jahre 1325 der Hidschra (=1907 fl. Chr.). Wo die Calcuttaer und die Kairoer Ausgabe Fehler haben, ist auch die Breslauer Ausgabe zu Rate gezogen. Die Abweichungen von der Calcuttaer Ausgabe sind als solche gekennzeichnet. Einige größere Ergänzungen sind sind gemacht worden, wie in der Übersetzung, weil ja mehrere der bekanntesten und beliebtesten Geschichten von Tausendundeiner Nacht nicht in den orientalischen Drucken enthalten sind. Dies sind die folgenden:

BAND n: Die Geschichte von 'Alâed-Dîn und der Wunderlampe; nach einer von Zotenberg herausgegebenen Pariser Handschrift. Die Geschichte von Ah Baba und den vierzig Räubern; nach einer von Macdonald herausgegebenen Oxforder Handschrift.

BAND an: Die Geschichte von dem Prinzen Ahmed und der Fee Perî Banû; nach Burton. Die Geschichte von Abu el-Hasan oder dem erwachten Schläfer; nach der Breslauer Ausgabe. Die Geschichte von der Weiberlist; nach der ersten Calcuttaer Ausgabe.

BAND IV: Der Schluß der sechsten Reise Sindbads und die siebente Reise Sindbads; nach der ersten Calcuttaer Ausgabe.



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Ergänzungen in der Geschichte von der Messingstadt. Das Ende der Geschichte von Sindbad und den sieben Wesiren. Die Geschichte von el-Malik ez-Zâhir Rukn ed-Dîn Baibars el-Bundukdâri und den sechzehn Wachthauptleuten; nach der Breslauer Ausgabe.

BAND V: Die Geschichte von den beiden Schwestern, die ihre jüngste Schwester beneideten; nach Burton.

BAND vi: Die Geschichte von Zain el-Asnâm; nach einer von F. Groff herausgegebenen Pariser Handschrift. Die Geschichte von dem nächtlichen Abenteuer des Kaufen. Die Geschichte von Chudadâd und seinen Brüdern. Die Geschichte von 'All Chawâdscha und dem Kaufmann von Baghdad; nach Burton.

Was »Burton«in dieser Aufzählung bedeutet, ist aus Band III, Seite 7, Anmerkung 2 zu ersehen. Aus dieser Liste ergibt sich aber auch, daß von den Geschichten, die nicht in den orientalischen Ausgaben enthalten sind, nur eine Auswahl getroffen ist, und zwar nach Maßgabe der ersten Insel - Übersetzung.

Ich habe mich bemüht, eine wissenschaftlich zu rechtfertigende und zugleich lesbare deutsche Übersetzung herzustellen; papiernes Deutsch habe ich nach Möglichkeit vermieden. So ergab sich denn auch die Notwendigkeit, nicht buchstabenmäßig, sondern sinngemäß zu übertragen; dabei hat mir Luthers Sendbrief vom Dolmetschen vorgeschwebt. Wie Luther oft statt »Gott« im Deutschen »der liebe Gott«sagte, habe ich das arabische »o mein Herr« an vielen Stellen durch »lieber Herr« oder »hoher Herr« oder noch anders wiedergegeben, je nachdem der Sinn es erforderte. Das ewige arabische »er sagte«(oder »sie sagte«, »sie sagten«) habe ich abwechselnd durch verschiedene deutsche Ausdrücke übersetzt, wie z. B. »antwortete«, »erwiderte«, »entgegnete«, »gab zur Antwort« usw. Dabei habe ich manchmal der Deutlichkeit wegen



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die arabischen Pronomina durch deutsche Substantiva oder arabische Substantiva durch deutsche Pronomina ersetzt. Gelegentlich habe ich auch das arabische »sagte (n)« ganz weggelassen und einfach in Dialogform ohne Einführung des oder der Redenden erzählt. Ich habe mich in solchen Fällen nach den Erfordernissen des Deutschen gerichtet, nicht nach der stereotypen arabischen Art. Ferner habe ich im Deutschen kleinere ausbessernde Veränderungen vorgenommen, wenn im Urtext ein Personenwechsel nicht beachtet oder nachlässig durchgeführt ist, oder wenn bei Übergängen von einer Nacht zur anderen innerhalb der Erzählung jemand erzählt, dies aber im Arabischen nicht angedeutet ist. Wiederholungen, die zum behaglichen Erzählungsstil gehören, namentlich beim Reden, habe ich jedoch auch im Deutschen getreu wiedergegeben. Im Gegensatz zu Burton, der viele arabische Fremdwörter im Englischen gebrauchte, habe ich solche im Deutschen vermieden, soweit es irgend möglich war; ich habe auch ausgesprochen arabische Ausdrücke, wenn ich es wissenschaftlich verantworten konnte, ins Deutsche übersetzt, ebenso wie ich Fremdwörter aus anderen Sprachen vermieden habe, wenn sie nicht unumgänglich nötig waren. Daß ich »Allah« meist habe stehen lassen und nur dann durch »Gott«übersetzt habe, wenn das Wort mehrfach in kurzen Abständen gebraucht wurde, geschah auf Wunsch des Verlages. Wenn sich in einem Werke von fast fünftausend Seiten kleinere unausgeglichene Unebenheiten finden, so ist das wohl zu entschuldigen; ich hoffe, sie werden auch den aufmerksamen Leser nicht stören.

Besondere Erwähnung verdienen die Reimprosa und die Gedichte. Es liegt mir ganz fern, etwa im Deutschen die gereimte Prosa als Stilmittel einführen zu wollen; wir haben im Deutschen viel zu wenig Reime, während im Arabischen ein



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Überfluß an ihnen herrscht, und den Germanen liegt der Stabreim viel näher. Ich habe jedoch in meiner Übersetzung die vielen Stellen arabischer Reimprosa durch deutsche Reime wiedergegeben, und zwar einerseits, damit der ästhetische Eindruck des Originals auch von den deutschen Lesern nachempfunden werden möge, und andererseits, damit solche Stellen sich im Deutschen von ihrer Umgebung abheben, wie sie es im Arabischen tun. Dabei hat die Wortwiedergabe gelegentlich gelitten; die Wiedergabe des Sinnes ist aber stets so getreu wie möglich gestaltet. Bei den Gedichten habe ich mir größere Freiheiten in bezug auf Metra und Reim gestattet. Daß ich die arabischen Gedichte durch deutsche Gedichte wiedergegeben habe, wird jedermann billigen; eine prosaische Übersetzung wirkt auf die Dauer unerträglich, und wenn auf die Worte »er sprach diese Verse«deutsche Prosa folgt, so ist das den meisten Lesern unverständlich. Ich habe auch in den Gedichten nach einer möglichst getreuen und sinngemäßen Übertragung gestrebt. Es ist unmöglich, im Deutschen die vielen, sehr komplizierten arabischen Versmaße und den durchgehenden Endreim. nachzuahmen, wenn man zugleich getreu übersetzen will. Nur gelegentlich habe ich ein arabisches Versmaß im Deutschen beibehalten und dann natürlich die arabischen Längen durch betonte Silben ersetzt. Im übrigen habe ich die längeren arabischen Metra meist durch »sechsfüßige lamben«, seltener -besonders bei epischen Heldenliedern - durch »achtfüßige Trochäen« wiedergegeben. Diese Metren sind aber nicht immer streng durchgeführt. Infolge der Fülle der Reime der arabischen Sprache ist es natürlich dort sehr leicht, die Gedichte mit durchgehenden Endreimen zu versehen. Rückert, der große Wortkünstler, hat bei seinen Übersetzungen aus dem Arabischen häufig auch im Deutschen den durchgehenden



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Reim angewandt; aber die Wiedergabe hat doch dadurch gelitten. Ich habe daher fast immer nur zwei aufeinanderfolgende Reime gebraucht. In meinen übertragungen bedeutet eine Verszeile stets einen arabischen Halbvers. Ich habe, je nach den Umständen, entweder Halbvers auf Halbvers gereimt oder Ganzvers auf Ganzvers, wobei dann der erste Halbvers jeder arabischen Verszeile ohne Reim blieb. Die arabischen Strophengedichte mit Kehrvers oder Kehrreim habe ich in ihrer Form nachgeahmt; und dort wurde auch der durchgehende Kehrreim im Deutschen wiedergegeben. *

Die vorliegende Neuausgabe meiner Übertragung der Erzählungen aus den Tausendundein Nächten ist im wesentlichen ein Abdruck der ersten Ausgabe. Nur an wenigen Stellen habe ich den Stil etwas gefeilt oder die Übersetzung nach dem arabischen Urtext verbessert. Zu dem Abschnitt über die Entstehung und Geschichte von Tausendundeiner Nacht mußten auf Grund neuerer Forschungen einige Nachträge gegeben werden. Die Verweise auf Seitenzahlen mußten nach der jetzigen Paginierung geändert werden.


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