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Kapitel 

Gustav Schwab -

Sagen des Klassischen Alterthums



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König Ödipus zeigt sich seinem Volke


Jason im Palaste des Uetes

Der frühe Morgen vereinigte die Helden zur Ratsversammlung. Jason erhob sich und sprach: "Wenn euch meine Meinung gefällt, ihr Helden und Genossen, so sollt ihr übrigen alle ruhig, doch die Waffen in der Hand, im Schiff bleiben; nur ich, die Söhne des Phrixos und zwei aus eurer Mitte wollen uns nach dem Palast des Königs Äetes aufmachen. Hier will ich es versuchen und ihn zuerst mit höflichen Worten fragen, ob er das goldene Vließ in Güte uns überlassen wolle. Nun zweifle ich nicht, er wird die Bittenden, auf seine Stärke trotzend, abweisen. Wir aber werden auf diese Weise aus seinem eigenen Munde die Gewißheit erhalten, was nun zu tun ist. Und wer kann es verbürgen, daß unsere Worte nicht doch vielleicht ihn günstig stimmen werden? Hat doch auch früher die Rede über ihn vermocht, daß er den unschuldigen Phrixos, der vor seiner Stiefmutter floh, in den Schutz seiner Gastfreundschaft aufnahm." Die jungen Helden billigten alle die Rede Jasons. So griff er selbst zum Friedensstabe des Hermes und verließ mit des Phrixos Söhnen und mit seinen Genossen Telamon und Augias das Schiff. Sie betraten ein mit Weiden bewachsenes



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Feld, das kirkäische genannt; hier sahen sie mit Schaudern eine Menge Leichen an Ketten aufgehängt. Doch waren es keine Verbrecher oder gemordete Fremdlinge, vielmehr galt es in Kolchis für einen Frevel, die Männer zu verbrennen oder in die Erde zu begraben, sondern man hängte sie, in rohe Stierfelle gewickelt, an den Bäumen auf, fern von der Stadt, und überließ sie der Luft zum Austrocknen. Nur die Weiber wurden, damit die Erde nicht zu kurz käme, in diese begraben.

Die Kolchier waren ein gar zahlreiches Volk. Damit nun Jason und seine Begleiter von ihnen und dem Mißtrauen des Königs Äetes keine Gefahr liefen, hängte Hera, die Beschirmerin der Argonauten, solange sie unterwegs waren, eine dichte Nebelwolke über die Stadt und zerstreute sie erst wieder, als sie glücklich in dem Palast des Königs angekommen. Da standen sie denn in dem Vorhofe und bewunderten die dicken Mauern des Königshauses, die hochgeschweiflen Tore, die mächtigen Säulen. die hier und dort an den Mauern vorsprangen. Das ganze Gebäude umgürtete ein hervorstehendes steinernes Gesims, das mit ehernen Dreischlitzen abgekantet war. Schweigend traten sie über die Schwelle des Vorhofes. Diesen umgürteten hohe Rebenlauben, darunter perlten vier immerfließende Springquellen; die eine sandte Milch empor, die zweite



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Wein, die dritte duftendes Hl, die vierte Wasser, das im Winter warm, im Sommer eiskalt war. Der kunstreiche Hephästos hatte diese köstlichen Werke geschaffen, alles dem Vater des Stetes, dem Sonnengott, zu Dank, der den Hephästos in der Gigantenschlacht einst auf seinen Wagen genommen und gerettet hatte. Aus diesem Vorhofe kam man zu dem Säulengänge des Mittelhofes, der sich zur Rechten und zur Linken hinzog, und hinter welchem viele Ein
gänge und Gemächer zu schauen waren. Querüber standen die zwei Hauptpaläste, in deren einem der König Stetes selbst, im andern sein Sohn Absyrtos wohnte. Die übrigen Gemächer hielten die Dienerinnen und die Töchter des Königs, Chalkiope und Medea, besetzt. Medea, die jüngere Tochter, war sonst wenig zu schauen, fast alle Zeit brachte sie im Tempel der Hekate zu, deren Priesterin sie war. Diesmal aber hatte Hera, die Schutzgöttin der Griechen, ihr in das Herz gegeben, im Palast zu bleiben. Sie hatte eben ihr



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Gemach verlassen und wollte das Zimmer ihrer Schwester aufsuchen, als sie den unerwartet daherschreitenden Helden begegnete. Beim Anblick der Herrlichen tat sie einen lauten Schrei. Auf ihren Ruf stürzte Chalkiope mit allen ihren Dienerinnen aus ihrem Gemache hervor. Auch diese Schwester brach in einen lauten Jubelruf aus und streckte danksagend ihre Hände gen Himmel, denn sie erkannte in vieren der jungen Helden ihre eigenen Kinder, die Söhne des Phrixos. Diese sanken in die Arme ihrer Mutter, und lange nahm das Grüßen und Weinen kein Ende.


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