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Kapitel 

Die deutschen Heldensagen


von

Friedrich von der Leyen

Zweite, völlig neubearbeitete Auflage München 1923

C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung

Oskar Beck


5. Jngeld

In eine frühe Zeit der longobardischen Geschichte, in jene Jahrhunderte, in denen die Longobarden noch in Niederdeutschland hausten, führt der Kampf der Longobarden und



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Dänen, von dem der Dichter des Beowulf weiß, und den auch eine andere, ungefähr gleichzeitige altenglische Dichtung erwähnt, die Dichtung von Widsith, dem Weitgewanderten.

Der Held dieser Sage war Jngeld , der Sohn des Longobardenfürsten Froda. Dieser Froda war in einem Kampf gegen die Dänen gefallen; um die feindlichen Völker zu versöhnen und um der alten Fehde ein Ende zu machen, wurde Freawaru, die Tochter des Siegers, des Dänenkönigs Hrodhgar, dem Sohn des Besiegten als Gemahlin gegeben. Doch es ruht, wenn ein Fürst gefallen, nicht lange der Mordspeer und die Blutrache schläft nicht, wie schön auch die Frau sei. Jngeld freute sich eine Zeitlang ihrer Liebe und ihrer Anmut, aber die Krieger der Longobarden konnten es nicht verwinden, daß die Dänen, die mit der Herrin den Saal betraten, die Waffen und die Rüstung trugen, die ihren Königen früher gehörten, bevor sie das Leben ließen. Und beim Gelage hub ein alter grimmer Kämpe an, den jungen Fürsten zu reizen und seine Rachgier zu wecken, denn er gedachte aller großen Kämpfe: Du mußt, junger Freund, das Schwert erkennen, das dein Vater unter seinem Helm zum Kampfe trug, er führte ihn das letztemal, den kostbaren Stahl, als ihn die Dänen fällten. Sie hielten die Walstatt nach dem Vergeltungskampf, als die kühnen Schildungen gefallen waren. Nun schreitet ein Sohn der Mörder durch unsren Saal, prunkend im Schmuck, und rühmt sich prahlend des Mords und trägt das Kleinod, das du doch tragen solltest. — So mahnt er und mahnt mit bitteren Worten, unablässig, bis die Zeit kommt, daß der Fürstin Knappe die Tat des Vaters büßt; vom Schwert getroffen entschläft er, blutüberströmt und hat sein Leben verwirkt; doch der Mörder entweicht unverletzt, denn er kennt die Pfade des Landes. Dann sind gebrochen auf beiden Seiten die Eide der Männer, wenn den Jngeld tödlicher Haß erfüllt und die Liebe zur Gattin ihm kühlem wird durch die Wogen des Kummers.

Wir dürfen die Erzählung des Dichters ergänzen: die alte Fehde lebt wieder auf zwischen den beiden Völkern und fordert neue Opfer.

Das Wesen dieser Dichtung ist der tragische Konflikt in Jngelds Seele, der Konflikt zwischen dem Gebot des Friedens und der Eide und dem Gebot der Rache. Er selbst, der König, ist



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jung und weich und untätig. Ihn freut die Liebe seiner Frau. Aber die ehernen Gesetze der alten Heldenzeit gönnen ihm nicht sein Glück, ihre unentrinnbare Forderung ist Rache für den erschlagenen Vater. Der Vertreter des Alten und das Gegenbild des Königs ist jener Krieger, der, eine lebende Chronik des ganzen Heldentums, unerbittlich den Jungen reizt und aufstachelt, bis das Gefolge die Rache für den Herrn übernimmt und er die Gattin verstößt und sich zu neuem Kampf waffnet. — Die Gestalt des jungen milden Königs und die Zornrede des alten harten Kriegers sind den Dänen jahrhundertelang im Gedächtnis geblieben. Im zehnten Jahrhundert schuf aus diesem Gegensatz zwischen alt und jung, zwischen vergangener und gegenwärtiger Zeit ein dänischer Dichter ein neues Lied, darin fällt das ganze Licht auf den alten Starkad, der ein Held war, wie ihn nur die Vergangenheit und nicht mehr die Gegenwart kennt. Einzelne Verse in seinen Reden gleichen noch Wort für Wort den Versen des Beowulf.


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