C. M. Wieland's Werke.
Zwölfter Band.
Die Wasserkufe
oderder Einsiedler und die Seneschallin von Aquilegia.
"Wer fest auf seinen Füßen steht, Der sehe zu, daß er nicht falle!" Die Warnung, liebe Brüder, geht Euch an und mich, und, ohne Ausnahm', Alle: Nur ist das "Siehe zu" zwar leicht gesagt, Allein, das Wie? ist, was die Weisen plagt. Wer freilich stets in einem hohlen Baume, Mit einem Klotz an jedem Bein, Sich aufhält, stößt den Fuß gewiß an keinen Stein Und kommt nicht leicht zu Fall — es wäre denn im Traume: Gesorgt ist für die Sicherheit Dadurch; allein wo bleibt die Thätigkeit? Der Mensch ist nicht zum Stehn, er ist zum Wandeln, Zum Laufen, wenn es gilt, zum Unternehmen, Handeln Und Wagen auf der Welt, und Gehn Ist sein Beruf, trotz allen großen, kleinen, Vieleckigen und runden Anstoßsteinen, |
Ihr nickt schon, wie ich seh' —Ihr wollt, (und das mit Recht) Der Dichter soll, statt zu moralisiren, (Dieß könnt ihr selbst, gut oder schlecht) Euch, wie Homer, frisch in die Sache führen. So hört denn an! — In einer engen Schlucht Im Pyrnerwald lebt' einst (wofern es leben Zu nennen ist) ein Mann, der auf der Flucht Aus einer Welt, wo Alles, vor und neben Und hinter ihm, zum Bösen ihn versucht, In diese Wildnis sich begeben, Um seinen thier'schen Theil durch strenge Klausnerzucht, Durch Fasten und Kasteien und übern Wolken Schweben Zur geistigen Natur, wo möglich, zu erheben. |
Natürlich schlummerten in seinem öden Winkel In solcher Zeit und bei so magerer Diät Die bösen Lüste ein: doch desto ärger bläht Den guten Mann der leid'ge Eigendünkel, Der in der Abgeschiedenheit Bei Fasten und Kastein gewöhnlich wohl gedeiht. Schon schmeichelt Bruder Lutz sich selbst, den Sanct Antonen und Paulen an Verdienst beinahe gleich zu seyn; Schon sieht er einen goldnen Schein Um seine Scheitel ihm für eine Tugend lohnen, Vor welcher, was die Welt mit diesem Namen ehrt, In seinem Wahn, wie Rauch im Sonnenglanz zerfährt. |
In diesem süßen Trug stört, wider sein Verhoffen, Ihn einst ein göttlich Traumgesicht. Ihm däucht, er seh' den Himmel plötzlich offen, Ihn überschütt' ein Strom von empyre'schem Licht, Und, gleich gebrochnen Donnerschlägen, Schall' eine Stimm' ihm diese Wort' entgegen: |
Wer hoch zu stehen wähnt, ist seinem Falle nah! Willst du an Tugend dich weit übertroffen sehen, So brauchst du nicht sehr weit zu gehen, Geh nur zum Seneschall von Aquilegia. |
Der arme Bruder Lutz erwacht in kaltem Schweiße Bei diesen Worten. Welch ein Fall! Mich, spricht er, der mit solchem Ernst und Fleiße Sein Heil geschafft, mich soll ein Seneschall, Ein schnödes Kind der Welt, an Tugend übertreffen? Und gleichwohl hör' ich noch im Ohr den Wiederhall Des Schreckenswortes Seneschall! Wie könnte mich die Himmelsstimme äffen? |
Entschlossen greift er stracks nach seinem Knotenstab, Und, einem wandernden Gespenste ziemlich ähnlich, Steigt er aus seinem Felsengrab (Nachdem er mit Gebet und Kreuzen, wie gewöhnlich, Sich wohl verwahrt) hervor und wallet ohne Ruh, Von Wasser bloß und hartem Brod gelabet, Dem stolzen Aquileja zu. |
Und nah' am Stadtthor kommt ein prächt'ger Zug getrabet, Ein großer schöner Mann, mit Scharlach angethan, Auf einem reichgeschmückten Gaule In seiner Mitte. Lutz spricht einen Bürger an Und hört mit aufgesperrtem Maule, Bestürzt, als donnert' ihm aufs Neu Die Himmelsstimm' ins Ohr: der Mann im Scharlachpelze Und mit der schweren Kettenlast von Schmelze |
Nun wohl! wenn Pracht und Hoffahrt nicht verdammen, So geht man, denkt er, leicht ins Reich der Himmel ein, Und Satans Schwefelpfuhl mag schlecht bevölkert seyn! Indessen rafft er sich zusammen, Drängt durch die Menge sich an diesen stolzen Mann, Nennt sich als Bruder Lutz und spricht, um Gottes willen, Um Dach und Fach in seinem Haus' ihn an. |
"Mein Bruder, müßt' ich nicht gleich eine Pflicht erfüllen, Erwiedert ihm mit Ehrerbietigkeit Der Seneschall, gern nähm' ich mir die Zeit, Dich selber in mein Haus zu führen; Allein mich rufen Amtsgebühren. Nimm diesen Fingerreif, trag' ihn zu meiner Frau Und sag': ich bitte sie, dich ganz so aufzunehmen, Als wär' ich's selbst. Nimm hin und trau Mir auf mein Wort, sie wird dich nicht beschämen." |
Der Ritter reicht aus seinem Scharlachpelz Den Ring ihm dar und gibt dann seinem Gaul die Sporen, Und Lutz sagt kaum sein Gott vergelt's! So hat er schon den Herrn aus dem Gesicht verloren. |
Betroffen, aber nicht von seinem Wahn bekehrt, Trabt Bruder Lutz nun schnurstracks nach dem Hause Des Seneschalls. — Was er da sieht, empört Sein düstres Auge, was er hört, Sein ungewohntes Ohr; er denkt: "In diesem Hause Lebt Alles ja in Saus' und Brause! |
Indem der Eremit so mit sich selber spricht, Kommt eine Frau, gar fein von Angesicht, So weiß wie frischer Schnee, wie Rosen roth von Wangen, Von hohem Wuchs, von Armen zart und rund, Die Augen himmelblau, Rubin der kleine Mund, In silbernem Gewand, mit Ringen und mit Spangen Geschmückt an Ohr und Hals und Hand, Aus einer Thür' hervorgegangen, Den Fremden, der im Vorsaal wartend stand, Als Frau des Hauses zu empfangen. Bei ihrem Anblick bleibt ihm kaum so viel Verstand, Den Fingerring ihr zitternd in die Hand Zu geben und mit Stottern herzusagen, Was ihr Gemahl ihm aufgetragen. |
Die Seneschallin spricht: Mein Bruder! dein Empfang In diesem Hause soll dich lehren, |
Und mit dem Wort' ergreift sie seine rauhe Tatze Und führet ihn in einen schönen Saal, Wo er die Tafel schon mit einem reichen Mahl Belastet sieht, gerade zu dem Platze Des Seneschalls. Hier, spricht sie, setze dich Als Herr vom Hause neben mich Und wähle dir aus diesen Speisen Und von den Weinen dort, wie sie mein Keller gibt, (Weinkenner pflegen sie zu preisen) Ohn' allen Zwang, was dir beliebt. |
Bei Sanct Hilarion, denkt Lutz, ich bin betrogen! Mit einem falschen Traumgesicht Hat mich der böse Geist belogen. Wie? dieser Mann, der so dem Glück im Schoße sitzt, So üppig Tafel hält, ein solches Haus besitzt Und solch ein Weib, — er soll nach fünfzig Jahren, In lauter Wollust Tag und Nacht So epikurisch zugebracht, Gerades Wegs gen Himmel fahren? Da wäre ja kein ärgrer Thor, als ich! Ich, der, um meine arme Seele Zu retten, dreißig Jahre mich In einer wahren Bärenhöhle Mit Fasten und mit Geißeln quäle! |
Weil Lutz so mit sich selber spricht, Sieht ihm die Dame lächelnd ins Gesicht; |
Frau, spricht der Klausner, laßt euch weisen, Daß einen solchen Tisch kein Diener Gottes führt, Der, seine Seele baß zu speisen, Sein Fleisch mit Lust mortificirt. Ich leb' in meinem Wald von Mispeln und von Nüssen, Wie meinem Klausnerstand gebührt, Und mache wirklich mir schon daraus ein Gewissen, Daß ich, indem ich Athem zog, Den Dunst so vieler Leckerbissen Nicht ohne Wollust in mich sog. |
Verzeihe, heil'ger Mann, daß ich zu streng dich finde, Versetzt die Frau: die Creatur Ist doch zu unserm Dienste nur Geschaffen, und gewiß, nicht alle Lust ist Sünde; Wohin du blickst, im Umfang der Natur, Da siehst du ihre Quellen stießen, Und nichts entheiligt uns, was wir mit Zucht genießen. Indeß, wenn dir geringre Kost behagt, So iß — von diesem Kohl mit deiner Magd! Du wirst dich so nur desto besser schicken, Den Lehnstuhl meines Herrn hier neben mir zu drücken. Wir leben beide, ich und er, Bloß von Gemüs' und Brod seit manchem Jahre her. |
Ist's möglich? ruft der Waldmann; ich erstaune! Wie kämet ihr zu einer solchen Laune? |
Wozu denn also (fällt |
Der Klausner ein) wozu in aller Welt Der Unrath da von üppigen Gerichten, Pasteten, Fischen, Wildbret und so fort? Ihr Anblick, glaubt mir auf mein Wort, Ist nicht geschickt, die Eßlust zu vernichten. |
Und wär' es, spricht die Frau, so übel denn gethan, Wenn's bloß zu einer kleinen Uebung wäre? Du weißt, es liegt gar viel daran, Daß man, was uns die Pflicht verbietet, leicht entbehre. |
Wie mancher Hungrige, erwiedert Bruder Lutz, Hätt' aus dem Ueberfluß gesättigt werden mögen! |
Auch kommt er jedesmal den Dürftigen zu Nutz, Versetzt die schöne Frau. Wir haben viel Vermögen, Und dieß und unser Stand scheint uns die kleine Last Von einer Tafel aufzulegen, An welcher jeder fremde Gast, Den uns der Zufall schickt, sich wohl bewirthet finde. |
Der Klausner fühlt die Stärke ihrer Gründe Und schweigt; indeß von Zeit zu Zeit sein Blick Mit Lüsternheit in jede Schüssel tauchet, Die würzhaft ihm entgegen rauchet. Kaum hält er mit Gewalt der Düfte Reiz zurück, |
Sie speisen beide nun stillschweigend ihren Kohl Und trinken klares Brunnenwasser Dazu — ein Trank, der keine Weiberhasser Zu machen pflegt. Auch thut der Klausner wohl, Der schönen Wirthin in die blauen, Lammfrommen Augen nicht zu oft hinein zu schauen: Denn schuldlos möchten sie zuletzt Gelegenheit Zu Aergerniß der armen Seele geben! Ein Sinn beginnt bereits allmählich aufzuleben, Der in der Abgeschiedenheit Durch stetes Ringen — sich vom Leibe los zu streben, Durch magre Kost und strenge Disciplin Schon gänzlich abgetödtet schien. Zum Glück war's eben Zeit, die Tafel aufzuheben. Lutz spricht ein langes Gratias, Und freundlich gibt ihm beim Entlaß |
Mein Lutz, nachdem er sich in Aquilejens Gassen Nach allen Kirchen und Capellen umgeschaut Und auf dem Grab der heil'gen Hermonassen Und Chrysogonen sich nach Möglichkeit erbaut, Kommt ziemlich matt von seinen frommen Reisen, Kurz eh die Dämmerung begann, Zurück und sucht in Demuth an, Ihm einen Winkel anzuweisen, Ein Obdach nur, wo ihm, damit er ruhen kann, Der Wind nicht um die Ohren sause. Das schlechtste Kämmerchen in diesem Fürstenhause Ist, spricht er, schon zu gut für mich. |
Ich kenne meine Pflicht, erwiedert Die edle Frau, indem sie sich Zu einem Diener kehrt: es heißt, wer sich erniedert, Der wird erhöhet — Zeigt dem Herrn sein Schlafgemach. Der Diener Gottes dankt, von seines Herren wegen, Der edeln Frau, ertheilt ihr seinen Segen Und folgt getrost dem Menschendiener nach. Doch wie bestürzt, bei einer Lampe Schimmer, Auf einmal in ein prächtig Zimmer Sich vor ein Bette von Damast Geführt zu sehn, worin für viere seines Gleichen |
Verblüfft, als würde ihm die Kehle zugeschnürt, Spricht Bruder Lutz zu dem, der ihn geführt: Hier ist gewiß ein Irrthum vorgefallen; So bettet man nur Seneschallen! Ich weiß recht gut, was mir gebührt. |
Der Diener bleibt dabei, er hab' ihn recht geführt, Und schleicht sich weg. Mein Waldmann lehnet Sich an das Bett' und denkt: Was ist zu thun? Ziemt's einem Mann, wie ich, in Eiderdun zu ruhn? Daß Satanas mich hier aufs Eis zu führen wähnet, Ist klar genug. Sey denn auf deiner Hut, Freund Lutz! Und doch — wie, wenn ich nun, dem Höllenwurm zum Trutz Den Kopf zu oberst mich in diese Grube stürzte? Bei meinem spitzigen Capuz! Ich will es thun — Und mit dem Wort' entschürzte Der Bruder sein Gewand, zieht Schuh' und Strümpfe aus, |
Und thut, mit einem Wort, als wär' er hier zu Haus. "Warum auch machtest du dir ein Gewissen draus? Dem Teufel seinen Spaß zu rauben, Darfst du ja nur auf Stein zu liegen glauben! Der Glaube machte dir schon manche bittre Pein |
Lutz scheint des Einfalls sich zu freuen Und ist schon im Begriff, sich vollends auszuziehn, Als etwas, wie ein knisternd Rauschen, ihn Auf einmal stutzen macht. Er sieht, was es bedeute, Und plötzlich öffnet an der Seite Sich eine Teppichthür', und —täuscht ihn nicht der Schein Der Lampe? sollt' es gar ein treuflich Blendwerk seyn? Die Seneschallin tritt in leichtem Nachtgewande So zuversichtlich in ihr Schlafgemach herein, Als wüßte sie gewiß, sie sey allein. |
Lutz — der beinahe schon im Stande Der Urnatur sich zeigt — in seinem Werk gestört, Sobald er Jemand kommen hört, Bekreuzigt sich mit beiden Tatzen, Reißt schnell die Decke auf und plumpet wie ein Stein In lauter Flaum bis übers Ohr hinein: Doch durch die Federkraft der schwellenden Matratzen Taucht er bald wieder auf und steckt den Kopf heraus. Die Lampe leuchter hell, es ist — er kann nicht zweifeln — Es ist die schöne Frau vom Haus', Allein für ihn (er sagt ihr's grad' heraus) Der furchtbarste von allen Teufeln. Was willst du? schreit er ihr, sich kreuzend in die Quer' Und in die Läng', im Exorcisten-Ton entgegen, Was, Satanskind, ist dein Begehr? Kommst du, in mir den Reiz der Sünde aufzuregen, |
Ereifre dich |
Nicht ohne Noth, versetzt mit unbefangnem Blicke Die schöne Frau, indem sie sich Am Bett' in einem Armstuhl senkt Und, unbekümmert, was der Klausner von ihr denkt, Sich nach und nach von jedem Kleidungsstücke, Das noch entbehrlich ist, befreit, Was hast du? fährt sie fort, was setzt dich so in Flammen? Hier, denk' ich, ist nichts zu verdammen. Es ist um Schlafengehens Zeit, Dieß ist mein Schlafgemach, dieß, wo du liegst, mein Bette. Du, dem dein Stand die Lieb' als Pflicht gebeut, Wie dachtest du nicht gleich, ich hätte Nicht, was ich that, gethan, hätt' ich dazu kein Recht? |
Verzeihung! spricht mein Lutz in einem sanftern Tone; Sey billig, edle Frau, und schone Auch meiner! Alle Schuld trägt ganz allein der Knecht, Der mich in dieses Zimmer führte! Ich sagt' ihm gleich, daß es sich nicht gebührte! |
Sich nicht gebührt? — Und was gebührt sich dann, Versetzt die Frau, wenn dieß sich nicht gebührt? —Mein Mann Hat (wie du sagtest) mir ausdrücklich anbefohlen, Dir so zu thun, als wär' er selbst an deiner Statt: Was thu' ich nun, als was er mir befohlen hat? Ich bin in meiner Pflicht; und, könnten wir ihn holen, Um Richter zwischen uns zu seyn, Gewiß, ich würde Recht bekommen! |
Allein wo bleibt die Zucht? fällt Bruder Lutz ihr ein. |
"Die Zucht? Wie könnte die bei uns gefährdet seyn? Ich räume dir, als einem biedern, frommen Und heil'gen Mann, nach deinem Ruf' und Schein, Des Mannes Platz, den Alle, die ihn kennen, Den bravsten aller Männer nennen, An meinem Tisch', auf meinem Lager ein Und sollte mich in dir betrogen haben können? Doch, deine Sach' ist das, nicht meine, Bruder Lutz! Ich lege mich, wie jede Nacht, an meinen Gewohnten Platz; —leg du dich ruhig in dem deinen Zurecht, empfiehl dich in den Schutz Der heil'gen Engel, Freund, und schlafe sanft bis morgen! Von mir hast du nichts zu besorgen!" |
Gereizt durch dieses Wortes stolzen Sinn, Gewohnt, in seinen kleinen Kriegen Mit Satanas fast immer obzusiegen, Und durch zwei Ellen Raum von der Versucherin Hinlänglich, wie er hofft, geschieden, Gibt Bruder Lutz sich endlich auch zufrieden, Legt sich aufs rechte Ohr und kehrt in stolzer Ruh Der schönen Frau die blinde Seite zu. Sie, ihres Orts — ihr Recht ihr widerfahren Zu lassen —liegt (wiewohl ein Weib in besten Jahren) So still auf ihrem Platz' und athmet euch so leicht, Ihr Bettgenoss' hätt' ihrentwegen Von einem Fliegenfuß die Tritte hören mögen. "Wacht oder schlummert sie vielleicht? |
Die Wahrheit ist, dem armen Mann War wohl noch nie so eng' in seinem Felle. Man denke sich an seine Stelle! Fünf Spannen nur entfernt von einem solchen Weib So stille wie im Sarg zu liegen, Ist wahrlich nur ein schlechter Zeitvertreib Und mehr Kasteiung als Vergnügen, Ihm däucht, er lieg' auf lauter Kannenkraut, Ihm kröchen zwischen Fleisch und Haut Zehn tausend Aemsen, die wie Nadelspitzen stechen: Er kann zuletzt sich länger nicht entbrechen, |
Sie thut beim ersten Mal', als ob sie nichts bemerke: Doch, wie sie fühlt, daß ihre Nachsicht ihn Verwegner mach' und seinen Wahn bestärke, Beginnt sie schnell sich weiter wegzuziehn. |
Er fühlt den Wink. Sein Stolz eilt der bedrängten Tugend Zu Hülf'; er ruft in seiner Noth sogar Die ganze Eremitenschaar Der Thebaide an. — Von seiner frühen Jugend Schon dreißig Jahre ward er öfters zwar versucht, Doch nie besiegt und sollte nun die Frucht So vieler Büßungen, Nachmachen, Fasten, Schmerzen So kindisch, wie ein unbekielter Gauch, In einem Augenblick verscherzen? Doch freilich hatte Satan auch Ihm nie den Streich gespielt und sich zu ihren Kämpfen So einen Kampfplatz und — den Muth, der ihn beseelt, Durch Zartgefühl und Menschlichkeit zu dämpfen — So eine Maske sich gewählt! Vergebens raffet er die letzte Kraft zusammen; Auch die ist nun erschöpft und ganz dahin. Mag (denkt er) mich, wer nie erlag verdammen! Und wälzt sich, wie auf Fegfeursflammen, |
Zwei Ellen Abstand, dächt' ich, heil'ger Mann, Sey (spricht sie) unter uns schon ausgemacht gewesen? Beweisest du dich so der Ehre werth, Die, wie es scheint, dir über dein Verdienen In diesem Hause widerfährt? Du kommst mit gleißnerischen Mienen, An frommen Worten reich, an echter Tugend leer, Gleich einem Sohn von Sanct Anton hierher, Des besten Mannes Achtung zu erschleichen, Und findest nun, zur Schmach von Allen deines Gleichen, Die erste Probe schon zu schwer! |
Sie sagte noch viel Andres mehr; Doch diese Züchtigung geht ganz an ihm verloren. Der Teufel, der ihn plagt, hat keine Ohren, Hört nicht ihr Bitten, fürchtet nicht ihr Dräun. Vergebens sucht sie ihn mit Macht zurück zu drücken; Nichts hemmt sein strafbares Entzücken: Er will, er muß, betheurt er, glücklich seyn. |
Ein altes Sprichwort sagt: Oft glaubt ein Mann zu fischen Und krebst. Des Wortes Wahrheit fand Mein Eremit bewährt. — Aus weiser Vorsicht stand Ein tiefes Marmorbecken zwischen Dem Bette und der Seitenwand, |
Es war nach Niklastag, als dieses sich begab. Vor Schrecken halb entseelt, aus einem warmen Und prallen Schwanenbett' in dieses nasse Grab So plötzlich sich gestürzt zu finden, Versucht er, eh' ihm noch die Sinne vollends schwinden, Aus der verwünschten Kufe sich Durch eigne Kraft empor zu winden. Vergebens müht und quält der Tropf sich jämmerlich; Sie ist zu tief, und er an Armen und an Füßen Zu sehr erstarrt. — Hier magst du eine Weile büßen, Ruft ihm die schöne Dame zu Und legt sich ruhig hin. — O! (wimmert er) wenn du, Wie an Gestalt, ein Engel bist an Sitten, So laß dich, edle Frau, erbitten Und reiche mir die Hand! Dir schwör' ich's heilig zu, Von nun an hast du gute Ruh Vor mir; ich bin vom Frost am ganzen Leib betäubet. Hilf mir heraus! Es ist die höchste Zeit. |
Wir kennen nun bereits die Frau des Seneschallen; An Unschuld, Unbefangenheit Und Güte glich ihr weit und breit Nicht eine schöne Frau von Allen. Thut sie ihm gleich nicht Alles zu Gefallen, |
Da liegt der arme Wicht nun wieder winselnd da, Und Alles, was bereits geschah, Geschieht von Wort zu Wort nun wieder: Er steigt an ihrer Hand aus seinem nassen Grab, Sie trocknet mit Flanell ihn ab, Wärmt ihn in ihrem Arm, reibt die erstarrten Glieder, Schiebt ihn sodann an seinen Platz zurück Und spricht mit mildem Ton und Blick: Nun, Bruder, gute Nacht, und komme mir nicht wieder! |
Ein solches Uebermaß von Güte und Geduld Brächt' einen wilden Caraiben, Denkt ihr, zurück zum Pflichtgefühl: Bei unserm Klausner, meine Lieben, Bewirkte sie das Widerspiel. Der Böse, der, (zur Warnung aller Frommen) Seitdem die Seneschallin sich Zu ihm gelegt, ihn in Besitz genommen, Treibt nun sein Werk gar meisterlich In Lutzens Kopf, — wiewohl so einem schwachen Verblüfften Kopf' aus X ein U zu machen Kein großes Kunststück ist. — "Lutz, noch verzage nicht, Spricht er, (und Lutz glaubt mit sich selbst zu sprechen, Indem Asmodi zu ihm spricht) Was Liebe wagt, ist stets ein ländliches Verbrechen. |
"Unsinniger und undankbarer Gast, So ist denn Alles ganz an dir verloren, Was du in dieser Nacht bereits erfahren hast? Schon zwei Mal bist du fast Für deine Lüsternheit in dieser Kuf' erfroren, Schon zweimal hab' ich deiner Reu getraut, Dich aus mitleidigem Gemüthe An meinem Busen aufgethaut, |
O, schrie der starre Lutz zähnklappernd, all dieß frommt Mir jetzt nicht! Rette mich, du beste aller Frauen, Erst aus des kalten Todes Klauen, Dann sprich, so viel du willst! |
Die Seneschallin stand |
Ein wenig an, bis sie in ihrem Herzen fand, Gerade, weil sie ihn zu hassen Versucht war, dürfe sie ihn nicht verderben lassen. Sie reicht zum dritten Mal ihm ihre starke Hand, Und eingedenk des Worts, das ihr Gemahl gesprochen, Fängt sie, sobald der Tropf, wie ein begoss'ner Hahn, Aus seinem Bad' hervor gekrochen, |
So frage, spricht die Frau. |
"Du bist so gut und mild, So keusch und fromm, wie ein lebendig Gnadenbild, Was konnte dich (verzeihe mir!) bewegen, So grausam über mein Vermögen Mich zu versuchen? Einen fremden Mann, Von dessen Tugend du nicht mehr erwarten solltest, Als man von Fleisch und Blut mit Recht erwarten kann, Wenn du ihm so begegnen wolltest, So traulich in dein Bett und selbst in deinen Arm Zu nehmen? — Sehr verzeihlich ist mein Frevel! |
Und du, (erwiedert ihm die Frau) von früher Jugend Zu Uebungen der reinsten Engelstugend Gewöhnt, du nennst die Probe, der ich mich Heut' unterwarf, zu schwer nicht nur für dich, Für Jeden, der auf keiner höhern Stufe Als der des Menschen steht? —Wohlan, so wisse dann, Die dir mit Recht verhaßte Wasserkufe Ist sieben Jahre schon bestimmt für einen Mann, Den, fünfzig Meilen weit im Umkreis, wer ihn kennet (Ich sagte dir's bereits) der Männer bravsten nennet, Mit einem Wort, für meinen eignen Mann. Das nämliche Gelübd', auf unsers Kindes Bahre Mit Thränen angelobt, das uns auf sieben Jahre Enthaltung auferlegt, schließt auch die Clausel ein, Die dich, mein Bruder, so empöret. Der Einfall mit der Wasserkuf' ist sein; Und wenn ihm ja was Menschlichs widerfähret, So hat er mir's zur Pflicht gemacht, Daß ich durch eben diese Kufe, |
Hier schweigt die schöne Frau. Bei ihrer Rede hängt Mein Klausner, von Gedanken, die einander Verklagen und entschuldigen, gedrängt, Den Kopf, und ziemlich lange fand er Die Sprache nicht, so voll und so verengt |
Mein Bruder, spricht die Frau, wenn dich in deinem Winkel Beim Drang zur Heiligung ein wenig Eigendünkel Beschlich, so hat vielleicht ein Stand, worin ein Mann, Um seine Tugend recht zu schätzen, Sich selbst nicht auf die Probe setzen, Sich nicht an Bessern messen kann, Die Abgeschiedenheit, nicht wenig Schuld daran. Der Seneschall und ich, wir leben Auf unserm Posten in der Welt; Fest überzeugt, wir sind dahin gestellt, Mit stillem redlichem Bestreben Nicht mehr noch weniger als unsre Pflicht zu thun: Und wenn wir uns verbunden schätzen, Zu halten, was ein rasches Wort zur Pflicht Uns machte, so geschah es nicht, Als ob wir großen Werth in diese Opfer setzten; Genug, ein Biedermann erfüllt, was er verspricht, Wenn's möglich ist. Mit gleich einfält'gem Willen Sind wir, wie uns Gelegenheit |
Hier schweigt sie abermal. Lutz läßt die Ohren hängen, Sein hageres Gesicht scheint sich noch zu verlängen, Allein sein Dünkel schrumpft in sich hinein. Lutz, denkt er, Lutz! du bist doch nur ein armer Sünder, |
Die Seneschallin kann nunmehr den Rest der Nacht In tiefer Ruh' an seiner Seite liegen, Und wie's der erste Strahl im Zimmer dämmern macht, Sieht Lutz sie durch die Teppichwand sich schmiegen. Er selber kriecht in seinen Pilgerrock, Wirft einen Blick, mit dem ein kleines Fieber Ihn schüttelt, auf die Kufe gegenüber, Nimmt eilend seinen Knotenstock, Läßt bei der gnäd'gen Frau sich melden, Empfiehlt, demüthiger, als einem Tugendhelden Geziemt, sich selbst in ihr Gebet Und wandert nun, viel weniger gebläht, Als da er kam, mit manchem Wurm in seiner Seele Und manchem Pfahl im Fleisch, nach seiner Bärenhöhle. |