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C.M. Wieland's Werke.

Fünfundzwanzigster Band.

Erstes Buch.

Von deinem Triebe voll, o Weisheit, will ich singen,
O! möchte mir durch dich ein würdig Lied gelingen!
Ein Werk, das du beseelst, treibt kein gemeiner Zug,
Entehrt kein niedrer Zweck. Ein ungewohnter Flug
Trägt mich dem Himmel zu; von Millionen Sternen
Umringet, lernt mein Geist vom Staube sich entfernen.
Dich, Urbild jeder Welt, der Gottheit Ebenbild,
Dich, Wahrheit, seh' ich selbst; der Glanz, der dir entquillt,
Stärkt mein noch blödes Aug'; wie dich dein Liebling schaute,
Wie Plato, dessen Blick sich die Natur vertraute,
So, Göttin, seh' ich dich, und die geschwellte Brust
Wallt liebend zu dir auf, mit nie gefühlter Lust,
O! könnt' ich auch, wie er, dich in erhabnen Bildern
Voll von Begeisterung und kühnem Feuer schildern!
Dann sollte dieß Gefühl, das mir dein Anblick schenkt,
Die Wollust, welche stets die reinen Geister tränkt,
Auch meiner Brüder Herz erweichen und durchfließen,
Und nie empfundne Lieb' in ihre Seelen gießen.

Komm, Muse, welche stets der Wahrheit Freundin war,
Und stell' ihr himmlisch Bild entzückten Augen dar;
Komm, mal' an meiner Statt (dein Pinsel kann nicht trügen)
Ihr göttlich Angesicht mit ungeschminkten Zügen.
So rührt sie auch den Blick, den der Gewohnheit Nacht
Und träges Vorurtheil empfindungslos gemacht.
Wie, wenn Titonia mit purpurfarbnen Flügeln
Die Dämmrung zu uns führt von halb bestrahlten Hügeln,
Ein müder Wandrer, den, auf sanft geschwelltem Moos,
Ein grünes Schlafgemach von dichtem Laub umschloß,
Vom Licht erweckt sich rührt; er reibt die Augenlieder,
Der Morgen hebt sie auf, der Schlummer schlägt sie nieder,
Das glänzende Gefild, der Blumendüfte Schwall,
Und selbst das hohe Lied der frühen Nachtigall,
Rührt seinen Sinn nur schwach, kaum glaubt er zu empfinden,
Er rafft zuletzt sich auf, und Traum und Schlaf verschwinden;
Ihn grüßt der nahe Tag, das aufgewachte Feld
Lacht ihm ermuntert zu, ihn blickt das Aug' der Welt
Mit fanften Strahlen an, von neuer Lust entzücket
Wird eine neue Welt, glaubt er, von ihm erblicket:
So wird der träge Sinn, der thierisch fühlt und denkt,
Vom Schlaf, worein ihn Wahn und Leidenschaft versenkt,
Durch den Gesang erweckt, den mich die Musen lehrten,
Die Vorurtheile fliehn, die seinen Geist beschwerten;
Ihn wundert, daß er da so viel Vergnügen schmeckt,
So viele Schönheit sieht, solch eine Pracht entdeckt,
Wo sein geschloss'ner Blick nichts fähig war zu schauen
Als unfruchtbaren Sand und Wüsten voller Grauen;
Und in der Welt, die sonst sein Trübsinn ihm entstellt,
Entdeckt die Weisheit nun ihm eine neue Welt.
Ja, Göttin, die du einst mit alter Weisen Zungen

Manch überirdisch Lied von Gott und Welt gesungen, Steh deinem Dichter bei, den, von dir selbst bewegt, Ein hoher Adlerflug durch alle Sphären trägt, Laß du in seinem Geist erhabnere Ideen, Ihm selbst verwundrungswerth, von dir gewirkt entstehen. Er singt die Gottheit selbst, den Quell der schönsten Welt, Und wie durch ihre Kraft das Ganze sich erhält. O möchte den Gesang, der mit der Engel Chören Um seinen Thron sich mischt, die ganze Schöpfung hören!

Auch ihr, die Stolz und Wahn um jenes Licht gebracht,
Worin die Gottheit sich den Geistern sichtbar macht,
Die ein verruchter Trieb selbst gegen Gott empöret,
Die ihr das Wesen schmäht, das euer Wesen nähret,
Hört meinem Singen zu, und fühlt der Wahrheit Macht!
Doch nein! Ihr fühlet nicht! des Lasters Todesnacht,
Der Sinnlichkeit Betrug, der Sturm der Leidenschaften,
Läßt keinen edlern Trieb in eurer Seele haften.
Durch eigne Schuld gestraft seht ihr die Sonne nicht,
Wie mächtig auch ihr Strahl die Finsterniß durchbricht;
Wie {Katadupens} 1) Volk den Fall des Nils nicht höret,
Der sein betäubtes Ohr im Sturm vorüberfähret.
Doch wer mit freiem Blick und einem Geist voll Klarheit
Sich in das Ganze wagt, den rührt die höchste Wahrheit,
Dem macht unzweifelhaft der tausendfache Mund
Der zeugenden Natur das Daseyn Gottes kund.
'Zwar kann, wen Sinnlichkeit und Vorurtheil bestricken,
Im Tanz der Sphären selbst Verwirrung nur erblicken,
Und wenn uns Sehenden der schönste Tag erwacht,
Ist's, ohne seine Schuld, rings um den Blinden Nacht."
Stellt eurer Phantasie ein menschlich Wesen vor,
Das nie den Tag gesehn. Nah bei dem Höllenthor,

In Aetna's tiefem Bauch, in Gründen voller Grauen, Schließ' ein Palast ihn ein, in dichtem Fels gehauen, 'Hier leb' er so wie einst im Hain Brosseliand Merlin verzaubert lag von Vivianens Hand; Nichts als Gespenster seh' in schwarzen Marmorzimmern Sein ungewisses Aug' an glatten Wänden flimmern." Er kenne nicht den Reiz der Mannichfaltigkeit, Den süßen Unbestand, der unser Aug' erfreut; Ein blasses Schattenspiel einförmiger Ideen Bleib unverändert stets vor seiner Stirne stehen, 'Und schläfert ihn, so wieg' an mattem Lampenschein Der Schlummer ihn zu noch langweil'gern Träumen ein. Setzt, dieser Mensch seh' einst durch neu entdeckte Ritzen Den ungewohnten Tag in seinen Kerker blitzen; Erstaunt such' er den Ort, der seine Nacht erhellt, Und der geborstne Fels führ' ihn zur Oberwelt: Wie wird ihm! Welch ein Strom von glänzenden Gedanken Erweitert plötzlich ihm des Geistes enge Schranken, Der kaum vor Lust sich kennt! Ein liebliches Gefild, Von Florens Hand gepflegt, malt ein entzückend Bild In sein geblend'tes Aug'; aus jenem blauen Bogen Fühlt er ein Meer von Glanz auf ihn herunterwogen, Das taufendfarbig ihn mit süßer Glut umfacht, Und Formen ohne Zahl ihm plötzlich sichtbar macht. Der Bäche sanft Geräusch, des schlanken Laubes Wallen, Das immer neue Lied verliebter Nacktigallen, Der Weste leises Spiel, das liebliche Gemisch Von tausend Lebenden in blühendem Gebüsch, Die alle tausendfach sich ihres Daseyns, freuen, Kurz, jeder Zauber, den im wonnevollen Maien (Als ihrem höchsten Fest) die Schöpferin Natur

Verschwenderisch ergießt auf Anger, Hain und Flur, Strömt seinen Sinnen zu im lieblichsten Gedränge, Und Herz und Seele wird so vieler Lust zu enge. Wo bin ich? ruft er aus, wie ist mir? Bin ich der Noch der ich war? O welch ein Wechsel! und woher Dieß neue Daseyn? Kann ein Traum so schön betrügen? Welch angenehmer Ort, gebauet zum Vergnügen? Woher ist alles da? wo reget sich die Kraft, Die mit verborgner Hand so viele Wunder schafft?

Er hält vielleicht, wie einst das Volk der jungen Erden,
Die Sonne für den Gott, durch den die Dinge werden;
Aufmerksam merkt er bald, daß alles was er sieht,
Von ihrem Strahl belebt, sich zeuget, wächst und blüht;
Ins Inn're der Natur weiß er noch nicht zu dringen,
Er kennt die Flächen nur von körperlichen Dingen;
Drum schaut der junge Geist, zu schwach zu hellerm Blick,
Noch nicht auf dich, o Gott, der Wesen Quell, zurück.
Doch die Betrachtung schärft sein unvollkommnes Wissen,
Und leitet den Verstand gemach zu tiefern Schlüssen;
Der nie gestillte Trieb nach neuer Wissenschaft
Beflügelt seinen Muth, und stärkt die Denkungskraft.
Er lernt die Kette sehn, die alle Dinge bindet,
Wie die bewegte Luft den schnellen Blitz entzündet,
Wie sich der Körper stets zur niedern Erde senkt,
Wie aus der Wolken Brust die matte Saat sich tränkt;
Die Bilder, welche stets aus allen Körpern fließen,
Und sich mit sanftem Druck in unser Aug' ergießen;
Der Samen inn're Kraft, die aus sich selbst gebiert,
Und die belebte Frucht im Kleinen in sich führt;
Den wunderbaren Bau harmonischer Maschinen,
Die Wesen höh'rer Art zu langer Wohnung dienen;

Den ungemess'nen Raum, wo in des Aethers Fluß Sich ein umstrahltes Heer von Welten drehen muß.

Dieß alles und noch mehr zeigt ihm im hellsten Lichte
Erfahrung und Vernunft, und stärket sein Gesichte.
Ja, spricht er, ja, ein Gott bewegt die Wunderuhr
Der Welt, die er erfand, beseelet die Natur.
Ein eingeschränkter Arm kann so viel Seltenheiten
Vollkommner als er selbst unmöglich zubereiten;
Die Welt, die meinem Blick kaum ihre Schale weis't,
Erhält sich durch die Macht von einem höchsten Geist;
Sie ist zu schlecht, in sich die Wirklichkeit zu finden,
Zu schön, von ungefähr sich aus dem Nichts zu winden.
So richtet die Vernunft, wenn kein gefärbtes Glas
Den Vorwurf anders zeigt, als ihn das Auge maß.
Von Vorurtheilen frei, die niedre Seelen drücken,
Schwingt sie zu Gott sich auf, mit aufgeklärten Blicken.
Im Ausfluß deiner Huld, vollkommenste Natur,
Entdeckt dir jeder Punkt von dir die Segensspur.
Ihr Weisen jeder Zeit, ihr Lieblinge des Wahren,
Bei denen Geist und Witz sich mit Erfahrung paaren,
Wie? daß beim hellen Glanz, wonn sich Gott uns zeigt,
Euch doch ein untreu Licht auf falsche Stege neigt?
Wie daß beim reinen Strahl entnebelter Begriffe
Ihr doch das Ziel verfehlt, die gränzenlose Tiefe,
In der sich alles gründ't, aus welcher alles fließt,
In welche alles führt und wieder sich ergießt? ,
Du, kluger Epikur, du Freund der Ruh' der Seelen,
Du lehrst das ächte Gut aus tausend andern wählen;
Du kennst den ew'gen Trieb, der in den Wesen glimmt,
Und zum Vergnügen nur des Willens Hang bestimmt;
Und doch mißkennt dein Witz den Urquell aller Freuden,

Die in verschiednem Maß erschaffne Wesen weiden; Die Gottheit kennst du nicht, die ihre Gegenwart Im unbegränzten Raum so herrlich offenbart. Aus Stäubchen ohne Sinn, gefügt von inn'rer Regung, Baust du die schönste Welt durch schwärmende Bewegung, Und machst aus jenem Geist, der alle Kraft gebiert, Ein träges Schattenbild, das kaum sich selber spürt. O! hätt'st du von der Welt, die du dem Ungefähren, Der Stäubchen tollem Schwarm und dem geträumten Leeren Zu bauen übergibst, nur einen Theil gekannt; 2) Gewiß du hättest nicht das diamantne Band, Wodurch die Wirkungen sich an die Ursach' schließen, Mit unbedachtsamer verwegner Hand zerrissen.

Der kennt das Sandkorn nicht, das dort am Ufer liegt,
Der es, wie du die Welt, durch blinden Zufall fügt.
Verwegen, doch beschämt von eigener Empfindung,
Verwirft dein kühner Mund die weiseste Verbindung
Der Zwecke ohne Zahl, nach welcher alles zielt,
Der ew'gen Ordnung Macht, die unverletzt befiehlt,
Die jedes Wesen ehrt; doch laß uns Gründe hören,
Und höre auf, uns nur mit Träumen zu bethören!
Ist jeder Grundsatz nicht, auf dem dein Lehrbau steht,
Von unsrer Gütigkeit erzwungen und erfleht?
Woher dein zahllos Heer stets reger Elemente,
Das ewig zwecklos sich bekämpfte, mischte, trennte?
Regt sich in ihnen selbst ein Keim der Wirklichkeit,
Der, ohne fremde Kraft, im Schooß der Ewigkeit
Durch inn'res Leben sproßt? —Nein, was sich selbst umgränzet,
Besitzt die Strahlen nicht, wovon die Gottheit glänzet.
Ein unbelebter Staub, dem inn're Form gebricht,
Den nichts Vollkommnes schmückt, erhält sich selber nicht.

Und sprich, woher der Stoß, der von der ersten Richtung Die Stäubchen weichen heißt? Mit schlecht erfundner Dichtung Läss'st du von ungefähr das größte Werk geschehn, Und deinen Göttern bleibt nichts als nur zuzusehn. Wann hat der Sturm vermocht den sterbenden Gefilden Numidiens die Pracht des Frühlings anzubilden, . Wenn er mit toller Wuth in hohlen Wüsten zischt, In Meeren Sandes wühlt, und Erd' und Himmel mischt? Wann hat sein Blasen einst im Staub, mit dem er spielet, Ein Werk, das deinem gleicht, erhabner Nahl, 3) erwühlet?

"Seht, wie vom Donnerton des Weltgerichts erweckt,
Durch den zerriss'nen Fels, der dieses Wunder deckt,
Die schönste Mutter sich aus ihrem Staub erhebet!
Wie den verklärten Arm Unsterblichkeit belebet!
Wie bebt von seinem Stoß der leichte Stein zurück!
Wie glänzt die Seligkeit schon ganz in ihrem Blick!
Ihr triumphirend Aug', in heiligem Entzücken,
Scheint den enthüllten Glanz des Himmels zu erblicken,
Der Seraphinen Lied rührt schon ihr lauschend Ohr;
Ein junger Engel schwebt an ihrer Brust empor,
Und dankt ihr jetzt zuerst sein theu'r erkauftes {Leben:}
Der Wandrer sieht's erstaunt, und fromme Thränen beben
Aus dem entzückten Aug'; er sieht's und wird ein Christ,
Und fühlt mit heil'gem Schau'r, daß er unsterblich ist."
So weiß des Künstlers Geist dem Stoffe zu befehlen,
Belebt den todten Stein, und haucht in Marmor Seelen.
Allein wann hat es je dem Ungefähr geglückt,
Daß es, wie Phidias, die Weisen selbst entzückt?
Wann hat in Vaumanns Gruft durch ungefähres Stoßen,
Sich ein Laokoon aus weichem Stein gegossen?
Und was ist jenes Werk, das aller Griechen Blick

Mit Rührung auf sich zog, des Meißels Meisterstück, Nur gegen einen Staub, aus dem die Pflanzen sprossen, Wo unbegreiflich klein, von mancher Haut umschlossen, Die künft'ge Blume liegt, geformt doch unbelebt, Aus tausend Fäserchen mit weiser Kunst gewebt? Unendlich ist für uns der zarten Fibern Länge, Unzählbar unserm Blick der kleinen Adern Menge, Die nach dem Grundgesetz, das in den Wesen liegt, Die wirksame Natur unendlich schön gefügt. Und was ist dieser Staub? Miß ihn mit unsrer Erden, Miß mit dem Himmel sie, sie wird zum Staube werden. Und dieß erschaffet dir der Stäubchen wilder Lauf, Und häufet Welt auf Welt, auf Wunder Wunder auf?

Mit gleicher Raserei, und größerm Muth zum Siegen,
Thürmt Strato 4) Schluß auf Schluß, die Gottheit zu bekriegen,
Wie der Titanen Heer, voll toller Wuth durchstürmt,
Dem wolkichten Olymp den Ossa überthürmt;
Man hört ihr Feldgeschrei den Himmel schon durchschallen;
Zeus sieht sie lächelnd an, und heißt die Berge fallen.
Im Innern der Natur liegt die gemeine Kraft
(So lehrt er), die durch sich der Dinge Bildung schafft.
Kein Geist beherrscht die Welt und bringt durch weises Wählen
Vollkommenheit hervor, und heißt das Böse fehlen:
Nein, ein Maschinentrieb, den kein Verstand erhellt,
Bestimmt durch manches Rad die Aend'rungen der Welt.
Im Schooß des ew'gen All, wohin kein Blick kann dringen,
Sproßt, warm von eignem Feu'r, der Keim von allen Dingen;
Die Zeit hilft der Natur, und säugt was sie gebar;
So wächst und blüht und reift was erst ein Unding war;
Doch bald wird's wiederum von jenem Schlund verschlungen,
Aus dessen düstrer Nacht es kaum hervorgedrungen.

Wie dort Saturn, von dem Hesiodus uns singt, Mit wilder Fräßigkeit die Säuglinge verschlingt, Die Rhea ihm gebiert, der Keim von späten Söhnen, Und sein selbsteignes Fleisch knirscht unter seinen Zähnen: So schlinget die Natur mit nie gestillter Wuth Ihr eignes Fleisch in sich, und sauft ihr eigen Blut; Ihr ewig schwangrer Schooß hört nie auf zu gebären, Nie ihr Harpyienschlund sich selber zu verzehren.

Nichts, sprecht ihr, wird aus Nichts, die Welt muß ewig seyn;
Wie Gott aus Nichts sie schuf, das sehen wir nicht ein;
Drum ist Gott selbst die Welt; des ew'gen Stoffs Gestalten
Sind keine Wesen, die sich durch sich selbst erhalten:
Nichts, was die Sinne trifft, besteht durch eigne Kraft,
Die Kraft des Ganzen ist's, die alles regt und schafft.
Betrogne! euer Schluß fällt auf euch selbst zurücke,
Und euer eigner Fuß verwickelt sich im Stricke,
Der uns geleget war; der richtige Verstand
Des Spruchs, auf den ihr trotzt, ist euch ganz unbekannt.
Das gränzenlose Reich, in welchem alles schwebet,
Zeigt uns Ein Wesen nur, das durch sich selber lebet;
Es hängt von niemand ab, von keinem Ding umschränkt
Wird sein vollkommner Will' nur von ihm selbst gelenkt.
Kein Fleck vermag den Glanz der Strahlen zu verdunkeln,
Die ewig ungeschwächt in seinem Antlitz funkeln.
Der andern Wesen Schaar (sie nennet man die Welt)
Wird durch verschiednen Grad von Häßlichkeit entstellt;
Dem Besten fehlt noch was; die schönste aller Dirnen
Find't ungern einen Grund der stillen Flut zu zürnen,
Die ihr geliebtes Bild mit kleinen Flecken weis't;
Nichts ist hier ohne Grad, der allerhellste Geist
Sieht Stufen über sich, die er noch nicht erstiegen,

Und selbst der Sohn des Glücks fühlt Unlust im Vergnügen. Wer so in seiner Brust das sichre Merkmal trägt, Daß eine fremde Kraft sein träges Wesen regt, Wie kann der ewig seyn und keine Ursach' kennen? Wer ist so sehr ein Thor, das einen Gott zu nennen, Das nie bleibt was es war, dem immer was gebricht, Das stets noch werden soll, stets mit dem Tode ficht? Hier zeigt der Irrthum sich, dem ihr wünscht zu entgehen; Wie kann ein endlich Ding aus eigner Kraft entstehen? Muß zwischen dem was wirkt, und dem was aus ihm fließt, Nicht ein Verhältniß seyn, das sie zusammen schließt? Kann auch aus eigner Kraft ein träger Baum sich zimmern? Kann ohne Sonnenglanz Aurorens Purpur schimmern? Wann schmückt sich von sich selbst, beraubt vom heißen Strahl, Der alle Samen wärmt, das blumenvolle Thal? Heißt dieses nicht dem Nichts die Gottesmacht gewähren, Aus seinem öden Schooß die Welten zu gebären? Viel leichter konnten einst Amphions Harmonien Der stolzen Thebe Wall aus Schutt und Steinen ziehn: Viel eher bildeten Dionens schöne Glieder Aus leichtem Schaume sich, mit zeugendem Gefieder Vom lauen West belebt, als daß aus eigner Kraft Durch blinder Räder Trieb sich Stratons Welt erschafft. Willst du die Gottheit nicht von deinem Ganzen trennen, So mußt du überzeugt zu eigner Schmach bekennen, Daß in dem Wahngebäu', das du auf Sand geführt (Des nahen Falls gewiß), aus Nichts ein Etwas wird.

Dieß ist der falsche Fels, den beide nicht vermeiden,
{Leucipp} 5) und Strato muß hier gleichen Schiffbruch leiden.
Was ist Nothwendigkeit, die kein Verstand bestimmt,
Was der Atomen Schaar, die in dem Leeren schwimmt,

Bald von der Richtschnur weicht, sich ohne Ordnung dränget, und wie der Zufall will, sich an einander hänget? Ein Wort, das keinen Sinn in seinem Ton verschließt, Und, wie des Freigeists Hirn, leer am Verstande ist.

Hoch über jener Schwarm, die sich von ihr entfernen,
Sitzt mit entwölkter Stirn die Weisheit bei den Sternen,
Und dringt mit freiem Blick und unverwandtem Sinn
Durch aller Welten Raum zum Throne Gottes hin
Ein nie versiegter Strom von unvermischtem Lichte
Umfließt sein Heiligthum; kein sterbliches Gesichte
Trüg' unverzehrt den Glanz, in dessen stiller Flut
Ein ungezähltes Heer verklärter Geister ruht.
Hier fühlet man dein Seyn, o Herr der Cherubinen,
Hier strahlest du sie an, hier schenkest du dich ihnen;
Von reiner Wonne satt, befreiet von Begier,
Vergessen sie die Welt, und sehn sie nur in dir.
Was unsre Augen sehn in matten Spiegeln glänzen,
Sehn sie im Urbild selbst, und sehn es ohne Gränzen.
So weit dringt gicht mein Geist, doch zeigt ihm Raum und Zeit
Den mächtigen Beweis von deiner Göttlichkeit.
Ja selbst in seiner Brust find't er von deinen Zügen
Ein unauslöschlich Bild in zartem Abdruck liegen.
Kaum blickt er in die Welt, kaum rühret seinen Sinn
Die Pracht der Creatur, so find't er dich darin.
Ein unbekannter Zug, zu stark zum Widerstehen,
Verknüpft unendlich schnell die größesten Ideen
In seiner Bildungskraft, es wird ein Bild von dir
Und reizt, ergreift, entzückt die sehnende Begier.
Dieß Zeichen deiner Macht, die alle Wesen reget,
Hast du von Ewigkeit den Geistern eingepräget;
Der dumme Samojed, der wilde Hottentott

Fühlt diesen Zug in sich und ehret einen Gott; Ein innerlich Gefühl wird ihn dein Daseyn lehren, Nur mangelt ihm die Kraft, sich selbst es aufzuklären; Weil er im dunkeln Bild Gott selbst nicht sehen kann, So betet der ein Holz, und der den Monden an. Dieß ist der innre Trieb, der, tief in uns gesenket, Mit dringender Gewalt die Herzen zu dir lenket, Den selbst ein {Kremonin} 6) mit ängstlichem Verdruß, Zu oft für seine Ruh', im Busen fühlen muß. Vergebens sucht er ihn mit trügerischen Gründen Und manchem kühnen Schluß aus seiner Brust zu winden. Kein Bildniß von Porphyr trotzt mehr dem Zahn der Zeit, Kein Eichbaum steht so fest und lacht des Nordwinds Neid, Als, von ihm selbst geprägt, des Schöpfers Eigenschaften Und sein ursprünglich Bild in unsrer Seele haften. Vergebens sprichst du hier, du dessen Zorn uns schilt, Die Dichtungskraft allein entwerfe dieses Bild, Und wisse aus dem Stoff von allen Trefflichkeiten, Die sie in Eines häuft, gar leicht das zu bereiten, Was, nach der Weisen Lehr', aus höhrer Wirkung fließt, Und von des Schöpfers Hand ein ewig Denkmal ist. Erforsche nur die Art der flüchtigen Ideen, Die durch die Bildnerei der Phantasie entstehen; Ein einzig Beispiel macht den Unterschied uns klar: Erträum' ein Hirngespenst, wie etwan jenes war, Das uns Horaz gemalt; das Haupt gleich' einem Weibe, Es reize Aug' und Mund; am schuppenvollen Leibe Schlag' ein Delphinen-Schwanz; mit Federn ausgeschmückt Sey noch ein Pferdehals den Schultern angeflickt: Dieß Werk der Phantasie, wen hat es je gerühret, Und durch geheimen Zwang zum Glauben überführet?

Dieß thut mit stiller Kraft das angeborne Bild, Von ihm, dem Urbild selbst, in unser Herz gehüllt! Uns treibt ein süßer Zug, sobald wir nur empfinden Daß es in uns sich regt, sogleich es wahr zu finden; 'So macht ein innrer Sinn den Widerspruch zu Spott, 'Und tief in unsrer Brust erschallt's: es ist ein Gott!'

Es ist ein Gott, durch den ich aus dem Nichts gedrungen;
So ruft Natur uns zu mit Millionen Zungen,
So stimmt in unsrer Brust dem jauchzenden Geschrei
Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bei.
Du bist, Unendlicher, den keine Größe misset,
Meer von Vollkommenheit, das ewig überfließet,
Aus dem ein steter Strom geschaffne Wesen tränkt,
Und sich doch unverzehrt in dich zurücke senkt.
Kein fremdes Wesen kann die reine Wonne mehren,
Die du aus dir nur schöpfst, du kannst der Welt entbehren;
O lehre selber mich, mein Ohr ist dir geweiht,
Den schöpferischen Grund von unsrer Wirklichkeit!
Wie dorten jene See von goldnen Feuer-Wellen
Sich nicht enthalten kann die Sphären zu erhellen,
Die ein allmächt'ger Schwung um sie zu fliegen drängt;
Der schattichte Planet, der ihren Schein empfängt,
Begierig in sich zieht und die geborgten Strahlen
Auf seine Monde schießt, vermag ihr's nicht zu zahlen;
Ganz unbesorgt, wer ihm die holde Wärme leiht,
Empfängt er bloß von ihr der Samen Fruchtbarkeit;
Sie freut sich, ihre Blut der Welt umsonst zu geben,
Und flößt in die Natur ein allgemeines Leben:
So ist die Gottheit auch (doch mit Vollkommenheit)
Zum Heil der Creatur in steter Wirksamkeit.
Kann sie unendlich seyn und nichts von Schranken wissen,

So lang im kalten Nichts die Wesen schlummern müssen? Nein, der Vollkommenste kann ohne uns nicht seyn, Sein ewig Daseyn schließt auch unser Daseyn ein. 'Untrennbar ist das Band, das Kraft und Wirkung einet, ' denkt die Welt in sich, und, was er denkt, erscheinet.'

Dieß ist der sichre Grund, auf den zu aller Zeit
Die weisesten der Schaar, die sich der Weisheit weiht, ;
Der Schöpfung Ewigkeit und stete Dau'r gegründet,
Die ein unsterblich Band an ihren Schöpfer bindet.
Der Führer jenes Volks, das {Gott} sich auserwählt,
Singt uns der Welt Geburt, voit Gottes Geist beseelt,
Nicht nach der Weisen Art, durch tiefgeschöpftes Wissen
Das Innre der Natur den Menschen aufzuschließen;
Dieß will sein Endzweck nicht; genug, daß uns sein Licht,
Zur Absicht sattsam hell, sie düstern Nebel bricht,
Wodurch die Weisen selbst, oft sinnreich um zu irren,
In Labyrinthen sich, die sie gebaut, verwirren.
Mit ungekünstelter und göttlich-hoher Pracht
Erzählt sein heil'ger Mund, wie aus des Abgrunds Nacht,
Dem Stoff, der nur von Gott die Wirklichkeit gesogen,
Des Schöpfers kräftig's Wort die Welt hervorgezogen;
Nicht, weil der ew'ge Geist, der Leben in uns blies,
Erst in gemess'ner Zeit den Raum gebären hieß;
Nein, bloß den alten Wahn der Weisen zu verdringen,
Der den vermischten Stoff von ungeformten Dingen
Durch sich läßt ewig seyn, und Gott entziehen will
(Dieß lehrte schon ein Theut 7) am vierzehnmünd'gen Nil,
Dieß hat den Magiern ein Zerdusht 8) vorgesungen),
Und dieser Irrthum ist's, den {Amrams} Sohn 9) bezwungen;
Der, da er uns erzählt, wie unsre Welt entstand,
Die Kette nicht zerreißt, die sie an andre band.

So fällt der Widerspruch, den aus den heil'gen Büchern
Man einer Wahrheit macht, die tausend Gründe sichern.
Ein Wesen, das stets wirkt und stets mit gleicher Kraft,
Das keinen Wechsel kennt, das nicht bald ruht, bald schafft;
Und dessen Tugenden, die wir verwegen trennen,
In stetem Ausfluß sind, und keinen Zuwachs kennen;
Wie könnt' es ewig ruhn? Fehlt's ihm vielleicht an Macht,
Daß es ganz unwirksam Aeonen zugebracht?
Wie? oder an der Huld? Mißgönnt er uns das Leben,
Das seine Allmacht uns von Ewigkeit kann geben?
Ohnmächtig seufzt die Welt ins öden Undings Grab,
Sie seufzt nach Wirklichkeit, und wer schlägt sie ihr ab?
Er, der nur winken darf, damit sich Sonnen drehen?
O! Liebe, soll dich so ein niedrer Erdwurm schmähen?
Die höchste Macht ist nicht, wie die Vermögenheit
Des Weisen von {Stagir,} 10 zum Wirken nur bereit;
Die schlummernd warten kann, bis durch die Zeit erreget,
Was vorher nur geglimmt, jetzt volle Flammen schläget:
So wie ein schneller Strom, von Dämmen eingeschränkt,
An den verhaßten Wall beschäumte Wellen drängt,
Er bäumt die wilde Flut, stürmt in die Felsenstücke,
Bespritzt die Wolken selbst und rauscht gepeitscht zurücke:
Doch endlich weicht der Schutt dem stets erneuten Stoß,
Die Steine trennen sich, der Pfähle Band wird los,
Erfreuet fühlt der Fluß die festen Eichen wanken,
Und bricht mit neuer Kraft durch die verhaßten Schranken,
Nichts hemmt nun seinen Lauf, er reißt vom nahen Hain
Bejahrte Tannen aus, und stürzet Felsen ein.
So fesselst du die Macht, durch die die Welt entstanden
Die unumschränkte Macht, mit frevelhaften Banden;
Dir kämpft das Nichts mit Gott, und erst nach langem Streit

Weicht es, von ihm besiegt, der neugebornen Zeit. Vergeblich suchst du dich, mit unhaltbaren Gründen Vom Vorurtheil geschminkt, dem Vorwurf zu entwinden; Du sprichst, nicht ohne Schein: die Schuld, daß die Natur Nicht ewig dauern kann, trägt bloß die Creatur. ; 'Der Dinge Schranken sind's, die seine Allmacht hemmen, 'Sich seinem schaffenden Gebot entgegen stemmen. Ein eingeschränktes Ding ist nur in Raum und Zeit, 'Sein Wesen selbst verträgt sich nicht mit Ewigkeit. 'Bewiese dieser Grund, so würd' er mehr noch gelten 'Als du beweisen willst; er spräche gar den Welten 'Und allem, was Gott selbst nicht ist, das Daseyn ab; 'Wir alle lägen noch ins alten Undings Grab. Das Wesen strebt ins Seyn, und was ihm fehlt zum Leben ' es zwar selbst sich nicht, doch kann es Gott ihm geben: 'Dieß gilt in jedem Punkt der ewig theilbar'n Zeit; Stets sind zum Werden wir, zum Schaffen er bereit; 'In Ewigkeit läßt Seyn sich nie mit Nichtseyn paaren, 'Und daß wir jetzo sind, zeigt daß wir immer waren. 'Zudem lehrt ihr ja selbst die Unvergänglichkeit 'Der Wesen, die jetzt sind. Ist eine ew'ge Zeit, 'Die unaufhörlich in die Zukunft sich ergießet, 'Euch denkbar? Nun, so räumt, wofern ihr folgrecht schließet, 'Auch uns, der Endlichkeit zu Trotz, die Wahrheit ein, 'Was ohne Ende ist, kann ohne Anfang seyn.'

Die Welt fing niemals an, und wird sich niemals enden,
Sie liegt von Ewigkeit in ihres Meisters Händen;
Durch seine Kraft bewegt, die ewig wirken muß,
Und stets in gleichem Maß, und ohne Zeit und Fluß.
Wähnt nicht, den Ewigen verkleinre diese Lehre!
Nein! sie gereicht vielmehr zu seiner größern Ehre.

Die Welt ist ewig zwar, doch ihre Dauer ist Nur eine stete Zeit, die endlos immer fließt; Die Kraft, die ewig schlägt in den umschränkten Dingen, Weicht stets aus ihrem Gleis, sich höher aufzuschwingen; Nie ist sie was sie wird, nie bleibt sie was sie war, Und was sie ist, wird nur durch Scheinen offenbar, Dich aber, Herr der Welt, fliehn Wechsel, Grad und Zeiten; Du unbegreiflich's Meer vollkommner Stetigkeiten Bleibst ohne Aenderung, wie du dich stets gezeigt, Indeß daß unsre Kraft durch ew'ge Grade steigt. Auch Welten trifft der Tod, der Sonnen Glanz erlischet, Wie eine Blume welkt, die lang kein Thau erfrischet; Nur du, du bleibst allein in gleichem Alter stehn; Kein neuer Himmel wird dich jemals größer sehn.

Die Welt ist Gottes Werk, und dauert ew'ge Zeiten;
Dieß, Muse, war bisher der Inhalt deiner Saiten.
Doch wie ist sie gebaut? Entdeckt auch ihre Pracht
Die Weisheit, die sie schuf, und ihres Meisters Macht?
Hier, Göttin, stärke mich, da ich den Wahn bestreite,
Den Zerdusht früh gelehrt, und {Manes} 11) spät erneute,
Von Vayle, der so gern den priesterlichen Blitz
Durch seinen Muthwill reizt, geschmückt mit neuem Witz.
Die Mängel unsrer Welt, die gleich den Sonnenflecken
Nur den geringsten Theil von ihrem Glanz verdecken,
Verführten jederzeit der blödern Geister Schwarm.
Von Wahnsinn aufgebläht, an reifem Wissen arm,
Zu klein die edle Pracht der Ordnung zu bemerken,
Die nur die Augen rührt; die sich mit Weisheit stärken,
Nennt der Verwegne schlimm, was er nicht richtig sieht,
Weil sich ein falscher Dunst um seine Sinne zieht.
'Wie eine Mücke, die an jenem Bilde klebet,

'In dessen Nachruhm noch sein großer Meister lebet, 'Wie ihr vieleckicht Aug', in einen Kreis gezwängt, 'Der eine Spanne kaum vom ganzen Bild umfängt, 'Nicht seine Schönheit sieht, noch ahnt das heil'ge Grauen, 'Das jeden Seher faßt, wenn seiner Augenbrauen 'Allmächt'ger Wink Olymp und Erde zittern macht; 'Der Formen hoher Reiz, der Faltenwürfe Pracht, 'Das Auge, das den Gott dem ersten Blick entdecket, 'Mild auf den Guten sieht, den Frevler niederschrecket, 'Die Majestät, die auf der höh'ren Stirne thront, 'Die Huld mit Ernst gepaart, die auf den Lippen wohnt;' Der ganze Jupiter verliert sich in der Schwäche Des Mückenaugs; dafür entdeckt sie auf der Fläche, Die ihre Füße trägt, des Marmors Rauhigkeit, Der ihr ein Felsen dünkt mit Zacken überstreut: So schränkt die Dummheit auch die neblichten Ideen In einen engen Kreis (das Ganze übersehen Ist größrer Geister Werk), das allgemeine Band, Das alle Theile fügt, bleibt stets ihr unbekannt. Drum find't sie überall die Schöpfung voller Mängel Und machte gar zu gern aus allen Würmern Engel; Klagt, daß ein öder Fels nicht bunte Tulpen bringt, Und Philomele nicht nach Grauns Gesetzen singt. Allein der Weise lacht des eingebild'ten Klugen; Er kennt des Ganzen Bau und aller Theile Fugen, Er hat den wahren Stab, der ihr Verhältniß mißt, Und find't so vieles schön, daß er den Fehl vergißt.

Aus jenem trüben Quell, von Leim und Sand geschwollen,
Ist bis auf unsre Zeit ein tödtlich Gift gequollen.
Statt mit Behutsamkeit der Wahrheit nachzuspähn,
Bleibt der verdross'ne Witz stets auf der Gränze stehn;

Mit Träumen speist man sich, die das Gehirn verwirren, Und wünschet sich noch Glück, so angenehm zu irren.

In einem tiefen Wald in Baktrens öder Flur
Verlieret sich Zerdusht im Forschen der Natur.
Die dickbelaubte Nacht umschatteter Gefilder
Führt den einsamen Sinn auf schreckenvolle Bilder.
Er forscht dem Uebel nach, das alle Menschen plagt,
Und mit geschärftem Zahn an ihren Herzen nagt.
Auch den, der Purpur deckt, dem alles scheint gewähret,
Verläßt der Kummer nie, der seine Lust verzehret;
Der Glanz, der ihn umgibt, blend't nur des Pöbels Wahn,
Und streicht mit falscher Pracht ein schimmernd Elend an.
Wir nähren tief in uns den Keim zu steten Plagen,
Er hat in unsre Brust die Wurzel eingeschlagen,
Die das durchschlungne Herz mit tausend Adern füllt,
Und die du selbst umsonst, o Weisheit, tilgen willt.
Der Geist sieht traurend sich in träge Fessel schließen,
Sein schwacher Nachen wird vom Strome hingerissen;
Der Wollust Süßigkeit vergällt der Ueberdruß,
Und Tantals Hunger nagt uns mitten im Genuß.
Uns trüget ein Gespenst, ein reizend Schaugerichte
Quält unsern trocknen Gaum und schmeichelt dem Gesichte.
Wie dort Kreusens Bild sich dem Aeneas zeigt,
Und sein bekümmert Herz mit falscher Hoffnung säugt —
Dreimal streckt er den Arm nach dem geliebten Schatten,
Dreimal entzieht sie sich dem Kuß des bangen Gatten:
So flieht die Seelenruh', das niemals feste Ziel
Betrogner Geister, den, der sie umfangen will;
Hingegen schwärmet stets ein Heer von blassen Sorgen
Bei jedem Tritt um uns, und ängstigt uns auf morgen.
Vergebens wird der Gram durch jetz'ge Lust verscheucht,

Er ist dem Parther gleich, der sieget, wenn er fleucht. Kaum scheint er zu entfliehn, so kömmt er stärker wieder, Und schwingt um unser Haupt sein trauriges Gefieder.

Aus diesem Augenpunkt betrachtet nun Zerdusht
Die allgemeine Noth, die Folter unsrer Brust.
Er spürt der Ursach' nach, erstaunt in deinen Werken
Gebrechen ohne Zahl, o Mithra, zu bemerken.
Nein, ruft er endlich aus, erbarmensvoller Gott,
Du lebest nicht von Blut, und suchst nicht unsern Tod.
Ein boshaft Wesen ist, das uns das Seyn mißgönnet,
Sein Herz ist stetes Feu'r, wo Zorn und Rache brennet,
Es labt mit Thränen sich und nährt mit unserm Blut,
Als wie mit fettem Oel, die unglücksel'ge Glut.
Der Seufzer Angstgetön liebt es weit mehr zu hören,
Als jene Harmonie der musikal'schen Sphären,
Die, Mithra, dich vergnügt. Von ihm stammt alle Noth,
Die uns bis zum Beschluß des banden Lebens droht,
Und nur dem Tode weicht, der unsern Jammer kürzet,
Ach! aber gar vielleicht in ew'gen Schlummer stürzet.
So schließt der Persen Theut, und findet in Geschichten
Des grauen Alterthums, umnebelt von Gedichten,
Was seine Meinung stärkt; der Celten Ueberfall
Und Hermanns strenge Faust, der {Horomasden} 12) Qual,
Ließ noch im Orient die blut'gen Spuren sehen,
Und schien dem neuen Wahn mit Nachdruck beizustehen.
So heckt des Weisen Witz und die Unwissenheit
Des Volks den Irrthum aus; genähret von der Zeit
Wächst er, und schützet sich mit seiner Priester Zungen,
Bis nun das Alterthum den Beifall ihm erzwungen,
Den ihm, als er entstand, des Pöbels Leichtsinn gab:
Nun blüht der Wahn empor, und auf der Wahrheit Grab.

Zwei Wesen ehrt und scheut, mit ganz verschiednen Trieben,
Das alte Persien. Das eine macht sich lieben,
Es pflanzt in unsre Brust der Tugend Samen ein,
Und pflegt die zarte Frucht mit warmem Sonnenschein.
Das andre gleicht der Nacht; mit kalten Finsternissen
Hemmt es der Strahlen Kraft die von Hormasdes fließen.
Ein ew'ger Zweikampf trennt der Himmelsgeister Schaar,
Und nichts als unser Glück ist dabei in Gefahr.
Das gute Wesen führt die unerfahrne Jugend,
Der oft die Unschuld schad't, den steilen Weg der Tugend,
Sein zärtlich-ernster Blick folgt ihnen wo sie ziehn,
Und wandelt Dornen oft in lieblichen Jasmin.
Hingegen Ariman, verschlagen uns zu kränken,
Hört niemals auf, an Stoff zu unsrer Pein zu denken.
Jetzt lockt er uns mit List in reizender Gestalt.
Ein liebenswerther Feind hat zehnmal mehr Gewalt,
Als der die Waffen zeigt, die unserm Leben dräuen;
Ein Feind, der sich erklärt, befiehlt uns, ihn zu scheuen;
Da dem, der lächeln kann, der uns umarmt und küßt,
Schon oft der kühnste Held zum Opfer worden ist.
Auf solche Weise ist's dem Wüthrich oft geglücket,
Daß seine Zauberei ein schwaches Herz berücket.
Kein Proteus wend't so oft die trügende Figur;
So vielfach sah dich nicht der spröden Nymphe Flur,
Vertumnus, 13) bis zuletzt mit schmeichlerischen Falten
Du als ein graues Weib die süße Gunst erhalten.
Voll Wunders fühlte gleich Pomona bei dem Gruß,
So gut er sich verstellt, den allzu frischen Kuß;
So küßt die Freundschaft nicht! Sie stutzt, ihr glühn die Wangen,
Doch plötzlich fühlt sie schon sich feuriger umfangen,
Sie sträubet sich umsonst, zu schwach zu ernstem Krieg,

Krönt nur ihr Widerstand des holden Feindes Sieg. So zeigt sich Ariman, den Endzweck zu erhalten (Sein Spiel ist unser Tod), in mancherlei Gestalten; Von jedem Vorwurf nimmt er Farb' und Bildung an Und trügt zu gleicher Zeit verschiedner Seher Wahn. In unsers Herzens Form weiß er sich schnell zu drücken, Und andre Neigungen auch anders zu berücken. Dianens Gürtel braucht er zu Kalisto's Weh, Und füllt mit goldner Flut den Schooß der Danae. Gelingt die List ihm nicht, so schrecket er mit Blitzen, Und Oromasdes selbst kann oft vor ihm nicht schützen

Dieß ist des Uebels Quell, so träumete Zerdusht,
Und suchte außer uns, was tief in unsrer Brust
Aus innrer Quelle rinnt; den Knoten aufzulösen,
Macht er das Uebel gar zu einem ew'gen Wesen.
Allein vor Fabeln bebt des Zweiflers Kühnheit nicht,
Du, Wahrheit, bist's allein, die seine Waffen bricht;
Durch dich will ich die Macht geschärfter Zweifel dämpfen,
Das Vorurtheil zerstreu'n, und für die Gottheit kämpfen.
Im ewigen Verstand der göttlichen Natur
Schwebt ein unendlich Bild der ganzen Creatur,
Von allen Schatten frei. Hier stehn in langen Reihen
Die Wesen, welche sich der Möglichkeit erfreuen:
Unendlich ist die Schaar, die ihren Platz hier hat,
Und sich vom öden Nichts dem Unerschaffnen naht.
Hier fehlet keine Kraft, kein wirksames Vermögen,
Kein Wesen, das sich selbst kann fühlen und bewegen.
Dieß ist der Stoff der Welt. Ihm gab die weise Macht,
Die ihn unsterblich schuf, der schönsten Bildung Pracht.
Sie hat der Wesen Schaar nach Aehnlichkeit verbunden,
Und jenes Grundgesetz der Ordnung ausgefunden,

Das jede Wirkung stets an eigne Ursach' knüpft, Und wehrt, daß die Natur nicht epikurisch hüpft. Die schöne Symmetrie, die Eintracht in den Theilen, Die durch verschiednen Weg den besten Zweck ereilen; Die wohl gesparte Kraft, die abgewogne Zeit, Der ausgemess'ne Raum, die Mannichfaltigkeit Mit Einfalt stets vermählt, das künstliche Verfügen, Daß im Vergangnen stets der Zukunft Samen liegen; Dieß alles ist das Werk vom ewigen Verstand, Der für den reichsten Stoff die schönste Form erfand. Der Mängel kleine Zahl schwind't in des Guten Größe, Und gleicht kaum einem Punkt, den ich mit Sonnen messe. Die Welt ist ja nicht Gott; genug, daß ihre Pracht Sie, nach dem Schöpfer selbst, zum höchsten Wesen macht. Sie ist so groß und gut als Gott sie kann bereiten, Ein völliger Begriff von allen Möglichkeiten, Und führt der Wesen Schaar, von Mängeln endlich rein, Durch den bequemsten Weg in ihren Ursprung ein.

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