C.M. Wieland's Werke.
Fünfundzwanzigster Band.
Erstes Buch.
Von deinem Triebe voll, o Weisheit, will ich singen, O! möchte mir durch dich ein würdig Lied gelingen! Ein Werk, das du beseelst, treibt kein gemeiner Zug, Entehrt kein niedrer Zweck. Ein ungewohnter Flug Trägt mich dem Himmel zu; von Millionen Sternen Umringet, lernt mein Geist vom Staube sich entfernen. Dich, Urbild jeder Welt, der Gottheit Ebenbild, Dich, Wahrheit, seh' ich selbst; der Glanz, der dir entquillt, Stärkt mein noch blödes Aug'; wie dich dein Liebling schaute, Wie Plato, dessen Blick sich die Natur vertraute, So, Göttin, seh' ich dich, und die geschwellte Brust Wallt liebend zu dir auf, mit nie gefühlter Lust, O! könnt' ich auch, wie er, dich in erhabnen Bildern Voll von Begeisterung und kühnem Feuer schildern! Dann sollte dieß Gefühl, das mir dein Anblick schenkt, Die Wollust, welche stets die reinen Geister tränkt, Auch meiner Brüder Herz erweichen und durchfließen, Und nie empfundne Lieb' in ihre Seelen gießen. |
Komm, Muse, welche stets der Wahrheit Freundin war, Und stell' ihr himmlisch Bild entzückten Augen dar; Komm, mal' an meiner Statt (dein Pinsel kann nicht trügen) Ihr göttlich Angesicht mit ungeschminkten Zügen. So rührt sie auch den Blick, den der Gewohnheit Nacht Und träges Vorurtheil empfindungslos gemacht. Wie, wenn Titonia mit purpurfarbnen Flügeln Die Dämmrung zu uns führt von halb bestrahlten Hügeln, Ein müder Wandrer, den, auf sanft geschwelltem Moos, Ein grünes Schlafgemach von dichtem Laub umschloß, Vom Licht erweckt sich rührt; er reibt die Augenlieder, Der Morgen hebt sie auf, der Schlummer schlägt sie nieder, Das glänzende Gefild, der Blumendüfte Schwall, Und selbst das hohe Lied der frühen Nachtigall, Rührt seinen Sinn nur schwach, kaum glaubt er zu empfinden, Er rafft zuletzt sich auf, und Traum und Schlaf verschwinden; Ihn grüßt der nahe Tag, das aufgewachte Feld Lacht ihm ermuntert zu, ihn blickt das Aug' der Welt Mit fanften Strahlen an, von neuer Lust entzücket Wird eine neue Welt, glaubt er, von ihm erblicket: So wird der träge Sinn, der thierisch fühlt und denkt, Vom Schlaf, worein ihn Wahn und Leidenschaft versenkt, Durch den Gesang erweckt, den mich die Musen lehrten, Die Vorurtheile fliehn, die seinen Geist beschwerten; Ihn wundert, daß er da so viel Vergnügen schmeckt, So viele Schönheit sieht, solch eine Pracht entdeckt, Wo sein geschloss'ner Blick nichts fähig war zu schauen Als unfruchtbaren Sand und Wüsten voller Grauen; Und in der Welt, die sonst sein Trübsinn ihm entstellt, Entdeckt die Weisheit nun ihm eine neue Welt. |
Ja, Göttin, die du einst mit alter Weisen Zungen |
Auch ihr, die Stolz und Wahn um jenes Licht gebracht, Worin die Gottheit sich den Geistern sichtbar macht, Die ein verruchter Trieb selbst gegen Gott empöret, Die ihr das Wesen schmäht, das euer Wesen nähret, Hört meinem Singen zu, und fühlt der Wahrheit Macht! Doch nein! Ihr fühlet nicht! des Lasters Todesnacht, Der Sinnlichkeit Betrug, der Sturm der Leidenschaften, Läßt keinen edlern Trieb in eurer Seele haften. Durch eigne Schuld gestraft seht ihr die Sonne nicht, Wie mächtig auch ihr Strahl die Finsterniß durchbricht; Wie {Katadupens} 1) Volk den Fall des Nils nicht höret, Der sein betäubtes Ohr im Sturm vorüberfähret. |
Doch wer mit freiem Blick und einem Geist voll Klarheit Sich in das Ganze wagt, den rührt die höchste Wahrheit, Dem macht unzweifelhaft der tausendfache Mund Der zeugenden Natur das Daseyn Gottes kund. 'Zwar kann, wen Sinnlichkeit und Vorurtheil bestricken, Im Tanz der Sphären selbst Verwirrung nur erblicken, Und wenn uns Sehenden der schönste Tag erwacht, Ist's, ohne seine Schuld, rings um den Blinden Nacht." |
Stellt eurer Phantasie ein menschlich Wesen vor, Das nie den Tag gesehn. Nah bei dem Höllenthor, |
Er hält vielleicht, wie einst das Volk der jungen Erden, Die Sonne für den Gott, durch den die Dinge werden; Aufmerksam merkt er bald, daß alles was er sieht, Von ihrem Strahl belebt, sich zeuget, wächst und blüht; Ins Inn're der Natur weiß er noch nicht zu dringen, Er kennt die Flächen nur von körperlichen Dingen; Drum schaut der junge Geist, zu schwach zu hellerm Blick, Noch nicht auf dich, o Gott, der Wesen Quell, zurück. Doch die Betrachtung schärft sein unvollkommnes Wissen, Und leitet den Verstand gemach zu tiefern Schlüssen; Der nie gestillte Trieb nach neuer Wissenschaft Beflügelt seinen Muth, und stärkt die Denkungskraft. Er lernt die Kette sehn, die alle Dinge bindet, Wie die bewegte Luft den schnellen Blitz entzündet, Wie sich der Körper stets zur niedern Erde senkt, Wie aus der Wolken Brust die matte Saat sich tränkt; Die Bilder, welche stets aus allen Körpern fließen, Und sich mit sanftem Druck in unser Aug' ergießen; Der Samen inn're Kraft, die aus sich selbst gebiert, Und die belebte Frucht im Kleinen in sich führt; Den wunderbaren Bau harmonischer Maschinen, Die Wesen höh'rer Art zu langer Wohnung dienen; |
Dieß alles und noch mehr zeigt ihm im hellsten Lichte Erfahrung und Vernunft, und stärket sein Gesichte. Ja, spricht er, ja, ein Gott bewegt die Wunderuhr Der Welt, die er erfand, beseelet die Natur. Ein eingeschränkter Arm kann so viel Seltenheiten Vollkommner als er selbst unmöglich zubereiten; Die Welt, die meinem Blick kaum ihre Schale weis't, Erhält sich durch die Macht von einem höchsten Geist; Sie ist zu schlecht, in sich die Wirklichkeit zu finden, Zu schön, von ungefähr sich aus dem Nichts zu winden. |
So richtet die Vernunft, wenn kein gefärbtes Glas Den Vorwurf anders zeigt, als ihn das Auge maß. Von Vorurtheilen frei, die niedre Seelen drücken, Schwingt sie zu Gott sich auf, mit aufgeklärten Blicken. Im Ausfluß deiner Huld, vollkommenste Natur, Entdeckt dir jeder Punkt von dir die Segensspur. |
Ihr Weisen jeder Zeit, ihr Lieblinge des Wahren, Bei denen Geist und Witz sich mit Erfahrung paaren, Wie? daß beim hellen Glanz, wonn sich Gott uns zeigt, Euch doch ein untreu Licht auf falsche Stege neigt? Wie daß beim reinen Strahl entnebelter Begriffe Ihr doch das Ziel verfehlt, die gränzenlose Tiefe, In der sich alles gründ't, aus welcher alles fließt, In welche alles führt und wieder sich ergießt? , Du, kluger Epikur, du Freund der Ruh' der Seelen, Du lehrst das ächte Gut aus tausend andern wählen; Du kennst den ew'gen Trieb, der in den Wesen glimmt, Und zum Vergnügen nur des Willens Hang bestimmt; Und doch mißkennt dein Witz den Urquell aller Freuden, |
Der kennt das Sandkorn nicht, das dort am Ufer liegt, Der es, wie du die Welt, durch blinden Zufall fügt. Verwegen, doch beschämt von eigener Empfindung, Verwirft dein kühner Mund die weiseste Verbindung Der Zwecke ohne Zahl, nach welcher alles zielt, Der ew'gen Ordnung Macht, die unverletzt befiehlt, Die jedes Wesen ehrt; doch laß uns Gründe hören, Und höre auf, uns nur mit Träumen zu bethören! Ist jeder Grundsatz nicht, auf dem dein Lehrbau steht, Von unsrer Gütigkeit erzwungen und erfleht? Woher dein zahllos Heer stets reger Elemente, Das ewig zwecklos sich bekämpfte, mischte, trennte? Regt sich in ihnen selbst ein Keim der Wirklichkeit, Der, ohne fremde Kraft, im Schooß der Ewigkeit Durch inn'res Leben sproßt? —Nein, was sich selbst umgränzet, Besitzt die Strahlen nicht, wovon die Gottheit glänzet. Ein unbelebter Staub, dem inn're Form gebricht, Den nichts Vollkommnes schmückt, erhält sich selber nicht. |
"Seht, wie vom Donnerton des Weltgerichts erweckt, Durch den zerriss'nen Fels, der dieses Wunder deckt, Die schönste Mutter sich aus ihrem Staub erhebet! Wie den verklärten Arm Unsterblichkeit belebet! Wie bebt von seinem Stoß der leichte Stein zurück! Wie glänzt die Seligkeit schon ganz in ihrem Blick! Ihr triumphirend Aug', in heiligem Entzücken, Scheint den enthüllten Glanz des Himmels zu erblicken, Der Seraphinen Lied rührt schon ihr lauschend Ohr; Ein junger Engel schwebt an ihrer Brust empor, Und dankt ihr jetzt zuerst sein theu'r erkauftes {Leben:} Der Wandrer sieht's erstaunt, und fromme Thränen beben Aus dem entzückten Aug'; er sieht's und wird ein Christ, Und fühlt mit heil'gem Schau'r, daß er unsterblich ist." |
So weiß des Künstlers Geist dem Stoffe zu befehlen, Belebt den todten Stein, und haucht in Marmor Seelen. Allein wann hat es je dem Ungefähr geglückt, Daß es, wie Phidias, die Weisen selbst entzückt? Wann hat in Vaumanns Gruft durch ungefähres Stoßen, Sich ein Laokoon aus weichem Stein gegossen? Und was ist jenes Werk, das aller Griechen Blick |
Mit gleicher Raserei, und größerm Muth zum Siegen, Thürmt Strato 4) Schluß auf Schluß, die Gottheit zu bekriegen, Wie der Titanen Heer, voll toller Wuth durchstürmt, Dem wolkichten Olymp den Ossa überthürmt; Man hört ihr Feldgeschrei den Himmel schon durchschallen; Zeus sieht sie lächelnd an, und heißt die Berge fallen. |
Im Innern der Natur liegt die gemeine Kraft (So lehrt er), die durch sich der Dinge Bildung schafft. Kein Geist beherrscht die Welt und bringt durch weises Wählen Vollkommenheit hervor, und heißt das Böse fehlen: Nein, ein Maschinentrieb, den kein Verstand erhellt, Bestimmt durch manches Rad die Aend'rungen der Welt. Im Schooß des ew'gen All, wohin kein Blick kann dringen, Sproßt, warm von eignem Feu'r, der Keim von allen Dingen; Die Zeit hilft der Natur, und säugt was sie gebar; So wächst und blüht und reift was erst ein Unding war; Doch bald wird's wiederum von jenem Schlund verschlungen, Aus dessen düstrer Nacht es kaum hervorgedrungen. |
Nichts, sprecht ihr, wird aus Nichts, die Welt muß ewig seyn; Wie Gott aus Nichts sie schuf, das sehen wir nicht ein; Drum ist Gott selbst die Welt; des ew'gen Stoffs Gestalten Sind keine Wesen, die sich durch sich selbst erhalten: Nichts, was die Sinne trifft, besteht durch eigne Kraft, Die Kraft des Ganzen ist's, die alles regt und schafft. Betrogne! euer Schluß fällt auf euch selbst zurücke, Und euer eigner Fuß verwickelt sich im Stricke, Der uns geleget war; der richtige Verstand Des Spruchs, auf den ihr trotzt, ist euch ganz unbekannt. Das gränzenlose Reich, in welchem alles schwebet, Zeigt uns Ein Wesen nur, das durch sich selber lebet; Es hängt von niemand ab, von keinem Ding umschränkt Wird sein vollkommner Will' nur von ihm selbst gelenkt. Kein Fleck vermag den Glanz der Strahlen zu verdunkeln, Die ewig ungeschwächt in seinem Antlitz funkeln. Der andern Wesen Schaar (sie nennet man die Welt) Wird durch verschiednen Grad von Häßlichkeit entstellt; Dem Besten fehlt noch was; die schönste aller Dirnen Find't ungern einen Grund der stillen Flut zu zürnen, Die ihr geliebtes Bild mit kleinen Flecken weis't; Nichts ist hier ohne Grad, der allerhellste Geist Sieht Stufen über sich, die er noch nicht erstiegen, |
Dieß ist der falsche Fels, den beide nicht vermeiden, {Leucipp} 5) und Strato muß hier gleichen Schiffbruch leiden. Was ist Nothwendigkeit, die kein Verstand bestimmt, Was der Atomen Schaar, die in dem Leeren schwimmt, |
Hoch über jener Schwarm, die sich von ihr entfernen, Sitzt mit entwölkter Stirn die Weisheit bei den Sternen, Und dringt mit freiem Blick und unverwandtem Sinn Durch aller Welten Raum zum Throne Gottes hin Ein nie versiegter Strom von unvermischtem Lichte Umfließt sein Heiligthum; kein sterbliches Gesichte Trüg' unverzehrt den Glanz, in dessen stiller Flut Ein ungezähltes Heer verklärter Geister ruht. Hier fühlet man dein Seyn, o Herr der Cherubinen, Hier strahlest du sie an, hier schenkest du dich ihnen; Von reiner Wonne satt, befreiet von Begier, Vergessen sie die Welt, und sehn sie nur in dir. Was unsre Augen sehn in matten Spiegeln glänzen, Sehn sie im Urbild selbst, und sehn es ohne Gränzen. So weit dringt gicht mein Geist, doch zeigt ihm Raum und Zeit Den mächtigen Beweis von deiner Göttlichkeit. |
Ja selbst in seiner Brust find't er von deinen Zügen Ein unauslöschlich Bild in zartem Abdruck liegen. Kaum blickt er in die Welt, kaum rühret seinen Sinn Die Pracht der Creatur, so find't er dich darin. Ein unbekannter Zug, zu stark zum Widerstehen, Verknüpft unendlich schnell die größesten Ideen In seiner Bildungskraft, es wird ein Bild von dir Und reizt, ergreift, entzückt die sehnende Begier. Dieß Zeichen deiner Macht, die alle Wesen reget, Hast du von Ewigkeit den Geistern eingepräget; Der dumme Samojed, der wilde Hottentott |
Es ist ein Gott, durch den ich aus dem Nichts gedrungen; So ruft Natur uns zu mit Millionen Zungen, So stimmt in unsrer Brust dem jauchzenden Geschrei Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bei. Du bist, Unendlicher, den keine Größe misset, Meer von Vollkommenheit, das ewig überfließet, Aus dem ein steter Strom geschaffne Wesen tränkt, Und sich doch unverzehrt in dich zurücke senkt. Kein fremdes Wesen kann die reine Wonne mehren, Die du aus dir nur schöpfst, du kannst der Welt entbehren; O lehre selber mich, mein Ohr ist dir geweiht, Den schöpferischen Grund von unsrer Wirklichkeit! |
Wie dorten jene See von goldnen Feuer-Wellen Sich nicht enthalten kann die Sphären zu erhellen, Die ein allmächt'ger Schwung um sie zu fliegen drängt; Der schattichte Planet, der ihren Schein empfängt, Begierig in sich zieht und die geborgten Strahlen Auf seine Monde schießt, vermag ihr's nicht zu zahlen; Ganz unbesorgt, wer ihm die holde Wärme leiht, Empfängt er bloß von ihr der Samen Fruchtbarkeit; Sie freut sich, ihre Blut der Welt umsonst zu geben, Und flößt in die Natur ein allgemeines Leben: So ist die Gottheit auch (doch mit Vollkommenheit) Zum Heil der Creatur in steter Wirksamkeit. Kann sie unendlich seyn und nichts von Schranken wissen, |
Dieß ist der sichre Grund, auf den zu aller Zeit Die weisesten der Schaar, die sich der Weisheit weiht, ; Der Schöpfung Ewigkeit und stete Dau'r gegründet, Die ein unsterblich Band an ihren Schöpfer bindet. Der Führer jenes Volks, das {Gott} sich auserwählt, Singt uns der Welt Geburt, voit Gottes Geist beseelt, Nicht nach der Weisen Art, durch tiefgeschöpftes Wissen Das Innre der Natur den Menschen aufzuschließen; Dieß will sein Endzweck nicht; genug, daß uns sein Licht, Zur Absicht sattsam hell, sie düstern Nebel bricht, Wodurch die Weisen selbst, oft sinnreich um zu irren, In Labyrinthen sich, die sie gebaut, verwirren. Mit ungekünstelter und göttlich-hoher Pracht Erzählt sein heil'ger Mund, wie aus des Abgrunds Nacht, Dem Stoff, der nur von Gott die Wirklichkeit gesogen, Des Schöpfers kräftig's Wort die Welt hervorgezogen; Nicht, weil der ew'ge Geist, der Leben in uns blies, Erst in gemess'ner Zeit den Raum gebären hieß; Nein, bloß den alten Wahn der Weisen zu verdringen, Der den vermischten Stoff von ungeformten Dingen Durch sich läßt ewig seyn, und Gott entziehen will (Dieß lehrte schon ein Theut 7) am vierzehnmünd'gen Nil, Dieß hat den Magiern ein Zerdusht 8) vorgesungen), Und dieser Irrthum ist's, den {Amrams} Sohn 9) bezwungen; Der, da er uns erzählt, wie unsre Welt entstand, Die Kette nicht zerreißt, die sie an andre band. |
So fällt der Widerspruch, den aus den heil'gen Büchern Man einer Wahrheit macht, die tausend Gründe sichern. Ein Wesen, das stets wirkt und stets mit gleicher Kraft, Das keinen Wechsel kennt, das nicht bald ruht, bald schafft; Und dessen Tugenden, die wir verwegen trennen, In stetem Ausfluß sind, und keinen Zuwachs kennen; Wie könnt' es ewig ruhn? Fehlt's ihm vielleicht an Macht, Daß es ganz unwirksam Aeonen zugebracht? Wie? oder an der Huld? Mißgönnt er uns das Leben, Das seine Allmacht uns von Ewigkeit kann geben? Ohnmächtig seufzt die Welt ins öden Undings Grab, Sie seufzt nach Wirklichkeit, und wer schlägt sie ihr ab? Er, der nur winken darf, damit sich Sonnen drehen? O! Liebe, soll dich so ein niedrer Erdwurm schmähen? |
Die höchste Macht ist nicht, wie die Vermögenheit Des Weisen von {Stagir,} 10 zum Wirken nur bereit; Die schlummernd warten kann, bis durch die Zeit erreget, Was vorher nur geglimmt, jetzt volle Flammen schläget: So wie ein schneller Strom, von Dämmen eingeschränkt, An den verhaßten Wall beschäumte Wellen drängt, Er bäumt die wilde Flut, stürmt in die Felsenstücke, Bespritzt die Wolken selbst und rauscht gepeitscht zurücke: Doch endlich weicht der Schutt dem stets erneuten Stoß, Die Steine trennen sich, der Pfähle Band wird los, Erfreuet fühlt der Fluß die festen Eichen wanken, Und bricht mit neuer Kraft durch die verhaßten Schranken, Nichts hemmt nun seinen Lauf, er reißt vom nahen Hain Bejahrte Tannen aus, und stürzet Felsen ein. So fesselst du die Macht, durch die die Welt entstanden Die unumschränkte Macht, mit frevelhaften Banden; Dir kämpft das Nichts mit Gott, und erst nach langem Streit |
Die Welt fing niemals an, und wird sich niemals enden, Sie liegt von Ewigkeit in ihres Meisters Händen; Durch seine Kraft bewegt, die ewig wirken muß, Und stets in gleichem Maß, und ohne Zeit und Fluß. Wähnt nicht, den Ewigen verkleinre diese Lehre! Nein! sie gereicht vielmehr zu seiner größern Ehre. |
Die Welt ist Gottes Werk, und dauert ew'ge Zeiten; Dieß, Muse, war bisher der Inhalt deiner Saiten. Doch wie ist sie gebaut? Entdeckt auch ihre Pracht Die Weisheit, die sie schuf, und ihres Meisters Macht? Hier, Göttin, stärke mich, da ich den Wahn bestreite, Den Zerdusht früh gelehrt, und {Manes} 11) spät erneute, Von Vayle, der so gern den priesterlichen Blitz Durch seinen Muthwill reizt, geschmückt mit neuem Witz. |
Die Mängel unsrer Welt, die gleich den Sonnenflecken Nur den geringsten Theil von ihrem Glanz verdecken, Verführten jederzeit der blödern Geister Schwarm. Von Wahnsinn aufgebläht, an reifem Wissen arm, Zu klein die edle Pracht der Ordnung zu bemerken, Die nur die Augen rührt; die sich mit Weisheit stärken, Nennt der Verwegne schlimm, was er nicht richtig sieht, Weil sich ein falscher Dunst um seine Sinne zieht. |
'Wie eine Mücke, die an jenem Bilde klebet, |
Aus jenem trüben Quell, von Leim und Sand geschwollen, Ist bis auf unsre Zeit ein tödtlich Gift gequollen. Statt mit Behutsamkeit der Wahrheit nachzuspähn, Bleibt der verdross'ne Witz stets auf der Gränze stehn; |
In einem tiefen Wald in Baktrens öder Flur Verlieret sich Zerdusht im Forschen der Natur. Die dickbelaubte Nacht umschatteter Gefilder Führt den einsamen Sinn auf schreckenvolle Bilder. Er forscht dem Uebel nach, das alle Menschen plagt, Und mit geschärftem Zahn an ihren Herzen nagt. Auch den, der Purpur deckt, dem alles scheint gewähret, Verläßt der Kummer nie, der seine Lust verzehret; Der Glanz, der ihn umgibt, blend't nur des Pöbels Wahn, Und streicht mit falscher Pracht ein schimmernd Elend an. Wir nähren tief in uns den Keim zu steten Plagen, Er hat in unsre Brust die Wurzel eingeschlagen, Die das durchschlungne Herz mit tausend Adern füllt, Und die du selbst umsonst, o Weisheit, tilgen willt. Der Geist sieht traurend sich in träge Fessel schließen, Sein schwacher Nachen wird vom Strome hingerissen; Der Wollust Süßigkeit vergällt der Ueberdruß, Und Tantals Hunger nagt uns mitten im Genuß. Uns trüget ein Gespenst, ein reizend Schaugerichte Quält unsern trocknen Gaum und schmeichelt dem Gesichte. Wie dort Kreusens Bild sich dem Aeneas zeigt, Und sein bekümmert Herz mit falscher Hoffnung säugt — Dreimal streckt er den Arm nach dem geliebten Schatten, Dreimal entzieht sie sich dem Kuß des bangen Gatten: So flieht die Seelenruh', das niemals feste Ziel Betrogner Geister, den, der sie umfangen will; Hingegen schwärmet stets ein Heer von blassen Sorgen Bei jedem Tritt um uns, und ängstigt uns auf morgen. Vergebens wird der Gram durch jetz'ge Lust verscheucht, |
Aus diesem Augenpunkt betrachtet nun Zerdusht Die allgemeine Noth, die Folter unsrer Brust. Er spürt der Ursach' nach, erstaunt in deinen Werken Gebrechen ohne Zahl, o Mithra, zu bemerken. Nein, ruft er endlich aus, erbarmensvoller Gott, Du lebest nicht von Blut, und suchst nicht unsern Tod. Ein boshaft Wesen ist, das uns das Seyn mißgönnet, Sein Herz ist stetes Feu'r, wo Zorn und Rache brennet, Es labt mit Thränen sich und nährt mit unserm Blut, Als wie mit fettem Oel, die unglücksel'ge Glut. Der Seufzer Angstgetön liebt es weit mehr zu hören, Als jene Harmonie der musikal'schen Sphären, Die, Mithra, dich vergnügt. Von ihm stammt alle Noth, Die uns bis zum Beschluß des banden Lebens droht, Und nur dem Tode weicht, der unsern Jammer kürzet, Ach! aber gar vielleicht in ew'gen Schlummer stürzet. |
So schließt der Persen Theut, und findet in Geschichten Des grauen Alterthums, umnebelt von Gedichten, Was seine Meinung stärkt; der Celten Ueberfall Und Hermanns strenge Faust, der {Horomasden} 12) Qual, Ließ noch im Orient die blut'gen Spuren sehen, Und schien dem neuen Wahn mit Nachdruck beizustehen. So heckt des Weisen Witz und die Unwissenheit Des Volks den Irrthum aus; genähret von der Zeit Wächst er, und schützet sich mit seiner Priester Zungen, Bis nun das Alterthum den Beifall ihm erzwungen, Den ihm, als er entstand, des Pöbels Leichtsinn gab: Nun blüht der Wahn empor, und auf der Wahrheit Grab. |
Zwei Wesen ehrt und scheut, mit ganz verschiednen Trieben, Das alte Persien. Das eine macht sich lieben, Es pflanzt in unsre Brust der Tugend Samen ein, Und pflegt die zarte Frucht mit warmem Sonnenschein. Das andre gleicht der Nacht; mit kalten Finsternissen Hemmt es der Strahlen Kraft die von Hormasdes fließen. Ein ew'ger Zweikampf trennt der Himmelsgeister Schaar, Und nichts als unser Glück ist dabei in Gefahr. Das gute Wesen führt die unerfahrne Jugend, Der oft die Unschuld schad't, den steilen Weg der Tugend, Sein zärtlich-ernster Blick folgt ihnen wo sie ziehn, Und wandelt Dornen oft in lieblichen Jasmin. Hingegen Ariman, verschlagen uns zu kränken, Hört niemals auf, an Stoff zu unsrer Pein zu denken. Jetzt lockt er uns mit List in reizender Gestalt. Ein liebenswerther Feind hat zehnmal mehr Gewalt, Als der die Waffen zeigt, die unserm Leben dräuen; Ein Feind, der sich erklärt, befiehlt uns, ihn zu scheuen; Da dem, der lächeln kann, der uns umarmt und küßt, Schon oft der kühnste Held zum Opfer worden ist. Auf solche Weise ist's dem Wüthrich oft geglücket, Daß seine Zauberei ein schwaches Herz berücket. Kein Proteus wend't so oft die trügende Figur; So vielfach sah dich nicht der spröden Nymphe Flur, Vertumnus, 13) bis zuletzt mit schmeichlerischen Falten Du als ein graues Weib die süße Gunst erhalten. Voll Wunders fühlte gleich Pomona bei dem Gruß, So gut er sich verstellt, den allzu frischen Kuß; So küßt die Freundschaft nicht! Sie stutzt, ihr glühn die Wangen, Doch plötzlich fühlt sie schon sich feuriger umfangen, Sie sträubet sich umsonst, zu schwach zu ernstem Krieg, |
Dieß ist des Uebels Quell, so träumete Zerdusht, Und suchte außer uns, was tief in unsrer Brust Aus innrer Quelle rinnt; den Knoten aufzulösen, Macht er das Uebel gar zu einem ew'gen Wesen. Allein vor Fabeln bebt des Zweiflers Kühnheit nicht, Du, Wahrheit, bist's allein, die seine Waffen bricht; Durch dich will ich die Macht geschärfter Zweifel dämpfen, Das Vorurtheil zerstreu'n, und für die Gottheit kämpfen. |
Im ewigen Verstand der göttlichen Natur Schwebt ein unendlich Bild der ganzen Creatur, Von allen Schatten frei. Hier stehn in langen Reihen Die Wesen, welche sich der Möglichkeit erfreuen: Unendlich ist die Schaar, die ihren Platz hier hat, Und sich vom öden Nichts dem Unerschaffnen naht. Hier fehlet keine Kraft, kein wirksames Vermögen, Kein Wesen, das sich selbst kann fühlen und bewegen. Dieß ist der Stoff der Welt. Ihm gab die weise Macht, Die ihn unsterblich schuf, der schönsten Bildung Pracht. Sie hat der Wesen Schaar nach Aehnlichkeit verbunden, Und jenes Grundgesetz der Ordnung ausgefunden, |