Universitäre Ausbildung
und Ansprüche
des beruflichen Alltags
Rektoratsrede
gehalten an der Jahresfeier der Universität Basel
am 28. November 1986
Verlag Helbing &Lichtenhahn Basel 1986
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Arber, Werner:
Universitäre Ausbildung und Ansprüche des
beruflichen Alltags: Rektoratsrede gehalten an
d. Jahresfeier d. Univ. Basel am 28.11.1986 /
Werner Arber. — Basel: Helbing und
Lichtenhahn, 1986.
(Basler Universitätsreden; H. 80)
ISBN 3-7190-0971-8
NE: Universität «Basel»: Basler Universitätsreden
ISBN 3719009718
Bestellnummer 21 00971
© 1986 by Helbing &Lichtenhahn Verlag AG, Basel
Einer lose etablierten Tradition folgend möchte ich Ihnen an
der heutigen, 526. Jahresfeier unserer Universität einige Gedanken
zuspielen über Rolle und Aufgaben der akademischen Lehre
und deren Bedeutung für die menschliche Gemeinschaft. Erwarten
Sie von mir aber keine umfassende Abhandlung mit Anspruch
auf Vollständigkeit. Vielmehr möchte ich einige spezifische
Aspekte herausgreifen, dabei auch gewisse Probleme zur Diskussion
stellen, um dann auf Grund der erfolgten Evaluierung konkrete
Vorschläge zur Beseitigung festgestellter Mängel zu machen.
Diese Vorschau mag nach Kritik tönen. Um allfällige Missverständnisse
zu vermeiden, möchte ich gleich zu Beginn bekennen,
dass ich stolz bin, Mitglied unserer Universität zu sein, einer so
vielfältig tätigen und ein gutes wissenschaftliches Ansehen
geniessenden akademischen Institution. Die auch ausserhalb von
Basel anerkannte hohe Qualität der Früchte unserer gemeinsamen
Tätigkeit darf als Folge des ernsthaften, pflichtbewussten
Einsatzes nicht nur der akademischen Lehrkräfte, sondern auch
der Studierenden gewertet werden.
Im Kalenderjahr 1985 haben rund 600 Studierende ihre akademische
Ausbildung an unserer Universität mit einem Lizentiat,
Diplom oder Staatsexamen abgeschlossen. Weitere 109 junge
Akademiker, das sind im Durchschnitt jede Woche zwei, haben
ihre Doktorprüfung bestanden — die medizinischen Doktorate
nicht mitgezählt. Alle diese jungen Leute haben sich bis zum
Studienabschluss einer mehrjährigen, strengen und anspruchsvollen
Ausbildung unterzogen.
I
Vom Ursprung der Universität im Mittelalter an bis ins letzte
Jahrhundert kannte an der Alma mater praktisch jeder jeden. Die
relativ wenigen Studierenden galten als geistige Elite. Sie genossen
eine in fachspezifischen Belangen nach unserem heutigen
Urteil wohl zum Teil oberflächliche Ausbildung, welche mehrere
Disziplinen zwischen den Polen Lebensweisheit und Mathematik
umfasste. Allerdings dürften wir wohl viele der damaligen Akademiker
um die Breite ihrer Ausbildung beneiden, welche ihnen
das Rüstzeug dazu lieferte, viele auch unerwartet sich stellende
Fragen im beruflichen und ausserberuflichen Alltag zu bewältigen.
Heute unterrichtet die Universität einen bedeutend grösseren
Teil unserer in Ausbildung stehenden Jugend als früher. Diese
Entwicklung ist eine der Folgen sich ändernder sozialpolitischer
Konzepte —man denke an das Schlagwort «Demokratisierung der
Ausbildung». Zudem haben sich im Laufe der Zeit die Erwartungen
der menschlichen Gesellschaft an die Universität geändert.
Die Zielsetzungen der universitären Ausbildung mussten immer
wieder den Forderungen der Zeit angepasst, die Lehrpläne erweitert,
die Lehrinhalte vertieft werden. Neue, in bezug auf die
Ausbildung anspruchsvolle Berufe entstanden und entstehen
auch heute noch, wenn zunehmende Arbeitsteilung und fortschreitende
Technisierung unserer Zivilisation dies erfordern. Unsere
Lehrpläne nehmen aber auch darauf Rücksicht, dass kulturellgeistige
Reichtümer —wie Literatur, Musik und bildende Künste
— von viel breiteren Bevölkerungskreisen geschätzt werden als je
zuvor.
Dass unser Wissen nicht statisch, sondern in steter Erweiterung
begriffen ist, resultiert aus den weltweit betriebenen Forschungsanstrengungen
in allen akademischen Gebieten. Damit der Hochschuldozent
auch angesichts dieser Entwicklung in der Lehre
aktuell bleiben und neue Ergebnisse kritisch sichten und in die
Lehre einbauen kann, ist es für ihn unerlässlich, selber in engem
Kontakt mit der Forschung zu stehen. Dies macht die Förderung
der Forschungstätigkeit in unseren akademischen Ausbildungsstätten
zu einem zentralen Anliegen. Zudem ist aktive Forschung
innerhalb der Hochschule eine Grundvoraussetzung für die Ausbildung
jener Studierenden, die später Forschen als Beruf wählen
möchten. Die steigende Bedeutung der angewandten Forschung
und deren gesellschaftliche Relevanz sind uns allen bekannt. Von
der Universität wird erwartet, dass sie mit einer qualitativ hochstehenden
Ausbildung die personellen Voraussetzungen schafft
für die Bewältigung zukünftiger Bedürfnisse der menschlichen
Gemeinschaft. Diese Aufgabe wird dadurch erschwert, dass mit
zunehmender Technisierung viele akademische Berufe zunehmend
anspruchsvoller werden.
Fachbezogene Spezialisierung ist eine direkte Folge der hier
geschilderten Entwicklung. Wie viele andere Berufsleute sind
auch die heutigen Akademiker Spezialarbeiter. Von ihnen wird
eine wissenschaftlich strenge und auf den neuesten Stand des
verfügbaren Wissens abgestützte Expertise erwartet. Dies verlangt
ihren vollen Einsatz im Beruf. Ähnlich strenge Anforderungen
werden auch schon an die in der Ausbildung stehenden
Nachwuchskräfte gestellt. Leider geht dies meistens auf Kosten
der Pflege bestehender Interessen und der Offenheit für andere
Wissensgebiete und Künste. Nicht nur berufstätige Akademiker,
auch die Studierenden haben schon lange gelernt, Prioritäten zu
setzen: Sie unterscheiden zwischen obligatorischen Lehrveranstaltungen,
die sie zur Erlangung des Studienzieles absolvieren
müssen, und anderen, die sie einem inneren Wunsche entsprechend
auch noch gerne belegen möchten. Letzteres ist aber nur
dann möglich, wenn es der vorgegebene Studienplan zeitlich und
belastungsmässig zulässt, und das ist eher selten der Fall.
Das hier entworfene Bild des universitären Studiums trifft
wohl für die Mehrzahl unserer Studiengänge zu. Die geschilderte
Situation führt zwangsläufig zu einer Einengung der Breite der
universitären Ausbildung des einzelnen, sie favorisiert das Spezialistentum
und sie bietet Hand zu einer vollkommenen Verschulung
des Hochschulstudiums. Unsere heutige Universität ist
mehr und mehr eine Berufsschule mit einem Nebeneinander
vieler Spezialitäten. Zwischen verschiedenartigen Fachgebieten
finden sich zwar mannigfaltige Berührungspunkte, doch erschöpft
sich der interdisziplinäre Kontakt häufig in oberflächlichen
Wechselwirkungen.
Auf diese Problematik hat auch der Vorsteher unseres Erziehungsdepartementes
in einer Rede kurz nach seinem Amtsantritt
im Jahre 1984 hingewiesen. Er anerkennt zwar die Notwendigkeit
stofflicher Gegenstandskataloge für die Lehre an der Universität,
stellt dann aber fest, dass diese Kataloge das Studium nicht
vollständig beherrschen dürften, und postuliert: «Nebst der Aufgabe,
fachbezogenes Wissen und berufsorientierte Fähigkeiten zu
vermitteln, stellt sich der Universität auch die Aufgabe, verantwortungsbewusste
Menschen heranzubilden, die fähig und gewillt
sind, sich für das Wohlergehen der Menschheit und ihrer
Umwelt uneigennützig einzusetzen und das kulturelle Erbe zu
pflegen und zu mehren.»
Die Lehrer unserer Universität sind nach wie vor bestrebt,
diese ethisch motivierte Forderung an die akademische Bildung
zu erfüllen. Sie lässt sich auch bei Behandlung fachbezogener
Fragestellungen gebührend berücksichtigen. Gut erfüllt kann diese
Aufgabe aber nur werden, wenn den Studierenden geeignete
Gelegenheiten geboten werden, den Dialog mit anderen Disziplinen
zu pflegen und durch aktiv erarbeiteten Einblick Verständnis
für das komplexe Gefüge der menschlichen Zivilisation zu erlangen.
Diese Bestrebungen können sich nicht auf die Universität
allein beschränken, sondern müssen schon tief in der voruniversitären
Ausbildung verankert sein. Mit Befriedigung darf ich
feststellen, dass eine anderswo sich abzeichnende Tendenz zur
Fachspezialisierung bereits auf der Gymnasialstufe sich in unserem
Lande noch nicht einschneidend auf die Breite der Basisausbildung
an unseren Mitte/schulen ausgewirkt hat. Noch erwartet
man von den Maturanden, dass sie am Ende ihrer Gymnasialausbildung
einen auf sehr breiter Grundlage beruhenden Ausbildungsstand
erreicht haben, der es ihnen erlaubt, die in zunehmendem
Masse komplexer werdenden Zusammenhänge zwischen
verschiedenen Bereichen menschlicher Tätigkeit, deren
historische Wurzeln, deren kulturelle Vielfalt und deren vielseitige
Wechselwirkungen mit der belebten und unbelebten Umwelt
zu erkennen und überblicken zu lernen. Sie sollen imstande sein,
Nutzen und Schäden der Zivilisation zu unterscheiden, und sie
sollen fähig sein, am heutigen und zukünftigen Geschehen auf
unserem Planeten —und vielleicht in zunehmendem Masse auch
in dessen Nachbarschaft — aktiv mitzuwirken. Die zur Lösung
spezifischer Probleme erforderliche Spezialausbildung können
sie sich durch ein Hochschulstudium aneignen.
Ich bin der Auffassung, dass unsere Gymnasien im allgemeinen
der ihnen gestellten Aufgabe sehr gut nachkommen, gerade wenn
man bedenkt, welche beträchtlichen Anforderungen sie an die
Gymnasiallehrer stellt. Doch verstärkt sich auch am Gymnasium
der Druck auf Vertiefung fachspezifischer Kenntnisse. Dabei
läuft der Lehrer Gefahr, das Aufzeigen interdisziplinärer Beziehungen
und ganzheitlicher Zusammenhänge zu vernachlässigen.
II
Nach der Evaluierung der die Ausbildung unserer Jugend leitenden
Prinzipien möchte ich meine Betrachtungen nun der
Frage zuwenden, weiche Anforderungen das Berufsleben an den
Akademiker stellt. Im Sinne einer besseren Veranschaulichung
der sich dabei stellenden Probleme erlaube ich mir, einige ausgewählte
Berufsbilder stellvertretend für alle anderen zu besprechen.
Ich schicke voraus, dass eine gründliche Fachkenntnis in
allen akademischen Berufen als selbstverständliche Voraussetzung
gelten dürfte. Zudem gibt es kaum einen akademischen
Beruf, für den eine einwandfreie Beherrschung der Sprache nicht
von fundamentaler Bedeutung wäre. Präzises Festhalten der
Gedanken und verständliche Kommunikation mit Kollegen sind
Privilegien des Menschen. Diese Fähigkeiten haben ausschlaggebend
auf die Entwicklung unserer Zivilisation eingewirkt. Sich-verständlich-machen
ist auch eine Grundvoraussetzung für die
Befriedigung der vielseitigen Bedürfnisse nach fächerübergreifendem
Verstehen und nach der Beurteilung interdisziplinärer
Zusammenhänge. Darauf möchte ich jetzt im speziellen eingehen.
Der sich mit dem modernen Leben auseinandersetzende Pfarrer
beschränkt sich längst nicht mehr auf die Verkündigung einer
von jenseitiger göttlicher Macht kommenden Heilsbotschaft und
auf die Erläuterung und Entfaltung der sich daraus ergebenden
ethischen Maßstäbe. Wenn er die Menschen mit seinen Anliegen
erreichen und nicht über ihre Köpfe hinwegreden will, so verlangt
seine Aufgabe von ihm zugleich Interesse und Verständnis für
biologische und soziologische Hintergründe des menschlichen
Daseins und Wirkens. Psychosomatische Medizin und theologische
Seelsorge haben mannigfaltige Berührungspunkte. Auch
gläubige Menschen fühlen sich angesprochen von neuen naturwissenschaftlichen
Erkenntnissen und technologischen Fortschritten.
Dabei verspüren sie neben der erwartungsvollen Hoffnung
auf Lösung vor uns liegender Probleme zugleich eine wachsende
Angst und Verunsicherung hinsichtlich der richtigen Ziele.
Der Theologe kann hier wichtige Hilfe leisten bei der Unterscheidung
zwischen Komponenten des Bösen und des Guten, die sich
hinter vielen geistigen, gesellschaftspolitischen und technologischen
Entwicklungen verbergen können. Das erfordert vom Seelsorger
allerdings nicht nur theologische, sondern auch wissenschaftliche
Sachkenntnis, um sein Urteil im Hinblick auf ein in
stetem Wandel begriffenes Weltbild angemessen und verantwortungsvoll
bilden zu können.
Wenden wir unsere Betrachtung nun dem Berufe des Juristen
zu. Viele Mitglieder dieser Berufsgattung dürften im Laufe ihrer
Tätigkeit zu Amateurpsychologen und Amateursoziologen werden.
Aber auch andere Wissensgebiete spielen hier oft tragende
Rollen. Nehmen wir das Beispiel des Patentanwaltes. Ohne ein
tieferes Verständnis naturwissenschaftlicher und technischer
Belange könnte er seinen beruflichen Anforderungen nicht nachkommen.
Von ihm werden aber auch Kenntnisse betriebswissenschaftlicher
Prinzipien erwartet, ohne die seine Tätigkeit sinnlos
sein könnte. Schliesslich sei in Erinnerung gerufen, dass Gesetzgebung
—und somit auch die Rechtspflege —eine gesellschaftliche
Norm darstellt, die sich auf ethische Prinzipien stützt. Da letztere
einem zeitlichen Wandel unterworfen sind, beeinflusst vom sich
wandelnden geistigen und naturwissenschaftlichen Weltbild,
wird vom Juristen eigentlich ein tieferer Sinn für praktisch alle
Belange der menschlichen Zivilisation erwartet.
Ebenso schwierig hat es der Mediziner. Zum Glück sind jene
Ärzte selten geworden, die sich in ihrer Berufstätigkeit mit einer
gewissen Unnahbarkeit dem Patienten gegenüber vor allfälligen
Fragen abschirmten, welche auch sie nicht leicht beantworten
konnten. Viel häufiger sind jene Mediziner, die mit einem offenen
Interesse die Entwicklung in naturwissenschaftlichen Disziplinen
und deren medizinische Bedeutung verfolgen. Erkenntnisse
der Forschung in molekularer Genetik, Biochemie und Zellbiologie
können völlig neue Aspekte für Diagnostik und Therapie
ergeben. Ein gutes Beispiel dafür findet man im Nutzen der seit
einigen Jahren verfügbaren monoklonalen Antikörper. Kenntnis
der biochemischen und pharmakologischen Grundlagen ist für
den praktischen Arzt von Bedeutung, wenn er die mit viel Propaganda
an ihn herangetragenen neuen Medikamente kritisch
beurteilen soll. Uns allen ist das Fortschreiten der Technologisierung
medizinischer Untersuchungsmethodik und Behandlung
bekannt. Deren erfolgversprechende Anwendung kann verantwortungsvoll
nur in Kenntnis der einem neuen Instrument zu
Grunde liegenden wissenschaftlichen und technologischen Prinzipien
erfolgen. Vom Arzt wird aber auch ethisches Verhalten
gefordert, prägt doch das Konzept der Menschenwürde seit langem
die ärztliche Tätigkeit. Der gute Hausarzt ist gleichzeitig
Sozialarbeiter im Nebenberuf und kümmert sich um die Lebensbedingungen
seiner Patienten. Oft muss er gar imstande sein, sich
in die religiös verankerte Glaubenssituation seines Patienten zu
versetzen.
Als nächstes wollen wir Berufsbilder im Bereiche unserer beiden
philosophischen Fakultäten unter die Lupe nehmen.
Vom Historiker wird erwartet, dass er die geschichtlichen Begebenheiten
in einem grösseren Zusammenhang interpretieren
kann, unter Einbezug sehr verschiedenartiger Kriterien und
Randbedingungen. Letztere verlangen vom Geschichtsschreiber
häufig wissenschaftliche Kenntnisse, die er ausserhalb seiner
eigenen Berufsausbildung erwerben muss, sei es in den Natur-
oder den Geisteswissenschaften, in der Medizin oder in der
Technik. Rechtsnormen, ethische Motivation und pädagogische
Strategien bilden einen wesentlichen Hintergrund des Weltgeschehens.
Verständnis der Menschheitsgeschichte erfordert Einblick
in sehr verschiedenartige Wissensgebiete wie Geographie,
Klimatologie, Epidemiologie von Infektionskrankheiten, Theologie,
Verhaltensbiologie, Wirtschaftswissenschaften, um nur
einige Beispiele zu nennen.
Bei seiner beruflichen Tätigkeit in privaten oder öffentlichen
Organisationen sieht sich auch der Wirtschaftswissenschafter —
gleich ob er seinen Schwerpunkt in Volks- oder Betriebswirtschaft
hat — immer wieder mit Notwendigkeit konfrontiert, auf
Wissen anderer Fachgebiete zurückzugreifen. Dies kann von ihm
Verständnis für die Grundlagen der Kunststoffchemie, für die
vom Maschineningenieur durchgeführten Berechnungen oder für
die auf Geowissenschaften und Biowissenschaften fundierende
Strategie zur Gewinnung von Ressourcen erfordern. Naturwissenschaftliche
Grundzusammenhänge von Umweltbezogenheiten
der belebten und unbelebten Natur können in seiner Berufsarbeit
bedeutungsvoll sein. Er soll auch die soziale Verantwortung
des Unternehmens überdenken und dabei ethische, psychologische
und soziale Zusammenhänge berücksichtigen können.
Aus persönlicher Erfahrung ist mir das Berufsbild des Molekularbiologen
vertraut. Auch er muss sich bewusst sein, dass ihm
seine Berufsausbildung nur erlaubt, ausgewählte Teile eines Ganzen
zu verstehen. Dies wird ihm bereits bei seiner eigenen, fachbezogenen
Arbeit klar. Erkennen der Mechanismen einer enzymatischen
Reaktion erklärt die harmonisch verknüpften Funktionen
eines Lebewesens noch in keiner Weise, geschweige denn
die Gründe für Stabilität oder Labilität eines oekologischen
Gleichgewichtes. Zudem muss der Biologe in seinem Beruf täglich
Kenntnisse nicht nur der anderen Naturwissenschaften mitberücksichtigen,
er wird auch konfrontiert mit ethischen, juristischen
und gesellschaftspolitischen Fragestellungen. Dies ist gerade
in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Gentechnologie
besonders offenbar geworden. Zur Bewältigung sich hier stellender
Fragen sind für den Molekularbiologen Einblick in und Verständnis
für gewisse geistes- und sozialwissenschaftliche Gebiete
wertvoll, ja gar notwendig. Schliesslich sollte ein in angewandter
Forschung tätiger Biologe einen Überblick haben über die
betriebswissenschaftlichen Regeln und die wirtschaftspolitischen
Zielsetzungen seines Arbeitgebers, will er seine Arbeitskraft voll
dem Unternehmen widmen und den Sinn seiner Tätigkeit beurteilen.
Aktive Betätigung in der Politik erfordert zwar keine akademische
Ausbildung, aber eine solche kann der Tätigkeit des Politikers
nützen. Am besten bestellt wäre wohl ein «Allrounder» oder
Universalgenie, der sich in allen Wissensgebieten so weit auskennen
würde, dass er seine Beurteilungen unabhängig von beigezogenen
Experten machen könnte, ohne dabei selbstherrlich zu
handeln. Dass dies kaum möglich ist, dürfte uns allen klar sein.
Doch muss man sich mit Recht fragen, wie ein Politiker in
unserer technologisierten und kulturell reichhaltigen und vielfältigen
Welt es fertig bringt, sich ein gültiges Urteil über all jene
Fragestellungen zu verschaffen, die an ihn herangetragen werden
und über die er Entscheide zu fällen hat. So kann etwa ein
Parlamentarier in die Lage kommen, sich in ein und derselben
Session zu Fragen des Versicherungsrechtes, des Embryotransfers,
der Kernenergie, des Finanzhaushaltes, der Luftverschmutzung
und der Kulturförderung äussern zu müssen.
Aus diesen Schilderungen dürfte klar geworden sein, dass es
kaum einen akademischen Beruf gibt, in dem allein das tiefverwurzelte
Fachwissen zählt. Immer wieder eröffnet der berufliche
Alltag dem Akademiker Probleme, deren Bearbeitung Kenntnisse
aus anderen Wissensbereichen erfordert. Vielleicht bringt es
gerade die weitgetriebene Arbeitsteilung unseres soziologischen
Gefüges mit sich, dass in vermehrtem Masse ganzheitliche
Betrachtungen an Bedeutung gewinnen. Der Wissenschafter kann
und darf zwar nicht auf seine Spezialisierung verzichten, will er in
seinem Berufe produktiv sein. Aber von ihm wird auch verlangt,
dass er über die oft engen Grenzen seines Spezialgebietes hinaussehen
und Verständnis für andere Fachbereiche aufbringen kann.
Ein die einzelnen Disziplinen verbindender Dialog ist notwendig
zum Lösen vieler unserer ja oft sehr komplexer Problemstellungen.
III
Hier muss man sich fragen, wann und wo der Akademiker die
Fähigkeit zum fächerübergreifenden Dialog erlernen und einüben
kann. Gehört dies nicht auch zu seiner Berufsausbildung? Zwar
gibt es viele Wissensgebiete, in denen wegen der uns wohlbekannten
Kurzlebigkeit des momentanen Wissensstandes schon den
Studenten klar gemacht wird, dass das Erlernte nicht für ihre
ganze Berufskarriere genügen kann und dass sie sich auch im
späteren Berufsleben quasi einer permanenten Weiterbildung
werden widmen müssen. Dies sensibilisiert die jungen Akademiker
schon frühzeitig für die Notwendigkeit der Anpassung an sich
wandelnde Bedürfnisse. Weiterbildung im eigenen Beruf eröffnet
aber noch nicht notwendigerweise die Bereitschaft zum Verstehenwollen
und die Fähigkeit zum Verstehenkönnen der Aussagen
von Vertretern anderer Wissensgebiete.
Ziehen wir hier eine kurze Bilanz der gemachten Feststellungen:
Der Gymnasiast erhält bis zur Maturität als breitgefächerte
Grundlage einen Einblick in unsere wissenschaftlichen Basiskenntnisse
und die kulturellen Leistungen unserer Zivilisation.
Nach der Maturität offeriert ihm die Universität eine qualitativ
hochstehende Berufsausbildung in dem von ihm gewählten Studiengebiet.
Dank der Studienfreiheit könnte er im Prinzip auch
Lehrveranstaltungen anderer Fächer besuchen. Wegen der meist
straffen Studienpläne ist dies in der Praxis allerdings kaum möglich.
Ebenso würde der nötige Arbeitsaufwand schnell untragbar,
besonders da die stetige Vertiefung des Fachwissens die Lehrveranstaltungen
zunehmend umfangreich und aufwendig werden
lassen. So verkümmern oft bestehende Interessen für andere
Disziplinen, und eine erwünschte Förderung fächerübergreifenden
Dialoges bleibt an der Universität weitgehend aus. Dies kann
sich im späteren Berufsleben dadurch rächen, dass auch der
bestausgebildete Akademiker Mühe empfinden kann, den an ihn
gestellten Erwartungen in der Bearbeitung fachübergreifender
Problemstellungen gerecht zu werden.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass in unserem universitären
Lehrangebot eine Lücke besteht. Es fehlt uns an speziell konzipierten
Lehrveranstaltungen, in denen mit einem vertretbaren
Zeitaufwand Wesen, Arbeitsstrategien und exemplarische Inhalte
akademischer Fachgebiete Studierenden anderer Fachrichtungen
erklärt werden. Es fehlt uns auch weitgehend an Lehrveranstaltungen,
welche der interdisziplinären, wissenschaftlichen
Bearbeitung von Fragestellungen des täglichen Lebens besondere
Aufmerksamkeit schenken. Jene Zeiten sind leider vorbei, in
denen ein Student seinen Neigungen entsprechend vom bestehenden
Angebot an Fachvorlesungen profitierend neben seinem
eigenen Studium in einem Semester diese, in einem anderen
Semester jene Einführung in ein anderes Fachgebiet belegen
konnte, ohne dass der Fortschritt seines eigenen Studiums darunter
litt. Der direkte Kontakt mit an unserer Universität lehrenden
Persönlichkeiten des akademischen Lebens bleibt weitgehend
Fachstudenten vorbehalten.
IV
Diese Mängel können mit gutem Willen und einem relativ
bescheidenen Aufwand behoben oder doch wenigstens gemildert
werden. Ich möchte Ihnen hier einen diesbezüglichen Plan vorstellen,
welchen wir im Rektorat seit einiger Zeit verfolgen. Er
basiert auf einem innerhalb der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen
Fakultät entworfenen Vorschlag. Dieser stiess bald
auch auf das Interesse der anderen Fakultäten und der Vertreter
der Studentenschaft. Dank dieser grundsätzlichen Unterstützung
und der direkten Hilfe einer Gruppe von Kollegen verschiedener
Fachrichtungen liess sich der Plan inzwischen weiter konkretisieren.
Mit Ausnahme der Ingenieurwissenschaften sind an unserer
Universität fast alle wissenschaftlichen Fachgebiete durch habilitierte
Dozenten vertreten. Es darf damit gerechnet werden, dass
sich viele dieser Universitätslehrer dazu motivieren lassen werden,
ihr Fachgebiet hin und wieder auch in geeigneter Form
Studierenden anderer Fachgebiete zugänglich zu machen, quasi
Wissenschaft aus erster Hand anzubieten. Dabei könnten Grundzüge,
Wesensart und Arbeitsstrategien eines Faches erklärt werden,
und es könnte auf bestehende Berührungspunkte mit anderen
Fächern eingegangen sowie auf Aspekte mit gesellschaftlicher
Relevanz hingewiesen werden. Es ist klar, dass dies für die beteiligten
Dozenten eine zusätzliche Belastung bedeutet. Diese neuartige
Lehrleistung eröffnet Lehrern und Lernenden aber auch die
Möglichkeit, gemeinsam über die Bedeutung gegebener Fachgebiete
im gesamten wissenschaftlichen Gefüge unserer Zivilisation
nachzudenken, und deren Stellenwert abzuschätzen. Schliesslich
bietet der Kontakt mit jungen Leuten, welche eine Lehrveranstaltung
nicht als Pflichtfach, sondern aus spontanem Interesse besuchen,
den Dozenten eine willkommene Gelegenheit, den transdisziplinären
Kontakt zu pflegen, was für viele von uns gar nicht
so selbstverständlich ist. Die gegenseitige Stimulierung der Lehrenden
und der Lernenden könnte eine nicht unwichtige Frucht
des hier angekündigten Vorhabens sein.
Die Zielsetzung unseres Programmes hat man in dieser oder
jener Art schon öfters hier und anderswo zu verwirklichen versucht.
Als wegleitend möchte ich einzig die Institution der seit der
Gründung der ETH in Zürich im letzten Jahrhundert bestehenden
Abteilung für Geistes- und Sozialwissenschaften erwähnen.
Deren Aufgabe besteht darin, den Studierenden der Ingenieurberufe
studienbegleitend Freifächer aus vielen an der ETH nicht als
Hauptfach vertretenen Wissensbereichen anzubieten. Kompetente
Dozenten widmen sich dieser vorbildlichen Aufgabe.
Ich hoffe, dass unser Basler Vorhaben die Mehrzahl unserer
Studierenden ansprechen kann und dass dessen Nutzung für sie
bald zu einer Selbstverpflichtung wird. Im Bestreben, die Belastung
in mässigem Rahmen zu halten, soll jede der geplanten
Einführungen in Fachgebiete für fachfremde Studierende zeitlich
auf eine oder höchstens zwei Wochenstunden beschränkt werden.
In losem Wechsel sollen jedes Semester etwa 10 verschiedene
Gebiete in das neue Lehrangebot aufgenommen werden. Repetitionen
sind in der Versuchsphase nicht a priori vorgesehen,
könnten aber im Falle grosser Nachfrage nach einer Pause von
einigen Semestern das Angebot erneut bereichern.
Der Kontakt mit Lehrerpersönlichkeiten ist für die Studierenden
oft ebenso wichtig wie der stoffliche Inhalt von Lehrveranstaltungen.
Deshalb soll im allgemeinen von Ringvorlesungen
abgesehen werden, bei denen jede Vorlesung von einem anderen
Spezialisten gehalten wird. Vielmehr soll ein umrissenes Thema
von nur einem oder wenigen aufeinander abgestimmten Dozenten
behandelt werden.
Bereichernd könnten im Rahmen eines Semesterprogramms
speziell konzipierte Diskussionsveranstaltungen wirken, in denen
durch Beizug von Verfechtern verschiedener Meinungen und
Modelle ein gewähltes Thema kontradiktorisch behandelt wird.
Dies fördert die Schulung für Situationen interdisziplinären Meinungsaustausches,
wie sie sich im beruflichen Alltag immer wieder
finden.
Um die Palette gewählter Themen möglichst reichhaltig gestalten
zu können, sollen neben Universitätsdozenten hin und wieder
auch geeignete Persönlichkeiten aus der Privatwirtschaft, dem
öffentlichen Sektor oder freie Kulturschaffende mit der Durchführung
einzelner Lehrveranstaltungen betraut werden. Im
besonderen ist hier an Vertreter der Ingenieurwissenschaften zu
denken, die an unserer Universität nicht gelehrt werden. So sollte
es möglich sein, während einer zunächst auf drei Jahre anberaumten
Versuchsphase ein möglichst breites, umfassendes Angebot
von Themen zusammenzustellen, welche wesentliche Aspekte
unseres kulturellen Erbes und Berichte von der Front der forschenden
Wissenschaften abdecken.
Eine vom Rektorat eingesetzte Arbeitsgruppe ist bereits daran,
ein Gesamtprogramm für sechs Semester zu entwerfen, welches
im Herbst des kommenden Jahres anlaufen soll. Ein wesentliches
Bestreben dieser Arbeitsgruppe wird es sein, ein thematisch
reichhaltiges Programm anzubieten unter besonderer Berücksichtigung
einerseits der wissenschaftlichen Qualität und andererseits
einer pädagogisch anspruchsvollen Präsentation. Dies
erfordert, dass die Planung sich nicht auf die zufällige Mitarbeit
spontan sich meldender Dozenten stützt, sondern dass die für den
speziellen Zweck geeignetsten Dozenten zur Mitarbeit eingeladen
werden.
Das ergänzende Studium ausserhalb des eigenen Faches darf
unsere Studenten nicht ungebührlich zusätzlich belasten, es soll
aber wirklich studienbegleitend sein. Von jedem Studierenden
darf erwartet werden, dass er pro Semester aus dem breit gefächerten
Angebot von Lehrveranstaltungen eine Semesterwochenstunde
belegen wird, weil wenigstens eines der vorgeschlagenen
Themen ihn anspricht. Scheint diese zusätzliche Präsenzzeit in
einem Fachbereich aus Belastungsgründen prinzipiell unmöglich,
so dürfte wohl dessen Studienplan falsch konzipiert sein und
dieser sollte entsprechend revidiert werden. Mit einem rein auf
ein Fach ausgerichteten, den Studenten voll in Beschlag nehmenden
Studium ist dem angehenden Akademiker nicht unbedingt
der bestmögliche Dienst im Hinblick auf seine Berufslaufbahn
erwiesen.
Wenden wir unsere Aufmerksamkeit nun noch einigen administrativ-technischen
Randbedingungen zu. Mit Genehmigung
der Regenz und der oberen Behörden möchten wir zwei günstig
gelegene Stunden, z. B. an einem Wochentag von 10-12 Uhr,
generell von traditionellen Lehrveranstaltungen frei halten und
auf diese Zeit die im fächerübergreifenden Programm vorgesehenen
Lehrveranstaltungen zur Wahl ansetzen. Dies hat den Vorteil,
dass praktisch jeder Student vom Angebot profitieren kann,
ohne dass sein Fachstudium beeinträchtigt wird. Zudem werden
so die für das neue Programm benötigten Hörsäle verfügbar. Eine
notwendige Stundenplanänderung im einen oder anderen Fachbereich
dürfte zumutbar und auch realisierbar sein.
Sicher wird das vorgeschlagene Programm auch etwas kosten.
Nicht an der Universität beschäftigte Lehrbeauftragte müssen für
ihre Dienste entschädigt werden. Ferner schlagen wir vor, den im
angestrebten Programm zu engagierenden Dozenten die Möglichkeit
zu offerieren, während der Zeit ihrer zusätzlichen Belastung
eine wissenschaftliche Hilfskraft anzustellen. Dadurch
könnte einerseits eine Überlastung der Dozenten durch die vermehrte
Lehrtätigkeit vermieden werden, andererseits bietet diese
Lösung einen willkommenen Beitrag zur Nachwuchsförderung.
Ich freue mich, an dieser Stelle bekanntgeben zu dürfen, dass
uns die Startfinanzierung durch den Fonds Basel 1996, eine
Initiative der Basler Wirtschaft aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums
der Christoph Merian Stiftung, zugesichert worden ist. Das
Rektorat ist bestrebt, für die weiteren Semester der dreijährigen
Versuchsperiode die zusätzlich erwachsenden Kosten durch private
Zuwendungen zu decken. Ein Erfolg des geplanten Lehrprogrammes
könnte in der Zwischenzeit das Parlament und die
oberen Behörden dazu motivieren, die erweiterte Lehrtätigkeit
an unserer Universität durch Bereitstellen der notwendigen Mittel
auch längerfristig zu sichern.
V
Ich nehme die heutige Jahresfeier unserer Universität zum
Anlass, zunächst Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, zur
bereitwilligen Mitarbeit am skizzierten Programm aufzurufen.
Ich bitte Sie, im Interesse der Sache auch allenfalls erwachsende
Unannehmlichkeiten zu akzeptieren. Ich bin überzeugt, dass Sie
bei einer aktiven Mitarbeit Befriedigung und auch eigenen Nutzen
verspüren werden.
Die Studentinnen und Studenten unserer Universität rufe ich
dazu auf, die ihnen dargebotenen Möglichkeiten des transdisziplinären
Kontaktes mit Persönlichkeiten anderer Wissensgebiete
als Chance zu empfinden und reichlich davon zu profitieren. Sie
können dabei bleibenden Gewinn erwarten.
Im speziellen wende ich mich auch an unsere Assistentinnen
und Assistenten, die in den Instituten als Doktoranden oder
Postdoktoranden arbeiten und Lernende und Lehrende zugleich
sind. Sie haben bereits einen guten Überblick über ihr eigenes
Fachgebiet, und viele von ihnen arbeiten an der Front der internationalen
Forschung. Das neue Lehrangebot richtet sich auch an
sie und dürfte ihnen willkommene Gelegenheit bieten, neue Verbindungen
zu anderen Disziplinen zu schaffen, die ihnen im
künftigen Berufsleben äusserst wertvoll sein können. Ihre Teilnahme
wird der Qualität des angestrebten interdisziplinären Dialoges
förderlich sein.
Zielpublikum des fächerübergreifenden Lehrprogrammes ist
also unsere gesamte Studenten- und Assistentenschaft. Entsprechend
dieser Vorgabe sollten alle Lehrveranstaltungen einzig und
allein das Wissensgut der eidgenössischen Maturität zur Voraussetzung
haben. Dies dürfte es allen Interessenten erlauben, in den
Genuss willkommener Ergänzungen zu ihrem Fachstudium zu
kommen. Hörer können auch zugelassen werden, dürfen aber
nicht erwarten, dass die Dozenten in ihren Lehrveranstaltungen
auf allfällig ungenügende Vorkenntnisse Rücksicht nehmen.
Ich bitte die Mitglieder der oberen Behörden unserer Universität,
den hier skizzierten Plan eines transdisziplinären Lehrangebotes
zu billigen, den Dozenten zu erlauben, im Rahmen ihrer
normalen Lehrverpflichtungen zu dessen Verwirklichung beizutragen
sowie in einzelnen Fällen Gesuche zur Erteilung spezieller
Lehraufträge wohlwollend zu prüfen.
Schliesslich erscheint es mir von ausschlaggebender Bedeutung,
auch die Unterstützung der Öffentlichkeit zu erlangen,
welche unsere Universität trägt. Eine breit abgestützte Billigung
der ideellen Ziele unseres Vorhabens bildet eine vielversprechende
Grundlage für den erhofften Erfolg.
VI
Das hier vorgestellte Programm antwortet auf eine Forderung
unserer Zeit. Die meisten akademischen Berufe erfordern ein
Verständnis für Arbeitsstrategien und Resultate anderer Wissensbereiche.
Studienbegleitend kann und muss diese Eigenschaft
gelernt und gefördert werden. Dabei spielt es nicht so sehr
eine Rolle, für welches andere Fach sich ein Student interessiert.
Wichtig ist, dass er sich überhaupt in die Problemkreise .einiger
anderer Fächer einarbeitet und dabei den transdisziplinären Kontakt
pflegen lernt. Die Erfahrung, dass andere Wissensgebiete oft
eigenständige Wege zur Lösung der gestellten Fragen beschreiten,
ist ein wichtiger erster Schritt zu einem gegenseitigen Verständnis.
Befruchtend wird die neue Lehrtätigkeit auch auf die beteiligten
Dozenten sein. Mehr und mehr verlangt die breite Öffentlichkeit
Einblick in das Gefüge der ihr schwer zugänglichen
Wissenschaften. Transdisziplinärer Dialog ist eine ausgezeichnete
Antwort auf diese Forderung und verschafft den Dozenten
zugleich Erfahrung in der einfachen Darstellung ihrer meist komplexen
Wissensbereiche. Durch vermehrte fächerverbindende
Kontakte kann unsere Universität trotz den strengen Anforderungen
an die fachspezifische Lehre einem alten Ideal des universitären
Unterrichtes, der Universitas, wieder einen guten
Schritt näher kommen. Wir fördern damit auch eine von zeitgenössischen
Denkern geforderte Strategie der Ganzheitsbetrachtung
in der Bewältigung der unsere menschliche Gesellschaft
beschäftigenden Probleme.
Es ist unserer Alma mater zu wünschen, dass dem ihr bevorstehenden
Versuch ein guter Erfolg beschieden sein werde.
Bekennen wir uns alle gemeinsam zu dieser edlen Aufgabe.
Dozenten, Studierende, Mitglieder der oberen Behörden und die
unsere Universität hochhaltenden Bürger mögen sich hinter das
Programm eines transdisziplinären Lehrangebotes stellen und
dieses als eine Herausforderung an alle betrachten.