Ueber den
Einfluss des Calvinismus
auf die Ideen
vom Staat und staatsbürgerlicher Freiheit.
Rede
Feier des Jahrestages
Eröffnung der Hochschule in Bern,
gehalten
am 15. November 1841
Dr. K. B. Hundeshagen,
a. o. Professor der Theologie und d. Z. Rektor.
Bern.
Gedruckt bei J. A. Weingart. 1842. .
Hochgeachtete Herren Magistraten der Republik!
Hochgeehrte Herren Kollegen, Professoren
und Docenten der Hochschule! Wertheste
Herren Kommilitonen! Nach Stand und
Würden zu ehrende übrige Anwesende!
Es ist ein schönes Vorrecht des Rektors am heutigen
Tage Vor Ihnen auftreten, Sie ehrerbietig und herzlich begrüssen
und gewissermassen den Gefühlen der ganzen Hochschule
Worte geben zu dürfen. Wie meine verehrten Amtsvorgänger
dieses Recht mit Freuden übten, so betrete auch
ich diese Stätte mit den gleichen Empfindungen. Denn ich
weiss, dass ich nicht zu Solchen rede, welche ausserhalb der
Idee unseres Tages stehen, sondern dass der Gedanke unserer
festlichen Stiftungsfeier, wie er Sie Alle hier zusammengeführt,
auch theilnehmend Sie Alle durchdringt. So wird
dem Redner sein Geschäft ein leichtes und frohes. Er darf
es in dem Bewusstsein üben, dass der Eindruck seiner Worte,
wenn Kraft und Inhalt derselben dem guten Willen nicht
gleichkommen, doch in der entgegenkommenden Stimmung
der Hörer gesichert ist.
Der heutige Tag begrenzt zwei Zeitabschnitte, auf deren
einen wir nicht ohne Befriedigung zurückschauen, auf deren
andern wir nicht ohne begründete Hoffnungen aufblicken
dürfen.
Während einer nun siebenjährigen Existenz hat unsre
Hochschule alle Gunst genossen, welche einer jungen, aus
einer bewegten Zeit hervorgegangenen, mit frohen Hoffnungen
begrüssten Anstalt zugewendet zu werden pflegt; sie hat aber
auch zu erfahren gehabt, dass jede junge Schöpfung mit
Schwierigkeiten nach Innen und Außen, mit Kälte und
Vorurtheilen zu kämpfen hat. Wir können das Erstere dankbar
anerkennen, ohne zu verhehlen, dass auch das noch unverdiente
Wohlwollen eine gefährliche Klippe werden kann, sofern
es nicht gelingt, dasselbe zu rechtfertigen. Wir dürfen
es aber auch nicht beklagen, wenn das Letztere unserer Anstalt
nicht erspart blieb. Denn auch Widerwärtigkeiten und
Anfechtungen sind Förderungsmittel für das wahrhaft Gute;
im Kampf entwickelt die ächte Kraft sich in den tüchtigsten und
nachhaltigsten Manifestationen. Und so hat auch unserer Hochschule
beides, Freundliches und Widerwärtiges, zum Sporne gedient,
die Stellung welche ihr vom Vaterlande angewiesen wurde,
Dienerin und Pflegerin wissenschaftlich vermittelter Wahrheit zu
sein, nach jeder Seite hin kräftigst zu behaupten.
Täuschen uns nicht die Anzeigen, so ist es der Hochschule
nunmehr gelungen nach beiden Richtungen hin eine
sichere Basis der Anerkennung, wenigstens für ihr Streben
zu erlangen. Die Ueberzeugung hievon, wohlthuend wie sie
ist, bildet das Erbe, welches die Hochschule aus dem verstossenen
Zeitabschnitt in den folgenden hinübernimmt. Es
soll und wird aber nicht ein Erbe zu todter Hand bleiben,
sondern die Hochschule wird aus der Bedeutung, welche ihr
jetzt allgemeiner für das Wohl des gemeinen Wesens beigelegt,
aus der Achtung, welche ihrem bisherigen Wirken
gezollt wird, beständig neue Antriebe schöpfen, das letztere
mit jedem Jahre fruchtbarer, gewinnreicher zu machen. Mit
Vertrauen überliefert ihr das engere Vaterland alle seine zu
höherer wissenschaftlicher Ausbildung bestimmten Söhne, mit
gleichem Vertrauen das weitere Vaterland eine stets wachsende
Anzahl derselben. Sie sieht sich in diesem Vertrauen ein
schönes, erhabenes Ziel gesteckt und wird nicht müde werden,
an die Erreichung desselben alle ihre Kräfte zu setzen. Möge
sie auf ihrer fernern Bahn der Beistand Gottes begleiten;
möge ihr auch jetzt von Seiten der hohen Staatsbehörden,
in's Besondere des hohen Erziehungsdepartements, die preiswürdige
Sorgfalt zugewendet werden, deren sie sich bisher
dankbar erfreut hat. Von unserer Seite, verehrteste Kollegen,
wird es an gewissenhaftem Pflichteifer nicht fehlen, und Sie,
meine werthen Kommilitonen, werden das Lob des regen
Fleisses und gesitteten Betragens, welches Ihnen bisher von
dieser Stätte gespendet werden durfte, gewiss auch fortan zu
verdienen suchen.
Und so wollen wir denn freudig und hoffnungsreich den
neuen Zeitabschnitt begrüssen!
Nach eingeführter Uebung erwarten Sie nun von mir
ein Thema von allgemeinerem Interesse wissenschaftlich besprochen
zu hören. Ich habe ein solches gewählt, dem es
für sich an Wichtigkeit und Reiz gewiss nicht fehlt, dessen
Behandlung mich aber hin und wieder über die Grenzen
meines speziellen Faches, und auch in etwas über die der gewöhnlich
unserer Feier zugemessenen Zeit hinausführen wird.
Möge mir Ihre gütige Nachsicht im Voraus zu Theil werden,
wenn ich Ihnen, mit Rücksicht auf ersteren Umstand,
beim besten Willen vielleicht zu wenig, rücksichtlich des andern
zu viel biete.
Ich gedenke vor Ihnen zu sprechen über den Einfluss
des Calvinismus auf die Ideen vom Staat und
staatsbürgerlicher Freiheit.
Es gehört zu dem Eigenthümlichen einer jeden grossen,
wahrhaft welthistorischen Begebenheit, dass ihr nachwirkender
Einfluß sich nicht bloss auf ein einzelnes, ihr zunächst liegendes
Gebiet des Lebens beschränkt, sondern dass er auch auf
die benachbarten sich verbreitet, ja keines überhaupt unberührt,
selbst in den entferntesten sich mehr oder minder verspüren
lässt. Eine solche Begebenheit war die Reformation
im sechszehnten Jahrhundert. Man ist bis jetzt ihrer Einwirkung
auf Religion und Kirche, auf Sitte und Sittlichkeit,
auf Kunst und Wissenschaft mit Eifer nachgegangen und ein
objektives, zusammenstimmendes Urtheil hat sich über ihre
Wohlthätigkeit in allen diesen Richtungen schon lange fest
begründet. Nur über ihren Einfluss auf das Staatsleben ist
man weniger einige geworden. Lassen wir hier — wie billig —
jene finstere Faktion ganz ausser Rechnung, welche der Reformation
in dieser, wie in jeder andern Hinsicht, nur das
Schlimmste und Verderblichste nachzureden weiss, weil sie es
ihr um jeden Preis nachreden will, so bleibt uns daneben
die auffallende Erscheinung selbst unter ihren Anhängern
eine grosse Unbestimmtheit der Begriffe, ja eine gewisse Zurückhaltung
im Urtheil darüber herrschend zu finden, gleichsam
als habe man mit der Annahme einer umgestaltenden Einwirkung
der Reformation auf das Staatsleben eine Unbill
von ihr abzuwehren. Diese Erscheinung erklärt sich leicht;
zum Theil aus dem vorwiegend theologischen Interesse, mit
welchem man die Reformation anschaute, zum Theil aus der
behutsamen Scheu, mit welcher frühere Zeitalter alles was
mit der Erörterung politischer Fragen überhaupt zusammenhing,
sich fern zu halten pflegten Es fehlte eine Summe
von allgemeiner gebilligten Begriffen, unter welche man die
Resultate solcher Untersuchungen unbefangen beurtheilend
hätte zusammenfassen können. Man war zu sehr daran gewöhnt,
das Walten einer höhern objektiven Geistesmacht
verkennend, in den Transformationen der politischen Theorie
und Praxis nur das Treiben frivoler Anmaßlichkeit, verwerflicher
Selbstsucht und eines gefährlichen Subjektivismus
zu erblicken, als dass man eine helle, lichte Erscheinung gern
unter den dunkeln Schatten der letztern hätte gerückt sehen
mögen. Ist es aber nun nicht etwa ein leerer Zufall, dass
in dieser Rücksicht in der Denkart unseres Zeitalters ein
Wendepunkt eingetreten ist, sondern erkennen wir eine ihm
von höherer Hand gesetzte Aufgabe darin, dass der Richtigstellung
staatsbürgerlicher Begriffe heutzutage das Hauptinteresse
der europäischen Völkerfamilie sich zuwendet, ihr eine
grosse Summe von Schweiß und Arbeit gewidmet und aller
Orten die bedeutendsten Opfer gebracht werden: so darf auch
unser Thema als gerechtfertigt angesehen werden, und seine —
wenn schon hier an gewisse Grenzen gebundene *)— Behandlung,
als ein geschichtlicher Beitrag zur Verständigung über
die wichtigsten unsere Zeit beherrschenden Tendenzen, sich
Aufmerksamkeit und Nutzen versprechen.
Wir erkennen nun unsrerseits —um diess sogleich vorauszuschicken
— in der Reformation ebensowenig unmittelbar
eine politische Abzweckung, als im Christenthum selbst. Wohl
aber sind wir der Meinung, dass mittelbar nichts so tief
und nachhaltig auf die Vorstellungen vom Staat und der
Staatsverfassung gewirkt habe, als eben dieses grosse Ereignis
auf dein Gebiet des religiösen Glaubens, und daß,
wenn von der Reformation überhaupt eine durchgreifende
Umgestaltung des Staatsbegriffes abzuleiten ist, an die
calvinistische Form des Protestantismus ursprünglich allein
die Erzeugung jenes ganzen Vorrathes freierer staatsrechtlicher
Doktrinen sich knüpft, mit deren Verarbeitung noch
unsre Zeit so vielseitig sich beschäftigt.
Die umgestaltende Rückwirkung der Reformation auf
den Staat war zunächst die Folge der wiedereröffneten richtigern
Einsicht in das Wesen der Kirche, als einer rein auf
das Geistige abzweigenden Gemeinschaft. Musste darum die
Entfernung jener falschen Leiblichkeit, welche die Kirche im
Lauf der Zeit sich angebildet hatte, und vermöge deren sie als ein
besonderer, mit den wichtigsten äussern Attributen ausgestatteter
Staat in die bürgerliche Gesellschaft hineinragte,
ein Hauptgeschäft der Reformation sein: so erhielt der Staat
erst durch Vollziehung desselben, durch das Zurückgeben dessen
an den Staat, was des Staates war, die volle Autonomie
in den ihm zustehenden Lebenskreisen.
Jene Rückgabe war aber nicht bloß die Folge einer richtigern
Einsicht in das Wesen der Kirche, sondern ebenso
auch in das Wesen des Staates selbst.
Die Begriffe vom Wesen des Staates concentriren sich
am Anschaulichsten in den Vorstellungen von der obersten
Staatsgewalt. Werfen wir einen Blick auf die im Mittelalter
durch die Päpste gäng und gebe gewordene Theorie!
Gregor VII., um die Universalherrschaft des römischen
Stuhles durch Unterordnung aller königlichen Gewalt unter
die des heiligen Petrus zu begründen, beruft sich darauf,
dass die königliche Gewalt, weit entfernt auf göttlicher Einsetzung
zu beruhen, wie die priesterliche, nichts als eine
Erfindung von der Erkenntniss Gottes entblössten Menschen
sei; das der Sohn Gottes das weltliche Regiment, in welchem
sich die Kinder der Welt so mächtig blähen, für sich verschmäht
habe. Quis nesciat, schliesst er in einer bezeichnenden
Stelle, reges ei duces ab iis habuisse principium, qui Deum
ignorantes, superbia, rapinis, perfidia, homocidiis, postremo
universis paene sceleribus, mundi principe diabolo videlicet
agitante, super partes, scilicet homines, dominari caeca cupiditate
et intolerabili praesumtione affectaverunt? *) An ihn
reiht sich Innocenz III. mit einer Reihe bekannter
Aussprüche und Vergleichungen, aus welchen wir nur
hervorheben, daß quanto dignior est anima corpore, tanto
dignius est etiam sacerdotium, quam sit regnum; und sicut sacerdotium
dignitate praecellit, sic et antiquitate praecedit. Utramque
tam regnum, quam sacerdotium institutum fuit in populo
Dei; sed sacerdotium per ordinationem divinam, regnum autem
per extorsionem humanam **) ; endlich sicut luna lumen suum a
role sortitur, quae re vera minor est illo quantitate simul et
qaulitate, situ pariter et effectu: sic regalis potestas ab auctoritate
pontificali suae sortitur dignitatis splendorem ***). Schon
Hugo von Fleury, im Anfang des 12. Jahrh. konnte es
daher als eine unter seinen Zeitgenossen weit verbreitete Ansicht
bezeichnen, quod terreni regni dispositio non a Deo, sed
ab hominibus sit ordinata et disposita. U )
Welcher Begriff vom Staate springt aus allen diesen
Sätzen hervor? Wahrlich ein nicht eben würdiger! Den
Staat bildet ein Haufen von gottlosen Gesellen, in welchem der
Klügste und Stärkste, so weit es sein Vortheil erheischt,
eine Art von Polizei handhabt. Mit dürren Worten lässt
sich in dieser Formel das Ganze zusammenfassen. Keine Spur
davon, dass die Menschheit unter dem Antrieb einer göttlich-vernünftigen
Nothwendigkeit sich zu Staaten verbindet, daß
innerhalb derselben durch sittliche Mittel objektiv-sittliche
Zwecke erreicht werden sollen. Nein! der Staat an sich ist
lediglich die schlechte, gleichsam von Haus aus nichtsnutzige
Seite der menschlich-geselligen Existenz, ohne höhere Bestimmung
und Dignität, ohne ein anderes Gesetz, als das
des selbstsüchtigen Beliebens. Bei solcher Entleerung von
jedem höhern Inhalt soll es nun freilich nicht bleiben. Es
soll eine Ordnung der Dinge hergestellt werden, wonach
auch der Staat ein Träger höherer Zweckbestimmung wird.
Aber er entwickelt dieses höhere Leben nicht aus sich, seinem
Wesen und Begriff, sondern erborgt es nur aus seiner Verbindung
mit der kirchlichen Hierarchie. Die sacra imperialis
majestas, nach der Vorstellung des Mittelalters, Trägerin
und Quelle aller bürgerlichen Gewalt, ist sacra nicht an sich,
sondern durch die Ertheilung von Seiten des Papstes. Die
Sittlichkeit des Staates ist ganz und gar nur eine von der
Kirche entlehnte; diese hat die ganze sittliche Existenz des
Staates in Händen und derselbe ist rücksichtlich der Sittlichkeit
seiner Bethätigungen von dem Urtheil und der Anerkennung
der Hierarchie schlechthin abhängig. Denn die
Sittlichkeit ist nicht etwas dem Staate Substantielles, Immanentes,
sondern etwas rein Accessorisches, ein zufälliges
Accidens, ein donum superadditum seiner sich an sich gleichgültig
dagegen verhaltenden, nackten Endlichkeit.
Diese Anschauungsweise erhielt sich in der Hauptsache während
des ganzen Mittelalters. Der Widerspruch, welchen einige
freisinnige Publizisten der ghibellinischen Richtung dagegen erhoben,
drang nicht durch, hielt sich auch zu sehr nur in der Negative.
So konnte denn Luther mit Recht von der Zeit seines ersten
Auftretens sagen: So stunds aber dazumal: "Es hatte
Niemand gelehret noch gehöret, wusste auch Niemand
etwas von der weltlichen Obrigkeit, woher
sie käme, was ihr Amt oder Werk wäre
oder wie sie Gott dienen sollt. Die Allergelehrtesten
(will sie nicht nennen) hielten die
weltliche Obrigkeit für ein heidnisch, menschlich,
ungöttlich Ding, als wäre es ein fährlicher
Stand zur Seligkeit. Daher hatten
auch die Pfaffen und Mönche Könige und
Fürsten so eingetrieben und überredet, dass sie
an der Werk vornahmen Gott zu dienen, als
Messe hören, beten, Mess stiften a. Summa,
Fürsten und Herrn (so gern fromm gewesen
wären) hielten ihren Stand und Amt für nichts,
und für keinen Gottesdienst, wurden rechte
Pfaffen und Mönche (ohne dass sie nicht Platten,
noch Kappen trugen); wollten sie Gott dienen,
so mussten sie in die Kirchen. Solches
müssen mir bezeugen alle Herren, so dazumal
gelebet und solches erfahren haben, denn
mein gnädigster Herr, Herzog Friedrich seliger
Gedächtniss, ward so froh da ich zuerst von weltlicher
Obrigkeit schrieb, daß er solch Büchlein
liess abschreiben, sonderlich einbinden, und sehr
lieb hatte, dass er auch möchte sehn, was sein
Stand wäre vor Gott. Also war dazumal der Papst
und die Geistlichen alles in allen, über allen und
durch allen, wie ein Gott in der Welt, und
lag die weltliche Obrigkeit im Finstern verdruckt
und unbekannt.... Nun sie mich aufrührisch
schelten, nachdem ich (durch Gottes
Gnade) von der weltlichen Obrigkeit also
herrlich und nützlich geschrieben habe, als
nie kein Lehrer gethan hat, seit der Apostel
Zeit (es wäre denn St. Augustin), dess ich mich
mit gutem Gewissen und mit Zeugniss der
Welt rühmen mag." *)
Wirklich war es Luther, welcher zuerst für das allgemeine
Bewusstsein den Begriff des Staates aus seiner Erniedrigung
erhob. Keine seiner Schriften trug dazu mehr
bei, als jenes der ersten frischesten Zeiten seines Wirkens
angehörige, von der ganzen Vollkraft seines Geistes getragene,
gewaltige Buch: "An Kaiserliche Majestät und
den christlichen Adel teutscher Nation, von des christlichen
Standes Besserung." Binnen drei Monaten war es in viertausend
Exemplaren verbreitet und wurde so ein wahres Volksbuch.
Ihm folgten mit der Zeit mehrere andere Schriften
über das Wesen der christlichen Obrigkeit, deren Gedankeninhalt
dann später in die Bekenntnisse der lutherischen Kirche
überging. In ihnen wird überall der bürgerliche Staat an
sich als eine ordinatio Dei anerkannt, im Gegensatz zu der
Theorie der Romanisten und dem schwärmerischen Atomismus
der Wiedertäufer. Zwar erhält der Staatsbegriff seine Vertiefung
nach der ethischen Seite erst durch Aufnahme des
christlichen Elementes, indem der Staat ein christlicher wird,
die Obrigkeit nach christlichen Prinzipien ihr Regiment führt.
Aber der ethische Charakter des Staats ist hiedurch keineswegs
schlechthin bedingt. Vielmehr hat der Staat durch
seinen Stifter vor aller Verbindung mit der Kirche seinen
sittlichen Inhalt. Diess erhellt daraus am deutlichsten, daß
schon die Apologie der Augsburgischen Konfession ausdrücklich
auch den heidnischen Staat von der allgemeinen Regel
nicht ausschliesst, dass man den bürgerlichen Verordnungen
zu gehorsamen habe und zwar non solum propter poenam, sed
etiam propter conscientiam... tanquam divinae ordinationi. *)
Glaubenssachen, als dem innern Forum angehörig, werden
allein vorbehalten. In vollem Einklang standen hiemit die
Grundsätze Zwingli's und Calvin's, der reformirten
Kirche. Non humana perversitate fieri, sagt Letzterer ut penes
reges et praefectos alios sit in terris rerum omnium arbitrium, sed
divina providentia et sancta ordinatione: cui sic visum est res
hominum moderari. Quandoquidem illis adest ac etiam praeest
ferendis legibus et judiciorum aequitate exercenda. *) Aber auch
die Praxis des gesammten Protestantismus bewies ihr Vertrauen
zu dem sittlichen Geist des Staates in der ausgedehntesten
Weise. Was konnte sie mehr thun, als seiner
Obhut die Ehe überweisen; jene Wurzel und heilige Bildungsstätte
aller sittlichen Verhältnisse; ferner die Sorge für
den Unterricht aller Art, während früher Volksschulen wie
Universitäten nur geistliche Institute gewesen waren; endlich
das äussere Kirchenregiment, welches Zwingli dem Staate
ganz übertrug, Calvin demselben wenigstens nicht absolut
entzogen wissen wollte, während Luther zwischen beiden die
Mitte hielt? So kam es, dass die Systematik der spätern
lutherischen Theologie unsere ganze Gedankenreihe in der
Formel zusammendrängen konnte: der magistratus civilis sey
samt dem ministerium ecclesiasticum und dem status oeconomicus
oder der Ehe einer der drei status hierarchici s. divinitus
instituti, des unmittelbar von Gott selbst eingesetzten Schematismus
des Reiches Gottes. Gewiss eine tiefsinnige Nebeneinanderstellung
der gleich nothwendigen und darum innerlich
gleich berechtigten Faktoren, durch welche allein das wahre
Wohl der bürgerlichen Gesellschaft zu Stande kommt!
So baute der Protestantismus den Staat auf eine ganz
neue Grundlage, auf seinen eigenen ethischen Inhalt. Er
wurde dadurch der Schöpfer eines gänzlich veränderten Staatsbegriffes.
Gehörte aber — so fragen wir weiter — in den Kreis
dieser durch die Reformation erweckten und in Geltung gebrachten
Vorstellungen auch eine bestimmte Theorie über die
innere Organisation des Staates, die Art seiner Gliederung
in Regierende und Gehorchende, die Abstufungen ihrer Rechte
und Pflichten, mit einem Worte seine Verfassung? Aus
den Schriften der Reformatoren wenigstens lässt sich diess
nicht erweisen. Luther fand in seinem Vaterlande eine
grosse Varietät von Verfassungen vor. Wir erfahren nicht,
dass er einer derselben einen absoluten Vorzug vor der andern
zugesprochen habe. Bei Gelegenheit kastigirte er Regierende
und Unterthanen mit gleicher Schärfe. Zwingli
hing mit grosser Liebe an seinen vaterländischen Institutionen,
ohne darum in der Monarchie etwas Inadäquates zu erblicken.
Calvin, der durch die berühmten Rechtsschulen Frankreichs
nicht ohne bedeutenden Gewinn für staatsmännische Bildung
hindurchgegangen war, und eine gründliche Einsicht in diese
Art von Verhältnissen besass, gab zwar der Republik den
Vorzug. Eine Regierungsform, wonach das Volk von einem
Ausschuss seiner würdigsten Bürger repräsentirt werde, schien
ihm die glücklichste, durch das Vorbild des israelitischen
Volkes gewissermassen von Gott selbst dafür erklärte. Von
den übrigen Staatsformen urtheilt er: Proclivis est a regno
in tyrannidem lapsus: sed non multo difficilior ab optimatum
potestate in paucorum factionem; multo vero facillimus e populari
dominatione in seditionem. Aber Calvin erklärt zugleich
sehr richtig, dass alles Urtheil hierüber nur sehr relativer
Natur sein könne. Simpliciter id definiri — in abstracto hierüber
absprechen — nisi temere non posset, quum magna hujus
disputationis ratio in circumstantiis positia sit. Et si ipsos etiam
status citra circumstantias inter se compares, non facile sit discernere,
quis utilitate praeponderet, adeo aequis conditionibus contendunt...
Quod si non in unam duntaxat civitatem oculos defigas,
sed universum simul orbem circumspicias ac contempleris,
vel aspectum in longiora saltem regionum spatia diffundas, comperies
profecto divina providentia illud non abs re comparatum,
ut diversis potitiis regiones variae administrentur. Nam quemadmodum
non nisi inaequali temperatura elemente inter se cohaerent:
ita hae sua quadam inaequalitate optime continentur. *)
Eine blinde Vorliebe für eine bestimmte Verfassungsform
war also den Reformatoren fremd; eine Verschiedenheit der
Regierungsformen schien Calvin sogar für das Wohl der
gesammten Völkerfamilie erspriesslich. Die Bethätigung des
Staates als sittlichen Institutes schien ihnen dadurch keineswegs
absolut bedingt. Sie wussten, dass jede Verfassung
auf gewissen idealen Voraussetzungen ethischer Art ruhe und
auch die beste ohne Einhaltung jener Voraussetzungen von
Seiten der Regierenden und Gehorchenden den verderblichsten
Ausartungen preisgegeben sey. Die Despotie, die, sei es
monokratorische oder polykoiranistische Willkührherrschaft,
welche anstatt des Staates, sich selbst zum Zweck macht, ist
zwar an sich verwerflich und ohne sittlichen Inhalt. alvin
erkennt an, dass sogenannte populäres magistratus, welche
die antiken Staaten unter dem Namen von Ephoren, Demarchen,
Tribunen, das Mittelalter in den drei Ständen der Feudalreiche
kannte, da wo sie eingeführt sind, der monarchischen
Gewalt, wenn sie ihre Grenzen überschreitet, zügelnd gegenüber
treten sollen. **) Aber im Allgemeinen ist doch im
Sinn der Reformatoren selbst die Despotie zu der sittlichen
Aufgabe des Staates nicht außer aller Beziehung. Sie ist
eine Geisel Gottes die Völker zu züchtigen für ihre Sünden,
in ihr Inneres und dadurch in das ethische Gebiet zurückzuführen.
Das allgemeine Gebot der Unterwürfigkeit unter
die bestehende Obrigkeit leidet hiernach auch in einem solchen
Falle für den Einzelnen keine Ausnahme. Gott allein ist
der Rächer der Tyrannei.
Ohngeachtet dieser bestimmten Erklärungen der Häupter,
knüpften sich aber dennoch an die grosse religiöse Bewegung
nicht bloss zufällig sehr folgenreiche Anfänge politischer Spekulation.
Kaiser Karl V. und andere Fürsten widersetzten
sich der Glaubensverbesserung. Man untersuchte daher, ob
man auch in Glaubenssachen der Obrigkeit zu gehorchen
verpflichtet sei. Mit Berufung auf den aus einer gleichen
Situation hervorgegangenen bekannten Ausspruch des Apostels
Petrus: "man soll Gott mehr gehorchen, als den
Menschen", schied man hier das ganze Gebiet des religiösen
Ueberzeugungslebens aus dem Gewaltumfang der weltlichen
Obrigkeit aus. Es war aber ein ausserordentlich wichtiger
Schritt von einem Prinzip, welches ohnehin nur durch die
heldenmüthigste Selbstverleugnung des Subjekts sich in Geltung
erhalten konnte, auch nur eine Ausnahme zuzugeben.
Daher gestanden die Reformatoren den auf ihrer Seite stehenden
Fürsten und Staatsmännern nur erst nach langem
Kampfe die Erlaubniß zu von einem passiven zum aktiven
Widerstand gegen Glaubensdruck ihrer Oberherren fortzuschreiten.
Ohngeachtet Luther wie Calvin diesen Widerstand
nicht dem individuellen Belieben preisgaben, sondern
nur den verfassungsmässigen Reichsständen die Befugniß
dazu zusprachen, so dürfte bereits beiden leicht die Besorgniß
sich aufgedrängt haben, es möge hierdurch eine Lage der
Verhältnisse angebahnt werden, deren weiterer Entwicklung
nach der politischen Seite hin, unter der leidenschaftlichen
Spannung der Gemüther, durch jenen abstrakten Grundsatz
Einhalt zu thun, nicht in ihrer Macht stände.
Und so geschah es in der That. Nur fand in Deutschland
jene Entwicklung frühzeitig einen durch die Verhältnisse
bedingten Ruhepunkt und es wurde daher lediglich dem
Westen Europa's, den calvinistischen Völkern, die Aufgabe
zu Theil, mit dem Dogma auch die geltenden politischen
Begriffe einer mehr oder minder umfassenden Revision zu
unterwerfen.
Der Gang der Geschichte weist uns zuerst nach Frankreich.
In Frankreich traf die Reformation eine empfängliche
und vorbereitete Bevölkerung. Frühzeitig fand die neue Lehre
Anhänger in allen Klassen, selbst am Hofe, im Schoosse der
königlichen Familie; vorzüglich aber in den Städten des
Königreichs. Vieles verhiess einen guten Fortgang. Nur
ein grosses Hinderniß stand im Wege. Die Reformation
fiel der Zeit nach in jene grosse Europäische Krise, in welcher
aus dem Lehnstaat die bisher beschränkte Monarchie zur absoluten
sich emporkämpfte. Aller Orten in Europa erblicken
wir um diese Zeit den gleichen Kampf. In Frankreich hatte
er am Frühesten begonnen, führte also auch am Frühesten
zu seinem Ziele. Es ist bekannt, welche bedeutenden Schritte
seit dem 12ten Jahrhundert Ludwig der Dicke, Philipp
August, Ludwig der Heilige und Philipp der
Schöne thaten, um den französischen Feudalstaat in einen
Beamten- und Militärstaat, die Königliche Suzeraineté in
eine Souveraineté umzuwandeln. Die Siege der Schweizer
über Karl von Burgund, den letzten und gefährlichsten der
grossen Kronvasallen, vollendeten das neue System. Franz I.
und die letzten Valois geboten schon ganz im Sinne desselben
über stehende Heere, liessen die ständischen Rechte in
Abgang kommen, machten den Adel zu Hofleuten, verkauften
die Staatsämter um Geld, übten eine willkührliche
Justiz und Besteuerung. Aber es war eine schwer errungene
Stellung, in welcher der Hof in Frankreich sich befand und
argwöhnisch wachte er, um nicht daraus Verdrängt zu werden.
Wie hätte er sich nun mit dem Protestantismus innerlich
befreunden können, welcher in Deutschland eine so starke
Opposition der Reichsstände gegen den Kaiser, der Stadtkommunen
wider die Patriziate hervorgerufen, auf dessen
Rechnung überdies von der Gegenparthei der Bauernkrieg
und die anarchischen Bestrebungen der Wiedertäufer geschrieben
wurden? Wohl zog Franz l. seine Liebe zur höhern Bildung
von einer Seite zur Reformation hin, und er liess sich
dieselbe gefallen, so lange sie bloss unter den Gelehrten Anhänger
zählte. Aber die Reformation Luther's war nicht
die Reformation von Erasmus! Als daher die neue
Lehre auch unter dem Volke Eingang fand und frei ohne
sein Zuthun reisende Fortschritte machte, erbitterte diess seinen
herrischen Sinn, der keine Volksrechte und keinen Willen
erkannte, ausser dem seinigen. Er hielt sein Ansehn für
verletzt und wurde so ein grausamer Verfolger des Protestantismus.
Die auswärtigen Verhältnisse nöthigten ihn
zwar sich bald auf diese, bald auf jene Seite zu neigen.
Aber sein geheimster Gedanke war, was uns Brantôme
berichtet, que celle nouveauté tendoit du tout au renversement
de la monarchie divine et humaine, und mit blutigen Zügen
steht daher die Zeit seiner Regierung in den Geschichtsbüchern
des französischen Protestantismus geschrieben. Seine Nachfolger,
sonst nicht die Erben seiner Kraft und Regenteneigenschaften,
wurden doch die Erben jenes Grundsatzes.
Bei ihnen gesellte sich aber, was bei Franz nicht der Fall
gewesen war, zu diesem noch der fanatische Eifer jener
Bigotterie, welche der katholischen Reaktion eigen wurde.
Alle Schrecken der rohen Gewalt, des tiefsten Hasses, des
gräulichsten Verrathes, der Flamme und des Schwertes
wurden gegen die andersgläubigen Unterthanen Frankreichs
in einem Grade losgelassen, daß dem übrigen Europa sich
das Haar sträubte, das Blut in den Adern gerann!
Hatte aber in Deutschland eine dem Entwicklungsgang
Frankreichs gerade entgegengesetzte Bildung der politischen
Verhältnisse, die vom Kaiser fast unabhäng gewordene
Territorialhoheit der großen Vasallen und Reichsgemeinden,
dem Protestantismus, welcher sie vorfand, von Anfang an
Schutz gewährt: so musste der französische Protestantismus,
welchem solche Anhaltpunkte fehlten, um nicht in der Rechtlosigkeit
sein Dasein zu verlieren, dahin getrieben werden,
sich äussere Schutzwehren erst zu schaffen. Der französische
Protestantismus erhielt hiedurch schon frühzeitig eine weit
bestimmtere Richtung auf das Politische als in irgend einem
andern Lande. In grossartigen Machterweisungen zwar
waltete das neu erweckte religiöse Interesse durch alle Klassen
der Gesellschaft. Als Märtyrer des reinern Glaubens fielen
nicht bloss arme Handwerker und Landleute; auch jener
Frankreich eigenthümliche parlamentarische Mittelstand zählte
in Annas dü Bourg u. a. darunter ausgezeichnete Repräsentanten;
die grössten Gelehrten Frankreichs, vornehmlich
Philologen und Juristen, wie die Gebrüder Stephanus,
Beza, Franz und Aemilius Portus, Casaubon,
Hottoman und Gothofredus u. a. brachten
nur ernsten religiösen Ueberzeugungen eine ruhmvolle Existenz
im Vaterlande zum Opfer; unter dem Adel endlich wird
Niemand den wahrhaft christlich-protestantischen Ernst der
Coligny, Mornay, Nohan, Latremouille, Bouillon
und ihrer Freunde, in der königlichen Familie Niemand
die hochherzige Glaubensfestigkeit einer Jeanne
d'Albret bezweifeln. Aber verkennen lässt sich auch. keineswegs,
dass bei vielen jener Vornehmen der Religionseifer
auf eine nicht erfreuliche Weise politisch durchzogen war.
Die bereits anfängliche und gewiss ehrliche Betheiligung des
Bourbonischen Hauses an der Sache des Protestantismus
erhielt, seit dem voraussichtlichen Aussterben der Valois, in
dem Prinzen Condé sehr stark den Charakter einer Behauptung
bedrohter Successionsrechte, gleich wie seine Gegner,
die Guisen als Häupter der Ligue wenigstens eben so sehr
ein politisches, als religiöses Interesse mit dem Katholizismus
verknüpfte. Der übrige hohe und niedere Adel suchte
die Spannung, in welche der Geist der protestantischen Bevölkerung
durch die Verfolgungen gegen den Hof versetzt
worden war, zur Wiedereroberung seiner von der absoluten
Königsmacht geschmälerten Rechte zu benutzen; die Städte,
mehrfach bedroht und gekränkt, bewegten sich in einer ähnlichen
Richtung. Es war, als hätte die alte ständische
Gliederung des französischen Staates durch den Anhauch des
Protestantismus neues Leben erhalten. Genug unter dem
Antrieb dieser Faktoren, neben dem religiösen, gewann der
französische Protestantismus seine äussere Existenz in dem
hugenottischen Bund, die Familien Chatillon und
Bourbon an der Spitze, jene das reine evangelische,
diese das gemischte Prinzip vertretend. Die unbesiegbare
Gewalt der Umstände, der drastische Geist der Nation, der
von dem Gedanken rasch zur Organisation fortschreitet, drängte
auf die Gründung eines solchen Staates im Staate hin.
Der nämliche Geist, welchen zahlreiche Verfolgungen bis 1562
nicht hatten ersticken können, überdauerte 1572 die verruchten
Gräuel der Bartholomäusnacht, und kämpfte sich
bis 1598 durch sechs zerstörende Religionskriege zur endlichen
Anerkennung durch.
Schon in der Komposition des hugenottischen
Bundes aber lagen eigenthümliche Elemente verborgen.
Sie mussten in seiner Konstituirung und dem Innere, der
in ihm gepflegt wurde, auf ihre besondere Weise sich geltend
machen. Den Kern des französischen Protestantismus bildeten
in allen Theilen des Landes die Städte, besonders die
reichen blühenden Handelsstädte, wie La Rochelle und
die Städte im mittäglichen Theile des Reiches, in Guienne
und Languedoc. *) Mehrere derselben hatten so ausgedehnte
Munizipalrechte, dass sie fast Freistädten glichen; alle
aber ordneten eigenmächtig ihre städtischen Verfassungen und
wurden durch regelmässige Provinzialstände vertreten. Ein
republikanischer Geist und Sinn für ein unabhängiges,
eigen geschaffenes Familienleben war hier vorherrschend. Der
mittägliche Theil wurde später als die andern der französischen
Monarchie einverleibt, die Könige besuchten ihn selten
und die alte Scheidung der Provenzalen und des Volkes
der langue d'oc von ihren weniger mit Freiheit, Wohlstand
und Bildung ausgestatteten Brüdern im Norden, war noch
in Sitten und Gewohnheiten, in Sprache und Gesetzgebung
bemerkbar. Hier, wo schon in alten Tagen die Grundsätze
der Albigenser ihren Sitz hatten, mit deren Vertilgung
auch die Blüthe des Landes auf lange Zeit verschwunden
war, hier ergriff man die neue Lehre mit enthusiastischer
Liebe und suchte sie eben so unabhängig als Eigenthum zu
beschützen, wie man die bürgerlichen Einrichtungen zu erhalten
gewußt hatte, mit denen jene so sehr harmonirte.
Denn es lässt sich auf keine Weise läugnen, dass in der
Form in welcher Frankreich den Protestantismus aufnahm,
im Calvinismus, ein republikanisches Element lag. Wir
finden diess nicht darin, dass Calvin die Repräsentativ-Republik
bedingt für die beste Staatsform erklärt hatte.
Vielmehr lag es in der calvinischen Kirchenverfassung. Streng
hatte Calvin die Rechte des Staates und der Kirche von
einander geschieden. Ein landesherrliches Kirchenregiment
im Sinne Luther's und Zwingli's erschien ihm etwas
Inadäquates. Vielmehr ist die Kirche innerhalb ihres Gebietes
frei und frei jeder Einzelne, als Mitglied des kirchlichen
Vereins nur der Schrift und den selbstgegebenen Ordnungen
unterworfen. Jeder Einzelne hat Theil am Kirchenregiment,
an der Wahl des Predigers und der Gemeindevorsteher,
und sein Recht erlischt nur, wenn die Mehrheit
entschieden und die von Allen bestellte Kirchengewalt ihm das
Gesetz gegenüber stellt. So schuf Calvin aus jeder Gemeinde
eine kleine Republik, aus der Vereinigung aller
Gemeinden einen republikanischen Bundeskörper, in welchem
kein Platz für eine Erhebung des Einen über den Andern
war, ausser durch Wahl der Gleichberechtigten. Die Gesetze
galten für Alle ohne Ausnahme, und wurden von den durch
die Gesammtheit bestellten geistlichen und weltlichen Kirchenvorständen
mit grösster Strenge gehandhabt. Besonders streng
war die Sittenzucht; man erklärte sie mit Calvin für den
Nerv der Religion. Vor den Sittengerichten galt kein Ansehen
der Person; ohne Nachsicht wurden Uebertretungen
geahndet bei Vornehmen, wie Geringen. Alles diess war nicht
wohl möglich unter andern als republikanischen Lebensformen.
Mit unabweisbarer Konsequenz drängte die Kirchenverfassung,
in welcher ein so starker Reiz zur Vergleichung lag, auch zu einer
entsprechenden politischen Verfassung der Glaubensgenossen hin.
Sie entwickelte sich faktisch schon während der Religionskriege.
Seit Erlassung des Ediktes von Nantes wurden sie förmlich anerkannt.
Das protestantische Frankreich zerfiel hienach in 16
Provinzen mit eigener konstitutioneller Organisation *).
Edelleute, Geistliche und der dritte Stand sendeten ihre Abgeordneten
in die Provinzialräthe und die grössern Provinzialversammlungen;
hier wurden die politischen Angelegenheiten
der Provinz, in den allgemeinen, alle drei Jahre sich
vereinigenden Versammlungen der Provinzialabgeordneten
die des ganzen Bundes berathen und mit Stimmenmehrheit
entschieden. In vollkommener Analogie waren diese politischen
Versammlungen den üblichen Provinzialen und Generalsynoden
nachgebildet. Eigene Deputirte vertraten den Bund
am Hofe des Königs. Bundesgarnisonen unter vom Bund
ernannten Befehlshabern besetzten die festen Plätze und beschützten
die Sicherheit des Gesammtkörpers. Wohl war im
Bunde eine Gliederung nach Ständen beibehalten; Adel,
Prediger, Städte. Aber nimmer hätte in demselben die
abstrakte Geltendmachung eines Standesvorrechtes aufkommen
können. Große Eigenschaften beriefen den Adel zwar in der
Regel an die Spitze der gemeinsamen Angelegenheiten, besonders
im Kriege. Aber mit grossartiger Selbstverläugnug
gingen die Chatillon, Mornay, Rohan u. A. auf
die Idee des Bundes ein und hielten mit unwandelbarer
Treue daran fest. Wohl glichen nicht Alle vom Adel diesen
Koryphäen. Aber sie mussten sich den Verhältnissen anbequemen,
mindestens äusserlich sich den Schein geben innerhalb
der gleichen Anschauungen zu stehen, besonders seitdem
die Bartholomäusnacht gerade von diesem Stand eine unverhältnismässige
Zahl von Opfern gefordert hatte. Von
der einen Seite hielt das gewaltige Bürgerthum, die heldenmüthigen
Vertheidiger von La Rochelle, Sancerre, Castres,
Montauban, Montpellier jede Prätension des Adels darnieder,
von der andern Seite reichte die Strafgewalt des
Sittengerichts selbst bis in die obersten Sphären. Heinrich,
Prinz von Navarra, hatte in La Rochelle grobe
Ausschweifungen sich zu Schulden kommen lassen. Auf's
Tiefste verletzt war dadurch die strenge Ordnung, das sittliche
Gefühl der Heeresgemeinde, an deren Spitze er sich
befand. Sie stand (Oktober 1587) gerüstet zur Schlacht von
Coutras. Wie immer, so sollte auch jetzt ein von dem
ganzen Heere knieend verrichtetes Gebet dem Beginn der
Schlacht vorhergehen. Auch Heinrich wollte seine Hände
zu Gott emporheben. Da traten mit hohem Ernst vor ihn
einer der Feldobersten, der edle Dü Plessis Mornay,
und der Feldprediger Chandieu. Sie hielten ihm öffentlich
seinen Frevel vor und hiessen ihn dann im Angesicht
des ganzen Heeres Busse thun. Und der Prinz von Navarra
kniete nieder und that vor der Fronte des aufgestellten
Heeres Busse! Nun erst durfte er am Gebet theilnehmen
*). Wie konnten vor so gewaltigen heterogenen Substanzen,
wie die, von welchen das Hugenottenthum getragen
wurde, das adelige Standesinteresse, wie eine rein monarchische
Gewalt aufkommen? Es war unmöglich! Selbst
Heinrich lV., der nämliche, welcher als Prinz von Navarra
so bereitwillig den strengen Gesetzen seiner Partei sich unterworfen
hatte, und auch als König nach seinem Uebertritt zum
Katholizismus den alten Genossen mit Wohlwollen zugethan
blieb, selbst er musste beunruhigt werden durch die nicht grundlosen
Gerüchte, die Führer des hugenottischen Bundes gehen
damit um, einen calvinistischen Freistaat, unabhängig von
der französischen Krone und einem katholischen Scepter, unter
dem Schutze eines auswärtigen Fürsten zu errichten **); wie
vielmehr seine Vorgänger und Nachfolger! Und dennoch
machten gerade diese es den Hugenotten unmöglich, aus
ihrer anomalen Stellung zum Ganzen des Staates je herauszutreten.
Die erstern, gepeitscht von dem Bewusstsein
der ungeheuren Blutschuld, welche sie auf sich geladen, beide
durch die Schmälerung ihrer königlichen Omnipotenz verletzt,
fanatisirt von Päpsten und Jesuiten, gelenkt von Maitressen
und einem liederlichen Hof, dem die censorische Strenge der
Hugenotten zu Zeiten eine lächerliche Pedanterie, immer aber
ein lauter Vorwurf, und darum zuletzt ein Gegenstand des
wüthendsten Hasses war, —trugen immer in dem Augenblick,
wo die zahlreichen Friedensverträge abgeschlossen wurden,
den Treubruch schon im Herzen. So entbrannte der Kampf zwischen
den französischen Königen und den Hugenotten immer
auf's Neue, und wurde merkwürdiger Weise entschieden,
nicht sowohl durch die Gewalt der Waffen, als durch die
Konsequenz der Prinzipien, welche sich in ihm vollzogen.
Der Adel, dem man längst von königlicher Seite die hugenottischen
Grundsätze von demokratischer Gleichheit verhasst
zu machen gesucht hatte, fand es zuletzt seinem Interesse angemessener,
im Dienste des Königs wenigstens einen Theil
seiner Standesvorzüge wieder zu erlangen und zu geniessen,
als innerhalb des Bundes mit dem Geringsten der Gemeinde
auf gleiche Stufe gestellt zu sein, Mais les gentilshommes,
sagt Düpleix *), recognaissans aussi que les ministres et le
menu peuple des religionnaires ne tendent qu'à la destruction
de la monarchie et ensuite de toute supériorité et mesme de la
noblesse, pour former des démocraties et états populaires, prennent
leur avantage du temps et des occasions et aiment mieux
maintenir la condition de leur naissance sous l'autorité de leur
roi, que d'attendre d'estre dégradés de tous honneurs et mesme
massacrés par la populace lorsqu'elle se trouverait assez puissante
pour établir des republiques. Eine grosse Zahl der Adeligen
fiel ab, und der Verrath der festen Plätze, der mit dem
Abfall, um des Königs Gunst zu erkaufen, verbunden wurde,
entschied das Schicksal der Partei **). .
ss
Aus allen Zeiten grosser, allgemeiner Bewegungen pflegen Z
aber auch auf die Doktrin mehr oder minder starke Impulse d
auszugehen. Ja Doktrinen, welche selbst bis in jene Kreise n
sich Bahn brechen, wo man, zufrieden im Schweisse seines
Angesichts für das tägliche Brod arbeiten zu dürfen, zum
müßigen Spekuliren weder Zeit noch Lust hat, wo die
unablässige Sorge für des Lebens Nothdurft jeglichen Uebermuth
und geistige Ueppigkeit niederhält, —solche Doktrinen
geben sich in der Geschichte immer zu erkennen, als Erzeugnisse
einer mächtigen und gewiss in der Hauptsache nicht unberechtigten
Erregung, eines schwer empfundenen Nothstandes;
sie weisen zurück auf tief verletzte Gefühle, auf weitverbreitete
gewaltige Uebel, Uebel, welche keinerlei Sophistik hinweg
zu argumentiren, keinerlei Frivolität hinweg zu spotten im
Stande ist. So war es in Frankreich. Die hugenottische
Partei vereinigte von Anfang an in ihrem Schoos neben den
andächtigsten Gemüthern, den sittlich gewaltigsten Charakteren,
auch die Mehrzahl der gelehrtesten, geistvollsten Männer Frankreichs
. Selbs! unter den stürmischsten Zeitverhältnissen blühte
unter ihnen die Wissenschaft, getragen von glänzenden Namen.
Sie waren es, welche die im Umlauf befindlichen Ideen, wenn
nicht erzeugten, doch pflegten, wissenschaftlich entwickelten
und systematisirten. Sie wurden auch die Begründer eines
neuen Staatsrechtes, dessen Entstehung sich an den hugenottischen
Bund knüpfte. Schon 1548 schrieb als neunzehnjähriger
Jüngling Stephan de la Boétie, nachmals ein
ausgezeichnetes Mitglied des Parlaments von Bordeaux, ein
Buch unter dem Titel: le Contr'un , ou de la servitude volontaire,
worin der Verfasser die Ohnmacht der Könige im Vergleich
mit der vereinten Kraft der Völker andeutet und mit
dem Gedanken schliesst, dass dem gütigen Gott nichts mehr
entgegen sei, als die Tyrannei, und dass derselbe für die
Tyrannen und ihre Helfershelfer in der Hölle gewiss eine
besondere Strafe in Bereitschaft halte *). Aber erst nach der
Bartholomäusnacht, als unter Anderen der berühmte Jurist
Cujacius und der bekannte Stilist Muret, die Blutthat
des Hofes zu vertheidigen sich erkühnten, erst da erhob sich
mit dem Volk auch der hugenottische Gelehrtenstand, und
richtete gegen das entartete Königthum die stärksten Angriffe
mit den Waffen des Geistes. Erst jetzt erschien die genannte
Schrift von La Boétie öffentlich im Druck; der berühmte
Franz Hottoman aber verfasste ein Buch unter dem Titel:
Franco jallia , worin er den französischen Reichsständen das
Recht wie der Wahl, so der Absetzung der Könige historisch
vindicirt **), und Hubert Languet unter dem Namen
Junius Brutus seine Vindiciae contra tyrannos ***), letztere das
schärfste, gelehrteste und am berühmtesten gewordene Werk
aus dieser ganzen Klasse, erst nach dem Tode des Verfassers
von Mornay herausgegeben, in mehreren Auflagen und
einer französischen Uebersezung verbreitet und selbst von vielen
Hugenotten wegen seiner kühnen Theorieen desavouirt *).
Diese reichhaltige Litteratur **) trug, wie die Zeiten und
Verhältnisse, aus welchen sie hervorgegangen war, einen
eigenthümlichen religiös-politischen Charakter. So wie der
Hugenottenbund in Frankreich dastand unter stetem Kampf
mit den katholischen Königen und der Mehrzahl der Nation,
ohne sichtbares Oberhaupt, einzig zusammengehalten durch
die Kraft der religiösen Ideen und den Gegensatz zu dem
Feind, der mit ihm im gleichen Lande wohnte, geführt von
gezogen Männern, welche weise im Rath und tapfer im Krieg,
aus seiner Mitte aufstanden, erhoben durch das Wort begeisterter,
in hohem Ansehen stehender Prediger, mit unverrücktem
Festhalten an den Normen der heiligen Schrift als
oberstem Gesetz — glich in vielen Zügen der israelitischen
Theokratie, vornehmlich zur Zeit der Richter oder der Makkabäer.
Hier wie dort Kampf einer religiös-militärischen
Heldenzeit um Glaubens- und politische Freiheit gegen ein
tyrannisches, glaubensfeindliches Königthum unter dem Panier
des unsichtbaren Herrn der Heerschaaren. In wie
Vielem näherten sich nicht die Coligny, Dandelot,
Mornay, Lanoue, Bouillon und Rohan jenen alttestamentlichen
Heeresfürsten Gideon, Barak, Jephta
und den Makkabäern, sowohl im Charakter, als in den
Diensten, zu welchen sie für die Gesammtheit ihres bedrängten
Volkes von einer höhern Macht berufen wurden und in
dem ganzen Verhältniss jener zu der freien, nur theokratisch gebundenen
Stammverfassung der Jsraeliten! Wir dürfen uns
daher nicht wundern, die in der Bibel wohl bewanderten
Hugenotten mit Vorliebe gerade in diese alttestamentlichen
Anschauungen eingehen zu sehen, wie sie uns die historischen
Bücher von Josua bis auf die Makkabäer eröffnen. Hier
fanden sie ihre eigenen Zustände und Verhältnisse wieder,
hier Rath, Auskunft, Trost, Hoffnung für ihre eigene Lage.
Hier redete der Herr zu ihnen durch die Stimme seiner Propheten.
Was der Herr Von Midian und Amalek, von den
Söhnen Edoms und Philistäa's gesagt hatte, dass er sie in
die Hände gehen werde derer, die den Bund mit ihm getreulich
halten und nicht verfallen in die Gräuel der Heiden,
das trugen sie über auf die katholischen Franzosen, die
Könige von Frankreich und deren katholische Alliirten. Hier
Schwert des Herrn und Gideon! wurde das stehende Feldgeschrei.
Als das Heer der Kinder Gottes im Kampf mit
den Knechten des Antichrist, mit den Königen, die da buhlen
mit der Hure Babel, sahen sie sich an. Auf die seltsamste
Weise, aber dem Nationalcharakter entsprechend, mischte sich
auch bei ihnen die religiöse Phantasie mit der kriegerischen.
In den Predigten jener Zeit war nichts beliebter, als der
Gebrauch solcher bildlichen Redensarten, welche irgendwie
an das Militärische erinnerten, und diese Bilder gewannen
dann unter den Zuhörern eine sehr ausgeführte Gestalt. Die
Kinder Gottes dachte sich der Hugenotte unwillkührlich in
Fähnlein und Rotten abgetheilt, mit breiten Pallaschen,
blinkenden Speeren, langen Karabinern und rasselnden Geschützen,
den gewaltigen Feldhauptmann an der Spitze; die
Psalmen Marots waren Kriegslieder geworden, das Kriegslied
ein Psalm! Wie mancher Feldhauptmann wohl eine
stattliche Predigt hielt, so legte der Feldprediger zu Zeiten
statt des Amtskleides den eisernen Harnisch an und führte
eine Abtheilung in das Gefecht!
In ganz ähnlichem Charakter nun stellt sich uns das
hugenottische Staatsrecht dar: ein Gemisch halb aus der
biblischen, halb aus der profanen Literatur und Geschichte
geschöpfter Gedanken; für die erste Quelle die oben angezeigten
Bücher des A. T's, für die andere das klassische
Alterthum und die ältere Geschichte der germanischen Reiche
im Mittelalter, besonders des alten Frankenreichs und Arragoniens;
Träger der einen mehr der Bürgerstand und das
ganze bibellesende Volk, die andern in den allgemeinen
Innere eingeführt und mit den vorigen verschmolzen
durch die vielen gelehrten Prediger, Juristen, Philologen
und den Gelehrtenstand überhaupt, in welchem damals geistliche
und weltliche Bildung auf seltene Weise sich vereinigten.
Wir versuchen hier statt aller Andern die Gedanken
Languets in eine übersichtliche Summe zusammenzudrängen
*).
Ist ein Volk zum Gehorsam gegen solche
Gebote seines Fürsten verpflichtet, welche dem
Gesetze Gottes widerstreiten? S. 15ff. Die Frage
könnte, meint Languet, nach dem bekannten apostolischen
Ausspruch überflüssig erscheinen, ist es aber nicht. Denn
es gibt Könige, welche sich eine solche ungemessene Gewalt
wirklich zuschreiben und Menschen, welche aus Schmeichelei
oder Furcht sich auf ihre Seite stellen. Selbst das Gewisseste
sucht man in dieser Zeit zweifelhaft zu machen. Alles
Elend kommt daher, dass es geht wie der Prophet Hoseas
5, 10 sagt: "Die Fürsten Juda sind gleich denen,
die die Grenze verrücken; darum will ich meinen
Zorn über sie ausschütten, wie Wasser." Vielmehr
ist fest zu halten, dass Gott allein im Besitz der höchsten
Gewalt ist; die Gewalt der Könige ist nur eine abgeleitete.
Man muss den Königen Gehorsam leisten um Gottes Willen,
nicht aber wider Gott, Auch hat Gott nicht, wie man wohl
sagen hört, den Königen die Erde ein für alle Mal abgetreten
und nur den Himmel für sich behalten. Denn bei
Jesaia 48, 11 heisst es: "ich will meine Ehre
keinem andern lassen." Der König ist, was er ist
als ein Vasall Gottes. Uebertritt er die Gebote seines
Oberherrn, so verfällt er in Felonie und wird seiner Herrschaft
von Rechtswegen, oft auch in der That verlustig.
Das Nämliche ergibt sich, wenn wir das Verhältniss zwischen
Gott und den Königen als einen Bund betrachten, wie bei
den Königen der Juden. Saul, als er dem Verbot Gottes
zuwider opferte, Salomo, als er zu den Götzen abfiel,
wurden beide bestraft. Zu Letzterem sprach Gott: 1. Kön.
11, 11: "weil solches bei dir geschehn ist und
hast meinen Bund und meine Gebote nicht gehalten,
die ich dir geboten habe: so will ich
auch das Königreich von dir reißen und deinem
Knechte geben. Das Gleiche gilt heutzutage von
den christlichen Königen in Betreff des Evangeliums; es ist
der gleiche Bund, die gleichen Vertragsbedingungen, die
gleichen Strafen, der gleiche, jegliche Treulosigkeit und Gesetzesübertretung
rächende Gott. Ja sogar die heidnischen
Könige stehen in einem ähnlichen Verhältniss. Gott hat sie
in ihre Herrschaft eingesetzt und die Schrift nennt z. B. einen
Cyrus den Gesalbten des Herrn. Daher sind alle
Könige, welche wie Pharao, Nebukadnezar, Antiochus,
Nero sich nicht mit dem ihnen gebührenden Tribut begnügen
wollten, sondern auf den Tribut Anspruch erhoben, welcher
Gott allein gebührt, jämmerlich umgekommen; wie das
Riesengeschlecht welches den Himmel stürmen wollte sind sie
zerschmettert worden.
Die zweite Frage Languets bezieht sich auf den
Widerstand gegen einen Fürsten, welcher das
Gesetz ' Gottes niedertritt oder die Kirche
untergräbt. Ist ein solcher Widerstand an
sich erlaubt? S. 46ff. Ja! wenn anders was den Israeliten
erlaubt, ja geboten war, auch den christlichen Völkern
gilt. Schon unter Moses schloß Jsrael einen Bund mit
Gott zu Aufrechthaltung seines Gesetzes; und wusste unter
Josua und den Richtern diesen Bund gegen Uebertreter gewaltig
zu handhaben. Bei'm Beginn der Könige in Jsrael
wurde dieser Bund erneuert, und zwar nicht blos zwischen
Gott und den Königen, sondern auch zwischen Gott und
dem Volk. Der Bund zwischen Gott und dem Könige verpflichtete
diesen, das Volk zum Gehorsam gegen Gott anzuhalten
und für sich keinen Gehorsam zu verlangen, der dem
Gehorsam gegen Gott widerspräche. Der besondere Bund
Gottes mit dem Volk aber war daneben keineswegs ohne
Bedeutung. Vielmehr sollte hienach das Volk ebenso über
den König wachen, wie der König über das Volk. Beide
bürgten wechselseitig für den Bund; sie hafteten einer für
den andern, so dass Gott sich sowohl an den Einen, als
an den Andern halten konnte, vorzugsweise aber an das
Volk, weil dies vermöge seiner Anzahl am Meisten geeignet
war für die Aufrechthaltung des Bundes einzustehn. 2. Chron.
15, 12 heisst es von dem König Assa und dem Volke Juda:
"und sie traten in den Bund, daß sie sucheten
den Herrn, ihrer Väter Gott... und wer nicht
würde den Herrn, den Gott Jsraels suchen,
sollte sterben, beide klein und gross, beide Mann
und Weib. Hier wird der Grossen ausdrücklich Erwähnung
gethan; es ist sonach selbst der König von der Strafe
des Bundesbruches nicht ausgenommen. Wer soll ihn aber
strafen? Gewiss nur das Volk. Indem Gott das Volk so
feierlich in den Bundesvertrag aufnimmt, erklärt er es auch
für befähigt und berechtigt zu Handhabung desselben die
dienlichen Mittel in Anwendung zu bringen. Hätte Gott
das Volk als ein Volk von Sklaven betrachtet, so würde
gegen Gott der Einwand erhoben werden können, welchen
nach dem römischen Recht derjenige sich gefallen lassen muss,
welcher mit Sklaven, Minderjährigen oder andern nicht
rechtsfähigen Subjekten einen Vertrag abschliesst. Dies aber
ist bei Gott undenkbar. Vielmehr so oft ein König bundesbrüchig
wird, fordern die Propheten im Namen Gottes das
Volk auf seine Schuldigkeit zu thun, und jedes Mal, wenn
das Volk hierin sich säumig zeigt, wird es von Gott mit
der gleichen Strafe, wie der König, heimgesucht. Auf
welche Weise aber soll der Widerstand in's
Leben treten? Je nachdem die Waffen sind deren der
König selbst sich bedient, entweder mit Worten oder offener
Gewalt. Die Organe des Widerstandes aber sind nicht die
ungeordnete, vielköpfige Volksmasse, welche nur schädlichen
Tumult zu erregen vermag, sondern die Reichsstände und
Reichsbeamten, von den Prinzen von Geblüte abwärts bis
zu den Maires der Städte und Dörfer. Wie die 70 Stammesältesten
und die Familienhauptes in Jsrael, so bilden
diese eine Repräsentation des Volks um der bessern Ordnung
Willen. Diese Volksrepräsentation sieht, obschon jedes
einzelne ihrer Mitglieder als einzelnes weniger ist als der
König, doch als Gesamtheit ebenso über dem König, wie
ein Concil über dem Papst, ein Kapitel über dem Bischof,
eine Universität über dem Rektor, ein Gerichtshof über
seinem Präsidenten, und wie Jsrael als es Saul aus freiem
Antrieb zum König einsezte über diesem von ihm eingesetzten
König stand. Selbst zu einer Verschwörung dürfen die Volksrepräsentanten
zusammentreten. Denn eine Verschwörung wird
etwas Löbliches oder Verwerfliches erst durch ihren Endzweck
und die Gesinnungen der Theilnehmer, wie das Beispiel
der Verschwörung gegen den König Athalja 2. Chron. 23 zeigt.
Wenn nun aber nicht bloss der König, sondern auch der
grösste Theil des Volks und seiner Repräsentanten von Gott
abgefallen ist, darf dann die Minorität noch Widerstand
leisten? Ja! denn nicht bloss die Gesammtheit hat Gott
den Eid der Treue geschworen, sondern auch jeder einzelne
Theil des Ganzen. Die Felonie der Mehrzahl entbindet den
Rest nicht seines Eides gegen den Lohnherrn. Sendet daher
ein König seine Statthalter aus, um den Götzendienst einzuführen,
so haben die Städte ihm ihre Thore zu verschließen.
Denn der Eid gegen Gott ist älter und höher als der Eid
dem König geleistet. Aber die Städte sind doch des Königs?
Ja! wenn sie bloss aus Mauern beständen und nicht aus
Menschen, Gott durch Eide verbunden. Gott allein ist Herr
des Landes; von ihm besitzt der König seine Domainen, das
Volk sein väterliches Erbtheil. Wird aber nicht dadurch,
das der Unterthan seinem König in Sachen der Religion
sich ungehorsam erzeigen darf, der Rebellion Thür und Thor
geöffnet? Nein! denn es ist ein grosser Unterschied zwischen
Rebellion und gerechter Nothwehr, wie das Verhältnis Davids
zu Saul, der Makkabäer zu den syrischen Königen, der
Sorbonne in den Zeiten Philipp's des Schönen zu Papst
Bonifazius VIII. und viele andere Beispiele zeigen. Sind
Privatpersonen als solche verpflichtet die Waffen zum Widerstand
zu erheben? Nein! bloss die Obrigkeiten der Städte
und Provinzen, deren Händen das Schwert anvertraut worden
ist. Bediente sich denn aber Jesus des Schwertes oder
zog er nicht vielmehr sanftmüthig in Jerusalem ein? Jesus
war Privatperson und hatte sonach nicht das Schwere der
Obrigkeit zu führen. Dieses aber ist der letzteren auch durch
das Evangelium nicht entzogen worden und sie kann es
nicht besser gebrauchen, als zum Schutz der Religion, wenn
schon nicht zu ihrer Ausbreitung.
Wir sehen aus dem Bisherigen, wie Languets Argumentation
genau alle die Fragen zu beantworten sucht, welche
die damalige kirchlich-religiöse Stellung der Hugenotten in's
Leben gerufen hatte. Von der rein politischen Seite wurde
hier das Verhältnis von Obrigkeit und Unterthanen noch
nicht betrachtet. Gleichwohl ruhte schon hier die Erörterung
auf Grundsätzen von so allgemeiner Beschaffenheit, dass eine
ähnliche Theorie über die rein politische Wechselbeziehung
zwischen Fürst und Volk fast nothwendig mit eingeschlossen
war. Wie in dem Gang der Begebenheiten selbst das Politische
und Kirchliche sich durchkreuzten: so konnte man auch
in der Theorie nicht von dem Grundsatz des Widerstandes
in der einen, zu dem der blinden Unterwerfung in der
andern Beziehung mechanisch überspringen. Die Grundanschauungen
bildeten sich organisch von einem Gebiet zum
andern fort; jeder Widerstand, den man ihrer Consequenz
hätte entgegenstemmen wollen, wäre vergeblich geblieben,
und es verband sich daher mit Languets zweiter Frage
eine dritte, welche in ihrer Beantwortung von der Antwort
auf die zweite sich unmöglich sehr stark unterscheiden konnte.
Die dritte Frage handelt von der Erlaubtheit
des Widerstandes gegen einen Fürsten, welcher
das gemeine Wesen unterdrückt oder zu Grunde
richtet; wie weit sich derselbe erstrecke? wem
er zustehe? in welcher Form und kraft welchen
Rechtes er geübt werde? S. 94ff. Die Antwort
fällt im Wesentlichen ganz so aus, wie bei der zweiten Frage.
Nur das Recht zu solchem Widerstand wird hier zum Theil
auf eigenthümliche Grundsätze gebaut. Das Volk nämlich
macht nach Languets Behauptung den König. Zwar ist
es Gott, welcher die Person des Königs auswählt und ihm
ein Reich verleiht, wie Gott durch den Propheten Samuel
den Saul und den David aus ganz Jsrael auserkor, um
König zu seyn; aber das Volk setzt ihn ein und überliefert
das Scepter seinen Händen, wie ebenfalls die Geschichte
dieser und anderer jüdischen Könige, sowie die Geschichte
der Wahlreiche des Mittelalters und selbst die häufig durch
Intercession der Reichsstände unterbrochene direkte Erbfolge
der Erbmonarchieen anzeigt. Dies geschieht, auf daß der
König demüthig bleibe und eingedenk, dass er nächst Gott
seine Herrschaft dem Volke zu danken habe, daß er von dem
gleichen Stoff und Thon sey, wie dieses, dass seine Unterthanen
nicht seine Sklaven, sondern seine Brüder seyen.
Hieraus folgt aber auch, dass das Volk in seiner Gesamtheit
über dem König stehe. Denn wer von einem Andern
eingesetzt worden ist, ist natürlich weniger, als der von
welchem die Einsetzung ausgegangen ist. Der König ist nur
"aministrateur de l'état public." S, 105. Das Volk ist
Herr des Schiffes, der König nur Pilot; ersteres gehorcht
ihm, so lange er Sorge trägt für das gemeine Beste. Es
gibt viele Völker ohne Könige, keinen König aber ohne
Volk. En établissant et recevant le prince, sagt Languet
in einer merkwürdigen Stelle S. 241. alliance expresse, ou
non exprimée de paroles, naturelle, et mesme civile, se traite
entre luy et le peuple: à savoir qu'on luy obéira s'il commande
bien, que tous le serviront, si luy mesme sert à la république,
que tous se laisseront gouverner par luy, s'il se laisse gouverner
par les lois. Die Verbindlichkeiten, welche dieser Vertrag
auferlegt, sind durchaus wechselseitig und können auf keinerlei
Weise aufgehoben oder geschmälert werden, ohne dass der
Bruch auf der einen Seite die Verpflichtung auch auf der
andern löst. Bricht der König den Vertrag, so ist er ein
Tyrann; bricht ihn das Volk, so verfällt es dadurch in eben
so verwerfliche Rebellion. Der König ist in den wichtigsten
Regierungshandlungen, z. B. der Gesetzgebung, an die
Einwilligung der Reichsstände gebunden, wie die biblische
und Profangeschichte zeigt, und diese Beschränkung ist für
das Königthum selbst wohlthätig. Das Recht des Volkes
ist selbst dann gültig und keiner Verjährung unterworfen,
wenn die schützenden Repräsentativformen vielleicht in Abgang
gekommen sind. Der König ist la loi parlante und für
seine Person selbst dem Gesetz unterworfen. Dass der König
an das Gesetz gebunden ist, zeigt das mosaische Königsgesetz
und die spätern Krönungsgebräuche sowohl bei den Jsraeliten,
als andern Völkern. Der König ist daher auch weder Herr
über Leben und Tod der Unterthanen, noch Eigenthümer des
Landes. Die Rede Samuels, in welcher er die Jsraeliten
vor dem Königthum warnt, beschreibt die Könige, wie sie
leider meist sind; das Königsgesetz im Deuteronomium zeigt,
wie sie sein sollen.
Betrachten wir die so eben entwickelte Gedankenreihe
so ist klar, dass in ihr bereits die ganze Richtung enthalten
und der Begriffsvorrath niedergelegt ist, durch welche sich
die neuere Staatsrechtsphilosophie von der mittelalterlichen
wesentlich unterscheidet, an deren Durchbildung in der Theorie,
wie in dem wirklichen Staatspragmatismus die letzten Jahrhunderte
bald rascher, bald langsamer gearbeitet haben, und
um welche in unserer Zeit sich noch die wichtigsten politischen
Interessen drehen. Das politische Dogma des Mittelalters
sah alle Rechte nur als historisch verliehene Befugnisse an,
und fasste den Staat immer nur in seiner empirischen Gestalt
und Beschaffenheit auf; die neue Richtung erhob sich über
den empirischen Vorstellungskreis, versetzte den Staat in eine
sittlich-ideale Sphäre und legte sich damit von selbst die Nothwendigkeit
auf, die Rechte aller Glieder des gesammten Gesellschaftskörpers
aus einer sittlich-vernünftigen Nothwendigkeit
als angeborne, unveräusserliche und unverjährbare zu
konstruiren. Das alte Dogma erblickte die Quelle aller
Rechte in der Spitze der Lehnspyramide, dem König. Toute
justice émane du roi; le roi ne relève que de Dieu et de son épée
waren die Wahlspruche der französischen Könige seit Ausgang
des Mittelalters. Auch hierin sprach sich auf's Stärkste jene
empirische Ansicht aus; denn neben der Eroberung durch
das Schwert und der wirklichen oder fiktiven Abstammung
von dem ersten Heerkönig der Eroberer war selbst durch
das de Dieu nur die kirchliche Salbung, ein historisches
Faktum, bezeichnet. Ihr setzte nun seitdem die historische
Autorität aus der sittlichen Umgrenzung, in welcher sie
gewiss höchst wohlthätig werden konnte und vielfältig geworden
war, zur abstrakten Absolutheit übergegangen und dadurch
in despotische Willkühr, in Unsittlichkeit und Jrreligiosität
verfallen war, —ihr setzte die dadurch gewebte
neue Ansicht ein ideales Recht der Natur, die sittliche Selbstzwecklichkeit
aller einzelnen Glieder des Gesellschaftskörpers,
die Vereinigung der individuellen Willen als sittlicher Substanzen
als Quelle der Rechte, die Gesetze, die concrete Ethik
des Staats, als Wächter und Beschützer der letztern, die
Obrigkeiten und Könige als von Allen bestellte verantwortliche
Erekutoren derselben, mit einem Wort: den Vertrag
zwischen Fürst und Volk, die durch das Gesetz beschränkte
Herrschergewalt, die Autonomie des Staates ruhend im
Komplex der Individuen, die Volkssouveränetät entgegen.
Man wird ohne Zweifel die materielle Nichtigkeit obigen
Systems auch ferner von vielen Seiten in Frage stellen;
historisch richtig aber ist seine Genesis unbezweifelt so wie sie dargestellt
wurde, historisch richtig auch als ein spezifisches Erzeugnis
des Calvinismus. Wir sagen mit Absicht des Calvinismus
überhaupt und nicht des französischen allein. In
letzterem legte sie sich freilich verhältnismässig am frühesten
und dramatisch gewaltigsten auseinander; aber wo wir das
calvinistische Prinzip in seiner Vollständigkeit an einem harten
Widerstand sich vollziehen sehen, da gesellen sich dazu die
gleichen politischen Bildungen. Nur im Vorübergehen können
wir an die Niederlande erinnern, an ihre grossen Kämpfe
wider Spaniens politischen und Gewissensdruck, an ihre freie
bürgerliche Konstituirung, welche selbst auf die spätern Perioden
des Hugenottenbundes so mächtig zurückwirkte! nur im Vorübergehen
an Schottland und den harten Conflikt seiner
Parlamente mit den aus Frankreich herüber gebrachten Regierungstraditionen
der beiden Marieen, an seinem furchtlosen
Reformator John Knox und die strengen Reden, in
welchen er den ärgerlichen Wandel der buhlerischen Königin
öffentlich züchtigte, an die kühnen Sätze, in welchen er die
Pflicht des Widerstandes der Nation gegen ihre Pläne ihr
frei und frank vor Augen legte *); an seine zu der Welt
redenden Publizisten Christoph Goodmann **) und
Georg Buchanan.
Länger müssen wir verweilen bei England. Seit 1485,
wo nach Beendigung der 64jährigen blutigen Bürgerkriege zwischen
der rothen und weisen Rose, das Reich unter Heinrich
VIl. wieder zur Ruhe kam, tritt bis gegen die Mitte
des 17. Jahrhunderts auch hier ein Streben nach Stärkung
und Verselbstständigung der Krongewalt hervor. Es fand in
den eingebornen Herrschern aus dem Hause Tudor geisteskräftige,
willensstarke, in einer ruhmvollen nationalen Sphäre
sich bewegende Träger; ein Widerstand konnte schon darum nicht
leicht aufkommen. Um so starter regte sich aber derselbe
unter ihren Nachfolgern, den mit geringer Ausnahme launenhaften,
charakterlosen, dazu fremdgebornen und von fremden,
französischen Hofbegriffen beherrschten Stuarts. Mit der
Erregung, in welche die Nation durch Verletzung der alten
Parlamentsfreiheiten versetzt war, verband sich jetzt das Hervorbrechen
längst vorhandener religiöser Gährungsstoffe. Zum
Verständniss der letztern Erscheinung haben wir an Folgendes zu
erinnern ***). Es gab in England eine doppelte Reformation,
die des Fürsten und die des Volkes, beide wohl zu unterscheiden
nach Prinzip und Charakter. Die Reformation des
Fürsten ging aus weltlichen Interessen hervor, war despotisch
und dabei doch schwankend, indem Heinrich VIII.
zwar einerseits ein Interesse hatte, die Oberherrlichkeit des
Papstes über die englische Kirche aufzuheben, andrerseits aber
doch gegen das Dogmensystem und die Institutionen der
katholischen Kirche nicht aufzutreten. Daher das Bestreben,
vom Katholicismus Alles festzuhalten, was nur irgend bei
der Lossagung vom römischen Stuhl beibehalten werden
konnte. Die von unten, vom Volk ausgehende Reformation
wurde dagegen unter Nachwirkung Wikleffitischer und dem
neuen Eindringen Lutherischer Grundsätze aus freiem Willen,
Mit Verachtung irdischer Rücksichten unternommen und mit
Glaubenseifer konsequent verfolgt. Mit tyrannischer Strenge
stellte sich daher Heinrich ihr entgegen, und das Parlament
fügte sich sklavisch in seinen despotischen Willen. Es
erklärte (1535) den König und seine Erben für die höchsten
irdischen Oberhäupter der englischen Kirche und sprach ihm
alle Machtattribute zu, welche die römische Curie nur irgend
besessen hatte. Das Ideal der despotischen Reformation
Heinrichs VIII., die vollkommene Vereinigung der absoluten
Macht im Geistlichen und Weltlichen, war hiemit erreicht
und trat in. ganz entsprechenden Akten der Tyrannei
in's Leben. Unter Eduard Vl. wurde die Reformation
von oben herab fortgesetzt, jedoch so, dass sie sich im Dogmatischen
entschieden der Volksreformation zuwendete, nur
im Rituellen und der Verfassung an den, übrigens gemilderten,
Prinzipien Heinrichs festhielt. Unter der blutigen
Maria wurden die beiden Reformationen durch gemeinsame
Leiden geeinigt. Der Muth und Eifer der protestantisch Gesinnten
wuchs und wurde elastischer durch den Druck. Diejenigen,
welche bisher bei der langsamen Reformation von
oben aus Ueberzeugung oder Nachgiebigkeit mitgewirkt hatten,
fühlten die Einheit ihres Interesses mit dem der durchgreifenden
Reformatoren aus dem Volk. Ebenso vereinigten sich die
beiden Reformationen bei der Thronbesteigung Elisabeths,
dieses Mal durch die gemeinsame Freude, wie vorher durch
gemeinsame Leiden. Aber nur momentan war diese Vereinigung;
denn sogleich trat die alte Differenz hervor zwischen
der Richtung auf möglichste Beibehaltung des Alten und dem
Bestreben entschiedener Durchführung der Reformationsprinzipien.
Hiezu kam, das unterdessen in der populären Richtung
letzteres Bestreben eine noch schärfere Ausprägung gewonnen
hatte, als bisher. Während mittlerweile in Schottland
die streng calvinistische Reformation durch Knox eingeführt
wurde, brachten die unter Maria geflüchteten, jetzt
zurückkehrenden englischen Protestanten aus Oberdeutschland
und der Schweiz, besonders aus Genf selbst, gleiche
Grundsätze nach England und diese gewannen über die
bisherige mehr Lutherische Richtung der Volksreformation das
Uebergewicht. Die Meisten der Zurückgekehrten waren für
den calvinischen Gottesdienst, weil er einfacher und von den
katholischen Gebräuchen weit mehr gereinigt sei: man nannte
sie desshalb Puritaner. Gegenüber von dieser Richtung
nahm Elisabeth die Reformation von oben im Geiste ihres
Vaters wieder auf. Indem sich diese zurückhaltende und vom
Alten namentlich den Glanz des Kultus und eine mächtige
Hierarchie entlehnende Reformation unter der höchsten Leitung
der Königin immer mehr konsolidirte und allgemeine Anerkennung
mit aller Strenge heischte, wurde die von unten
ausgehende, jetzt puritanische Reformation genöthigt, sich
auf eigenen Boden selbstständig der Staatskirche gegenüber
zu stellen. Die Puritaner beschlossen (1566), sich von der
bischöflichen Kirche zu trennen, und als sie auf gesetzlichem
Wege, im Parlament, durch Bittschriften an die Konvokation,
an die Königin, nichts ausrichteten, vielmehr von
Elisabeth als politische Rebellen behandelt wurden, fassten
sie den weitern Beschluss (1586) ohne die Obrigkeit bei Verbesserung
der Kirchenverfassung zu handeln.
So geschah es, dass die beiden Reformationen, die des
Volkes und die des Fürsten, in feindlicher Stellung sich unter
Elisabeth einander gegenüber befestigten. Elisabeth
hegte bei aller Treue gegen den protestantischen Glauben doch
einen generellen Widerwillen gegen den rigiden Calvinismus.
Wir legen kein zu hohes Gewicht auf den Umstand,
dass Knox, wiewohl ohne Absicht, durch seine bekannten
Angriffe auf das Weiberregiment, auch ihr Selbstgefühl verletzt
und Calvin persönlich in diese Ungunst mit hineingezogen
hatte. Jener Widerwille ruhte tiefer, nämlich auf
durchaus entgegengesetzten Anschauungen des ganzen Kirchenthums
und auf dem politischen Argwohn, welcher in der
Tochter Heinrichs VIII. , der willensstarken Selbstherrscherin,
gegen die republikanischen Ideen und Formen, welche
in Frankreich, Niederland und Schottland im
Gefolge des Calvinismus aufgetaucht waren, früh erwacht
war und sich immer mehr konsolidirte. Wenn daher in Folge
dessen die Puritaner durch alle Stufen und Auskünfte hindurch
ein schwerer Druck verfolgte, welcher die Menschen
überhaupt hartnäckig und heftig macht, so darf es uns nicht
wundern, die politische Reflexion des Calvinismus in England
die gleiche schroffe Richtung nehmen zu sehen, wie
anderwärts unter gleichen Umständen, zumal nun dieser
Innere schon ausgebildet vorlag. Die Art der Verbindung
zwischen Staat und Kirche, wie sie sich in England
vollzogen hatte, wonach der König für die Gewalt der Bischöfe
und den glanzvollen Kultus einstand und die kirchliche
Conformität zu einer bürgerlichen Pflicht machte, während
die Episkopal- und Staatskirche den königlichen Kirchensupremat
zu einem Religionsartikel erhob und die Pflicht eines
leidenden Gehorsams den Unterthanen unbedingt einschärfte
war für den Calvinismus ein unfassbarer, unerträglicher
Gedanke. Die populäre Reformation wurde unabweisbar
dahin gedrängt, mit der bischöflichen Kirche zugleich die
Staatsgewalt zu bekämpfen. Da die kirchlichen Nonconformisten
vom Staat als Rebellen behandelt wurden, so musste die
Reformation entweder zurückgehen, oder musste sie Hand an die
Regierung legen. Der religiöse Glaube hatte zu seiner Vertheidigung
politische Rechte nöthig. Man fing an zu fragen,
warum man derselbe entbehre. Das Prinzip der Prüfung
und des Widerstandes in politischen Dingen begann sich zu
verallgemeinern, besonders im Bürgerstande; ja es wurde in
der thörichtsten Weise provozirt durch Reden, wie sie Jakob l.
1609 im Parlament führte. "Könige," äusserte der eben so
schreiblustige, als redselige Stuart, "sind in Wahrheit Götter,
dieweil sie auf Erden eine Art göttlicher Macht üben; denn
alle Eigenschaften des Höchsten stimmen mit dem Wesen der
königlichen Macht überein. Gott hat Gewalt zu schaffen und
zu zerstören, Leben und Tod zu geben, Alle zu richten, selber
von Niemand gerichtet; er hebt das Niedrige, und erniedrigt,
was hoch ist; ihm gehorchen Seele und Leib. Dieselbe Macht
besitzen nun die Könige; sie schaffen und vernichten ihre Unterthanen,
erhöhen und erniedrigen, gebieten über Leben und
Tod, richten in allen Sachen, selber Niemand verantwortlich
denn allein Gott, sie können mit ihren Unterthanen
handeln als mit Schachpuppen, aus Bauern Bischöfe oder
Ritter machen, das Volk wie eine Münze erhöhen oder herabsetzen;
ihnen gebührt die Zuneigung der Seele und der Dienst
des Leibes. Gleich wie Gott lästert, wer mit ihm, was auch
begegnen möge, hadert, also begehen Unterthanen Aufruhr,
wenn sie das Gebot der königlichen Machtvollkommenheit erstreiten
*)." Gewissenssache wurde der Widerstand, seitdem
Jakob I. sein crudes no bishop, no king! durch entsprechende
Regierungsmassregeln in Schottland commentirte, die Epikopalkirche
und die Stuarts eine immer unverholenere Richtung
auf den Katholizismus nahmen. Schon 1621 in einem
Parlament unter diesem Jakob traten die religiösen Sekten
als politische Partheien auf, die Puritaner als Vertheidiger
der konstitutionellen Freiheiten. Aber erst unter Karl I.
brach der langverhaltene Ingrimm los, wozu die steigenden
Anmahnungen der bischöflichen Geistlichkeit, sowohl als der
Krone den Anstoss gaben. Die gegründete Besorgnis der
Wiedereinführung des Papismus, der Unwille über eigenmächtige
Massregeln des Königs, besonders in Finanzsachen,
die Klagen über Beförderung der Prediger des Despotismus
zu hohen Würden, endlich; die Erbitterung über den Druck
und die Verfolgung, welche die Puritaner von Wilhelm
Laud, dem Erzbischof von Canterbury zu erdulden hatten,
—Alles trug dazu bei, dem Widerstand gegen König und
Regierung einen elastischen Schwung zu geben. Im Unterhaus
wurde im Jahr 1628 eine Klage gegen den Geistlichen
Manwaring eingebracht, welcher gepredigt hatte, dass der
König nicht verpflichtet sei, die Reichsgesetze in Ansehung
der Rechte und Freiheiten der Unterthanen zu beobachten,
dass sein Wille bei Auflegung von Taten, auch ohne Beistimmung
des Parlaments, die Unterthanen bei Strafe der
ewigen Verdammniss verpflichte **). Zwölf Jahre später erfolgte
in der Konstituirung des langen Parlaments die
förmliche Auflehnung des Puritanismus gegen Karl I. und
die grosse Staatsumwälzung, welche England zu einer puritanischen
Republik machte. Wie in den Bewegungen, Stimmungen
und Partheien, welche diese Umwälzung vorbereiteten
und herbeiführten, das Politische und das Kirchlich-Religiöse in
ungetrennter wesentlicher Einheit standen, so gingen beim
langen Parlament kirchliche Reformen im puritanischen Sinn
mit Beschränkungen der Monarchie Hand in Hand. Wie man
die Hierarchie Anfangs nur beschnitt und sodann an Stamm
und Wurzeln ging; so hieb man der monarchischen Staatsgewalt
Anfangs auch nur die üppigen Zweige ab, bis man
sie endlich ganz entzwurzelte.
So gab die solidarische Einheit der anglikanischen Hierarchie
mit der königlichen Gewalt, des Puritanismus mit
dem Geist bürgerlicher Freiheit der Revolution von 1640-1649
den Charakter einer religiös-politischen Umwälzung, so
jedoch, daß das religiöse, kirchliche Element das bestimmende
und überwiegende war. Wie aber das letztere identisch war
mit jenem Calvinismus, welcher in Frankreich unterdessen
nach langen Kämpfen der von Richelieu und Mazarin
geleiteten absoluten Königsgewalt unterlegen war: so glich
auch die englische Revolution in ihrer religiös-militärischen
Dramatik der kriegerischen Frömmigkeit des hugenottischen
Wehrstandes; der englische Freistaat in seinem biblisch-strengen
äussern Habitus dem theokratisch-sittlichen Pragmatismus
der Organisationen des französischen Calvinismus, das republikanische
Staatsrecht, welches in England Pym, Hampden,
Vane u. a. in Parlamentsreden, Harrington,
Algernon .sidney und Milton in bekannten Schriften
entwickelten sehr nahe den hugenottischen Doktrinen Boetie's
und Languet's, sowohl im innern als äussern Charakter. Im
Unterschied, welcher zwischen ihnen stattfindet, spiegelt sich
bloß der Unterschied des sechszehnten und siebzehnten Jahrhunderts
überhaupt. Das sechszehnte stand unmittelbarer,
frischer innerhalb der reformatorischen Anschauungen und
Motive; die hugenottische Bewegung ist daher im Ganzen
reiner in ihren charakteristischen Trägern, religiös und menschlich
betrachtet grossartiger und schöner in ihren Vorgängen,
ihre Begeisterung freier von Uebertreibung, Schwärmerei und
Sektengeist, ihre politische Schriftstellerei klar, präcis, voll
Entschiedenheit und Schwung, aber von Hass und Leidenschaft
nicht entstellt, ohne gelehrten Prunk und Wortkram.
Das siebenzehnte Jahrhundert dagegen hat auch hier in Leben
und Doktrin die reformatorischen Elemente bereits verknöchert,
zum Objekt gefühls- oder verstandesmässiger Caprice gemacht;
daher die Bewegung in England im Religiösen hin und
wieder viel Hypokritisches, Bizarres, Unklares, Schwärmerisches,
Fanatisches, im Politischen viel Uebertriebenes,
Carrikirtes, Atomistisches, Wildes, Gehässiges an sich trägt
und die schriftstellerische Darstellung, gemäss dem Geiste der
Zeit, bald im Fluss leidenschaftlicher Ergiessungen, bald im
schwerfälligen Gewande pedantischer Schulgelehrsamkeit und
eines schwülstigen Styls sich bewegt. Es lässt sich in den
englischen Vorgängen viel von jenem eigensinnigen, starren
Geist, jener bornirten Verbitterung und Ausschließlichkeit
verspüren, welche dem Leben lange unterdrückter Sekten
eigen zu seyn pflegen und welche uns nicht befremden dürfen,
da in dieser Atmosphäre ein beträchtlicher Theil der Nation
fast ein Jahrhundert hindurch sich bewegt hatte. Aus allem
diesem zusammengenommen erklärt es sich auch, warum die
englische Revolution keine haltbaren Zustände unmittelbar
aus sich zu erzeugen vermochte. Ohngeachtet eines höchst
günstigen äussern Verlaufes starb sie an der innern Selbstverzehrung
überspannter Prinzipien, wie an anderer Abmattung
ihrer Träger in der Masse. Aber wie gewaltig an
innerer Wahrheit und Gesundheit der Kern ihres Ideeninhalts
gewesen, beweist der Umstand, dass die restaurirten
Stuarts bei ihren despotischen Reaktionsversuchen, in der
Hoffnung auf eine schwachmüthige Passivität der Nation
sich verrechnet hatten. Es diente, nachdem sich die brausende
Gährung gelegt hatte, diese Reaktion vielmehr nur zur fördernden
Bedingung eines Abklärungsprozesses, in welchem
der Geist, der bisher nur in dem trüben Chaos schwärmerischer
Excentricität gewogt hatte, zu sich selbst kam und
sich in der gereinigten, durchsichtigen Form jener liberalen
Doktrin des Staatsrechts krystallisirte, zu jenen praktischen
Garantieen der Freiheit gestaltete, von welchen das heutige
Europa England so viel abgelernt hat und noch viel abzulernen
haben wird.
Ihre vollständige Würdigung erlangen aber die politischen
Doctrinen des Calvinismus erst durch ihre Vergleichung
mit verwandten, nur einem andern Boden entsprossenen.
Es sind diess jene Lehren von der Volkssouveränetät.
der vertragsmässig beschränkten Regentenmacht, dem Widerstand
gegen Tyrannei, welche wir um die gleiche Zeit bei den berühmten
Schriftstellern des Jesuitenordens Bellarmin, Mariana,
Rosëus u. a. mit Vorliebe entwickelt finden. Es lässt sich auf
keine Weise leugnen, daß rein abstrakt betrachtet, wenn wir
bloss auf das Gerüste der beiderseitigen Gedankenverknüpfung
schauen, diese und jene sich fast in allen Stüzen decken. Und doch
würde unverdient auf die ersteren die Schmach fallen, welche
mit Recht die letzteren betroffen hat. Denn die gleichen Begriffe
haben doch auf jeder der beiden Seiten etwas ganz
anderes zu bedeuten. Der wahre Grund des so oft von
Neuem wiederholten Vorwurfs der Gefährlichkeit liegt nicht
in jenen Lehren selbst, sondern in ihrem Zusammenhang mit
dem Staatsbegriffe auf welchem sie jesuitischer Seits ruhen.
Der calvinistische Staat ist das zur Verwirklichung der
menschlichen Zwecke überhaupt bestehende Gesammtleben.
Nicht nur in seinem Begriff, sondern auch in seiner Wirklichkeit
sucht er ein positiv Sittliches, eine Ordnung Gottes
darzustellen; nicht bloß das leibliche Wohl, sondern auch
alle höhern Lebenselemente muss er daher seinem Begriff nach
in Pflege nehmen, alle schlechten ausmerzen. Die objektiven
Normen seiner Sittlichkeit findet er in der heiligen Schrift,
zu welcher jeder Staatsgenosse Zugang hat, ohne Vermittlung
eines ausserordentlich autorisirten Priesterstandes. Die
jesuitische Doctrin steht dagegen innerhalb jener mittelalterliche;
päpstlichen Anschauung des Staats, welche wir oben kennen
lernten. So sehr sich einzelne jesuitische Schriftsteller dem
höhern Staatsbegriffe zu nähern scheinen, so bestimmt stehen
Andere, z. B. Mariana, innerhalb des entgegengesetzten, und
so schielend fälle er auf bei jenen aus, so oft nach der
Dignität des Staates neben der der Kirche gefragt wird.
Immer ist der Staat nur quasilegitim, eines eignen sittlichen
Zweckes und Inhaltes baar, sein Begriff an sich nur ein
Abstraktum der schlechtesten empirischen Erscheinung. Sind
nun die Verfassungsgesetze die Mittel, durch welche der
Zweck des Staates erreicht werden soll, so ruht die Beobachtung
und Handhabung derselben im calvinistischen Staate
alle Zeit auf der gleichen sittlichen Voraussetzung, wie der:
Staat überhaupt. An sich, wie alle Formen, nur relativen
Werthes, erhalten sie ihre reale Wirkungskraft erst durch
den sittlichen Gesammtgeist des Gemeinwesens. Er soll, indem
er mittelst ihrer zu einer adäquaten Manifestation seines Inhalts
zu gelangen sucht, sie beleben und durchdringen. Im
jesuitischen Staat dagegen, dem die sittliche Zwecksetzung
entweder ganz fehlt, oder welcher seine Sittlichkeit erst anderswoher
erborgen muss, sind eben darum auch die Verfassungsgesetze
von Haus aus ohne jenes sittliche Substrat. Sie sind
in eben dem Grade, wie wir die obigen objektiv normirt
fanden, dem Spiel subjektiver Zwecksetzung preisgegeben, und
da ihre normale Wirkungskraft nicht in ihnen selbst ruht,
durch den sittlich indifferenten Charakter des Lebenszusammenhanges
in welchem sie stehen, der gefährlichsten Ausartung
blossgestellt. Letztere aber drohte hier, nach dem Zeugniss
der Geschichte, in der Wirklichkeit der monarchischen Verfassung
nicht minder als der demokratischen. Mochte in den
jesuitisch geleiteten Staaten, wie es zu Zeiten gleichsam in
einem Athem oder von heute auf morgen geschah, die
Souveränetät des Volkes oder das göttliche Recht der Könige
proklamirt werden: so war der Grund hievon nie ein inneres,
sittliches Sichbetheiligtfinden an dem Substanziellen und dem
rechtlichen Bestand dieser Formen an sich: sondern was sie galten,
das galten sie nur als beliebige Hebel zu Erreichung ausserhalb
des Staates liegender selbstischer Zwecke, als zwei blinde
Naturkräfte, welche ein Dritter zu seinem Vortheil sich contrebalanciren
lässt. Diess verräth nicht nur das häufige, rasche
Ueberspringen von der einen der beiden Formen zur andern,
sondern noch deutlicher verräth es die Natur eines Instituts,
welches das Leben dualistisch zerspaltet, alles Höhere nur in
sich beschlossen und von seiner Mittheilung abhängig wähnt,
dem Staate nur das Niedere, Profane, höchstens das Geschäft
des Handlangers und Schergen zuweist, also einer
aufrichtigen Achtung vor der Dignität des Staates und
seiner Formen durchaus unfähig ist. Bei solcher, einer jeden
Hierarchie habituellen tiefen Geringschätzung des Staates, kann
sich daher jene nie einen Skrupel darüber machen, wenn sie
nach Bedürfniss bald diese, bald jene seiner Formen zu
ihrem Spielwerk missbraucht. Fragen wir aber in's besondere
nach dem göttlichen Recht der Könige, so findet es im Zusammenhang
der calvinistischen Denkweise offenbar seine letzte
Gewähr nirgend anderswo, als in der göttlichen Berechtigung,
welche dem in seiner sittlichen Idee sich selbst bewusst
gewordenen Staate überhaupt inhärirt; es fällt mit
dieser zusammen und ist somit ein rein kollektives Recht,
welches für den einzelnen Träger, der aus der Idee des
Ganzen herausfällt, nie aber für das Ganze selbst verloren
gehen kann. Dagegen ist im hierarchischen System von einer
solchen immanenten Berechtigung überall nicht die Rede.
Jenes Recht ist vielmehr immer nur ein historisch von Aussen
überkommenes, ein von jener Autorität, welche hienieden die
Stelle Gottes zu vertreten behauptet, kraft besondrer Verdienste
erworbenes oder von deren Gnade mitgetheiltes. Ist
es aber irgendwie von dieser Seite erworben, so ist es auch
verlierbar und zwar bloss durch einen oft recht in der sittlichen
Nothwendigkeit des Staates liegenden Ungehorsam gegen jene
Autorität, von der es ausgeflossen, und reduzirt sich daher
in letzter Instanz nur auf das zufällige Recht einer einzelnen
gehorsamen Person oder Dynastie. Die Geschichte bestätigt
diese Bemerkung so vollkommen, dass nicht nur zu Zeiten
die Verfechtung des göttlichen Rechtes der Könige in jenem
striktern, umfassendern Sinne einen Hauptvorwurf gegen den
Protestantismus von Seiten seiner hierarchischen Gegner begründet
hat, sondern auch da, wo im Einzelnen der Protestantismus
in eine falsche hierarchische Form sich kleidete,
wie in der englischen Hochkirche, sogleich die Behauptung
des göttlichen Rechtes der Könige zur eigensinnigen Vertretung
dynastischer Anspruche zusammengeschrumpft ist. Die
Hierarchie verficht so im göttlichen Recht der Könige bloss ihr
eigenes. Ebenso deutlich, wie in der ganzen Ansicht von jenen
Verfassungsformen, charakterisirt sich die jesuitische Staatsweisheit
auch in deren praktischer Handhabung. Wie in
ihrer Theorie losgerissen von der höhern ethischen Voraussetzung,
so steigert sie praktisch die Volkssouveränität zur absoluten
Emanzipation alles politischen Subjektivismus der
Menge, und leitet dadurch zu perennirender Unordnung, gesetzlosem
Terrorismus und Anarchie; die Monarchie aber
wird unter ihrer Hand zur unbedingten Preisgebung des
Ganzen an den subjektiven Willen des Einzelnen, zur Despotie.
Vergleichen wir beispielsweise die Zeiten der Ligue,
die Zeiten Ludwig's XIV., oder überhaupt alle die Zeiten,
wo in den katholischen Reichen dem Staatszwecke der Ordenszweck
substituirt, und mit Aufstellung freier staatsbürgerlicher
Grundsätze nichts anderes bezweckt wurde, als die
Möglichkeit, die durch eine schändliche Moral sittlich vergiftete
Menge gegen jeden Widerstand, der den hierarchischen Tendenzen
geleistet wurde, anheben zu können. Ja die jesuitische
Theorie erlaubte selbst Meuchelmord und Gift, die Praxis
aber verstattete allen niedern Kräften und Sphären des Lebens
die freiere Licenz, um so schmeichelnd die souveräne
Menge auf seine Seite zubringen; während weder die Theorie
noch die Praxis des Calvinismus Gift und Meuchelmord
kennt, und neben den freiesten staatsbürgerlichen Befugnissen
gerade in privatlichen und rein persönlichen Beziehungen die
Individuen der strengsten, rigorosesten Zucht des Gesetzes
unterwarf. *) In dieser gewaltigen Zucht, an welche das Gesetz,
die Familie, die Gemeinde den Einzelnen gewöhnte,
welche alle niedern Kräfte bändigte und oft ein schweres
Joch dem subjektiven Belieben auferlegte, fand der Calvinismus
die sicherste Bürgschaft für die bürgerliche Freiheit,
ihr wahrhaft ethisches Substrat. Sie war die Schule für
seine grossen Einzelcharaktere, die Erzieherin jener freien
Völker, bei denen die Erinnerung an das Gesetz mehr ausrichtet,
als bei dem jesuitisch-emanzipirten Haufen alle
Schrecken der Gewalt.
Bedürfte es noch eines Beweises für die Verknüpfung
der jesuitischen Staatsweisheit mit ihren geschichtlichen Antecedentien,
so wäre es ihre Parallele in Nikolo Macchiavelli.
Er gehört jenem Raffinement humanistischer Aufklärung
an, welches in Italien um die Zeit der Reformation
die Geister beherrschte, und von welchem sich die Reformation
darum so frühe und bestimmt lossagte, weil es ihm an religiöser
und sittlicher Tiefe, an Ehrlichkeit im Streben nach
einem Bessern mangelte. Wie Leonardo Aretino und
Pietro Bembo den Unglauben an die Religion innerhalb
der Kirche, so repräsentirt Macchiavelli den Unglauben
an die Sittlichkeit innerhalb des Staates. Wie die jesuitische
Doctrin bei ihrer engen Verbindung, so wurzelte Macchiavelli,
selbst bei dem entschiedensten Zerfallensein mit dem
Papstthum, mit seinem ganzen Staatsbegriffe noch innerhalb
desselben und zeigt was solche Gewöhnung vermag. Nach Willkühr
und Zufall wählt sich der Staat seine Zwecke. Das einzige
Ziel ist: entweder von andern nicht beherrscht zu werden, oder
über andere zu herrschen. Dabei ist sein Wahlspruch: "gerecht
ist, was zu meinem Zwecke führt." Er erkennt nur
Ein Verwerfliches: die Schmach zu wollen und nicht zu vermögen.
Er nimmt die menschlichen Dinge nicht wie sie sein
sollen, sondern, nach seinem eignen Ausdruck, wie sie sind;
wir dürfen sagen: wie sie in dem Bankerott an edler Gesinnung,
Treue und Rechtlichkeit, der ihn in Italien umgab,
waren. Daher die empörende Gleichgültigkeit gegen
das Sittliche, mit welcher er den Fürsten empfiehlt die Abkömmlinge
verwandter Dynastieen aus dem Wege zu räumen;
womit er untersucht, wann es gut sei sein Wort zu halten,
wann nicht; wie einer der durch Verbrechen auf den Thron
gelangt ist, es anzustellen habe, um ihn zu behaupten. Er
findet in Cäsar Borgia sein Ideal eines klugen Fürsten. *)
In Summa: bei Macchiavelli, welcher von dem gleichen
Prinzip ausgeht, finden wir schon die ganze spätere jesuitische
Doctrin über Moral und Politik.
Suchen wir nun, was im Begriff und Wesen des calvinistischen
Staates liegt, auf seinen abstrakten Ausdruck zu
bringen, so wird es im Folgenden bestehen: der Staat ist
ein in sich selbst Berechtigtes, Positives, eine zu Verherrlichung
ihres Urhebers dienende Auseinanderlegung der Ordnung
Gottes, an welcher, wie an Gott selbst, Alle Theil
haben, zwar in verschiedenen Abstufungen, jedoch so, daß
die äußere Garantie jener Ordnung in letzter Instanz in
dem Gesammtwillen aller Einzelnen ruht, Alle gewissermassen
solidarisch dafür einzustehen haben, und keiner der Abstufungen
der öffentlichen Gewalt für sich eine spezifische Absolutheit
einwohnt; die Verfassungsgesetze sind die formellen Medien der
Erreichung jenes obersten Zweckes, enthalten aber ihre wahre
Richtung und Gewähr nicht in sich selbst, sondern in der
ungetrübten, aufrichtigen Uebereinstimmung des Willens
ihrer Träger mit jenem obersten Zweck; die bürgerliche Freiheit
besteht in der unverkümmerten Einwirkung des Einzelnen
auf die Leitung des Staates nach dem ihm von Rechts wegen
zukommenden Maass; gesichert ist sie aber nur durch jene
sittliche Erziehung, die in jedem Einzelnen die Ordnung
Gottes zu verwirklichen strebt, durch Hineinbildnng in den
Geist des Ganzen und Gewöhnung an freudig selbstverleugnende
Unterordnung der Subjektivität unter die als göttlich
und vernünftig erkannten Normen.
Offenbar konnte diesem System keines schroffer entgegentreten,
als ein solches, das den Staat jenes höhern Zwecks
und Inhalts beraubte und ihm einen willkührlichen anderweitigen
unterschob; das die Verfassungsgesetze von ihrem
ethischen Substrat ablöste und zu einem blossen Mechanismus
degradirte; das an die Stelle der Selbstverleugnung und
vernünftigen Willensbestimmtheit eine absolute Emanzipation
des Individuums setzte und in der unbedingten Willkühr des
Subjekts das Wesen der bürgerlichen Freiheit fand. Ein
solches System bildete sich unter Einwirkung der gleichen
Faktoren, welche von nun an auch die Freigeisterei im Religiösen
vornehmlich erzeugten, nämlich unmittelbar aus dem
üppig wuchernden Samen der jesuitischen Doctrin und Praxis
in Frankreich, mittelbar aus dem hierarchischen Starrsinn
des hochkirchlichen Protestantismus in England und den
Bizarrerieen der Sekten, welche er im Gefolge hatte. Unser
Zweck erfordert, dass wir auch dieses System in seiner
Entwicklung übersichtlich verfolgen. Es ist der Deterioratsprozeß
der calvinistischen Freiheitsideen.
Das unter den Stürmen einer Staatsumwälzung in
einem patriotischen, aber schroffen Gemüth erwachte Bedürfniss
des Friedens um jeden Preis erzeugte des Thomas
Hobbes bizarre Theorie von der Nothwendigkeit einer
mit ausnahmsloser Unumschränktheit in Staat und Kirche
über die zufällige Willkühr der Individuen und ihrer Meinungen
herrschenden Fürstengewalt. Was darin durch Verkennung
der Rechte der Subjektivität und der Dignität des
Gewissens, durch subjektivirende Auflösung der Begriffe gut
und böse für die Sittlichkeit des Staates verloren ging,
konnte die nur zum Theil gelungene Konstruktion des Souveräns
als des vernünftigen Gesamtbewußtseins der Nation,
eine trübe Vermischung der idealen und empirischen Ansicht,
nicht ersehen. Das bellum omnium contra omnes als Ausgangspunkt
genommen, führte, consequent, verfolgt zu dem
in todter Einheit bestehenden Frieden, als oberstem Staatszweck
an sich, anstatt durch das Medium des Friedens, unter
dem Wechselspiel individuell verschiedener Kräfte den Staat
zu einem lebendigen sittlichen Organismus zu gestalten. *)
Zu einem ähnlichen Ziel, wie Hobbes, gelangten gleichzeitig
auf entgegengesetztem Weg zwei andere Richtungen,
sonst streng dem Prinzip der Theilung der öffentlichen Gewalt
huldigend, die Lockesche und die des nordamerikanische Puritanismus.
John Locke, der berühmte Vertheidiger der in
jener Zeit so schreiend verletzten Toleranz, indem er bewies,
dass die Regierung mit dem religiösen Leben ihrer Unterthanen
sich schlechterdings nicht zwangsweise zu befassen habe,
gelangte hiebei zu einer scharfen Trennung des Staats von
der Kirche, dabei aber auch zu einem Begriff vom Staat,
welcher diesem nur die Sorge für das leibliche Wohl der
Menschen übrig liess **). Er beabsichtigte hiemit die Wohlfahrt
des Staates vor Störungen von Seiten eines intoleranten
Kirchenthums sicher zu stellen, welches damals England
noch zu keinem dauerhaften Frieden kommen lassen zu
wollen schien. Die Puritaner Nordamerika's dagegen
waren meist Solche, welche, theils um dem Druck des von
dem Staatsoberhaupt, besonders unter den Stuarts, mit
schneidender Härte gehandhabten Kirchensupremats zu entgehn,
theils weil sie auch unter Wilhelm lIl. in ihrer
Hoffnung auf völlige Religionsfreiheit sich getäuscht sahen,
um in ihrer kirchlichen Konstituirung frei zu seyn, in die
transatlantischen Kolonieen ausgewandert waren. Hier in
den Einöden von der Regierung theils unbeachtet, theils
wie der Quäkerstaat Penns, durch besondere Verhältnisse
rücksichtlich ihres gemeinheitlichen Zusammenlebens mit vielen
Vergünstigungen bedacht, gründeten sie Gemeinschaften nach
jenem idealen Zuschnitt, welcher durch die lange Unterdrückung
dem Gedankenkreis Aller als das Höchste sich dargestellt
hatte. Da aber in der Kirche sich ihnen einseitig alles höhere
Interesse allein concentrirte, so blieb auch in ihrer Ansicht
dem Staat, wie bei Locke, nur die Sphäre der leiblichen
Wohlfahrt übrig; gegen alles Uebrige hat er sich indifferent
zu verhalten. Beide Ausgangspunkte, hier der kirchliche,
dort der staatliche, führten auf das gleiche Ziel. Daher es
trefflich zu den schon vorhandenen Elementen der Kolonialbevölkerung
passte, wenn Locke, aufgefordert von den acht
Lords, denen Karl II. das Land als Eigenthum verliehen
hatte, für den neuen Staat Carolina 1669 eine Verfassung
in seinem Sinne entwarf. *)
Weiter entwickelt auf der Grundlage umfassender historischer
Deduktion wurden die Doctrinen der englischen Reflexionsphilosophie
durch Montesquieu. Er wurde ihr
bewunderter Herold für das ganze achtzehnte Jahrhundert.
"Zwei Rücksichten", sagt eine scharfsinnige Beurtheilung **),
müssen bei Beleuchtung seiner Ansicht leiten. Erstens, was
ist ihm der am meisten gebilligte Zweck der geselligen Ordnung?
zweitens, welcher Art sind die Handlungen und
Gesetze, die er zur Erreichung des Zwecks empfiehlt? Was
das erste betrifft, so ist ihm... der Zweck des Staats und
jeder Verfassung nur Stärke und Sicherheit der Regierung.
Ausserdem gesicht er jedoch zu, dass sich jeder Staat noch
einen besondern Zweck vorsetzen könne. Hier sei das Rathsamste,
ihn nach den Verhältnissen, den Mitteln, die zu
Gebote stehen, einzurichten. Aber als den höchsten Zweck,
den ein Staat wählen soll, wenn er ihn zu erreichen vermag,
betrachtet Montesquieu unverkennbar die politische
Freiheit, die er auch von der englischen Verfassung wirklich
angestrebt und erreicht glaubt. Diese politische Freiheit,
wie er sie bezeichnet, besteht nun darin, das die Regierung
den Regierten nicht zu nahe trete, kein Missbrauch von der
öffentlichen Gewalt gemacht werde. Der Staat soll gewissermassen
das Uebel, welches er mit sich führt, selbst wieder
einschränken, und indem er auf die, um welche es zu thun
ist, die Bürger, eine Gewalt übt, soll er noch eine andere
dagegensetzen, welche die erste, so viel es möglich ist, aufhebt.
Die blosse Entfernung des Hindernisses, und zwar
eines von ihm selbst herbeigeführten Hindernisses, ist also
die höchste Aufgabe des Staates. Ein positiv Gutes, eine
Herrlichkeit in seinen eigenen Einrichtungen und in dem
Leben, dessen Form, Träger und Schirmer er ist, konnte
sich auch hier nicht als Aufgabe darstellen, weil das einen
Zweck und Mittelpunkt außer dem einzelnen Menschen hereinbrachte.
Die Politik hat solcher Art ein negatives Ziel...
Sieht man nun aber für's zweite auf das Mittel, wodurch
Montesquieu den vorhandenen Zustand seinem Zweck verbindet,
so ist es die Berechnung eines mechanisch nothwendigen
Erfolgs der Gesetze, die er überall anwendet...
Daher kommt er zu dem Systeme des Gleichgewichts der
Gewalten, die so bestellt seyn müssen, das jede an sich selbst
einen Trieb, und an der andern einen Widerstand findet,
der dennoch wieder nicht so weit reichen kann, dass er ihren
Trieb und daher den Wechselwiderstand aufhöbe.... So
schließt und erhält sich das Werk durch immer enger in einandergreifende
Räder, und es müsste das Trefflichste geben,
wenn in der Schöpfung ausser dem freien Willen noch ein
perpetuum mollie zu finden wäre. Montesquieu ist zu geistreich,
um mit vollständigem Vertrauen eine Verfassung zu
suchen, die sich selbst erhält, es hat sich aber seit ihm die
Lehre ausgebildet, die Verfassungen müßten in jeder Hinsicht
so eingerichtet seyn, daß die Regierenden ihre Aufgabe
nicht bloss erfüllen werden, sondern nicht unerfüllt lassen
können. Der Freiheit dürfe nichts überlassen werden, sondern
alles muss mit unausbleiblicher Nothwendigkeit in Erfüllung
treten."
Bei aller Achtung vor Montesquieu's persönlichem
Charakter und dem Ernst seiner spätern wissenschaftlichen
Thätigkeit, lässt sich doch auf keine Weise verkennen, dass
jenes beliebige Wählen in Zweck und Mittel, welches wir
bei Macchiavell und den Jesuiten antrafen, auch das
Wesen seiner Richtung ausmacht. Was seinen Zweck in sich
selbst trägt, erscheint bei ihm als Mittel für anderes und
so werden Ehre, Tugend, Religion darnach beurtheilt, ob
sie geeignet seien, diese oder jene Verfassung zu erhalten.
Von dieser Seite, noch mehr aber als Verfasser der lettres
persannes half er gewiss wenigstens mittelbar in Frankreich
jene Litteratur begründen, welche dann Religion und Sittlichkeit
im gröbsten Materialismus und leichtsinniger Freigeisterei
erstickend, im Dienst der schüttelten Selbstsucht und
Eitelkeit, auch innerhalb des Staates nur die Triebkräfte
des verwerflichsten Egoismus anerkannte und mit den Grundsätzen
und Formen bürgerlicher Freiheit ein verwerfliches Spiel
trieb. In weit höherem Maasse als der esprit des lois, gab
jene Jugendarbeit Montesquieu's für die Gattung von
Schriftstellerei den Ton an, welche unterhaltend und leicht
geschrieben wie ein Roman, die neue Wissenschaft der Spekulation
über Regierung und Gesetze in's Leben und in die
Unterhaltung brachte, und auch diejenigen, welche an dem
Wohl der Menschheit gar keinen aufrichtigen Antheil nahmen,
in die neueröffnete Modeunterhaltung einzugehen nöthigte *).
Wie ein verheerender Strom ergoss sich in den Schriften des
Jesuitenschülers Voltaire und der Encyklopädisten
diese leichtfassliche, ästhetisch einschmeichelnde, kaustische Litteratur
über Frankreich und von da über den ganzen Kontinent.
Sie griff im Kampf gegen weltlichen und geistlichen
Despotismus vieles Böse mit Erfolg an, pflanzte aber nirgend
etwas eigentlich Gutes, denn die wahrhaft fruchtbaren
Ideen, welche sie verbreitete, gehörten ursprünglich nicht ihr an.
Sie wurde die Mutter eines republikanischen Atomismus, einer
Freisinnigkeit ohne wahrhafte Liebe zu Vaterland und Volk,
ohne sittliche Begeisterung, ohne Glauben an dieselbe, einer
Politik des gemein-verständigen Raffinements, welches über
alles Ideale längst hinaus ist, einer Politik des aufgeklärten
Subjekts.
Den Schriftstellern dieser Klasse zur Seite steht J. J.
Rousseau. Der Unnatur des höfischen Ceremonienwesens
entgegen war schon im 17. Jahrhundert die arkadische Schäferei
Mode geworden. Man hatte mit diesem vermeintlich reinsten
Naturzustand als pikantem Gegensatz zierlich getändelt.
Rousseau war es jetzt, welcher, erbittert durch das Gezwungene,
Er- und Verkünstelte, Naturwidrige, welches so viele
Verhältnisse seiner Zeit beherrschte, mit der ganzen Gewalt
eines stürmischen, aber unklaren Gefühls und einer feurigen
Einbildungskraft sich in den gleichen Gegensatz warf, um
in Staat und Erziehung, in Religion und Moral, Zwang,
Sklaverei, Aberglauben und Pedanterie zu bekämpfen. Aber
die Staatslehre, welche er in dem contrat social und andern
bekannten Schriften entwickelte, trug ohngeachtet vieles Richtigen
im Einzelnen, doch im Ganzen dieselben Widersprüche
in sich, wie sein Leben, welches, obwohl auf die Bekämpfung
des Schlechten gerichtet, doch von der allgemeinen Verderbtheit
der Zeit sich nichts weniger als frei erhielt. Rousseau
setzte als das Primitive einen unschuldvollen, bei völliger
Gleichgültigkeit gegen etwas Höheres in Essen, Trinken und
Befriedigung des Geschlechtstriebes glückseligen Naturzustand
des Menschengeschlechts, aus welchem dasselbe durch die steigende
Entwicklung seiner Anlagen zuerst unter den Fluch
der Civilisation gerieth und dann auch in das Elend, den
Zwang, die Sklaverei des Staates hinübergetrieben wurde.
Ist es nun nicht thöricht, bei einer solchen Ansicht vom
Staate, die ihn aus einer Ordnung Gottes zur gemeinsten
menschlichen Misere umstempelt, darüber zu jammern, dass die
Begriffe von Vaterland, Bürgertugend u. s. w. keine Bedeutung
hätten? Hat der Gefangene wohl je Liebe zu seinen
Ketten? Ist der Staat an sich das Naturwidrige, so lässt
sich nicht begreifen, wie alles das, was nur das Produkt einer
sittlichen Begeisterung sein kann, in demselben seine Heimath
finden soll. Ist die individuelle Beschränkung an sich ein
Uebel, woher soll die Freudigkeit kommen, in die vernünftige
Nothwendigkeit des Staats mit aufrichtiger Liebe einzugehen,
und aus ihr die von Rousseau postulirten Bürgertugenden
zu entwickeln? Letztere haben daher in Rousseau's
Staat eine eben so prekäre Existenz, als seine neue
Moral der Empfindsamkeit, welche die tugendhaften Subjekte
der neuen Heloise in die seltsamsten Widersprüche gerathen
lässt. In seiner Staatsverfassungslehre führt ihn Oberflächlichkeit
und die dem Gefühlsmenschen meist anhaftende Unfähigkeit
zur objektiven Auffassung der Geschichte, zu Verflüchtigung
des vorhandenen Vorraths freierer Begriffe in utopische
Abstraktionen. So seine Volkssouveränetät. Aus der Theorie
von der staatlichen Zwangsanstalt folgt, dass jene nichts
anderes sein kann, als die möglichste Freigebung der schlechten
Subjektivität, um ohne höhere Antriebe, ohne andere Motive
als die der — wenn auch Versteckten — Selbstsucht Gesetze
beliebig aufzustellen und wieder zu verändern. Um das
Subjekt möglichst naturzustandlich ungenirt zu lassen, wird
endlich jede repräsentative Form jener Souveränetät verworfen.
Es schlägt sonach die Theorie von der höchsten Freiheit so
gefasst nothwendig in die Praxis der grössten Tyrannei um.
Insofern daher Rousseau's mit sich und der Welt uneiniges,
verbittertes Gemüth von allem Bestimmten, Festen,
Eckigten des Staats, kurz von Allem, wodurch sich der Staat
als Schranke der Willkühr des Subjekts zu empfinden gibt,
nur sentimental affizirt wurde, haben auch seine Konstruktionen
keine andere Basis, als die grosse Wasserwüste des
Sentiments. Er bildet so den kontradiktorischen Gegensatz
zu dem altprotestantischen Staatsbegriff, insbesondere zu dem
strengen, herben Wesen des calvinischen Staates, und der
gemessenen Zucht, unter welche dieser das Individuum stellte.
Wenn unter dem Rigorismus des letztern vielleicht manches
weichere Herz verblutete, so ward durch Rousseau's regellose
Gefühligkeit gewiss eben so viel Tüchtiges und Kernhaftes
an Menschen und Institutionen empfindsam aufgelöst,
und den Prätensionen des Individuums ein gefährlicher Spielraum
eröffnet. Freiheit und Nothwendigkeit wurden beide
rein abstrakt genommen und blieben dadurch unversöhnt.
Als Begründer einer Politik des sentimentalen Subjekts
wirkte Rousseau auf das öffentliche, durch seine pädagogischen
Ideale aber auf das Privatleben gewiss eben so zersetzend,
als jene Aufklärlinge, neben denen er sonst vermöge der Redlichkeit
seiner Ueberzeugungen als eine Art von Heiliger dasteht.
Gerade die edlern Gemüther, welche in jener Zeit des Erwachens
zu einem veränderten Leben die Steifheit, das Gezwungene,
Erkünstelte und Entartete in den Verhältnissen
der Menschen und der Stände durchschauten, diese der Natur
näher bringen wollten, und vor denen zurückschauderten, die
mit bitterem Hohn und Spott bloss auf Zerstörung auszugehen
schienen, wendeten sich Rousseau zu, und verschafften
enthusiastisch seinen Lehren Eingang *).
Was auf diesem Wege in den allgemeinen Gedankenkreis
des Zeitalters übergegangen war, das suchte man in
zweien grossen Ländern des alten und des neuen Kontinents
zu verwirklichen, in Nordamerika und in Frankreich.
In Nordamerika kam den Ideen des 18. Jahrhunderts
die schon im siebenzehnten begründete Lebensgestaltung
entgegen. Die ersten Ansiedler, der Mehrzahl nach missvergnügte
Puritaner, hatten von Anfang an die Prinzipien des
Freistaates mit herübergebracht, und lues:
grösstentheils in
jener schwärmerischen Excentricität, welche mit der Protestation
gegen jegliche Beschränkung der individuellen Freiheit
eine leidenschaftliche Verstimmtheit gegen den vollständiger
organisirten Staat überhaupt in sich schloss. In den vasten
Einöden des englischen Nordamerika fand nun aber auch der
abstrakteste Independentismus für die Verwirklichung seiner
Ideale den erforderlichen Raum, und so kam es, dass in
diesen entfernten Territorien, die Verhältnisse überwiegend
eine solche Gestalt annahmen, dass Kolonie neben Kolonie
und in den Kolonien Familie neben Familie fast naturzustandlich
independent dastand, und jede ihre Besonderheit ungenirt
auf's Schroffste hervorarbeiten, in derselben sich verhärten
konnte. Als nun der anfänglich kaum empfundene
Scepter des Mutterlandes ungereimten Druck über die Kolonien
verhängte und den siegreichen Kampf für die Unabhängigkeit
provozirte, begegneten sich im Aufbau des Staatsgebäudes
der Union im vollesten Einklang der einheimische
Independentengeisl und die politische Weisheit der neuesten
Aufklärung Europa's. Die Aufklärungsenthusiasten fanden
in dem bürgerlichen Atomismus nordamerikanischer Zustände
die Wirklichkeit ihrer Ideale, die Amerikaner in den Theorien
der geistigen Coryphäen des verbündeten Frankreich den
abstrakten Ausdruck für ihr Gewohnheitsleben. Kein Wunder,
dass auf diesem Wege letzteres nach seiner ganzen schroffen
Einseitigkeit in der neuen Verfassung stereotypirt wurde.
Die Vereinigung zu einem Bunde war ein wesentlicher Fortschritt
in der staatsbürgerlichen Entwicklung. Aber weder
die Verfassung des Bundes, noch die der einzelnen Glieder
desselben nahmen ein Prinzip auf, welches den Staat der
Sphäre des gemeinen äussern Bedürfnisses entrückt und zu
einem höhern Selbstbewusstsein geführt hätte. Eine abstrakte
Freiheit, jedes wahrhaften Organismus entbehrend, die Freiheit
der Steppe, des Waldes, der Trappers und Farmers
wurde unbedenklich in das geschlossenere bürgerliche Zusammenleben
übergetragen, wurde das vergötterte Palladium
des neuen Staatenbundes, und dieselbe anstatt unter den
Schutz einer sorgfältig gepflegten ethischen Erziehung des Bürgers,
allein unter den eines blossen Verfassungsmechanismus
gestellt. So durch Ausschliessen der concreten Vernunft von
innerer ungeheurer Widersprüche, ohne irgend welche wahrhaft
erfreuliche Hervorbringungen, abstossend durch den narkotischen
Geruch selbst seiner arn meisten prangenden Blüthen
steht dieser Staatenbund da, und der Tag scheint schon jetzt
nicht ferne, an welchem seine eigenen Prinzipien sich vernichtend
an ihm vollziehen werden.
In Frankreich aber erzeugte der Despotismus der
unter Ludwig XIV. völlig gegensatzlos gewordenen Monarchie
zuletzt die Revolution. In stürmischem Drang stürzte
sich nun die Nation über den Vorrath freierer, politischer
Ideen her, welcher während des 16. Jahrhunderts allerdings
zunächst in ihrem Schoos erzeugt worden war. Aber das
achtzehnte Jahrhundert war nicht mehr das sechszehnte; die
französische Nation war jetzt nicht mehr die von damals;
jene Ideen nicht mehr die gleichen, wie vor Zeiten. Mit
der Unterdrückung der Reformation und des Hugenottenthums
hatte man die edlere Blüthe der Nation überhaupt
geknickt, den Keim ihrer organischen Fortbildung zu einer
höhern Existenzform ausgerottet. Unter der Herrschaft des von
den Jesuiten restaurirten Katholizismus konnten die Franzosen
zwar in Ausbildung des raffinirtesten Weltverstandes
und der äussern Glätte ihrer Formen jene Fortschritte machen,
welche lange Zeit so laut bewundert worden sind; aber wir
sehen hier nur an einer ganzen Nation im Grossen, was
die Geschichte als das Ergebniss der jesuitischen Pädagogik
immer auch im Einzelnen gezeigt hat: unter einer äusserlich
glänzenden Hülle lagen inwendig nur grause Todtengebeine
verborgen. Die tiefern Bedürfnisse des vernünftigen Geistes
blieben bei den jesuitischen Lehrmeistern ungestillt; der Entwicklungstrieb
zu den höhern Zielen der Menschheit wurde,
so oft er sich regte, niedergehalten, mit den erhabensten
Ideen von den Lehrern selbst ein heuchlerisches Spiel getrieben,
von ihrer verderbten Moral der Geist des Volkes bis in's
Innerste vergiftet. Indem der dem Menschen so tief eingepflanzte
Forschungstrieb nicht im Protestantismus ein reines,
tüchtiges Organ fand, bildete sich jene ungeheure Kluft innerhalb
der Nation, die noch bis heute nicht ausgefüllt ist.
Der geistige Fond des Volkes ward im Allgemeinen unter
dumpfer Bigotterie erstickt, welche die niedern Stände in
jedem Priesterrock einen Gott erblicken liess. Wo aber eine
reichere, natürliche Begabung Widerstand leistete und in den
höhern Kreisen der Gesellschaft, da wusste man bald in dem
ganzen Weltall keinen Gott mehr zu finden; der erwachte
Zweifel an der Berechtigung der geistlichen und weltlichen
Autoritäten erwuchs zum schrankenlosen Unglauben an Göttliches
und Menschliches überhaupt, die gewonnene Aufklärung,
die zur Organisirung bestimmten Säfte wurden immer
ätzender und auflösender und arteten von der Polizei der
Minister-Kardinäle Anfangs in die schleichende Heimlichkeit
vornehm-geistreicher Cirkel zurückgedrängt, in einen intellektuellen
Aussatz aus, als dessen Aeußerungsform sich jene
kalte, höhnische, glaubens- und sittenlose Modeliteratur
darstellt, welche wir schon oben kennen gelernt haben. In
der Appretur, welche sie hier erhalten, nahm die Nation
nun jene freiern politischen Ideen auf, welche mit der hehren
religiösen Begeisterung, dem strengen, sittlichen Ernst der
Väter ein einiges Ganze gebildet, in ihrer Wissenschaft ihre
Vermittlung gefunden hatten. Was konnte hieraus entstehen?
Nur ein vergebliches Ringen nach einem Gute, welches
sich auf diesem Wege nimmer gewinnen lässt; ein Experimentiren
mit allen möglichen Verfassungsformen, welche
von ihrer idealen Voraussetzung losgerissen im Augenblick
in das Gegentheil dessen umschlagen, was sie leisten sollen;
eine trostlose Danaidenarbeit, ein Kreislauf staatsbürgerlicher
Metamorphosen, von welchen eine der andern das alte Erbübel
jedesmal unvermindert wieder überliefert, ja unter welchen
der Verschlechterungsprozess des öffentlichen und Privatlebens
seine reissenden Progresse in immer krasseren Manifestationen
zu Tage legt und der Nationalgeist durch wüstes Anstürmen
gegen die Unabhängigkeit der Nachbarn die furchtbare
Noth im eigenen Hause zu übertäuben, dem Ingrimm
über die Unfähigkeit mit sich selbst zurechtzukommen Luft zu
machen sucht!
Es liesse sich leicht zeigen, wie die neuerer Zeit oft besprochene
Verachtung der Politik gegen die natürlichen Völkergrenzen
ihre beste Erklärung im Abfall von der sittlichen
Idee des Staates findet. Aber wir müssen hier unsere Betrachtung
schliessen. Möge sie dazu beitragen, eine wichtige
Wahrheit uns näher zu führen! Es ist diese: Die Feststellung
der formellen Rechte Aller durch eine Berechnung der
Gewalten im Staate und eine solche Vertheilung derselben,
wodurch sie sich nach Naturgesetzen gegenseitig am Missbrauch
verhindern, ist ein Gewinn und eine Ehre der unter den
Impulsen der Reformation stehenden neueren Zeit. Ihr ist
die Gestalt der Staaten zu verdanken, durch welche sie allein
erst diesen Namen verdienen, nach der die Ordnung des zu
einem höhern Selbstbewußtseyn erhobenen Ganzen alle Theile
durchdringt, und wonach sie in sich selbst der Freiheit einen
Schutz gegen individuelle Willkühr gewähren. Aber die formellen
Einrichtungen, die Resultate jener Berechnung, sind
doch nur etwas Negatives, für welches eine positive Ergänzung
erst gesucht werden muss. Sie sind Kategorieen, welche
einen positiven Inhalt nicht erst erzeugen, sondern einen
vorhandenen festhalten und zur Erscheinung bringen. Dieses
Positive ist die Gesinnungs- und Willenstüchtigkeit der Staatsgenossen,
der Negierenden, wie der Gehorchenden; die ernste
Zucht, welche jeder zuerst an sich selbst und darnach einer
an dem andern zu üben hat. Diese aber finden wieder nur
in einer vom ganzen Ernst des Christenthums durchdrungenen
und aus seiner Tiefe geschöpften sittlich-religiösen Weltanschauung
ihre Gewähr. Ist diese und die Aufgabe des Staates
sie pflegen und zur Entfaltung bringen zu helfen als höchstes
Ziel nicht mit in Rechnung genommen, ist ihr etwa nur
eine gemeine Klugheitsmoral substituirt, so wird nach dem
Zeugniss einer reichen Erfahrung alle jene Berechnung durch
den Erfolg Lügen gestraft werden. Denn das edle Gut der
Freiheit gewinnt und bewahrt nur der Staat, dessen Bürger
sich innerlich frei zu machen den ernsten Willen haben; keine
Staatsform aber gewährt für die Freiheit eine absolute Garantie,
und kein Verfassungsmechanismus schützt ein Volk
vor den Folgen seiner eigenen Verderbtheit!